Toni der Hüttenwirt 107 – Heimatroman - Friederike von Buchner - E-Book

Toni der Hüttenwirt 107 – Heimatroman E-Book

Friederike von Buchner

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Beschreibung

Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt.Toni, der Hüttenwirt liebt es ursprünglich. In Anna hat er seine große Liebe gefunden. Für ihn verzichtete Anna auf eine Karriere als Bänkerin im weit entfernten Hamburg. Jetzt managt sie an seiner Seite die Berghütte. Toni betrat den Laden des Goldschmieds. Ferdinand Unterholzer war allein im Geschäft. Er stand vor einem Regal und zog Wecker auf. "Grüß Gott, Baumberger! Ich wollte dich anrufen, sobald ich mit der Arbeit fertig bin. Jetzt bist hier, des ist schön!" "Grüß Gott, Unterholzer! So viele Wecker und alle zum Aufziehen, das ist ja wie in meiner Kindheit." "Ja, diese Wecker mit richtigem Uhrwerk, die erleben eine Renaissance. Des macht des neue Umweltbewusstsein. Die Leute wollen immer weniger Wecker und Tischuhren mit Batterien. Des ist eine gute Entwicklung, net nur für mich als Uhrmacher und Goldschmied, sondern auch für die Natur. Wenn alle mehr mit der Hand machen würden, da könnte man viel Strom sparen."

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Toni der Hüttenwirt –107–

Skandale und Liebe...

Roman von Friederike von Buchner

Toni betrat den Laden des Goldschmieds. Ferdinand Unterholzer war allein im Geschäft. Er stand vor einem Regal und zog Wecker auf.

»Grüß Gott, Baumberger! Ich wollte dich anrufen, sobald ich mit der Arbeit fertig bin. Jetzt bist hier, des ist schön!«

»Grüß Gott, Unterholzer! So viele Wecker und alle zum Aufziehen, das ist ja wie in meiner Kindheit.«

»Ja, diese Wecker mit richtigem Uhrwerk, die erleben eine Renaissance. Des macht des neue Umweltbewusstsein. Die Leute wollen immer weniger Wecker und Tischuhren mit Batterien. Des ist eine gute Entwicklung, net nur für mich als Uhrmacher und Goldschmied, sondern auch für die Natur. Wenn alle mehr mit der Hand machen würden, da könnte man viel Strom sparen.«

»Des stimmt, Unterholzer. Wir auf der Berghütte brauchen nur Elektrizität an den Tagen, an denen die Anna die Waschmaschine benutzt. Dafür haben wir einen Generator im Schuppen hinter der Berghütte. Ich speichere einen Teil der Elektrizität, falls ich oder ein Hüttengast sein Handy aufladen muss. Sonst leben wir ein bisserl altmodisch, sagen manche. Aber unseren Stammgästen gefällt es, dass die Zeit in vielen Dingen bei uns stehengeblieben ist. Sie genießen des unkomplizierte Leben bei uns auf der Berghütte.«

»Des ist schön! Ich besuche euch sicherlich«, sagte der alte Mann.

»Besuch, des ist das Stichwort, Unterholzer.«

Toni griff in die Innentasche seines Lodenjankers. Er holte zwei Umschläge heraus.

Ferdinand Unterholzer war mit dem Aufziehen der Wecker fertig. Er schloss die Ladentür ab und drehte das Schild mit der Aufschrift ›Bin gleich zurück‹ um.

Dann lud er Toni ein, mit ihm nach hinten in die Werkstatt zu gehen. Sie setzten sich, und Unterholzer schenkte Kaffee ein.

»Weswegen wolltest du mich anrufen?«, fragte Toni.

»Weil er heute Morgen hier gewesen ist, der Bursche mit den Anhängern.«

»Was net sagst! Und hat er wieder etwas gekauft?«

»Ja, er hatte einen kleinen goldenen Mond ausgesucht. Ich habe ihn in ein Gespräch verwickelt und ihm einen kleinen goldenen Stern empfohlen. Ein Mond ohne Sterne, das würde net passen, sagte ich. Er kaufte dann noch einen weiteren Stern dazu. Wir kamen ins Plaudern. Jedenfalls habe ich herausgefunden, wie er heißt.«

»Des ist gut!«

»Ja! Es ist der Bernhard Steiniger, gerufen wird er Berni. Er ist Elektriker.«

»Dann ist er am Ende mit dem Steininger von dem Elektro- und Lampengeschäft verwandt? Ist der Berni der Bub vom alten Steininger?«

»Naa, der Steininger Adam hat keine Kinder. Der Berni ist der Bub von seinem Bruder Emil. Erinnerst du dich, der ist vor langer Zeit zusammen mit seiner jungen Frau bei einem Lawinenunglück ums Leben gekommen.«

»Stimmt, aber des ist schon lange her.«

»Richtig, der Berni war damals noch ein kleiner Bub, der gerade in den Kindergarten kam. Er wuchs dann bei seinem Onkel Adam und dessen Frau Gunhild wie ein eigenes Kind auf. So wie ich des beurteile, hat es ihm an nichts gefehlt, nix, was des Materielle betrifft.«

»Die meisten halten Berni wohl für deren wirkliches Kind.«

»Ja, wer es net weiß, denkt des bestimmt. Aber der Berni ist nur äußerlich so glücklich. Dass er die Eltern verloren hat, des hat doch Narben auf seiner Kinderseele hinterlassen, die niemals verschwinden. Er ist eher ein ruhiger Typ, weißt, kein so ein Draufgänger wie andere Burschen in seinem Alter. Er ist ein feiner Bursche, aber eher ein bisserl scheu und zurückhaltend.«

»Vielleicht erklärt des, warum er auf die Briefe keinen Absender geschrieben hat.«

Ferdinand Unterholzer schüttelte den Kopf.

»Naa oder nur bedingt! Ich glaube, da steckt was anderes dahinter. Weißt, Baumberger, hier in Kirchwalden wird auch getratscht. Die Tochter vom Bäcker an der Ecke und der Berni, die sind mal eine Zeitlang zusammen gegangen. Des Madl kenne ich gut, den Berni hab’ ich net gekannt. Nur die Geschichte ihrer Trennung hat sich herumgesprochen. Es war schlimm für des Madl. Wochen blieb sie in ihrem Zimmer und hat nimmer in der Bäckerei geholfen.«

»Dann muss es schwerer Liebeskummer gewesen sein«, warf Toni ein.

»Ja, des kann man so sagen. Nach allem, was die Leut’ damals so erzählten, lag es net an dem Madl und auch net am Berni. Es war Bernis Tante Gunhild, die die beiden auseinandergebracht hatte. Des Madl war ihr net gut genug. Sie hat des Madl hinausgeekelt und Berni wohl unter Druck gesetzt. Und der muss sich wohl dem Druck gebeugt und sich von dem Madl getrennt haben.«

»Der Bursche war sein ganzes Leben von seinem Onkel und seiner Tante abhängig. Vielleicht hat er gedacht, dass er nachgeben muss, aus Dankbarkeit womöglich.«

»Genau des denke ich auch, Baumberger.«

Toni rieb sich das Kinn.

»Des erklärt, warum er keinen Absender auf die Briefe geschrieben hat. Er will net, dass er Post bekommt oder des Madl sonst Kontakt aufnimmt. Er hat Sorge, dass seine Tante des erfährt und sich gleich wieder einmischt.«

»Des denke ich auch. Er ist sehr verliebt in des Madl. Er kann sich net erklären, dass sie sich net meldet. Er hat mir sein Herz ausgeschüttet.«

»Hast ihm etwas angedeutet?«

»Naa, des hab’ ich net. Ich hab’ ihm nur gesagt, dass ich gute Freunde in Waldkogel habe und ich mich für ihn umhören würde. Da hat er leuchtende Augen bekommen.«

»Des glaube ich gerne. Wann will er wiederkommen?«

»Des hat er nicht gesagt. Ich habe ihm angeboten, dass er mich jederzeit besuchen kann, wann immer er will und er jemandem zum Reden braucht. Des hat er dankbar angenommen. Er hat Vertrauen zu mir.«

»Mei, Unterholzer, des ist ja mal eine gute Neuigkeit. Und ich habe hier die Briefe. Der hier, den hat die Franziska an den Berni geschrieben und diesen hier, der ist von Anna und mir und enthält unsere Einladung für ein Wochenende bei uns auf der Berghütte.«

»Des ist gut! Ich werde mit ihm reden und ihm die Briefe geben.«

»Kannst ihm erzählen, dass die Anna und ich ihn gesucht haben.«

»Des mache ich! Ich hoffe, er nimmt die Einladung auf die Berghütte bald an.«

»Ja, dann werden die Anna und ich ausführlich mit ihm reden. Es muss doch einen Weg geben, des Madl zu finden! Denkst net auch, Unterholzer?«

»›Wo ein Wille ist, ist immer auch ein Weg‹, des sage ich mir in allen Dingen. Manchmal muss man Umwege beschreiten, um ans Ziel zu kommen. Oft wird man vom Schicksal zu Umwegen gezwungen. Des kann man dann net verstehen, so zum Anfang. Dass des gut gewesen ist, wird einem oft erst nach vielen Jahren klar.«

»Des stimmt«, schmunzelte Toni. »Davon kann ich ein Lied singen.«

»Ah, da hast auch diese Erfahrung gemacht?«

»Ja, und die Anna auch. Ich muss­te einen Umweg über Norwegen machen, um mein Madl zu finden, und sie wurde von ihrer Freundin in Frankfurt fast gegen ihren Willen nach Waldkogel gebracht.«

»Mei, Himmel, des waren wirklich Umwege!«

»Ja, ich hatte mir einen jungen Neufundländer zugelegt. Weißt, ich plante damals, die Berghütte zu übernehmen. Es führte keine Straße hinauf, und ich wusste, dass Neufundländer kräftige Arbeitshunde sind. Ich dachte mir, Bello, so nannte ich ihn, er kann mir helfen, die Lebensmittel und andere Sachen auf die Berghütte zu transportieren. Ich hatte aber mit dem Abrichten von Hunden keine Erfahrung. So sagte ich mir, ich besuche Freunde, die in Norwegen leben und Schlittenhunde haben. Ich fuhr hin. Ich fliege nicht gerne. So nahm ich die Eisenbahn und das Schiff. Auf dem Rückweg sah ich im Zug meine jetzige Frau. Ich habe mich sofort in sie verliebt. Es ist eine ziemlich verrückte Geschichte, wie sie nach Waldkogel kam und auf die Berghütte. Es hört sich an, als hätte ich es erfunden. Anna war mit Neufundländer-Hunden aufgewachsen. Ihre Großeltern züchten diese Hunderasse. Sie bot mir ihre Hilfe an.«

Toni lachte laut.

»Manchmal sage ich scherzhaft, ohne Bello hätte ich weniger Chancen gehabt. Wenn ich sie ärgern will, sage ich, dass sie Bello vor mir in ihr Herz gelassen hat. Aber jetzt sind wir ein Paar und mit unseren beiden Adoptivkindern Franziska und Sebastian eine richtige Familie.«

»Da hast wirklich einen weiten Umweg gemacht.«

»Aber dieser Umweg führte dann direkt auf die Berghütte und in den Hafen der Ehe. Wenn du uns auf der Berghütte besuchst, dann erzählen wir dir mal die ganze Geschichte, wie wir uns gefunden haben.«

»Ich liebe Geschichten, die das Leben schreibt, besonders wenn sie glücklich enden. Ich hoffe, Berni findet seine Franzi.«

»Ja, das hoffe ich auch. Wir werden ihm helfen.«

»Das werden wir!«

»Unterholzer, ich will unserer kleinen Franzi ein Geschenk mitbringen. Sie war so vernünftig und hat einen lieben Brief an den Berni geschrieben. Ich will ein kleines Armband für die Franziska kaufen mit Anhängern.«

»Des ist eine gute Idee! Dann schauen wir mal, was ich dir zeigen kann.«

Sie gingen in den Verkaufsraum. Toni sah sich zuerst die Armbänder an. Er wählte ein robusteres Armband aus, da musste er keine Angst haben, dass es beim Spiel reißen würde und Franzi es so verlieren könnte. Dann wählte er kleine Anhänger in Tierform aus, denn Franzi liebte Tiere über alles. So suchte er einen kleinen Hund aus, einen Hasen, einen Vogel, eine Katze, einen Bär und einen Fisch.

Unterholzer befestigte die Anhänger an dem Armband und packte alles zusammen in eine kleine Schachtel.

»Da wird sich die Franzi freuen.«

Der Goldschmied schaute Toni an.

»Bringst du Sebastian auch etwas mit?«

»Ja, daran habe ich auch schon gedacht. Aber ich weiß nicht, was ich ihm schenken könnte. Er ist ein Bub.«

Unterholzer holte eine Schachtel hervor.

»Da hab’ ich einiges, was deinem Buben gefallen könnte.«

Er zeigte Toni verschiedene goldene und silberne Anstecker. Es waren Anstecker, die man am Revers einer Lodenjacke tragen konnte oder am Hut.

»Mei, sind die schön! Als Kind hatte ich auch eine ganze Sammlung davon, erinnere ich mich jetzt. Mei, da muss ich mal meine Mutter fragen, wo die hingekommen sind.«

»Siehst, da habe ich dich auf eine gute Idee gebracht. Da musst keinen kaufen, sondern kannst deinem Buben deine eigenen vererben.«

»Des stimmt schon, Unterholzer. Des ist zwar eine ehrliche Antwort, aber geschäftstüchtig ist des net von dir.«

Ferdinand Unterholzer lächelte.

»Des stimmt schon, aber Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit bringt einen auch im Geschäft weiter. Die Kunden kommen wieder. Und ehrlich gesagt, Buben fühlen sich besonders geehrt, wenn sie vom Vater was bekommen, was der als Kind schon hatte.«

»Des stimmt, Unterholzer, aber ich nehme doch so einen Anstecker mit. Hier, des silberne Edelweiß, des kannst mir einpacken.«

Ferdinand Unterholzer packte alles zusammen. Toni zahlte. Unterholzer lächelte ihn an. Dann sagte er:

»Baumberger, gib mir mal deinen Hut.«

»Was willst damit?«

»Des wirst gleich sehen!«

Ferdinand Unterholzer verschwand mit Tonis Hut im Hinterzimmer. Es dauerte einen Augenblick, dann kam er wieder. Lächelnd sagte er: »Hier, ich habe dir an deinen Hut auch einen Anstecker angebracht. Du kümmerst dich mit so viel Hingabe um die Liebe der anderen, und des soll belohnt werden.«

»Mei, des kannst doch net machen!«, sagte Toni verwundert. »Des ist doch ganz normal, denke ich.«

»Naa, normal ist des net, dass sich jemand so viel Arbeit macht. Andere hätten gesagt, die Briefe sind nicht für unsere Franzi und hätten nichts unternommen, um das Rätsel aufzuklären.«

Toni besah sich den Anstecker. Es waren zwei verschlungene Herzen.

»Schön ist der! Dann kann ich wohl nur noch Danke sagen!«

Toni reichte Unterholzer die Hand.

»Vergelt’s Gott!«, sagte er.

»Schon gut, Toni!«, wehrte dieser ab.

Toni setzte seinen Hut auf und betrachtete sich im Spiegel. Er war zufrieden.

»Rufst mich an, wenn der Berni hier gewesen ist.«

»Des mache ich, und grüße mir deine Anna und die ganze Familie.«

Toni ging hinaus. Er hatte sein Auto direkt vor dem Laden geparkt und fuhr davon.

*

Voller Liebe schaute Lotti Kirchner auf den Säugling, dem sie die Flasche gab. In der anderen Ecke des Säuglingszimmers im Krankenhaus von Kirchwalden flüsterte der Chefarzt mit dem Oberarzt. Sie sprachen leise, damit die Säuglinge nicht gestört wurden. Es war einer der seltenen Augenblicke im Säuglingszimmer der Wochenstation, dass kein Kind weinte.

Lotti sah kurz auf. Die beiden Ärzte lächelten ihr zu. Ihre ältere Kollegin Traudel kam auf Lotti zu.

»Sie haben gerade über dich geredet.«

»So?«

»Ja, sie meinten, du hättest großes Talent. In deinen Händen fühlten sich die Kindlein besonders geborgen und würden ruhiger. Sie sagten, es sei ein schönes Bild, dir zuzusehen, wie du die Kleinen fütterst«, raunte die ältere Kollegin. »Du weißt ja, ich gehe bald in Pension. Dann muss eine neue Leiterin her. Du hast gute Chancen. Ich unterstütze dich.«

Lotti lächelte. Der kleine Bub, dessen Mutter nicht genug Muttermilch hatte und deshalb nachgefüttert werden musste, hatte das Fläschchen ausgetrunken. Lotti legte ihn über die Schulter und massierte ihm sanft den Rücken, damit er sein Bäuerchen machte.

»Freust du dich nicht über die Möglichkeit?«

»Wir reden gleich darüber, in der Pause«, flüsterte Lotti.

Der kleine Bub rülpste.

»Des hast gut gemacht. Bist ein Prachtbursche! Jetzt darfst wieder schlafen.«

Lotti legte den Kleinen in das Bettchen, deckte ihn zu und streichelte ihm nochmals zart über die Wange.

»Schlaf gut, Bübchen, und träume süß!«, sagte sie leise.

Ihre Kollegin stand neben ihr.

»Komm, wir gehen!«

Lotti nickte. Sie gingen zusammen in den Vorraum und legten die Schutzkleidung ab, die alle Säuglingsschwestern in der Neugeboreneneinheit trugen.

Kurz darauf saß Lotti mit ihrer älteren Kollegin, die auch ihre unmittelbare Vorgesetzte war, auf einer Bank im Park des Krankenhauses. Sie hatten sich in der Kantine etwas zu Essen geholt und verbanden die Pause mit einem Personalgespräch über Lottis Zukunft.

»Und, Lotti, wie ist es? Willst du in meine Fußstapfen treten?«

»Klingt schon verlockend, Traudel«, sagte Lotti leise.

Die ältere Kollegin musterte sie.

»Scheinst von den Aufstiegsmöglichkeiten nicht gerade begeistert zu sein. In deiner Antwort höre ich das Wort ›Aber‹ unterschwellig mitklingen.«

Lotti errötete etwas. Sie fühlte sich ertappt.

»Welche Bedenken hast du? Du zweifelst doch hoffentlich nicht an dir? Du bist die Beste. Ich gehe in einem halben Jahr in Rente. Im nächsten Monat beginnt ein Kurs für Leitungsaufgaben. Er dauert drei Monate. Der hohe Chef will von mir wissen, ob du Interesse hast. Er hat schon alles mit der Oberschwester beredet. Sie hält dich auch für talentiert. Meine Beurteilungen über dich sind entsprechend ausgefallen. Wir wundern uns alle, dass du dich nie zu deinen Karriereplänen geäußert hast.«

»Ich habe keine Karrierepläne!«

»Aber warum nicht? Du bist so gut! Du kannst es weit bringen!« Und mit ernstem Blick fügte sie hinzu: »Wenn du nur willst! Sei nicht so bescheiden.«

Lotti biss ein Stück vom Kuchen ab und kaute betont langsam, um Zeit zum Nachdenken zu haben.

»Ich habe nie daran gedacht, Karriere zu machen. Ich bin gern Säuglingsschwester. Ich habe den Beruf gewählt, weil ich Kinder über alles liebe. Ich hoffte, eines Tages selbst Kinder zu haben. Bis dorthin wollte ich arbeiten gehen und mich danach ganz der Familie und meinen eigenen Kindern widmen. Doch für eigene Kinder brauche ich einen Vater, und der ist nicht in Sicht.«

Lotti seufzte.

»Vielleicht sollte ich meine Lebensziele, Mann, Familie, Kinder aufgeben. Soll ich mich stattdessen ganz dem Beruf verschreiben? Macht eine berufliche Karriere glücklich? Gibt sie mir das Gefühl, das ich mir von einem Mann, von einer Familie, von eigenen Kinder erhofft hatte?«

»Lotti, die Fragen kannst du dir nur selbst beantworten. Mich darfst du nicht fragen. Ich will dich darin nicht beeinflussen.«

»Viele Krankenschwestern, die Karriere gemacht haben, sind ledig, die Oberschwester, die Hebammen und viele der Stationsschwestern hier im Krankenhaus sind ungebunden.«