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Es war eine Nacht, wie sie in Geschichten über das Unheimliche erzählt wird: der Himmel verhangen, kein Mond, keine Sterne, nur ein schweres Dunkel, das auf die Welt herabzudrücken schien. In einer kleinen, abgelegenen Datscha am Rande eines dichten Waldes versammelten sich vier ungleiche Seelen – Ann, Alex, Tom und Hansen. Was sie zusammenführte, war mehr als Freundschaft oder Familie; es war ein unausgesprochenes Schicksal, das sie in diese einsame Nacht geführt hatte. Auf einem Tisch lag ein alter Pergamentbogen, die Tinte verblasst, aber die Worte noch immer voller Drohung und Verheißung. Daneben: eine schwere Flasche aus dunklem Glas, versiegelt mit einem Verschluss, der von Ringen flankiert wurde. Jeder der Ringe war kunstvoll gefertigt, ein Juwel in der Mitte, das im schwachen Licht schimmerte – Rubin, Saphir, Smaragd und Diamant. "Das ist keine gewöhnliche Flasche," murmelte Hansen, dessen Stimme von Jahren der Erfahrung und einer Spur von Angst gefärbt war. "Sie birgt mehr als ein Geheimnis. Sie birgt eine Macht, die niemand verstehen kann. Und niemand kontrollieren sollte." Doch die Neugier war stärker als die Vorsicht, und das Rätsel, das sich um das Exponat rankte, forderte nach Antworten. Keiner von ihnen wusste, dass ihre Reise sie an die Grenzen des Verstandes und darüber hinausführen würde. Dass sie nicht nur das Geheimnis der Flasche lösen, sondern auch ihre eigene Stärke, ihren Mut und ihre Verbundenheit auf die Probe stellen mussten.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Tom Remo
Margarete Jahn
© 2024 – Margarete JahnAlle Rechte vorbehalten.Texte: © 2024 Copyright by Margarete Jahn
Grafik: © 2024 Copyright by Margarete Jahn
Zeichnung: © 2024 Copyright by Margarete Jahn
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ISBN: 9783844293784
Inhaltsangabe
Schmidt-Hansen
Tom Remo
Ann
Seltsamer Besuch
Im Alkoven
Das Gespräch
Fremde Stimmen
Der Pakt
Die Entdeckung
Charité Büro Leo Thaler
Das Versteck
Geheimes Wissen
Altes Wissen
Leo Thaler
Der Plan
Das Versteck
Die Beobachtung
Das Blatt wendet sich
Die Datscha
Die Beobachtung
Das Flüstern
Die grüne Torte
Tännchen
Vera
Die Pergamentrollen
Das erste Rätsel
Schloemers Erkenntnis
Das zweite Rätsel
Hansens Versteck
Das dritte Rätsel
Leo Thaler
Rätsel der Verbindung
Schloemer wird entdeckt
Die Täuschung
Das Ritual
Die unruhige Nacht
Die falsche Reihenfolge
Der Schlaf
Der andere Tom
Nachruf und neue Anfänge
2*Spielbeschreibung "Tempel der Zeit"
1*Der Flechstritt-Tanz
Über die Autorin:
Irgendwo hinter der Stadtgrenze von Berlin, nahe, an einem Wald aus Eichen, Buchen und riesigen Tannen, die wild und groß gewachsen, eine etwas unheimliche Anziehung hatten, lag ein kleiner unbedeutender Ort.
Hier gab es eine einzige gerade Straße. Die Häuser fein säuberlich an ihr aufgestellt. Außer das von Hansen-Schmidt, eine kleine wundersame, teilweise in blau gefärbte Datscha, mit einem märchenhaft anzusehenden geschwungenen roten Dachgiebel, schien sich hier nicht einreihen zu wollen.
Auch im Inneren gab es einiges zu bestaunen. In der Mitte des Raumes stand ein großer, massiver Arbeitstisch aus dunklem Eichenholz, bedeckt mit Werkzeugen und Materialien, die einem Puppenmacher gehörten. Eine prächtige Decke aus gestickten Stoffen und gehäkelten Spitzen hing von der Decke herab und war mit den Farben des Regenbogens verziert, was dem Raum eine warme und gemütliche Atmosphäre verlieh.
Die Wände waren mit Regalen bedeckt, die bis zur Decke reichten und mit einer Vielzahl von Puppen gefüllt waren - von einfachen Stoffpuppen bis hin zu aufwendig verzierten Porzellanpuppen mit lebensechten Gesichtern. Ihre Augen schauten, als ob sie eine Geschichte zu erzählen hätten, die nur sie verstehen konnten.
Ein altes Grammophon stand stolz in einer Ecke des Raumes und spielte leise eine melancholische Melodie, die das Herz zum Schwingen brachte. Die Fenster waren mit zarten Spitzenvorhängen verhüllt, die das Sonnenlicht in ein warmes, sanftes Glühen tauchten, das den Raum mit einem goldenen Schimmer erfüllte.
In einer anderen Ecke des Raumes befand sich ein gemütliches Sofa, überzogen mit bunten Kissen und Decken, die zum Ausruhen und Träumen einluden. Ein großer Kamin aus poliertem Marmor thronte majestätisch an der Wand und war mit kunstvollen Schnitzereien verziert, die Szenen aus alten Märchen und Legenden darstellten.“
Gegenüber, verborgen hinter einem alten Vorhang, befand sich ein technisches Paradies. Computer und Monitore türmten sich dort auf, als hätte jemand über Jahre hinweg Geräte angesammelt und einfach aufeinandergestapelt. Die Bildschirme waren unterschiedlich groß und stammten aus verschiedenen Zeiten: Einige hatten die schmalen, glänzenden Rahmen moderner Flachbildschirme, während andere alte Röhrenmonitore mit abgerundeten Ecken und vergilbten Gehäusen waren.
Kabel schlängelten sich wie elektronische Schlangen durch den Raum, mal sorgsam gebündelt, mal lose auf dem Boden verstreut.
Auf einem der Tische, der unter der Last der Technik leicht zu schwanken schien, blinkten mehrere Lichter unregelmäßig, und warfen ein gedämpftes, pulsierendes Licht an die Wände. Ein halboffenes Gehäuse eines Computers lag daneben, als ob mitten im Basteln jemand von einer plötzlichen Idee abgelenkt worden war. Der Raum roch nach einem Mix aus Staub und Elektronik, dieser typischen Mischung, die in Räumen voller Technik herrscht.
Tastaturen lagen überall verstreut, einige davon hatten abgenutzte Tasten, während andere glänzten wie neu. Auf einem wackeligen Stuhl stand eine zerlesene Anleitung für Programmier-Codes, daneben ein schräg gestapelter Turm von Festplatten. Es war der perfekte Arbeitsplatz für jemanden, der in die Welt der Computer eintauchen wollte – chaotisch und doch voller Energie, wie ein Ort, an dem große Ideen Gestalt annahmen.
Hansen-Schmidts -Wege führten oft mitten hinein, in den Wald. Er kam hierher und ließ seiner Phantasie freien Lauf. Das undurchdringliche Dickicht, die wispernden Geräusche, die Bewegungen hinter Büschen von unentdeckten Lebewesen, ließen ihn eine Welt
erträumen, in der er stets ein Held, ein lieber Freund, oder gar ein Vater war.
Zu Hause angekommen konnte Hansen-Schmidt es nicht erwarten, alles aufzuschreiben, was ihm so in den Sinn gekommen war. Wundersame Lebewesen, mussten in aller Eile gezeichnet, gemalt und ausstaffiert werden. Es war ihm wichtig jede Einzelheit festzuhalten, die er sich in diesen geheimnisvollen Waldmomenten erdacht hatte. Manchmal schien es gar, sie wurden ihm geschenkt, diese Ideen. Einfach so in den Kopf hineingelegt. Es konnte unmöglich sein, dass alle diese märchenhaften Puppen, aus seinem eigenen Inneren kamen. So jedenfalls fühlte Hansen-Schmidt, und war zu tiefst dankbar.
Hansen war ein moderner Puppenmacher, ja, so kann man es bezeichnen. Seine wundersamen Wesen aber entstanden nicht nur in einer herkömmlichen Werkstatt, wo aus unförmigen Holzklötzen Hexen, Teufel und andere Spielfiguren geschnitzt wurden.
Hansen war zudem ein begabter und begehrter Trickfilmzeichner. So war auch der Computer, die Tastatur gemeinsam mit phantasievollen Träumen sein Handwerkszeug. Auch heute wieder, saß er an seinem Bildschirm, die schon etwas abgegriffene Maus blitzschnell hin und herwandernd. Sein Blick hinter einer dicken schwarzumrandeten Brille, zeigten kritische, neugierige Augen. Würde es ihm heute gelingen?
Draußen vor seiner Datscha änderte sich plötzlich das Licht. Eine dunkle bedrohende Wolke tauchte alles in ein undurchdringliches Schwarz. Kein Vogel zwitscherte mehr, eine unheimliche Stille umgab das Hansensche Holzhaus.
Hansen merkte dieses alles nicht. Er saß leicht gebeugt und hoch konzentriert vor seinem PC, eine kleine mysteriöse Phiole in der Hand, nichts ahnend, was da gleich geschehen würde.
Er stand plötzlich nervös auf, um sich gleich darauf wieder hinzusetzen. Auf seinem Gesicht ein wundersamer Ausdruck. Zufrieden, fast triumphierend nickte er seinem Bildschirm zu. „Hallo kleiner Mann! Du bist also Tom Remo. Mein Rekonstruiertes Modell Auf dich habe ich lange gewartet!“
„Ja?“ eine zarte weiche aber sehr leise Stimme hatte geantwortet.
Immer noch ungläubig, die Ohren reibend, näherte er sich dem Bildnis und fuhr vorsichtig mit seinen schlanken Fingern über den glatten Bildschirm, so als müsse er auch ertasten, was er da sah und gehört hatte.
Plötzlich zuckte ein greller Blitz durch den Himmel. Die alte Tischlampe gab nur noch ein zittriges letztes Licht, um dann gleichzeitig mit dem ertönen eines ohrenbetäubenden Donner, um die Hansensche Datscha herum, zu erlöschen.
„Au!“ Verdammt noch einmal! Was war das! Ein entsetzlicher Schmerz in seiner immer noch auf dem Bildschirm ruhenden Hand, ließ Hansen wie einen Wolfshund aufheulen. Er tastete nach dem Lichtschalter. Aber auch hier hatte die Glühbirne ihre Dienste aufgegeben. Mit einer zarten Kerzenflamme versuchte er dann ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen.
Hansens Hand zeigte ein feuerrotes kreisrundes Mal. Es brannte und tat höllisch weh. Kaltes fließendes Wasser brachte für einen Augenblick Linderung.
Noch immer ungläubig und ärgerlich maulend trottete er zurück zum PC. Und hier wurde er nun vollends wütend. Kaum zu glauben, zu welchen Flüchen dieser kleine Mann fähig war. Mit beiden Händen hob er seinen Monitor vom Tisch und rüttelte daran herum, als sei es eine alte Blechbüchse, und nicht ein schweres Monitorungetüm. Er wollte zurückholen, was er vor wenigen Minuten noch klar und deutlich gesehen hatte.
„Ok, Ok, nur die Ruhe bewahren.“
Deutlich zeichnete sich ein neongreller Umriss, dort, wo kurz zuvor seine liebenswerte Schöpfung ihn angelächelt hatte.
Aber dieses allein wäre ja nicht schlimm gewesen. Hansen, der alte Datenfuchs, hätte kein Problem damit, verlorengegangene Informationen wieder aufzustöbern. Aber eine eingebrannte kraterartige Monitoroberfläche konnte auch er nicht so schnell reparieren. Hier hieß es Geduld. Und die hatte er nicht. Ihn hatte ein Fieber gepackt. Er wusste, ihm war etwas Einmaliges gelungen. Noch konnte er es selbst nicht glauben... aber seine Augen hatten es selbst gesehen.
Zur gleichen Zeit, am anderen Ende der Straße, wieder einmal Regen, wobei hier Regen noch untertrieben ist. Kübelweise schüttete es vom Himmel.
Alex Oliver störte dieses nicht. Er hatte sich in sein Zimmer verkrochen und saß mit vor Zorn hochrotem Gesicht an seinem Computer. Sein dunkelblondes Haar stand zerzaust in alle Richtungen. Die braunen Augen die sonst einen fast goldenen Schimmer besaßen, blickten schwarz leuchtend und so düster, dass man nicht in seiner Nähe hätte sein mögen.
Was war es wohl, dass den Zorn so hoch kochen ließ. Selbst Brick, hatte sich in die äußerste Ecke des Zimmers verkrochen. Sein elfenbeinfarbenes Fell war nass geworden und verströmte einen unangenehmen Hundegeruch. Hier hätte sein Herrchen Alex normalerweise sofort eingegriffen. Dieser „Hundebadespass“ so gar nicht Bricks Fall, schien Alex unter normalen Umständen einen riesigen Spaß zu bereiten.
Leicht verwirrt, und ungläubig, verfolgte Brick jede Bewegung seines Herrchens. Immer sprungbereit zu entwischen, wenn er doch noch drohte in der Badewanne zu landen.
Nach Minuten langer Anspannung aber, war ihm klar, er war heute nicht der Mittelpunkt, und rollte sich fast beleidigt zu einer unförmigen Kugel.
Alex murmelte unverständliche Worte in Richtung seines Computers. Seine Faust schlug plötzlich auf den Tisch, und laut scheppernd landete die Bleistiftdose auf den Boden und ließ allen Inhalt in sämtliche Richtungen des Zimmers rollen.
„Was ist los“, Mutter Hanni schaute besorgt in das Zimmer ihres Sohnes, und wartete erst gar keine Antwort ab, sondern fing gleich an aufzuzählen.
„Hast du deine Hausaufgaben gemacht, hast du Brick gefüttert, dein Zimmer aufgeräumt, dich umgezogen, du weißt, wir bekommen wichtigen Besuch?“
„Ja ja, Mumm bin dabei, und störe mich nicht, sonst werde ich nicht rechtzeitig fertig.“
Genauso plötzlich wie sie aufgetaucht war, war sie auch wieder verschwunden. Fast zeitgleich, mit einem ohrenbetäubenden Knall der sich aus dem Monitor entlud, fiel die Tür ins Schloss.
Verwirrt meinte Mutter Hanni sich bei ihrem Sohn entschuldigen zu müssen, und rief in aller Hast während sie die Treppe hinuntereilte eine Entschuldigung aus.
Alex’ Zimmer aber, war mit diesem Knall gleichzeitig von einem blauen Licht völlig durchflutet. In der Mitte des Raumes schien das Licht sich fast ins violett zu färben und war so undurchdringlich, dass alles andere im Raum unsichtbar wurde.
Ein ängstlich neugieriges Kläffen von Brick, durchbrach die Stille.
Alex selbst saß wie erstarrt unbeweglich auf dem Stuhl, und versuchte mit seinen Augen das unförmige Licht - Gebilde im Raum zu erkunden. Langsam, nur langsam verzog sich der blaue Nebel. Immer noch regungslos, und wie unter Schock nahm Alex eine Bewegung war. Dann traute er seinen Ohren nicht. Jemand im Raum fing an zu kichern. Erst leise, dann lachte dort jemand. Laut und aus vollem Halse schien sich jemand zu vergnügen.
„He du da, ich bin Tom Remo, und wer bist du?“
„Alex Oliver“ klang es aus ihm heiser heraus. Seine Augen fingen an, langsam die Umrisse eines Knaben auszumachen. So groß etwa, wie er selber war.
„Was machst du hier? Wie bist du in mein Zimmer gekommen?“
Seine Stimme hatte sich gefangen, und klang nun wieder forscher. Neugierig wartete er auf eine Antwort.
„Siehst du es denn nicht? Schau ‘dich um, ich bin geradewegs hier durch dein Display gebiehmt worden.“
Eine feste Knabenhand tauchte aus dem Nebellicht und deutete auf den Monitor.
Alex sah auf den Bildschirm seines PCs und sah dort eigentlich nur noch einen glaslosen Rahmen. Das Innere schien heil zu sein. Kein Kabel war verrutscht. Nur ein leicht verbrannter Geruch kroch in seine Nase. Er drehte sich zurück, und sah nun in ein spitzbübiges Gesicht. Ein breites Grinsen, grüne leuchtende Augen, und die sanfte Stimme Toms hellten auch Alex’ Gesichtszüge wieder auf. Selbst Brick kroch aus seiner Ecke. Er spürte, etwas Ungewöhnliches ging hier vor.
Tom Remo stand nun voll sichtbar vor Alex. Beide bemusterten sich neugierig. Seltsam war Tom schon anzuschauen. Schwarze Haare, borstig und in Hunderten kleinen Büschen ungeordnet auf seinem Kopf verteilt. Seine schwarze Hose war übersät mit silbernen Klammern und Reißverschlüssen. Toms Schuhe aber waren um gelinde zu sein, das merkwürdigste, das Alex je gesehen hatte. Schwarz silbrig glänzendes Leder, an der Fußspitze mit einer nach außen gebogener Rolle. Hoffentlich sind seine Füße nicht so
geformt, dachte Alex. Silberfarbene Schnallen, in Form kleiner Computerchips vollendeten das Bild für Alex Olivers Augen als rundherum fremd, nur das blütenweiße T-Shirt schien langweilig normal. Das er selber keinen weniger seltsamen Eindruck auf sein Gegenüber machte, war ihm nicht bewusst. Die sonst gepflegten schulterlangen Haare, hatten sich nun vollends zur unbändigen Masse um den Kopf drapiert. Die wachsamen braunen Augen schauten aus einem mit Tinte schwarzverschmutzten Gesicht.
Und so muss man sagen, sah Alex Oliver eher wie ein von einem anderen Stern kommender Außerirdischer aus, so, wie man sie sich halt vorstellt.
„Kann man dich berühren? Stehst du da wirklich, oder bist du nur mein Hirngespinst?“ fragte Alex.
„He fass mich an, berühre mich dann hast du deine Antwort.“ Kam es von seinem Gegenüber.
Alex streckte Tom die Hand entgegen. Warme Hände berührten seine.
„Hei, ich heiße Alex Oliver, wohne hier, fahre Skateboard, mag Mathe überhaupt nicht, hasse meine Deutschlehrerin und kann Fleckstritt *¹ tanzen, am liebsten mit meiner Schwester.“.“
„Hoi, und ich Heiße Tom Remo, spreche fließend Basic und Java, liebe Zahlen.
„Mmh, und wie bist du hierhergekommen?“
„Sagte ich doch. Ich bin her gebiehmt, und zwar von dir!“ „Von mir?“
“Ja, hast du nicht an deinem Computer gesessen?“
„Ja schon, ich habe versucht meine Mathehausaufgaben zu machen. So eine verfluchte Aufgabe habe ich überhaupt nicht verstanden, muss sie aber bis morgen fertig haben, sonst regnet es fünfer, und ich habe schon zu viele davon. Aber ich verstehe immer noch nicht was meine Matheaufgabe mit deiner Biehmung zu tun hat?“
„Ich eigentlich auch nicht, denn, damit du mich hierher Teleportieren kannst, brauchst du unseren binären Abruf Code.“
“Binärer Abruf Code? Willst du damit sagen, dass du durch meine Umrechnung von Dezimalzahlen im Stellenwertsystem ins Duale Stellenwertsystem, also durch meine blödsinnige Zahlenreihe hier hergeflogen bist?“
„Ja! Ja; eigentlich nicht, zeig mal her deine Aufgabe!“
„, wenn du meinen Monitor zusammenbringst gern’“
„Kein Problem.“
Geschickt setzte Tom die Scheibe des Monitors an seinen Platz zurück.
„Verstehe gar nicht wieso sie herausgeflogen ist. Muss wohl schon ein altes Modell sein.“
Alex runzelte die Stirn, „ja leider, der Abgelegte meines Vaters“.
„So nun zeig her, ich bin neugierig, wie diese Rechnung aussieht.“
Schnell war das entsprechende Bild aufgebaut, und beide schauten sich die in Alex’ Augen verrückte Zahlenreihe an.
„Das war deine Lösung?“ „Ja,“ „Das ist nicht unser Flug Code.“
Tom durchstöberte ein wenig das Programm.
„Hoi, das ist interessant! Hier gibt es einen Skript Fehler, ich glaube der dadurch verursachte Html – Ausrutscher, hat aus deiner Mathelösung meinen Flug Code kreiert.“
„Ungläubig und ein wenig verständnislos, schaute Alex in Toms Augen.
„Mmh, ja, ich verstehe schon, das erklärt noch lang nicht alles. Aber ich ahne was vor sich gegangen ist. Ein wenig Zeit musst du mir noch lassen, dann kann ich dich aufklären.“
„OK!“
Ein Klopfgeräusch brachte beide ein wenig aus der Fassung.
„He Alex! beeil dich, du wirst zum Essen erwartet.“ Ertönte eine Mädchenstimme auf der anderen Seite.
„Wer ist das?“ fragte Tom. „Meine Schwester Ann.“ Flüsterte Alex.
Gleichzeitig öffnete sich die Tür und Ann schaute ins Zimmer.
Keine Sekunde später stand sie im Zimmer und schaute in das verstörte Gesicht ihres Bruders.
„Was ist los? Was suchst du?“
Belustigt und neugierig beobachtete sie Alex der in ihren Augen mal wieder aussah, als sei er aus einem Erdloch gekrochen.
„Verschwinde, ich kann dich hier nicht gebrauchen!“ ungehalten wies er zur Tür.
Doch Ann, schien zu spüren, dass er etwas vor ihr verbarg. Nun erst recht neugierig geworden trat sie nahe zu Alex. Ann mit ihrem feuerroten unglaublich geradem wie mit einem Lineal geschnittenem Haar, war ein Jahr jünger, aber doch um einige Zentimeter größer und schaute noch immer abwartend auf ihren Bruder.
Dieser schien nervös etwas zu suchen. Seine Blicke wanderten durchs Zimmer, und wieder nervös zu Ann.
„Ich kann dich hier wirklich nicht gebrauchen!“
„Hör´ zu Alex, du weißt, du kannst mir vertrauen, wenn du also meine Hilfe benötigst, dann weißt du ja, wo du mich findest!“
Mit einem Schwung verschwand sie so plötzlich, wie sie aufgetaucht war.
Alex atmete tief auf: „Wo steckst du Tom?“
„Ich stehe immer noch hier, und habe mich nicht vom Fleck gerührt.“
„Ja tatsächlich.“
Tom war unübersehbar.
„Aber? Wie, mmh? Wo hast du dich so schnell versteckt? Wie bist du wieder so schnell vor meinen Augen aufgetaucht?“
„Ich habe mich nicht vom Fleck gerührt, aber ich bin selbst erstaunt, dass dieses rothaarige Mädchen mich nicht gesehen hat.“
„Aber ich habe dich auch nicht mehr gesehen. Du hast dich nicht vom Fleck gerührt?“
„Nein wirklich nicht, bin keinen Schritt gelaufen.“
„OK, wir bekommen es schon heraus, wie du das gemacht hast. Schließlich, bist du ja auch hierhergekommen, und ich kann mir nicht vorstellen, wie dir dieses gelungen ist. Meine Matheschmiererei und deine Theorie der Biehmerei… scheint mir immer noch abwegig.“
Doch trotz alledem es schien, dass Alex nichts erschüttern konnte, als sei es eine vollkommen normale Sache: ein seltsamer Knabe erscheint, verschwindet, und erscheint wieder.
Er trat an Tom heran, und schaute sich nun näher an, wer da mit ihm das Zimmer teilte.
Tom war so groß wie er selber. Neugierig betastete er die seltsamen Schuhe, die Hose. Auch umgekehrt wurde Alex befingert.
„Dein Haar ist schön weich, ist das modern, so wie du sie trägst?“
Ein Blick in den Spiegel, verriet Alex, dass er tatsächlich außergewöhnlich frisiert war, und verschmitzt meinte er zu Tom:
„Ne, so sehe ich aus, wenn ich meine Matheaufgaben mache.“
„Hoi!“ lachte Tom.
Wieder hörte man jemanden die Treppe heraufeilen. Dann war es ruhig. Tom und Alex verhielten sich mucksmäuschenstill.
Auf der anderen Seite der Türe, schien jemand den Atem anzuhalten.
Tatsächlich, Ann legte ihr Ohr an die Türe, versuchte angestrengt zu hören, was ihr Bruder da treibt. Stille. Nach ein paar Sekunden hielt sie es nicht mehr aus.
Mit einem Ruck öffnete sie erneut die Tür, und streckte ihren Rotschopf durch den Spalt.
„Was treibst du da?! Wusste ich doch, du bist nicht allein!“
Mit dem Finger auf Tom deutend trat sie ins Zimmer.
„He mach die Türe zu, und sei leise!“ befahl Alex.
Ann gehorchte mechanisch. Zu groß war ihre Neugier. Sie wollte es auf gar keinen Fall riskieren, wieder hinausgeschmissen zu werden. Neugierig ging sie direkt auf Tom zu, stupste ihn an: „Ich bin Ann, wer bist du?“ „Du kannst ihn sehen?“ kam es von Alex.
„Wieso, sollte ich nicht?“ „Ach, das ist eine lange Geschichte…
Ann wartete die Antwort gar nicht ab. Sie war fasziniert aber auch irritiert vom Anblick Toms.
„Ganz schön seltsames Outfit, dass du da trägst! Kommst du, oder gehst du zu einem Faschingsball?“ „Faschingsball?“
„Ach, ist doch egal“ meinte Alex.
„Was willst du schon wieder hier?“ Ann überhörte die Frage.
„Nun, erzähl schon, was treibt ihr hier, und was soll der seltsame Aufzug? Was habt ihr vor?“
Stille.
Alex druckste herum. Er wusste, seine Schwester wird ihm keine Ruhe lassen, und so lange bohren, bis sie herausbekommen hatte was sie wissen wollte.
„Erzähle es ihr doch, sie wird es glauben, oder auch nicht“, meinte Tom.
Immer noch zögerte Alex. Nervös fuhr er sich durchs Haar. Abwartend und gebannt verfolgte Ann mit verschränkten Armen, die nervösen Gebärden ihres Bruders.
„Na gut, du wirst uns ja doch nicht in Ruhe lassen. Aber eines sei dir gesagt, ich erlaube dir keine Zwischenfragen, kein Lachen, und verlange von dir absolutes Schweigen.“
„Ehrenwort! ich verspreche dir alles.“
„Also, ich selbst verstehe es auch noch nicht so ganz“, begann Alex, und mit einer ausholenden Bewegung begann er zu berichten, was sich in der letzten Stunde in seinem Zimmer abgespielt hatte.
Manchmal unterbrach Tom den Redefluss mit kleinen erklärenden Ausschmückungen.
Ann schien angestrengt nachzudenken.
„Gebiehmt, binärer Abruf Code, Umrechnung von Dezimalzahlen im Stellenwertsystem, ins Duale Stellenwertsystem, Scriptfehler, ...erscheint mir logisch.“
„Wie meinst du das?“ kam es von Alex, der ungläubig, Ann fixierte, jeden Augenblick darauf gefasst, ihr schrilles Lachen zu hören.
„Still, ich muss nachdenken! Na schön, du siehst wirklich aus, wie durch eine Röhre gezogen, Tom. Du musst mir mehr erzählen. Wer bist du? was kannst du? wo wohnst du? was machen wir mit dir?“
Unangenehm laute Stille folgte nach diesen Fragen. Nur Brick schien sich endlich aus seiner Ecke herauszutrauen. Schwanzwedelnd mutig geworden, beschnupperte er Tom.
Dieser schien verlegen, und meinte räuspernd, „ich werde versuchen zurückzukehren. Hansen wird mich sicher schon vermissen.“
„Wer ist Hansen?“ fragten die Geschwister wie im Chor.
Noch bevor Tom antworten konnte, hörten sie Mumm Hanny gereizt rufen:
„Nun wird es aber Zeit, mit euch beiden! Ich erwarte euch sofort zu sehen!“
Der Ton war unmissverständlich scharf. Tom und Ann wussten, hier war höchste Zeit zu reagieren.
„Wir kommen ja schon!“
„Gib uns 3Minuten!“ versuchte Alex Zeit zu gewinnen.
„OK, 3 Minuten, aber keine Minute länger, dann seid ihr unten!“
Alex seufzend: “ich möchte, dass du bleibst.“
„Hoi, mmh, wäre mir auch recht.“
„Können wir dich allein lassen Tom? du kannst es dir bequem machen.“
Alex deutete auf eine Wand. Da befindet sich meine Höhle. Dort kannst du dich verkriechen. Toms Augen folgten dem Finger und sahen einen merkwürdig aussehenden Schrank.
„Da hinein?“
„Ja, ist ganz bequem dort. Ist ein nachgebauter Seemanns Alkoven. Niemand wird dich dort stören. Wir sind so schnell wie möglich zurück.“
„Abgemacht.“
Ein Händedruck besiegelte diesen Packt, und dann hieß es sputen. Ann strich sich mit den Fingern durchs Haar, und Alex fingerte hektisch mit einer etwas seltsamen Haarbürste, oder war es gar eine Hundebürste? eilig durch sein Haar. Mit einem weißen Tischtuch versuchte Alex seinem Gesicht die natürliche Farbe wiederzugeben, rieb so fest um Ohren und Nase, dass diese ziemlich rot zu leuchten begannen.
Letzte Ermahnungen an Brick, auf den neuen Freund acht zu geben, und schon verschwanden beide aus dem Zimmer.
Auf der Treppe ermahnte Alex seine Schwester über alles zu schweigen, sich nicht zu verplappern und völlig normal zu verhalten.
Beleidigt meinte Ann „, wenn du dich so verhältst, wie du es von mir möchtest, bin ich wohl zufrieden“, warf den roten Pferdeschwanz in die Höhe und zelebrierte ihren Abstieg auf der Treppe ganz so wie man es von Ann gewöhnt war.
Vor dem großen venezianischen Spiegel in der Diele beobachtete sie noch einmal den Sitz ihrer grünfarbenen Bluse, strich ihrem Bruder über das noch immer nicht ganz gebändigte Haar und ging dann zielstrebig auf die gläserne Schiebetüre zum Speisezimmer.
„Weißt du eigentlich wer da zu Besuch gekommen ist?“ fragte Alex.
„Nee, nicht genau, soll so ‘n Finanzheini sein, der mit Paps zu tun hat.“
„Hm was die sich wohl wieder ausgedacht haben, hab` überhaupt keine Lust den braven am Tisch zu mimen“,
„Hilft nichts bringen, wir es hinter uns.“
Das Esszimmer war ein großer sehr hoher Raum. In der Mitte ein riesiger ovaler Tisch aus der Gründerzeit, liebevoll blank gewienert, so blank, dass man sich darin spiegeln konnte.
Zum Leid der beiden Ann und Alex, war dieser Tisch scheinbar das wichtigste und heiß geliebteste Utensil der Mutter. Dem entsprechend wurde er behandelt, sprich täglich mit einer geheimen selbst gebrauten Pomade eingerieben. Besser gesagt, beide Sprösslinge des Hauses waren dazu verdammt, wann immer es der Mutter einfiel, die Tischplatte zu behandeln, mit Hingabe und aller Sorgfalt, streng überwacht.
13 Stühle standen um den Tisch herum. Den 14. Stuhl gab es nur noch in unzählige Einzelteile zerlegt, irgendwo auf dem Dachboden verstaut, mit der Hoffnung begleitet, einmal wieder in vollem Glanze um den Tisch platziert zu werden.
Die „13“ in Mutter Hannys Augen war natürlich nicht zu dulden, äußerst abergläubisch, wie sie war, ersetzte sie den Stuhl mit einem monströsen Etwas, so eine Art Thron in Alex Augen, der denn auch gleich zum Vaterstuhl erklärt wurde.
An der Decke blitzte ein riesiger Kronleuchter, erhellte den Raum in kompliziertes Licht. Ann fand, dass es viel zu früh sei, diesen zu beleuchten. Es gab noch genug Tageslicht.
Trotz des Unwetters, hatte sich der Himmel wieder aufgehellt. Anns Instinkt verriet ihr: Kronleuchter hell, - Gäste stink fein, oder wichtig.
Schwere ockergelbe Samtvorhänge vor dem riesigen mit einem Rundbogen versehen Fenster, gaben dem Raum eine weitere majestätische Note.
Gegenüber, nun noch der alte Porzellanschrank. Nicht zu übersehen die wertvolle Sammlung großer und kleiner Teller, liebevoll aufgereiht. Alex bedachte sie mit einem feindseligen Blick, erinnerte sich an den wochenlangen Stubenarrest, weil er einen Teller zerbrochen hatte, als sein Fußball, leider das Tor, in diesem Fall die Tür verfehlte.
Mumm Hanny empfing die beiden mit ihrem streng mütterlichen Blick, und wies auf die leeren Stühle am Tisch.
„Das ist mein Sohn Alex, und hier meine Tochter Ann.
Man hatte bereits Platz genommen.
Das Erste was Alex sah, waren kalte stahlblaue Augen eines arroganten Knaben. Glatt gegeltes schwarzes Haar. Ewa in seinem Alter, vielleicht ein Jahr älter.
Eine ungeheure Duftwolke eines sicherlich ziemlich teuren Duftwassers strömte in seine Nase. Auch die Kleidung schien ihm übertrieben.
Mumm deute auf ihn und stellte ihn als Paul Schloemer vor. Mmh, „Tag“, kam es nur zögernd über Alex Lippen.
Ein breites arrogantes Grinsen und Alex’, Meinung über sein Gegenüber waren komplett.
Ann ging es nicht anders. Ihr Blick richtete sich auf eine ausgesprochen farbenfroh angezogene Weiblichkeit. Den Busen stark nach oben geschnürt, atemringend, wild gestikulierend schien diese sich mit ihrem Vater angestrengt über wichtiges zu unterhalten.
Ann kannte ihren Vater eher zurückhaltend. Meist thronte dieser majestätisch am Kopfende des Tisches, regierte unnahbar und streng seine Familie.
Heute dagegen, wirkte er wie umgewandelt. Mumm schien dieses ebenfalls zu bemerken. Glücklich schien diese darüber aber nicht.
Unbeeindruckt ob der neuen Gäste, beugte die Fremde sich ihrem Vater unziemlich nahe entgegen. Ein übertriebenes Lachen quoll aus ihrem speckigen Hals.
Worüber die wohl lachen? Eine heisere, kehlige Stimme unterbrach die Gedanken Anns. Eiskalter Schauer rann ihr über den Rücken. Zögernd drehte Ann sich in Richtung dieser Stimme.
Ein grausam zynisches Lächeln begegnete ihrem Blick.
„Guten Tag Fräulein Ann, sie sind also die Tochter des Hauses, mein Respekt.“
„Guten Tag.“
Ann wandte ihren Blick ab, sie mochte nicht weiter in diese Augen sehen.
„Nun wo wir vollständig versammelt sind, werde ich auftragen lassen“, kam es von Mumm.
Unendliche Dankbarkeit, über diese Ablenkung glättete sich Anns Sorgenfalte. Das Interesse an ihrer Person schien sich in nichts aufzulösen. Vorsichtig beäugte sie ihren linken Nachbarn. Wie eine Kopie des Sohnes, nur das Haar etwas grauer, die Geheimratsecken noch ausgeprägter, die Nase länger und gebogener. Hätte Ann hier schon gewusst wer dieser Mann ist, sie wäre kaum so ruhig sitzen geblieben.
Allein zurückgelassen, stand Tom verloren und nachdenklich vor dem großen Spiegel. Tom war ein neugieriges Wesen mit einem frechen Lächeln und einem Herzen voller Abenteuerlust.
Neben ihm saß Brick. Dieser beobachtete schwanzwedelnd und mit leicht geneigtem Kopf sein seltsames Gegenüber, so als müsse sein Hundegehirn einige Zeit in Anspruch nehmen um zu glauben was er sah. Aber der Geruch war gut.
Vorsichtig tastend glitten Toms Finger über das Gesicht, über seine Haare.
„Fühlt sich komisch an“, dachte er.
Auch seine Hände schienen eine aufregende Entdeckung zu sein. Immer wieder glitten sie über die greifbaren Dinge im Raum, über Bricks weiches Fell. Dann wieder zu sich zurückkehrend, um wieder gleich abwendend die Blumen auf der Fensterbank zu betasten. Tom schien in einen wahren Tastrausch zu geraten.
„Es ist wahr, ich sehe dich nicht nur, ich fühle dich du schöne rote Blume.“
Torkelnd, wie ein Betrunkener tanzte er durchs Zimmer. Vor dem Spiegel zurück:
“Sage mir Spiegel, wer bin ich? Bin ich Hansens Tom? Oder wo komme ich her? Habe ich geträumt? Bin ich nur eine gerenderte Grafik? bin ich ein gutes Drahtgestell? oder bin ich gerade geboren und vom Himmel gefallen? Wie wird man geboren?“
Der Spiegel blieb stumm. Antworten gab es vorerst nicht. Doch Tom fühlte sich gut. Fühlen im wahrsten Sinne des Wortes. Fühlen konnte er zum ersten Mal. Nach einiger Zeit, während Tom mit den Fingern über seinen mit silbernen Schnallen überzogenen Anzug tastete, spürte er plötzlich ein prickelndes Gefühl, das sich durch seinen Körper ausbreitete, und als er seine Augen öffnete, war er erstaunt über das, was er sah – oder besser gesagt, nicht sah
!
Tom war unsichtbar geworden!
Zuerst konnte er es kaum glauben. Er wackelte mit seinen Händen vor seinem Gesicht herum und lachte vor Aufregung, als er feststellte, dass sie nicht zu sehen waren. Doch dann überkam ihn die Erkenntnis, dass er jetzt die Welt um ihn herum aus einer ganz neuen Perspektive erleben konnte.
Schnell lernte Tom, seine Unsichtbarkeit zu kontrollieren. Er fand heraus, dass es nicht nur das Berühren der Schnalle war, der ihn unsichtbar machte, sondern die Magie, die tief in ihm schlummerte. Es war die Kraft seiner Fantasie, die ihm diese erstaunliche Fähigkeit verlieh.
Mit einem lebhaften Grinsen begann Tom, seine unsichtbare Reise durch die Villa seiner Freunde. Er staunte über all diese Dinge, die da aufgestapelt, aufgehängt, und fein säuberlich aufgereiht zu sehen waren.
So tastete er sich durch wundersame Dinge.
Als er die erste Tür erreichte, spürte er ein Kribbeln der Aufregung in sich aufsteigen.
Er konnte das Klappern von Geschirr aus der Küche hören, wo Tännchen die schon sehr ergraute Haushälterin gerade dabei war, einen Kuchen zu backen. Vorsichtig schwebte er an ihr vorbei und ließ einen leichten Hauch auf ihrer Wange spüren, was sie kurz zusammenzucken ließ.
Die Sonne neigte sich langsam dem Horizont zu, Tom spürte eine große Müdigkeit und dachte an den sicheren Alkoven seines Freundes.
Vorsichtig öffnete er den ungewöhnlichen Schrank. Hier wollte er sich erst einmal ausruhen, ein wenig schlafen. Quietschend öffnete sich die breite Glastür.
Ein roter Baumwollvorhang sprang ihm ins Gesicht, und bescherte Tom erst einmal einen gehörigen Schrecken.
Dahinter verbarg sich ein Bettkasten, bestückt mit einem Haufen roter und blauer Kissen. Genau das was er jetzt brauchte. Gemütlich eingerichtet dauerte es nicht lang und Tom schlief ein. Brick gesellte sich zu ihm, und war ebenfalls bald eingeschlafen. Selbst für einen Hund war alles das zu viel.
