Todeswasser: Ein Fall für Seiler und Göbel - Zweiter Roman - Andreas Schmidt - E-Book
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Todeswasser: Ein Fall für Seiler und Göbel - Zweiter Roman E-Book

Andreas Schmidt

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Beschreibung

Der Preis für Macht und Reichtum wird mit Blut gezahlt … Jetzt als eBook bei dotbooks: der abgründige Kriminalroman »Todeswasser« von Andreas Schmidt. Sie hat Angst, unfassbare Angst – schließlich hütet sie ein Geheimnis, das die Stadt in ihren Grundfesten erschüttern kann. Die Frau läuft auf die nächtliche Straße und merkt, dass sie verfolgt wird. Es gibt nur eine Möglichkeit, zu entkommen … doch das ist ihr Todesurteil. Als man die Leiche findet, erkennt das Reporterduo Stefan Seiler und Heike Göbel eine Verbindung zu der Story, für die sie seit einiger Zeit recherchieren. Aber die beiden ahnen nicht, dass sie damit einer Gruppe einflussreicher Männer in die Quere kommen. Und die sind bereit, alles zu tun, um ihre Machenschaften zu vertuschen … Jetzt als eBook kaufen und genießen: »Todeswasser«, der zweite Fall für die Radioreporter Seiler und Göbel, in dem auch Andreas Schmidts beliebter Kommissar Norbert Ulbricht auftritt. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 303

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Über dieses Buch:

Sie hat Angst, unfassbare Angst – schließlich hütet sie ein Geheimnis, das die Stadt in ihren Grundfesten erschüttern kann. Die Frau läuft auf die nächtliche Straße und merkt, dass sie verfolgt wird. Es gibt nur eine Möglichkeit, zu entkommen … doch das ist ihr Todesurteil. Als man die Leiche findet, erkennt das Reporterduo Stefan Seiler und Heike Göbel eine Verbindung zu der Story, für die sie seit einiger Zeit recherchieren. Aber die beiden ahnen nicht, dass sie damit einer Gruppe einflussreicher Männer in die Quere kommen. Und die sind bereit, alles zu tun, um ihre Machenschaften zu vertuschen …

Über den Autor:

Andreas Schmidt, geboren 1969 in Wuppertal, begann als Redakteur der Schülerzeitung schon früh mit dem Schreiben. Später arbeitete er als Journalist für zahlreiche Zeitungen und andere Medien, bevor er begann, sich ganz der mörderischen Unterhaltung zu widmen: »Ich liebe den Krimi, weil er so facettenreich ist!«

Der Autor im Internet: www.mordundtotschlag.com

Bei dotbooks veröffentlichte Andreas Schmidt seine Trilogie rund um das Wuppertaler Ermittlerduo Seiler und Göbel (»Todeszug«, »Todeswasser«, »Todesschnitt«) sowie die Kriminalromane »Der Kopf des Toten« und »Tod mit Meerblick«, die den Leser in den Westerwald und an die Nordsee entführen. Auf für ihn ungewöhnlichen Pfaden wandelt Andreas Schmidt in »Wenn aus Chaos Liebe wird«, einer beschwingten Komödie – und beweist, wie meisterhaft er auch diese Tonart beherrscht.

***

eBook-Neuausgabe Juni 2019

Dieses Buch erschien bereits 2003 unter dem Titel Die Wupper-Connection bei KBV

Copyright © der Originalausgabe 2003 KBV Verlags- und Mediengesellschaft mbH, Hillesheim

Copyright © der Neuausgabe 2019 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung von Bildmotiven von shutterstock/Ihnatovich Maria, Fabian Ju, Kamenetsky Konstantion

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-96148-387-7

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Andreas Schmidt

Todeswasser

Ein Fall für Seiler und Göbel – Kriminalroman

dotbooks.

Kapitel 1

Schwarz glitzerte das Band der Wupper im Mondschein. Nur ab und zu war ein leises Glucksen aus dem Flussbett zu hören. Die Sterne spiegelten sich auf der gekräuselten Wasseroberfläche.

Ein schwarz gekleideter Mann beugte sich über die kleine Mauer, die die hohle Gasse vom Ufer abtrennte, und blickte hinab zum Fluss. Jetzt wandte sich die Gestalt um. Niemand weit und breit zu sehen. Ein Grinsen legte sich auf das ausgemergelte Gesicht. So war es gut, so sollte es sein.

Ein Blick auf die Armbanduhr. Kurz nach Mitternacht.

Gut so. Der kleine, rote Polo vom Wachdienst war vor einigen Minuten weggefahren. Darauf hatte er nur gewartet. Es würde fast anderthalb Stunden dauern, bis der Typ vom Werkschutz wieder auf der Bildfläche erschien. Bis dahin würde er selbst längst wieder weg sein. Er würde seinen Job zur Zufriedenheit seines Auftraggebers erfüllt haben und um fünftausend Euro reicher sein.

Es galt, keine Zeit zu verlieren. Obwohl sich um diese Uhrzeit keine Menschenseele am Alten Lenneper Weg aufhielt, wollte er nichts riskieren. Die Arbeiter der umliegenden Industriebetriebe waren längst daheim, hockten bei Bier und Chips vor den Fernsehern oder trafen sich in Wuppertals Kneipen. Das alles war ihm recht, kam ihm sehr gelegen. Tausendmal schon hatte er seinen Auftrag in Gedanken erfüllt, tausendmal war er jeden Handgriff durchgegangen.

Er spuckte in die Wupper, stieß sich von der kleinen, halbhohen Mauer ab und huschte über die kleine, verlassene Straße. Das Flachdachgebäude der alten Chemiefabrik ragte wie eine uneinnehmbare Festung in den sternenklaren Nachthimmel. Es gab ein großes, lindgrünes Rolltor und eine kleine feuerfeste Tür seitlich der Fabrik. Durch diese Tür würde er in die Fabrik gelangen.

Die Alarmanlage zu überlisten, war ein Leichtes für ihn. Das System war veraltet – wie die gesamte Fabrik. Er wunderte sich, dass man hier immer noch produzieren durfte. Doch damit würde es bald vorbei sein. Und dafür würde er sorgen. Ein hämisches Grinsen huschte um die Mundwinkel des Schwarzen.

Nachdem er sich ein letztes Mal umgeblickt hatte, begann er seine Arbeit. Er war sicher, dass sein Werk morgen Stadtgespräch in allen Wuppertaler Medien sein würde ...

Kapitel 2

Es gab Momente in Martha Kriegers Leben, in denen sie Hektor hasste. In diesem Augenblick war es mal wieder soweit.

Der kleine Pudel hatte sie geweckt. Winselnd stand er nun vor der Wohnungstür und bedeutete der Rentnerin, was er wollte: Gassi gehen.

»Hektor, du wirst mir auf deine alten Tage wunderlich«, brummte Martha Krieger und nahm den grauen Mantel von der Garderobe. Gähnend warf sie einen Blick auf die Armbanduhr. »Es ist fast halb eins.«

Sie war mal wieder vor dem Fernseher eingeschlafen. Kein Wunder bei dem Programm, dachte sie. Die alte Dame tippte sich bezeichnend an die Stirn. »Um diese Zeit geht kein anderer Hund mehr vor die Tür.«

Kopfschüttelnd schlurfte sie in die Diele ihrer kleinen Wohnung an der Bockmühle und schlüpfte in die bequemen, braunen Schuhe. Während sie Hundeleine und Schlapphut schnappte, sprach sie weiter. »Normale Hunde liegen in ihren Körbchen und machen heia. Nur mein Hektor hat andere Dinge vor.«

Der Pudel blickte mit treuem Blick zu ihr auf und wedelte aufgeregt mit dem Schwanz – jetzt musste es aber schnell gehen, sonst kannte er kein Halten mehr. Schließlich war er nicht mehr der Jüngste.

Kalt pfiff ihr der Nachtwind ins runzelige Gesicht, als Martha Krieger auf die menschenleere Straße trat. Kein Wunder – es war nach Mitternacht, es war mitten in der Woche und es war kalt.

Martha Krieger überquerte die Straße, vorbei an der Pommesbude von Maria, vorbei an der Autowerkstatt an der Ecke Lenneper Straße. »Beeil dich, es ist kalt und ich will ins Bett.«

Das ließ sich Hektor nicht zweimal sagen. Er hockte sich hinter einen Schaltkasten der Post und verrichtete dort sein Geschäft. Die Dame glaubte, dass ihm die Erleichterung ins Gesicht geschrieben stand. Sie lächelte. Der Hund war das Einzige, was ihr aus ihrem alten Leben noch geblieben war. Die Kinder waren längst erwachsen und hatten keine Zeit mehr, ihre Mutter zu besuchen. Herbert, ihr Mann, war im letzten Jahr von ihr gegangen. Er hatte zu viel geraucht und zu viel getrunken, aber auf sie nie hören wollen. Das hatte er jetzt davon.

Und Martha war alleine auf der Welt.

So kam sie sich jedenfalls in dieser Nacht vor.

Hektor zog sie in die kleine, dunkle Gasse am Wupperufer. Das war seine gewohnte Runde. Hier herrschte um diese Zeit kein Betrieb mehr. Es gab nur alte, stinkende Fabriken am Alten Lenneper Weg. Sie erkannte die alte Backsteinfabrik von Stamm und Preuß. Das Gebäude stand schon seit Jahren leer. Unkraut wucherte an der Fabrik empor. Unzählige Graffitis zierten die Fassade.

Nicht eben einer der schönsten Plätze in Wuppertal, aber egal. Martha ließ den kleinen Hund gewähren. Einzelne Straßenlaternen durchschnitten die Dunkelheit in der kleinen Straße.

Plötzlich stolperte Martha Krieger. Die alte Dame ließ die Leine los und ruderte wild mit den Armen. Doch es war zu spät: Ihre sportliche Zeit war seit Jahrzehnten vorbei und so stürzte sie zu Boden. Hart kam sie auf dem Asphalt auf. Sie spürte, wie ihr ganz heiß wurde. Alle Knochen taten ihr weh und sogar Hektor winselte mitleidig, als er sein Frauchen wie ein Häufchen Elend auf dem Boden liegen sah. Sofort war der kleine Hund bei ihr und leckte ihr durch das faltige Gesicht.

»Ist gut, Hektor«, sagte Martha Krieger und richtete sich schwerfällig auf. Die Hüfte machte ihr zu schaffen. Humpelnd erreichte sie das kleine Mäuerchen und lehnte sich daran, während sie sich die schmerzenden Knochen rieb. Über was war sie nur gestolpert?

Mit den Augen suchte sie die Straße ab.

Kein Wunder: Aus einer der Fabriken hatte man einen etwa armdicken Kunststoffschlauch quer über die Gasse gelegt. Der Schlauch verlief über das Mäuerchen. Dort war er unter die Fernwärmeleitung der Stadtwerke geklemmt und mündete schließlich in die Wupper. Eine Flüssigkeit trat aus. Das Wasser im Fluss dampfte.

In der alten Dame schlug eine Alarmglocke an. Dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging, spürte sie. Der Schlauch kam direkt aus der alten Chemiefabrik. Man leitete Abwasser in die Wupper, die hier parallel zum Alten Lenneper Weg führte. Unten am Ufer plätscherte es. Eine schaumige Lache hatte sich um den Austritt des Schlauches gebildet. Gegenstände schwammen an der Oberfläche der Wupper.

Fische?

Schwammen dort etwa tote Fische?

»Diese Schweine«, schimpfte Martha Krieger. Der Sturz war plötzlich vergessen. Sie hatte nur noch Augen für das Werk der Umweltsünder. Sie hasste die Fabrikarbeiter, die den Fluss vergifteten.

»Ich werde die Polizei holen, so geht das nicht«, sagte sie mehr zu sich selbst als zu ihrem Hund. Martha Krieger verdrängte ihren bohrenden Schmerz. »Komm Hektor, bevor noch mehr passiert. Wir holen jetzt die Polizei. Das reicht!«

***

Stefan Seiler wurde förmlich von der Hektik in der Redaktion erschlagen, als er an diesem Morgen das Großraumbüro der Wupperwelle betrat. Gestern Abend im Brauhaus war es aber auch wieder zu gemütlich gewesen. Entsprechend spät war es geworden. Jetzt überforderten ihn die Eindrücke, die nach seinem Eintreffen im Sender auf ihn einprasselten. Das Aspirin hatte schändlich versagt.

Die Kollegen saßen an ihren Schreibtischen und bedachten ihn mit einem Kopfnicken. Betrachteten sie ihn etwa mitleidig?

Aus Lautsprechern tönte das laufende Programm des kleinen Privatsenders.

Stefan blickte sich suchend um, doch von Heike keine Spur. Vermutlich hatte sie Spätschicht.

»Schon von der Sauerei gehört?«, wurde er von Michael Eckhardt, seinem Chefredakteur, empfangen. Eckhardt zog ihn in sein Büro, bedeutete ihm mit dem Kinn, Platz zu nehmen, und sank auf seinen ledernen Chefsessel. Unauffällig musterte Stefan seinen Chef. Eckhardt war Anfang vierzig. Würden seine dunklen Haare nicht zu Berge stehen, als hätte er sie soeben gerauft, wäre da nicht der unzumutbare Krawattenknoten, wäre da nicht der dunkle Kaffeefleck auf dem Hemd – er würde wohl gut aussehen. Dennoch hatte Eckhardt keinen Draht zu Frauen, und so war er stolz darauf, ein glücklicher Junggeselle zu sein. Jedenfalls machte er kein Aufsehen, wenn er einmal in weiblicher Gesellschaft unterwegs war.

»Sauerei?« Stefan schürzte die Lippen. Er hasste es, am frühen Morgen vom Chef abgefangen zu werden.

»Kaffee?« Eckhardt beugte sich vor.

Stefan verneinte dankend. »Wovon reden Sie?«

»Es hat einen Chemieunfall in der Nacht gegeben«, ließ Eckhardt nun die Bombe platzen. Er beugte sich weit vor und legte die Spitzen aller zehn Finger aneinander. »Was rede ich?«, fragte er sich und schüttelte den Kopf. »Kein Unfall. Wir gehen schon jetzt davon aus, dass es sich um ein Attentat handelt.«

Ausgerechnet an diesem Morgen hatte Stefan auf dem Weg zur Redaktion im Auto nicht das Programm der Wupperwelle gehört. Im Schacht des CD-Players lag die neue Scheibe von Bon Jovi und die hatte er in seinem Käfer in voller Lautstärke abspielen lassen. Scheinbar war ihm etwas Wichtiges entgangen. »Ein Attentat?«

»Ja. Man hat die Wupper verseucht. Mit Chromsäure, zwanzig Prozent.« Eckhardt machte eine wegwischende Handbewegung. »Aber der Reihe nach.« Der Boss der Wupperwelle erhob sich und drückte die Tür zu. Das Stimmengewirr aus der angrenzenden Redaktion drang nur noch gedämpft an ihre Ohren. Eckhardt lehnte sich vor Stefan an die Schreibtischkante und bedachte ihn mit einem forschenden Blick.

»Dann nehme ich doch lieber einen Kaffee«, beeilte sich Stefan zu sagen. Es schien mal wieder länger zu dauern. Eckhardt nickte, beugte sich über die Gegensprechanlage und bestellte bei der neuen Volontärin Kaffee. Erst dann wandte er sich wieder Stefan zu.

»Heute Nacht ist ein Unbekannter in eine Chemiefabrik am Alten Lenneper Weg eingedrungen. Er hatte nichts Besseres zu tun, als einen dicken Schlauch in eines der mit ätzender Säure gefüllten Becken zu legen und die Flüssigkeit anzusaugen. Mit diesem simplen Trick hat der Unbekannte das Becken leeren wollen.«

»Moment«, machte Stefan und beugte sich vor. »Ist es nicht Vorschrift, dass in Chemiefabriken die Hallenböden wie riesige, dichte Auffangbecken ausgelegt sind?«

»Richtig«, nickte Eckhardt. »Aber unser Freund war schlauer. Er hat einen sehr langen Schlauch mitgebracht und die Säure direkt in die nahe Wupper plätschern lassen.«

»Das ist ja« – ein Hammer, wollte Stefan sagen, doch in diesem Moment öffnete sich die Bürotür. Sabine, die unauffällige Volontärin, trat mit dem Tablett ein, nickte ihnen knapp zu, errötete bei Stefans Anblick leicht und stellte den Kaffee auf Eckhardts Schreibtisch ab. Dann verschwand sie so leise, wie sie gekommen war.

»Das setzt ein gewisses Fachwissen voraus«, stellte Stefan fest.

Eckhardt nickte. »Und der Einbrecher war mit den räumlichen Gegebenheiten in der Fabrik wohl vertraut. Jedenfalls deuten keine Spuren auf Gewaltanwendung am Gebäude hin. Der Unbekannte muss sich in der Firma bestens ausgekannt haben.«

Stefan pustete in seine Tasse und nippte von seinem Kaffee. »Klingt nach dem Racheakt eines gefrusteten Mitarbeiters.«

»Oder dem Racheakt eines ehemaligen Mitarbeiters«, fügte Eckhardt hinzu. »Aber darüber schweigt sich die Polizei aus. Heute Mittag findet eine Pressekonferenz im Polizeipräsidium statt.«

»An der ich teilnehmen soll?«

»Ja, aber eins nach dem anderen.«

»Wie wurde man auf die Sauerei aufmerksam?«

»Eine alte Dame ging nachts mit ihrem Hund spazieren. Sie stolperte über den dicken Schlauch, der quer über die Straße und direkt in die Wupper führte. Da war es natürlich bereits zu spät.«

»Gibt es Tote?«

»Ja«, nickte der Chefredakteur. »Tote Fische.« Er drehte die Kaffeetasse in den Händen. »Natürlich sind Feuerwehr, Untere Wasserbehörde und THW im Einsatz und tun alles Erdenkliche um eine weitere Verseuchung der guten alten Wupper zu verhindern.«

»Das ist allerdings ein dicker Hund«, brummte Stefan. Er betrachtete seinen Chef über den Rand der Tasse und überlegte, weshalb Eckhardt ihm diesen Vortrag hielt.

»Sie wollen, dass ich bei den entsprechenden Stellen nachhake?«

»Mehr.« Eckhardt holte weit mit beiden Händen aus. »Ich will, dass Sie mit dem Inhaber der Chemiefabrik reden. Ich will O-Töne, Kommentare.«

»Der Mann wird sicherlich schon seit Stunden von der Polizei verhört. Ich glaube nicht, dass er noch an einem Interview interessiert ist.« Stefan zog die Mundwinkel nach unten.

»Im Gegenteil«, erwiderte Eckhardt. »Der Mann ist aufgrund der Tatsache, dass er einen Feind zu haben scheint, in Erklärungsnot. Immerhin gibt es keine Einbruchspuren in der Fabrik. Er ist auch daran interessiert, das Verbrechen so schnell wie möglich aufzuklären. – Mit unserer Hilfe!«

»Aber ...«

»Ich habe ihn bereits angerufen und Ihr Kommen angemeldet. Herr Berger wird Sie empfangen.« Eckhardt leerte seine Tasse und grinste seinen Redakteur verschwörerisch an. Stefan nickte und machte Anstalten, das Büro zu verlassen.

»Ach übrigens«, rief Eckhardt ihm hinterher. »Frau Göbel ist schon unterwegs. Sie spricht mit der alten Dame. Ich bin gespannt, wer die besseren Kommentare aufzeichnet.« Der Boss feixte.

Stefan hatte es gewusst: Sein Chef war unberechenbar, wenn es darum ging, einen guten Radiobeitrag zu bekommen. Er schreckte nicht einmal davor zurück, seine eigenen Leute gegeneinander auszuspielen.

***

Das Haus lag in einem riesigen, parkähnlich angelegten Garten in der Starenstraße in Langerfeld. Ein schmiedeeisernes Tor hinderte ungebetene Gäste am Betreten des Grundstücks. Stefan blickte sich um. Hinter ihm gab es einige schmucke Einfamilienhäuser – nicht aber in der Größe des Hauses, in dem Berger wohnte. Der Fabrikant lebte nicht schlecht hier.

Einen Klingelknopf suchte Stefan vergeblich. In der offenen Garage stand ein protziger Jaguar. Stefans alter Käfer sah daneben aus wie die Parodie eines Autos. Immerhin – der hohe Herr war anscheinend zu Hause.

Der Reporter erblickte ein paar Kinder, die in den mächtigen Kastanienbäumen herumkletterten. Ein Mädchen plumpste lachend aus dem Baum. Die Kinder hatten scheinbar eine Baumbude errichtet. Ein hagerer, blonder Junge schleppte Bretter und Werkzeug herbei, ohne Stefan zu beachten.

»So wird das nichts, Ingo«, rief das Mädchen und schüttelte den Kopf. Ihre langen, schwarzen Haare wirbelten durch die Luft. »Ich hätte das Fenster vom letzten Sperrmüll mitbringen sollen – da war nichts dran! Aber du kennst ja meine Mutter.« Stefan schätzte das Mädchen auf knapp zehn Jahre.

Ingo schüttelte den Kopf. »Du quälst mich«, rief er und rollte mit den Augen. Völlig entnervt stemmte er die Hände in die Hüften.

»Wir sind Sachensucher, sonst würden wir so was da nie hinkriegen.« Sie deutete auf die Bretter im Baum, mit denen die Kinder eine Bude errichtet hatten.

Gerade als das Mädchen an dem Baumstamm hochklettern wollte, klopfte Stefan an das eiserne Tor. »Ähm ... hallo?!«

Der Junge war längst im Baum verschwunden. Über ihren Köpfen raschelte es im Laub. Nur das Mädchen hatte Stefan erblickt. Sie schaute ihn fragend aus ihren großen Augen an. »Ja bitte?«

»Ich möchte zu Herrn Berger, ist der wohl da?«

»Ja.« Das Mädchen trat näher. »Sind Sie von der Polizei?«

»Nein ... ich bin Stefan Seiler, von der Wupperwelle.« Stefan lächelte so charmant wie möglich.

»Ich kenne Sie aus dem Radio. Sie machen immer so coole Sprüche«, sagte das Mädchen erfreut. Ohne eine weitere Frage öffnete sie das Tor und ließ Stefan eintreten. Sie führte ihn durch das kleine Waldstück über weitläufige Wiesen zum Hauseingang. »Sie wollen bestimmt ein Interview wegen ... wegen dem Schmutz in der Wupper, was?«

»Ja.« Stefan nickte.

»Wenn ich groß bin, werde ich auch Reporter«, überlegte das Mädchen und betätigte den vermessingten Klingelknopf am Hauseingang. Drinnen ertönte ein dezenter Gong. »Oder Tierärztin. Mal sehen.« Sie strahlte. »Lehrerin wär auch nicht schlecht.« Dann winkte sie ab. »Geht gar nicht, ich habe ganz vergessen, dass ich Lehrer nicht ausstehen kann.«

Stefan lächelte. Er wollte etwas erwidern, als sich die Tür öffnete.

Eine junge Frau – Anfang dreißig, rote Haare und Sommersprossen – blickte Stefan fragend an. Sie wirkte total übernächtigt. Ihr Gesicht war blass, unter ihren grünen Augen lagen dunkle Ringe. Obwohl sie eigentlich recht hübsch zu sein schien, war an diesem Tag kaum etwas von ihrer Schönheit zu erkennen. Neugierig, fast scheu, blickte sie den Wupperwelle-Reporter an.

Stefan sagte seinen Spruch auf. Das kleine Mädchen hörte zu, nickte, meinte »na, dann kommt ihr ja ohne mich zurecht« und verschwand.

»Kommen Sie bitte herein.« Die Rothaarige gab den Eingang frei. Drinnen roch es muffig. »Mein Mann ist beschäftigt. Er wird gleich Zeit für Sie haben.«

Frau Berger führte ihn in ein Arbeitszimmer und rückte ihm einen Stuhl zurecht. So unauffällig wie möglich blickte sich Stefan um. Deckenhohe Regale an einer Wand, über und über gefüllt mit Büchern. An der gegenüberliegenden Wand ein riesiges Ölgemälde. Vor dem Fenster ein Schreibtisch, auf dem sich Aktenberge stapelten. Ein Mobiltelefon, ein Faxgerät, ein Computer und ein kleines, batteriebetriebenes Radio. Wie Stefan erfreut feststellte, war das Gerät auf die Frequenz der Wupperwelle eingestellt.

Der Reporter bedankte sich. »Ist ein schwerer Tag heute, was?«, versuchte er sich in Small Talk.

Frau Berger nickte. Ihre Augen hatten dunkle Ränder. »Schwerer Tag sagen Sie?« Sie pustete die Luft aus. »Wir wissen nicht einmal, aus welcher Richtung der Anschlag kam. Ein Mitarbeiter? Ein ehemaliger Mitarbeiter? Vielleicht ein Konkurrent meines Mannes. Richtete sich der Anschlag gegen die Firma oder gegen uns?« Sie schluckte, und ihre Augen schimmerten plötzlich feucht. »Es ist so schrecklich. Ich frage Sie: Wer tut so etwas?« Das Lachen der Kinder drang gedämpft ins Haus. »Meine Kinder ...« Sie schluchzte. »Ich habe Sie heute zur Schule gebracht und wieder abgeholt. Man kommt gar nicht zur Ruhe. Bis gerade war die Polizei da, sie wollten alles wissen. Alles – über mich und meinen Mann, über die Firma.« Sie wandte ihr Gesicht ab und trat ans Fenster. Draußen tollten die Kinder herum.

Nur am Zucken ihrer Schultern konnte Stefan sehen, dass Jana Berger still weinte.

»Jana, das reicht. Ich werde jetzt mit Herrn Seiler sprechen.«

Die Stimme Bergers war tief und strahlte Autorität aus. Respekt gebietend und Ehrfurcht einflößend, so hatte sich Hans Berger im Türrahmen aufgebaut. Lautlos war er auf der Bildfläche erschienen. Stefan wandte sich zu ihm um. Berger war um einiges älter als seine Frau; Stefan schätzte ihn auf sechzig Jahre, vielleicht sogar älter. Er war gut zwei Meter groß und von breiter Statur. Seine Haare waren dünn und silbrig. Der Anzug saß perfekt. Kein Zweifel – Berger war Geschäftsmann durch und durch.

Seine Frau fuhr herum, erschrocken. Die Geste machte klar: Sie war ihrem Mann unterlegen. Hier hatte er das Sagen und sonst keiner. Ihre feingliedrigen Hände suchten nervös nach einer Beschäftigung, sie nickte Stefan unmerklich zu und verschwand dann eilig aus dem Zimmer.

Hans Berger trat näher. Er reichte Stefan die Hand und drückte sie, fest, sodass dieser beinahe gequält aufgestöhnt hätte. »Sie müssen das Verhalten meiner Frau entschuldigen«, sagte der Fabrikant und zog einen Sessel heran, um sich Stefan gegenüber niederzulassen. »Sie ist etwas ... wie soll ich sagen? Labil. Nicht für die Rückschläge gebaut, die das Leben so für einen parat hält.«

»Ein ziemlich derber Rückschlag, würde ich sagen«, erwiderte Stefan und zückte das Aufnahmegerät.

Berger nickte. »Wie wahr, ja ...« Er rang angespannt die Hände, blickte auf seine Schuhe, so, als würde er sie in diesem Augenblick zum ersten Mal in seinem Leben sehen. Dann ruckte sein massiger Schädel hoch. Berger schien die Wand hinter Stefan abzusuchen. Irgendwann hatte er den Faden wiedergefunden und lächelte den Reporter der Wupperwelle unverbindlich an.

»Es steht außer Frage, dass es sich bei dem so genannten Umweltunglück um einen gezielten Anschlag handelt.«

Stefan schwieg.

»Jemand wollte mir Schaden zufügen.«

»Ein ehemaliger Mitarbeiter?«, mutmaßte Stefan und blickte den Fabrikanten fragend an.

Berger machte eine wegwerfende Handbewegung und schüttelte den massigen Schädel. »Wohl kaum, Herr Seiler. Natürlich hatte auch die Polizei das zunächst angenommen. Aber, ehrlich gesagt ... niemand meiner ehemaligen Leute wäre so dumm ...« Er brach ab und verfiel wieder in dumpfes Brüten. Dann ruckte sein Kopf hoch. »Wissen Sie«, sagte er nachdenklich, »die Fabrik am Alten Lenneper Weg ist nicht mehr die jüngste. Einzelne Anlagen und Bäder sind hundert Jahre alt, stammen aus der Zeit der Garnbleicher. Ich habe die Fabrik von meinem Vater übernommen. Doch die Umweltschutzbestimmungen werden von Jahr zu Jahr schärfer. Ich muss umdenken, habe den Bau eines neuen Werkes geplant ... aber das Geld ...« Er schüttelte den Kopf. »Außerdem wurde der Bauantrag von der Stadt jetzt abgelehnt.«

»Und nun?« Stefan zog fragend die Mundwinkel nach unten. »Was wird nun aus der Fabrik? Wird man Ihnen den Betrieb verbieten?«

Berger zuckte mit den Schultern. »Ich kann nichts ausschließen.«

»Warum haben Sie sich an unseren Sender gewandt?«, wechselte Stefan das Thema. »Ich meine, alles, was Sie jetzt mir erzählen, das haben Sie sicherlich schon der Polizei zu Protokoll gegeben ...«

»Ich will, dass der Fall lückenlos aufgeklärt wird«, erwiderte Berger energisch. Sein Blick war hart, als er Stefan anstarrte. Hinter seiner Stirn arbeitete es. Er mahlte mit den Wangenknochen.

»Sie hoffen auf eine Unterstützung der Wuppertaler Medien?«

»Natürlich.« Berger nickte. »Ich denke, das bin ich der Wuppertaler Bevölkerung schuldig. Es ist mein Betrieb, der die Wupper verseucht hat. Die Schuldfrage lasse ich mal außen vor. Ich habe ein Image zu wahren, Seiler, verstehen Sie?« Er fuchtelte aufgebracht mit den Händen in der Luft herum. »Ich stehe unter Druck, muss mich erklären.«

»Ja.« Stefan räusperte sich. »Wie weit sind die Ermittlungen der Polizei?«

»Laufen auf Hochtouren.« Berger rang sich ein Grinsen ab. »Wie es immer so schön heißt: Man ermittelt in alle Richtungen. Die lassen sich aber nicht in die Karten gucken, da kann ich mich auf den Kopf stellen.«

»Was denken Sie ...« Stefan brach ab, als Frau Berger im Zimmer erschien. Sie trug ein silbernes Tablett mit zwei Tassen, Gebäck und einer Kaffeekanne. Schweigend stellte sie das Tablett auf einem Beistelltischchen ab und verschwand so unauffällig, wie sie gekommen war. Stefans forschendem Blick war sie ausgewichen.

Berger machte sich daran, den Gast zu bedienen. »Oder möchten Sie Tee, Kakao?« Er lächelte. »Ein Bier?«

»Nichts dergleichen, danke. Kaffee, schwarz bitte.« Stefan war es nicht gewohnt, dermaßen verwöhnt zu werden. Er sah dem Unternehmer zu, wie dieser einschenkte und danach das Gebäck reichte. Während sie ihren Kaffee tranken, beobachtete Stefan den Fabrikanten über den Rand seiner Tasse.

»Was bezwecken Sie mit Ihrer Medienoffensive«, brach er schließlich das Schweigen.

»Ich trage mich mit dem Gedanken, eine Belohnung auszusetzen.« Berger las in Stefans Augen.

»Und die Polizei?«

»Ist informiert«, beeilte sich Berger zu sagen.

Stefan war gespannt, was der Fabrikant vom Stapel lassen wollte. Sein journalistischer Instinkt war erwacht und mit einem Gefühl der Genugtuung dachte er daran, dass er sicher die bessere Story in die Redaktion bringen würde. Nicht Heike ...

Kapitel 3

Etwa tausend Liter Chromsäure liefen in die Wupper. Eine Dame, die hier am Alten Lenneper Weg mit ihrem Hund spazieren ging, wurde auf den Schlauch aufmerksam, der aus der Chemiefabrik direkt in die Wupper führte. Derzeit ist die Feuerwehr mit achtzig Mann vor Ort. Man hat zunächst die Kanalisation abgedichtet und das Flussbett mit Folie ausgelegt. Das wurde nötig, da die hier ausgelaufene Chromsäure schwerer ist als das Wasser im Fluss. Verletzt wurde niemand, jedoch sollten sich die Bürger in der nächsten Zeit von der Wupper fernhalten. Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen aufgenommen. Man geht nach dem jetzigen Stand von einem gezielten Anschlag aus. Das war Heike Göbel live für ›Lokal im Tal‹.«

Die junge, blonde Frau schaltete das Aufnahmegerät auf Stop und nahm den Kopfhörer ab. Dann wandte sie sich um und blickte zur Wupper. Dort wimmelte es von Feuerwehrmännern, die darum bemüht waren, die Vergiftung der Wupper einzugrenzen.

»Das ist ja echt ein Hammer«, hörte sie eine Männerstimme neben sich. Langsam drehte Heike den Kopf nach rechts. Dort stand Sören Eiche, ein TV-Reporter vom WDR. Eiche arbeitete für die »Lokalzeit« und war mit einem dreiköpfigen Kamerateam vor Ort. Er hielt die Linse auf die Rettungsarbeiten, zoomte in den Fluss und filmte danach eine Totale. Er konnte es sich nicht verkneifen, das Firmenschild der Chemiefabrik Berger in Großaufnahme einzufangen.

Heike nickte. »So etwas hat es noch nie gegeben.«

»Das ist doch sinnlos.« Sören, ein hoch gewachsener Typ mit glatt anliegenden, braunen Haaren, zog die Mundwinkel nach unten. Er zuckte mit den Schultern und rückte sich die dünne Brille zurecht.

»Das hier ist mit Sicherheit der größte Umweltschaden, den Wuppertal je gesehen hat«, erwiderte Heike.

»Du warst echt gut. Respekt, das Radio ist eine ernst zu nehmende Konkurrenz für uns geworden.«

»Danke für die Blumen«, erwiderte Heike.

»Hast du Lust und Zeit, auf einen Sprung ins Brauhaus mitzukommen?« Sören Eiche grinste die Kollegin an.

»Tut mir Leid«, erwiderte Heike. »Geht nicht. Muss in die Redaktion. Habe gleich die Mittagsshow.«

»Heute Abend vielleicht?« Eiches Absichten waren eindeutig. Er musterte die hübsche Reporterin der Wupperwelle mit dem frechen Bubikopf.

»Kein Interesse, Herr Kollege«, sagte Heike und fuchtelte sich vor dem Gesicht herum, als würde sie nach einer lästigen Fliege schlagen.

»Ich habe noch einen Trumpf in der Hand.« Eiche machte es spannend.

Heike musterte ihn lächelnd. »Du bist unverbesserlich.«

»Heute Abend findet eine Premiere im Schauspielhaus statt. Das neue Stück ...« Sören Eiche versuchte sich an den Titel des Theaterstückes zu erinnern. »Irgendetwas mit Berglöwen ... dem Bergischen Löwen oder so ähnlich. Soll ein Hit werden.«

Warum hatte man ihr in der Redaktion nichts davon gesagt? Heike kaute nachdenklich auf der Unterlippe. Heute Abend hatte sie nichts vor. Und Stefan – so etwas wie ihr dauerhaft platonischer Liebhaber – war im Sender. Was sprach also dagegen, mit Sören Eiche ins Schauspielhaus zu gehen und der Premiere des neuen Stückes beizuwohnen? Sicherlich würde sich daraus ein interessanter Beitrag machen lassen.

»Lass mich raten: Du hast – rein zufällig natürlich – zwei Pressekarten und suchst nach einer charmanten Begleiterin«, stellte Heike fest.

Sören zwinkerte ihr zu. »Erraten.«

»Bin dabei«, nickte Heike. Sie freute sich. Nicht auf den Kollegen vom WDR – er war ein netter Kollege, mehr nicht. Sie freute sich auf einen Abend im Theater und auf einen interessanten Bericht, den sie morgen Eckhardt vorlegen konnte. Der Tag würde doch noch gut werden!

***

Stefan saß gut gelaunt in seinem Käfer und war auf dem Weg zum Sender. In Gedanken bastelte er bereits an seinem Beitrag.

Auf der Rauentaler Straße geriet er prompt in eine Radarkontrolle und musste die Geldbörse zücken. Dieser Zwischenfall konnte seine Laune jedoch nicht verderben. Um sich abzulenken, schaltete er das Autoradio ein.

Es war halb elf, Zeit für die Lokalnachrichten. Er hörte die sonore Stimme des Nachrichtenmannes Roland Kracht aus dem Lautsprecher. »Es ist halb elf.« Ein Jingle ertönte, das die Lokalnachrichten ankündigte. »›Lokal im Tal‹, mein Name ist Roland Kracht, schönen guten Tag.« Er verlas routiniert die Schlagzeilen, bevor er die aktuelle Temperatur am Alten Markt nannte. Das Studio der Wupperwelle befand sich unweit des Alten Marktes und am ersten Tag des Senders hatte ein Redakteur ein kleines Außenthermometer am Studiofenster befestigt. Seither war die Temperatur am Alten Markt zu jeden Lokalnachrichten Bestandteil der Sendung. Inzwischen war das Außenthermometer zum Kult für Wupperwelle-Stammhörer und für die Mitarbeiter geworden.

»Noch immer bestimmt die Chromsäurevergiftung das Geschehen in unserer Stadt«, sprach Kracht. »In der vergangenen Nacht hat ein Unbekannter zwanzigprozentige Chromsäure in die Wupper geleitet. Die Säure stammt aus einem an der Wupper gelegenen Chemiewerk; die Polizei geht von einem gezielten Anschlag aus. Live vor Ort ist jetzt meine Kollegin Heike Göbel.«

Danach folgte Heikes O-Ton, auch eine kurze Textpassage aus dem Interview mit Martha Krieger wurde eingeblendet.

Ein Lächeln erhellte Stefans Gesicht, als er die Stimme seiner Freundin im Radio hörte. Sie hatte es früher geschafft, mit ihrem Beitrag auf Sendung zu sein. Er gönnte ihr den Erfolg. Eckhardt hatte es geschafft: Heike und er lieferten sich mal wieder ein journalistisches Wettrennen.

Nun gut, dachte er, dafür habe ich die Story mit der Belohnung im Gepäck, wenn ich in der Redaktion bin. Er grinste, als er den Käfer auf den Redaktionsparkplatz lenkte. Blubbernd erstarb der Boxermotor im Heck.

Pfeifend schloss er den Wagen ab und nahm zwei Stufen auf einmal auf dem Weg in die Redaktion, die im oberen Geschoss eines Bankgebäudes lag.

»Mann, da bist du ja endlich«, wurde er in der Redaktion von Heike empfangen. Sie strahlte ihn an. »Eckhardt hat schon nach dir gefragt«, raunte sie ihm zu, als sie außer Hörweite der Kollegen waren. Stefan zuckte mit den Schultern und ließ sich an seinem Schreibtisch nieder. Heike hockte auf der Schreibtischkante und boxte ihn sanft in die Seite.

»Hey«, meinte sie. »Lach mal.«

Stefan grinste sie breit an. Dann fuhr er den Rechner hoch. »Eckhardt hat uns mal wieder gegeneinander ausgespielt«, sagte er. »Aber nicht mit uns, was? Es besteht natürlich die Gefahr, dass wir an der gleichen Sache zusammen arbeiten und im Eifer des Gefechts aneinander geraten.« Er wurde ernst.

Heike verdrehte die Augen. »Meine Güte«, stöhnte sie. »Du bist aber empfindlich heute. Das ist unser Job ...«

»Und unser Privatleben«, fügte Stefan leicht säuerlich hinzu.

»Die beiden Dinge kann man eben nicht immer hundertprozentig trennen«, erwiderte Heike. Als sie einen Seitenblick von Kracht erntete, der am Schreibtisch nebenan arbeitete, beugte sie sich zu Stefan hinab und hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn.

Stefan war perplex. Um ein Haar hätte er den Kopf zurückgezogen. Peinlich berührt blickte er sich im Großraumbüro um. Einige Kollegen grinsten ihn an, andere wandten sich ab.

»Siehst du, Stefan«, sagte Heike laut. »Zusammen sind wir eben doch unschlagbar. Unsere Beiträge sind die besten.« Sie zwinkerte ihm zu. »Und was ich dir noch sagen wollte: Die letzte Nacht war wunderbar!«

Ohne eine Antwort abzuwarten, rutschte sie vom Schreibtisch und ließ den völlig verdatterten Stefan Seiler alleine zurück. Er spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss, als er Heike hinterherblickte.

»Ich hab's gewusst«, riss ihn Kracht aus den Gedanken. Stefan wandte sich zu ihm um. Kracht grinste gönnerhaft und reckte den rechten Daumen in die Höhe. »Ihr seid ein tolles Paar. Ich gönne euch ein langes, gemeinsames Glück, mein Lieber!«

Stefan winkte ab und machte sich an die Arbeit.

***

»Hallo und herzlich willkommen, hier ist die ultimative Mittagsshow mit der besten Musik, den aktuellsten Infos und mit mir. Ich bin Heike Göbel, schön, dass Sie da sind.« Heike fuhr den Regler zurück und startete die CD. Aus den Lautsprechern ertönte »Follow Me« von Uncle Cracker und gut gelaunt summte Heike mit, während sie sich auf die nächste Moderation vorbereitete. Die Verschmutzung der Wupper war natürlich das Tagesthema und auch Heike würde in der Sendung mehrfach darauf eingehen.

Während der Musiktitel lief, erschien Lutz Peters im Studio. Peters war Chef vom Dienst im Sender, stellvertretender Chefredakteur und unter anderem für die Einteilung des gesamten Personals zuständig. Er nickte Heike zu und machte es sich auf einem der grauen Bürostühle hinter dem Mischpult bequem. »Ich bin total fertig«, seufzte er.

»Du und fertig?«, lachte Heike. »In deinem Job? Muss man da nicht Nerven wie Stahlseile haben?«

»Das verfluchte Telefon steht nicht still. Alle rufen an und wollen wissen, wie es mit der verschmutzten Wupper weitergeht.«

»Ich habe den Schwerpunkt auf die Chromsäure gelegt«, erwiderte Heike. »Vermutlich werden wir die Leute jetzt so mit Infos zupowern, dass sie nicht mehr anrufen müssen.«

»Immerhin ist es gut zu wissen, dass wir Kontaktpersonen für unsere Hörer sind«, sagte Lutz und griente.

»Wenn ich Zeit habe, werde ich dich bedauern«, erwiderte Heike und setzte sich die Kopfhörer auf, da sich »Follow Me« dem Ende zuneigte. Sie räusperte sich, schob den Regler auf und machte ihre Moderation, bevor sie einen bereits aufgezeichneten Beitrag laufen ließ. Danach war sie wieder für den entnervten CvD da.

Peters hatte sich erhoben und wanderte im Studio umher. Durch die Glaswände konnten sie in die benachbarte Redaktion blicken. »Ich hab es im Gefühl, dass da noch mehr passiert«, unkte er.

»Was meinst du?«

»Nun, wenn jemand die Wupper auf eine derart brutale Weise verseucht, jedes Bekennerschreiben und jeder Erpresseranruf ausbleibt, dann muss man sich doch fragen, was das soll und ob da jemand ein bestimmtes Ziel verfolgt.«

»Könnte es nicht einfach sein, dass der Chemiefabrikant einen Feind hat?«, fragte Heike. »Jemanden, der ihm eins auswischen will?«

Peters schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Dann hätte man Berger die Bude in Brand gesteckt, oder ihm sonst irgendwie Schaden zugefügt. Der Täter hatte sich eindeutig die Verschmutzung der Wupper als Ziel gesetzt. Jemand will in großem Stil auf sich aufmerksam machen.«

Peters wandte sich zum Gehen, da der aufgezeichnete Beitrag sich dem Ende näherte. »Übrigens«, sagte er noch, als die Studiotür schon offen stand. »Da hat jemand vom WDR angerufen.«

»Sören Eiche«, mutmaßte Heike.

»Ja, so 'n Typ mit 'nem komischen Namen. Ich hab ihm gesagt, dass du Sendung hast und ihn später zurückrufen wirst.« Peters grinste. »Ich weiß nur nicht, wie du das Stefan beibringen willst.«

»Kerle ... alle gleich«, rief Heike ihm nach, dann war sie schon wieder auf Sendung.

***

»So«, sagte Heike später, als sie ihren Rucksack vom Stuhl nahm. »Das war's für heute – Feierabend.«

»Du hast nicht zufällig Lust zu tauschen?« Stefan blickte sie aus treuen Hundeaugen an. Er kehrte soeben mit einem Stapel CDs unter dem Arm aus der Musikredaktion zurück. Zuvor hatte er der Pressekonferenz im Polizeipräsidium beigewohnt. Natürlich hatte man sich mit einem konkreten Verdacht zurückgehalten, um die Ermittlungen nicht zu stören. Eine heiße Spur verfolge man nicht, aber man werde einen Schwerpunkt auf die Überwachung der Berger-Mitarbeiter setzen.

»Tauschst du nun mit mir?«, bettelte Stefan.

»Nicht wirklich«, lachte Heike.

»Und was machst du mit dem freien Abend, solange ich hier die Sendung mache?« Er zwinkerte ihr zu. »Wirst du wieder heimlich deine Bibi-Blocksberg-Kassetten hören?«

»Damit du was zu lästern hast?« Heike schüttelte den Kopf. »Nein mein Lieber, ich arbeite – sozusagen.« Sie zwinkerte ihm geheimnisvoll zu und schulterte den Rucksack.

»Du arbeitest?« Stefan legte den Kopf schräg. »Meinst du nicht, dein Ehrgeiz nimmt zeitweise krankhafte Formen an?«

»Nicht, solange man das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden kann.«

»Mach's nicht so spannend«, forderte Stefan mit gequältem Gesichtsausdruck. Seufzend ließ er sich an seinem Schreibtisch nieder. In einer guten Stunde würde er auf Sendung sein.

»Okay, ich wandere für einen Abend ab in die Kulturredaktion.«

»Der alte Hermie wird dir die Augen auskratzen; er wird denken, dass du an seinem Stuhl sägst.«

Hermann Pfeiffer war der Kulturredakteur der Wupperwelle und konnte ziemlich grantig werden, wenn jemand in seinem Revier wilderte. Er war der älteste Mitarbeiter der Redaktion und litt manchmal unter Existenzängsten.

»Ich regel das mit Hermie«, sagte Heike leichtmütig. »Immerhin hat er einwandfrei verschlafen, dass heute die Premiere des neuen Theaterstückes im Schauspielhaus stattfindet. Also werde ich hingehen ...«

»Du gehst ins Theater?«

Heike zuckte die Schultern. »Klar – warum nicht?« Sie grinste. »Und wenn es langweilig ist, schau ich später noch auf einen Sprung im Pavillon vorbei. Komm einfach nach, wenn du magst.«

»Mal sehen.« Stefan überflog die Playlist für die Sendung. »Wie kommst du auf den Tipp?«

»Ich bin eingeladen, einen guten Kollegen zu begleiten.«

»Und ich dachte, ich wär dein bester Kollege?«