Totentanz - Norbert Hummelt - E-Book

Totentanz E-Book

Norbert Hummelt

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Beschreibung

Norbert Hummelts neue Gedichte erforschen die Schwellenzonen des Lebens, Kindheit und Tod und die ungesicherten Grenzen zwischen Schlaf und Wachen. Der Dichter wendet alte Motive der Kunst und Literatur neu ins Existentielle. Licht und Dunkel berühren und durchdringen einander, das Leben vor der Geburt und nach dem Tod kommt in den Blick, und untergründig wird die Frage nach Gott gestellt. Dabei sind Hummelts Gedichte von Erfahrung geleitet: Tod und Geburt geliebter Menschen, Ende und Anfang und ihre rätselhaften Verflechtungen sind die treibenden Motive.

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Seitenzahl: 58

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Inhaltsverzeichnis
 
Lob
 
Das stille Haus
allerheiligen
totentanz
kalender
räume
serpentin
wachet auf
rapport
nachmittage
münzkunde
antiphon
der mensch
hall
schillerstraße
perron
mein schatten
aus dem krieg
septemberlicht
apollinaris
blues
 
Der Tod nach Lessing
I
II
III
IV
V
VI
VII
 
Traumnovelle
täler
magnolien
appalachen
aus der tiefe
tabu
mauerseglerin
vitzliputzli
schnee
das stille haus
bann
ausgang
katzenaugen
nachtlied
inbild
erste jagd
zeichen
die schwarze hütte
forsythien
anis
 
Berliner Fresko
memlings madonna
naumburger meister
berliner fresko
gewitter am tempelhofer berg
constable
 
Weltnachrichten
wiege in bingen
kohrener land
ernte 38
der kalte siefen
nachsaison
kirchbachtal
feld bei holzheim
übertragung
alien
primrose street
tobernalt
untergrund
mäander
ferngespräch
legende
gegend bei grefrath
malepartus
weltnachrichten
reise
himmelfahrt
übergang
 
Copyright
Wir ziehn mit den Sterbenden:Siehe, sie scheiden, wir gehen mit ihnen.
Mit Toten geboren:Siehe, sie kommen, und bringen uns mit.
T. S. Eliot, Four Quartets
Das stille Haus

allerheiligen

sie sperren abends lang schon nicht mehr zu; nah den laternen sieht man, wo man tritt; weil sich die augen rasch gewöhnen können, wirkt nach u. nach der ganze weg beleuchtet. wann
 
wenn nicht heute kann man zu so später stunde getrost zu seinen lieben toten gehen. die lichte leuchten nie so dicht, so traulich aufgestellt in bodennähe, daß man geführt wird von dem warmen
 
schein, wenn auch kein lebender mehr unterwegs sein wird. doch kann ich trotzdem eines nicht verstehen. waren nicht sonst um diese jahreszeit die gräber vielfach schon mit torf bestreut? war ich nicht
 
selber einer, der da streuen ging, bis alle erde zugedeckt erschien? jetzt liegt die krume unverhüllt; vom torf ist man gemeinhin abgekommen. friert denn die erde winters nicht mehr zu? ist niemand
 
mehr da unten drin, dem eine warme decke guttun könnte, jetzt, wo die tage (uhr ist umgestellt) mit einem mal rapide kürzer werden? ist das organische schon so weit abgebaut, daß man von überresten kaum
 
mehr reden kann? sind pilze u. bakterien mit ihrer arbeit schon zum schluß gekommen? das längst; doch bin ich nicht gewohnt, die dinge, die in rede stehen, auf diese kühle art zu sehen. ist hier doch stets der ort gewesen, wo ich den toten nahe war, in rufweite zu gott. da gab es etwas, das durch wolken dringt. ich habe ein dreitagelicht; es ist fast hell geworden, seit ein vogel singt; urahne, urangst, mutter u. kind.

totentanz

furcht vor dem dunkeln ist es nicht allein man kennt sich kaum u. will auch nicht viel mehr, der lange heiße sommer ist vorüber u. stau war nur bei köln, doch auf der gegenspur. im dunst, im flachlandniesel liegt die scheune. daß ich musik auflege, kommt so oft nicht vor; man kennt sich gut u. wird sich immer fremder bloß bleibt im kopf die alte partitur.. ist alles nichts für sanftere gemüter, der krach, die posen u. das viele bier, doch einmal fand ich darin viele zarte wunder, u. wenn die wiederkämen, gäb ich was dafür. furcht vor dem dunkeln dringt aus allen boxen, die lichtorgel alleine macht nichts her; es fehlt die discokugel, fehlt das trockeneis. nur jedes fünfte lied sieht man noch beine zucken, doch in den augen blitzt es gar nicht mehr.. wenn nur der nebel in die scheune käme u. hüllt die tanzenden gestalten ein: im dunst, im flachlandniesel huschen bilder; so wild kann aber nur der tanz der toten sein.

kalender

in münchen ist bereits der erste schnee gefallen, es folgt das nachtkonzert der ard.. darüber bin ich gestern zügig eingeschlafen. an diesem tag sei es
 
 
sonst nie so kalt gewesen, sagt meine mutter am telefon, das heißt nur höchstens in den strengen wintern, mit brüchiger stimme zu ihrem sohn, da
 
 
draußen die bilder vorüberwischen: vorhin ein rebhang, ein werk, eine trasse, dann fahrscheinkontrolle u. rauch über wald.. u. ihre augen, fast doppelt so
 
 
alt, können die felsenbirne neu sehen u. ihre blätter bunter denn je.. einige bilder sind stehen geblieben: im nebenhaus der rauch von stabbrandbomben, dann
 
 
in der stube hauch von sagrotan, mir nur von ferne als wörter bekannt. an diesem tag sei aber niemals schnee gefallen, ihr sohn sei der erste, als gratulant.

räume

in diesem haus für das ich schlüssel habe in dieser wohnung stehn die türen spaltweit auf so oft ich leise über dielen gehe u. nur halb willentlich die türen zähle gerat ich immer an derselben stelle raus wenn ich nach tagen oder wochen wiederkomme ist etwas umgeändert oder sieht so aus wo ich doch (mein ich wenigstens) die heizung runterdrehte ist immer alles warm u. zugestaubt u. auf dem tisch sind manchmal neue zettel in einer schrift die ich so gar nicht kenne zweierlei farben u. geheime winke gehn hin u. wider aber nie zu mir wenn ich das licht im flur nicht gleich auf anhieb finde durchfährt mich etwas u. ich schreie auf wie wenn von hinten mich ein kalter blick berührt u. ist doch komisch bei den vielen schnüren den kabeln steckern oder was weiß ich die in die bröckeligen wände führen daß ich heut nacht zum erstenmal gefallen bin

serpentin

u. in der stille ist dann ein geräusch mir träumte du wolltest nach eisenach fahren aber ich habe den weg nicht gefunden nur über land im netz der autobahn ich fühlte mich auf eine art gefangen da war der schäfer mit dem breitkrempigen hut um den die hunde sprangen wie auf alten bildern so wie im schlaf rings um uns her die dinge wildern in deinem arm die nadel mit der infusion du wolltest doch noch einmal meißen sehen den fluß den dom die hohe albrechtsburg was standen wir dort einmal für so lange an nur für ein mittagessen nicht für porzellan das fühlt sich glatt an dunkel so wie dieser stein der sich erwärmt gelegt in deine hand u. wie es heißt vom erzgebirge stammt wir fahren hin wenn ich erst wieder kann ich rufe dich wenn du erwacht bist an

wachet auf

in wenigen fenstern brennt drüben noch licht von unten rauscht es alle paar minuten hier fahren die bahnen bis tief in die nacht steh auf ich schlafe noch immer nicht.. sie war schon länger nicht gut zu fuß u. dann bekam sie immer schlechter luft u. blieb bald alle paar meter stehen. ich kann es nun wieder vor mir sehen u. welches buch ich auf der reise las an diesem abend auf der station vier tage nach ihrer operation brachte sie keinen laut mehr hervor. ich sehe es wieder sie hing am tropf u. drehte nur mit mühe den kopf ich kam mit den lippen ganz nah an ihr ohr u. sprach ihr das vaterunser vor u. sprach von den turmbläsern über der stadt die sie im vorjahr gesehen hat. die turmbläser bliesen macht hoch die tür das war so schön erzählte ich ihr du mußt dich doch für überhaupt nichts schämen. die turmbläser bliesen