Träume aus Eisen - Maja Winter - E-Book

Träume aus Eisen E-Book

Maja Winter

0,0
11,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die wahnsinnige Großkönigin Tenira hat den von ihr angezettelten Krieg gegen das Kaiserreich Kanchar verloren. Die Niederlage ist umso bitterer, als sie ihren Sohn Sadi als Unterpfand des Friedens in Kanchar zurücklassen muss. Karim, der Bastard des toten Großkönigs, sieht seine Chance gekommen. Um seine Ansprüche auf den Sonnenthron von Le-Wajun zu festigen, macht er sich auf die Suche nach der verschollenen Erbin Dilaya. Das ruft seine Gegner auf den Plan — und beschert ihm unerwartete Verbündete.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 901

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Über das Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Karte

Was zuletzt geschah

Gedicht

I. IN DEN VERWUNSCHENEN WÄLDERN

1. Das andere Schloss

2. Der Flammende König

3. Karims Dohle

4. Auf Brautschau

5. Ein Kind im Palast

6. Sehnsucht nach Daja

7. Auf der Jagd

8. Hinter hohen Mauern

9. Das Geschenk

10. Blind

11. Goldener Himmel

12. Krähenträume

13. Wege durch Mauern

14. Die Eisenstadt

15. In den Spiegeln

II. THRONE UND KRONEN

16. Herbstzeit

17. Fallen

18. Am Grund des Brunnens

19. Die Scherbe eines Spiegels

20. König und Königin

21. Des Kaisers Schwur

22. Durch Türen gehen

23. Der Preis

24. Rumas Fenster

25. Das Blut eines Vaters

26. Wenn wir in den Kampf ziehen

27. Matinos Glück

III. VON SOLDATEN UND UNGEHEUERN

28. In den verschneiten Wäldern

29. Das Feuer hinter den Türen

30. Ein Kind im Schnee

31. In der Glut

32. Das Kostbarste

33. Der Duft von Wüstenblumen

34. Was in der Nacht näher kommt

35. Der Sturm auf Daja

36. Der Meister

37. Die Wahrheit hinter dem Thron

38. Heimkehr

Personenverzeichnis

Über das Buch

Die wahnsinnige Großkönigin Tenira hat den von ihr angezettelten Krieg gegen das Kaiserreich Kanchar verloren. Die Niederlage ist umso bitterer, als sie ihren Sohn Sadi als Unterpfand des Friedens in Kanchar zurücklassen muss. Karim, der Bastard des toten Großkönigs, sieht seine Chance gekommen. Um seine Ansprüche auf den Sonnenthron von Le-Wajun zu festigen, macht er sich auf die Suche nach der verschollenen Erbin Dilaya. Das ruft seine Gegner auf den Plan — und beschert ihm unerwartete Verbündete.

Über die Autorin

Maja Winter ist das Pseudonym der erfolgreichen Autorin Lena Klassen, unter dem sie epische Fantasygeschichten veröffentlicht. 1971 in Moskau geboren, wuchs sie in Deutschland auf. In Bielefeld studierte sie Literaturwissenschaft, Anglistik und Philosophie. Neben ihren Fantasyromanen hat sie auch zahlreiche Kinder- und Jugendbücher sowie Romane für Erwachsene verfasst. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern im ländlichen Westfalen.

MAJA WINTER

TRÄUME AUS EISEN

Roman

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, KölnTextredaktion: Julia Abrahams, KölnKartenillustration: Markus Weber, Guter Punkt, MünchenTitelillustration: Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de unter Verwendung von Motiven von © Thinkstock/Stockbyte; Thinkstock/Top Photo Group; Thinkstock/Extezy; Thinkstock/Mikhail Dudarev; Thinkstock/dimatlt633; Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de unter Verwendung von Motiven von © Thinkstock/Nobilior; Thinkstock/GlobalP; Thinkstock/Extezy; Thinkstock/Mikhail Dudarev; Thinkstock/THPStockUmschlaggestaltung: Guter Punkt, München | www.guter-punkt.deE-Book-Produktion: two-up, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-3988-8

www.bastei-entertainment.dewww.lesejury.de

Was zuletzt geschah

Sie sagen, die Götter lenken die Entscheidungen der Menschen. Sie weben einen Teppich, bunt und voller Muster. Namen werden verflochten und zu Fäden verbunden. Manchmal genügt ein kurzer Augenblick, um einen neuen Faden ins Muster zu knüpfen. Manchmal reißt ein Faden. Doch die Götter verlangen Vertrauen.

Anyana von Anta’jarim glaubte an die Götter, obwohl diese ihre Augen vor ihrem Leid verschlossen und sie ihrem Schicksal überlassen hatten. Sie war die rechtmäßige Herrscherin von Wajun! Nach Großkönig Tizaruns Ermordung waren sie und Sadi, der kleine Sohn des Großkönigspaares, die neue Sonne – so war es per Gesetz beschlossen. Die Götter hätten die Hand über sie halten sollen, und doch hatten sie zugelassen, dass Großkönigin Tenira ihre Familie ermordete. Sie hatten zugelassen, dass Anyana jahrelang als Sklavin in den Kolonien hatte schuften müssen, dass Laimoc, ihr Herr, Hand an sie gelegt hatte, dass Anyana Laimoc erstochen hatte. Anyana wäre gerne vor die Götter getreten und hätte ihnen ihren Zorn entgegengeschleudert. Am liebsten hätte sie eine Armee gegen Tenira angeführt, doch diesen Krieg hatte es schon gegeben. Die Rebellion hatte ohne sie stattgefunden und war gescheitert.

Und so hatte Anyana das Schicksal selbst in die Hand genommen: Sie war aus den Kolonien geflohen, zusammen mit dem Stallburschen Mago, und mit dem Grauen Schiff nach Kato gefahren. Sie hatte ihren Sohn geboren und ihn vor dem Grauen Kapitän gerettet. Und in Kato hatte sie den Freien Mann getroffen, der sich als Fürst Wihaji herausgestellt hatte. Mit seiner Hilfe würde sie nach Wajun zurückkehren und ihren rechtmäßigen Platz auf dem Thron einnehmen, daran glaubte sie fest.

Fürst Wihaji von Lhe’tah, einer der Edlen Acht, der Freie Mann, der Gegenkönig in Kato, glaubte an die Götter. Obwohl sie zugelassen hatten, dass Großkönigin Tenira ihn für den Mord an Tizarun, den er nicht begangen hatte, in den Kerker geworfen hatte. Und dann hatte Tenira ihn durch den Brunnen nach Kato geschickt. »Du sollst Tizarun für mich suchen«, hatte sie gesagt. »Geh zu den Göttern und frag, ob sie ihn haben. Geh ihn suchen und bring mir seine Seele zurück.« Er war in Kato angekommen, dem Land der Feen, das die Götter für ihre Kinder erschaffen hatten, doch die Götter selbst hatte er nicht gefunden. Nur den Flammenden König, der grausam über Kato herrschte. Und obwohl er gegen den Flammenden König kämpfte, sehnte auch er sich nach Wajun zurück – und zu seiner geliebten Linua, die nur dann frei sein würde, wenn er Tizarun zu Tenira zurückbrachte.

Linua, die Wüstendämonin, die keine Assassine mehr sein wollte, Geliebte Wihajis, glaubte an die Götter. Und sie glaubte an sich selbst. Im Gefängnis von Burg Katall hatte sie ihre Kraft wiedergefunden. Sie hatte die Gefangenen in einen Aufstand geführt und sich den Rebellen gegen Tenira angeschlossen. Als die Rebellion scheiterte, floh sie mit den letzten Gefährten nach Daja. Doch in Linuas Innerem wohnte ein Lied, wild und süß, unwirklich und überirdisch. Ein Geheimnis, das in ihr ruhte. Ein Rätsel, das es zu entschlüsseln galt. Und so trennte sie sich von den Gefährten. Vielleicht war sie ja wirklich eine Lichtgeborene, wie ihre Mitgefangene Usita geglaubt hatte. Sie stellte sich ihrem alten Meister, begegnete dem Tod und trat über die Schwelle. Und fiel hinein in das Licht und das Lied. Sie ließ das Licht der Sterne in ihren Körper fluten und streichelte mit dem Gesang ihre geschundenen Glieder. Der finstere Schmerz in ihr löste sich auf. Und dann kehrte sie zurück. Und mit ihr das Wissen: Magie war Wille. Magie war Wünschen. Wer den göttlichen Funken in sich trug, konnte lernen, ihn anzufachen und den Dingen seinen Willen aufzuzwingen. Und mit ihrem Willen rettete sie Karim, ihren Wüstenbruder, vor dem sicheren Tod.

Karim von Lhe’tah, Ziehsohn des Königs von Daja, Feuerreiter, Wüstendämon, Bastard eines Großkönigs, geboren aus Verbrechen, gezeugt in Gewalt, Königsmörder, Vatermörder, glaubte an die Götter. Und doch versuchte er, selbst die Fäden des Schicksals zu spinnen. Erst, als er Großkönig Tizarun – seinem Vater – das Gift in den Met tat. Dann, als er seine Ziehschwester Ruma täuschte und sie zur Heirat mit Liro von Kanchar brachte, obwohl sie doch dessen Slaven liebte, Yando, der eigentlich der verschollene Prinz von Guna war. Und schließlich, als er die Feuerreiter in die Rebellion gegen Kanchar führte und sie dazu brachte, sich seiner Feindin Tenira anzuschließen, die mit ihrem Heer gegen die Stadt Daja zog. Und all das, um den Thron der Sonne zu erringen, das Erbe seines Vaters. Und als Tenira ihn verriet und zu einem Götterurteil in die Skorpiongrube werfen ließ, retten sie ihn nicht. Und doch konnte der Fadenspinner Karim, der Fadenverknoter, der Fadenzerreißer, fliehen. Und doch konnte er sich mit letzter Kraft nach Guna schleppen. Und doch konnte ihn Linua von der Schwelle des Todes zurückholen, obwohl gegen das Gift der Skorpione kein Heilmittel existierte … Vielleicht glaubten die Götter auch an Karim.

An Yando, einst einer der Edlen Acht, schienen sie nicht zu glauben. Und obwohl Yando die Götter verfluchte, glaubte er, dass sie die Fäden der Menschen in das Muster der Welt hineinweben und dabei ihre unerbittliche Nadel ins Fleisch eines jeden stechen. Der Stachel in Yandos Fleisch saß besonders tief. Sein Schicksal hätte es sein sollen, der König von Guna zu werden. Doch als Kriegsgefangener war er vor Jahren in die Gefangenschaft nach Kanchar gekommen, wo er seitdem sein Leben als Leibsklave von Prinz Liro von Kanchar fristete. Vergessen von der Welt und den Göttern.

Wie viel Leid kann ein Schicksal für einen Mann bereithalten? Wie viel Schmerz kann ein Mensch ertragen? Als er die Chance zur Flucht hatte, konnte Yando sie nicht ergreifen und seinen Schützling Liro schwer verletzt zurücklassen. Als er sich verliebte und seine Liebe erwidert wurde, entriss man ihm die geliebte Ruma und gab sie seinem Herrn als Braut. Und als Matino, der grausame Kronprinz von Kanchar, seine Stellung als Erbe wegen eines verkrüppelten Beines an Liro abtreten musste, durfte Yando dessen Zorn ertragen. Wie sehr mussten ihn die Götter hassen? Doch dann kam Yando die Erkenntnis, warum die Götter ihm nie geben würden, was sein Herz begehrte – weil er sie hasste.

Die wahnsinnige Großkönigin Tenira hielt sich selbst für eine Göttin voll Zorn und Hass auf jene, die ihr den Geliebten, einen Teil von sich selbst, genommen hatten. Und doch musste sie den Rachefeldzug gegen Kanchar schließlich verloren geben und die bittere Niederlage eingestehen. Als Unterpfand des Friedens musste sie ihren Sohn, Prinz Sadi, in die Hand des Feindes geben. Doch wenn die Kancharer ihn erzogen und formten, wer würde er dann sein? Ein Fremder. Ein verfluchter Kancharer, ein Feind. Tenira hatte keine Wahl, und so wurde Sadi in die Hauptstadt von Kanchar gebracht und in die Obhut eines Sklaven aus Guna gegeben …

Und nun, ihr Götter, welche Fäden werdet ihr knüpfen, um das Muster weiterzuspinnen? Und Mernat, der Gott der schicksalhaften Verknüpfungen, hielt für einen Augenblick inne. Und während der Augenblick sich dehnte, während die Webstühle des Schicksals still standen, die Fäden sich verstrickten, rissen, neu geknüpft wurden, ging ein Regen von Sternschnuppen nieder, und die Sterne fielen in einen offenen Brunnen.

Sie sagen, am Grund des tiefsten Brunnens wartet eine andere Welt auf den, der springt. Sie sagen, am Grund des tiefsten Brunnens gehen Wünsche in Erfüllung. Sie sagen, am Grund des tiefsten Brunnens findet man, was man am meisten liebt.

Ich trat durch die Zeit,

Ging durch die Uhr,

Wo der Thron

Herzschlag

Blüht.

Mein Schloss in Flammen,

Blüten der Angst,

Sieh das Tor

Brennen.

Spring.

Mein blühendes Haus

In Rot getaucht

Wächst sternwärts

Hoch ins

Licht.

I. IN DEN VERWUNSCHENEN WÄLDERN

1. Das andere Schloss

Es war Anta’jarim, und es war nicht Anta’jarim.

Seit Anyana im sagenhaften Kato, das die Götter für ihre Kinder geschaffen hatten, an Land gegangen war, wurde sie von der Menge an Seltsamkeiten und Wundern überwältigt. Die Landschaften, die sie bisher gesehen hatte, glichen in verblüffender Weise der Welt der Menschen, so wie die leicht verschwommene Spiegelung auf der Oberfläche eines Teichs der Wirklichkeit glich. Bei näherer Betrachtung erst fielen die Unterschiede auf. Das Schloss, das sich inmitten der verwunschenen Wälder erhob, ähnelte dem Ort, an dem Anyana aufgewachsen war, nur auf den ersten Blick. Genau wie der echte Herrschaftssitz der Königsfamilie von Anta’jarim bestand auch der hier in Kato aus vielen Häusern und Burgen und Türmen. Sie waren zusammengewürfelt wie ein Haufen Bauklötze, mit dem ein Kind gespielt hatte, gingen ineinander über oder wirkten wie aufeinandergestapelt. Und doch ergaben die einzelnen Teile ein unvergleichliches Ganzes.

Alles war so ähnlich und fühlte sich dennoch ganz anders an. Dies war keine Heimkehr. In Kato lebten die Toten, die nicht die vollständige Reise zu den Göttern hinter sich gebracht hatten, und Anyana musste nur zur Rechten auf ihre Tante Lugbiya oder zur Linken auf ihren Vetter Maurin blicken, um daran erinnert zu werden. Sowohl Lugbiya als auch Maurin waren in dem Feuer gestorben, das Anyanas ganze Familie ausgelöscht hatte. Sie hier in Kato wiederzutreffen, ihre Tante verjüngt, ihr kleiner Spielkamerad Maurin zu einem hübschen jungen Mann gereift, war zugleich erschreckend und wunderbar.

Auch der Mann, der vor ihnen ritt, war ihr auf unheimliche Weise vertraut. Fürst Wihaji, einst die rechte Hand des ermordeten Großkönigs Tizarun, hatte ihr schon einmal das Leben gerettet. Nun stand sie erneut in seiner Schuld, da er sie und ihren kleinen Sohn davor bewahrt hatte, von den Soldaten des Flammenden Königs verhaftet zu werden. Sie hatte noch tausend Fragen, doch der stolze dunkelhäutige Fürst ritt ihnen voran und wandte sich nicht zu ihr um.

Durch das Haupttor gelangten Anyana und ihre neuen Reisegefährten in einen Hof, der direkt auf das hohe Portal des Schlossteils zuführte, der dem König zustand. Rechts und links davon befanden sich die Gebäudekomplexe, die die anderen Mitglieder der Königsfamilie beherbergten: das sogenannte altdunkle Schloss – während Anyanas Kindheit das Heim ihrer Familie – und das helle Schloss, in dem die Familie ihres Onkels Nerun gewohnt hatte. Sonnenlicht spiegelte sich in den Pfützen zwischen den Stallungen und dem Wachturm, aber es hatte nicht die richtige Farbe, es war milchig weiß statt golden. Menschen schritten geschäftig hin und her und nahmen sich dennoch die Zeit, den Fürsten, der hier der Aufrechte oder der Freie Mann genannt wurde, ehrfürchtig zu grüßen. Etwas war seltsam an ihnen. Es war, als würden sie sich langsamer bewegen und geschmeidiger, wie Leute, die durch tiefes Wasser wateten.

Das Leben in Kato war wie das Leben in einem Traum. Nur einer schien wirklicher als alles, ein Halt im Wogen des Nebels: Wihaji. Der in diesem gespiegelten Anta’jarim kein verfemter Königsmörder, sondern König war.

Anyana ließ sich beim Absteigen helfen und presste ihr Kind enger an sich, während sie zu dem zuckerwerkartigen Turm hinaufstarrte, der in zahnweißem Marmor aus dem Wirrwarr aus Gebäuden ragte.

»Ja, es ist seltsam, aber man gewöhnt sich daran«, sagte Lugbiya. »Soll ich den Kleinen halten, während du dich umschaust?«

Ihr war nicht wohl dabei, Lijun auch nur für einen Atemzug fortzugeben. Tante Lugbiya war genauso wie das Schloss vertraut und überraschend fremd. Sie war die Frau, die Anyana viele Jahre gekannt hatte, und doch war sie ganz anders: Ihre Augen leuchteten, sie wirkte jung und strahlend und voller Mut. War sie früher tatsächlich so streng und übelgelaunt gewesen, dass sie es jedem schwer gemacht hatte, sie zu mögen?

»Dort war kein solcher Turm«, sagte Anyana. Instinktiv hielt sie Lijun noch fester, und der Kleine begann sich zu regen. »Und es wuchsen keine violetten Blumen um das Hauptportal herum.«

»Dies ist das Anta’jarim der Lichtgeborenen, nicht deins«, gab ihre Tante zurück. »Und außerdem sind das keine gewöhnlichen Blumen, sondern Weinreben. Sie haben hier außergewöhnlich große Blüten und später gelbe Trauben, groß wie Pflaumen. Nur zu, sieh dich um. Das ist dein neues Zuhause.«

Ist es nicht, dachte Anyana, aber wem wollte sie etwas vormachen? Sie war über das Nebelmeer gesegelt, um ihren Verfolgern zu entkommen, und konnte nicht einfach wieder nach Le-Wajun zurückfahren. Den Grauen Kapitän hatte sie sich zum Feind gemacht, weil sie ihm erst ihren Sohn als Reisezoll versprochen und dann mit Lijun geflohen war, und Mago, ihr Weggefährte auf der Flucht, war von den Schergen des Flammenden Königs verschleppt worden. Irgendwie musste sie in dieser fremden Heimat Fuß fassen, also zwang sie sich zu einem Lächeln.

»Danke, dass du dich um ihn kümmern willst.« Sie streichelte über Lijuns Köpfchen, reichte ihn Lugbiya und wandte sich dem Portal zu, in dem Fürst Wihaji gerade mit großen Schritten verschwand. Das Königsschloss, in dem in der wirklichen Welt König Jarunwa gelebt hatte, als Anyana ein Kind gewesen war.

»Onkel Jarunwa ist nicht hier?«, fragte sie.

Maurin, ihr ehemals kleiner Cousin, schüttelte den Kopf. »Nein, ist er nicht. Ich glaube, er ist schon einen Schritt weitergegangen, zu den Göttern. Der Glückliche.«

»Gibt es eine Erklärung dafür, wer nach dem Tod hier landet und wer nicht?« Anyana dachte an ihre Mutter, deren Gesicht sie im Nebelmeer gesehen hatte. Unzählige Seelen füllten das Meer zwischen Kanchar und Kato. Waren sie zu schuldig und daher zu schwer gewesen, um in die Höhe zu steigen? Waren die weniger Schuldigen hier – und die Guten hatten es bis zu den Göttern geschafft?

»Ich stand vor dem Flammentor«, sagte Maurin, »und ich hörte eine Stimme rufen. Jemand streckte mir eine Hand hin, aber ich habe sie nicht ergriffen. Ich wusste nicht, wo ihr wart, du und Dilaya, deshalb habe ich mich umgeschaut. Und dann war ich plötzlich hier. Ich lag im Wald auf weichem Moos. Ein Reh hat mich gefunden und hergeführt. Aus einem der Fenster im Turm lehnte sich meine Mutter, ihre Haare wehten im Wind, und sie lachte, als sie mich sah.«

Vielleicht war das alles ein Traum, überlegte Anyana, während sie sich nach links wandte zum altdunklen Schloss, dem Spiegelbild des Heims ihrer Kindheit. Jeder Schritt war wie ein Schritt in die Vergangenheit. Überwuchert von Weinranken mit dunkelrotem Laub, schimmerten die verwitterten Steine nur hier und da hervor. Es war eins der ältesten Gebäude im Gewirr der Erker und Türme, eine unübersichtliche Burg, in der sie als Kind immer wieder neue Räume entdeckt hatte. Ein Dutzend Stufen führten zu einem gewölbten Mauerbogen hinauf, der das hohe, zweiflügelige Portal beschattete. Anyana stemmte den schweren Türflügel auf.

Die kleine Eingangshalle war so vertraut, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen. Die Sprünge in den Bodenfliesen, das gemalte Blumenmuster, das sich über die verputzten Wände zog, rechterhand führte eine immer offen stehende Tür in den kleinen Salon mit dem Sessel und der Standuhr. Ging man daran vorbei, gelangte man in einen mit Steinplatten ausgelegten Saal, den eine Galerie umgab. Unter der Brüstung verbargen sich Türen in den Schatten. Alles war still, viel zu still.

Die vielen Menschen draußen schienen sich um das Königsschloss zu kümmern sowie um Lugbiyas herausgeputztes helles Schloss, denn hier hielt sich niemand auf. Keine Diener eilten geschäftig durch die Flure, keine Wächter standen gelangweilt an den Türen. Ansonsten wirkte auf den ersten Blick alles wie früher: Kein Staub hatte sich auf die Statuen gelegt, und die Porträts der Ahnen hatten so glänzende Rahmen, als hätte man sie gestern erst poliert. Es waren die gleichen Bilder, aber die Details stimmten nicht. Auf einem thronte ein alter König, der nur einen halben Schnurrbart besaß, auf einem anderen baumelte eine Kirsche vom Ohr einer edlen Dame. Den Hirsch – Wappentier der Königsfamilie von Anta’jarim – auf dem größten Bild betrachtete sie am längsten. In seinem Geweih wuchsen brennende Rosen, und auf seinem Rücken saß ein Kind, ein Junge. Anyana kannte diesen Jungen. Unzählige Male hatte sie von ihm geträumt. Unzählige Nächte hatte sie damit verbracht, mit ihm durch die Berge zu wandern. Er auf einem Pony, sie mit den nackten Füßen im kalten Schnee, während Flocken aus den Tannen rieselten und die Krähen in den Wipfeln schrien.

Ein Zittern durchlief sie. Rasch wandte sie sich ab. Die Geborgenheit, die sie im Traum stets in der Nähe des Jungen empfand, stellte sich nicht ein. Stattdessen fühlte sie sich aufgewühlt, verwirrt, zwischen Traum und Wachen, hilflos und gefangen. Sie rannte durch den Saal auf die hinterste Tür zu. Dahinter lag die Wendeltreppe, die in Le-Wajun zu den oberen Gemächern, darunter auch ihr eigenes Zimmer, führte. Leise keuchend stieg sie hinauf – die lange Schiffsreise nach Kato, auf der sie sich kaum hatte bewegen können, hatte ihr einen großen Teil ihrer Kraft geraubt.

Endlich kam sie oben an. Ihr wilder Herzschlag beruhigte sich wieder. Wie wunderbar vertraut alles hier war! Der lange Flur, die Türen zu den Zimmern. Es sah aus, als hätte das Schloss die ganze Zeit nur auf sie gewartet. Dort lag das Schlafgemach ihrer Eltern. Das Ankleidezimmer. Das Zimmer, in dem ihre Mutter Hetjun immer Briefe geschrieben hatte. Das Arbeitszimmer ihres Vaters. Und dann endlich ihr eigener Raum. Voller freudiger Erwartung öffnete sie die Tür und trat ein.

Das Bett stand an seinem üblichen Platz, die Kissen waren aufgeschüttelt, die Decke zurückgeschlagen. Sie müsste nur hineinkriechen und könnte schlafen, bis auch diese Welt in Flammen aufging. Wie hatte sie glauben können, dass sie sich an ihre schöne, friedliche Kindheit erinnern könnte, ohne zugleich daran zu denken, wie schrecklich alles geendet hatte?

Um sich von den Träumen abzulenken, die auf so fürchterliche Weise in Erfüllung gegangen waren, trat Anyana ans Fenster. Von hier aus hatte sie einen guten Blick über die verwinkelten Dächer der Schlossanlage. Fast erwartete sie, ihren Vater auf dem First sitzen zu sehen, wie er es früher oft getan hatte. Dann erregte ein Turm auf der anderen Seite des Dächermeeres ihre Aufmerksamkeit, den sie früher nicht durch ihr Zimmerfenster hatte sehen können. Eine Galerie mit einer steinernen Brüstung schmiegte sich wie ein Kranz an diesen Turm, und sie konnte die Tür sehen, die hineinführte. Eine unverkennbare blaue Tür.

Sie war auf dem Fenstersims und kletterte hinaus, bevor sie überhaupt darüber nachdenken konnte. Die Müdigkeit, die sie eben noch in jedem Knochen gespürt hatte, fiel schlagartig von ihr ab. Die Menschen im Hof hatten ausgesehen, als würden sie unter Wasser leben; Anyana hingegen hatte das Gefühl, sie wäre gerade aufgetaucht.

Etwas mehr als einen Meter unter ihr befand sich ein schräges Dach. Anyana ließ sich rückwärts vom Sims herab, bis ihre Zehenspitzen die untere Kante ertasteten, dann ließ sie los und stand auf dem Dach. Sie zog die Schuhe aus, um besseren Halt zu haben, und genoss das befreite Gefühl. Die Pfannen waren rau und mit Moos bewachsen, warm von der Sonne, obwohl diese durch die milchige Wolkenschicht nur zu erahnen war. Anyana kletterte vorsichtig zum First hinauf und balancierte über diesen zum nächsten Dach, das einen Meter tiefer lag. Sie sprang hinunter, lief weiter, bewegte sich behände von einem Gebäude zum nächsten. Mit jedem Hindernis, das sie überwand, fühlte sie sich geschickter und sicherer. Deshalb fürchtete sie sich auch nicht vor der nächsten Herausforderung. Sie erkletterte das runde Dach eines kleinen Turms, der aus dem verschachtelten Gebäudewirrwarr ragte, und erreichte von dort aus einen Balkon, der zu einem höheren Gebäude gehörte. Die Galerie mit der blauen Tür war von hier aus nicht zu sehen. Anyana musste noch einige Male Höhen erklimmen oder sich an kupfernen Regenrinnen herunterlassen, bis sie schließlich den Turm erreichte und sich über die steinerne Brüstung schwingen konnte. Sie hatte befürchtet, die blaue Tür könnte verschwunden sein, aber sie war immer noch da.

Beinahe furchtsam legte Anyana das Ohr an das verwitterte Holz und hörte eine Stimme, die ein Lied sang. Das alte, vertraute, wunderbare Kinderlied, das ihre Seele wärmte. Ohne anzuklopfen, riss sie die Tür auf und stürzte in Urgroßmutter Unyas Rosenzimmer. Hier war alles wie früher: das schmiedeeiserne Bett, der Schaukelstuhl, der Tisch, auf dem eine Blumenvase stand. Eine kleine Katze rollte mitsamt einem Wollknäuel über den Fußboden.

»Unya?«, fragte Anyana enttäuscht. Wie konnte ihre Urgroßmutter nicht hier sein, wenn doch die Katzen da waren? Und von wo kam der Gesang, den sie immer noch hörte? Da fiel ihr die Tür auf, die sich in die hintere raue Steinwand fügte. Im echten Anta’jarim hatte es keinen zweiten Ausgang gegeben, da war sie sich sicher. Erwartungsvoll öffnete sie die Tür und trat in strahlenden Sonnenschein hinaus.

Vor ihr lag ein Garten. Weit geöffnete Sonnenblumen hielten ihre runden, mit gelben Blättern umkränzten Gesichter ins Licht. Duftende Kräuter säumten die Kieswege, Rosen rankten an eisernen Bögen darüber. Eine Frau schnitt mit einem kleinen Messer Zweige ab und legte sie in einen Korb. Dabei sang sie vor sich hin. Graues Haar, zu einem Zopf geflochten. Ein geblümter Rock, eine Weste aus festem Stoff, hübsche elegante Lederstiefel. Anyana wollte es kaum glauben, daher kam der Name ihr nur zögerlich über die Lippen.

»Urgroßmutter Unya?«

Die Frau hörte auf zu singen und drehte sich um – kein gebeugtes Mütterchen, wie Anyana sie kannte, sondern eine Dame, die aussah wie eine Königin. Nicht uralt, sondern höchstens sechzig Jahre alt. Ihre Augen waren von einem hellen Grüngold, ihr Lächeln breit und strahlend. »Anyana? Kind, wie herrlich, dich endlich zu sehen!«

»Du … du bist nicht blind«, stammelte Anyana verwirrt.

»Hier nicht. Nein, hier bin ich weder blind noch krank. Immerhin ist dies das Land der Lichtgeborenen. Hier bin ich wirklich zu Hause, und dort, wo man daheim ist, ist man nicht blind.« Unya stellte den Korb zur Seite und schloss Anyana in die Arme. Sie roch gut, nach Tee und Rosen und frischer Bettwäsche, und Anyana konnte nicht anders – sie lachte.

»So ist es recht, meine Liebe. Lach nur. Die Zeit der Tränen ist vorüber.«

»Nein, ist sie nicht«, widersprach Anyana. So sehr sie das Wiedersehen auch genoss, sie durfte sich nicht von den schönen Dingen einlullen lassen. »Ich muss zurück, liebe Unya. Ich bin die rechtmäßige Großkönigin, die Sonne von Wajun, und ich muss zurück. Ich kann Tenira nicht den Thron überlassen. Es war ein Fehler, auf das Graue Schiff zu steigen. Ich bin meiner Pflicht davongelaufen, aber mir ist klar geworden, wie falsch das war. So wie ich mein Kind nicht fortgeben konnte, kann ich auch Le-Wajun nicht im Stich lassen.«

»Dein Kind?«, fragte Unya. »Du hast ein Kind? Wie wundervoll! Ich möchte es wiegen und ihm vorsingen, wenn du erlaubst. Doch was du mir da sagst, über das Zurückgehen … Hundert Jahre lang hat Wihaji es versucht. Wundere dich nicht, wenn du ihm im Hof oder in einem der Gänge oder auch im Wald begegnest und ihm das Wasser aus den Haaren rinnt. Er ist schon in zu viele Brunnen gesprungen, und keiner war je der Weg nach Hause.«

»Hundert Jahre?«, wiederholte Anyana, benommen von dieser unvorstellbar langen Zeit. Hundert Jahre mochten nichts sein im Lauf der Geschichte, aber für einen Menschen war es mehr als ein Leben. »Wie kann das sein? Er sieht aus wie damals.«

»Die Zeit in Kato ist die Zeit der Götter. Sie verstreicht nicht im regelmäßigen Takt einer Uhr. Vielleicht bist du schon fünfzig Jahre aus Le-Wajun fort, vielleicht erst eine Woche. Tage mögen vergehen oder Jahreszeiten oder zwanzig Lebensspannen, während hier nur Stunden verstreichen. Du hast Zeit oder auch nicht, aber sich zu eilen nützt nichts.«

»Dann werde auch ich nicht älter werden?«

»Manche Dinge verändern sich hier schneller, andere gar nicht, und manches scheint sich rückwärts zu bewegen. So werde ich hier immer jünger. In Kato ist nichts berechenbar. Menschen wie Wihaji kämpfen vergeblich dagegen an. Was wirst du tun?«

»Ich muss meine hundert Jahre demselben Ziel widmen: einen Weg zu finden.«

»Du bist die Sonne«, sagte die alte Frau sanft. »Und wenn die Götter das wissen – und wie könnten sie nicht? –, dann werden sie dafür sorgen, dass du deinen Weg findest. Sieh es so: Drüben herrschen unruhige Zeiten, und hier bist du in Sicherheit.«

»Unruhige Zeiten? Was ist passiert?«

»Tenira ist gegen Kanchar in den Krieg gezogen. Sie kam bis nach Daja und hat die Stadt mit Hilfe der Feuerreiter beinahe eingenommen, doch dann hat sie einen Fehler begangen. Sie hat den Mörder des Großkönigs einem Götterurteil überantwortet.«

Alle Fragen, alle Sorgen, alle Gedanken, die sonst nie Ruhe gaben, hielten inne, versanken im Schweigen. Bis auf eine Frage: »Der Mörder des Großkönigs – doch nicht Karim?«

»Karim von Daja. Karim von Lhe’tah. Karim von Wajun. Er hat so viele Namen wie Gesichter. Tenira ließ ihn in die Skorpiongrube werfen.«

»Er ist tot?« Anyana sank auf die niedrige Mauer aus groben Steinen, die das Kräuterbeet einrahmte, denn ihre Beine wollten sie nicht länger tragen.

Karim. Ein freches Lächeln an einem Sommertag, ein Streit und ein Kuss …

»Nein, die Götter haben ihn gerettet, und Tenira verlor ihren Sieg in einem Augenblick.«

Atme,befahl Anyana sich. Atme. Denk nicht an ihn, so wie du an ihn denkst, mit so viel Liebe und Sehnsucht.

Aber sie konnte nicht anders. Sie dachte an Karim in jenem Stall auf Laimocs Farm, an den Moment, in dem sie ihr Gedächtnis wiedergefunden hatte. Karim, der sich über sie beugte, ihre Wange streichelte, seine Stirn an ihre presste, sie küsste und berührte. Karim, dort, damals – immer noch war sie sich nicht sicher, ob es ein Traum gewesen war. Seinen Namen zu hören war unerträglich, genauso unerträglich, wie ihn zu verschweigen.

»Wie kannst du das wissen, Urgroßmutter Unya? Du bist schließlich hier.«

»Und dort, wie du sehr wohl weißt. Hast du mich nicht selbst in meinem Zimmer besucht?« Sie wies mit der Hand in die Richtung, aus der Anyana gekommen war. »Meine Türen gehen in beide Richtungen.«

Vorsichtig drehte Anyana sich um. Wo waren das Schloss, der Turm, die Dächer? Sie standen hier in einem Garten, ein warmer Wind trug den Duft der Blüten und Sommerkräuter überallhin. Und hinter ihnen schmiegte sich ein kleines Haus unter die ausladenden Äste einer Kastanie. »Es ist alles noch da. Hier in Kato führt nicht jede Tür nur in einen einzigen Raum. Wir sind noch nicht bei den Göttern, doch das eine oder andere Göttliche hat auf Kato abgefärbt. Wege führen überallhin, die Sterne fallen in unseren Tee, und auf jedem Fest wird getanzt. Komm.« Sie nahm Anyana bei der Hand und führte sie ins Haus.

»Und die Tür?« Anyana zeigte auf die blaue Tür, während sie sich bückte, um das Kätzchen zu streicheln. »Führt sie ins echte Anta’jarim? Kann ich auf diese Weise zurück?«

»Dein Anta’jarim, das Anta’jarim in Le-Wajun, ist nicht das echte«, berichtigte Unya sie. »Dieses hier in Kato ist schon ein Stück näher am echten dran. Doch das wahre Anta’jarim wirst du erst finden, wenn du durch das Flammende Tor ins Land der Götter gehst.« Sie waren inzwischen beim Häuschen angekommen, und die alte Frau legte die Hand an den Riegel. »Du findest hier hinter allen Türen nur Kato. Ich kann dir nicht helfen. Ich kann nur auf dein Kind aufpassen, während du auf die Suche gehst – wonach auch immer.«

Ganz bestimmt gab es Menschen, die lächerlich aussahen, wenn ihre Gewänder ihnen nass am Körper klebten, dachte Anyana, doch der Aufrechte, der Gegenkönig, der dunkle Fürst von Lhe’tah, gehörte nicht dazu. Wihaji schüttelte sich wie ein nasser Hund. Ein Schauer aus feinsten Tröpfchen beregnete die Umstehenden, aber niemand wagte es, auch nur mit der Wimper zu zucken. Anyana hob entschlossen das Kinn. Sie wartete, während einer nach dem anderen an den König herantrat und entweder Bericht erstattete oder ein Anliegen vorbrachte. Die Halle hatte sich rasch gefüllt, nachdem Wihaji eingetreten war. Er hatte sich nicht auf den Thron gesetzt, sondern wanderte durch die Menge, hörte dem einen zu, nahm von jemand anderem eine Schriftrolle entgegen, zauste einem Kind im Vorbeigehen das Haar, lächelte mit aufblitzenden Zähnen, drohte mit zornigen Augen.

Nachdem sie eine Stunde oder auch zwei gewartet hatte, drängelte Anyana sich schließlich vor. Hundert Jahre, dachte sie.

Sie hatte keine hundert Jahre. Wenn hier so viel Zeit verstrich, was war dann in Le-Wajun? Gingen dort wohl gerade tausend Jahre vorüber oder ein einziges? In wie viele Brunnen musste sie springen, um den Weg zurück zu finden?

Anyana war mit den Geschichten über die Magie der Brunnen aufgewachsen. Abend für Abend hatte ihre Kinderfrau Baihajun ihr davon erzählt, und Anyana hatte immer daran geglaubt, auf dem Grund eines jeden Gewässers ihren tiefsten Wunsch finden zu können. Doch seit Unya sich darüber lustig gemacht hatte, dass Wihaji durch den Sprung in einen Brunnen nach Hause gelangen wollte, ließ sie der Gedanke nicht los, ob das tatsächlich möglich sein könnte. Wenn man sich die Heimkehr sehnlichst wünschte, würde der Brunnen einen an einen anderen Ort bringen? Wihaji hatte in Kato offensichtlich eine Aufgabe gefunden, sodass seine Wünsche miteinander in Konflikt geraten waren. Doch vielleicht könnte es ihr gelingen?

»Fürst«, sagte sie laut, »bitte, sprecht mit mir!«

Das Raunen um sie herum wurde lauter.

»Wie redet sie ihn an? Er ist König. König!«, erklang es ringsum.

Doch Wihaji schien weder verärgert noch wies er sie zurecht. »Prinzessin«, sagte er sanft. »Kommt mit.«

Damit ließ er die Übrigen stehen und führte Anyana aus dem großen Saal. Dorthin, wo das Mosaikbild eines Hirsches an der Wand prangte. Der Speisesaal, erinnerte sich Anyana. Ein Blick genügte – auch dieser Hirsch trug brennende Rosen im Geweih. Sterne funkelten im Schnee unter seinen Hufen. Und auf seinem Rücken saß der Junge mit den schwarzen Augen.

»Ein schönes Bild«, sagte Wihaji.

»Nein«, widersprach sie, »denn nun weiß ich nicht mehr, wovon ich geträumt habe. Der Hirsch ist das Symbol meiner Familie, also steht er für mich. Die Rosen gehören zu Unya. Und der Junge hat keinen Namen außer dem, den ich ihm gegeben habe.« Sie hatte ihn »Riad« genannt, aber sie gierte danach, seinen richtigen Namen zu erfahren. »Wer ist er?«

»Ich habe keine Ahnung«, meinte der dunkle Fürst. »Das Mosaik war schon hier im Speisezimmer, als ich herkam.«

»Ich bin die Sonne von Wajun. Ich bin die rechtmäßige Großkönigin, und ich muss zurück.«

Er musterte sie lange und nickte. »Ich weiß. Jarunwa hat seinen Namen unter ein Dokument gesetzt, das dein Schicksal besiegelte. Das Sonnenpaar wollte die Erbmonarchie einführen, mit dir und seinem eigenen Sohn als Stammeltern einer neuen Dynastie. Ist das Kind von Tenira noch am Leben? Dein Bräutigam?«

Es störte sie nicht, dass er sie so vertraut wie eine Freundin anredete oder wie eine Tochter. »Ich denke schon. Es sei denn, in Le-Wajun sind gerade hundert Jahre vergangen, während wir reden.«

»Du und er, ihr gemeinsam seid das Sonnenpaar. Die Götter werden dich zurückschicken. Ich hingegen …« Er schüttelte den Kopf. »Alle Brunnen sind mir verschlossen. Ich werde das Schiff nehmen müssen.«

Trotz regte sich in ihr. An den Gedanken, die Sonne zu sein, hatte sie sich längst gewöhnt, doch der Bund mit Prinz Sadi, den sie weder kannte noch je kennenlernen wollte, war mehr als ein Schönheitsfehler. Es ließ ihren Entschluss fast ins Wanken geraten. Das Pflichtgefühl, das sie für ihr Land empfand, erstreckte sich nicht auf ihren per Vertrag zugedachten zukünftigen Gemahl.

»Also muss ich den einen Brunnen finden, der sich als Tor erweist?«

»Zuerst musst du deinen Wunsch finden. Den Ort, an dem dein Herz ist. Er ist der Schlüssel, der das Tor öffnet. Und bis dahin kümmere dich um dein Kind. Lebe dein Leben – es könnte dein einziges sein. Und hüte dich vor dem Flammenden König.«

Das erinnerte sie daran, warum sie mit ihm hatte sprechen wollen. »Ich muss meinen Begleiter suchen. Er wurde verschleppt. Könnt Ihr mir helfen, ihn zu befreien?«

»Aus Spiegel-Wabinar, wie ich es gerne nenne? Das wird schwierig.« Keine Ungläubigkeit, kein spöttisches Lächeln, kein herablassendes Kopfschütteln. »Dafür brauchst du in der Tat Hilfe. Der Flammende König lässt jeden, der am Hafen an Land geht, in seine Stadt verschleppen. Sie heißt Wabinar, obwohl sie sich sehr von dem kancharischen Wabinar unterscheidet. Hier in Kato gibt es nur den Palast und keine anderen Häuser, in denen freie Menschen leben. In Spiegel-Wabinar existieren keine freien Menschen. Der Flammende König macht alle zu seinen Sklaven.«

»Wozu?«, fragte Anyana. »Hat er nicht genug Untertanen?«

»Ein König wie er hat nie genug.« In Wihajis Stimme lag eine Düsternis, die sie schaudern ließ. »Seit ich hier bin, kämpfe ich gegen ihn. Und ich werde nie genug davon haben, seine Pläne zu durchkreuzen.«

»Ihr werdet hier gebraucht«, sagte sie, »doch ich muss nur Mago helfen und dann zurück.«

»Gebraucht? Wohl wahr. Ich werde den Flammenden stürzen, erst dann kann ich zurückkehren.«

»Aber ich dachte, Ihr sucht einen Brunnen, weil Ihr Euch so sehr wünscht, jetzt schon den Rückweg anzutreten.«

Wihaji fuhr sich durch die Haare, die bereits wieder getrocknet waren. »Deshalb?« Seine Augen blitzten belustigt. »Ich war im See schwimmen, und hier in Kato legt niemand viel Wert auf Etikette. In vielerlei Hinsicht ist dieses Land erstaunlich frei. Man nennt mich auch deshalb den Freien Mann, weil ich diese Freiheit auskoste. Dennoch warte ich auf den Tag, an dem ich meine Aufgabe erfüllen und Teniras Fluch abschütteln kann. Ich muss unbedingt zurück.« Seine Heiterkeit verflog. »Denn jeder Tag, der drüben vergeht, ist ein böser Tag für sie.«

Etwas von seinem Schmerz wehte sie an wie ein bitterer Duft, der Nachhall von zu vielen Schreien, von Weinen und Flehen.

»Sie?«, fragte Anyana, aber Wihaji antwortete nicht.

Stattdessen schenkte er ihr wieder diesen wissenden Blick, der bis auf den Grund ihrer Seele zu gehen schien. »Bist du bereit, jederzeit aufzubrechen, um deinen Freund zu retten? Vielleicht ist er noch nicht in den Tiefen des Kerkers verschwunden.«

»Natürlich bin ich bereit.«

»Und ich bin niemand, der sich versteckt. Ich begleite dich, damit du nicht in die Fänge des Flammenden Königs gerätst. Außerdem muss ich dir etwas zeigen.«

Wihaji gönnte ihr eine Nacht, aber es fühlte sich an, als hätte sie bereits eine Woche auf Schloss Anta’jarim verbracht. Sie tauchte in ihr altes Leben wie in ein warmes Bad. Es war, als wäre sie wieder in ihrer Kindheit gelandet. Sie schlief in ihrem alten Bett in ihrem alten Zimmer und schrak des Nachts aus einem Traum hoch, an den sie sich nicht erinnern konnte. Ahnungen verfolgten sie wie Nebelschwaden, die durch die Fensterritzen krochen. Vielleicht waren es die Erinnerungen an das Graue Schiff und den Kapitän und das Gesicht ihrer Mutter, die sie heimgesucht hatten. Keuchend saß sie da, aufrecht, schwitzend, und sie hätte sich nicht gewundert, wäre Baihajun, ihre alte Kinderfrau, hereingestürzt, um sie zu trösten und ihr ein Glas Wasser zu bringen. In der Wiege schlief ihr kleiner Sohn. Sie holte ihn zu sich ins Bett, stillte ihn und atmete tief den Duft seines flaumigen Haares ein.

Die Vergangenheit verblasste, das Feuer war nichts als ein leises Knistern. Die Nacht des Schreckens in Laimocs Stall wirbelte wie ein böser Traum davon. Nur das Kind war wirklich. Es war, als hätte sie etwas aus den schlimmen Träumen mitgebracht, etwas unendlich Kostbares.

Dankbar schlief sie wieder ein, und am nächsten Morgen, am Frühstückstisch mit Wihaji, Lugbiya und Maurin, war die Welt jung. Es war ein erster Tag, ein Tag, der keine Lasten und dunklen Geschichten mit sich schleppte. Alles begann neu.

Maurin erzählte von der Geburt eines Fohlens. Er sprach mit vollem Mund, gestikulierte wild, und Anyana konnte nicht anders, als ihn dabei anzustarren.

»Was?«, nuschelte er.

»Du bist so groß geworden.«

Er grinste sie an. »Du auch. Sind wir jetzt gleich alt?«

Lugbiya ließ goldgelben Honig von ihrem Löffel auf ein frisches rundes Brötchen tropfen. »Ihr seht aus wie Geschwister. Es ist fast wie früher.«

Zwei Dinge hatte Anyana bereits gemerkt – sie sprachen nicht über die, die fehlten. Und auch an sie zu denken war nicht wie früher, wo der Schmerz den Brustkorb zusammenpresste, sodass man nicht mehr atmen konnte. Das milchige Licht dämpfte die Trauer. Es war möglich, hier glücklich zu sein.

»Wann brechen wir auf?«, fragte Maurin aufgeregt. »Jetzt gleich? Wir haben den Flammenden König viel zu lange in Ruhe gelassen.«

Seine Mutter Lugbiya äußerte keine Besorgnis, sie machte keinerlei Anstalten, ihn zurückzuhalten. Das wunderte Anyana, bis sie sich die Frage stellte: Konnte man in Kato erneut sterben? Die Toten, die hier ihre Ruhe gefunden hatten, waren sie … unsterblich? Und was war mit den Lebenden, die nach Kato gelangten?

Wihaji schien ihre Gedanken zu erraten. »Wir müssen vorsichtig sein«, sagte er. »Wir beide, du und ich.«

»Ich muss meinen Sohn mitnehmen«, sagte Anyana. »Es geht nicht anders, schließlich wird er noch gestillt.«

Mit ernster Miene nickte er. So vieles war in seiner Gegenwart selbstverständlich. Er fragte nicht, wie sie bereit sein konnte, das Leben ihres Kindes für das ihres Reisegefährten zu riskieren. Es war ihnen beiden klar, dass sie einen Rückzieher machen würde, sobald die Gefahr zu groß wurde. Nie zuvor war es so einfach gewesen, in einem Blick alles Wichtige zu lesen.

2. Der Flammende König

Es war ein Tag wie im Sommer vor fünf Jahren, als Anyanas Welt noch vollkommen gewesen war. Das Licht war weißlich und mild, die Wärme vertrieb die klamme Nebelfahrt aus Anyanas Knochen. Drei Pferde standen gesattelt im Hof, ein riesiger schwarzer Hengst für Wihaji, den Aufrechten, eine kleinere braune Stute für Maurin und ein weißer Wallach für Anyana. Alle waren mit großen Satteltaschen bepackt. Für Lijun hatte sie von Lugbiya ein großes Tuch bekommen, mit dem sie sich den Kleinen wahlweise auf den Rücken oder vor den Bauch binden konnte. Sobald sie aufgestiegen war, reichte ihre Tante ihr das Kind.

»Kommt heil zurück.«

»Natürlich«, sagte Anyana und wunderte sich gleichzeitig über ihre Gelassenheit. In Kato fühlte sich alles leichter an. Auch die Gefahr, in die sie reiten würden, schien hier nicht so schwer zu wiegen.

Maurin winkte, bis sie das Schloss hinter sich gelassen hatten.

Der Weg wand sich wie eine braune Schlange durch den grünen Wald. Es duftete nach Mädesüß und Brombeeren, dazwischen reizte der stechende Geruch von Brennnesseln die Nase. Die Pferde griffen freudig aus. Anyana kam das Tempo fast zu schnell vor, sie fürchtete, die Tiere würden bald ermüden. Außerdem war sie keine geübte Reiterin, und dies war kein magisches Eisenpferd, das sie mit Klammern um die Oberschenkel von sich aus festhielt. Fast hätte sie gefragt, wie lange sie brauchen würden, doch die Antwort hatte Wihaji schon auf der Hinreise gegeben: Niemand wusste es.

Der Wald breitete sich um sie herum aus, endlos wie es schien. Es war nur eine Ahnung, denn ihre Sicht war auf den Weg und die umstehenden Bäume begrenzt. Und doch war sie sich ziemlich sicher, dass dieser Wald weitaus größer war als der jarimische Wald, den sie aus Kindertagen kannte. Hin und wieder flog ein Vogel über sie hinweg – manchmal eine Krähe oder ein Specht, hin und wieder jedoch ein fremdartiges Geschöpf in leuchtendem Blau, das Funken sprühte. Sein Gesang am Morgen, das stellte Anyana nach der ersten Nacht, die sie ihr Lager im Wald aufgeschlagen hatten, fest, war süßer und trauriger als alles, was sie je gehört hatte.

Der Kleine schlief die Nächte durch und schlummerte selig an ihrer Brust, wenn sie tagsüber unterwegs waren. Rasteten sie, schaute er sich staunend um. Seine blauen Augen waren wie Saphire, seine Haare schienen von Tag zu Tag goldener zu werden. Er weinte selten, sondern gluckste hin und wieder vor Freude, wenn die Sonne ihn kitzelte. Die Vögel sangen, und Maurin fing ein Eichhörnchen, das fortan auf seiner Schulter saß. Alles war so perfekt, dass es geradezu einlullend auf Anyana wirkte. Ihre Sorgen und Ängste waren weit, weit weg. Auch jeder Gedanke an Mago, obwohl sie doch zu seiner Rettung unterwegs waren. Nur Wihaji blieb unvermindert ernst. Er schien die Last der ganzen Welt auf seinen Schultern zu tragen, und während sie mit ihrem Vetter herumalberte, das Eichhörnchen neckte und die würzige Waldluft in ihre Lungen sog, trug der schwarze Fürst einen Mantel der Düsternis um sich geschlungen.

Anyana hörte auf, die Tage zu zählen. Zum wievielten Male wusch sie jetzt die Windeltücher im eiskalten Wasser eines Baches aus, der von den Bergen herabkam? Sie wusste es nicht. Doch während sie die Stoffstreifen in die Äste eines Strauchs hängte, hörte sie die Schläge einer Axt – und wenig später das dumpfe Krachen eines fallenden Baumes.

Erschrocken hielt sie inne. Die Erschütterung hatte sie bis in die Knochen gespürt.

»Anyana!« Maurin platzte aus einem Gebüsch. »Wir müssen weiter! Schnell!«

»Was ist denn los? Sind Holzfäller in der Nähe?«

»Schlimmer«, sagte er, sein immerwährendes Lächeln war einer besorgten Miene gewichen. Er kam ihr blasser vor als sonst. Rasch pflückte er die nassen Tücher von den Zweigen, knüllte alles zusammen und stopfte es in seine Umhängetasche. »Wir haben keine Zeit zu verlieren, Any.«

Wihaji hatte bereits alle ihre Habseligkeiten zusammengepackt, als sie wieder im Lager eintrafen. Er hatte sich Lijun auf den Rücken gebunden und war bereit zum Aufbruch. Stumm gab er ihr ein Zeichen, ihr Pferd zu führen und möglichst leise zu sein.

Sie folgte ihm, ohne Fragen zu stellen. Die Schläfrigkeit war schlagartig von ihr abgefallen, und in der Fremdheit des Waldes lauerten plötzlich tausend Gefahren. Warum beunruhigte ein Holzfäller ihre Freunde so sehr? Wieder hallten die Schläge durch den Wald. Anyana hörte Stimmen, und nur weil sie wusste, wie weit Geräusche in einem Wald getragen werden konnten, verfiel sie nicht in Panik. Wer auch immer die Axt schwang, befand sich nicht so nah, wie man glauben mochte.

Mit klopfendem Herzen folgte sie den anderen zwischen den hohen Stämmen hindurch, redete beruhigend auf den Schimmel ein, der vor einem flachen Bach scheute, und stand dann plötzlich unter freiem Himmel.

Vor ihnen lag ein Hang mit unzähligen bereits gefällten Baumriesen. Menschen wuselten hierhin und dorthin, verluden Baumstämme auf von Pferden und Menschen gezogene Karren. Auf der breiten Straße, die weiter unten am Hang entlanglief und sich dann in der Ebene verlor, waren bereits unzählige Wagen unterwegs. Am Horizont erhob sich etwas Großes, Dunkles. Rauch waberte von diesem Ungetüm in den Himmel und bildete gigantische schwarze Wolken.

»Das ist Spiegel-Wabinar«, sagte Wihaji leise, »wo der Flammende König wohnt. Hast du dich bereits gefragt, warum er so heißt? Weil die Feuer seiner Schmieden unablässig brennen. Dafür braucht er das Holz.«

»Was schmiedet er denn?«, fragte Anyana, obwohl sie sich nicht sicher war, ob sie die Antwort hören wollte. Sie hatte die eisernen Rüstungen der Soldaten gesehen, die Helme und Schwerter. Was konnte der König dort am Horizont schon fertigen lassen wenn nicht weiteres Kriegsgerät?

»Ein Schiff«, sagte Maurin.

»Ein Schiff aus Eisen? Aber das ergibt doch keinen Sinn. Es würde nicht schwimmen, es wäre zu schwer.«

»Es ist auch nicht dafür gedacht, zu schwimmen«, erklärte Wihaji grimmig. »Der Flammende König will damit durchs Nebelmeer – nicht übers Wasser, sondern unter Wasser. Kein Schiff außer dem Grauen Schiff des Kapitäns fährt nach Kanchar. Der Flammende hat dreißig Jahre lang versucht, eigene Schiffe zu entsenden, doch sie sind alle gesunken – bis auf diejenigen, die ich vorher in Brand gesteckt habe. Hast du von der Geschichte gehört, in der erzählt wird, dass das Nebelmeer früher ein Teil der Wüste war und die Schiffe auf Rädern durch den Sand fuhren? Der Flammende König baut seit sieben Jahrzehnten an einem gigantischen Gebilde, einem Schiff mit Rädern, in das kein Tropfen Wasser eindringen kann.«

Das war … Wahnsinn. Doch wer hatte je behauptet, die Toten wären vernünftig? Oder gehörte der Flammende König zu den Lebenden in Kato so wie sie selbst? Und so wie Wihaji lebendiger zu sein schien als alle anderen? Sie hatte den Fürsten nicht gefragt, wie er gestorben war. Ob Tenira ihn gefoltert hatte, bevor sie ihn hatte richten lassen? Mit Schaudern erinnerte Anyana sich an das Grabmal, in dem Wihaji zusammen mit Tizarun eingemauert worden war.

Jedenfalls hatte man ihr das erzählt. Niemand in Wajun konnte wissen, ob es stimmte.

»Was will er denn drüben, wenn er es durch das Meer geschafft hat?«, fragte sie. Immerhin schien ihr die Gefahr, dass er Erfolg hatte, nicht allzu groß. Wenn der Flammende siebzig Jahre vergeblich daran gearbeitet hatte, würde es ihm nicht ausgerechnet jetzt gelingen, hoffte sie. Ein toter König, der Kanchar heimsuchte oder, noch schlimmer, Le-Wajun, beunruhigte sie mehr, als sie sich eingestehen wollte.

»Was er will? Zurück. Sie wollen alle zurück ins Land der Lebenden.« Wihaji strich seinem Rappen beruhigend über die Nüstern. »Siehst du deinen Freund irgendwo unter den Arbeitern? Viele Sklaven werden als Holzfäller und für den Transport der Stämme eingesetzt. Es ist eine schwere, mühsame Arbeit, die kein Lebender lange übersteht. Die Toten ächzen unter der Last und brechen nie zusammen, aber die Toten arbeiten ihm zu langsam.«

Anyana warf Maurin einen prüfenden Blick zu, doch ihr Vetter schien die Bemerkung nicht persönlich zu nehmen. »Ist er dabei?«, fragte er nur.

»Mago hat auffällig rote Haare, aber von hier kann ich niemanden erkennen, auf den das zutrifft.«

Alles schien so leicht zu sein in Kato, doch nun bahnte sich die Wirklichkeit ihren Weg in die glatte Traumwelt. Es würde schwieriger werden, Mago zu befreien, als sie gehofft hatte. Noch einmal ließ Anyana den Blick über die Arbeiter schweifen. »Der Mann dort – ich glaube, er war mit mir auf dem Schiff. Beron, ja, das ist sein Name! Können wir wenigstens ihm helfen?«

»Gibt es noch mehr Passagiere, die du erkennst?«

Anyana beobachtete die Waldarbeiter eine Weile, konnte jedoch keine weiteren bekannten Gesichter entdecken. Dafür fiel ihr auf, dass die Männer bewacht und sogar angetrieben wurden. Eine Reihe von Soldaten, die allesamt Eisenmasken trugen, schwang Stöcke oder gar Peitschen, um die Holzfäller anzutreiben. Sobald jemand sich auch nur streckte und den Rücken geradebog, schlugen sie zu. Während Anyana zusah, schien das Geschehen immer deutlicher zu werden, das Bild klarer, als hätte sie ein Fernglas, an dem sie die Schärfe einstellte.

»Achtundzwanzig Wächter«, murmelte Wihaji. »Und wie viele Lebende? Schau genau hin, Prinzessin. Was schätzt du, wie viele Arbeiter sind mit dem Schiff gekommen? Wenn nicht mit deinem, dann auf der Reise davor.«

Wieder musste sie genau hinsehen, auf die Bewegungen der Arbeiter achten, und wieder wurde das Bild schärfer, je länger sie die Szenerie auf sich wirken ließ.

»Ich sehe an die hundert Männer«, sagte sie schließlich. »Davon brauchen ein Dutzend länger als die anderen, um aufzustehen, wenn sie geschlagen wurden. Sie arbeiten besser, aber sie sind schneller müde. Und sie haben eine Verzweiflung im Blick, die den anderen fehlt.«

»Die Toten haben sich in ihr Schicksal ergeben«, sagte Maurin, und wieder fragte sich Anyana, ob er mehr mit den Toten litt als mit den Lebenden, ob er sich ihnen verbunden fühlte, oder ob jeder allein vor sich hinlitt.

»Nimm das Kind, Mädchen, und bleib im Hintergrund. Wir greifen an. Maurin, du sammelst die Lebendigen um dich und führst sie hoch in den Wald. Wehrt jeden ab, der sich euch in den Weg stellt, aber sucht keinen Konflikt, wenn es nicht nötig ist. Ich kümmere mich um die Wächter.«

»Ja, Hoheit.« Die Art, wie Maurin, ohne mit der Wimper zu zucken, die Befehle entgegennahm, verriet, wie oft sie dergleichen schon durchgeführt hatten.

Anyana hatte noch nie mit einem Schwert gekämpft. Deshalb war sie froh, dass sie hier warten durfte. Doch keinen Moment konnte sie die Augen abwenden. Die beiden Männer banden ihre Reittiere an und schlichen geduckt von Holzstapel zu Holzstapel. Erst als sie die Arbeiter fast erreicht hatten, richteten sie sich auf und rannten weithin sichtbar weiter. Wihaji rammte den ersten Wächter, bevor dieser begreifen konnte, was geschah. In einer einzigen Bewegung schnitt er ihm die Kehle durch und packte die Peitsche des nächsten. Er riss den Mann zu sich heran.

Zur selben Zeit erklomm Maurin einen bereits beladenen Wagen. »Zu mir!«, schrie er. »Alle, die mit dem Schiff kamen, zu mir! Für den Aufrechten Mann! Für den Gegenkönig! Lasst alle Angst hinter euch und folgt mir!«

Während ihr Cousin die Arbeiter zu sich winkte, die zögernd ihre Äxte fallen ließen, stürmte Wihaji wie ein Wirbelwind herum und fällte die Wächter. Es nützte ihnen nichts, ihn als Gruppe anzugreifen. Er war schnell, effizient und gnadenlos. Die Holzfäller beobachteten das Geschehen offenkundig verwirrt. Einige gesellten sich zu Maurin, der mit den ersten Flüchtlingen bereits auf dem Rückzug war, andere verharrten einfach an Ort und Stelle.

Mit roten Wangen und verschwitzten Haaren rannte Anyanas Vetter den Hang hinauf, dicht gefolgt von den abtrünnigen Arbeitern. Beron war bei ihnen. Erleichtert lächelte sie ihn an, und er ließ sich stöhnend auf den Waldboden fallen.

»Ihr Götter! So habe ich mir das Leben in Kato nicht vorgestellt!«

»Wir müssen weiter«, drängte Maurin. Unruhig blickte er sich nach Wihaji um.

»Aber die Wächter sind tot«, sagte Anyana.

»Ja, das sind sie. Aber in Kürze werden sie unversehrt wieder aufstehen. Sie können nicht ins Jenseits weiterziehen, solange die Götter sie nicht zu sich gerufen haben.«

Sie wollte die Frage nicht stellen, aber er sah sie in ihren Augen. »Ja«, sagte er knapp, sein Lächeln entglitt ihm. »Ich habe das auch schon durchgemacht. Wir kämpfen gegen einen übermächtigen Feind, und wir siegen nicht immer. Der Flammende König herrscht, und der Gegenkönig stiehlt ihm, was immer er kann. Er gibt den Geretteten einen Zufluchtsort in den Wäldern von Anta’jarim. Aber den Flammenden endgültig besiegen können wir nicht. Wihaji hat ihn schon einmal getötet, doch am nächsten Tag war er wieder da.«

»Er hat den Flammenden König getötet?« Entsetzen und Ehrfurcht mischten sich in ihr.

»Ja«, sagte Maurin. »Und es hat nichts genützt.«

Wihaji kam nun ebenfalls den Hang hinauf. Seine Stirn glänzte vor Schweiß, sein Lächeln war grimmig. »Maurin, nimm die Leute mit und bring sie in Sicherheit. Wir ziehen zu zweit weiter. Und an deiner Stelle, Prinzessin, würde ich ihm das Kind mitgeben. Wo wir hingehen, ist es zu gefährlich.«

»Aber Lijun ist noch ein Säugling, und der Weg zurück dauert Wochen!«

Waren denn wirklich Wochen bis hierher vergangen? Immer wenn Anyana in Kato einen Zeitbegriff verwenden wollte, fühlte sie eine merkwürdige Unsicherheit, als würde der Boden unter ihren Füßen nachgeben.

»Maurin bringt ihn ins Schloss«, beharrte Wihaji mit seiner festen und zugleich sanften Stimme, die zwar Dinge anordnete, aber niemals mit Nachdruck befahl. Er sagte etwas, und es wurde getan. Anyana hatte seiner Autorität und seiner Erfahrung nichts entgegenzusetzen.

»Gut«, stimmte sie zu, und doch war es unerträglich, Lijun in Maurins Arme zu legen. »Pass auf ihn auf.«

»Das werde ich.«

Und so trennten sie sich. Die Gruppe um Maurin verschwand im Wald. Vor ihnen im Tal regten sich die Toten.

»Gehen wir«, sagte Wihaji. Er reichte ihr einen Helm und setzte sich selbst ebenfalls einen auf. Wie ein fremder, furchteinflößender Soldat blickte er sie durch die Augenschlitze an.

Zusätzlich zu dem Helm gab er ihr auch noch ein Kettenhemd und half ihr dabei, es anzulegen. Muss das sein, hätte Anyana am liebsten gefragt, aber sie kannte die Antwort. Als Soldaten des Flammenden Königs getarnt, stand ihnen der Weg zum Palast offen. Sie holten ihre Pferde und saßen auf.

Bald hatten sie das Tal hinter sich gelassen und stießen auf die Straße nach Spiegel-Wabinar. Sie wand sich durch grasbewachsenes, hügeliges Gelände. Flecken aus weiß blühenden Blumen lockerten die Einöde auf. Die Straße war von Wagenrädern geformt, die seit Jahrhunderten Vertiefungen in die harte Erde gegraben hatten, ein Bett, das so glatt war, als bestünde es aus poliertem Holz.

Der Angriff auf die Holzfäller hatte die Wagenkolonne unterbrochen, doch nach einer Weile holten sie den letzten Wagen ein. Die Sklaven, die ihn zogen, waren so ausgemergelt, dass Anyana vor Mitleid die Tränen in die Augen stiegen. Es war ein Wunder, dass sie die schweren Karren, auf denen mindestens ein Dutzend mächtiger Baumstämme aufgeschichtet waren, überhaupt von der Stelle bewegen konnten.

»Können wir diese Menschen nicht auch in den Wald schicken?«, fragte Anyana leise, während sie an der Kolonne vorbeiritten.

»Nein«, sagte Wihaji. »Sie würden nicht gehen, weil sie hoffen, mit dabei zu sein, wenn das Eiserne Schiff ablegt. Dafür nehmen sie alles auf sich, was der König von ihnen verlangt. Außerdem tun sie Buße, und ihre Qualen empfinden sie als Strafe, die ihnen von den Göttern auferlegt worden ist.«

»Aber es sind nicht die Götter, die ihr Schicksal bestimmen. Es ist der Flammende König! Warum begreifen sie nicht, dass sie genauso gut Eure Untertanen sein könnten?«

Diese Menschen hätten ein wunderbares Leben im Wald führen können. Sie hätten an klaren Seen fischen, im Schloss ein behagliches Zuhause haben, das verträumte Licht genießen können … und wählten dies hier?

Wihaji zuckte mit den Schultern. Auf seinem edlen Rappen, ganz in Schwarz, wirkte er stark und königlich, ganz und gar nicht wie ein einfacher Soldat. Sie hatte gesehen, wie er kämpfte, und es war kaum zu glauben, dass sich das Volk nicht längst auf seine Seite geschlagen hatte.

»Schuld stellt seltsame Dinge mit den Menschen an«, sagte er. »Die leichten Seelen sind längst bei den Göttern. Wer hier gelandet ist, dessen Gewissen ist selten rein.«

»Und warum ist Maurin dann hier? Er war ein Kind!«

»Ein grausames Kind.«

Anyana wollte ihm widersprechen. Wenn Maurin hier war, warum nicht Onkel Nerun? Warum nicht Onkel Jarunwa? War nicht auch er grausam gewesen, als er sie mit einem Säugling verlobt hatte? Und Dilaya – wie oft hatten sich ihre bösartigen Worte in Anyanas empfindsame Seele gebohrt?

»Und dennoch muss er nicht leiden. Er ist gesund und lacht, und es geht ihm gut. Hat er seine Buße schon abgeleistet? Aber warum ist er dann noch in Kato? Wer nicht mit dem Schiff gekommen ist, musste schon einmal sterben. Ist das nicht genug Buße?«

»Was genug ist entscheiden die Götter. Und der Flammende König ist auf eine Weise göttlich, an die ich nicht herankomme. Die Toten fliehen nicht zu mir, und nicht jeder will sich von mir retten lassen, wenn er sich stattdessen unter das Joch eines Gottes beugen kann.«

Anyana erinnerte sich daran, was Maurin erzählt hatte – dass Wihaji diesen König getötet hatte. Am liebsten hätte sie gefragt, woher er den Mut genommen hatte, einen Gott zu ermorden. Und wie er sich gefühlt hatte, als dieser nicht tot geblieben war.

Der Palast wuchs vor ihnen in die Höhe. Er war wie ein Berg, eine ganze Stadt, mehr noch, wie tausend Städte in einer. Wabinar war so groß, dass Anyana vom bloßen Hinsehen mulmig wurde. Mit jedem Meter, den sie zurücklegten, verstärkte sich das bedrückende Gefühl. Ein Schatten fiel über die Landschaft, das Schloss verdrängte das blasse Himmelsblau. Die Raben schrien. Aus den unzähligen Fenstern, schwarz wie blicklose Augenhöhlen, wehte Schweigen.

Wie Ameisen strömten die Menschen auf zahlreichen Straßen auf den Palast zu und verschwanden durch eins der großen Portale. Trotz des Gedränges war es nicht so laut, wie es eigentlich hätte sein müssen. Selbst auf Schloss Anta’jarim, das gegen dieses gigantische Bauwerk kaum mehr als wie ein Puppenhaus wirkte, war es nie leise, es sei denn, man suchte einen abgelegenen Winkel auf. Hier hingegen wimmelte es von Menschen, doch keiner lachte, scherzte, keine Rufe ertönten. Nur das Krächzen der Vögel durchbrach die Stille. Mit den anderen Wagen, Soldaten, Bittstellern oder was auch immer die Leute hier wollten, gelangten Wihaji und Anyana ins Innere der Palaststadt.

So stellte sie es sich im Inneren eines Ameisenhügels vor. Im Labyrinth der halbdunklen Tunnel herrschte Chaos, dem eine Ordnung zugrunde liegen mochte, die Anyana jedoch nicht erkannte. Jeder schien ein Ziel, eine Aufgabe zu haben, die einen rannten hierhin, die anderen dorthin, niemand stand still. Von ferne ertönte ein Hämmern und Klopfen. Anyana zuckte zusammen, als ein Beben durch Boden und Mauern ging.

In die äußeren Gewölbe konnten sie ihre Pferde mitnehmen, bis sie zu den Stallungen gelangten und dort absaßen. Wihaji band seinen Rappen und Anyanas Wallach an einen Balken, vor dem schon zahlreiche Rösser auf ihre Besitzer warteten, und führte sie dann weiter.

An einer Treppe, breiter als der jarimische Schlosshof, hielt Wihaji inne. »Dein Freund wird vermutlich da unten zu finden sein«, sagte er. »Willst du es wirklich wagen?«

Zum ersten Mal stellte er ihren Entschluss, Mago zu retten, in Frage. Das Hämmern, das die Luft vibrieren ließ, versetzte ihren Körper in Fluchtbereitschaft. Es wäre so einfach gewesen, jetzt einfach umzudrehen, und ein Teil von ihr wollte genau das tun.

Einen einzelnen Mann in diesem Berg von Palast zu finden war ein Ding der Unmöglichkeit. Das wusste sie jetzt. Wihaji hatte es die ganze Zeit gewusst und ihren Wunsch dennoch respektiert. Sie hatte selbst zu dieser Erkenntnis kommen müssen, sonst hätte sie nie aufhören können, sich schuldig zu fühlen. Doch aus demselben Grund konnte sie auch jetzt nicht umkehren. Noch nicht. Sie musste mit eigenen Augen sehen, was mit den Gefangenen geschah, die nicht als Holzarbeiter in den Wald geschickt wurden und sich dort zu Tode schufteten.

Also stieg sie neben dem dunklen Fürsten, der sich benahm, als gehörte er hierher, die Stufen hinunter.

Es schienen endlos viele. Anyana hatte keine Ahnung, wie sie jemals wieder hinaufsteigen sollte. Die Luft wurde stickiger und heißer. In das ewige Hämmern und Krachen mischte sich das Zischen und Fauchen von entweichendem Dampf und Blasebälgen. Die Treppe endete schließlich auf einer Galerie, die sich in beide Richtungen erstreckte und nicht einmal durch ein Geländer geschützt war. Eine weitere Treppe führte nur ein paar Meter entfernt weiter nach unten – nach sehr weit unten.

Sie befanden sich in einer gewaltigen Höhle unter dem Palast, einem unterirdischen Gewölbe, das größer war als jeder Saal, in dem Anyana je gestanden hatte. Der Anblick verschlug ihr den Atem. Es musste wahrlich ein Gott sein, der dies geschaffen hatte. In diesem Moment fühlte sie sich so klein und unbedeutend, dass ihr Mut sank. Wie sollte jemand wie sie gegen den Flammenden König bestehen? Wie hatte sie auch nur hoffen können, dass sie ihm entgehen konnte – oder ihm gar einen Gefangenen entreißen?

Unten am Boden in der Mitte der großen Kaverne befand sich ein Gerüst, das jedoch nicht verbarg, woran gebaut wurde.

»Das Schiff aus Eisen«, flüsterte Anyana.