Troublemaker - Avery Flynn - E-Book
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Troublemaker E-Book

Avery Flynn

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Beschreibung

Kann er wirklich lieben oder ist alles nur ein Spiel für ihn?

Unverschämt attraktiv, unanständig reich und in der Regel unwiderstehlich - Hudson Carlyle hat alles und kann jede Frau haben. Doch als er Felicia Hartigan trifft, muss er feststellen, dass sein Charme bei ihr nicht zieht: Sie lässt ihn eiskalt abblitzen! Fasziniert von der widerspenstigen Wissenschaftlerin versucht er, so viel wie möglich über sie herauszufinden, und merkt schnell, dass Felicia schon seit Jahren für einen anderen schwärmt. Er macht ihr ein Angebot, das sie nicht ablehnen kann: Hudson verspricht Felicia Hilfe dabei, den Mann ihrer Träume zu erobern - und tut währenddessen alles, um selbst ihr Herz zu gewinnen. Doch schnell muss er feststellen, dass er das erste Mal in seinem Leben echte Gefühle für eine Frau entwickelt ...

"Ein sexy und wunderbar unterhaltsamer Liebesroman, der jedem, der ihn liest, ein Lächeln ins Gesicht zaubert!" SPICY READS

Band 2 der charmanten und prickelnden HARBOR-CITY-Serie von Bestseller-Autorin Avery Flynn

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Seitenzahl: 390

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

Epilog

Leseprobe

Die Autorin

Die Romane von Avery Flynn bei LYX

Impressum

AVERY FLYNN

Troublemaker

Roman

Ins Deutsche übertragen von Kristiana Dorn-Ruhl

Zu diesem Buch

Hudson Carlyle hat alles: Er ist attraktiv, reich und kann jede Frau haben, die er will. Doch als er auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung die Biologin Felicia Hartigan trifft, muss er eine für ihn ganz neue Erfahrung machen: Obwohl er seinen Charme gekonnt einsetzt und auf Teufel komm raus mit ihr flirtet, lässt die junge Frau ihn einfach abblitzen und zeigt keinerlei Interesse an ihm. Das kann Hudson unmöglich auf sich sitzen lassen! Er versucht, so viel wie möglich über die ungewöhnliche Wissenschaftlerin herauszufinden, die ihn fasziniert wie niemand sonst. Schnell merkt er, dass Felicia schon seit Jahren für einen anderen schwärmt, und ihm kommt eine geniale Idee. Er macht ihr ein Angebot, das sie nicht ablehnen kann: Hudson verspricht ihr Hilfe dabei, den Mann ihrer Träume zu erobern – und tut währenddessen alles, um selbst ihr Herz zu gewinnen. Zu seiner eigenen Überraschung stellt er fest, dass es ihm schon bald nicht mehr darum geht, seinen Ruf als charmanter Eroberer wiederherzustellen, sondern dass er echte Gefühle für die junge Frau entwickelt. Aber kann der Playboy sein Herz verschenken oder ist alles nur ein Spiel für ihn?

Für meine Schwiegereltern (die keine Ahnung haben, dass ich Liebesromane schreibe): Ihr habt einen tollen Sohn großgezogen. Danke!

1. Kapitel

Umgeben von den in Armani und Michael Kors gehüllten oberen Zehntausend von Harbor City konnte Hudson Carlyle die Augen nicht von ihr abwenden.

Obwohl sie Pfennigabsätze trug, reichte sie den anderen Gästen kaum bis zu den Schultern. Ihr langes dunkles Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden, doch ein paar Strähnen hatten sich aus dem leuchtend pinken Gummi gelöst und fielen ihr offen über den Rücken. Und dann das Kleid. Schwarz, formlos und wadenlang, überließ es alles der Fantasie. Sie hätte eine dieser Ameisenkolonien darunter verstecken können, für die diese Benefizveranstaltung des Naturkundemuseums der Stadt Geld sammelte. Es war absolut nichts an ihr, das ein Mann wie er normalerweise anziehend fand, und zwar so, dass er nicht einmal, sondern gleich mehrmals hinsehen musste. Aber genau das tat er. Warum? Er hatte keine Ahnung. Und doch war er von den unglaublich blauen Augen hinter ihrer großen schwarz eingefassten Brille und ihren Wangenknochen so fasziniert, dass er am liebsten sofort zu Leinwand und Pinsel gegriffen hätte.

Ein leises Hüsteln lenkte seine Aufmerksamkeit weg von der geheimnisvollen jungen Frau hin zu seiner Mutter, die seinen gefesselten Blick sofort bemerkt hatte. Mist. Hudson Carlyles Mutter hatte einen siebten Sinn für diese Dinge, und der Ausdruck in ihren stahlgrauen Augen ließ keinen Zweifel zu. So hatte sie seinen älteren Bruder Sawyer immer angesehen, als sie ihn verkuppeln wollte. Jetzt war also er dran. Dieser Blick sagte nichts anderes als: Ich habe das perfekte Opfer für dich gefunden.

Hudson rieb sich den Nacken und versuchte, das Prickeln auf seiner Haut zu ignorieren, um sich stattdessen wieder auf die Cocktailparty zu konzentrieren.

Zum Glück waren da jede Menge wohlhabende Gäste, die Helene Carlyle von ihrer Mission ablenken würden – was immer sie auch vorhatte. Nun ja, das und die Tatsache, dass die Party im Ameisentrakt des Museums stattfand. Das war genauso gruselig, wie es sich anhörte.

Die Wände waren mit zwei Glasscheiben verkleidet, zwischen denen Ameisen zur Schau gestellt waren. Wenn er nicht so ein Familienmensch wäre, hätte er nie im Leben einen Fuß in diesen Raum gesetzt. Lieber hätte er sich in seiner Hütte eingeschlossen, um die Gemälde zu vollenden, die er längst verkauft hatte. Beziehungsweise, die »Hughston« verkauft hatte, einer von Harbor Citys begehrtesten – und geheimnisumwobensten – Künstlern.

Seine Brust verengte sich bei dem Gedanken an all die kleinen Notlügen, die er seiner Familie über die Jahre aufgetischt hatte, um sein Doppelleben zu verschleiern. Sie hielten ihn für einen reichen Playboy, den nur interessierte, wie er das nächste Supermodel ins Bett bekam, und so sollte es auch bleiben.

Dennoch: Wenn seine Familie ihn brauchte, war er zur Stelle, selbst wenn er dazu in einen Raum voller Ungeziefer musste.

»Komm, wir mischen uns unter die Gäste«, verkündete seine Mutter in diesem Tonfall, der keine Widerrede duldete. Sie schob ihren Arm unter seinem Ellbogen hindurch und marschierte los.

Er schüttelte den Kopf. Na, dann von mir aus. Dank seiner Größe konnte er über die Köpfe hinweg beobachten, wie sich die Gästeschar vor ihnen teilte, als würde er die Queen über den roten Teppich geleiten. Manche nickten zum Gruß, andere versuchten, Helene Carlyles Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Seine Mutter bedankte sich mit einem huldvollen Kopfnicken, ließ sich aber nicht aufhalten. Stattdessen steuerte sie auf Hudsons älteren Bruder Sawyer zu, der mit seinem ehemaligen besten Freund Tyler Jacobson zusammenstand, ohne sich jedoch mit ihm zu unterhalten.

»Ich freue mich natürlich, dass du mich zu dieser Benefizgala begleitest«, fuhr Helene fort. »Aber es wäre mir viel lieber, wenn du eine eigene Begleiterin hättest.«

Hudson kräuselte die Lippen zu einem leisen Lächeln und hob spöttisch die Brauen – eine Angewohnheit, die seine Mutter auf die Palme treiben konnte, während sich die heißesten Partygirls der Stadt seufzend ihren Fantasien hingaben. »Pass auf mit dem Wort Begleitung«, warnte er sie. »Sonst kommen die Leute noch auf wilde Ideen, was ich mit meiner freien Zeit anfange.«

Sie zog die Augenbrauen hoch. »Angesichts der Tatsache, dass ich hier fast jeden kenne und alle definitiv wissen, wer ich bin, dürfen wir davon ausgehen, dass niemand meinen Sohn für einen Callboy hält.«

»Man wird doch wohl noch träumen dürfen.« Hudson zuckte lachend die Schultern und blickte seinem Bruder und Tyler entgegen. Die Feindseligkeit zwischen den beiden hatte über die zurückliegenden Monate nachgelassen, trotzdem hatte ihre jahrzehntelange Freundschaft nachhaltig gelitten.

»Auch eine Mutter wird doch wohl noch träumen dürfen«, erklärte Helene mit einem Mitleid heischenden Seufzen, das sie stundenlang geübt haben musste. Sie senkte kurz den Blick, um ihn dann mit unschuldigem Augenaufschlag von unten herauf anzusehen.

»Fang nicht wieder damit an.« Er verlangsamte seine Schritte, als er das vertraute Funkeln in ihren Augen sah. Sie tat so, als würde sie sich von den Masons ablenken lassen, die in trauter Zweisamkeit erschienen, obwohl sie kurz vor der Scheidung standen. Doch er ließ sich nicht täuschen. »Hör auf, mich so anzuschauen. Ich kenne diesen Blick. Genauso hast du meinen Bruder angesehen, bevor du die Operation BringtSawyerunterdieHaube losgetreten hast. Ich bin immun dagegen.«

»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.« Sie drückte seinen Arm, und ein verschlagenes Lächeln spielte um ihren Mund – der fast genauso aussah wie der, der ihn jeden Morgen im Spiegel begrüßte, nur dass ihrer in diesem Moment eher einer Haifischschnauze mit gebleckten Zähnen glich. »Aber du siehst dabei verdammt gut aus.«

»Mutter, das mit dem Charme solltest du besser mir überlassen. An dir wirkt das angsteinflößend.«

Sie tätschelte seine Wange etwas fester als nötig und schüttelte den Kopf. »Trotz deines Charmes wirst du nicht immer bekommen, was du willst. Nicht auf lange Sicht.«

»Keine Sorge. Kurzfristig funktioniert er hervorragend.« Er zwinkerte ihr zu und setzte den Weg fort, um sie auf Sawyer zuzuführen. Er musste sie loswerden, ehe sie sich weiter an dem Thema festbeißen konnte, und sein Bruder war ihm noch einen Gefallen schuldig. »Und auf lange Sicht wird mir mein Bankkonto beste Dienste leisten.«

Helene Carlyle war nicht der Typ Frau, der sein Missfallen durch Schnauben kundtat. Stattdessen ließ sie ein leises Niesen hören.

»Die meisten Leute dürften darauf hereinfallen, Hudson Bartholomew Carlyle«, sagte sie, »aber ich nicht.« Damit richtete sie ihren Blick auf Sawyer und dessen ehemals besten Freund, die sich demonstrativ ignorierten, während Sawyers Frau Clover sich angeregt mit Tyler unterhielt.

Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie sich die junge Frau in dem Sackkleid einen Weg durch die Menge bahnte, und zwar mit dem gleichen Ziel, das auch er ansteuerte. Für einen kurzen Moment wirkte sie beinahe anmutig, doch als sie sich Sawyer und Tyler näherte, stolperte sie über ihre eigenen Füße.

Seine Muskeln spannten sich kurz an, und er wünschte sich, er wäre nahe genug, um sie aufzufangen. Aber Sawyer und Tyler reagierten geistesgegenwärtig und konnten einen Sturz verhindern. Sie sagte etwas zu Tyler und schob ihre schwarze Brille, die beinahe über die Spitze ihrer Stupsnase gerutscht wäre, zurück an ihren Platz. Obwohl sie nur ein paar Meter entfernt stand, konnte er nicht hören, was sie sagte, weil sie so leise sprach. Als Antwort erhielt sie ein schroffes »Kein Problem« und ein nicht minder unhöfliches »Schon okay« von den beiden Männern. Der Vorfall schien Sawyer und Tyler aus ihrer feindseligen Starre zu reißen, und für einen Moment sah es so aus, als würden sie jetzt doch ein Gespräch beginnen. Stattdessen nickten sie der jungen Frau beide einen Gruß zu und strebten dann in entgegengesetzte Richtungen davon, wobei Sawyer seine Frau Clover mit sich zog.

Diese Idioten. Es war vollkommen offensichtlich, dass die beiden ihre Fehde am liebsten beilegen würden, bloß wollte keiner den ersten Schritt tun. Wobei er zugeben musste, dass er Tyler die Schuld an dem Zerwürfnis gab. Schließlich konnte Sawyer nichts dafür, dass Tylers Verlobte splitternackt in seinem Bett gelegen hatte.

Obwohl Sawyer sie weggeschickt hatte, war Tyler nicht davon abzubringen, dass er die Verantwortung trug. Absurd, dieser Stolz.

Hudsons Unmut wuchs zusätzlich, als er die rätselhafte junge Frau betrachtete, die immer noch da stand und Tyler nachsah. Ein Ausdruck von Kummer überschattete ihre Augen und überzog ihre Nasenspitze mit einem leichten Hauch von Rosa. Als Maler hatte Hudson schon sein Leben lang Menschen beobachtet und ihre Geheimnisse zu ergründen versucht, um sie besser porträtieren zu können, und eines wusste er bereits über diese Frau – sie war ganz klar verliebt in Tyler. Die Arme. Sie war definitiv nicht sein Typ. Tyler mochte hochgewachsene Blondinen mit großen Brüsten und scharfem Mundwerk.

»Du musst das klären, Hudson«, bat ihn seine Mutter und lenkte ihn damit – zum zweiten Mal – von der Frau ab.

»Ich?« Er folgte ihrem Blick, der auf Sawyer gerichtet war. »Das ist doch nicht mein Problem.«

»Ich frage mich ernsthaft, warum ich dir nicht regelmäßig die Ohren langziehe.« Ihre Worte klangen streng, doch ihr Tonfall verriet, wie sehr sie ihren Jüngsten liebte. »Er ist dein Bruder, und er braucht deine Hilfe – ich brauche deine Hilfe.«

Er lächelte auf sie herab. »Eine Männerfreundschaft in Ordnung zu bringen ist nicht gerade mein Spezialgebiet.«

»Dinge in Ordnung zu bringen war immer dein Spezialgebiet. Sawyer und Tyler sind ein Stück weit aufeinander zugegangen, aber die Sache ist längst nicht aus der Welt geschafft. Du musst ihnen helfen – natürlich ohne dass sie es merken.«

Als ob das so einfach wäre.

»Meine Güte, Mutter.« Er schüttelte den Kopf, als wüsste er nicht, dass im Grunde sie immer diejenige in der Carlyle-Familie gewesen war, die Dinge in Ordnung gebracht hatte. »Was für eine perfide Idee! Wer hätte das von dir gedacht?«

Diesmal konnte sich Helene ein Schnauben nicht verkneifen. »Wir wissen doch alle, dass du gern deine Mitmenschen manipulierst. Wenn ich mich daran erinnere, wie du Sawyer und Clover zusammengebracht hast.« Ihr Blick blieb an einer Person direkt hinter ihm hängen. »Du hast eine gute Menschenkenntnis. Du hattest schon immer ein Gespür dafür, wie Leute ticken. Die junge Frau dort, zum Beispiel. Was kannst du mir über sie sagen?«

Hudson sah sich kurz um und entdeckte die Frau von vorhin. Sie schmachtete immer noch Tyler an, der inzwischen mit einer großen Blondine sprach, mit einem Blick, als hätte er gerade ihre Katze überfahren. Was konnte er seiner raffinierten Mutter über sie erzählen? Jede Menge. Was konnte er seiner raffinierten Mutter über sie erzählen, ohne preiszugeben, dass er vom ersten Moment an von ihr fasziniert gewesen war? Nicht viel.

Die kleine Brünette hatte etwas an sich, das ihn magisch anzog. Am liebsten hätte er sie sofort auf Leinwand gebannt. Trotzdem konnte er sich einfach nicht erklären, woran das lag, und dieses Detail würde er auf keinen Fall mit seiner kuppelwütigen Mutter teilen.

»Nichts Weltbewegendes, Mom.« Er bemühte sich, auf keinen Fall in ihre Richtung zu sehen. »Vermutlich arbeitet sie hier im Museum. Und ganz offensichtlich steht sie auf Tyler.«

»Das ist mir auch aufgefallen. Sie drückt sich ständig in seiner Nähe herum, traut sich aber nicht, ihn anzusprechen, selbst wenn sie ihm buchstäblich in die Arme fällt.«

Wie immer, wenn sich eine bedeutende Veränderung ankündigte, juckten seine Fingerspitzen. »Warum interessiert dich das eigentlich?«

»Sie hat was, findest du nicht? Ich kann es nicht recht definieren, aber vielleicht ist sie genau das, was Tyler braucht. Du könntest ihr auf die Sprünge helfen. Niemand kann Leute so geschickt für die eigenen Ziele manipulieren wie du. Wenn du sie dazu bringen könntest, Tyler für sich zu gewinnen, könnten Sawyer und Tyler ihr Problem selbst lösen. Er muss nur erst über diese schreckliche Exfreundin hinwegkommen, ehe er wieder offen für etwas Neues ist.«

»Meinst du das im Ernst?« Die Vorstellung, dass seine geheimnisvolle Fremde mit Tyler zusammen sein könnte, hinterließ einen bitteren Geschmack auf seiner Zunge.

»Ich meine, Liebe ist stärker als alles andere.« Sie hatte diesen verschleierten Ausdruck in ihren Augen, und die Fältchen um ihren Mund wurden weicher, wie immer, wenn sie an seinen Vater dachte, der vor ein paar Jahren verstorben war. »Und jetzt zieh los und lass deinen berühmten Versöhnungszauber wirken, damit dein Bruder seinen besten Freund zurückbekommt – anschließend können wir dein Talent vielleicht auch für Carlyle Enterprises nutzen. Es gibt in diesem Laden mehr zu tun, als Kekse aus Mrs Espositos Kantine zu stibitzen. Du weißt schon, dass du ein Eckbüro hast, das allmählich Schimmel ansetzt?«

»Ich habe ein Büro?« Er zwinkerte ihr zu und blickte dann wieder zu Tyler Jacobson.

Hudson neigte lächelnd den Kopf zur Seite, während in seinem Kopf bereits ein Plan entstand – er würde allen seinen Lieben helfen können und gleichzeitig selbst bekommen, was er am liebsten wollte, ohne sein geheimes Leben aufdecken zu müssen. Jawohl. Es würde funktionieren wie ein Zauberspruch.

Felicia Hartigans Leben wäre so viel besser, wenn sie nur zu ihren Honigtopfameisen zurück dürfte. Leider hatte ihr Chef ihr heute Morgen erklärt, dass es dazu nicht kommen würde, solange die gelangweilten Superreichen der Stadt kein Geld für die Abteilung spendeten. Deshalb war sie jetzt hier. Hurra.

»Es hätte schlimmer kommen können«, sagte ihr Forscherkollege Stan Gabrys. Er war groß und dünn, hatte rotes Haar, das langsam schütter zu werden begann, und ließ sich zurzeit ein Knebelbärtchen stehen. Er sah aus, wie man sich einen Zauberer vorstellt. »Einmal mussten wir eine Präsentation machen.«

»Ich liebe es, über meine Ameisen zu reden.« Sie war zwar in der Forschung tätig, aber als Wissenschaftlerin nahm sie gern jede Gelegenheit wahr, um andere in den Genuss ihres Wissens kommen zu lassen.

Stan verzog das Gesicht, und sein Hals über dem silbernen Häkchen seiner Clipkrawatte färbte sich rosa. »Ja, aber wir mussten uns dazu als Ameisen verkleiden.«

Felicia überlegte, wie sie wohl aussah, wenn sie in einem riesigen Ballonkostüm demonstrierte, wie die Honigtopfameise sich mit Futter vollstopfte, bis sie aussah wie ein monströser Kugelfisch, um anschließend die anderen Ameisen der Kolonie zu versorgen, wenn es nicht genug Nahrung gab. Die Vorstellung war sogar noch schlimmer als die Tatsache, dass sie hier in einem neu erstandenen eleganten kleinen Schwarzen herumlaufen musste, statt wie sonst immer in T-Shirt und Jeans (deren Hosensaum sie in die Socken stopfte, wenn sie draußen unterwegs war). Warum sie wohl immer noch Single war? Sie schüttelte innerlich den Kopf, weil sie auch keine Antwort darauf hatte.

»Wer ist denn der Typ, der dort drüben mit deinem reichen Freund spricht?«, wollte Stan wissen.

In ihrem Magen flatterten Schmetterlinge. »Tyler Jacobson?«

Sie besaß nur einen reichen Freund, und bloß seinetwegen war sie hier – und natürlich, weil ihr Chef sie herzitiert hatte. Alle anderen Gäste gehörten entweder zu den besseren Kreisen von Harbor City – und befanden sich somit außerhalb ihrer Reichweite – oder waren Kollegen, also absolut tabu. Ebenso wie sie ihre Ameisenarten nicht vermischte, trennte sie auch Arbeit und Privatleben. Felicia hielt Grenzen für wichtig, eine Grundvoraussetzung für evidenzbasierte Forschung, und war außerdem der Ansicht, dass man nur dann erfolgreich war, wenn man sich stets akribisch an seinen Plan hielt. In diesem speziellen Fall hieß das, dass sie nicht aufgeben würde, bis Tyler Jacobson sie endlich zur Kenntnis nahm. Sollte es wirklich dazu kommen, hätte es sich gelohnt, das Geburtstagsgeld, das ihr ihre Mutter mit der Anmerkung Noch dreißig Tage bis zu deinem Dreißigsten! Geh dich amüsieren! vorab geschickt hatte, in dieses schmeichelhafte schwarze Kleid investiert zu haben.

Stan schüttelte den Kopf. »Nein, den kenne ich. Du hast ihn mir bei einer ähnlichen Veranstaltung vorgestellt. Ich meine den Typ, mit dem er sich unterhält. Der schaut ständig in unsere Richtung.«

Felicia blickte in die Richtung, in die Stans Kopfnicken deutete. Bestimmung von Tierarten war eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen, und so hatte sie auch den Mann, mit dem Tyler sprach, im Handumdrehen ausgewertet und eingeordnet. Er war groß, hatte mittellanges hellbraunes Haar, einen austrainierten Körper mit geschmeidigen Bewegungen und strahlte das lässige Selbstbewusstsein der Superreichen aus. Sein leises Lächeln verriet, dass er fast immer bekam, was er wollte. Sie hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da drehte er sich um, richtete seinen Blick auf sie, und sein eben noch nettes Lächeln nahm einen geradezu unheimlichen Zug an. Als wüsste er nicht nur, welche Unterwäsche sie trug, sondern auch wie er an dieselbe gelangen würde. Er war zu groß, zu gut aussehend und zu sehr von sich überzeugt. Kurzum: Wenn sie ihn wissenschaftlich klassifizieren müsste, käme sie zu einem klaren Ergebnis. Familie: Mann, Gattung: Nichts für mich.

Tyler Jacobson dagegen hatte dunkles Haar, blaue Augen und Grips. Schlau war nicht bloß einfach das neue Sexy. Für Felicia war es überhaupt das einzige Sexy. Mr Testosteron da drüben mit seinem Ich-hab-jeden-Morgen-Sex-zum-Frühstück-Grinsen konnte man ihr auf den Bauch binden.

Sie wandte sich um und zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«

»Jedenfalls kommt er gerade mit diesem Travis auf uns zu«, sagte Stan.

»Tyler«, verbesserte sie ihn und konnte fühlen, wie ihre Wangen heiß wurden. Aus Gewohnheit strich sie ihr Haar zurück und straffte die Schultern, um das Größtmögliche aus ihren ein Meter dreiundfünfzig herauszuholen.

Das war ihre Chance. Das war der Grund, warum sie sich hatte breitschlagen lassen, an diesem Abend genau das Gegenteil von dem zu tun, was sie sonst an Donnerstagen tat, nämlich ein heißes Bad nehmen und dann mit einem Glas Rotwein die neueste Ausgabe des Journal of Myrmecology studieren. Da ihr Geburtstag erst in einem Monat war, hatte sie immer noch Zeit, den Punkt Tyler soll sich in mich verlieben auf ihrer Liste der beruflichen und privaten Ziele abzuhaken. Alle anderen Punkte waren bereits erledigt (das Studium als Jahrgangsbeste abzuschließen, eine erstklassige Stelle in der Forschung zu ergattern, weg aus Waterbury in die Großstadt jenseits des Hafens zu ziehen), und sie brachte grundsätzlich zu Ende, was sie anfing.

In seinem Leben war Hudson noch nie von einer Frau so vollständig ignoriert worden. Frauen beteten ihn an. Er war witzig, charmant und wusste genau, was er mit seiner Zunge anstellen musste, damit Frauen sich vor Entzücken wanden und ihre Augen verdrehten, während sie Gott, dem Schicksal und allem dazwischen dafür dankten, dass er mit diesem Mund geboren war. Außerdem besaß er mehr Geld als so mancher Inselstaat. Schon allein deshalb bekam er in der Regel zumindest einen längeren anerkennenden Blick.

Felicia dagegen – die mit dem schwarzen Sackkleid, dem zerzausten Haar, den edlen Zügen und dem gewissen Etwas, das nur ein Pinsel einfangen konnte – hatte bloß Augen für Tyler. Der wiederum war so damit beschäftigt, alle anderen Frauen auf dieser Party zu beäugen, dass es ihm überhaupt nicht auffiel. Das machte Hudson einerseits wütend, andererseits stachelte es seine Neugier an – wenn das nicht sein Karma war, das ihm zu verstehen gab, auf der Stelle das Weite zu suchen, wusste er es auch nicht.

Ganz im Ernst, er sollte sich jetzt entschuldigen, kurz an der Bar vorbeischauen und sich dann eine der zahlreichen anderen anwesenden Frauen greifen, um mit ihr abzuhauen und sich den Verstand rauben zu lassen. Stattdessen stand er da wie angewurzelt.

Wie sich das Licht in ihren Gesichtszügen brach. Wie sie sich hinter dieser großen Brille versteckte. Das gewisse Etwas, das er nur zu ergründen vermochte, wenn er versuchte, sie auf Leinwand zu bannen. Es juckte ihn in den Fingerspitzen. Er musste sie einfach malen. Es war keine Option, es war reine Notwendigkeit. Gut, dass sie ganz offensichtlich – aus welchen Gründen auch immer – auf Tyler stand und der Mann keine Ahnung davon hatte. Das bedeutete, der Plan, zwei Fliegen mit einer Ameisenforscherin zu erwischen, würde voll und ganz aufgehen.

Während sie fortfuhr, über Honigtopfameisen zu referieren, bedachte sie Tyler mit einem Lächeln, das er gar nicht bemerkte, das aber ihre volle Unterlippe zur Geltung brachte. Es würde nicht einfach werden, die richtigen Acrylfarben zu finden, um den passenden Hautton zu mischen, aber er würde das schaffen. Er würde es tun. Als der andere Typ in ihrer kleinen Vierergruppe (Steve? Stan?) sich mit Tyler ein paar Meter entfernte und die beiden sich in ein Gespräch über das katastrophale letzte Spiel der Harbor City Warriors vertieften, beugte sich Hudson herunter – weit herunter –, um Felicia ins Ohr zu flüstern.

»Sie stehen auf Tyler.« Er wollte nicht unhöflich sein oder sie in Verlegenheit bringen, doch er hatte das Gefühl, dass diese Frau nicht lange um den heißen Brei herumredete. Es war regelrecht erfrischend, einer Frau zur Abwechslung mal zu sagen, was er wirklich dachte. Natürlich würde sie einem Fremden gegenüber erst einmal alles abstreiten. Er musste behutsam vorgehen, wenn er sie dazu bringen wollte, ihm zu helfen. Oder besser gesagt, sich von ihm helfen zu lassen.

Ihre Wangen färbten sich rosa, und sie fing an, mit den Händen zu fuchteln wie Jackson Pollock in einem kreativen Anfall. »Ich weiß nicht, was Sie meinen«, brachte sie schließlich heraus, so leise, dass sie im Gewirr der Stimmen kaum zu verstehen war.

»Ist schon okay. Das bleibt unter uns.« Er schenkte ihr das Lächeln, das ihm bei Mrs Esposito immer ein paar extra Kekse einbrachte. »Sie mögen ihn, aber er hat’s noch nicht bemerkt.«

»Natürlich mag ich ihn«, schnaubte sie. »Wir sind schon seit unserer Kindheit miteinander befreundet. Jedenfalls waren er und mein älterer Bruder Frankie dicke Kumpels.«

Diese zugeknöpfte Ameisenzählerin protestierte eindeutig zu heftig. »Hat er Sie denn irgendwann in dieser langen Geschichte Ihrer Freundschaft mal geküsst?« Wieder errötete sie. Er versuchte, ihren verlockend würzigen Duft aus seinem Kopf zu verbannen, ehe er seine Gedanken in eine ganz andere Richtung lenkte. »Oder sich an Sie gedrückt?« Sie sog ihre pralle Unterlippe zwischen die Zähne. »Oder ist mit seinen Händen unter Ihren …«

»Das reicht«, unterbrach sie ihn mit piepsiger Stimme. »Sind Sie vielleicht vom Single-Geheimdienst?«

Er ließ einen kurzen Moment verstreichen, bis ihre Haut wieder ihren blassen Cremeton angenommen hatte, doch er konnte nicht anders, als weiterzumachen. »Dieser extrem tolle und sexy Typ, der hier vor Ihnen steht, ist in Wahrheit Ihre gute Fee. Sie dürfen ruhig ein bisschen schmachten. Das ist schon okay.«

Ihre Wangenmuskeln hatten größte Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken. »Lass Sie mich raten«, sagte sie leise. »Ihr riesiges Ego kann sich in einen Zauberstab verwandeln?«

»Die meisten Frauen benutzen einen anderen Ausdruck dafür – wobei, riesig kommt immer vor.« Er zwinkerte ihr zu und musste fast laut auflachen, als sie große Augen machte.

Ihre zartgliedrigen Finger griffen nach einem Glas Champagner, das ein Kellner auf einem Tablett vorbeitrug, und sie leerte es in einem Zug. Als sie das leere Glas auf die Theke stellte, zuckten ihre Schultern unter lautlosem Lachen. »Ich kann nicht fassen, dass Sie dieses Gespräch eigentlich angefangen haben, um über jemand anders zu reden, und jetzt halten Sie einen Vortrag über sich selbst.«

»Einen Vortrag würde ich das nicht nennen, eher eine Hypothese, meinen Sie nicht?«

Hudson entdeckte einen Kellner am Ende der Bar, der gerade sein Tablett mit Champagner bestückte, und nickte ihm unauffällig zu. Es machte ihm natürlich großen Spaß, über sein Lieblingsthema zu reden – sich selbst –, doch er musste das Gespräch auf Tyler zurücklenken.

»Aber ich denke, ich brauche meinen Zauberstab nicht, um Ihnen bei Tyler zu helfen.« Er unterdrückte die sofortige Reaktion in seiner Hose und nahm zwei Champagnerflöten von dem Tablett, das ihm entgegengereicht wurde. Eines davon reichte er Felicia. Ob sie es wieder auf Ex trinken würde?

»Glauben Sie das wirklich?« Ohne den Blick von Tyler abzuwenden, nippte sie an ihrem Glas.

»Mit Glauben hat das nichts zu tun. Ich bin einfach gut.« Es war ihr förmlich anzusehen, wie sie in ihrem Superhirn die Chancen abwägte. Dann leerte sie das zweite Glas, als wären sie auf einer Uniparty. Er lächelte. Braves Mädchen. »Hier geht es um Ihr Herz. Sie wollen von Tyler als Frau beachtet werden, und ich kann Ihnen dabei helfen.«

Wenn es um weibliche Reize ging, war er absoluter Experte, schließlich war er zeit seines Lebens kein Kostverächter gewesen.

Felicias Miene erhellte sich mit leiser Belustigung, und zum ersten Mal erhob sie die Stimme. »Bieten Sie mir etwa an, mir einen neuen Look zu verpassen, der mehr zu der patriarchalischen Vorstellung von Schönheit passt?«

»Nein«, erwiderte er und streifte seinen Small-Talk-Charme ab wie eine Schlange ihre Haut. »Ich biete Ihnen an, das zu bekommen, was Sie wollen, und zwar vermutlich schon seit der Zeit, als Tyler sich mit Ihrem Bruder Freddie angefreundet hat.«

»Frankie«, korrigierte sie ihn reflexartig.

»Wie auch immer.« Er zuckte mit den Schultern. Sie zu überzeugen würde nur funktionieren, wenn er an ihren wissenschaftlichen Verstand appellierte. Als sie Tyler und ihm vorhin begeistert von ihrer Ameisenforschung berichtet hatte, war ihm das klar geworden. Sie war von Logik und Leidenschaft gleichermaßen getrieben. »Sie wirken auf mich nicht wie eine Frau, die sofort aufgibt, ohne zumindest ein Experiment gemacht zu haben.«

Für eine Sekunde hatte er sie überzeugt. Das hätte er unter Eid ausgesagt.

Doch dann wurde ihre makellose Unterlippe schmal. »Das bin ich auch nicht. Ich bin aber auch nicht der Typ, der einem Mann etwas vormacht. Danke für das Angebot, aber ich denke, ich habe alles im Griff.«

Kopfschüttelnd schob sie ihr vorwitziges Kinn ein wenig vor und wandte sich zum Gehen, er hielt sie allerdings mit einer schnellen Handbewegung zurück. In dem Moment, als sich seine Finger um ihren Unterarm legten, setzte ein Prickeln ein, das sich zu Schwingungen ausdehnte, die unmittelbar in seinen Schwanz schossen. Eigentlich sollte er loslassen, stattdessen trat er ganz dicht an sie heran. Eigentlich sollte er sie überreden, sich helfen zu lassen, stattdessen malte er sich aus, was er alles gern mit ihr anstellen und was für Laute sie dabei von sich geben würde.

»Wissen Sie, Fünkchen, es stimmt, dass ich ein ziemlich großes Ego habe, aber meinen Ruf habe ich mir hart erarbeitet.« Er musterte ihr Mienenspiel. »Glauben Sie mir, niemand kann Ihnen so gut helfen, Tyler zu gewinnen, wie ich. Sie versuchen es doch schon seit Jahren, oder?« Fasziniert beobachtete er, wie sich ihre Haut wieder rötlich färbte. »Ihre hübschen rosigen Wangen verraten mir alles, was ich wissen muss. Sie wollen ihn, und ich kann dafür sorgen, dass Sie ihn bekommen.«

Natürlich hatte er in Wahrheit nicht die geringste Ahnung, wie er sie mit Tyler zusammenbringen sollte. Sein Instinkt sagte ihm, dass diese Frau viel mehr zu bieten hatte, als man auf den ersten Blick ahnte – und ganz sicher viel mehr, als Tyler verdiente. Ja, er hatte versprochen, dabei zu helfen, dass sich Tyler und sein Bruder wieder verstanden, doch das konnte er auch tun, ohne Felicia mit Mr Ahnungslos zu verkuppeln. Tyler war Sawyers bester Freund gewesen, nicht seiner, und er schuldete dem Kerl, der seinem Bruder die letzten Jahre vermiest hatte, gar nichts. Nein, es gab einen besseren Weg, die beiden zu versöhnen und gleichzeitig Felicia klarzumachen, dass sie mehr verdiente als ihren albernen Kindheitsschwarm. Er würde sie vor sich selbst bewahren. Dann schuldete sie ihm einen Gefallen und würde sich von ihm malen lassen.

»Und was wollen Sie dafür haben?« Ihre Stimme klang jetzt rauer als vorhin.

»Ich möchte Sie malen.« Ihre Brauen berührten für einen kurzen Moment ihren Haaransatz, und er beeilte sich, beruhigend hinzuzufügen: »Niemand wird je davon erfahren.« Das durfte auch kein Mensch, denn sonst würde sein Doppelleben auffliegen.

»Ist das die neueste Anmach-Masche: ›Darf ich Ihnen meine Skizzen zeigen?‹« Sie blickte auf ihren Unterarm, den er immer noch umklammert hielt, machte aber keine Anstalten, sich zu entwinden.

»Also dann, Fünkchen.« Adrenalin rauschte durch seine Adern, und seine Welt schrumpfte zusammen, bis sie nur noch aus ihr bestand. »Wie sieht’s aus?«

Sie hob den Blick zu ihm, und ihre blauen Augen musterten ihn durch die dicken Brillengläser. »Warum nennen Sie mich Fünkchen?«

Die Wahrheit brach aus ihm heraus, ehe er sich eine charmante Lüge ausdenken konnte. »Funken sind winzig und entstehen durch Reibung, aber sie haben die Kraft, alles niederzubrennen.«

Ihre Kiefermuskeln mahlten, und sie setzte an, etwas zu erwidern, schüttelte dann jedoch den Kopf. »Entschuldigen Sie bitte«, sagte sie schließlich mit ruhiger, aber fester Stimme. »Sollten Sie etwas zu besprechen zu haben, das mit Ameisenforschung oder Spenden zu tun hat – was ich mir kaum vorstellen kann –, dürfen Sie mich gern zu den üblichen Geschäftszeiten im Labor aufsuchen.«

Damit wandte sie sich um und durchquerte das Labor, um hinter einer Tür zu verschwinden, auf der »Personal« stand.

Hudson versuchte noch, zu ergründen, was da gerade passiert war, als Tyler – offenbar war das Baseballgespräch beendet – ihn mit breitem Grinsen in die Rippen stupste.

»Ich kenne Felicia schon mein ganzes Leben.« In seiner Stimme schwang Sympathie mit, aber nicht mehr. »Sie ist das jüngste von sieben Kindern, hat sich allerdings nie unterkriegen lassen. Man hält es nicht für möglich, weil sie so schüchtern und streberhaft wirkt, aber ich kann dir nur raten, dich nicht mit ihr anzulegen. Sie wird dir ganz schön in den Hintern treten, mein Lieber.«

Allerdings. Gerade hatte sie ihm einen metaphorischen Tritt in die Eier verpasst. Doch Hudson würde sich davon erholen, so wie immer. Es gehörte zu seinem Naturell.

2. Kapitel

Erst als Felicia am Nachmittag des nächsten Tages wieder in ihrem Ameisenlabor stand, in Jeans und umgeben von ihren Lieblingskreaturen, spürte sie, wie sich allmählich ihre Schultern entspannten. Seit dem Moment, als sie diesem selbsternannten Supercharmeur Hudson Carlyle in die Arme gelaufen war, hatte sie sie gefühlt auf Höhe ihrer Ohren getragen. Dieser Mann und sein sonderbares Angebot, ihr bei Tyler zu helfen, waren ihr unter die Haut gegangen und hatten dort die ganze Nacht über gebrannt wie die Bisse von Feuerameisen.

In ihrem Büroabteil – das kaum größer als eine Schuhschachtel war – nahm sie auf ihrem Stuhl Platz und wartete, bis ihr Computer hochgefahren war. Sie trank gerade einen Schluck Earl Grey aus ihrem Thermosbecher – natürlich mit Ameisenmotiv –, als Eddie Sledge, ihr Chef, an ihren Schreibtisch trat, die Glatze von einer schimmernden Schweißschicht überzogen. Sie spürte, wie sie verkrampfte. Wenn die Kuppel glänzte, verhieß das nie Gutes – meistens gab es dann Ärger von ganz oben.

»Da sind Sie ja, Felicia.« Seine Stimme war ungewöhnlich laut, und sein linkes Auge zuckte komisch, wie immer, wenn er nervös war.

»Was gibt’s?« Was es auch war, es war ihr egal, schließlich hatte sie zu arbeiten. Nicht dass sie so etwas jemals laut sagen würde. Aber sie dachte es in voller Lautstärke.

Eddies linkes Auge zuckte wieder. »Wir haben heute Morgen einen besonderen Gast hier, der sich das Ameisenlabor ansehen möchte und ganz speziell an Ihrer Forschung zu den Honigtopfameisen interessiert ist.«

Die Vorstellung, dass es außer ihr noch jemanden gab, der Honigtopfameisen spannend fand, löste einen Kick bei ihr aus, der jedoch sofort einen Dämpfer erhielt, als sie an den Berg Arbeit dachte, der vor ihr lag. Nicht nur Feldforschung und Sammeln von Daten, nein, sie musste publizieren. Das war in der Wissenschaft generell das A und O. Auf ihrer Liste der Dinge, die sie bis zum dreißigsten Geburtstag abgehakt haben wollte, war zwar nur noch eine Sache offen, doch sie hatte schon längst die Liste für den fünfunddreißigsten aufgesetzt, und dazu gehörte der Punkt: Gutachterin für das JournalofMyrmecology zu werden. Dazu musste sie aber selbst mehrere Fachartikel veröffentlichen, damit der Verlag sie auf dem Schirm hatte, wenn im üblichen Dreijahresturnus neue Leute gesucht wurden. Damit wäre sie einen Schritt näher am wissenschaftlichen Beratergremium des Verlags – Grundvoraussetzung dafür, eines Tages aus dem Labor in die Abteilungsleitung aufzusteigen.

»Ich bin durch die Benefizgala gestern Abend leider mit meinem Artikel für das Journal of Myrmecology in Rückstand geraten.«

»Verstehe.« Eddies Kopf nickte wie ein Wackeldackel. »Aber dieser Gast … nun ja, er könnte für das Labor wirklich hilfreich sein.«

Das konnte bloß eines bedeuten. »Er greift gern tief in die Tasche?«

»Genau. Und Sie wissen ja, die Gelder fließen nicht mehr so wie früher.«

In der Tat. Drittmittel waren immer schwieriger zu bekommen, Spenden versiegten – das Geld für ein hochwertiges Programm wie das Ameisenlabor des Harbor City Natural History Museum zusammenzubekommen war ein Vollzeitjob für Eddie geworden. Das erklärte auch seinen beschleunigten Haarverlust. Wenn sie wirklich eines Tages die Abteilung leiten wollte, würde sie sich der wohlhabenden Elite gegenüber mit ihrer proletarischen Meinung zurückhalten müssen. Da konnte ein bisschen Übung nicht schaden.

Normalerweise war das kein Problem für sie. Der Ausrutscher gestern Abend war ganz klar auf den Champagner zurückzuführen, den sie in einem Zug geleert hatte. Mit einem tiefen Atemzug beschloss sie, diese Chance nicht zu vermasseln.

»Okay.« Sie stellte ihren Thermosbecher neben ihre Botentasche, die mit Notizblättern vollgestopft war. »Wer ist der Typ?«

»Ich«, sagte eine tiefe Stimme unmittelbar hinter der Stellwand ihrer Schreibtischnische.

Felicia erstarrte. Diese Stimme. Die ganze Nacht lang hatte sie in ihren Ohren nachgeklungen. Hudson Carlyle, der ihr anbot, ihr dabei zu helfen, den Mann, den sie immer gewollt hatte, für sich zu gewinnen. Die Schmetterlinge in ihrem Bauch teilten sich in zwei Teams auf – Team Nichts-wie-weg und Team Hurra, während sie sich in Richtung der Stimme umwandte. Er blickte über die Stellwand, über die sie nicht einmal sehen konnte, wenn sie sich auf Zehenspitzen hob, auf sie herab.

»Mr Carlyle«, krächzte Eddie, »ich habe Sie gar nicht kommen hören.«

»Ich habe jahrelang mit einer Ninja-Elitetruppe trainiert«, sagte Hudson mit unbewegter Miene und trat neben Eddie. »Alte Gewohnheiten sind schwer abzulegen.«

In seinen Jeans, die vermutlich mehr kosteten als ihr wöchentlicher Lebensmitteleinkauf, einem dunkelgrünen Kaschmirpullover, mit dem sie ihre Stromrechnung begleichen konnte – der die grünen Sprenkel in seinen braunen Augen zur Geltung brachte –, und seinem hellbraunen Haar, das kunstvoll verwuschelt war, sah er zum Anbeißen aus. Jedenfalls wenn man auf reiche Typen mit zu viel Charme stand, was bei Felicia absolut nicht der Fall war. Breite Schultern, definierte Bauchmuskeln (die konnte man sogar durch den Pulli erahnen) und ein Hintern, der aus einem Pin-up-Kalender zu stammen schien – das war ihr alles egal. Ihr kam es auf die inneren Werte an, nicht auf die sexy Fassade.

Du gibst also zu, dass er sexy ist, Hartigan?

Sie war ja nicht blind, nur klüger als das durchschnittliche Partygirl, das er einmal vernaschte und sofort wieder vergaß. Deshalb durchschaute sie auch sofort, dass das hier nichts weiter als eine lahme Anmache war.

»Ausgerechnet Sie wollen sich über die Honigtopfameisen informieren?« Sie gab sich größte Mühe, ihre Skepsis hinter einer ruhigen, gelassenen Fassade zu verbergen. So wie Eddie die Augen aufriss und seine Glatze regelrecht zu glitzern anfing, war ihr das wohl gründlich misslungen.

Das unwiderstehliche Lächeln auf Hudsons Gesicht ging in einen verführerischen Blick über, während er sie von oben bis unten musterte, auf eine Art und Weise, die Team Hurra in Derwischtänze ausbrechen ließ.

»Honigtopfameisen …« Er machte eine Pause, um das Wort hervorzuheben. »… haben mich schon immer fasziniert.«

Felicia verdrehte innerlich die Augen und bemühte sich, mit ruhiger, fester Stimme zu sprechen. »Es gibt mit Sicherheit jede Menge Stellen, an denen Sie sich darüber informieren können.«

»Aber keine, die mit unserem Naturkundemuseum vergleichbar wäre«, beeilte sich Eddie zu sagen und blickte sie aus verengten Augen an. »Unsere Einrichtung überragt andere Forschungsinstitute um mehrere Thoraxlängen. Das stimmt doch, Dr. Hartigan?«

Felicia unterdrückte ihren Unmut über seine alberne Insektenanalogie und nickte zustimmend. »Zweifellos.«

»Ich freue mich schon darauf, alle Ihre Geheimnisse zu ergründen.« Hudson streckte Eddie die Hand hin, der sie ergriff. »Danke, dass Sie das für mich möglich gemacht haben. Ich bin Ihnen wirklich sehr verbunden. Beim nächsten Meeting der Carlyle Foundation werde ich auf jeden Fall ein gutes Wort für das Labor einlegen.«

Eddie, der hoffnungslose Optimist, schluckte den Köder mitsamt Senkblei und Schnur. Vorausgesetzt, ihr IQ und ihre Beobachtungsgabe, die sie in der Wüste Arizonas beim tagelagen Studieren von Ameisen geschult hatte, ließen sie nicht im Stich, würde sie behaupten, dass Hudson in seinem ganzen Leben noch nie an einem Meeting der familieneigenen Stiftung teilgenommen hatte. An seinen Designerklamotten haftete der deutliche Geruch der Reichen und Gelangweilten. So wie es aussah, würde sie um diese Führung nicht herumkommen.

»Nun ja«, sagte sie und setzte ihr arrogantestes Gelehrtenlächeln auf. Der Gesichtsausdruck ließ sie zwar leicht geisteskrank aussehen, war jedoch bei Nervosität ihr zuverlässigster Schutzmechanismus. »Dann wollen wir Ihren Wissensdrang nicht länger bremsen.«

»Wie schön.« Er trat zur Seite, um sie vorbeizulassen, aber nur so weit, dass ihr der Moschusduft seines Aftershaves in die Nase drang.

Team Hurra in ihrem Bauch ging geschlossen zu Boden, und sie stolperte über ihre eigenen Füße. Hudsons Arm schnellte vor, und er fing sie auf, indem er seine Finger um ihren Ellbogen schloss. Ein kurzes Prickeln schoss durch ihren Körper, das zwischen ihren Beinen leise Vibrationen auslöste.

»Vorsicht«, mahnte er, plötzlich ganz ernst.

Oh nein. Das geht gar nicht. Vom Plan abzuweichen würde unweigerlich in ein Desaster münden, und der Plan drehte sich nun einmal voll und ganz um Tyler Jacobson.

»Danke.« Sie entwand ihren Arm. »Gehen wir.«

»Sie sind die Chefin«, erwiderte Hudson wieder im gewohnt scherzhaften Ton. »Sie sagen, wo es langgeht.«

Ohne auf sein Augenzwinkern und den plötzlichen Anflug von Enttäuschung zu achten, strebte Felicia auf die Vitrinen mit ihrer Ameisenkolonie zu, die das Kernstück ihres Forscherlebens darstellte.

Die Honigtopfameise war ekelhaft.

Hudson wich einen Schritt zurück von der zwanzig auf fünfundzwanzig Zentimeter großen Nahaufnahme. Die Mitte des Tieres war so eingeschnürt, dass es aussah, als hätte jemand einen Ameisenkopf und -beine an eine gelbe Murmel geklebt. Wenn ihm dieser Anblick im echten Leben erspart blieb, würde er als glücklicher Mann sterben.

»Also.« Er wandte sich Felicia zu, deren Gesicht vor Enthusiasmus glühte. Ganz offensichtlich lag ihr ein Detail besonders am Herzen, so ausführlich wie sie darüber dozierte. »Sie entleert sich also, wenn ein anderes Tier der Kolonie hungrig ist, damit das Tier das fressen kann?«

»Wenn es sein muss, ja.«

Dabei sah sie ganz normal aus. Okay, ihre Jeans waren an den Knöcheln mindestens dreimal umgekrempelt und ihr T-Shirt war so weit, dass er – wieder einmal – nicht erahnen konnte, was darunter war, aber nichts an ihr ließ vermuten, dass sich hinter ihren eingeflochtenen Zöpfen eine Königin des schlechten Geschmacks verbarg. Was entging einem wohl noch bei ihr? Da musste mehr dahinterstecken. Niemand verstand sich so gut auf die Kunst der Irreführung wie er. Sie war gut, aber nicht gut genug, um ihn zu täuschen. Fünkchen hatte etwas zu verbergen, und er musste herausfinden, was.

»Und Sie beschäftigen sich freiwillig mit diesen Dingern?« Er setzte seinen Weg fort, um die Vitrine mit der Kolonie zu betrachten. Zum Glück gab es dort keine vergrößerten Exemplare.

»Ich bin sogar nach Arizona gefahren, um Feldforschung zu betreiben. Ich habe Sammelverhalten, Unterhalt des Nestes und Schutzmechanismen untersucht, ehe ich das Nest ausgegraben und die Tiere in eine Forschungseinrichtung gebracht habe.«

Er betrachtete die Kolonie eingehend; sie nahm einen beträchtlichen Teil der Wand ein. »Wie haben Sie denn eine gesamte Ameisenkolonie ausgegraben?«

Ihre blauen Augen strahlten. »Mit einem Bagger.«

Mit dem Rücken zu ihr stellte er sich vor, wie sie in der heißen Wüstensonne stand, schwitzend, in einem fast durchsichtigen Top und Minishorts (schließlich war er auch nur ein Mann), und eine gesamte Kolonie ahnungsloser Ameisen ausbuddelte. Das Bild von ihr in diesen Shorts war äußerst verlockend, doch noch viel spannender fand er die Vorstellung, welche Freude auf ihrem Gesicht lag, wenn sie voll und ganz in ihrem Element war. Es würde verdammt schwer werden, das auf Leinwand zu bannen, aber wenn es ihm gelang, würde er ein wahrhaft bemerkenswertes Bild schaffen – einen echten Hughston.

»Sie sind also wie ein Alien, der auf einem fremden Planeten landet, die Geschöpfe dort studiert und dann ihr Habitat zerstört, ehe er sie mit auf sein Raumschiff nimmt, um sie näher zu untersuchen?«

Ihre schmalen Schultern verspannten sich, und das spitze Kinn in ihrem herzförmigen Gesicht hob sich leicht. »So kann man es auch sehen.«

»Wie sehen Sie es denn?« Es war herrlich, wie leicht sie aus der Reserve zu locken war – obwohl sie so zurückhaltend agierte und sich leicht in Verlegenheit bringen ließ.

»Ich sammle Fakten über Ameisen, damit wir sie und ihre Rolle in unserer Welt besser verstehen. Damit wir sie wertschätzen, statt eine weitere für unser Ökosystem wichtige Art zu gefährden.«

Okay, das klang sogar in seinen Ohren logisch. »Wir sitzen alle im selben Boot.«

»So ist es.« Sie warf ihm einen kritischen Blick zu und verengte die Augen hinter ihren Brillengläsern. »Diese Aussage hätte ich von jemand wie Ihnen nicht erwartet.«

Die Worte hatten kaum ihren süßen Mund verlassen, da bildeten sich an ihrem Hals oberhalb ihres T-Shirt-Ausschnitts rote Flecken und sie schob ihre Brille mit einem zittrigen Finger zurück auf die Nase. Ganz offensichtlich hatte sie das nicht sagen wollen. Am liebsten hätte er sich selbst auf die Schulter geklopft, weil er sie ganz richtig als eine Frau eingeschätzt hatte, die äußerte, was sie dachte. Andererseits war er gekränkt.

Viel zu oft hatte er solche Worte schon gehört: Jemand wie Sie. Im Grunde genommen war es ihm ganz recht, dass man ihm nicht viel Grips zutraute, doch es traf ihn, dieses Urteil aus ihrem Mund zu hören. »Ah, ich verstehe«, sagte er und verkürzte mit zwei großen Schritten den Abstand zwischen ihnen. »Was passt Ihnen denn nicht an mir – meine Spendierhosen oder meine attraktive Erscheinung?«

Die roten Flecken dehnten sich über ihr Kinn auf die Wangen aus. »Ich … ich …«

»Ich möchte Ihnen ein Geheimnis verraten.« Er blieb auf Armlänge entfernt stehen, obwohl er sie am liebsten berührt hätte. »Ich habe mir meinen Reichtum und mein Aussehen nicht ausgesucht. Ich bin mit beidem geboren worden. Aber wissen Sie, was ich außerdem noch habe? Ein voll funktionsfähiges Gehirn.« Scheiße. Mit einem weiteren Schritt war er so nah bei ihr, dass er die seidige Haarsträhne, die ihrem Zopf entwischt war, hinter ihr Ohr streichen konnte. »Ich hätte gedacht, dass eine Forscherin, die an die Macht der Fakten glaubt, erst einmal Beobachtungen anstellt, ehe sie eine Hypothese aufstellt – aber was weiß ich schon?« Er legte die Hand um ihren Hinterkopf, verwob seine Finger mit ihrem Zopf und hielt sie genau so, wie er sie haben wollte. »Ich bin ja nur ein gut aussehender Hohlkopf mit viel Asche.«

Wo kam das denn jetzt her? Normalerweise war er viel cooler – insbesondere wenn er es darauf anlegte, dass andere den Verführer mit dem großspurigen Lächeln in ihm sahen. Was hatte diese Miniaturausgabe einer Ameisenforscherin an sich, dass sie ihn so eiskalt erwischte, und zwar an einer wunden Stelle, von der er gar nichts gewusst hatte. Das war nicht gut. Verdammt. Das war gar nicht gut, aber er konnte nicht einfach darüber hinweggehen – ebenso wenig wie über die Tatsache, dass Felicia Hartigan viel mehr zu bieten hatte, als sie der Welt zu zeigen bereit war.

Seine Worte verhallten zwischen ihnen, während die Ameisen weiter ihrer Beschäftigung nachgingen und sich nicht im Mindesten darum scherten, dass sich die Luft im Museum plötzlich anfühlte wie kurz vor einem Sommersturm – elektrisch aufgeladen und erfüllt von Verheißung. Nur noch wenige Zentimeter trennten seinen Mund von ihrem. Ihre Lippen teilten sich, und die rosige Spitze ihrer Zunge befeuchtete ihre Unterlippe. Am Hals schlug sichtbar ihr Puls, und er konnte seinen Blick nicht von ihrer zarten blassen Haut wenden.

»Kinder, bleibt zusammen«, ließ sich eine fröhliche weibliche Stimme vernehmen. »Immer schön in Zweierreihen.«

Wie in Trance wandten Hudson und Felicia die Köpfe. Eine Kindergartengruppe mit etwa zwanzig Knirpsen in blauen Blazern und karierten Hosen und Röckchen marschierte durch das Labor schnurstracks auf den überlebensgroßen künstlichen Ameisenhaufen zu. Das Pärchen, das sich da hautnah gegenüberstand, nahmen sie gar nicht wahr, dennoch genügte die kurze Ablenkung, um den Bann zu brechen. Als Hudson sich Felicia wieder zuwandte, waren ihre Augen klar, und ihr Puls hatte sich beruhigt. Er verlagerte sein Gewicht, um bequemer zu stehen – seine Hose war jetzt enger als heute Morgen, als er seine Wohnung verlassen hatte.

»Sie haben recht«, sagte Felicia mit fester Stimme und rückte ihre Brille zurecht. Ihre Hände zitterten dabei nicht ein bisschen. »Ich habe mir ein Urteil über Sie gebildet, bevor wir uns überhaupt unterhalten haben.« Sie atmete lange aus und blickte ihm direkt in die Augen. Ihre Wangen waren immer noch ganz rosig. »Das war falsch. Es tut mir leid.«

Ausnahmsweise hatte er keine schlagfertige Antwort parat. In seiner Welt rümpfte man über offene Worte die Nase. Einen Irrtum zugeben? So was kam praktisch nie vor. Er hatte keine Ahnung, wie er reagieren sollte, und so verließ er sich auf das, was er am besten konnte.

»Sagen Sie das nur, weil meine Spende Ihr Labor finanzieren könnte?« Er wählte einen scherzhaft-leichten Ton, konnte aber nicht umhin zu bemerken, dass Felicias aufmerksam-konzentrierte Miene unverändert blieb.

»Nein. Wenn ich mich irre, gebe ich das zu. Ich habe mich getäuscht.« Sie hielt ihm ihre Hand mit den sauberen, kurz geschnittenen Fingernägeln und dem winzigen Honigtopf-Tattoo am Handgelenk hin – immerhin keine Ameise, sondern ein gelbes Gefäß mit der Aufschrift Honey. »Nehmen Sie meine Entschuldigung an?«

Er schloss seine Hand um die ihre, die in seinem Griff verschwand. Und obwohl ihr fester Handschlag nüchtern und professionell war, gab seine Fantasie keine Ruhe. Was verbarg sich wohl unter ihren Schlabberklamotten? Gelbe Unterwäsche, passend zu ihrem Tattoo? Oder trug sie Rosa, passend zu ihren Brustwarzen? Sein Schwanz drückte sich gegen seinen Schenkel. Verdammt. In einem Labor voller Menschen, zumal einem Haufen kleiner Kinder, konnte er sich solche Gedanken einfach nicht erlauben.

»Entschuldigung angenommen.«

Als sie ihn anlächelte, fing sein Schwanz in seiner Hose an zu zucken. Fuuuuck.

Abrupt ließ er ihre Hand los, streckte und dehnte die Finger, um das prickelnde Gefühl loszuwerden, und versuchte, sich zu erinnern, warum er wirklich hier war – statt sich auszumalen, was rein hypothetisch zwischen ihnen passieren könnte. »Also gut, zeigen Sie mir etwas, das nicht so eklig ist, und dann reden wir darüber, wie wir bekommen, was wir beide wollen.«

Sie neigte den Kopf zur Seite. »Und das wäre?«

»Tyler Jacobson natürlich.«