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Bei einem konspirativen Treffen zwischen Vorberg und einem Bekannten auf Burg Polle wird der Fotograf erschossen – später behauptet der vermeintliche Täter, nicht geschossen zu haben, sondern selber zum Opfer geworden zu sein. Kommissar Ulbricht stolpert während seiner Kur im Weserbergland auf der Burg Polle bei Bodenwerder über eine Leiche. Er alarmiert die Kollegen und gerät prompt mit Maja Klausen, die die Ermittlungen im Mordfall Christian Vor-berg leitet, aneinander. Sie besteht darauf, dass er sich aus den Ermittlungen heraushält. Der Tote ist ein in der Region bekannter Fotograf, den man als "Paparazzo des Weserberglands" bezeichnet. Auffällig ist, dass Vorberg zwar Papiere, aber keinen Schlüssel bei sich trägt, zumal er mit dem eigenen Wagen, einem neuen Porsche 911, angereist ist. Ulbricht hat einen Verdacht.
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Seitenzahl: 363
Veröffentlichungsjahr: 2011
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Über den Autor:
Andreas Schmidt ist verheiratet und Vater zweier Kinder, er lebt und arbeitet mit seiner Familie in Wuppertal. Die Leidenschaft für das Schreiben entdeckte er als Jugendlicher; so schrieb er als Schüler diverse Kurzgeschichten und arbeitete an Schülerzeitungsprojekten mit. Nachdem er zahlreiche Heftromane für große Verlage geschrieben hatte, gab er 1999 mit „In Satans Namen“ sein Krimi-Debüt. 2002 gelang ihm mit „Das Schwebebahn-Komplott“ der Durchbruch. Inzwischen sind sechs Wuppertal-Krimis, eine Anthologie sowie der Thriller „Mein ist die Nacht“ erschienen. Seit 2008 ist er hauptberuflich als Autor und Texter für verschiedene Agenturen und Verlage sowie als Freier Redakteur tätig.
Mehr über Andreas Schmidt und seine Aktivitäten erfahren Sie unter www.andreasschmidt.org
Die breiten Reifen des roten Porsche 911 wirbelten winzige Steine auf, als er das teure Fahrzeug am Fuß der Burgruine zum Stehen brachte. Mit einem satten Blubbern erstarb der hubraumstarke Motor im Heck des Sportwagens. Es war eine laue Nacht, und er ließ das Verdeck geöffnet. Mit einer eleganten Bewegung schälte sich Christian Vorberg aus dem Cockpit und blickte sich um. Der Porsche war das einzige Auto auf dem kleinen Parkplatz. Also war er pünktlich. Sein Geschäftspartner ließ sich Zeit.
Vorberg betätigte die Fernbedienung des Porsche; die Warnlichtanlage flackerte einmal durch die Dunkelheit und signalisierte ihm, dass der Wagen abgeschlossen war. Mit lässigen Bewegungen erklomm Vorberg die ausgetretenen Steinstufen, die zur Ruine der Burg Polle hinaufführten. Oben angekommen, verharrte der smarte Enddreißiger und lauschte in die Stille der Nacht. Der Wind frischte auf und verfing sich in den Ecken des Mauerwerkes, um dort ein unheimliches Heulen zu erzeugen. Das Laub des Efeus, das an Teilen der Steinquader emporrankte, raschelte unheilvoll. Die düstere Atmosphäre dieses Ortes begeisterte ihn seit seiner Jugend. Jetzt, im silbrigen Licht des Mondes, strahlte das Gemäuer eine ganz besondere Faszination auf ihn aus. Es war, als könnte er das, was hier in den letzten Jahrhunderten geschehen war, körperlich spüren. Schicksale, Grausamkeiten, aber auch Feste und Feierlichkeiten, die hier im Mittelalter stattgefunden hatten. So hielt er einen Augenblick lang inne und ließ die Atmosphäre auf sich wirken. Sein Atem ging rasselnd. In den letzten Wochen hatte er ein paar Kilo zugelegt, was sicherlich am ständigen Fast Food lag, das er sich zu Gemüte führte. Vielleicht sollte er wieder ein wenig mehr Sport treiben, mal wieder mit dem Mountainbike durch die ausgedehnten Wälder des Weserberglandes fahren, so, wie er es früher immer gern getan hatte. Seine Leidenschaft war einfach zu kurz gekommen, stellte er bedauernd fest. Doch man musste Prioritäten setzen.
Christian Vorberg besann sich auf den Grund seines nächtlichen Besuches auf Burg Polle.
Weiter, rief alles in ihm. Er atmete tief ein, registrierte einen muffigen Geruch. Als im Gebüsch hinter ihm der schaurige Ruf eines Käuzchens durch die Nacht hallte, war die Gruselatmosphäre perfekt. Er war in der Gegend aufgewachsen, und so war er nicht zum ersten Mal auf Burg Polle, allerdings war dies sein erster Besuch nach Einbruch der Dunkelheit.
Man hatte ihn angerufen und um ein Treffen gebeten. Vorberg war gespannt, was ihn hier erwarten würde. Als er seinen Weg über die ausgetretenen Steinstufen fortsetzte, knirschten winzige Gesteinsbrocken unter den Sohlen seiner Schuhe. Er passierte den hohen Torbogen und fand sich innerhalb der Burgruine wieder. Doch Zeit, sich umzublicken, fand er nicht, denn im gleichen Augenblick schob sich eine Wolke vor den Mond. Es schien, als hätte jemand das Licht ausgeknipst. Er unterdrückte einen enttäuschten Seufzer. Missmutig trat er an die alte Mauer und blickte hinunter ins Tal, wo sich die Weser wie ein schwarzer Lindwurm gen Norden schlängelte. Den Anleger der Fähre konnte man kaum ausmachen. In seinem Rücken wuchs der mächtige Bergfried in den Himmel. Tagsüber kamen Touristen her, um den wunderschönen Ausblick auf Polle und auf das Tal der Weser zu genießen, sie machten Erinnerungsfotos und genossen das Panorama, das sich hier bot. Doch jetzt konnte er mehr von der idyllischen Landschaft erahnen, als er sie sehen konnte.
„Du bist spät dran.“
Erschrocken wirbelte er auf dem Absatz herum, war er doch davon ausgegangen, noch allein zu sein. Die Person, die ihn hierher zitiert hatte, war also doch schon hier. Vorberg fühlte sich, als habe man ihm aufgelauert. Die Dunkelheit verschlang die geheimnisvolle Person vollends, und Vorberg war es, als spreche er mit einer schwarzen Mauer aus meterdicken Quadern.
„Du wolltest mich sprechen?“ Er wollte mit der Bemerkung Zeit gewinnen und von seiner Unsicherheit ablenken. Mit angestrengtem Blick starrte er auf die Stelle, wo er sein Gegenüber vermutete.
„Allerdings. Ich glaube, du kannst dir denken, worum es geht.“
Die Stimme kam ihm bekannt vor. Er hasste diese Art von Treffen und spürte Wut in sich aufsteigen. Wut über sich selbst, der Aufforderung des Anrufers nachgekommen zu sein, Wut über seine Gier, zu jeder Tag- und Nachtzeit Geschäfte machen zu wollen. Und er wurde wütend auf sein Gegenüber.
„Was soll das?“
Die fremde Stimme ging nicht auf seine Frage ein. „Es ist eine schöne Nacht, findest du nicht?“ Spott klang in der Stimme mit. „Wunderschön und romantisch.“
„Können wir dann zum Anlass unseres Treffens kommen?“
„So ungeduldig?“
Die Person lachte leise.
„Ich will wissen, warum wir hier sind.“ Vorberg gewann seine Selbstsicherheit zurück.
„Dann möchte ich dich auch gar nicht länger auf die Folter spannen. Du bist zu einer Gefahr geworden.“ Wieder folgte leises Lachen. „Es ist mir auch lieb, wenn wir es schnell hinter uns bringen. Wie gesagt – du bist zu einer Gefahr geworden, Christian Vorberg.“
„Wer sagt das?“
„Jeder, den man danach fragt. Aber ich bin nicht jeder, und deshalb werde ich jetzt und hier die Konsequenzen daraus ziehen.“
Vorberg schaltete einen Gang zurück. Die Hoffnung, zu später Stunde noch ein lukratives Geschäft machen zu können, schwand. So aber hatte es ihm der rätselhafte Anrufer am Abend versprochen. Und da er für ein Geschäft immer ein offenes Ohr hatte, war Vorberg kurz vor Mitternacht noch einmal aufgebrochen und hatte sich zur Burg Polle begeben, um hier seinen Geschäftspartner zu treffen. Offenbar war er auf einen billigen Vorwand hereingefallen, unter dem man ihn hierher gelockt hatte.
„Wovon redest du?“ Panik kam in ihm auf. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass ihn hier oben niemand hören würde. Er war seinem Gegenüber ausgeliefert. Der Wind frischte auf, und die Wolken krochen in östliche Richtung weiter. Der Mond schimmerte durch das Gebilde und tauchte die Szenerie in ein unwirkliches, kaltes Licht.
„Fast könnte man glauben, du hättest Angst.“
Wieder dieser Sarkasmus.
„Unsinn.“ Er schüttelte energisch den Kopf und hoffte, dass seine Schwäche nur ihm auffiel. Doch als das Licht des Mondes einen metallisch schimmernden Gegenstand in der Hand seines Gegenübers traf, zuckte er zusammen. Er blickte in die Mündung einer Waffe und hatte die Hoffnung, dass es sich hier um einen schlechten Scherz handelte, längst aufgegeben. Mit einem leisen Klicken wurde die Waffe entsichert, der Zeigefinger seines Gegenübers krümmte sich um den Abzug.
Seine Augen weiteten sich in Todesangst. Nein, das hier war kein Spaß, das war bitterer Ernst. Tödlicher Ernst. „Mach keinen Scheiß!“, gellte seine Stimme durch die Nacht. Er wich einen Schritt zurück und spürte das kalte Gestein der Mauer in seinem Rücken.
„Du hast damit angefangen, Scheiß zu machen, um deinen Wortschatz zu gebrauchen.“
Die Gestalt schälte sich nun ganz aus dem Schatten des Bergfriedes und trat zwei Schritte näher. „Du hast es zu weit getrieben und bist zu einer Gefahr geworden – es gibt keinen Ausweg, das verstehst du doch sicher?“ Geheucheltes Mitgefühl.
„Nichts verstehe ich, also: Was soll der Quatsch?“
„Ich will nicht mit dir streiten.“
Vorberg starrte auf die Mündung der Waffe, sah, wie sich der Zeigefinger anspannte, glaubte in Zeitlupe zu sehen, wie der Abzug durchgezogen wurde. Dann löste sich der Schuss, er sah das Mündungsfeuer aufblitzen, spürte fast zeitgleich einen brennenden Schmerz in der Brust und glaubte von innen heraus zu explodieren. Es war, als würde sein Körper in Flammen stehen. Christian Vorbergs Herzschlag setzte aus, ihm wurde schwindelig, und instinktiv riss er die Hände hoch, zu der Stelle, wo ihn die Kugel getroffen hatte. Er spürte etwas Warmes, Klebriges und wusste, dass es sich bei der Flüssigkeit um sein Blut handelte. Kraftlos taumelte er nach hinten, ruderte mit den Armen und kippte über die Mauer. Der Schmerz in seiner Schulter war, als er rücklings gegen die Steine prallte, eine Wohltat gegenüber dem Schmerz, der sich rasend schnell in seiner Brust ausbreitete. Dann fiel er ins Bodenlose, sah den Mond und den Fluss weiter unten. Vergeblich versuchte er, irgendwo Halt zu bekommen, doch er hatte längst verloren und stürzte in die Tiefe. Den Aufprall spürte er schon nicht mehr. Er würde kein Foto mehr machen. Nie wieder.
Kein Auto nahm ihm den Parkplatz weg. Nur ein Sportwagen parkte trotz früher Stunde hier. Ein knallrotes Porsche Cabriolet, nicht älter als ein halbes Jahr. Oft schon hatte er davon geträumt, sich einmal im Leben einen solchen Wagen gönnen zu können. Doch als kleiner Kommissar würde der Traum vom eigenen Porsche wohl immer ein Traum bleiben. Dagegen wirkte sein alter Vectra wie ein automobiles Relikt aus einer längst vergangenen Zeit.
Norbert Ulbricht atmete tief durch, als er aus dem Wagen stieg und mit unverhohlenem Neid zu dem Porsche blickte, neben dem er seinen Vectra geparkt hatte. Die Luft im Weserbergland war nicht zu vergleichen mit dem Mief, der seine Lungen in Wuppertal täglich quälte. Doch ob es das wert war, hier eine Kur unter strenger medizinischer Aufsicht zu verbringen, wagte er zu bezweifeln. Er hatte sich in die Hände irgendwelcher Quacksalber begeben, fühlte sich ihnen ausgeliefert. Ulbricht war ein erwachsener Mann, und allein die allmorgendliche Frage „Wie geht es uns denn?“ brachte ihn zur Weißglut. Das war Ärztedeutsch und hatte nichts damit zu tun, wie man einen volljährigen Mann ansprach, der im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war. Am liebsten hätte Ulbricht dem Weißkittel mit einem „Mir geht es gut, ich weiß natürlich nicht, wie es Ihnen geht“ geantwortet. Aber er hatte es sich abgewöhnt, sich aufzuregen. Stattdessen entzog er sich den Ärzten, wo immer er nur konnte. Ulbricht kam auch allein gut zurecht. Immerhin zahlte die Kasse den ganzen Mist. Schon in den frühen Morgenstunden hatte er sich aus dem Kurhotel geschlichen und war dem allzu gesunden Frühstücksbuffet entkommen, um sich unterwegs in einer Bäckerei mit belegten Brötchen und einem Kaffee im Pappbecher zu versorgen.
Als er weitergefahren war, hatte ihn die Burgruine, die über dem kleinen Ort thronte, magisch angezogen. Hier, so hatte er beschlossen, würde er sein heutiges Frühstück genießen. Die Gesundheit, die man ihm in der Kur predigte, war ihm zuwider. Obwohl er erst seit zwei Tagen hier war, sehnte er sich zurück nach Wuppertal, der Stadt im Bergischen Land, von der die Menschen hier nicht viel mehr wussten, als dass dort in den 1950er-Jahren ein Elefant aus der weltberühmten Schwebebahn gestürzt war.
Nun, sei’s drum, dachte er sich. Die vier Wochen Kur würde er überleben, und dann wartete wieder der graue Alltag auf ihn. Er würde sich früh genug wieder mit Gewaltverbrechern und Brandstiftern herumschlagen müssen. Also hatte er beschlossen, das Beste aus seiner Situation zu machen und verdrückte sich, wo es ging, um den Anwendungen, die ihm der Arzt verschrieben hatte, zu entgehen. Der ganze Gesundheits-Kram ging ihm gehörig auf die Nerven, und während sein Blick an den Resten der Burgruine emporglitt, sehnte er sich nach einer Zigarette. Doch er blieb hart. Vielleicht würde er wenigstens ein Erfolgserlebnis mit nach Hause nehmen. Niemand hätte auch nur einen verdammten Euro darauf verwettet, dass Kommissar Norbert Ulbricht als Nichtraucher zurückkehren würde.
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