Toni der Hüttenwirt 105 – Heimatroman - Friederike von Buchner - E-Book

Toni der Hüttenwirt 105 – Heimatroman E-Book

Friederike von Buchner

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Beschreibung

Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt.Toni, der Hüttenwirt liebt es ursprünglich. In Anna hat er seine große Liebe gefunden. Für ihn verzichtete Anna auf eine Karriere als Bänkerin im weit entfernten Hamburg. Jetzt managt sie an seiner Seite die Berghütte. Toni und Anna kurvten in ihrem Geländewagen durch Kirchwalden. "Also, wenn wir jetzt net bald einen Parkplatz finden, dann fahren wir zum Leo und bitten ihn, unser Auto auf dem Hof des Bergwachtgeländes abstellen zu dürfen. Des ist ja grauselig mit dem Verkehr heute!" Toni bog in die nächste Gasse ein. "Schau, Toni, dort hinten ist ein Parkplatz!", sagte Anna. "Des ist gut! Mei, so viel Verkehr habe ich in Kirchwalden schon lange nimmer erlebt. Der Parkplatz liegt ideal am Rande der Altstadt. Von hier aus ist es net weit in den kleinen Schmuckladen. Wenn wir beim Leo geparkt hätten, wär's ein ganzes Stück Weg weiter gewesen." Toni parkte ein, sie stiegen aus.

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Toni der Hüttenwirt –105–

Verliebt in einen Vagabunden

Roman von Friederike von Buchner

Toni und Anna kurvten in ihrem Geländewagen durch Kirchwalden.

»Also, wenn wir jetzt net bald einen Parkplatz finden, dann fahren wir zum Leo und bitten ihn, unser Auto auf dem Hof des Bergwachtgeländes abstellen zu dürfen. Des ist ja grauselig mit dem Verkehr heute!«

Toni bog in die nächste Gasse ein.

»Schau, Toni, dort hinten ist ein Parkplatz!«, sagte Anna.

»Des ist gut! Mei, so viel Verkehr habe ich in Kirchwalden schon lange nimmer erlebt. Der Parkplatz liegt ideal am Rande der Altstadt. Von hier aus ist es net weit in den kleinen Schmuckladen. Wenn wir beim Leo geparkt hätten, wär’s ein ganzes Stück Weg weiter gewesen.«

Toni parkte ein, sie stiegen aus.

»Wenn ich mir die vielen Leute ansehe, dann bin ich für unser Leben doppelt dankbar, Toni. So ein Trubel mit den Autos und den Fußgängern! Ich kann mir nicht mehr vorstellen, in einer Stadt zu leben. Ich frage mich, wie ich das früher ausgehalten habe.«

»Du hast nichts anderes gekannt, Anna. Und von den Vorzügen eines ruhigen Lebens in den Bergen hast net einmal geträumt.«

»Das stimmt! Doch jetzt bin ich sehr glücklich.«

Hand in Hand gingen Toni und Anna durch die enge Gasse. Sie fanden den Laden. In dem kleinen Schaufenster lagen Schmuckstücke aus. Daneben war die Ladentür. Eine altmodische Glocke bimmelte über der Tür, als sie eintraten. Ein alter Mann in einem weißen Kittel kam hinter einem Vorhang hervor, offensichtlich lag dahinter eine kleine Werkstatt.

»Grüß Gott, die Herrschaften«, grüßte er freundlich.

Toni und Anna lächelten ihm zu und begrüßten ihn.

»Wir würden gerne den Inhaber sprechen.«

»Der steht vor Ihnen, Ferdinand Unterholzer!«

Toni und Anna schauten sich an. Toni nahm vier braune Umschläge aus der Tasche und legte sie auf die Ladentheke.

»Es wird wohl das Beste sein, wenn wir Ihnen des ein bisserl ausführlicher erklären. Unsere Namen sind Anna und Toni Baumberger. Wir haben hoch über Waldkogel die Berghütte. Zur Familie gehören zwei Kinder, der Sebastian und die Franziska.«

Toni griff in die Tasche und legte ein Bild auf die Theke. Es zeigte Toni, Anna und die Kinder auf der Terrasse der Berghütte.

Der Ladeninhaber sah Toni etwa verwundert an, hörte aber weiter geduldig zu.

»Schauen Sie hier – die Umschläge! Sie sind alle an unsere kleine Franzi adressiert.«

»Was haben diese Briefe mit mir und mit meinem Laden zu tun?«

»Es ist nur so ein Gedanke von uns, eine Idee. Wir hoffen, mit Ihrer Hilfe vielleicht den Absender herauszubekommen. Sehen Sie, auf den Umschlägen steht kein Absender. Es liegen nur Zettel dabei. Die Anhänger, die als Geschenke für unser Madl gedacht sind, die sind in so kleinen Kästchen, wie Sie sie verwenden. Kurz, wir suchen nach dem Absender.«

Anna holte aus jedem Umschlag den Inhalt hervor und legte ihn auf die braunen Umschläge.

»Ja, solche kleinen Kästen verwende ich! Die können aus meinem Laden stammen. Kann ich mir den Inhalt ansehen?«

»Sicher!«

Herr Unterholzer schaute sich die kleinen Anhänger der Reihe nach an. Es waren ein Schornsteinfeger, ein Hufeisen, ein Herz und ein Glückskleeblatt.

»Solche Anhänger kaufe ich ein. Da bin ich nicht der Einzige. Es gibt sie überall in Läden, die Schmuck verkaufen, auch in manchen Kaufhäusern kann man sie bekommen. Ich verkaufe sie ganz gut.«

Er lächelte.

»Das kommt vielleicht auch daher, dass ich sie in diese Kästchen einpacke. Dann sieht so ein kleines Geschenk gleich wertvoller aus.«

»Soll des heißen, dass die bei Ihnen gekauft worden sind?«, fragte Toni.

»Mit größter Wahrscheinlichkeit ja!«

Toni reichte ihm die kurzen Briefe, die bei jedem Präsent dabei lagen.

»Berni? Das kann auch eine Abkürzung sein. Leider kenne ich einen Großteil meiner Kundschaft nicht mit Namen. Weiß ihr Madl nicht, wer ihr die kleinen Geschenke zukommen lässt?«

»Naa! Wir haben unserer Franzi nix davon gesagt. Wir haben sie nur gefragt, ob sie einen Buben kennt, der Berni heißt. Des tut sie net. Es gibt in der Schule, in der Musikschule und unter den jungen Pferdenarren auf dem Reiterhof keinen Buben, der Berni heißt oder Berni gerufen wird. Wir sind beunruhigt, verstehen Sie?«

»Dass Sie beunruhigt sind, das verstehe ich. Ich habe Enkeltöchter im Alter Ihrer Franzi. Mir würde es nicht anders gehen. Heute muss man mehr auf die Kinder aufpassen als früher. Die Zeiten haben sich geändert.«

»Das stimmt! Sie können uns also nicht weiterhelfen?«

»Wenn Sie erwartet haben, dass ich Ihnen einen Namen nennen könnte, dann muss ich sie leider enttäuschen. Und dass ich nicht so einfach über meine Kundschaft rede, das müssen sie auch verstehen. Zu mir kommen öfters einige junge Burschen, die solche Anhänger kaufen.«

»Siehst, Anna, wie ich dir gesagt habe. Der Bursche muss älter sein. Wir müssen aufpassen, Anna!«

»Langsam, langsam Toni!«

Anna legte beruhigt die Hand auf Tonis Unterarm.

»Toni, lass mich mal!«

Anna setzte ein zauberhaftes Lächeln auf. Sie holte eine Visitenkarte aus der Handtasche.

»Lieber Herr Unterholzer! Wir werden mit Sicherheit nichts gegen einen Ihrer Kunden unternehmen, wenn sich die Sache als harmlos herausstellt. Sie als wohlmeinender und besorgter Großvater verstehen doch auch, dass wir uns Sorgen machen. Franziska ist unsere Adoptivtochter. Wir haben das Madl und ihren älteren Bruder nach dem tragischen Unfalltod ihrer Eltern bei uns aufgenommen und fest in unsere Herzen geschlossen. Die Franzi musste so viel Herzeleid erfahren, dass wir sie behüten wollen. Das verstehen sie sicherlich. Also, mein lieber Herr Unterholzer! Hier ist unsere Adresse. Das ist die Handynummer. Wenn Sie etwas erfahren, dann lassen Sie es uns bitte, bitte wissen. Ist das möglich?«

Ferdinand Unterholzer steckte die Visitenkarte in die Tasche seines Kittels.

»Ich werde Augen und Ohren offenhalten. Ich verspreche Ihnen, dass ich Sie sofort anrufe, wenn ich etwas erfahre. Jedenfalls scheint es so zu sein, dass der Absender immer bei mir in meinem Laden kauft. Wenn er hier schon vier Mal einen Anhänger gekauft hat, dann kauft er vielleicht auch einen fünften Anhänger. Möglich wäre es! Es gibt ja noch viele verschiedene Formen und Größen.«

Er lächelte und holte verschiedene Präsentationsschubladen herbei. Es gab Buchstaben, Tiermotive und andere Formen.

»Wann haben Sie den letzten Brief bekommen?«

»Das war vor zwei Wochen!«, sagte Anna. »Die Briefe kamen in Abständen von zwei oder drei Wochen.«

»Dann besteht doch eine gute Aussicht, dass der Käufer bald wiederkommt. Ich werde aufpassen.«

»Danke, dass Sie uns zugehört haben, Herr Unterholzer! Wir wissen, dass das ein ungewöhnliches Anliegen war.«

»Das verstehe ich doch, wenn ihr Madl zehn Jahre älter wäre, wäre es etwas anderes. Aber sie ist noch ein Kind.«

»Genau, Herr Unterholzer! Danke, nochmals vielen Dank! Und wenn Sie mal Lust und Freude daran haben, uns auf der Berghütte zu besuchen, dann sind sie unser Gast.«

»Früher bin ich oft in die Berge zum Wandern. Aber heute wollen die Beine nimmer so, das Alter, wissen Sie! Aber ich werde darüber nachdenken. Vielen Dank für Ihre Einladung!«

Toni und Anna verabschiedeten sich und verließen den Laden.

»Was meinst, Anna?«

»Ich denke, er kennt seine Kunden recht gut, Toni. Vielleicht hat er sogar einen Verdacht. So ein kleiner Laden, der hat wenig Kundschaft und wenn ein Kunde schon viermal da war, kann sich der Ladenbesitzer bestimmt beim nächsten Mal an ihn erinnern.«

»Ja, das denke ich auch, Anna! Wir müssen ihm etwas Zeit geben. Wir fahren ja mindestens zwei bis drei Mal im Monat zum Einkaufen nach Kirchwalden, dann schauen wir wieder bei ihm vorbei.«

»Das tun wir!«

Toni und Anna gingen zum Auto zurück. Sie legten die Briefumschläge in den Kofferraum und gingen einkaufen. Annas Liste für den Haushalt war lang.

*

Die Sonne schien von einem blauen Himmel.

»So, da wären wir!«, sagte der Lastwagenfahrer.

Tillmann Berg, der Till gerufen wurde, lächelte.

»Danke fürs Mitnehmen!«

»Es war mir ein Vergnügen. Die langen Fahrten sind oft etwas eintönig. So hatte ich etwas Unterhaltung. Ich wünsche dir eine gute Reise, Till. Bist schon ein verrückter Kerl! Wenn ich das meinen Kumpels erzähle, die werden mir das nicht glauben.«

»Dann behältst du es eben für dich! Ich wünsche dir gute Fahrt. Vielleicht sieht man sich wieder einmal.«

»Willst net meine Handynummer, Till?«

»Nein! Das wäre gegen meine Prinzipien. Ich habe mich von allem freigemacht und dabei bleibt es! Man sagt ja, man sieht sich im Leben immer zweimal. Also freue ich mich auf das nächste Zusammentreffen. Gute Fahrt!«

Die Männer schüttelten einander die Hand.

Tillmann kletterte aus der Fahrerkabine des Lastwagens. Er blieb auf dem Seitenstreifen stehen und schaute dem Transportfahrzeug nach, bis es um die Kurve verschwunden war. Der Fahrer hatte zum Abschied noch einmal die Hupe betätigt, obwohl das verboten war. Tillmann lächelte. Er hängte sich die Stofftasche um und schulterte den alten Rucksack mit dem Schlafsack, dem einen Paar alter Schuhe und den Socken.

Tillmann folgte der Landstraße, die nach Kirchwalden hineinführte. Bald kam er an eine Kreuzung. Er las den Ortsanzeiger und bog nach rechts ab. Die Straße führte bald aus dem Ort hinaus und schlängelte sich durch liebliche Felder und Wiesen. Tillmann blieb stehen und wischte sich die Schweißtropfen von der Stirn.

Wie schnell man binnen eines Jahres die Kondition verliert, dachte er. Er wusste, dass die erste Woche der Wanderschaft immer die schlimmste war. Keiner zwang ihn dazu, er hatte es sich ausgesucht. Und er bekam etwas dafür: ein Gefühl der Freiheit und der Ungebundenheit. Diese Gefühle waren stärker als die Unannehmlichkeiten und entschädigten ihn für die Ungemach, die er sich bewusst selbst auferlegt hatte.

Als die ersten Häuser von Waldkogel zu sehen waren, beschleunigte er die Schritte. Er heftete seine Augen auf die Uhr am Kirchturm. Autos und Transporter fuhren an ihm vorbei. Eines fuhr so dicht vorbei, dass Tillmann genötigt war, sich blitzschnell in das hohe Gras neben der Straße zu werfen. Er war überzeugt, dass nur dieser mutige Hechtsprung ihn vor einem Unfall bewahrt hatte. Tillmann blieb einen Augenblick liegen und wartete ab, bis der Schmerz in seiner linken Hand nachließ. Blut schoss aus dem Handballen. Ein Stück Glas steckte darin.

»Dass die Leute auch ihre Flaschen aus dem Autofenster werfen müssen«, schimpfte er laut.

Tillmann biss die Zähne zusammen und zog sich die Glasscherbe heraus. Er hielt die Hand in die Luft, in der Hoffnung, dass die Blutung sich verringern würde. Nach einer Weile ließ sie auch nach. Tillmann wischte sich mit seinem Halstuch die Blutspuren am Unterarm ab und wickelte das Halstuch um die Hand. Es schmerzte. Er winkelte den Arm an und ging weiter.

Als er vor der Kirche ankam, ließ er sich erschöpft auf die Bank beim Brunnen fallen. Er kramte aus der Vortasche seines Rucksacks einen Blechbecher hervor und hielt ihn unter den Wasserstrahl. Er trank mehrere Becher Wasser. Danach fühlte er sich besser. Seine Hand schmerzte immer noch. Tillmann wickelte vorsichtig das Halstuch ab und besah sich die Wunde. Er überlegte, ob er sich Verbandszeug besorgen oder gar einen Arzt aufsuchen sollte. Er entschied sich, damit erst einmal zu warten. Ich bin gesund. Es ist ein glatter Schnitt und wird auch ohne Behandlung heilen. Die Wunde hat viel geblutet und Schmutz wird nicht mehr in ihr sein.

Tillmann wusch das Halstuch im Brunnen und säuberte seine Hände. Er breitete das Halstuch neben sich auf der Sitzbank in der Sonne aus. Bis die Sonne untergeht, wird es trocken sein, dachte er. Hunger hatte er keinen. Der freundliche Lastwagenfahrer hatte ihn zum Essen eingeladen.

Tillmann schloss die Augen. Er ruhte sich aus und ließ in Gedanken den Tag an sich vorüberziehen. Es war ein guter Tag gewesen, bis auf den Sturz in die Glasscherbe. Aber es hätte schlimmer sein können, tröstete sich Tillmann.

»Grüß Gott! Die Hand schaut aber net gut aus!«

Tillmann erschrak und riss die Augen auf. Er war doch tatsächlich etwas eingenickt.

»Grüß Gott! So schlimm ist es nicht!«

»Du musst zum Doktor!«

»Danke, es geht schon! Ich bin hart im Nehmen.«

Tillmann sah wie ihn der Geistliche von oben bis unten musterte und seinen Stoffbeutel und den alten Rucksack aufmerksam betrachtete.

»Dir ist es anzusehen, dass du hart im Nehmen bist. Bist wohl schon länger unterwegs, wie?«

»Wie man es nimmt, Herr Pfarrer? Was ist Zeit?«

»Ah, bist auch noch ein Philosoph!«

»Wenn Sie es sagen?«

»Wie heißt du denn?«

»Till, wie Till Eugenspiegel!«

»Nur Till, sonst nix?«

»Till, des genügt doch oder?«

»Schon, wenn du willst. Mein Name ist Heiner Zandler und ich bin hier in Waldkogel der Pfarrer. Des ist meine Kirche.«

»Ich bleibe nicht lange. Ich wollte mich nur etwas ausruhen und habe meine Hand gesäubert.«

»Ich vertreibe dich nicht! Warum sollte ich das tun?«

»Nun weil ich ein bisserl anders bin als die Touristen, die sonst herkommen, denke ich mir.«

»Ich schließe daraus, dass du schlechte Erfahrungen gemacht hast und kein Tourist bist.«

Tillmann warf dem Geistlichen einen Blick zu und schwieg.

»Hast du schon heute etwas gegessen?«, fragte Pfarrer Zandler.

»Ja!«

Der Geistliche musterte Till erneut. So schnell gab der Pfarrer nicht auf. Der junge Mann machte auf der einen Seite einen etwas verlotterten Eindruck. Auf der anderen Seite sah er nicht so aus, wie einer, der ständig auf der Straße lebt.

»Du bist auf der Wanderschaft, machst aber keinen Urlaub, wie? Sehe ich das richtig?«

»Irgendwie schon«, sagte Tillmann leise.

»Und wo kommst du her?«

»Von weit!«

»Und ein Ziel hast auch nicht?«

»Doch schon! Immer weiter und weiter!«

»Dann bist du ein Vagabund?«

»So können Sie das sehen! Sie brauchen keine Angst um ihre Kirchenschätze zu haben. Ich stehle nichts!«

»Hat man dich schon mal verdächtigt?«

»Vagabunden sind nicht gerade beliebt!«

Tillmann stand auf.

»Ich will dich wirklich nicht vertreiben! Da würde ich meiner Christenpflicht nicht nachkommen, im Gegenteil. Wenn du mit der Verletzung an der Hand keinen Arzt aufsuchen willst, dann nehme ich an, dass du nicht versichert bist.«

Tillmann schaute den Geistlichen nicht an und gab ihm keine Auskunft. Pfarrer Zandler wertete es als Zustimmung.

»Magst mit ins Pfarrhaus kommen, Till?«, fragte der Geistliche. »Kannst duschen, dich rasieren und meine Haushälterin macht dir einen Verband.«

»Danke für die Einladung. Doch ich komme schon klar! Es gibt Seen und Bäche!«

So ein sturer Kerl, dachte Pfarrer Zandler. Aber das Leben wird ihn dazu gemacht haben. Er ist zum Einzelgänger geworden.

»Mein Angebot steht. Da drüben ist das Pfarrhaus. Ich gehe dann schon mal voraus und rede mit meiner Haushälterin. Ich lehne die Haustür an. Überlege es dir!«

Tillmann schaute ihn an. Pfarrer Zandler lächelte.

»Höre zu, Till! Ich weiß, dass Burschen, wie du einer bist, ihr ganz eigene Auffassung vom Leben haben. Ich will dich nicht bekehren. Ich werde dir keine Predigt halten. Es ist dein Leben, das du so gewählt hast. Davor habe ich Achtung. Du hast dich für ein Leben als Vagabund entschieden und ich bin Priester geworden. Jeder tut das, was in glücklich macht. Und niemand hat das Recht über einen anderen Menschen zu urteilen. Also, überlege es dir!«

Tillmann seufzte.

»Gut, Sie haben mich überredet! Ich komme gleich nach!«

»Gut!« Pfarrer Zandler lächelte ihm zu und ging davon.

*

Helene Träutlein hatte Tillmann im Badezimmer einige Kleidungsstücke hingelegt. Im Pfarrhaus gab es einen kleinen Fundus für Bedürftige. Eigentlich sammelte die Haushälterin die gespendeten Kleidungsstücke, um sie dann an eine größere Organisation des Bistums zu geben. Dieses verteilte die Kleidung an Bedürftige.

»Gut schaust aus, Till!«, sagte der Pfarrer. »Setz dich!«

Tillmann nahm in der Gartenlaube Platz. Der Tisch war für die abendliche Vesper gedeckt. Es gab Bratenaufschnitt, Brot, Wurst und Käse. Die Haushälterin hatte noch eine große Schüssel mit grünen Salat hingestellt.

Pfarrer Zandler sprach ein Tischgebet. Dann fingen sie an zu essen. Dabei beobachtete der Geistliche seinen Gast mit Argusaugen. Tillmann ist zwar sehr verschlossen, dachte er, aber seine Haltung, seine Gesten und Manieren, wie er Sätze formuliert, all das sagt viel über ihn aus.

»Schmeckt es?«

»Danke, Herr Pfarrer! Es schmeckt sehr gut!«

»Des freut mich! Es ist auch schöner, wenn man net alleine essen muss. Ich habe gern Gesellschaft. Dann kann ich mich ein bisserl unterhalten. Fremde, also Leute, die nicht aus der Gegend sind, die hab’ ich besonders gern. Dann kann ich mich mal über andere Themen unterhalten als gewöhnlich.«

Sie warfen sich Blicke zu. Tillmann konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken.

»Ich bin nicht sehr gesprächig. Das haben Sie sicher schon bemerkt.«

»Des war nicht zu übersehen! Wirst deine Gründe haben. Aber ein Schweigegelübte hast net abgelegt?«

»Nicht ganz! Ich will nur nicht viel über mich reden. Ist es denn so wichtig, wer man ist, wo man herkommt, was man getan hat?«

»Naa, des ist es net. Da stimme ich dir zu. Ich will dich auch net bedrängen, Till. Aber du passt so ganz und gar net in des Bild von einem Vagabunden.«

Tillmann errötete leicht.