Sebastian besucht seine Schwester Wendy - Friederike von Buchner - E-Book

Sebastian besucht seine Schwester Wendy E-Book

Friederike von Buchner

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Beschreibung

Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt. "Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser. Es war fünf Uhr in der Frühe. Die Morgensonne stand über München. Langsam erwachte die Stadt. In der Küche des großen VierSterne-Hotels herrschte bereits rege Aktivität. Es wurde das Frühstück zubereitet. Max Moser, der alte Hausmeister, war eigentlich schon lange in Rente, aber er konnte sich von seinem Hotel nicht ganz trennen. Jeden Sommer machte er Urlaubsvertretung und auch während des Jahres sprang er gern ein, sei es für eine Hausmeistertätigkeit oder eine andere Arbeit. Nun fuhr er mit dem Moped auf den Wirtschaftshof des Hotels, der sich im hinteren Teil des Geländes befand. Max stutzte. Der kleine Geländewagen von Sebastian Baumberger stand auf dem Parkplatz, der für den Hoteldirektor reserviert war. »Sag bloß, der Bub ist schon da, möchte mal wissen, wann der schläft«, murmelte Max vor sich hin und schüttelte den Kopf. Er löste die Hosenklammer seiner Cordhose, nahm die alte Aktentasche und ging zum Personaleingang. Sein erster Weg führte in den Personalraum, ganz in der Nähe der Hotelküche. »Grüß Gott, alle zusammen!«, rief der alte Moser durch die offenstehende Pendeltür. Alle schauten sich kurz um und nickten ihm grüßend zu. »Dein Frühstück ist gleich fertig, Max«, rief Peter ihm zu. Er war seit kurzer Zeit der Chef über alle Töpfe und Pfannen, wie er selbst scherzhaft seine Arbeit beschrieb.

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Toni der Hüttenwirt – 318 –

Sebastian besucht seine Schwester Wendy

Dramatischer Krankheitsbeginn auf der Alm

Friederike von Buchner

Es war fünf Uhr in der Frühe. Die Morgensonne stand über München. Langsam erwachte die Stadt.

In der Küche des großen VierSterne-Hotels herrschte bereits rege Aktivität. Es wurde das Frühstück zubereitet.

Max Moser, der alte Hausmeister, war eigentlich schon lange in Rente, aber er konnte sich von seinem Hotel nicht ganz trennen. Jeden Sommer machte er Urlaubsvertretung und auch während des Jahres sprang er gern ein, sei es für eine Hausmeistertätigkeit oder eine andere Arbeit. Nun fuhr er mit dem Moped auf den Wirtschaftshof des Hotels, der sich im hinteren Teil des Geländes befand. Max stutzte. Der kleine Geländewagen von Sebastian Baumberger stand auf dem Parkplatz, der für den Hoteldirektor reserviert war. »Sag bloß, der Bub ist schon da, möchte mal wissen, wann der schläft«, murmelte Max vor sich hin und schüttelte den Kopf. Er löste die Hosenklammer seiner Cordhose, nahm die alte Aktentasche und ging zum Personaleingang.

Sein erster Weg führte in den Personalraum, ganz in der Nähe der Hotelküche. »Grüß Gott, alle zusammen!«, rief der alte Moser durch die offenstehende Pendeltür.

Alle schauten sich kurz um und nickten ihm grüßend zu.

»Dein Frühstück ist gleich fertig, Max«, rief Peter ihm zu. Er war seit kurzer Zeit der Chef über alle Töpfe und Pfannen, wie er selbst scherzhaft seine Arbeit beschrieb.

Peter Maier war in Sebastian Baumbergers Alter. Die beiden hatten sich auf der Hotelfachschule kennengelernt und waren enge Freunde. Peter hatte Sebastian als Interimsmanager empfohlen, bis die neue Hotelführung ihren Dienst antrat.

Der Inhaber Leopold Gerber, Poldi genannt, hatte sich vor drei Monaten aus dem Tagesgeschäft des Hotels zurückgezogen. Er wollte mehr in der Schweiz bei seiner Tochter und deren Familie sein, um Zeit mit seinen Enkelkindern zu verbringen.

Poldi Gerber war ein Hotelbesitzer, wie es sie nur noch selten gab. Seit Generationen war das Hotel in Familienbesitz. Es gab kaum Personalwechsel. Eine Stelle bei Poldi zu bekommen, bedeutete, einen Posten bis zur Rente zu haben. In dem familiengeführten Hotel hielten alle zusammen. Durch gemeinsame Anstrengungen wurden alle Intrigen einer feindlichen Übernahme durch eine Hotelkette verhindert.

Max Moser ging in den Personalraum. Er tauschte seine Cordhose und sein buntes Hemd gegen den blauen Overall mit der Hotelaufschrift.

Peter kam und stellte ein Tablett mit Max Mosers Frühstück auf den Tisch. Der junge Chefkoch setzte sich mit einem Becher Kaffee zu ihm. Er gähnte.

»So müde, bist du mit einem Madl ausgewesen?«, sagte Moser schmunzelnd.

Peter lachte. »Ich – und ein Madl? Wo soll ich die Zeit dafür hernehmen? Und im Augenblick, wo diese internationale Konferenz im Haus ist, habe ich keinen Tag frei.«

»Soviel ich weiß, reisen heute alle Teilnehmer ab.«

»Das stimmt. Max, ich frage mich, warum eine Konferenz über zwei Wochen dauert, fast drei. Was haben die so lange zu bereden?«

»Es dauert, so lange es dauert. Viel Zeit geht verloren, weil alles in verschiedenen Sprachen übersetzt werden muss, jede Rede, jeder Vortrag und jede Diskussion«, antwortete Max.

»Warum? Alle sprechen doch Englisch.« Peter nippte an seinem Kaffee. »Nun, ab heute Abend ist es wieder ruhiger. Da sind alle abgereist.«

»Du bist nicht der Einzige, der sich freut, wenn ganz normale Reisende die Zimmer füllen.«

»Das stimmt. Sebastian ist auch froh, wenn es wieder ruhiger ist. Zum Glück bin ich nur für die Küche verantwortlich. Auf Sebastians Schultern lastet die ganze Verantwortung.«

»Das stimmt, Peter. Und Sebastian ist sehr gewissenhaft. Unser alter Chef hat einen guten Fang mit ihm gemacht. Dass der Sebastian hier ist, hat der alte Poldi dir zu verdanken.«

»Weißt du, wie es dem Alten geht? Du bist doch mit ihm befreundet.«

»Eng befreundet, bitte!«, verbesserte ihn Max. »Wir haben schon als Kinder zusammen gespielt. Meine Mutter arbeitete damals als Hilfskraft in der Küche. Mei, wenn ich daran denke! Was hat die immer mit mir geschimpft, wenn ich mich mit Leopold herumgetrieben habe. ›Ihr passt nicht zusammen‹, sagte sie immer. Er ist der Bub der Direktion, du bist mein Bub. Und ich bin nur eine Hilfskraft.« Max lächelte. »Meine Mutter hatte oft Recht im Leben. Aber was die Freundschaft zwischen mir und Poldi betraf, da hatte sie Unrecht. Unsere Verbundenheit hat gehalten bis auf den heutigen Tag.«

»Ich weiß, dass der Alte zu keinem hier so viel Vertrauen hat wie zu dir, Max.«

»Das kann er auch haben. Poldi ruft mich jeden Tag aus der Schweiz an und erkundigt sich.«

»Du bist sein Spion, Max«, grinste Peter.

»Ja, das bin ich. Was für ein hässliches Wort! Ich bin eine Vertrauensperson. So sehe ich das. Ich filtere heraus, was ich Poldi erzähle und was ich für mich behalte. Aber im Großen und Ganzen läuft hier alles sehr gut, und ich habe nix Ungewöhnliches zu berichten. Alle sind fleißig und ordentlich und machen ihre Arbeit.«

»Das stimmt, Max.«

Max Moser biss in sein zweites Brötchen, kaute und trank einen Schluck Kaffee. »Sebastians Auto steht auch schon auf dem Hof. Er macht wohl Überstunden. An einem Tag, an dem hundert Leute abreisen, ist das kein Wunder.«

Peter sah Max an. »Der Sebastian war die ganze Nacht hier, Max.«

»Die ganze Nacht, wirklich?«, fragte der Alte nach.

»Ja! Am besten fragst du den Gustav. Er weiß Bescheid.«

»Was schaust du mich so an?«, fragte Max Moser.

»Nun, ich gehöre nicht zu den Leuten, die tratschen, Max. Aber ich denke, du solltest ein Auge auf Sebastian haben.«

»Warum?«, staunte Max.

»Weil Sebastian um vier Uhr zu mir in die Küche kam und eine große Kanne Kaffee wollte. Essen wollte er nichts. Er sah nicht nur total übermüdet aus, Max. Ich kenne den Sebastian, seit wir gemeinsam auf der Hotelfachschule waren, du, ich sage dir, er sah elend aus. Ich bin richtig erschrocken, als ich ihn sah.«

»Das sind keine guten Nachrichten.«

»Naa, das sind sie nicht. Natürlich habe ich ihn angesprochen. Aber er muss den Helden spielen. ›Ich kann jetzt nicht krankmachen, Peter‹, sagte er. Dabei sah er wirklich nicht gut aus. Weißt du, Max, Sebastian ist einer, der sehr ehrgeizig ist und sich von niemand etwas sagen lässt.«

»Ich werde mal nach ihm sehen.«

»Das wird ihm nicht gefallen, Max.«

Max Moser grinste. »Ich muss die Steckdosen in seinem Büro überprüfen, da dort irgendwo immer ein Kurzschluss ausgelöst wird, verstehst du?«

Nach dem Frühstück nahm Max seine Werkzeugtasche und suchte die Räume der Direktion auf.

Die Tür zum großen Direktionsbüro stand offen. Max blieb im Türrahmen stehen.

Sebastian Baumberger hatte den Hausmeister nicht bemerkt. Er stand hinter dem Schreibtisch und schluckte eine Handvoll Tabletten. Auf dem Schreibtisch lagen etliche Pillenschachteln.

Max klopfte an den Türrahmen.

Sebastian zuckte zusammen. Er öffnete die Schreibtischschublade und wischte mit einer Handbewegung die Medikamente in die Schublade. »Guten Morgen, Herr Moser«, sagte er. »Was führt Sie zu so früher Stunde zu mir? Hoffentlich ist es keine größere Sache.«

»Grüß Gott, Chef! Ich hoffe, dass es keine größere Sache ist. Der Krauser, der heute Nachtdienst an der Rezeption gemacht hat, hat mich informiert, dass immer wieder eine Sicherung herausspringt. Irgendwo muss ein Defekt sein. Die Leitungen hier im Haus sind alle schon ein bisserl in die Jahre gekommen. Ich kenne mich da aus. Meistens ist eine Steckdose kaputt und dann macht es peng. Ich dachte, ich fange hier oben an. Dann bin ich durch, bis um acht Uhr der Betrieb hier beginnt. Kann ich mit Ihrem Büro anfangen oder störe ich?«

»Sie stören nicht, Herr Moser«, sagte Sebastian Baumberger. Er versuchte zu lächeln, was ihm misslang.

»Dann mache ich das jetzt schnell«, antwortete Max und kam näher. Jetzt sah er, dass Sebastian Schweißperlen auf der Stirn standen. Er reichte Sebastian die Hand. Nicht weil es üblich war, den Direktor mit Handschlag zu begrüßen, sondern weil Max ein schlauer Fuchs war. »Mei, Chef, Sie haben ganz heiße Hände. Entschuldigen Sie, aber ich muss es sagen, Sie sehen gar nicht gut aus. Haben Sie heute schon mal in den Spiegel geschaut? Sie sehen erbärmlich aus. Vielleicht haben Sie Fieber?«

»Dann schauen Sie mich nicht an, wenn ich so ein elender Anblick bin«, murmelte Sebastian. »Am besten fangen Sie an, die Steckdosen durchzumessen, an denen die Computer hängen. Ich mache Ihnen Platz und trinke in der Zeit eine Tasse Kaffee. Nehmen Sie auch eine?«

»Danke, ich habe gerade unten mit Peter Maier Kaffee getrunken.«

Max stellte seine Werkzeugtasche auf einen der Stühle, die vor dem Schreibtisch standen. Er entnahm einen Phasenprüfer. »Also, wenn ich mir Sie so anschaue, denke ich, Sie sollten sich auch mal durchprüfen lassen. Wann hatten sie ihren letzten freien Tag?«

Sebastian lachte. »Daran erinnere ich mich nicht. Hören Sie, es ist unnötig, dass Sie sich sorgen, Herr Moser. Ich weiß, dass Sie ein Freund vom alten Gerber sind. Machen Sie ihn bitte nicht nervös. Ich habe alles im Griff.«

»Dass Sie alles im Griff haben, Herr Baumberger, daran habe ich nicht den geringsten Zweifel. Das sage ich Poldi Gerber auch jedes Mal, wenn er mich anruft.«

Sebastian wischte sich mit einem Taschentuch die feuchte Stirn ab. »Ich weiß, dass Sie ein bisserl für den Gerber spionieren. Aber es ist wirklich alles in Ordnung.«

»Das ist es nicht! Sie können mir nix vormachen. Ich bin ein älterer Mann und habe Erfahrungen. Sie gehören ins Bett.«

»So, meinen Sie?«

»Ja, mit so einem Kopf macht man auch schnell mal einen Fehler.«

»Ich passe schon auf. Außerdem, wenn die Konferenzteilnehmer abgereist sind, wird es wieder ruhiger«, antwortete Sebastian. »Schon möglich, dass ich mir eine kleine Sommererkältung gefangen habe.«

»Kleine? Das sieht nach einer beginnenden handfesten Grippe aus, Herr Baumberger. Ich werde es Poldi berichten, was für ein Held sie sind.«

»Lassen Sie das, bitte! Gerber soll sich nicht beunruhigen.«

»So, soll er das nicht? Gut, dann mache ich Ihnen einen Vorschlag: Sie schauen, wie Sie irgendwie den Tag herumbringen. Wenn der letzte Konferenzteilnehmer am Abend das Hotel verlassen hat, machen Sie frei. Das Wochenende steht bevor. Sie machen frei und hauen sich ins Bett. Wenn ich Sie morgen hier im Hotel sehe, dann … ja dann … ich meine …, wenn Sie dann noch so elend aussehen, dann bin ich leider gezwungen, Poldi Gerber zu informieren.«

»Herr Moser«, seufzte Sebastian, »ich frage mich in dieser Sekunde, wer hier eigentlich die Verantwortung hat?«

Moser grinste. »Sie haben die Verantwortung, Herr Baumberger. Und ich rede Ihnen auch nicht rein, wie Sie Ihre Arbeit machen. Aber so wie Sie ausschauen, klappen Sie irgendwann hinterm Schreibtisch zusammen. Und dann? Was ist dann? Also, Sie gehen in ein freies Wochenende und dabei bleibt es!«

Sebastian seufzte. »Sie haben ja im Grunde Recht, Herr Moser. Ich werde darüber nachdenken. Sind Sie jetzt zufrieden?«

»Das genügt nicht. Tun sollen Sie es! Gut, dass Sie wenigstens darüber nachzudenken. Ich habe ein Auge auf Sie, Herr Baumberger. So und jetzt lassen Sie mich mal an Ihren Schreibtisch.«

Sebastian machte ihm Platz. Er schenkte sich einen Becher Kaffee ein. Er stellte sich damit ans Fenster und schaute hinaus.

»Ich muss mal unter den Schreibtisch kriechen«, murmelte Moser. »Ist ein bisserl eng.« Er zog die Schreibtischschublade heraus und stellte sie zur Seite. Sie war voll mit Medikamenten. Das war eigentlich nicht notwendig gewesen. Der alte Hausmeister wollte nur einen Blick auf die Arzneien werfen. Er dachte sich seinen Teil.

Max kroch dann unter den Schreibtisch und tat, als kontrolliere er die Steckdosen. Es dauerte nicht lange. Er kam wieder hervor und machte sich daran, die Schublade zurückzuschieben. »Mei, damit kann man eine ganze Kompanie behandeln«, sagte er.

Sebastian drehte sich um und kam auf Max zu. »Das geht Sie nichts an, Herr Moser«, sagte er scharf.

Doch es gelang Sebastian nicht, Max Moser einzuschüchtern.

»Ich kenne einige dieser Mittel. Da sind starke Schmerzmittel dabei. Haben Sie Kopfschmerzen?«

Statt einer Antwort schob Sebastian die Schublade zu. Er rollte seinen Schreibtischsessel näher und setzte sich.

Max überprüfte noch die restlichen Steckdosen. »Hier ist alles in Ordnung«, sagte er. »Dann nehme ich mir jetzt die anderen Büros vor.«

Sebastian, der bereits wieder auf den Bildschirm starrte, nickte nur.

Moser blieb an der Tür stehen. »Und vergessen Sie nicht, Herr Baumberger, spätestens um zwanzig Uhr ist Schluss hier für Sie!«

Sebastian warf ihm einen ärgerlichen Blick zu.

»Du musst mich nicht so ansehen, Bub«, rief Max von der Tür her. »Vom Alter her könnte ich dein Großvater sein. Du gehörst ins Bett. Tue dich mal richtig ausschlafen, dann geht es wieder besser.« Max hatte Sebastian geduzt und in seiner Stimme lag tiefe Besorgnis.

Sebastian schaute ihm durch die offene Tür nach, wie er davonging.

›Moser hat Recht, ich fühle mich elend‹, dachte er. ›Ich muss es irgendwie organisieren, dass ich mich heute mehr in meinem Büro aufhalte. So wie ich aussehe, kann ich unmöglich Hotelgästen gegenübertreten.‹ Er versuchte immer wieder, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Die Zahlen auf dem Computerbildschirm verschwammen vor seinen Augen. Er spürte, wie eine Kältewelle durch seinen Körper lief. Sebastian öffnete die Schreibtischschublade und nahm weitere Pillen, die er mit einem Glas Wasser hinunterspülte.

Der ganze Tag war eine einzige Quälerei für Sebastian. Er schwitzte und hatte wohl Fieber. Das konnte er aber nicht messen, da er kein Fieberthermometer hatte. Dann bekam er zeitweise Schüttelfrost. Er holte sich zwei Wolldecken und schloss sein Büro von innen ab, nachdem er das Schild ›Wichtige Besprechung – Bitte nicht stören!‹ von außen an die Tür gehängt hatte.

Er wickelte sich auf dem Schreibtischstuhl in eine dicke Decke und legte sich die zweite Wolldecke um die Schultern. Nach Einnahme weiterer Tabletten verebbte der Schüttelfrost.

Schließlich sah Sebastian ein, dass er wirklich ins freie Wochenende fahren sollte. Er trank noch eine Tasse Kaffee. Dann verschickte er hausinterne Mails. Darin informierte er über seine Abwesenheit und erteilte seiner Vertretung die entsprechenden Anweisungen.

Sebastian fühlte sich so schlecht, dass sich alles um ihn drehte. Mühsam schleppte er sich vom Schreibtisch in die Besprechungsecke mit den großen Sesseln. Dort ließ er sich in einen der bequemen Sessel hineinfallen, legte den Kopf nach hinten und versuchte, die aufkommende Benommenheit zu bekämpfen.

Einige Male hatte er das Gefühl, bewusstlos zu werden. Sein Gesichtsfeld zog sich von außen her zusammen und alles war in grauschwarzen Nebel gehüllt. »Mich hat es erwischt«, murmelte Sebastian.

Nach zwei Stunden, inzwischen war es Nachmittag, ging es ihm besser. Die Kopfschmerzen waren bis auf ein leichtes Pochen abgeklungen. Er hatte auch keinen Schüttelfrost mehr.

Sebastian Baumberger ging ins Badezimmer, das hinter dem großen Büro lag. Er duschte und zog sich ein frisches Hemd an. »Geht doch schon wieder«, sagte er zu seinem Spiegelbild, als er sich die Haare kämmte. »Was ein richtiger Bursche aus den Bergen ist, den haut so schnell nichts um.« Dann richtete er seine Krawatte.

Anschließend machte er einen Rundgang durch das Hotel. Er sprach mit Frau Niehler, die ihn am Wochenende vertreten würde. Ihm entging nicht, dass der alte Gustav Krauser und einige andere Hotelmitarbeiter ihn kritisch beäugten. Sebastian tat, als bemerke er es nicht.

Endlich war soweit. Der letzte Konferenzteilnehmer hatte das Hotel verlassen. Sebastian schaute auf die Uhr. Wenn er sich sputete, erreichte er Wendys Alm noch vor dem Einbruch der Dunkelheit.

So machte er sich auf den Weg.

*