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Traummanncasting E-Book

Kelly Stevens

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Beschreibung

Zwei Wochen Jamaica, um im Rahmen einer Casting-Show das Herz eines tollen Mannes erobern! Welche Frau würde sich nicht über diese Chance freuen? Maya. Nicht nur, dass sie unter falscher Identität an der Show teilnimmt, sondern der vermeintliche Traummann stellt sich als absoluter Macho heraus. Also setzt Maya alles daran, um frühzeitig auszuscheiden, scheitert jedoch immer wieder grandios. Stattdessen durchlebt sie turbulente Dates, Zickenkrieg und Entscheidungspartys - und verliebt sich tatsächlich: in den Kameramann Jayden, der fasziniert von der schüchternen Schönen ist, aber natürlich nichts von ihrer wahren Identität erfahren darf ... Von Kelly Stevens sind bei Forever erschienen: Ein Kuss in aller Freundschaft Traummanncasting

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Die AutorinKelly Stevens studierte in England Literatur und Kreatives Schreiben und arbeitete in Deutschland in der Medienbranche.Sie schreibt Erotic Romance in allen möglichen Längen und Variationen, von Kurzgeschichte bis Roman. Unter dem Namen Kelly Stevens veröffentlicht sie bei Verlagen, als Indie-Autorin ist sie als K.C. Stevens unterwegs.

Das BuchZwei Wochen Jamaica, um im Rahmen einer Casting-Show das Herz eines tollen Manns zu erobern! Welche Frau würde sich nicht über diese Chance freuen? Maya. Nicht nur, dass sie unter falscher Identität an der Show teilnimmt, sondern der vermeintliche Traummann stellt sich als absoluter Macho heraus. Also setzt Maya alles daran, um frühzeitig auszuscheiden, scheitert jedoch immer wieder grandios. Stattdessen durchlebt sie turbulente Dates, Zickenkrieg und Entscheidungspartys - und verliebt sich tatsächlich: in den Kameramann Jayden, der fasziniert von der schüchternen Schönen ist, aber natürlich nichts von ihrer wahren Identität erfahren darf ...  Von Kelly Stevens sind bei Forever erschienen:  Ein Kuss in aller Freundschaft Traummanncasting

Kelly Stevens

Traummanncasting

Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.   Originalausgabe bei Forever. Forever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Juli 2016 (1) © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2016 Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privat  ISBN 978-3-95818-119-9  Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten.

Wilde Pläne

Maya

Das ist deine Chance!!!

Bist du zwischen 18 und 29, Single, aufgeschlossen und hast gerne Spaß?

Dann bewirb dich bei XXL-Media-Entertainment für unsere neue Show »Traummann gesucht« bzw. »Traumfrau gesucht« für den Urlaub deines Lebens!

Wir drehen in der Karibik!!!

»Ja, und …?« Maya hob den Blick von dem bunt bedruckten Blatt Papier zum Gesicht ihrer besten Freundin Marie-Jasmin, genannt Jasmin.

»Na, steht doch hier! Das ist unsere Chance!«

Maya las den Text erneut. Der Sinn von Jasmins Aussage erschloss sich ihr trotzdem nicht. Ihre Freundin arbeitete seit einigen Monaten für XXL-Media-Entertainment, aber bei einem Fernsehmagazin für Promi-News. »Macht eure Redaktion diese Show?«

»Nein. Hab’s nur durch Zufall gesehen.« Jasmin strich das Blatt Papier auf ihrem Sofa glatt, auf dem sie beide saßen. Im Gegensatz zu Maya wohnte sie noch bei ihren Eltern, die das Dachgeschoss für sie ausgebaut hatten. Hier trafen sie sich seit über zehn Jahren, seit sie in der Schule in die gleiche Klasse gekommen und beste Freundinnen geworden waren.

Sie sahen sich sogar fast zum Verwechseln ähnlich, obwohl sie aus völlig unterschiedlichen Familien kamen. Beide waren Anfang zwanzig, sportlich, schlank, etwa gleich groß und hatten lange dunkle Haare.

Sie interessierten sich auch beide für Medien und beide hatten sie, nachdem Maya sich auf Bitten ihrer Mutter nicht für Journalismus eingeschrieben hatte, an der Hochschule für Medien in Köln studiert. Mit diesem Studium konnte sie später immer noch in eine journalistische Richtung gehen. Für Maya war diese Rücksichtnahme auf ihre Familie selbstverständlich, auch wenn viele ihrer Freunde so etwas nicht verstanden. Ihr Vater war Journalist gewesen, zu einer Zeit und in einem Land, in dem freie Meinungsäußerungen lebensgefährlich sein konnten. Maya hatte früh gelernt, sich zurückzuhalten. Nur mit Jasmin hatte sie manchmal über ihre Vergangenheit gesprochen, und warum in ihrer Familie der Zusammenhalt so wichtig war.

Inzwischen lebte sie in Deutschland, beherrschte die Sprache wie ihre Muttersprache, hatte einen deutschen Pass und genoss die Freiheit, die sie hier hatte. Aber es gab Grenzen.

Jasmin hatte nach dem Bachelor direkt angefangen, für einen Privatsender zu arbeiten. Zwar hangelte sie sich von einem schlecht bezahlten befristeten Vertrag zum nächsten, aber da ihre Eltern sie weiterhin finanziell unterstützten, störte sie das nicht weiter. Durch ihren Job lernte sie viele bekannte Menschen kennen und genoss ein Stück vom Glamourleben.

Maya hingegen hatte entschieden, weiter zu studieren. Sie war gerade auf der Suche nach einem Thema für ihre Masterarbeit. Einem Thema, das ihre Professorin interessieren, sie beruflich weiterbringen und ihre Mutter nicht aufregen würde. Die Quadratur des Kreises.

Sie wandte sich wieder ihrer besten Freundin zu. »Du verschweigst mir doch irgendwas, oder?«

»Nein, wieso?« Jasmin versuchte, unschuldig zu gucken, gab aber schnell auf. »Also schön. Im Sender reden alle von dieser tollen neuen Show, deshalb habe ich Sandra, die zuständige Redakteurin, bequatscht, dass ich zum Casting gehen kann.«

Das war eine von Jasmins Stärken: Leute so lange zu bequatschen, bis sie genervt zustimmten, selbst wenn sie nicht wollten. Auch Maya hatte diese Erfahrung ein paar Mal machen müssen.

Sie schob das Blatt auf Jasmins Sofaseite zurück. »Du bist verrückt. Ist das überhaupt erlaubt, dass sich Interne als Kandidaten bewerben?«

»Mir doch egal.« Jasmin grinste. »Hey, da kommst du zwei Wochen umsonst in die Karibik und wirst berühmt!«

»Ich ganz sicher nicht«, stellte Maya klar. »Ich bin schüchtern, ich bin kamerascheu und meine Eltern würden mich niemals mitmachen lassen. Außerdem weißt du ganz genau, dass ich lieber hinter als vor der Kamera arbeiten möchte.«

»So schüchtern bist du auch wieder nicht. Immerhin weiß ich, wie du dir dein Studium verdienst.«

Maya wurde rot. Sie hatte zunächst in einer Bar gearbeitet, um sich das Geld für eine Sprecherausbildung zu verdienen. Doch es war schwer gewesen, gut bezahlte Sprecherjobs zu finden. Bis – ja, bis man sie gefragt hatte, ob sie sich vorstellen könnte, ausländische Pornos zu synchronisieren.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sie gerade einmal einen Freund gehabt, mit dem außer ein bisschen Rumgeknutsche nicht viel gelaufen war. Entsprechend hatte der Job sie anfangs zutiefst schockiert. Aber er war lehrreich gewesen, und mit ihrer dunklen, rauchigen Stimme, die auf viele Männer unglaublich sexy zu wirken schien, hatte sie viel Geld verdient. Geld, mit dem sie ihr Studium und ihr kleines WG-Zimmer finanzierte, und gelegentlich das Taschengeld ihrer jüngeren Schwester aufbesserte. BAföG hatte sie nicht beantragen wollen. Ihre Familie hatte ihren Stolz, und auch Maya war stolz darauf, sich im Leben alles selbst zu erarbeiten. Manchmal hasste sie die Oberflächlichkeit, die sie – gerade im Medienbereich – umgab, obwohl sie selbst Teil der Branche war.

Von ihrem Sprecherjob hatte sie ihren Eltern selbstverständlich nicht erzählen können. Die waren alles andere als freizügig aufgewachsen, obwohl sie zur intellektuellen Mittelschicht gehört hatten. Ihre Mutter war ausgebildete Ärztin, aber als sie in Deutschland ankamen, war sie so traumatisiert gewesen, dass sie beruflich nicht hatte Fuß fassen können.

Also blieb Maya als einziges Ventil zum Reden Jasmin, die zu diesem Zeitpunkt schon viel erfahrener war und meinte, dass auch Pornosynchronisation letztendlich nur ein Job war.

Dieses Vertrauen schien sich gerade zu rächen. »Nicht alle können gut verdienende Eltern haben«, antwortete sie etwas schärfer als beabsichtigt. Ihr Vater arbeitete bei einem Autozulieferer, der gerade Kurzarbeit angeordnet hatte.

»Ach, komm, war doch nicht so gemeint.« Jasmin legte den Arm um sie. »Du bist eine tolle Frau, und du bist so hübsch. Ich kann echt nicht verstehen, warum du nicht an jeder Hand zehn Verehrer hast.«

Da sie sich so ähnlich sahen, war das Kompliment wahrscheinlich mehr für sie selbst gedacht als für Maya. »Danke, aber ich bin auch alleine glücklich. Außerdem habe ich gar keine Zeit für einen Freund.«

Jasmin wedelte erneut mit dem Blatt. »Über diese Show wirst du bekannt. Selbst, wenn es mit dem Traummann nicht klappt, gibt es danach jede Menge andere Männer, die dich daten wollen.«

»Ehrlich, Jasmin, du kannst doch nicht ernsthaft über so etwas nachdenken! All die kamerageilen Tussis, die in diesen Casting-Shows um Aufmerksamkeit buhlen und danach wieder in der Versenkung verschwinden. Früher fandest du das auch peinlich. Willst du jetzt etwa zu denen gehören?«

»Diesmal ist es anders. Die Redakteurin sagte, sie wollen was mit Anspruch machen.«

»Jasmin, nach dem, was ich über XXL-Media gehört habe, suchen die magersüchtige Models, die sich anzicken, damit die Show Quote macht. So etwas wollen die Leute sehen. Keinen normalen Mann und keine normale Frau, die sich ganz unspektakulär verlieben.«

Doch Jasmin hörte gar nicht richtig zu. »Angeblich völlig anders als die anderen Bachelor-Formate. Kürzer und knackiger. Das Filmen zieht sich nur über zwei Wochen hin. Ob der Traummann wohl Millionär ist?«

»Ganz bestimmt nicht. Warum sollte sich so jemand für solch ein Format hergeben?«

Jasmin zog die Nase kraus. »Ist doch egal. Ich will bekannt werden und meine eigene Sendung bekommen. Über so eine Show erreiche ich viel mehr Aufmerksamkeit, als wenn ich jahrelang als kleine Assistentin in irgendwelchen Redaktionen rumjobbe.«

Maya schüttelte sich. »Du siehst doch, wo das hinführt. Ins Dschungelcamp. Igitt.«

»Aber diese Sendungen haben traumhafte Einschaltquoten. Danach kennt dich jeder.«

»Glaub mir, durch so eine Show willst du nicht bekannt werden. Daran nehmen bestimmt nur hohlköpfige Model-Typen teil. Das ist nichts für uns.«

Sandra

Was für eine Chance – und was für ein Risiko!

Hauptredakteurin bei der neuen Show, mit welcher der Sender zeigen wollte, dass er auch innovative Formate beherrschte. Zwei Wochen in der Karibik, in der sie die Verantwortung für zwanzig Kandidatinnen hatte und mitentscheiden sollte, welche Szenen später gesendet würden. Diese Show war die Chance, auf die sie seit Jahren gewartet hatte – und der Stolperstein, der ihre Karriere beenden konnte, bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte.

Denn natürlich hatte der Sender nur ein kleines Budget zur Verfügung gestellt, so dass lediglich zwei Redaktionsteams eingeplant waren. Die zweite Redakteurin würde gleichzeitig als Moderatorin fungieren. Es durfte wirklich nichts schief gehen. Spielraum für Improvisationen war nicht eingeplant.

Das größte Risiko aber saß hinter der Tür vor ihr. Rudolf Müller, genannt Richie Valentino. Ein Relikt aus der Zeit, als sie noch als Titten-und-Ärsche-Sender verschrien waren. Die Zeiten hatten sich geändert, Richie war geblieben. Guckte den ganzen Tag über Internetpornos, wie jeder hier im Sender wusste, aber niemand anzusprechen wagte, und erzählte jedem von den guten alten Zeiten. Sprich: wo man seine Praktikantinnen noch lüstern ansehen konnte, ohne gleich eine Klage wegen sexueller Belästigung am Hals zu haben. Zeiten, als Regisseure und Produzenten noch wichtig waren und keine bloßen Handlanger der Sendeanstalten.

Ausgerechnet Richie Valentino war als verantwortlicher Produzent für ihre neue Casting-Show auserkoren worden. Nicht nur, dass er ihr reinreden konnte, schlimmer noch, er würde die ganze Zeit vor Ort sein!

Keine der Frauen hier im Sender wollte für Richie arbeiten, jedenfalls keine, die nicht vorhatte, den Weg nach oben über seine Besetzungscouch zu nehmen.

Sandra holte tief Luft, klopfte und öffnete die Tür zu Richies Büro aka der Höhle des Löwen.

Bevor sie der Mut verlassen konnte, platzte sie heraus: »Rudolf, wegen der neuen Show. Wir brauchen ein höheres Budget. Zwei Redaktionsteams sind einfach zu wenig.«

Er klickte an seinem Computer herum, allerdings nicht, bevor sie nicht die eindeutigen Geräusche von mindestens zwei kopulierenden Menschen wahrgenommen hatte. »Nenn mich gefälligst Richie, Schätzchen. Vor allem, wenn du was von mir willst.«

Richie nannte alle Frauen Schätzchen. So musste er sich ihre Namen nicht merken.

Sandra zählte bis drei und nahm unaufgefordert auf dem Besucherstuhl vor seinem Schreibtisch Platz. »Ich bin nicht dein Schätzchen.« Sie hatte hier im Sender schon einige Jüngere kommen und gehen gesehen, und sie war noch da. »Dieses neue Format. Ich finde, wir sollten nicht die x-te Bachelor-Kopie produzieren. Wir brauchen einen eigenen Aufhänger.«

»Lieber gut geklaut als schlecht erfunden«, zitierte Richie sich selbst. »Ist doch egal, solange es Quote bringt.«

»Könnten wir eventuell die Location als Aufhänger nehmen? Da hätten wir schon mal einen Exotik-Bonus.«

Ein Location-Scout hatte ihnen Jamaica empfohlen: noch nicht überlaufen, Drehgenehmigungen unproblematisch, preislich im Rahmen. Sie hatten zwei Villen mit Pool angemietet, eine für den Traummann, eine für die Kandidatinnen, sowie Zimmer in einem Luxusresort in der Nähe für die Crew. Außerdem hatte man ihnen versichert, dass man vor Ort ein paar abenteuerliche Challenges veranstalten konnte. Schließlich sollten sich die Kandidatinnen einen Adrenalinkick holen und dem Traummann dadurch nahe kommen.

»Kannst dich ja mal über Jamaica schlau machen, Schätzchen«, meinte Richie gönnerhaft. »Sonne, Sex und Reggae! Die Menschen dort haben den Rhythmus im Blut, das muss rüberkommen.«

Hatte sie es doch geahnt. Wahrscheinlich hatte er die Karibik nur vorgeschlagen, weil er viel nackte Haut sehen wollte. »Aber es geht in erster Linie um unsere Kandidaten.«

Richie lachte dreckig und lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Wenn du das denkst, Schätzchen, dann wirst du es beim Fernsehen nicht weit bringen. Kandidaten sind nur Futter für die Zuschauer. Nimm einen gutaussehenden Typen, der drei zusammenhängende Sätze sagen kann, und wirf ihm ein paar junge, geile Mädels zum Fraß vor. Sex sells. Das wird die Show des Jahres!«

Sandra zitterte vor Empörung. »Rudolf, das können wir nicht zur besten Sendezeit bringen! Wir sind nicht mehr der Titten-und-Arsch-Sender, für den du früher gearbeitet hast, wir stehen inzwischen für anspruchsvolle Familienunterhaltung!«

»Anspruchsvolle Familienunterhaltung, dass ich nicht lache.« Er wandte sich wieder seinem Monitor zu. »Mach die Tür von außen zu, Schätzchen. Und sieh zu, dass ein paar geile junge Dinger gecastet werden. Die Show muss eine Sensation werden. Richie Valentino wird wieder der König der Medienbranche sein!«

Sandra warf die Tür hinter sich ins Schloss und wischte sich verstohlen eine Träne aus dem ungeschminkten Gesicht. Dieser alternde Möchtegern-Playboy würde aus ihrer Show keinen Softporno machen! Sie wollte eine Show, in der die Kandidatinnen nicht vorgeführt wurden. Sandra Bergmann würde zeigen, dass man wahre Liebe auch unter widrigen Umständen finden konnte. Ein soziologisches Experiment, keine schlechte Kopie ähnlicher Casting-Shows.

Sie war nicht die erste Frau, die Richie zum Heulen gebracht hatte. Aber sie würde die erste sein, die ihn zu Fall brachte.

Maya

»Ich fasse es nicht«, stöhnte Maya. Kurz war sie in Versuchung, den Cocktail, den sie ihrer Freundin ausgegeben hatte, doch noch zu berechnen.

»Ich weiß.« Jasmin grinste von einem Ohr zum anderen und nuckelte an ihrem Strohhalm, so dass zwei Männer wie gebannt zur Bar sahen, an der sie standen. Jasmin vor, Maya hinter dem Tresen.

Maya zapfte einem Kunden ein Bier und kassierte ab, bevor sie zu ihrer Freundin ans andere Ende der Theke zurückkehrte. »Wie war’s denn?«

»Ach, eigentlich ganz cool. Hab ’nen Fragebogen ausgefüllt, musste unterschreiben, dass sie die Sachen, die sie filmen, im Fernsehen bringen dürfen, und dann haben sie ein kurzes Video gemacht. Sollte was von mir erzählen und ein paar Fragen beantworten. Das war’s schon.«

Maya hoffte, dass es das tatsächlich war und Jasmin nie wieder von diesem Casting hören würde. »Haben sie denn inzwischen gesagt, wo das stattfinden soll? Je nachdem, wo in der Karibik das ist, könnte es gefährlich werden.«

Jasmin lachte unbekümmert, so dass sich noch mehr Männer zu ihr umdrehten. »Du bist manchmal so ein Angsthase! Genieß das Leben doch mal!«

Besser ein Angsthase als tot, dachte Maya. Viele Kollegen und Freunde ihres Vaters hatten die Wahrheit gesagt – und wurden danach nie wieder gesehen. Ein bisschen Angst war ein guter Schutz.

Den Barjob hatte sie behalten, nicht nur, weil er ihr ein regelmäßiges Einkommen brachte, sondern auch, weil die Kollegen nett und die Arbeitszeiten mit ihrem Studium vereinbar waren. Meistens übernahm sie die Frühschichten, in denen weniger los war. Es gab zwar weniger Trinkgeld, dafür aber auch weniger Betrunkene, die Ärger machten.

»Um auf deine Frage von vorhin zurückzukommen, wir drehen auf Jamaica. Ist das nicht super? Reggae, Traumstrände, Filmkulisse für James Bond …«

»… soziale und wirtschaftliche Probleme, Drogen, sexuelle Freizügigkeit …«, ergänzte Maya.

Dann fiel ihr das Wörtchen 'wir' auf, das Jasmin verwendet hatte. »Sag bloß, sie haben schon zugesagt?«

»Ja klar, deshalb wollte ich doch feiern.« Jasmin grinste fröhlich und prostete ihr mit ihrem Cocktail zu.

»Was ist das denn für ein Casting, bei dem sie dir sofort sagen, dass du dabei bist?«

»Mensch, Maya, du denkst immer gleich das Schlimmste. Vielleicht habe ich sie auf Anhieb so von mir überzeugt, dass sie gar nicht anders konnten, als mich zu nehmen?«

»Vielleicht haben sie nicht genügend Bewerberinnen und nehmen deshalb jeden?«

Jasmin funkelte sie an. »Vielleicht hatten sie noch genau einen Platz zu vergeben, und ich war die letzte Kandidatin, die sie gecastet haben? Ist doch egal. Ich bin drin! In zwei Wochen geht’s los. Freu dich doch mal mit mir.«

Maya brachte ein gequältes Lächeln zustande. »Ich freue mich für dich, Jasmin.«

Insgeheim aber fragte sie sich, worauf ihre Freundin sich da eingelassen hatte.

Jayden

Die Sonne ging unter und tauchte den Pazifik in orange-blau schimmerndes Licht, als Jayden vor dem Haus in Santa Monica hielt, das er mit ein paar Kumpels teilte. Er war gerade dabei, sein Surfbrett vom Wagen zu laden, als sein Handy klingelte.

»Yo«, meldete er sich knapp.

Es war sein Agent. »Jay, ich habe einen Auftrag für dich.«

Schauspieler hatten Agenten. Drehbuchautoren hatten Agenten. Alle wichtigen Leute hatten Agenten, vor allem hier in Los Angeles.

Kameraleute waren normalerweise weder wichtig, noch hatten sie Agenten. Jayden seufzte. Leider hing seiner wie eine Klette an ihm, vor allem, wenn es um Projekte ging, die sonst niemand machen wollte.

»Sean, ich habe dir doch gesagt, dass ich hier meine Zelte abbreche und nach Deutschland zurück gehe.«

»Aber erst in ein paar Wochen, hast du gesagt.«

»Ich wollte vorher noch ein bisschen reisen.« Auch das hatte er Sean mitgeteilt.

Doch für seinen Agenten existierten Pläne, die ihm nicht ins Konzept passten, schlichtweg nicht. »Eine deutsche Produktion. Es ist auch nur für zwei Wochen. Ich habe sofort an dich gedacht, als ich es hörte!«

Zwei Wochen waren kurz. Die meisten Produktionen, an denen er mitgewirkt hatte, dauerten mehrere Monate. Jayden überlegte, ob er vielleicht nicht doch noch einen letzten Auftrag mitnehmen könnte, wenn Termin und Bezahlung stimmten. Noch waren seine Reisepläne eher vage, er hatte vorgehabt, einfach ins Blaue hinein zu fahren. »Wann genau ist der Dreh?«

Doch Sean hatte seine eigene Methode, Fragen zu beantworten. »Du bist der beste Mann für den Job«, begann er umständlich. »Du sprichst doch Deutsch, nicht wahr?«

Da sein Agent genau wusste, dass er halb Deutscher und halb Amerikaner war, ging Jayden nicht auf die Frage ein.

»Jedenfalls habe ich gehört, dass eine deutsche Produktionsfirma eine Castingshow machen will. Da habe ich deinen Namen ins Spiel gebracht.«

Um ihn herum verwandelte sich das Städtchen langsam in ein Lichtermeer. Jayden lehnte sich an sein Surfbrett und blickte in die Ferne.

Der große amerikanische Traum. Deutsche Produktionsfirmen, die nur mal eben kurz einflogen, um in L.A. zu drehen, hatten meist keine Ahnung davon, wie das Geschäft hier in den Staaten lief. »Was habe ich dir beim letzten Mal gesagt, Sean? Dass ich nie wieder eine Castingshow machen werde.«

Sean ignorierte seinen Einwand. »Sie wollen dich, weil du Deutsch sprichst und Erfahrung mit Castingshows hast. Der Produzent hat dich speziell wegen 'Nackt in der Wildnis' angefragt.«

Das war genau die Show, auf die Jayden nicht stolz war, sie in seinem Lebenslauf zu haben. Ein Experiment, wie man ihm versichert hatte, etwas Neues, Sensationelles. Tatsächlich war es eine voyeuristische Show gewesen, in der sich nackte Probanden auf einer einsamen Insel – zumindest hatte man ihnen erzählt, dass es eine einsame Insel war, während die Crew auf der anderen Seite besagter Insel in einem Luxushotel untergebracht war – trafen und irgendwelche Aufgaben erfüllen mussten, um die Zuschauer zu unterhalten.

»Die Show war grässlich. Billig gemacht, schlecht umgesetzt, peinlich. Hättest du mich nicht so einen verdammten Knebelvertrag unterschreiben lassen, hätte ich schon am ersten Tag alles hingeschmissen.«

»Aber du hast es durchgezogen. Ich bin stolz auf dich! Du bist mein Mann!«

Jayden schnaufte verächtlich. Immer diese überschwänglichen Übertreibungen, die in Amerika an der Tagesordnung waren. Er lebte jetzt seit gut zwei Jahren in Los Angeles, aber es gab Tage, da nervte ihn hier alles. Wahrscheinlich steckte doch noch zu viel Deutscher in ihm, immerhin hatte er den Großteil seiner Jugend dort verbracht. »Vergiss es, Sean. Ich bin schon fast weg.«

Kalifornien war nicht der Traum gewesen, den er sich erhofft hatte. Sicher, das Wetter war toll, die Wellen gut, die Frauen willig, die meisten Jobs interessant oder zumindest so gut, dass sie ihn beruflich weiterbrachten. Aber die Oberflächlichkeit nervte ihn gewaltig.

»Halbnackte Girls am Strand?«, lockte Sean.

Jayden griff nach seiner Sporttasche. Er kam gerade erst vom Strand mit jeder Menge halbnackter Girls, die er kaum eines Blickes gewürdigt hatte. »Vergiss es, Alter.«

»Jamaica, Mann? Übernachtung in einem Fünf-Sterne-Luxusresort? Tolle Wellen und Zeit zum Surfen?«

Jayden lehnte sein Surfboard gegen den Wagen. »Erzähl mir mehr.«

Sean lachte. Er wusste, wann er gewonnen hatte. »Zwei Wochen gehen schnell vorbei, Mann. Wird ’ne easy Sache, machst du mit links. So ’ne Art Bachelor-Verkupplungsshow. Ein Typ, zwanzig Girls, und am Ende bleibt eine übrig.«

Das klang genau nach dem Format, das er abgrundtief hasste. Wie konnten Frauen sich nur für so etwas hergeben? Die amerikanischen waren ganz wild darauf, bei solchen Sendungen mitzumachen, aber er hatte gedacht, dass deutsche Frauen anders wären. Aber vielleicht war er schon zu lange aus Deutschland weg, um sie zu verstehen. Nach dem Abitur hatte er eine Ausbildung als Kameramann absolviert, war eine Weile in der Welt herumgereist und hatte danach nur kurz seinen Vater in den Staaten besuchen wollen. Stattdessen war er in den USA hängengeblieben. Dass er die doppelte Staatsbürgerschaft besaß, machte es ihm leicht, dort zu arbeiten. Eine Weile hatte er in New York gelebt, doch das Wetter und die besseren Angebote hatten ihn schnell an die Westküste ziehen lassen.

»Na, was sagst du?«, unterbrach Sean seine Gedanken.

»Ich bin aber nicht der einzige Kameramann bei der Produktion, oder? Wieso suchen sie überhaupt so kurzfristig jemanden, haben die keine eigenen Kamerateams?«

»Sie bringen einen Kameramann aus Deutschland mit. Der zweite hängt wohl noch in einer anderen Produktion fest, und der freie, der einspringen sollte, bekam keine Einreiseerlaubnis.«

Woher auch immer Sean diese Informationen hatte. Wahrscheinlich frei erfunden, um ein bisschen mehr Dramatik in die Situation zu bringen und seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen.

Trotzdem, nur zwei Kameraleute für so eine Show waren wenig. Das klang nach viel Arbeit und Stress. Andererseits konnte er das Geld gut gebrauchen. Die Frauen würden wissen, worauf sie sich einließen. Sie machten solche Sachen, um bekannt zu werden, er, um sich einen größeren Traum zu erfüllen. In einem Jahr würde es hoffentlich niemanden mehr interessieren, dass er bei zweifelhaften Shows mitgewirkt hatte.

»Sie zahlen gut.«

Jayden fuhr sich mit den Fingern durch die sonnengebleichten Locken. »Wie gut?«

Sean nannte einen Betrag, bei dem Jayden seine letzten Bedenken in den Wind schoss. Es war nicht so, dass er für Deutschland schon konkrete Pläne hatte – ob er nun zwei Wochen früher oder später dort ankam, würde keinen Unterschied machen. »Schick mir den Vertrag.«

Maya

Mayas Blick glitt von Jasmins unglücklichem Gesichtsausdruck zu der Gipsschiene an ihrem linken Bein und wieder zurück. »Wie ist das denn passiert?«

»Skifahren mit meinem Lover, Unfall, Lover weg.«

»Und die lange Version?«

»Lautet ähnlich.« Jasmin seufzte. »Victor hat mich zu einem Wochenende auf der Piste eingeladen. So ein junger Kerl, der noch nicht mal versichert war, ist in mich reingefahren. Die Bergrettung hat mich mit dem Helikopter ins Krankenhaus gebracht, und Victor hat sich still und heimlich verdrückt.«

»Wie bist du überhaupt zurückgekommen?«

»Taxi, Flugzeug und nochmal Taxi.«

Maya schüttelte den Kopf. »Du machst echt Sachen.«

»Was tut man nicht alles, um die Aufmerksamkeit eines gutaussehenden Rettungsarztes auf sich zu ziehen«, scherzte Jasmin nicht ganz überzeugend. »Außerdem bin ich jetzt vier Wochen arbeitsunfähig. Was bedeutet, dass ich den ganzen Tag im Bett liegen, Fernsehen schauen und nebenbei mit heißen Typen chatten kann.«

»Jamaica hat sich damit wohl erledigt.«

Jasmin schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. »Diese Schmerzmittel bringen mich ganz durcheinander! Deshalb hatte ich dich überhaupt angerufen. Du musst an meiner Stelle hinfliegen.«

»Kommt nicht in Frage«, sagte Maya automatisch.

»Wieso nicht? Der Platz ist dir sicher, es kostet dich keinen Cent, im Gegenteil, du bekommst sogar eine Aufwandsentschädigung, an der Uni verpasst du kaum was, und das Beste: Du könntest deine Masterarbeit darüber schreiben! Na, was sagst du jetzt?«

Maya sagte erst einmal gar nichts, sondern zählte langsam bis zehn.

Bei sechs brach es aus Jasmin heraus: »Bedank dich einfach bei mir, lauf nach Hause und pack deine Koffer!«

»Jasmin«, sagte Maya langsam und deutlich, anstatt sich zu bedanken, »solange du unter Drogen stehst, werde ich dieses Thema nicht weiter mit dir diskutieren. Und danach erst recht nicht. Die Diskussion ist hiermit beendet.«

»Nein, die fängt gerade erst an! Sei doch endlich mal ein bisschen abenteuerlustig. Was hast du schon zu verlieren?«

Alles, lag es Maya auf der Zunge. Alles, wofür ihre Familie und sie in den letzten Jahren gekämpft hatten. Wenn herauskam, dass sie die Identität von jemand anderem angenommen hatte, sich illegal in ein anderes Land begeben hatte – nicht auszudenken! Der Gedanke an Verhaftung, Gefängnis oder Abschiebung schnürte ihr fast die Kehle zu und verursachte ihr Übelkeit.

Leise sagte sie: »Ich betrüge nicht.«

»Es ist ja eigentlich kein Betrug«, versuchte Jasmin sie zu überreden. »Du tust nur einer Freundin einen Gefallen.«

»Erstens hast du den Platz bekommen, nicht ich. Zweitens sehen wir uns nicht ähnlich genug, als dass ich als du durchgehen könnte. Drittens werde ich den Teufel tun, mich vor einer Kamera zum Affen zu machen und das dann auch noch im Fernsehen verbreiten zu lassen. Sie haben bestimmt eine Ersatzkandidatin auf ihrer Liste, für den Fall, dass jemand ausfällt. Die freut sich bestimmt sehr über diese Chance. Ich nicht. Um ehrlich zu sein, ich kann mir kaum etwas Schlimmeres vorstellen, als bei so einer Show mitzumachen. Ergo: Vergiss es einfach.«

»Erstens, mit Gipsbein nehmen sie mich nicht mit, also würde der Platz sowieso frei. Zweitens, wen interessiert’s? Die Leute, die mich gecastet haben, sind gar nicht vor Ort. Nimm einfach meinen Pass, und keiner wird Fragen stellen. Drittens, eigentlich bist das ja nicht du, sondern ich, die da vor der Kamera ist. Alles, was du anstellst, würde auf mich zurückfallen. Aber ich vertraue dir. Viertens, vergiss die Kameras doch einfach und genieß es. Du kannst dich ja gleich am ersten Abend rauswerfen lassen, dann darfst du den Rest der Zeit im Hotel verbringen. An die, die gleich zu Beginn rausfliegen, erinnert sich doch sowieso keiner mehr. Ergo: Mach es einfach.«

Auf die Idee, sich direkt rauswerfen zu lassen, war Maya gar nicht gekommen. »Ich dachte, du musst dann sofort zurückfliegen? Das sagen sie bei solchen Shows doch immer.«

»Klar, weil das natürlich viel besser wirkt als 'ab sofort wohnst du in einem schicken Hotel, in dem dich keine Kamera belästigt, und kannst den ganzen Tag tun und lassen, was du willst'. Wir fliegen alle zusammen hin und zurück, sie haben die Flüge schon bestätigt.«

Das brachte Maya auf einen ganz anderen Gedanken. »Direktflüge?«

»Warte mal.« Jasmin kramte in einem Stapel Papier. »Nee, über die USA. Ist das ein Problem?«

»Ja, ist es«, antwortete Maya langsam. »Ich war vor zwei Jahren in den USA, da haben sie meine Fingerabdrücke gescannt. Ich kann also nicht mit deinem Pass fliegen.«

»Na, dann nimm deinen eigenen.«

»In Kombination mit einem Ticket, auf dem dein Name steht?« Damit dürfte sie Jasmin den letzten Wind aus den Segeln genommen haben.

»Verdammt, daran habe ich nicht gedacht«, gab Jasmin zu.

Eine Weile schwiegen sie beide. Dann zog Jasmin ihren Laptop zu sich.

»Flüge nach Jamaica sind gar nicht so teuer«, sagte sie nach einer Weile. »Es gibt sogar Direktflüge, zwar nur einmal wöchentlich, aber genau an den richtigen Tagen. Wir müssen uns nur eine gute Ausrede einfallen lassen, warum du nicht mit der Gruppe fliegen kannst.«

Maya hob abwehrend die Hände. »Stopp! Bevor du weiter mein Leben planst und mich ins Gefängnis bringst, darf ich dich daran erinnern, dass meine Mutter mich niemals alleine nach Jamaica fliegen lassen wird?«

»Aber du bist doch nicht alleine, es sind jede Menge Leute da! Die Crew, die anderen Kandidatinnen … Aus denen machst du halt Kommilitoninnen und Probanden und Dozenten und so. Wenn du deiner Mutter erzählst, dass du für deine Masterarbeit nach Jamaica musst, kann sie doch gar nicht Nein sagen.«

»Das braucht sie auch gar nicht, weil ich es schon tue«, antwortete Maya bestimmt. »Nein, nein und nochmals nein. So etwas werde ich niemals machen. Ich bin keine Betrügerin.«

Die Ankunft

Maya

Wie hatte sie sich nur zu dieser verrückten Idee überreden lassen können?

Weil ihre angeblich beste Freundin sie wieder einmal so lange bequatscht hatte, bis sie irgendwann genervt aufgegeben hatte.

Maya legte ihre Hand auf ihren Bauch. Sie hatte Bauchschmerzen. Nicht vom Essen, das die Flugbegleiterinnen serviert hatten, sondern vor Aufregung, Nervosität – und Angst.

Angst zu haben war ein gutes Zeichen, versuchte sie sich einzureden. Es würde sie vorsichtiger machen.

Sie durfte sich keinen Fehler erlauben. Keinen einzigen.

Flüchtig dachte sie an die zwei Handys, die sich in ihrer Tasche befanden. Eines, das mit der Prepaid-SIM-Karte der Nummer, die Jasmin beim Casting angegeben hatte, würde sie höchstwahrscheinlich abgeben müssen. Das zweite, ihr eigenes, musste sie verstecken, so dass es niemand fand, sie aber trotzdem problemlos dran kam. Es würde in den nächsten Tagen ihre einzige Verbindung zu ihrer Familie und Jasmin sein.

Der Plan lautete: sich völlig unauffällig verhalten und gleich am ersten Abend aus der Show rausgewählt werden. Sie würde gar nicht erst in die Girls-Villa einziehen, sondern die gesamten zwei Wochen unbehelligt im Hotel verbringen. Dort könnte sie den anderen Kandidatinnen, die nicht weitergekommen waren, unauffällig Fragen stellen, um Stoff für ihre Masterarbeit zu sammeln.

Sie hatte Bargeld, einen bestätigten Rückflug und wurde am Flughafen von einem Fahrer erwartet, der sie zur Villa bringen würde. In einigen Stunden würde sie dort auf die anderen Kandidatinnen und die Filmcrew treffen.

Jasmin hatte an alles gedacht. Sollte es dennoch irgendwelche Probleme geben, brauchte sie ihre Freundin nur anzurufen. Jasmin würde eine Lösung finden.

Maya lehnte sich in ihrem unbequemen Flugzeugsitz zurück. Trotz aller Vorbereitungen hatte sie immer noch Bauchschmerzen.

Jayden

Die Welle war klein, aber perfekt. Jayden erwischte sie genau im richtigen Moment, ritt sie ein paar Sekunden lang und ließ sich dann von ihr zum Strand treiben.

Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr: kurz nach acht. Zeit, zum Hotel zurückzugehen. Der Bus mit den Kandidatinnen würde gegen Mittag ankommen. Sein Job war es, alle in der Villa zu erwarten.

Die zwei Tage Freizeit vor Drehbeginn, die sein Agent ihm versprochen hatte, waren wie im Fluge vergangen. Vor allem, weil er natürlich trotzdem hatte arbeiten müssen. Aber es war dennoch Zeit geblieben zum Surfen und um die Annehmlichkeiten des Resorts, das sich dem hedonistischen Lebensstil verschrieben hatte, zu genießen.

Ein Teil der deutschen Crew war schon vor ein paar Tagen angekommen. Zusammen erkundeten sie die Girls-Villa, besprachen die geplanten Dates, kümmerten sich um die letzten organisatorischen Feinheiten, stellten sicher, dass Kameras und Mikrofone vor Ort installiert waren und funktionierten. Die Show konnte beginnen.

Das Board locker unter dem Arm, ging Jayden aus dem Wasser. Er hatte sich ein gutes Stück vom Hotel entfernt, weil die Wellen hier besser waren als direkt am Hotelstrand. Um diese Uhrzeit war hier draußen normalerweise niemand.

Nicht so heute Morgen. Ein Stück weiter oben, im Schatten einiger Palmen, stand eine junge Frau und beobachtete ihn. Ihre langen dunklen Haare flatterten im Wind, ansonsten stand sie still wie eine Statue. Sie wirkte zierlich, auch, als er näher kam.

»Hi!«, grüßte er, als er nur noch ein paar Meter von ihr entfernt war.

»Hi«, antwortete sie verhalten. Ihre Augen waren hinter einer überdimensionierten Sonnenbrille versteckt. Obwohl es über zwanzig Grad warm war und im Laufe des Tages noch wärmer werden würde, trug sie Jeans und ein langärmeliges, wenn auch luftiges, Top. Ihre Füße steckten in Sneakers. Sie wirkte anders als die anderen Frauen, die er bisher hier getroffen hatte, die fast ausnahmslos Minikleider oder Shorts und High Heels trugen. Diese Frau schien noch nicht einmal Make-up aufgelegt zu haben.

»Wohnst du hier?«, fragte er auf Englisch.

Sie machte eine unbestimmte Kopfbewegung Richtung Inselinnerem. »Hm.«

Die einzelne Silbe klang dunkel und verführerisch, wenn auch reserviert. Unwillkürlich ertappte Jayden sich dabei, dass er mehr von ihr hören wollte.

»Ich wohne in dem Resort dort drüben.« Er zeigte mit der boardfreien Hand in Richtung der Hotelanlage, die etwa einen Kilometer entfernt lag.

Die Frau nickte, sagte aber nichts.

»Wo kommst du her?«, fragte er, bemüht, die Konversation in Gang zu halten.

»Vom Flughafen.«

Sie schien nichts von sich preisgeben zu wollen. Obwohl das Resort voll gutaussehender Frauen war, die einem Flirt – und mehr – nicht abgeneigt waren, ertappte Jayden sich dabei, dass er enttäuscht war, dass sie nicht mit ihm flirten wollte.

»Tja, man sieht sich«, sagte er.

»Bye«, antwortete die Frau. Ob sie doch Amerikanerin war? Ihren englischen Akzent hatte er nicht einordnen können, aber diese Oberflächlichkeit kannte er nur zu gut. Wobei die Amerikaner dabei meistens übertrieben freundlich waren. Diese Frau hingegen, ach was, dieses Mädchen hatte sehr distanziert gewirkt. Das passte nicht nach Jamaica. Hier waren alle freundlich und schlossen schnell Freundschaft, und auch sexuell kam man sich schnell näher. Karibik eben.