Together we hope - Justine Loogen - E-Book
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Together we hope E-Book

Justine Loogen

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Beschreibung

Unsere Blicke verfingen sich in einem unlösbaren Knoten, der mich völlig gefangen nahm. Ich spürte, hörte und sah nichts anderes als sie. Dieser Blick, in dem ich mich verlieren und den ich für immer auf mir spüren wollte.

Joanna hat nur einen Wunsch, als sie nach Los Angeles kommt: Oberflächlichkeiten und Vorurteile hinter sich lassen. Diese hat sie während ihrer Zeit als Model mehr als genug erlebt. Nun möchte sie als normale Studentin ein normales Leben führen.

Doch dann lernt sie Elias kennen, und plötzlich ist nichts mehr normal. Denn Elias ist Mitglied in einer Gang, vorbestraft und verdonnert zu Sozialstunden auf dem Campus ihrer Uni.

Joanna weiß, dass sein Leben gefährlich ist. Sie gehört nicht in seine Welt und er nicht in ihre. Und doch sind ihre Gefühle stärker als jede Vernunft. Bis Elias vor eine Entscheidung gestellt wird, die eine gemeinsame Zukunft für die beiden für immer unmöglich machen könnte ...

Together we hope - emotional, sinnlich und tiefgründig. Band 3 und Abschluss der Together-Romance-Reihe von Justine Loogen.

Das sagen die Leserinnen und Leser in der Lesejury:

»Slow Burn College Romance mit leichten Crime Vibes.« (Herzschlagbuecherwelt)

»Emotional, sinnlich und tiefgründig.« (Booklove91)

»Mit Joanna und Elias hat die Autorin zwei facettenreiche Charaktere erschaffen. Beide Protagonisten hatten ihre ganz eigenen Päckchen zu tragen. Sie waren tolle Persönlichkeiten mit den gewünschten Ecken und Kanten.« (xJohannax04)

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Zitat

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Epilog

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Impressum

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Über dieses Buch

Joanna hat nur einen Wunsch, als sie nach Los Angeles kommt: Oberflächlichkeiten und Vorurteile hinter sich lassen. Diese hat sie während ihrer Zeit als Model mehr als genug erlebt. Nun möchte sie als normale Studentin ein normales Leben führen.

Doch dann lernt sie Elias kennen, und plötzlich ist nichts mehr normal. Denn Elias ist Mitglied in einer Gang, vorbestraft und verdonnert zu Sozialstunden auf dem Campus ihrer Uni.

Joanna weiß, dass sein Leben gefährlich ist. Sie gehört nicht in seine Welt und er nicht in ihre. Und doch sind ihre Gefühle stärker als jede Vernunft.

Bis Elias vor eine Entscheidung gestellt wird, die eine gemeinsame Zukunft für die beiden für immer unmöglich machen könnte ...

JUSTINE LOOGEN

Together   we hope

„It matters not what someone is born, but what they grow to be“

- Albus Dumbledore

Prolog

Mein Leben ist vorherbestimmt.

Es gibt kein Entkommen für mich. Gab es nie und wird es auch nie geben.

Mit dem Moment, als in den Neunzigern eine alkoholsüchtige, arbeitslose Frau mit einem vorbestraften Gangmitglied anbändeln musste, war mein Schicksal besiegelt. Für mich würde es kein versöhnliches, harmonisches Familienleben geben. Keine schönen Kindheitserinnerungen von besinnlichen Weihnachten, kein erstes Fahrradfahren mit meinem Dad, kein Zur-Schule-Bringen von einer fürsorglichen Mutter. Ich würde nicht mit dem Traum aufwachsen an einem Ivy-League-College zu studieren und Anwalt zu werden, oder als erfolgreicher Footballspieler die Stadien zu füllen. Ich würde nicht mit meinem Highschool-Schwarm auf die Abschlussfeier gehen. Und mit absoluter, nicht zu Debatte stehender Wahrscheinlichkeit würde ich nie aus dem Zwanzig-Meilen-Radius meiner Stadt kommen.

Dass dies mein Leben sein würde, hatte ich wahrscheinlich schon früh gewusst, noch ehe ich die Worte selbst hatte aussprechen können, die mein Schicksal beschrieben. Vielleicht war es, als meine Mutter mich mit drei Jahren auf der Treppe hat fallen lassen, nachdem sie betrunken nach Hause gekommen war. Oder als mein Vater mir seine illegalen Waffen in der Abstellkammer gezeigt hatte, noch bevor ich hatte Lesen und Schreiben können.

Spätestens als ich die erste Schießerei der Gang, der mein Vater angehörte, miterlebte, war jeder meiner Träume auf eine bessere Zukunft mit erschossen worden. Einfach ausgelöscht.

Das Blut auf dem Gehweg keine zwei Blocks von meinem Zuhause entfernt hatte sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Es war, als hätte Gott, oder welche überirdische Gestalt auch immer, dort mit blutigen Fingern hingeschrieben: Hier gehörst du hin, Elias. Und hier wirst du bleiben – bis zu deinem Tod.

Und so war es auch. Anstelle eines Highschool-Balls hatte ich mit sechzehn Jahren mein erstes Gangtreffen mitgemacht, bei dem ich einen Jungen in meinem Alter blutig geprügelt hatte. Nicht weil ich Spaß daran hatte, sondern weil es von mir verlangt wurde. Ein Einweihungsritual bei den Guerillas hatte Rafael Diaz, unser Anführer, es damals genannt.

Mit achtzehn Jahren hatte ich nicht mein Highschool-Zeugnis erhalten, sondern einen ersten Eintrag in mein polizeiliches Führungszeugnis und drei Monate in einer Jugendvollzugsanstalt. Weil ich das Haus eines verfeindeten Gangmitglieds abgefackelt hatte. Und wieder: Nicht, weil ich es tun wollte, sondern, weil ich es tun musste. Hätte ich es nicht erledigt, hätte man mein Haus in Brand gesteckt.

Die einzigen Erinnerungen meines Erwachsenwerdens, die ich an meine Mutter hatte, waren durchwoben mit leeren Flaschen, üblen Gerüchen und vielen fremden Männeraugen, mit denen sie immer wieder anbändelte.

Mein Vater hingegen hatte sich kaum bei mir blicken lassen, bis ich alt genug war, um ihn immer wieder aus der Scheiße zu holen.

Selbst wenn ich aus meiner trüben, mit Gewalt und Armut durchdrungenen Welt entkommen wollte, konnte ich es nicht. Ich hatte kein Geld, keinen Abschluss, keine Erfahrungen. Und Rafaels Männer waren gnadenlos. Man verließ die Gang nicht einfach, weil man keine Lust mehr hatte. Weil man lieber Dachdecker werden wollte, oder ein Jobangebot irgendwo in einem anderen Bundesstaat erhalten hatte. Ich war mit meinem Leben an Rafael und die Gang gebunden.

Das war meine Welt, weitab der Hügel der Stadt der Engel: Los Angeles. Der Stadt, in der Träume wahr wurden, so munkelte man zumindest. Vielleicht stimmte das für manche sogar. Für die, die verwöhnt mit wohlhabenden Eltern aufgewachsen waren. Die, die nicht jeden Tag ums Überleben kämpfen mussten.

Hinter den Hügeln der Stadt, abseits des Prunks und Glanzes lagen Orte wie Compton, wie Watts. Orte, die jeder Mensch mit etwas Verstand mied.

Und genau dort war ich zu Hause.

Und genau aus diesem Zuhause, trotz allem, was man mir mein ganzes Leben eingebläut hatte, versuchte ich das Unmögliche möglich zu machen: Ich versuchte zu entkommen. Nicht meinetwegen. Sondern für sie.

Ich musste es versuchen, ich musste einfach. Auch wenn das bedeutete, dass ich in einem fremden Auto saß mit einer Glock, die ich unter den Pulli gesteckt hatte. Würde etwas schiefgehen, würde ich entweder neben meinem Dad für den Rest meines Lebens in einer Gefängniszelle verrotten – oder ich würde den nächsten Morgen nicht erleben.

Und dennoch – ich musste es versuchen.

Für sie.

Kapitel 1

Joanna

Sechs Wochen zuvor

Dröhnender Gangster-Rap hämmerte durch meinen Kopf und riss mich lange vor meinem Wecker aus dem Schlaf.

Ich schob meine kühlende Augenmaske hoch, doch auch diese konnte nichts gegen den pochenden Kopfschmerz hinter meiner Stirn tun. Mein Zimmer war drückend und warm, es gab keine Klimaanlage. Was zunächst als das Zimmer mit Südausrichtung angepriesen wurde, hatte sich schnell als stickiger Kessel herausgestellt, in dem man die Fenster nur zwischen Sonnenunter- und Sonnenaufgang öffnen konnte.

Noch schlaftrunken richtete ich mich auf und tastete nach meinem Bademantel. Meine Koffer standen noch so gut wie unberührt gegenüber von meinem schmalen Bett – ich hatte die ersten zwei Tage damit verbracht, die Gegend zu erkunden. Was sich als soziales Problemviertel abseits des Hollywood Boulevards herausgestellt hatte.

Hör auf meine Worte, mahnte mich meine Schwester abermals in Gedanken. Es fiel mir schwer, zuzugeben, dass meine Zimmerwahl vielleicht doch etwas extrem gewesen war. Aber das war nichts, was ich nicht mit ein bisschen Deko, einem Haufen Ventilatoren und einer Grundreinigung würde beheben können.

Ich tappte Richtung Küche. Meine Morgenroutine war mir heilig, und diese bestand aus einem halben Liter Zitronenwasser, gefolgt von einer Dusche, fünfzehn Minuten Meditation und einem Eintrag in meinem Affirmationsbuch. So startete ich seit Jahren meinen Tag, es brachte mir Kraft, Kontrolle und Fokus für meine anstehenden Aufgaben.

»Autsch«, flüsterte ich, als ich auf etwas Kantiges trat. Eine halb zerdrückte Cola-Dose lag auf dem Boden, genauso wie eine Pizzaschachtel, um die sich bereits kleine Fliegen scharten. Ich rümpfte die Nase und ging um die verranzte Ledercouch herum.

Meine beiden Mitbewohner, Craig und Homer, scherten sich nicht sonderlich um Sauberkeit. Eigentlich sollte ich es vermeiden, hier ohne Hausschuhe rumzurennen, es schien sich seit Monaten Dreck und Staub in den Ecken des Wohn-Essbereichs anzusammeln.

Ich muss unbedingt putzen, beschloss ich.

Durstig öffnete ich den Kühlschrank, doch meine Wasserkaraffe war verschwunden. Verwirrt kramte ich in dem spärlich gefüllten Kühlschrank und bemerkte, dass mein Jogurt und meine Früchte, die ich gestern eingekauft hatte, ebenfalls nicht mehr da waren.

»Ist das euer Ernst«, murmelte ich und drehte mich um. Ich entdeckte meine Karaffe auf dem zersprungenen Kaffeetisch – voller Zigarettenstummel.

Craig und Homer hatten mein mir heiliges Wasser als Aschenbecher missbraucht.

Ich holte ein paarmal tief Luft. Das wird schon, redete ich mir gut zu. Du kannst dir Wasser auf dem Weg zur Uni holen, genauso wie dein Frühstück.

Statt mein Wasser zu genießen, ging ich also zurück in mein Zimmer, suchte mir meine Duschutensilien zusammen und machte mich auf den Weg ins Bad. Die Haare auf der Toilettenschüssel ignorierte ich, genauso wie die Tatsache, dass das Wasser bloß lauwarm aus dem Duschkopf kam.

Während ich unter der Dusche stand, fing Aufregung an, in meinen Fingerspitzen zu kribbeln.

Heute war der erste Tag der Uni. Mein erster Tag als Studentin für Film und Regie, mein erster Tag als eine von vielen, in einem Pulk aus Neulingen, die es kaum erwarten konnten, ihr Studium zu beginnen.

Das war mehr als nur ein Studienbeginn für mich, es war der Anfang eines völlig neuen Lebens. Kein Rampenlicht mehr, keine Aufträge und kein Konkurrenzkampf um das beste Bild, die beste Aufnahme, den lukrativeren Deal. Ich hatte mein Leben als Nachwuchsmodel vor einer Woche aufgegeben, entgegen der Proteste meiner Mutter, und war in einen Flieger nach Los Angeles gestiegen. Ich wollte hinter der Kamera sein, um Dinge zu zeigen, die wirklich wichtig waren – nicht davor stehen und für überteuerte Kleidung posieren.

Genau deshalb wohnte ich auch in dieser Bruchbude, anstelle eines Penthouse. Ich wollte leben wie eine richtige Studentin, in einer zu kleinen Wohnung, mit zu lauten Nachbarn. Genauso wie Valerie, meine ältere Schwester, es getan hatte. Darum hatte ich sie immer beneidet. Um ihre Freunde und deren Abenteuer, zusammen im Café sitzen und lernen, die unzähligen Studentenpartys, die neuen Erfahrungen. Ich war nicht mal zur Highschool gegangen. Hatte stattdessen einen Privatlehrer gehabt, der mit mir von A nach B geflogen war, wenn ich einen Auftrag hatte.

Das alles würde sich ab heute schlagartig ändern.

Ich stieg aus der Dusche und versuchte mit einem lauten Summen die Klänge irgendeines Rappers zu übertönen, der wahrscheinlich Lil-irgendwas hieß. Dann tapste ich zurück in mein Zimmer. Ich setzte mir meine schalldichten Kopfhörer auf und rollte meine Yogamatte aus.

Bevor ich mich im Schneidersitz auf die Matte sinken ließ, atmete ich tief durch und versuchte, meine Nervosität unter Kontrolle zu bringen. Ich konzentrierte mich auf meine Atmung, bis sie immer langsamer wurde, ich sie immer länger zog. Fünf, sechs, sieben Sekunden einatmen. Dann ebenso langsam wieder aus. Es würde ein guter Tag werden, ich spürte es förmlich.

Etwas kitzelte an meinen Fingerspitzen, doch ich schob es weg. Eine Fliege oder sonst irgendetwas.

Fünf, vier, drei, zwei – ausatmen.

Das Kitzeln setzte erneut ein. Stöhnend öffnete ich die Augen, um die nervige Fliege zu vertreiben, doch es war kein Insekt, was mich störte. Stattdessen blickte ich in die schwarzen Knopfaugen einer Ratte.

Nach dem Rattenvorfall war ich so außer mir gewesen, dass ich meine Mitbewohner schreiend aus dem Bett gejagt hatte. Ein bisschen Dreck oder unaufgeräumtes Geschirr – damit konnte ich leben. Von mir aus auch, dass jemand nachts Heißhunger bekam und mein Essen stahl. Aber zwischen Ratten hausen kam nicht infrage.

Ich hatte beide lauthals dazu aufgefordert, sauber zu machen und die Ratte zu fangen, bis ich heute Abend zurückkommen würde. In meiner Rage hatte ich die Zeit völlig vergessen und fuhr nun verspätet mit einem Uber bis zum Campus. Weder das Outfit, was ich mir gedanklich zurechtgelegt hatte, hatte ich anziehen können (stattdessen trug ich Leggins und ein leicht verschwitztes Top vom Vortag), noch hatte ich Zeit für zumindest eine meiner Morgenroutinen gehabt.

Ich strich über meine Leggins und entdeckte einen Fleck, den ich vergeblich versuchte, mit etwas Spucke zu beseitigen. Dann holte ich den kleinen Handspiegel aus meinem Rucksack. Ich hatte mich fürs College extra völlig neu eingekleidet, und nun sah ich aus, als hätte ich mich drei Tage lang nicht gewaschen.

Anstelle von ausgefallenen Designerstücken bestand mein Kleiderschrank nun aus Jeansshorts und Tops und sommerlichen Kleidern, Sandalen und Chucks, die noch an meinen Fersen schmerzten, weil ich sie nicht richtig eingelaufen hatte.

Aber nicht nur das hatte ich geändert. Das Erste, was ich in L. A. getan hatte, war, mir einen neuen Haarschnitt zuzulegen. Es schmiegten sich keine schwarzen langen Haare mehr um mein Gesicht. Sondern platinblonde Strähnen, die gerade noch meine Schultern kitzelten, bildeten jetzt einen starken, aber irgendwie passenden Kontrast zu meinen markanten, dunklen Augenbrauen.

Es war seltsam befreiend gewesen, so ein Umstyling zu machen. Weg war die lange Mähne, die in Kombination mit meinen dunklen Augen immer dazu geführt hatte, dass mich Fotografen »Schneewittchen« genannt hatten. Nur Mom hatte ich davon noch nichts erzählt. Immerhin war sie der Überzeugung, dass ich bis zum Ende des Monats wieder vor ihrer Haustür stehen würde.

Doch das würde nicht passieren. Unter keinen Umständen würde ich zu diesem Leben zurückkehren.

Voller Vorfreude sah ich aus dem Auto, aber auch diese wurde schnell wieder getrübt. Der Weg zum Campus stellte sich als wesentlich länger heraus als gedacht, zudem standen wir mehr, als dass wir fuhren. Ich schaute unruhig auf mein Handy. Ich hatte nur noch zwanzig Minuten für die Anmeldung, und um meinen Buddy kennenzulernen, dem jeder Erstsemester zugeordnet wurde und der einem in den ersten Tagen zur Seite stand.

»Gibt es keinen anderen Weg?«, fragte ich den Fahrer unruhig. Dieser schaute mich über den Rückspiegel hinweg an und lachte auf.

»Einen anderen Weg? Schätzchen, um diese Uhrzeit sind alle Straßen voll.«

Ich lehnte mich angespannt zurück. Würden wir nicht mitten auf dem Freeway stehen, mit seinen sechs Spuren, wäre ich ausgestiegen und den letzten Rest zu Fuß gegangen.

Ganz automatisch griff ich erneut nach meinem Handy und entsperrte es. Doch dann fiel mir ein, dass ich meine gesamten Social-Media-Accounts gelöscht hatte. Es gab kein Instagram, kein TikTok, keine Website mehr, selbst von meiner Modelagentur hatte ich mich getrennt.

Ich steckte mein Handy wieder weg und beobachtete die nur langsam vorankriechenden Autos. Es brauchte doppelt so lange, bis zum Campus zu gelangen, als meine Routenapp mir vorausgesagt hatte.

Als ich schließlich ankam, war ich mehr als nur ein bisschen zu spät. Ich stürmte aus dem parkenden Uber und rannte auf den Eingang des James Bridges Theatre zu, vor dessen Türen mehrere Anmeldetische aufgebaut waren, gesäumt von Bannern und Fahnen, die den neuen Jahrgang begrüßten.

»Hey, sorry, ich stand im Stau«, keuchte ich, als ich vor einem der Tische Halt machte.

Eine hellblonde Studentin mit übergroßem Nasenring und noch größeren Kreolen an den Ohren musterte mich von Kopf bis Fuß. Sie trug ein UCLA-T-Shirt, und ihr Namensschild wies sie als Betsy aus. Sie war eine der Buddys für die Freshmans, die sich den neuen Studenten bereits online vorgestellt hatten.

»Dein erster Tag und schon bis du zu spät«, meinte sie und schaute vielsagend zu einem Mädchen neben ihr. Beide tauschten einen wissenden Blick aus und lachten. »Na, das wirst du dir schnell abgewöhnen müssen, wenn du es hier schaffen willst.« Ohne mich wirklich richtig anzusehen, entsperrte Betsy das Tablet, das vor ihr lag und fragte nach meinem Namen.

Ich schluckte. »Joanna Marie Turner.«

Sobald ich meinen Namen laut ausgesprochen hatte, hoben sich die Köpfe von Betsy und ihrer Freundin, und beide sahen mich von oben bis unten an. Dann tauschten sie einen weiteren langen Blick, bevor sich Betsy erneut zu dem Tablet wandte und meinen Namen eintippte.

»Hier.« Betsy reichte mir einen blauen Jutebeutel mit gelber Aufschrift. »Da drin findest du eine Karte vom Campus, deinen Terminplan für die Einführungsvorlesungen und Seminare, Voucher für Mittagessen und Kaffee und noch ein paar Gadgets.« Dann reichte sie mir einen Schlüsselbund zum Umhängen, auf dessen Schild mein Name stand.

»Du bist in Grupp-«, Betsy stockte einen Moment, hantierte weiter auf dem Tablet herum. »... in Gruppe 11, also bei mir«, schloss sie dann, was ihre Freundin mit einem verwunderten Laut kommentierte. Doch Betsy ignorierte sie und warf mir mit leicht zusammengekniffenen Augen ein Lächeln zu. »Nach der Vorlesung treffen wir uns vor dem Eingang, und ich führe euch über den Campus. Die Vorlesung hat schon begonnen. Nimm die linke Tür, damit du den Professor nicht störst.«

»Cool, danke«, erwiderte ich erleichtert und hängte mir den Schlüsselbund um. »Dann bis später!« Ich lächelte den beiden zu, was sie mit einem erneuten Blick abtaten, den ich nicht so recht zu deuten wusste.

Ich trat durch die Tür in den Flur, an dessen Wänden übergroße Plakate hingen, von Filmen die ehemalige Studenten über Jahre hinweg gedreht hatten. Vor dem doppelflügeligen Eingang auf der linken Seite blieb ich kurz stehen und atmete tief durch.

Das war er, mein Start in ein Leben als ganz gewöhnliche Studentin. Ich gab mir einen kurzen Moment, um alles in mich aufzunehmen, dann öffnete ich die Tür und wurde umgehend von grellem Licht geblendet.

Kapitel 2

Elias

»Que poqueria, Eli. Sieh dir das an.« Maikel zeigte auf das Werbeplakat auf der anderen Straßenseite und schüttelte abfällig den Kopf. »Die wollen uns aus der Stadt treiben. Irgendwann ist hier alles voller Hippieläden und Biomärkten.«

»Seit wann wirbt die UCLA in unserer Gegend?«, entgegnete ich und biss von einem Arepa ab, einem Maisfladen gefüllt mit Ei.

»Diese Schnösel vom College wollen uns auf den Arm nehmen«, rief Maikel weiter, was mit zustimmendem Gemurmel quittiert wurde von den anderen Gästen des kleinen venezolanischen Imbisses, der Maikels Vater und damit meinem Onkel gehörte. »Neunzigerjahre Gala des legendären Bruin Bash? Glauben die ernsthaft, dass auch nur eine Person aus unserem Viertel das College besucht?«

Maikel hatte recht. Die UCLA veranstaltete jedes Jahr eine dieser Riesen-Partys zu Semesterbeginn. Selbst hier, in Watts, einem der Orte, aus dem wahrscheinlich keine Menschenseele jemals einen Fuß auf ein Universitätsgelände gesetzt hatte, wusste man von dem Event. Jedes Jahr wurden die erfolgreichsten Künstler des Landes als Ehrengäste eingeladen. Die Bruin Bash war eine legendäre Party für die Studenten, aber bis jetzt hatte diese immer am anderen Ende der Stadt stattgefunden. Am Campus, wo die verwöhnten Kids über Weltfrieden und Klimawandel diskutierten, meinten die Welt zu verändern, ohne die Probleme normaler Menschen zu kennen. Doch in diesem Jahr hatte sich irgendein Marketinggenie vom Campus wohl gedacht, es würde Sinn haben, in die Brennpunkte der Stadt zu fahren und für eine Gala der Uni zu werben.

Es war wie ein weiterer Beweis, dass es in dieser Stadt zwei Welten gab: die glanzvolle Blase in den Hills von L. A. und das harte Pflaster meines Viertels.

»Eli, Eli«, riss mich Alessia aus den Gedanken, an meinem Hemd zupfend. Sie starrte mit ihren walnussbraunen Augen auf mein letztes Arepa, als gäbe es nichts Schöneres auf der Welt. »Hunger«, erklärte sie, und ihr Blick huschte zu mir.

»Na, komm«, erwiderte ich und breitete meine Arme aus, damit sie auf meinen Schoß klettern konnte. »Hier, aber iss langsam.« Ich gab Alessia die Teigtasche, die in ihren kleinen Händen riesig wirkte, und half ihr dabei, nicht den halben Inhalt auf meinen Jeans zu verteilen.

»Freust du dich auf das Wochenende?«, wollte ich von ihr wissen.

Umgehend trat ein betrübter Ausdruck in Alessias Augen, und das, obwohl sie gerade erst vier Jahre alt war.

»Ich will bei dir bleiben«, erwiderte sie mit ihrer hohen Stimme. »Ich will nicht zurück.«

Selbst in ihrem jungen Alter schien Alessia das Wort Mom zu umgehen. Alessia verstand noch nicht, dass ich sie nicht einfach bei mir behalten konnte. Auch wenn ich es wollte, ich kam kaum selbst über die Runden. So sehr ich meine kleine Schwester auch liebte, ich war einfach nicht in der Lage, ein Kind großzuziehen.

»Ach, komm schon, Princesa«, erwiderte ich beschwichtigend. »Dieses Wochenende wird es bestimmt schöner, es ist doch Jahrmarkt.«

Maikel schnaubte und warf mir einen langen Blick zu, den ich geflissentlich ignorierte.

Als Alessia wenig später von meinem Schoß sprang, um ihren Onkel im Imbiss auf Trab zu halten, wandte ich mich Maikel zu.

»Hast du mit ihr gesprochen?«, fragte er umgehend.

»Ich rede nicht mit ihr«, war alles, was ich erwiderte, während ich mit meiner leeren Coladose spielte.

»Sie ist Alessias Mutter«, entgegnete Maikel und beugte sich über den Chromtisch. »Du musst mit ihr reden, sie kann Alessia nicht immer wieder vernachlässigen.«

»Hat das denn die letzten drei Male etwas gebracht?«

»Willst du, dass sich das Jugendamt einmischt? Dann ist Alessia ganz schnell weg von hier.«

Ich knirschte mit den Zähnen. Maikel wusste, dass er mit diesen Worten einen wunden Punkt bei mir getroffen hatte. Immerhin hatte ich selbst zwei Jahre bei einer Pflegefamilie gelebt, mit sieben anderen Kindern, kaum genug zu essen und einer undichten Luftmatratze als Bett.

»Ich werd's versuchen«, lenkte ich ein. Maikel nickte zustimmend und sah die Straße hinunter. Einzelne Palmen säumten die Ränder, dennoch konnten die Bäume das Offensichtliche nicht verbergen: den Müll an den Seiten, die Graffiti an den Gebäuden, die sich immer auf den Straßen tummelnden Gruppen, die ständigen Polizeistreifen, die ihre Runden drehten.

Alessia würde im Ghetto aufwachsen. Einem der gefährlichsten Orte der Stadt. Genauso wie Maikel und ich es getan hatten. Wir würden hoffen, dass sie es irgendwie rausschaffte. Gute Noten schrieb, studieren ging, weit wegzog. Doch das hofften wir immer. Das hatte meine Mom gehofft, bevor sie komplett abgedriftet war. Selbst mein Dad, ein Loser wie er im Buche stand, hatte geglaubt, ich würde es besser machen. Aber ich hatte mich genauso in den Sog dieses verdammten Viertels ziehen lassen wie alle anderen auch. War in einer Gang geendet, hatte die Schule mit sechzehn geschmissen und war schließlich selbst hinter Gittern gelandet.

So war das hier eben. Und nun musste ich mit ansehen, wie ein junges, unschuldiges Leben in meine Fußstapfen treten würde. Ohne dass ich etwas daran ändern könnte.

Schweiß rann mir die Schläfen hinab. Ich wischte mir mit einem kleinen Handtuch, das ich zwischen meine Gürtelschlaufe gezogen hatte, über die Stirn.

Ich kniete vor meinem neusten Schatz, einer Ducati Streetfighter aus dem Jahr 2009, eine der ersten ihrer Zeit. Sie war mit einem Zylinderschaden zu mir gekommen, den es dem Besitzer nicht mehr wert war, ihn reparieren zu lassen. Der Kerl war einer dieser Superreichen in Los Angeles gewesen, der das Streetbike seit Jahren in der Garage rumstehen hatte, nachdem sein Sohn das Interesse an Motorrädern verlor. Er hatte mir das Bike für einen lächerlichen Preis angeboten. Es war eindeutig, dass er keine Ahnung von dem Wert dieses Gefährts hatte.

Danke dafür, dachte ich schmunzelnd, denn jetzt gehörte das Baby mir.

Die Ducati besaß keine Verkleidung, außer dem prägnanten feuerroten Motor und der ebenso roten Hinterradabdeckung und sah damit sportlich-gefährlich aus. Doch noch war das Bike nicht fahrtüchtig. Die Zylinder bereiteten mir mehr Sorge als gedacht; es waren nicht nur deren Ventile beschädigt, sondern auch die Kühlung. Für dieses Baby kamen keine billigen Ersatzteile infrage. Aber wollte ich Originale, musste ich viel Geld ausgeben. Sehr viel Geld.

Mehr, als ich besaß.

»Yo, Eli!«, rief Maikel.

Ich setzte mich aufrecht hin und sah in Richtung der Terrasse, die hinter dem Haus lag. Maikel saß dort, mit seiner Schwester und ihren beiden Freundinnen, die mich alle förmlich mit ihren Blicken auffraßen. »Ich muss in einer Stunde am Imbiss sein. Kannst du mich fahren?«

»Klar«, erwiderte ich und nutzte mein Handtuch, um das Motorenöl von meinem verschwitzten Oberkörper zu wischen. »Ich gehe noch schnell duschen, dann komme ich rüber.«

Gabi, meine Cousine (was sie gerne mal zu vergessen schien), flüsterte etwas, und ihre Freundinnen kicherten, während sie mich weiterhin genau beobachteten.

Ich ging schmunzelnd in die einstige Garage, die mittlerweile als mein Zuhause umgebaut war. Der Raum war spärlich eingerichtet, mit einer Schlafcouch, die an eine Kommode grenzte und einer winzigen Küchenzeile, die ich kaum nutzte. Maikels Dad und ich hatten vor einem Jahr eine Wand hochgezogen, damit ich aus der hinteren Ecke ein kleines Badezimmer hatte machen können – um nicht andauernd ins Haus gehen zu müssen.

Das Bad selbst besaß keine Tür, nur einen Vorhang, von dem ich mir nicht die Mühe machte, ihn zuzuziehen, als ich meine Jeans und meine Boxershorts auszog und den Wasserhahn aufdrehte. Ich duschte mich, wobei das benutzte Wasser eine dunkle Spur auf den Fliesen zu meinen Füßen hinterließ, und wartete dann ab, bis das Wasser klar an meinem Körper hinabrann.

Danach wischte ich mit meiner Handfläche über den beschlagenen Spiegel und begutachtete mich einen Moment. Meine Haut war wegen der vielen Arbeit im Freien gut gebräunt. Sie stellte einen Kontrast zu meinen hellgrünen Augen und dem halblangen dicken Haar dar, das, ebenfalls durch die Sonne, einige hellere Strähnen zwischen dem Braun aufwies.

Meine breiten Schultern und meine muskulöse Brust waren mit der Zeit wie von allein gekommen. Die Muskeln hatten sich über Jahre von körperlicher Arbeit auf Baustellen, in Autowerkstätten und bei Umzugsfirmen aufgebaut.

Ich wusste, was ich für einen Eindruck auf Frauen machte. Sowohl den reichen mittelalten aus den Hügeln der Stadt als auch den jungen, wie Gabis Freundinnen. Für sie wirkte ich wie der verwegene und gleichzeitig charmante venezolanische Südländer, der sie leidenschaftlich und lustvoll verführen würde.

Wäre da nicht die Tatsache, dass ich gar kein Interesse an ihnen hatte. Weder an den Frauen aus meiner Gegend noch an den superreichen. Im Allgemeinen hatte ich überhaupt nicht das Verlangen nach Dating, nach einer Freundin oder einfach nur einer Geschichte für eine Nacht.

Denn Frauen konnte man nicht trauen, sie hatten mich bereits zu oft enttäuscht. So simpel war das.

»Hier«, meinte Abuela, als ich wenig später in das Haupthaus rat. Abuela, unsere Großmutter, war die einzige Ausnahme meiner Überzeugung, Frauen nicht trauen zu können.

»Gracias, Abuela«, erwiderte ich und nahm hungrig den Teller voller Empanadas entgegen. Ich setzte mich an den Küchentisch und hörte mit halbem Ohr zu, wie Maikel an der Eingangstür mit einer von Gabis Freundinnen sprach, mit der er immer mal wieder anbändelte, bis sie ihm aufs Neue das Herz brach. Abuela warf sich das Küchentuch über eine Schulter und setzte sich neben mich, ebenfalls gebannt lauschend.

»Du kannst mich nicht immer sitzen lassen und dann wieder auftauchen, wenn es dir gerade passt«, hörten wir Maikel sagen.

»Ach, Maikel.« Das Rascheln von Stoff war zu hören. »Du weißt doch, dass ich einfach manchmal meine Freiheiten brauche.«

»Fünf Dollar, dass er einknickt«, flüsterte mir Abuela mit ihrer rauchigen Stimme zu.

»Deal«, erwiderte ich leise und schüttelte ihre Hand.

»Du hast mich betrogen!« Das war erneut Maikel. »Wieso sollte ich noch mit dir zusammen sein wollen?«

»Ich weiß doch, dass du nicht ohne mich kannst«, erwiderte Josey. »Denk darüber nach«, murmelte sie mit einem verführerischen Ton in der Stimme. Wieder hörten wir ein Rascheln, dann sagte Maikel so leise, dass wir es kaum verstehen konnten: »Ich werde darüber nachdenken.«

»Ha!«, rief Abuela. »Ich hab's dir gesagt, Elias. Der Junge hat das Durchhaltevermögen eines Hundewelpen.« Sie streckte breit grinsend ihre Hand aus, wobei sich noch mehr Fältchen um ihre Augen bildeten. Geschlagen holte ich meinen Geldbeutel raus und reichte ihr die Fünf-Dollar-Note.

»Du schuldest mir fünf Dollar«, sagte ich, als Maikel wenig später in den Raum kam. Es hatten sich Schweißflecke unter seinem blauen Hemd gebildet, und zwischen seinen kurz geschorenen schwarzen Haaren meinte ich ebenfalls Schweißtropfen zu erkennen.

»Diese Frau treibt mich noch in den Wahnsinn«, erwiderte er und ließ sich auf die Essbank plumpsen. »Ich brauche jetzt erst mal was zu essen.«

»Du hast bereits zwei Teller gehabt, du kleiner Fettsack«, kommentierte Abuela.

Ich lachte auf, versuchte es dann aber in einem Husten zu unterdrücken, denn Maikels Blick richtete sich vorwurfsvoll auf mich.

»Ich fange nächste Woche mit einer Diät an«, verkündete er. So wie er es immer tat, wenn Abuela ihn wegen seines Übergewichts neckte. Und das, obwohl sie selbst nicht die Schmalste war. »Wirklich!«, fügte Maikel nachdrücklich hinzu, als er unsere zweifelnden Blicke sah.

»Komm, du kannst im Imbiss essen«, erwiderte ich stattdessen und stand auf.

»Nehmen wir die Große?«

»Na klar.« Ich zog grinsend einen Schlüsselbund aus der Hosentasche. Immerhin war die Große die einzige Maschine, auf der sowohl Maikel als auch ich Platz hatten.

Gemeinsam gingen wir durch den Garten, bis zu der Überdachung, die an die Garage grenzte. Hier befanden sich mein Heiligtum, meine provisorische Werkstatt sowie meine drei Motorräder.

Die Große, eine mattschwarz lackierte Honda Fireblade.

Die Alte, eine weiß-schwarze Yamaha Mt-07, mein erstes Motorrad.

Und Baby. Die Ducati Streetfighter.

Maikel schloss das doppelflügelige Tor hinter der Garage auf, und ich startete den tief brummenden Motor, lenkte die Fireblade auf die Straße und wartete, bis Maikel alles ordentlich verschlossen hatte.

Als er sich hinter mir auf den Sitz senkte, sackte die Maschine ein gutes Stück nach unten.

»Du musst wirklich auf Diät!«, rief ich ihm gedämpft unter meinem Helm zu.

»Warum werde ich eigentlich in meinen eigenen vier Wänden gemobbt?«, murrte Maikel zurück.

Ich grinste kopfschüttelnd, dann beugte ich mich nach vorne und fuhr die von Palmen gesäumte Straße Richtung Sonnenuntergang entgegen.

Kapitel 3

Joanna

Grelles Licht blendete mich. Ich musste eine Hand vor die Augen legen, um zumindest etwas vor mir ausmachen zu können. Es dauerte einige Sekunden, bis sich meine Sicht an die Beleuchtung gewöhnt hatte, und die Umrisse des Raumes vor mir auftauchten.

»Sieh einer an«, meinte eine durchdringende Stimme, über ein Mikrofon. »Eine Zuspätkommerin. Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?«

Das Erste, was ich wahrnahm, als mein Blick sich klärte, war eine breite Menschenmasse. Bestimmt zweihundert Leute saßen auf den roten Kinosaalstühlen, und ihre Augen waren ausnahmslos auf mich gerichtet. Eine Leinwand ragte hinter mir auf und vor ihr stand ein fast ergrauter Mann mit Brille und Bart, der mich ebenso neugierig musterte. »Sprechen Sie Englisch?«, meinte er dann langgezogen.

Die Menge lachte.

Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich den Vordereingang des Kinosaals benutzt hatte. Und somit die Aufmerksamkeit meines gesamten Jahrgangs auf mich gezogen hatte.

»Ähm ...« Ich räusperte mich. »Entschuldigen Sie, ich stand im Stau.«

»Meine Liebe, ich habe nach Ihrem Namen gefragt, nicht nach dem Grund, weshalb Sie an Ihrem ersten Tag an der Universität zu spät kommen.« Wieder lachten einige in der Menge auf. Mein Gesicht wurde heiß.

Vor Menschen zu modeln, das war kein Problem. Da ging es um Mode. Um das, was ich an einem Körper trug, richtig zu präsentieren, es bestmöglich darzustellen. Vor Menschen sprechen jedoch ... darin war ich noch nie gut gewesen.

»Joanna Turner«, erwiderte ich schließlich mit piepsiger Stimme.

Erst tat sich nichts im Raum. Dann wurde es an manchen Stellen unruhig im Saal. Eine Gänsehaut kribbelte in meinem Nacken. Ich war nicht nach Los Angeles gezogen, um erneut im Rampenlicht zu stehen. Ich wollte mir etwas aufbauen, zeigen, dass ich Talent außerhalb der Model-Industrie hatte. Doch gerade fühlte ich mich, als würde es bei meinen Kommilitonen reihenweise klick machen. Als würden sie wissen, wer ich war – und sich fragen, was zur Hölle jemand wie ich an einer Filmschule zu suchen hatte.

»Und worin möchten Sie sich spezialisieren, Miss Turner?«

»Drehbuch und Regie«, antwortete ich und schulterte unruhig meinen Rucksack.

Die Augenbrauen des Professors schossen in die Höhe. »Nicht Schauspiel? Bei Ihrem Äußeren?«

Jemand in der Menge ließ einen Pfiff hören. Ich blinzelte in die Richtung, aus der ich meinte, dass der Laut hergekommen war, doch ich sah nur leere Gesichter. Gesichter, die mich weiterhin reihenweise anstarrten.

»Nein«, erwiderte ich nach einem trockenen Räuspern. Meine Wangen fühlten sich mittlerweile feuerheiß an. Ich wollte eigentlich nur noch in die letzte Reihe und mich tief in den Sitz vergraben.

»Na, wenn dem so ist«, erwiderte der Professor. »Dann nehmen Sie Platz, Joanna Turner, zukünftige Drehbuchautorin und Regisseurin.«

Ich wollte mich schon auf den Weg in die letzte Reihe machen, als ich es mir anders überlegte. Das Risiko, mehrere Dutzend Stufen hinaufzusteigen und wahrscheinlich vor meinen neuen Mitstudenten hinzufallen, war mir zu groß. Also suchte ich mir einen freien Platz in der ersten Reihe, ganz an der Wand, mit der ich hoffentlich verschmelzen würde.

Ich sank in das Polster des Stuhls und atmete ein paarmal tief durch. Mein Mund war wie ausgetrocknet, und meine Zunge fühlte sich pelzig an. Wegen Craig und Homer und dem Stau hatte ich keine Zeit gehabt, mir etwas zu trinken zu kaufen.

Ich sah kurz nach rechts und begegnete dem schüchternen Lächeln eines dunkelblonden Mädchens. Ich zwang mich ebenfalls zu lächeln, dann versuchte ich mich auf die Rede des Professors, Claus Van der Huis, zu konzentrieren.

Er sprach von den prägendsten Jahren des Lebens, der Konkurrenz, der wir uns stellen müssten, dem Leistungsdruck und dem hart umkämpften Business der Filmindustrie. Er wusste ganz genau, wie er seine Zuhörer fesseln konnte. Es war eindeutig, dass die Bühne sein zweites Zuhause war. Unter anderen Umständen hätte ich ihm gefesselt an den Lippen gehangen. Doch alles, woran ich mit einem Mal denken konnte, war: Durst.

Ich hatte so unglaublichen Durst. Meine zunächst heißen Wangen fühlten sich mittlerweile seltsam kühl an. Und die Gänsehaut in meinem Nacken wurde zu einem unangenehmen Kribbeln, das sich bis hinter meine Augen zog und meine Sicht flimmern ließ.

»Hast du vielleicht Wasser?«, fragte ich meine Nachbarin schließlich leise. Mir war es egal, dass die Frage seltsam klang. Ich musste etwas trinken. Mein Durst schien mit einem Mal übermächtig.

»Nee, sorry«, erwiderte sie. Sie warf mir einen schnellen Blick zu, dann runzelte sie die Stirn. »Ist alles in Ordnung?«

»Mir geht's nicht so gut«, entgegnete ich matt und legte den Kopf in den Nacken. Doch selbst als ich die Augen schloss, wurde es nicht besser. Im Gegenteil, dadurch setzte ein unangenehmer Schwindel ein. »Ich muss hier raus«, beschloss ich dann. »Kreislauf.«

Ich stand auf, doch das Flimmern verfestigte sich nur.

»Kann ich Ihnen helfen, Miss Turner? Oder habe ich Sie mit meiner Rede bereits vergrault?«, fragte der Professor überrascht.

Wahrscheinlich brachte er damit erneut einige Studenten zum Lachen, aber ich bekam nichts mehr mit. Mir war egal, dass er mich aufzog, ich musste einfach aus diesem Raum. Blind griff ich nach dem Arm des Mädchens neben mir, um mich abzustützen. Doch sie hatte ihre Hände unter ihre Oberschenkel geschoben. Ich fasste ins Leere und stolperte zur Seite, aber ich fand nichts mehr, an dem ich mich festhalten konnte. Ich sah nur noch, wie sich das Flimmern vor meinen Augen wie ein Vorhang zuzog, und dann wurde es schwarz.

Das Erste, was ich von meiner Umgebung wahrnahm, als ich wieder zu Sinnen kam, waren Wortfetzen und aufgeregte Gespräche. Ein Wort brannte sich wie Säure in meinen Geist: Dramaqueen. Sicherlich war damit ich gemeint.

Langsam öffnete ich die Augen und spürte Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht. Ich befand mich nicht mehr in dem Kinosaal, sondern lag auf eine der Sitzgelegenheiten im Wartesaal. Jemand hatte mir ein kaltes Tuch in den Nacken gelegt, und eine andere Person drückte mir ein blaues Getränk in die Hand.

»Hier«, sagte eine weibliche Stimme. »Das ist Gatorade, das wird dir guttun.«

Ich nickte und setzte die Saugkappe der Flasche an meine Lippen. Kalt floss das süße Getränk in meine Kehle und ließ mich aufstöhnen.

»Danke«, murmelte ich und schloss einen weiteren Moment die Augen.

»Wie lange dauert das noch?«, kam eine neue Stimme hinzu. »Wir hätten schon längst losgehen sollen.« Ich öffnete kurz die Augen, doch noch war ich nicht in der Verfassung, mich aufzusetzen. Es war Betsy, die mich ungeduldig von oben herab betrachtete.

»Gib uns fünf Minuten, Betsy«, erwiderte die freundliche Stimme neben mir. »Sie ist gerade erst aufgewacht.«

»Okay, fünf. Ich bleibe keine Minute länger, dann müsst ihr nachkommen, klar? Hier warten zwanzig Studenten darauf, rumgeführt zu werden. Da können wir nicht auf Einzelne Rücksicht nehmen.«

»Was ist mit der Hexe denn schon wieder los«, murmelte das Mädchen neben mir, als Betsy weg zu sein schien, und sprach damit meine Gedanken laut aus. Ich schlug die Augen erneut auf und grinste ihr schwach entgegen. Es war meine Sitznachbarin mit den dunkelblonden Haaren, deren Arm ich verfehlt hatte.

»Kannst du mir hochhelfen?«, fragte ich, und sie zog mich in eine sitzende Position. »Ich bin übrigens Joanna«, stellte ich mich dann vor.

»Das weiß mittlerweile der gesamte Jahrgang«, erwiderte sie prustend. »Ich bin Sydney.«

»Danke für deine Hilfe, Sydney.«

»Klar.« Sie sah mich schüchtern lächelnd aus blass-blauen Augen an. Sydney trug ein einfaches Shirt und Jeans, kein Make-up, und hatte offenbar keinen Gedanken an ihre wahrscheinlich an der Luft getrockneten Haare verschwendet. Sie wirkte auf den ersten Blick nicht wie jemand, der Film studierte.

»Geht's besser? Ich glaube, Betsy köpft uns, wenn wir die Gruppe noch länger aufhalten.«

»Ich denke, schon«, erwiderte ich. Ich trank noch einen großen Schluck von dem Gatorade, dann rappelte ich mich auf. Die Süße des Getränks hatte mir tatsächlich geholfen. Vermutlich hatte mein Körper einfach etwas Antrieb gebraucht und hatte genau im falschen Moment schlappgemacht.

Der Vorraum des Kinos war mittlerweile fast leer. Nur noch knapp zwei Dutzend Studenten lümmelten sich etwas abseits von uns herum, sichtlich unruhig.

Natürlich wollte jeder den Campus sehen, seinen Studentenausweis erhalten, von den Partys, den Studentenverbindungen und den Kursen hören. Genauso wie ich. Doch ich war der Grund, der meine Gruppe aufhielt.

»Das ist so peinlich«, murmelte ich zu Sydney, als wir auf Betsy und die anderen zugingen.

Anstelle einer Antwort sah mir Sydney mitleidig entgegen und zuckte mit einer Schulter.

»Dann sind wir auch endlich mal vollständig«, meinte Betsy, als Sydney und ich uns an den Rand der Gruppe stellten. »Mein Name ist Betsy, und ich bin euer Buddy für das erste Semester. In eurer Infomappe findet ihr meine Studenten-E-Mail und auch die Raumnummer des Student Office. Wir veranstalten zwei Mal im Monat kleinere Treffen, bieten Ausflüge an und die Möglichkeit, andere Studenten kennenzulernen.«

Betsy ließ ihren Blick einmal durch die Menge schweifen und machte eine dieser dramatischen Pausen. Höchstwahrschlich war ihr Hauptfach Schauspiel. Dann sprach sie mit etwas tieferem Ton weiter. »Andere würden euch von dem traumhaften Leben erzählen, wie es ist, an der UCLA angewandte Künste zu studieren – ich mache das allerdings nicht. Das hier wird hart, sehr hart. Ihr glaubt, ihr habt Talent? Tja, das hat jeder, der hier angenommen wurde. Also seid besser.« Sie deutete in die Gruppe. »Ihr glaubt, ihr habt einen Job sicher, nur, weil ihr hier studiert habt? Fehlanzeige. Nur ungefähr ein Fünftel der Absolventen finden nach dem Abschluss auch einen Job in der Branche, in der sie studiert haben. Also seid besser. Seht euch um, nach links und rechts und macht euch jetzt das Versprechen, besser zu sein als euer Nebenmann und eure Nebenfrau. Nehmt keine Rücksicht. Seid egoistisch.«

»Mann, was hat die erlebt, dass die so drauf ist?«, murmelte ich Sydney zu.

Auch die anderen in der Gruppe waren plötzlich wesentlich angespannter. Betsys Worte schienen einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.

»Genießt die Zeit als Erstsemester, sie geht schneller vorbei, als euch lieb ist.« Betsy seufzte dramatisch, dann umspielte ein kleines Lächeln ihre Lippen. »Wir bringen euch als Erstes ins Admin-Zentrum, dort werden Fotos für eure Studentenausweise gemacht.«

Die Gruppe atmete erleichtert auf. Endlich etwas, worauf man sich freuen konnte.

»Bevor wir loslegen«, fügte Betsy mit aller Dramatik, die sie in sich trug hinzu. »Ihr habt vorab alle eine Einladung für die Bruin-Bash-Party erhalten, die übermorgen stattfindet. Wer nicht zugesagt hat, hat Pech gehabt. Wer dabei ist: Sucht euch schon mal eure Hollywood-Outfits zusammen.«

Einige Studenten johlten voller Vorfreude.

»Bist du auch dabei?«, fragte mich Sydney, als wir den mit Palmen und Kakteen gesäumten Pflasterweg entlanggingen. Überall tummelten sich neue Studenten, Musik spielte im Hintergrund, und immer wieder drückte uns jemand einen Flyer in die Hand, für Sportgruppen, Clubs und Studentenverbindungen. Die Stimmung um uns herum war voller Erwartung und Aufregung – sie steckte an, ob man wollte oder nicht.

»Oh ja!«, gab ich zurück. »Ich habe mir die Partys von den letzten fünf Jahren angeschaut, die laden jedes Jahr die größten Stars ein!«

»Ich wollte auch hin«, erwiderte Sydney und warf mir einen schnellen Blick zu.

»Sollen wir zusammen hingehen?«, schlug ich vorsichtig vor.

Sydneys Gesicht hellte sich umgehend auf. »Wenn du willst, können wir uns bei mir treffen und fertig machen?«

»Supergerne!«, erwiderte ich erleichtert. Wer hätte gedacht, dass es so einfach sein würde, eine Partybegleitung zu finden? Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, allein auf die Party gehen zu müssen.

»Hey, Joanna!«, unterbrach ein Junge mit blondem Haar und intensivem Blick unser Gespräch. Er erinnerte mich an den Schauspieler von Finnick Odair aus den Tributen von Panem. Zahnpastalächeln inklusive. Ideal, um vor der Kamera zu stehen. »Hier, lass uns mal ein Foto machen!«, meinte er, bevor ich reagieren konnte.

Er stellte sich neben mich und schaltete die Frontkamera ein. In letzter Sekunde zog ich auch Sydney näher an mich, und schon war das Foto geschossen. »Gute Nummer eben übrigens! Die Masche mit der schüchternen Cinderella hat man dir voll abgekauft!«

»Was meinst du?«, fragte ich verwirrt.

»Irgendwie muss man die Aufmerksamkeit auf sich lenken, du hast Betsy ja gehört.«

»Das war nicht gespielt«, erwiderte ich matt. War es das, was meine Kommilitonen glaubten? Dass ich mit Absicht zu spät gekommen war und dann eine Ohnmacht vorgetäuscht hatte, um Aufmerksamkeit auf mich zu lenken?

Finnick grinste. »Ja, klar«, meinte er. »So behält dich der Prof in Erinnerung. Das wird dir noch zugutekommen! Richtig stark.«

»Jeremy, komm her, Mann!«, rief ihn eine andere Person zurück zu seinen Freunden. Ich wollte das richtigstellen. Ihm sagen, dass ich nicht geschauspielert hatte. Doch anstelle mir Zeit zum Antworten zu geben, zwinkerte er mir zu und lief zu seinen Freunden.

Umgehend setzte mein Alarm-Radar ein. Dieser Jeremy hatte etwas an sich, mit dem ich mich mein halbes Leben hatte konfrontieren müssen: eine Selbstüberzeugung, die keinen Raum für andere ließ. Sofort spürte ich, dass man bei einem Kerl wie ihm vorsichtig sein musste.

»Wow«, machte Sydney.

»Ja, wie kann er so was glauben?«

»Nein«, meinte Sydney. »Ich meine, klar, schon seltsam, aber dieser Jeremy sieht aus wie ein Märchenprinz.«

Ich sah zu Sydney, die Jeremy weiterhin mit leicht geröteten Wangen hinterhersah.

Bevor ich etwas erwidern konnte, wurden wir in das Administrationsgebäude beordert.

Kapitel 4

Elias

»Fall zweihundertdreizehn, Elias Marquez gegen den Staat Kalifornien«, wurde ich nach zweieinhalb Stunden Warterei endlich aufgerufen. Da mein Fauxpas eigenverschuldet war, wurde mir kein Anwalt zugeteilt, außer ich hatte Interesse daran, mich zu verschulden. Deshalb ließ ich mich allein an dem rechten Holztisch des Verhörsaals nieder, ein schnöseliger Staatsanwalt am Tisch neben mir, der mir herablassende Blicke zuwarf.

Meine einzige Unterstützung war Maikel, der im sicheren Abstand auf einem Parkplatz hinter dem Gerichtshof auf mich wartete.

Als die Richterin eintrat, rappelte ich mich von meinem Stuhl auf. Nachdem wir kurz darauf erneut Platz genommen hatten, wurden mehrere Paragrafen aus einem Gesetzbuch und meine Vergehen runtergerattert – alles in einer Sprache, die ich nicht verstand. All das juristische Zeug, das mich wahrscheinlich nur verwirren und einschüchtern sollte, ließ mich jedoch kalt.

Das Einzige, was ich von dem Juristin-Latein begriff, waren Diebstahl und Vandalismus. Damit war wohl der Nagel auf dem Kopf getroffen: Rafael Diaz, unser Gangoberhaupt, war nach Jahren der Versenkung in Venezuela wieder aufgetaucht. So munkelte man zumindest. Bis ich vor einigen Wochen einen anonymen Anruf auf mein Handy bekam und die tiefe Stimme Rafaels erklang, hatte ich es selbst nicht geglaubt.

Es hätte ein einfacher Auftrag sein sollen. Am anderen Ende von Compton gab es einige leerstehende Garageneinheiten, in der Rafael wohl wertvolle Papiere gelagert hatte. Die Garage hatte man allerdings ein paar Wochen zuvor versteigert. Maikel und ich hatten einfach die Garagen öffnen, die Unterlagen rausholen und verschwinden sollen. Als wir jedoch dort angekommen waren, war von irgendwelchen Unterlagen keine Spur, selbst nachdem wir alles auf den Kopf gestellt hatten. Wir hatten erst viel zu spät bemerkt, dass an der Garage eine Alarmanlage angebracht war, und standen mit einem Mal vor drei bewaffneten Polizisten. Kurz entschlossen hatte ich die Aufmerksamkeit der Cops auf mich gelenkt, damit Maikel entkommen konnte.

Und nun saß ich hier. Mein viertes Vergehen in fünf Jahren. Als man mich fragte, ob ich Einspruch gegen die Anklagepunkte erhob, gab ich nicht mehr als ein »Nope« von mir.

»Mr Marquez. Mr Marquez?«, riss mich schließlich die Stimme der Richterin aus den Gedanken. Ich musste abgedriftet sein bei dem Hin und Her, das der Staatsanwalt mit der Richterin aufgeführt hatte. »Ist Ihnen die Tragweite Ihrer Taten bewusst?«

Tragweite? Ich war lediglich in eine verlassene Garage eingedrungen und hatte keinen Mord begangen.