Tod einer Weinkönigin - Serafinas Leiden - Andreas Arz - E-Book

Tod einer Weinkönigin - Serafinas Leiden E-Book

Andreas Arz

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Beschreibung

Im Rheingau zieht wieder Unheil herauf. Fast 60 Jahre nach dem mysteriösen Verschwinden der Rheingauer Weinkönigin Serafina Wolf und einer Reihe furchtbarer Brandstiftungen wird im beschaulichen Rheingauer Weindorf Winkel, am historischen Grauen Haus, eine skelettierte Leiche gefunden. Handelt es sich um Serafina? Kommissar Kießling, der Pathologe Dr. Berger und ihr eingeschworenes Ermittlerteam nehmen die Nachforschungen auf. Währenddessen erstrecken sich die Schatten der Vergangenheit in die Gegenwart. Am Oestricher Wahrzeichen, dem Weinverladekran nimmt das Übel seinen Lauf. Eines morgens baumelt eine Leiche am Haken und schockiert erneut die Menschen im Rheingau. Wieder gehen Häuser in Flammen auf und ein mörderischer Unbekannter läutet eine Zeit des Schreckens ein. Kommissar Kießling und sein Team stehen vor einer schier unlösbaren Aufgabe - das Geheimnis um Serafinas Leiden!

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Seitenzahl: 245

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Tod einer Weinkönigin – Serafinas LeidenRheingau Krimi von Andreas Arz

Prolog

Die Weinstadt Winkel im Rheingau, Oktober 1963

Der Rheingau glühte vor Freude und Begeisterung. Nach 1959 durfte sich die weltbekannte Weinregion wieder über eine Deutsche Weinkönigin aus ihren Reihen freuen. Dies bedeutete nicht nur Prestige für die Region, sondern war auch eine Auszeichnung für die ansässigen Weingüter, insbesondere derer aus der beschaulichen Weinstadt Winkel.

Der Nachthimmel war sternenklar. Ein Hauch von kühlem Wind zog über die Köpfe der Menschen hinweg und brachte den Duft von frisch gelesenen Weinbergen in die Gärten des ehrwürdigen Schloss Vollrads. Es war ein Herbstabend wie aus dem Bilderbuch und das Ambiente konnte dem Anlass nicht angemessener sein. Der Riesling floss in Strömen und die Stadtoberen brüsteten sich mit der Tatsache, dass eine junge Frau aus Winkel die deutschlandweite Konkurrenz hinter sich gelassen hatte. Mittendrin im Getümmel stand Hartmut Wolf, dessen Tochter Serafina den Titel der Deutschen Weinkönigin in die Stadt holte. Jeder wollte mit ihm anstoßen und Glückwünsche für seine Tochter hinterlassen. Mit breiter Brust und aufgesetztem Lächeln kam er jedem Prositwunsch nach und übte sich gekonnt in kurzweiliger Konversation. Es war ein Tag der Freude für ihn, doch ein Gefühl des Ärgers überschattete seine Laune, insbesondere bei der Frage, wo denn seine schöne Tochter sei. Sofort setzte er ein diplomatisches Grinsen auf und verwies sein Gegenüber darauf, dass sich seine Tochter gerade für ihren großen Auftritt bereit machte. Ein Bad in der Menge müsse schließlich gut vorbereitet werden, scherzte er immer wieder augenzwinkernd.

Sobald Hartmut wieder einen ruhigen Moment für sich erhaschen konnte, verzogen sich seine Mundwinkel und er blickte wutentbrannt durch die Menge, in der Hoffnung, seine Tochter zu entdecken. Mit aller Gewalt spannte er seine Gesichtsmuskeln an, damit sie ihm nicht noch mehr entglitten. Am liebsten würde er mit einem lauten Schrei quer durch den Schlossgarten seine Tochter zu sich zitieren. Seine Frau Elise erkannte den unterdrückten Zorn ihres Mannes, kam auf ihn zu und packte ihn vorsichtig am Arm.

»Sie wird schon auftauchen. Wahrscheinlich macht sich Serafina gerade für ihren Auftritt zurecht.«

Hartmut schüttelte den Kopf und wischte die Hand seiner Frau von seinem Arm. »Ich glaub das alles nicht. Das ist der wahrscheinlich wichtigste Tag in ihrem Leben und das Gör blamiert mich hier bis auf die Knochen.«

Elise versuchte zu beruhigen. »Sei nicht so streng mit ihr. Du weißt, dass Serafina das Ganze hier nur für dich gemacht hat. Sie wollte weder Weinkönigin werden noch den Rummel um ihre Person ertragen müssen.«

Jetzt entglitten Hartmut doch einige Gesichtszüge und er wurde noch zorniger. Mit mühsam gedämpfter, aber rauer Stimme fuhr er seine Frau an: »Jetzt hör auf. Jeden Tag die gleiche Predigt. Das Kind solle das tun, was es glücklich macht. Ich kann das nicht mehr hören. Sieh dich um!« Dabei zeigte er demonstrativ in die Menschenmenge. »Das hier ist die Zukunft für Serafina und unser Weingut.«

Elise gab auf. Sie hatte keine Chance, gegen die Visionen ihres Mannes anzukommen. Es zerriss sie innerlich, dass sie mit ansehen musste, wie ihre Tochter Tag für Tag unglücklicher wurde. Der Ehrgeiz von Hartmut peitschte Serafina von einer Veranstaltung zur nächsten, immer mit dem Ziel, an die Spitze der gesellschaftlichen Auslese zu gelangen. Dass das Glück seiner Tochter dabei auf der Strecke blieb, kümmerte den ambitionierten Vater nicht.

Ein letztes Mal schwenkte er den Kopf und ließ einen prüfenden Blick durch die Menge gleiten.

»Es reicht!«, fauchte Hartmut, stellte sein Weinglas derart unsanft auf einem der Stehtische ab, dass der Sockel abbrach. Mit schweren Schritten stapfte er los und verschwand in der Menschenmenge. Elise starrte ihrem Mann hinterher, während der gute Riesling aus dem zerbrochenen Glas über die Platte des Stehtisches lief und auf den Boden des Schlossgartens tropfte.

Außerhalb von Schloss Vollrads stand eng umschlungen ein Pärchen und küsste sich leidenschaftlich im Licht des aufgehenden Mondes. Die Szene hätte einem Märchenbuch entsprungen sein können. Er in einfache Kleidung gehüllt, die einen zerlumpten Eindruck hinterließ. Sie, eine junge Frau, die in ein festliches Kostüm gekleidet war und ein funkelndes Diadem auf dem Kopf trug. Ein Märchen, in dem der einfache, arme Bauer seine Königin fand.

Die beiden ließen voneinander ab und blickten sich tief in die Augen. Der junge Mann strahlte verliebt übers ganze Gesicht. Im Arm hielt er eine Frau, deren Schönheit wie ein unendlicher Ozean wirkte, in dem er zu ertrinken schien. Ihre schulterlangen Haare schimmerten im Mondlicht wie edles Rosenholz und die Augen glänzten einem teuren Diamanten gleich.

Leise wisperte sie ihrem bäuerlichen Traumprinzen entgegen: »Könnte dieser Moment nicht ewig andauern?«

Er lächelte und entgegnete: »Warum sollte er enden? Wie ich dir sagte – ein Wort aus deinem Mund und wir gehen fort. Lassen diesen Ort und deinen Vater weit hinter uns.«

Sie löste sich aus der Umarmung. »Du weißt doch, ich kann das nicht. Mein Vater lässt keinen Stein auf dem anderen, bis er mich gefunden hat; und außerdem kann ich meine Mutter nicht allein bei diesem Scheusal lassen.«

Der junge Mann seufzte betroffen. »Ja, das mit deiner Mutter versteh ich. Aber sie wird das schon verkraften. Hier geht es doch um uns und nicht um deine Eltern.«

Entsetzt über die Aussage trat sie einen Schritt zurück.

»Wie kannst du das sagen? Meine Mutter würde das nie verkraften. Sie würde mich verlieren und dafür ein Leben in der Hölle meines Vaters ernten, wo ihr keiner beistehen kann.«

Er versuchte zu beruhigen. »Du hast recht, es tut mir leid, daran hätte ich denken sollen. Aber ich liebe dich so sehr, dass außer dir und unserem Glück nichts mehr in meinen Gedanken existiert.«

Wortlos starrten sich die beiden einen Augenblick lang an, bis sie, fast resignierend, ihn wieder sanft in die Arme schloss. Der Moment währte nur kurz. Ein lauter Schrei durchschnitt die Ruhe im Weinberg.

»Serafina!«, hallte es ihnen entgegen. Noch bevor die beiden sich aus ihrer Umarmung lösen konnten, riss ein heftiger Ruck sie auseinander. Hartmut hatte seine Tochter gefunden, packte sie am Arm und entzweite das Paar.

Er brüllte Serafina an. »Was soll das? Da drin warten Hunderte von Leuten darauf, dass du ihnen die Ehre erweist, und du lungerst hier draußen mit diesem Taugenichts rum!«

Der junge Mann vermochte Hartmut nichts zu entgegnen. Serafina hingegen versuchte, sich gegen die Gewalt ihres Vaters zur Wehr zu setzen. Unter Tränen gab sie sich alle Mühe, den harten Griff Hartmuts von ihrem Arm zu lösen. Es gelang ihr nicht.

Verzweifelt rief sie ihm entgegen: »Hör doch endlich auf. Ich möchte das alles hier nicht. Kann ich nicht mein eigenes Leben führen?«

Der Vater hatte kein Einsehen und zerrte seine Tochter aus dem Weinberg in Richtung Eingang des Schlosses. Dabei raunzte er, ohne Serafina anzusehen: »Genug davon. Mach, dass du reinkommst, ich will keinen Ton mehr hören. Du wirst diesen Mann nicht mehr wiedersehen und jetzt deinen Pflichten nachkommen.«

Er blieb kurz vor dem Eingang stehen, zog ein Stofftaschentuch aus seiner Tasche und hielt es fordernd seiner Tochter hin.

»Wisch dir jetzt die Tränen aus deinem Gesicht und wage es nicht, mich weiter zu blamieren!«

Serafina tupfte sich vorsichtig die salzigen Tränen von den Wangen. Nach einem prüfenden Blick in ihr Gesicht riss Hartmut ihr das Taschentuch aus der Hand und zog seine Tochter in Richtung Tor. Sobald der erste Gast in Sicht war, setzte er eine gute Miene auf, betrat mit Serafina den Schlosshof und präsentierte seine Weinkönigin.

Laut rief er in die Menge: »Ich habe Ihre Majestät gefunden. Sie genierte sich etwas ihrer Freudentränen zur Wahl der Weinkönigin, aber hier ist sie!«

Die Menge applaudierte Serafina, die sich mit einem erzwungenen Lächeln bedankte.

Tage später war Hartmuts Zorn noch nicht ganz verraucht. Trotz des letztendlich erfolgreichen Abends auf Schloss Vollrads ließ er seine Tochter jede Faser seines Ärgers spüren. Serafina hingegen zog sich weitestgehend zurück, sprach kaum ein Wort, führte aber jede der ihr aufgetragenen Arbeiten im familiären Weingut anstandslos aus. Vater Hartmut beobachtete dies über die nächsten Wochen hinweg wohlwollend. Offensichtlich fügte sich seine Tochter den Wünschen ihres Vaters und hatte zudem die Beziehung zu dem jungen Mann aus ärmlichen Verhältnissen abgebrochen. Dies war genau in Hartmuts Sinne. Ein Partner aus der gesellschaftlichen Unterschicht ist einer Weinkönigin nicht würdig. So seine Einstellung. Mit Kalkül lud er ständig Besitzer gehobenerer Weingüter ein. Immer im Blick, dass die Familien einen Sohn im ungefähren Alter seiner Tochter hatten. Er plante, auf diesem Wege ein Bündnis zwischen ihm und einem anderen, elitären Weingut zu schmieden, um den gesellschaftlichen Stand auch in Zukunft zu sichern.

Am Abend des 23. Januar im darauffolgenden Jahr war es wieder so weit. Hartmut wollte sich mit einem kleinen, privaten Fest bei einer der bedeutendsten Winzerfamilien im Rheingau profilieren. Diese hatte zwei Söhne im fast gleichen Alter wie Serafina. Er hoffte, dass er seine Tochter bei einem der beiden erfolgreich unterbringen konnte, zumal jeder junge Mann der bildhübschen Serafina zu Füßen lag.

Hartmut hatte im Salon des Weingutes festlich eindecken lassen. Die Gäste kamen pünktlich und die Atmosphäre quoll über von überzogener, gegenseitiger Höflichkeit. Nach der überschwänglichen Begrüßung fand sich Hartmut in einem Déjà-vu wieder. Serafina war nicht da. Erbost über das Nichterscheinen seiner Tochter zitierte er dezent seine Frau Elise zu sich.

Er flüsterte ihr ins Ohr: »Wo ist Serafina?«

Elise zog unwissend die Schultern hoch.

Hartmut fuhr fort: »Geh nach oben und hol die Göre runter. Ich werde ihr so eine Szene wie auf Schloss Vollrads diesmal nicht so glimpflich durchgehen lassen.«

Elise hatte einen dicken Kloß im Hals. Sie schluckte verängstigt und hoffte, dass Serafina auf ihrem Zimmer war und nur etwas getrödelt hatte. Sie wandte sich ab und wollte unbemerkt nach dem Verbleib ihrer Tochter sehen. Doch so weit kam es nicht. Draußen heulten die Feuersirenen auf. Das laute Geräusch hallte durch die Winkeler Gassen und ließ alle aufschrecken.

»Was ist da los?«, fragte einer der Gäste.

Hartmut blickte aus dem Fenster des Salons und sah unten am Rheinufer hohe Flammen in den Nachthimmel schlagen.

Er rief entsetzt in die Runde: »Feuer da unten am Rheinufer. Ich glaub, das ist das Graue Haus!«

Völlig außer Fassung antwortete Elise: »O mein Gott, nicht das Graue Haus!«

Das historische Steinhaus war eines der Wahrzeichen der Stadt. Über tausend Jahre stand es am Rheinufer und nun schien das Gebäude von den Flammen aufgefressen zu werden.

Von der Neugier gepackt eilte die Gesellschaft zum Ort des Geschehens, wo die Feuerwehr und viele Schaulustige bereits eingetroffen waren. Es war tatsächlich das Graue Haus. Die Flammen loderten ungezügelt aus dem Dachstuhl. War dieser Brand nicht schon entsetzlich genug, ließ ein Anblick inmitten des Feuers an der steinernen Hauswand das Blut in den Adern aller Anwesenden gefrieren. An einem Seil, das an der Wand angebracht war, baumelte das festliche Kostüm der Deutschen Weinkönigin. Fassungslos erblickten Hartmut und Elise sowie alle anderen Serafinas Kleid, das nach und nach von den Flammen verzehrt wurde.

»Was hat das zu bedeuten?«, stotterte Elise in panischer Angst.

Hartmut schüttelte sprachlos den Kopf. In Windeseile wandte sich das Ehepaar um und stürmte zurück ins eigene Weingut. Angekommen, eilten sie durch das Haus bis zum Zimmer ihrer Tochter. Hartmut riss die Tür auf und blickte in den Raum. Überall lag zerwühlte Kleidung auf dem Boden. Im Raum verteilte sich ein seltsamer Geruch. Es war nicht der typische Geruch nach ihrer Tochter. Er war muffig, mutete schmutzig an. Elise blickte in den geöffneten Kleiderschrank. Es schienen einige Teile zu fehlen. Sie lagen nicht bei den zerwühlten Stücken am Boden.

»Wann hast du Serafina zuletzt gesehen?«, fragte Hartmut seine Frau in rauem Ton.

Elise war verstört, konnte fast nicht antworten. Sie entgegnete mit zitternder Stimme: »Gestern Abend. Sie war nicht wie sonst, sprach kaum ein Wort. Aber so ging es schon die letzten Tage. Ich dachte, es wäre nur eine Phase, die sich wieder legen würde.«

Hartmut verlor kein weiteres Wort, starrte nur in den zerwühlten Raum. Langsam tastete sich das Ehepaar weiter vor. Mit jedem Schritt, den sie vor den anderen setzten, und den Bildern des brennenden Kleides am Grauen Haus vor ihren inneren Augen, wuchs eine Gewissheit in ihren Köpfen heran – Serafina war verschwunden!

Ein Weinberg voller Freunde

Gegenwart

Es war ein malerischer Vormittag Ende September. Die Sonne begann gerade Kraft aufzunehmen und schob sich langsam über die Weinberge im Rheintal. Dabei glänzte das Wasser des Rheins wie ein Diamantenfeld, und die angestrahlten Reben warteten darauf, dass von ihnen die reifen Trauben geerntet werden. Genau zu diesem Zweck kraxelten die Winzer mit ihren Helfern durch die Zeilen und waren eifrig bei der Lese.

Aus einem dieser Weinberge hallte es voller Inbrunst: »Verdammt noch mal, wie konnte ich mich darauf nur einlassen?« Mit diesen Worten ließ sich ein Mann zwischen die Rebzeilen plumpsen. Schweißgetränkt und resignierend warf er seine Schere weg, mit der er bereits den ganzen Morgen die reifen Trauben von den Reben trennte. Nach Luft ringend wischte er sich den Schweiß von der Stirn und blieb auf dem Rücken liegen. Vom Fuß des Weinbergs erreichte ihn verhöhnendes Gelächter von zwei Männern, die sich bequem an einen Traktor lehnten. Es waren das Lorcher Urgestein Willi Laggei und der Pathologe Dr. Berger. Die beiden amüsierten sich königlich über die Resignation von Kommissar Max Kießling, der immer noch im Weinberg nach Luft rang. Jeder von ihnen hielt einen Weinrömer, gefüllt mit bestem Lorcher Riesling in der Hand.

Willi rief zu Kießling: »Ei, was is’ los, Bub? Als Polizist müsstest du doch fit wie en Turnschuh sein?«

Dr. Berger ergänzte: »Ach Willi, das war mal. Heute ist ihm sein Wohlstandsbauch im Weg.« Dabei lachten beide lauthals und ließen die Weinrömer zum Prosit erklingen.

Von weiter oben aus dem Weinberg beobachtete ein verliebtes Pärchen ebenfalls das muntere Treiben und konnte sich das Lachen nicht verkneifen. Es waren Kießlings Assistentin bei der Kriminalpolizei, Ella Nilsson, und ihr Freund, der Winzer Arnold Jäger. Alle zusammen ergaben das Quintett, das sich in der Vergangenheit als schlagkräftige Truppe gefunden hatte, um so manchem Bösewicht im Rheingau das Handwerk zu legen. Ihre Abenteuer und die ein oder andere lebensgefährliche Situation hatte die Gruppe zusammengeschweißt und eine wahre Freundschaft unter den Fünfen entstehen lassen. So sind sie auch an diesem Tag zu einer herausfordernden Aufgabe zusammengekommen: der Traubenlese in einem von Arnolds Weinbergen. Der junge Winzer hatte ursprünglich nicht vorgehabt, seine Freunde für diese oftmals anstrengende Arbeit einzuspannen, doch Kießling hatte wieder mal mit einem großen Mundwerk geglänzt und in einer lockeren Weinrunde herum posaunt, dass er einen Weinberg allein lesen könnte. Der Kommissar hatte dabei ganz vergessen, dass er bereits in Kindheitstagen an seine Grenzen gestoßen war, wenn er sich in der Traubenlesesaison ein paar Mark zum Taschengeld dazuverdient hatte. Seine Kondition im Weinberg hatte sich seit den früheren Tagen nicht wirklich verbessert.

Ella und Arnold stapften die Zeilen zu dem am Boden kauernden Kriminalkommissar hinunter. Über beide Gesichter zeichnete sich ein breites Grinsen. Das Paar war offensichtlich in besserer körperlicher Verfassung als Kießling. Außer der durch die Arbeit beanspruchten Kleidung ließ nichts darauf schließen, dass sie sich bereits seit Stunden im Weinberg befanden und die steilen Hänge rauf und runter kraxelten. Arnold trug zudem die große und schwere Butt auf dem Rücken, in welche die abgeschnittenen Trauben geschüttet wurden, sobald die Eimer der Traubenleser voll waren. Wenn diese bis zum Rand gefüllt war, entleerte sie Arnold in den Anhänger, der am Fuß des Weinbergs parkte.

Angekommen bei Kießling fragte Ella spöttisch: »Na, was ist los, heute nichts gefrühstückt?«

Nach ein paar erholsamen Atemzügen entgegnete der Kommissar: »Du hast leicht reden mit deinen fünfzig Kilo auf den Rippen. Ich muss fast das Doppelte mit mir rumschleppen.«

Ella lachte laut. »Was soll denn Arnold sagen? Der schleppt noch die schwere Butt mit sich rum und lässt sich nichts anmerken.«

Der Winzer lächelte dezent und schwieg zu der Aussage. Er genoss das Lob aus dem Mund seiner Liebsten.

Kießling raunte: »Jetzt hör aber auf. Arnold hat auch einige Jahre weniger auf dem Buckel. In seinem Alter hätte ich den Weinberg im Laufschritt abgelesen.«

»Das mag ich zu bezweifeln«, hallte es von ein paar Meter weiter unten. Dr. Berger konnte es sich nicht entgehen lassen, diese Szene ebenfalls zu kommentieren.

Kießling blickte nach unten und zischte: »Sie sind mal ganz still da unten. Während wir uns hier abquälen, habt ihr beide bereits die zweite Flasche Wein aufgezogen.«

»Aber mein lieber Kommissar, Sie wissen doch, ich habe es im Rücken und Willi braucht in seinen Rentnertagen nicht mehr durch die Zeilen klettern.«

»So isses«, ergänzte Willi und fuhr grinsend fort: »Ich bin über fünfzig Jahr’ durch die Hänge geklettert und hab’ mehr Woi’ gemacht, als du im Lebe’ saufe kannst. Jetzt könnt’ ihr junge Leut’ die Arbeit tun und mir schön de’ Keller vollmache’!«

Dabei hob er seinen Weinrömer und stieß inbrünstig mit Dr. Berger an. Arnold indes ging in die Knie und zog den schwächelnden Kommissar, trotz der schweren Butt auf seinem Rücken, auf die Beine.

»Auf geht’s, mein Bester. Ist ja fast geschafft. Noch zwei Zeilen und wir sind fertig für heute. Falls du nicht mehr kannst, Ella und ich …«

Kießling unterbrach Arnold sofort. Ihm war klar, auf was sein Winzerfreund hinauswollte. Er könnte sich zu den Zuschauern begeben, während Arnold und Ella die restliche Arbeit schafften. Dieser Schmach wollte er sich nicht aussetzen. Ihm war klar, welche Häme er von seinem lieben Pathologenfreund Dr. Berger über sich ergehen lassen müsste. Dieser grinste bereits bis über beide Ohren, hoffte, dass der Kommissar die Flinte ins Korn werfen würde und er die Situation voll auskosten konnte. Diesen Gefallen tat Kießling dem Gerichtsmediziner nicht. Voller Tatendrang schnappte er sich Schere und Eimer und stürzte sich auf die verbleibenden Weinbergszeilen.

Arnold grinste und sagte mit einem Wink auf Dr. Berger zu Ella: »Siehst du? Einmal an der Ehre gepackt und prompt wieder voll motiviert.«

Diese entgegnete: »Das war mir klar. Bevor Max Dr. Berger einen Grund gibt, ihn auf ewig aufzuziehen, würde er sich eher die Beine abhacken.«

Mit guter Miene machten sich die beiden ebenfalls wieder ans Werk und schnitten mit dem frisch motivierten Kommissar die letzten Trauben aus dem Weinberg ab.

Nach verrichteter Arbeit versammelten sie sich am Traktor. Willi hatte einen Klapptisch aufgestellt und mit frisch gebackenen Laugenbrezeln und selbst gemachtem Spundekäs zünftig aufgetragen. Dazu fischte er aus der Kühlbox eine Flasche Riesling, zog den Korken und schenkte für alle ein.

Kießling rief ihm in sarkastischem Ton zu: »Nicht für den Doktor, der hat nichts geschafft!«

Willi schenkte derweil weiter die Gläser voll und antwortete: »Ach, jetzt sei doch nit so. Unser Leichedoktor hat mit mir fleißig moralische Unterstützung geleistet.«

Der Pathologe stimmte mit ein: »So ist es, mein lieber Kommissar. Hätte ich Sie nicht derart motiviert, wären Sie wohl morgen noch im Weinberg. So wie Sie gekeucht haben, dachte ich bereits, am Ende des Tages landen Sie auf meinem Tisch in der Pathologie.«

»Sehr witzig«, kommentierte Kießling Dr. Bergers Sarkasmus. Letztendlich wussten beide um den Spaß. Die Art und Weise, sich gegenseitig aufzuziehen, hatte fast schon Tradition bei den beiden und sie ließen wahrlich keine Gelegenheit aus. Nachdem jeder eine Brezel in der Hand hatte und mit einem Glas Riesling ausgestattet war, war alle Pein vergessen und sie genossen den verdienten Lohn nach getaner Arbeit.

Satt gegessen und wieder entspannt sagte Kießling in die Runde: »So kann man es aushalten. Heute bringt mich nichts mehr aus der Ruhe!«

Ella nickte und verzog die Lippen. »Sag das nicht zu laut, sonst …« Noch bevor sie den Satz beenden konnte, rappelte das Mobiltelefon des Kommissars. Fast schockiert zog er es aus der Hosentasche und blickte auf das Display. Seine Gesichtsmuskeln zogen sich zusammen und er erweckte den Anschein, als hätte ihn jemand unsanft aus einem schönen Traum gerissen.

Dr. Berger säuselte: »Ich ahne nichts Gutes.«

Arnold stimmte mit ein: »Ich befürchte auch ein Ende der Gemütlichkeit.«

Kießling blickte noch mal in die Runde und nahm daraufhin das Gespräch an. Entnervt zischte er ins Telefon: »Was ist los?«

Während am anderen Ende der Leitung ein Beamter Kießling berichtete, bemühten sich die Übrigen gebannt, einen Laut zu erhaschen. Sie konnten nichts verstehen, mussten aber mit ansehen, wie sich die Miene des Kommissars mit jeder Sekunde verdunkelte. Nach einigen Minuten des Zuhörens und Schweigens beendete Kießling kurz angebunden das Gespräch. Er senkte das Telefon und grübelte einen Moment in Stille.

Ella fragte: »Was ist los?«

Der Kommissar blickte seine Assistentin an und antwortete: »Leichenfund in Winkel. Wir müssen los!«

Dr. Berger schaltete sich ein: »Hat Ihnen der Kollege bereits etwas Detaillierteres berichten können?«

»Nun ja, nicht viel. Nur so weit, dass Ihr neuer Kunde wohl schon etwas länger am Fundort liegt.«

Dr. Berger entgegnete nichts, runzelte nur fragend die Stirn. Willi machte sich auf zu seinem Kleinbus und winkte die Truppe zu sich. »Auf kommt, ich fahr’ euch runner zu eurem Auto. Ihr wollt den arme Deibel in Winkel doch nit warte’ lasse’.«

Kießling winkte ab und beruhigte: »Keinen Stress. Ich denke, der läuft uns sicher nicht weg.« Dann wandte er sich zu Dr. Berger und Ella und sagte: »Na dann lasst uns mal die Pferde satteln. Es gibt Arbeit!«

Kießling und Dr. Berger stiegen in Willis Bus, während sich Ella noch von ihrem Arnold verabschiedete.

Der Kommissar rief seiner Kollegin zu: »Jetzt lass mal den Arnold in Ruhe, der muss gleich einen ganzen Hänger Trauben abladen.« Dabei zwinkerte er in die Richtung seines Freundes.

Dieser erwiderte lächelnd, während er Ella im Arm hielt: »Jaja, kümmert ihr euch mal um Recht und Ordnung.« Daraufhin drückte er seiner Polizistin noch einen Kuss auf die Lippen und entließ sie zu ihrem Chef.

Willi startete den Motor und knatterte mit dem alten Bus los durch die Weinberge. Unten angekommen wechselten Dr. Berger, Ella und Kießling schnell ins Dienstfahrzeug. Willi kurbelte das Fenster seines Buses runter und rief seinen Freunden hinterher: »Viel Erfolg un’ seht zu, dass ihr den Bösewicht aus ’em Verkehr zieht!«

Kießling winkte und antwortete: »Mach dir mal keine Sorgen. Uns ist noch keiner durch die Lappen gegangen!«

Daraufhin startete er den Motor und fuhr zügig an. Durch Kießlings flotten Fahrstil wechselte Dr. Bergers Gesichtsfarbe umgehend von gesundem Rot zu kreidebleich.

Schwer atmend stöhnte er: »Daran werde ich mich wohl nie gewöhnen.«

Kießling grinste und entgegnete: »Tja, mein lieber Dr. Berger, hätten Sie im Weinberg mitgeholfen, müssten wir jetzt nicht so schnell fahren.«

Der Pathologe knurrte missmutig und klammerte sich an seinen Gurt.

Ella fragte von hinten: »Wo müssen wir überhaupt hin in Winkel?«

Kießlings Miene wurde ernst. Nach ein paar Sekunden antwortete er mit entschlossener Stimme: »Zum Grauen Haus!«

Das Grab beim Grauen Haus

Im kleinen Rheingauer Städtchen Winkel schlug die Glocke der Kirche Sankt Walburga zur Mittagszeit. In den Straßen und Gassen der Gemeinde tummelten sich die Menschen, erledigten ihre Einkäufe, entschwanden in eine verdiente Mittagspause oder genossen einfach nur einen schönen Sonnentag. Normalerweise ein typischer Tag, hätte nicht ein großes Polizeiaufgebot am altehrwürdigen Grauen Haus sämtliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Das besondere Bauwerk, in der Nähe des Rheinufers gelegen, stand schon seit Wochen im Zentrum der Neugier. Nach vielen Jahren in der Bedeutungslosigkeit hatte sich ein neuer Eigentümer gefunden, der den alten Gemäuern neues Leben einhauchte und es zu einem einladenden Restaurant der gehobenen Klasse ausbaute. Die Menschen in der Region nahmen dies mit sehr viel Freude auf, da das Graue Haus einen besonderen Teil der Geschichte in Winkel einnahm. Endlich konnte das historische Gebäude wieder Teil des Ortsgeschehens werden und seine eindrucksvolle Geschichte seinen Gästen erzählen. Zu dieser Geschichte sollte mit dem heutigen Polizeieinsatz ein weiteres Kapitel dazukommen. Eng aneinander standen die Dienstfahrzeuge vor dem Eingang zum Restaurant. Beamte sperrten das Areal rund um das Graue Haus ab, damit sich die Schaulustigen nicht zu weit vorwagten und vielleicht noch den Tatort zertrampelten.

Über die Bundesstraße 42, die zwischen dem Grauen Haus und dem Rhein verlief, schoss ein ziviles Polizeifahrzeug zur nächsten Einfahrt nach Winkel. Ein Beamter vor Ort sah das Auto kommen und hob vorsorglich das Absperrband hoch, sodass das Fahrzeug zum Haupteingang vorfahren konnte. Zügig steuerte der Fahrer das Dienstfahrzeug an den parkenden Polizeiautos vorbei und kam mit einer starken Bremsung vor dem Eingang zum Stehen. Kommissar Kießling stieg grinsend an der Fahrerseite aus. Assistentin Ella folgte ihrem Chef kopfschüttelnd von der Rückbank, während der Pathologe Dr. Berger sich wackelig aus der Tür der Beifahrerseite auf die Straße quälte.

Ella stupste Kießling leicht an und flüsterte: »Du bist doch absichtlich wie ein Henker hier vorgefahren.«

Der Kommissar konnte sich ein diabolisches Lächeln nicht verkneifen und wisperte zurück: »Dem lieben Doktor müssen von Zeit zu Zeit mal die Flügel gestutzt werden, sonst fliegt er uns noch zu hoch hinaus.«

»Ach, komm schon – du bist doch nur angefressen, weil Dr. Berger im Weinberg vorhin einen faulen Lenz geschoben hat.«

Kießling zuckte mit den Schultern. »Wer weiß. In jedem Fall fühle ich mich jetzt besser.«

»Das kann man von unserem Gerichtsmediziner nicht wirklich behaupten«, entgegnete Ella.

In der Tat wankte Dr. Berger um das Polizeiauto herum und rang nach Luft und Fassung. Ermahnend wandte er sich an Kießling.

»Ich schwöre Ihnen, mein lieber Kommissar, irgendwann ist mein Kanal voll und es folgen Konsequenzen, sollten Sie weiterhin so übertrieben fahren, wenn ich an Bord bin.«

Kießling nahm die Drohung des Pathologen gelassen auf.

»Damit kann ich leben. Solange Sie Ihren Kanal nicht in meinen Fußraum entleeren, bleibe ich entspannt. Jetzt aber genug mit dem Gejammer, hier wartet Arbeit auf uns.«

Mit dieser Ansage schob Kießling Ella und Dr. Berger durch den Eingang in den Hof des Grauen Hauses. Mit einem Blick auf das alte Gebäude kehrten die Lebensgeister in den Gerichtsmediziner zurück. Hier war er neben der Pathologie ganz in seinem Element. Durch seine Leidenschaft zu Kultur und Geschichte begann er umgehend sein Wissen mit den anderen zu teilen.

»Wissen Sie beide eigentlich, an welch einem geschichtsträchtigen Ort wir uns befinden?«

Ella schüttelte den Kopf und entgegnete: »Nein, klären Sie uns auf!«

Kießling blickte seine Kollegin sofort scharf an und murmelte ihr zu: »Bist du wahnsinnig, du weißt doch, was jetzt kommt.«

Sowie Kießling den Satz beendete, wurde dies auch Ella klar. Dr. Berger setzte zu einer kleinen, privaten Geschichtsstunde an und begann über die Vergangenheit des Grauen Hauses zu referieren. Ella lauschte den Ausführungen des Pathologen höflich, während der Kommissar prüfend das Gelände überblickte. Er erfasste umgehend den Brennpunkt des Geschehens. Zwischen dem Grundstück des Grauen Hauses und dem nächstgelegenen Weinberg, dem Graugarten, war eine kleine Baugrube ausgehoben. Diese war umringt von Beamten und Mitarbeitern der kriminaltechnischen Untersuchung. Kießling wollte sich zum Tatort aufmachen, da zog ihn Dr. Berger am Arm zurück und führte begeistert aus:

»Und wussten Sie, Herr Kommissar, dass das Graue Haus älteren Theorien nach als Wohn- und Sterbehaus des Erzbischofs Rabanus Maurus diente?«

»Rabanus wer?«, fragte Kießling leicht genervt.

»Sagen Sie bloß, Sie wissen nicht, wer das ist«, fragte Dr. Berger entgeistert und fuhr fort: »Er gehörte zu einer der bedeutenden Gestalten der karolingischen Renaissance und war …«

Kießling unterbrach den begeistert referierenden Dr. Berger unsanft. »Ja, wunderbar, mein lieber Doktor. Ich denke, wir haben genug gelernt über Ihren Erzbischof. Wenn Sie Glück haben, haben ihn die Kollegen von der KTU dahinten ausgebuddelt.«

Mürrisch knurrend nahm Dr. Berger die Unterbrechung durch den Kommissar hin und folgte ihm und Ella zum Leichenfundort. Um diesen drängten sich mehrere Beamte der KTU. Eifrig wurden Fotos zur Beweissicherung geschossen und vorsichtig Proben von verdächtigen Dingen in nächster Nähe zur Leiche entnommen.

Kießling trat an das Loch. Es war einen knappen Meter tief. Am Boden trat ein freigelegtes Skelett zum Vorschein. In mühseliger Kleinarbeit wurde dieses von den KTU-Mitarbeitern von Erde befreit. Ein Bagger hatte einen Teil davon bei Vorarbeiten für ein Fundament zu Tage gebracht. Dr. Berger und Ella stellten sich neben den Kommissar und blickten ebenfalls in die Grube. Es war nicht das, was sie erwartet hatten. Kießling schien erleichtert.

»Da liegt aber einer schon länger. Hatte schon befürchtet, wir bekommen es mit einem frischen Fall zu tun«, sagte Kießling unbeschwert.

»Eine!«, korrigierte Dr. Berger.

»Was eine?«, fragte Kießling den Pathologen.

»Eine! Das hier ist ein Frauenkörper«, erklärte Dr. Berger.

»Sie meinen, das war ein Frauenkörper?«, brachte sich Ella ein.

»Vielen Dank, Frau Nilsson, für Ihre scharfe Beobachtungsgabe«, antwortete der Gerichtsmediziner sarkastisch und ergänzte: »Das hier ist eindeutig der Körper einer Frau. So viel kann ich Ihnen mit einem guten Meter Abstand versichern.«

»Na gut, mein lieber Doktor, dann verkürzen Sie mal den Abstand, hüpfen in das Loch und erzählen mir morgen, was wir hier haben.«

»Wie meinen Sie das, Herr Kommissar? Wollen Sie etwa Feierabend machen?«, fragte Dr. Berger entgeistert.

Kießling grinste. »So wie die Leiche ausschaut, ist der Mörder, falls es einen solchen gibt, entweder auf dem Winkeler Friedhof oder im Altersheim. Demnach gibt es hier keinen Grund zur Eile.«

Ella stimmte ihrem Chef wortlos zu. Die KTU und der Gerichtsmediziner mussten in der Tat zuerst ihre Arbeit machen, bevor Kießling überhaupt mit den Ermittlungen beginnen konnte. Kießling winkte in die Runde und wollte sich mit Ella wieder auf den Weg zum Auto machen, da unterbrach Dr. Berger die Aufbruchspläne.

»Warten Sie! Hier ist etwas.«