Toni der Hüttenwirt 100 – Heimatroman - Friederike von Buchner - E-Book

Toni der Hüttenwirt 100 – Heimatroman E-Book

Friederike von Buchner

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Beschreibung

Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt.Toni, der Hüttenwirt liebt es ursprünglich. In Anna hat er seine große Liebe gefunden. Für ihn verzichtete Anna auf eine Karriere als Bänkerin im weit entfernten Hamburg. Jetzt managt sie an seiner Seite die Berghütte. "Noch ein Bier, Xaver!" grölte Hans Hofbauer durch die Wirtsstube. Xaver Baumberger tat, als hätte er es nicht gehört. Hans Hofbauer war wieder einmal betrunken. "Xaver, hast es net gehört? Ich will ein Bier und einen doppelten Obstler. Kannst mir auch zwei bringen!" Das Stimmengemurmel im Wirtsraum verstummte. Die Gäste schauten den Wirt an. Xaver Baumberger, der hinter dem Tresen stand und Gläser wusch, trocknete sich in Ruhe die Hände ab. Dann ging er langsam zu dem Tisch neben der Eingangstür, an dem Hans Hofbauer alleine saß und trank. Er nahm ihm den leeren Bierseidl fort.

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Toni der Hüttenwirt –100–

Die Hochzeit unseres besten Freundes

… und ganz Waldkogel feiert!

Roman von Friederike von Buchner

»Noch ein Bier, Xaver!« grölte Hans Hofbauer durch die Wirtsstube.

Xaver Baumberger tat, als hätte er es nicht gehört. Hans Hofbauer war wieder einmal betrunken.

»Xaver, hast es net gehört? Ich will ein Bier und einen doppelten Obstler. Kannst mir auch zwei bringen!«

Das Stimmengemurmel im Wirtsraum verstummte. Die Gäste schauten den Wirt an. Xaver Baumberger, der hinter dem Tresen stand und Gläser wusch, trocknete sich in Ruhe die Hände ab. Dann ging er langsam zu dem Tisch neben der Eingangstür, an dem Hans Hofbauer alleine saß und trank. Er nahm ihm den leeren Bierseidl fort.

»Du hast genug, Hans! Es gibt nix mehr! Geh’ heim!«

Hans Hofbauer sprang auf, dabei torkelte er. Der Stuhl fiel um. Hofbauer hielt sich am Tisch fest. Mühsam konnte er das Gleichgewicht halten.

»Bist ein schlechter Wirt, ein ganz schlechter! Lässt einen Mann ver­dursten! Schäm dich! Bist ein Hund, ein elender Hund, Xaver! Aber so kannst mit mir net umspringen. Ich will ein Bier und einen doppelten Obstler!«, brüllte er.

»Sei vernünftig, Hans! Schau, du kannst dich noch kaum auf den Beinen halten! Ich werde deine Frau anrufen! Sie soll dich holen!«

»Lass des Weib aus dem Spiel! Die Lisbeth paktiert hinter meinem Rücken mit der Ursel. Hinterlistig ist des! Mir so in den Rücken zu fallen!«

Xaver seufzte. Er öffnete die Tür.

»Toni!« rief Xaver laut.

Toni war in der Küche neben der Wirtstube. Er packte Lebensmittel ein, die seine Mutter, Meta Baumberger, ihm für die Berghütte gab. Toni kam dazu.

»Toni, hilf mir den Saufkopf hinaus auf die Straße zu bringen, dann findet er schon den Weg heim!«

Toni und sein Vater packten Hans rechts und links unter den Achseln und drängten ihn aus dem Raum. Sie führten ihn die Treppe hinunter. Währenddessen rief Meta Baumberger auf dem Hofbauerhof an.

Lisbeth, seine Frau, war sofort am Telefon.

»Lisbeth, hier ist die Meta! Es ist mal wieder soweit. Dein Mann ist volltrunken. Es ist besser, du holst ihn ab.«

»Himmel steh mir bei! Schon wieder hat er sich volllaufen lassen. Meta, was soll ich nur machen? Und gerade heute muss er sich so betrinken, wo er genau wusste, dass die Ursel zu Besuch kommt. Des wird was geben. Der Himmel stehe mir bei! Danke, dass du mich angerufen hast, Meta!«

Meta Baumberger überlegte kurz.

»Lisbeth, der Toni ist hier. Er packt noch sein Auto. Dann fährt er rauf zur Berghütte. Er kann dir deinen Mann unterwegs abliefern.«

»Des ist gut! Da danke ich dir schön, Meta!«

Meta Baumberger eilte ihrem Mann und ihrem Sohn nach, die jetzt vor dem Wirtshaus standen und auf Hans Hofbauer einredeten, der immer noch auf seinem Bier bestand und laut schimpfte. Meta redete kurz mit Toni. Er war bereit, Hans heimzufahren. Während Meta Baumberger die Lebensmittel in den Kofferraum des Geländewagens packte, brachten Toni und Xaver den Bauer dazu, sich vorn auf den Beifahrersitz zu setzen.

»Soll ich mitkommen, Toni?«

»Naa, Vater! Ich werde schon mit ihm fertig! Anschließend mache ich mich gleich auf den Weg zur Oberländer Alm. Es sieht schwer nach einem Unwetter aus. Ich hoffe, ich komme noch trockenen Fußes hinauf auf die Berghütte.«

Die beiden Männer schauten in den Himmel, an dem sich immer mehr tief dunkele Regenwolken zusammenballten.

»Des schaut net gut aus, Toni!«

»Des stimmt, Vater! Des schaut nach einen Unwetter aus. Es ist besser, wenn ich keine Zeit verliere! Pfüat di!«

»Pfüat di, Toni!«

Antonius Baumberger, den alle seit seiner Kindheit nur Toni riefen, ließ den Motor an und fuhr davon. Sein Vater schaute ihm nach. Er schüttelte den Kopf, wenn er daran dachte, wie sich Hans Hofbauer binnen Monaten verändert hatte. Aus dem stattlichen Mannsbild war ein Häufchen Elend geworden. Jeden Abend saß er in der Wirtsstube und trank. Trinken konnte man das nicht mehr nennen, er schüttete das Bier und den Schnaps in sich hinein, bis er nur noch lallte. Hans Hofbauer wollte betrunken sein, nur so glaubte er das Leben ertragen zu können. Das Leben, das ihm so schlimm mitgespielt hatte, ihn bestraft hatte, wie Hofbauer es nannte. Dabei wisse er nicht, was sein Vergehen gewesen war, dass er diese Ungerechtigkeit erdulden musste. Es war in seinen Augen nicht nur eine Ungerechtigkeit, sondern auch eine Unverschämtheit und vor allem die allergrößte Enttäuschung seines Lebens. Es war etwas, von dem er nie gedacht hatte, dass so etwas passieren würde. Er kam einfach nicht darüber hinweg, wollte keine Einsicht zeigen. Er war stur und verbohrt und steigerte sich Woche für Woche mehr hinein. So trank er immer und immer mehr.

Toni hielt auf der Straße vor der großen Hofeinfahrt an. Lisbeth Hofbauer und Ursel, die Tochter der beiden, traten aus dem Haus. Toni stieg aus dem Auto.

»Grüß dich, Ursel! Wie geht es dir? Wann ist es denn soweit? Und was wird es?«

Die werdende Mutter streichelte sich über den Bauch. Ihre Augen leuchteten vor Glück.

»Grüß dich, Toni! Danke, dass du den Vater heimgebracht hast! Des ist schlimm für ihn. Vielleicht fängt er sich, wenn erst sein Enkelkind da ist. In vier Wochen ist es soweit. Und ein Bub wird es!«

»Mei, wie schön! Ein Stammhalter!«

Ein Schatten huschte über das Gesicht der werdenden Mutter. Sie schaute hinauf zum Himmel.

»Ja, der Axel würde sich freuen! Er wird von oben auf uns herabschauen, denke ich! Und für mich ist es ein Trost, dass es ein Bub ist!«

Hans Hofbauer war aus Tonis Geländewagen geklettert. Er torkelte einige Schritte, dann hatte er sich gefangen.

»Was willst du hier? Verschwinde! Du hast hier nix zu suchen!«, brüllte er.

»Vater, so kann es doch net weitergehen! Und schau mal, was für eine traurige Figur du bist, wieder vollkommen betrunken! Komm, lass uns vernünftig reden!«

»Ich will net reden! Mit dir schon gar net! Mit dir und dem Balg in deinem dicken Bauch will ich nix zu tun haben. Mach, dass du fort kommst! Hau ab!«, brüllte Hofbauer.

Toni wollte vermitteln. Aber Lisbeth gab ihm ein Zeichen, sich nicht einzumischen.

»Toni, danke, dass du ihn gebracht hast. Aber es ist besser, wenn du

gehst. Ich werde schon mit ihm fertig. Danke nochmals!«

»Bist sicher, Bäuerin?«

»Ja, Toni! Er wird eine Weile schimpfen und brüllen, dann wird er zu heulen anfangen! Ich kenne das schon!«

»Tust mir leid, Bäuerin! Ganz Waldkogel hat Mitleid mit dir und mit der Ursel!«

»Danke, Toni! Fahr schon!«

Toni sah, wie die Augen der Bäuerin feucht wurden. Er wollte sie nicht in Verlegenheit bringen und fuhr davon. Es war auch höchste Zeit, denn die Wolken am Himmel wurden immer dunkler und bedrohlicher.

*

»Hans, komm mit in die Küche! Ich habe dir schon eine Kanne starken Kaffee gemacht. Jetzt trinkst du ein paar Tassen davon, dann fühlst dich besser«, sagte seine Frau mit sanfter Stimme.

Sie versuchte, ihren Arm unter den seinen zu schieben und ihn ins Haus zu führen. Er stieß sie fort.

»Geh’ mir aus dem Weg, Lisbeth! Lass mich in Ruhe! Und des Luder dort soll auch gleich verschwinden mit seinem Bankert im Bauch!«

»Hans! Du bist so betrunken, dass du nimmer weißt, was du redest. Nimm dich zusammen!«

»Sei du still! Ich kann sagen, was ich will. Ich bin gegen die Hochzeit gewesen, aber sie musst’ uns ja verraten. Auf die Seite von den Baslers hat sie sich geschlagen und uns im Stich gelassen. Geh’! Ich will dich nimmer sehen und was aus deiner Brut wird, ist mir egal! Mach, dass du vom Hof kommst. Wenn du nicht gleich gehst, dann mach ich dir Beine!«

Hans Hofbauer ging drohend auf seine Tochter zu. Schnell trat Lisbeth dazwischen. Sie wusste, wenn ihr Mann getrunken hatte, war er zu allem fähig. Dann brach der Jähzorn aus ihm heraus.

»Ursel, ich denke, es ist wirklich besser, wenn du gehst. Du siehst ja, in welchem Zustand er ist. Dann ist nicht mit ihm zu reden. Am besten kommst mal am Vormittag vorbei, ganz früh, dann hat er seinen Rausch ausgeschlafen und noch nix getrunken. Vielleicht könnt ihr euch dann endlich mal aussprechen und einen neuen Anfang machen.«

»Lisbeth, red’ keinen Schmarrn! Es gibt nix zu bereden und einen neuen Anfang gibt es nicht. Was vorbei ist, ist vorbei. Des undankbare Ding hat die Wahl gehabt: entweder unser Hof oder diesen Nichtsnutz! Dass er nix taugt, das ist ja jetzt bewiesen. Dumm und leichtsinnig war er! Überschätzt hat er sich! Aber das hat ja jetzt ein Ende. Bezahlt hat er dafür und ich bin sicher, dass sein…« Das Wort Kind oder Bub kam dem Hofbauer nicht über die Lippen.

Er rang nach Luft.

»Bin sicher, dass die Brut net viel besser ist! Wird nix Gescheites werden bei dem Vater! Was soll dabei schon herauskommen?«

Ursel trieb es die Tränen in die Augen.

»Hans, sei still! Wie kannst du so etwas sagen?« brüllte Lisbeth und legte den Arm um ihre Tochter.

»Ursel, hör’ net hin, was er sagt. Siehst doch selbst, wie betrunken er ist! Er weiß nicht mehr, was er sagt und tut!«

»Des weiß ich wohl, Weib! Und jetzt schaffst sie vom Hof, sonst tue ich es!«

»Mutter, es ist besser, ich gehe!«

»Ja, Madl! Es ist besser! Ich komme morgen rüber zum Baslerhof. Ich würde dich gerne heimbringen, aber ich habe Angst, dass er in seinem Zustand irgendeine Dummheit macht.«

»Ich finde schon alleine heim, Mutter! Es ist ja nicht weit.«

Ursel ging zu ihrem Jeep und stieg ein. Sie wendete und fuhr vom Hof.

In diesem Augenblick grollte der erste Donner. Gleichzeitig fing es an, zu hageln. Das letzte Tageslicht ging binnen Sekunden zur Nacht über. Es war, als würde die Welt untergehen. Ursel kämpfte sich im Schritttempo die Hauptstraße entlang durch Waldkogel. Blitze zerrissen die Dunkelheit. Blitze schlugen in der Nähe ein, dass es krachte. Es waren nur zehn Kilometer bis zum Basler Hof auf der anderen Seite der Grenze der Gemarkung Waldkogel.

Ursel Basler fuhr an den Straßenrand und hielt. Sie sah nichts mehr. Die Scheibenwischer schafften die Wassermassen und Hagelkörner nicht mehr. Sie schaltete den Motor ab.

Dann geschah es. Ein heftiger Schmerz raubte ihr fast die Sinne. Sie schrie auf. Gleichzeitig platzte ihr die Fruchtblase.

»Herrgott, hilf mir! Es ist doch noch net Zeit für das Kindl. Der Bub hat doch noch vier Wochen Zeit!«

Während der nächsten Schmerzwelle fiel sie nach vorne auf das Lenkrad. Die Hupe schaltete sich ein. Es war das Hupgeräusch, dass Ursel als erstes wieder hörte, als sie halbwegs zu sich kam.

Während des nächsten Blitzes, bei dem die Umgebung in gleißendes Licht getaucht wurde, erkannte sie, dass sie unweit der Praxis von Doktor Martin Engler parkte. Sie quälte sich aus dem Auto. Binnen kürzester Zeit war sie durchnässt bis auf die Haut. Sie stemmte sich gegen den Sturm. Als sie keine Kraft mehr hatte, ging sie auf die Knie und kroch die letzten Meter die Straße entlang.

Ursel schaffte es, das Haus von Doktor Martin Engler zu erreichen. Kraftlos sank sie vor der Praxistür auf den Boden, dann wurde es Nacht um sie herum.

Das Nächste, was Ursel wie aus weiter Ferne mitbekam, war dass sie in der Praxis des Arztes lag und er ihre Hand hielt. Es waren noch andere Leute dabei, aber Ursel Basler erkannte sie nicht. Immer wieder raubte ihr eine Ohnmacht die Sinne.

»Ich rufe noch einmal an. Vielleicht haben sie jetzt einen Krankenwagen, den sie schicken können!«

Die Anwesenden nickten.

Sie hörten, wie Martin von seinem Sprechzimmer aus mit dem Krankenhaus in Waldkogel telefonierte. Kopfschüttelnd kam er zurück.

»Da ist nichts zu machen! Es hat auf der Autobahn eine Massenkarambolage gegeben. Alle Rettungsfahrzeuge im weiten Umkreis sind dort eingesetzt. Es kann noch Stunden dauern, bis sie einen Krankenwagen schicken können! Ich sagte der Rettungsleitstelle, dass Mutter und Kind in höchster Gefahr sind. Sie meinten, sie hätte Glück, dass sie bei mir in der Praxis ist. Aber ich bin hier für solche Notfälle nicht ausgestattet. Ihr könnte im Krankenhaus in Kirchwalden besser geholfen werden, als ich es tun kann. Ich habe nur eine einfache Land­arztpraxis. Und ich kann sie auch nicht mit meinem Landrover nach Kirchwalden fahren. Sie auf der Ladefläche des Wagens zu transportieren, das ist zu gefährlich.«

Im Dämmerzustand waren Fetzen an Ursels Ohr gedrungen.

»Rettet den Buben! Des Kind soll leben! Rettet ihn! Was aus mir wird, ist nicht wichtig! Ich kann auch zu Axel gehen. Hauptsache, der Bub lebt!«, stöhnte die werdende Mutter.

Martin gab eine weiteres Medikament in die Infusion. Die Arznei wirkte sofort. Ursel fiel wieder in einen Dämmerschlaf. Der Arzt blieb neben der Liege sitzen. Er prüfte laufend Puls und Herztöne der Mutter, sowie der Herztöne des Kindes. Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Er sah elend aus. Er litt mit der jungen Frau, die so selbstlos ihr Leben bot, damit ihr Kind leben könnte.

»Ich gehe in die Küche und mache starken Kaffee!«, sagte Walli Schwanninger. »Kommst mit, Pfarrer?«

Pfarrer Zandler nickte und ging hinter der alten Bäuerin hinaus. Die Küche lag am anderen Ende des kleinen Hauses. Hier hatte Doktor Martin Engler seine Landarztpraxis. Im Obergeschoss hatte er sein Wohnzimmer und eine kleine Schlafkammer. Regen und Hagel schlugen gegen die Fensterscheiben.

»Bist du hier gewesen, Walli?«, fragte Pfarrer Zandler.

»Naa! Ich hab am Fenster gestanden. Als es blitzte, sah ich auf der Straße das Auto stehen. Des habe ich beobachtet. Viel konnte ich bei dem Unwetter nicht erkennen. Später bildete ich mir ein, eine Gestalt bewegte sich auf die Praxis zu. Dann sah ich, wie der Doktor hier unten in allen Räumen Licht anmachte. Da ist was passiert, dachte ich mir. Da bin ich schnell rübergelaufen.«

»Des war net ungefährlich, Walli!«

»Schmarrn! Es ist doch nur ein kleines Stückl von meinem Hof über die Wiese, dann bin ich schon da. Ich hatte mir eine Decke umgehängt und Gummistiefel an. Die Mira hatte angeschlagen und an der Tür gekratzt. Der Hund hatte die Ursel draußen bemerkt. Der Martin hat sie dann bewusstlos vorgefunden. Mei, hoffentlich kommen die beiden durch! Der Martin hätte dich net angerufen, Pfarrer, wenn er net große Sorge um die Ursel hätte. Ich bin ja gegen Krankenhäuser, aber in dem Fall wäre es wirklich besser, denke ich. Aber es ist nix zu machen, alle Fahrzeuge sind im Einsatz!«

»Der Martin ist ein guter Arzt. Vielleicht schafft er es ja, dass des Bübchen auf die Welt kommt und die Ursel…«

Pfarrer Zandler brach den Satz ab. Er ließ den Rosenkranz weiter durch die Finger gleiten. Es war ihm sehr nahe gegangen, dass er der jungen Frau die letzte Ölung hatte geben müssen. Es sah nicht gut aus. Ursel tat ihm leid. Er haderte mit seinem Chef, wie er im Stillen den Herrgott nannte, weil die junge Frau so viel Leid ertragen musste. Ihr Vater hatte sie vom elterlichen Hof gejagt, als sie darauf bestand, die große Liebe ihres Lebens zu heiraten, Axel Basler, den Erben des Baslerhofes. Pfarrer Zandler erinnerte sich an die traurigen Blicke der Braut während der Trauung. Nur ihre Mutter war in die Kirche gekommen. Einige Monate später kam der junge Ehemann bei einem Unfall ums Leben. Mit großen leeren Augen starrte Ursel damals auf den Sarg, als er in das ausgehobene Grab gelassen wurde. Einige Tage später erfuhr sie, dass das Kind, das sie unter ihrem Herzen trug, ein Junge war. Sie beschloss, ihn Axel zu nennen, Axel, wie sein Vater, ihre große Liebe. Und jetzt musste man um das Leben von Mutter und Kind bangen.

Walli, die alte Bäuerin, schenkte dem Pfarrer und sich Kaffee ein und brachte Martin einen Becher ins Behandlungszimmer.

»Wie steht es, Martin?«

»Im Krankenhaus könnte ich ihr viel besser helfen! Aber es gibt keine Möglichkeit, sie dorthin zu bringen«, stöhnte er leise. »Ich werde alles versuchen, aber meine Mittel hier sind begrenzt.«

Waltraud Schwanniger, die von allen Walli gerufen wurde, seit sie damals als ganz junges Madl nach der Schule zum Arbeiten auf den reichen Schwannigerhof kam. Auch als sie Jahre später die junge zweite Frau des Schwanniger Bauers wurde, war sie für jedermann nur die Walli. Sie hatte Mitleid mit dem jungen Arzt. Martin sah so verzweifelt aus.

Draußen stürmte es immer noch, auch wenn es etwas nachgelassen hatte. Mitternacht ging vorbei. Walli und der Pfarrer blieben. Die Stunden zogen sich endlos dahin, nur unterbrochen vom tiefen Stöhnen der Wöchnerin. Dann graute draußen der Morgen. Mehr tot als lebendig erlebte Ursel die aufgehende Sonne. Mit dem ersten Sonnenstrahl, der über die Berge im Osten fiel, fand ihr kleiner Bub doch den Weg ins Leben. Er war kräftig und brüllte laut. Doch sein Weinen hörte seine geschwächte Mutter kaum, die bleich und wächsern zwischen den weißen Laken lag. Jeder sah, dass sie dem Tode näher war als dem Leben. Sie hatte viel Blut verloren. Ihre Gesichtszüge waren eingefallen. Für Sekunden huschte ein kraftloses Lächeln über ihr Antlitz, als Martin ihr ihren Buben in den Arm legte.

»Es ist geschafft! Axel Basler Junior hat das Licht der Welt erblickt. Er ist ein strammer Bursche von etwas über vier Kilo. Kein Wunder, dass er früher gekommen ist«, sagte Doktor Martin Engler. »Es war kein schöner Start ins Leben! Wenn ich nur einen Krankenwagen gehabt hätte!«

Pfarrer Zandler legte Martin die Hand auf die Schulter.

»Du hast alles getan, was du konntest!«

Pfarrer Zandler verabschiedete sich. Walli ging auch heim. Martin blieb am Lager der jungen Mutter sitzen und wachte über sie.

*

Der Klang der Glocken der schönen kleinen Barockkirche von Waldkogel rief die Gläubigen zur Frühmesse. Pfarrer Heiner Zandler stand vor der Kirche und freute sich, dass an diesem Morgen so viele kamen.