Turrinis Bauch - Franz Friedrich Altmann - E-Book

Turrinis Bauch E-Book

Franz Friedrich Altmann

3,8

Beschreibung

PROVINZJOURNALISTIN GUCKI WURM UND IHR TRINKFESTER HUND TURRINI ERMITTELN WIEDER Gudrun Wurm - für ihre Freunde: Gucki - verlässt nicht ganz freiwillig ihren Schreibtisch bei den Mühlviertler Nachrichten, um endlich einmal ihren Resturlaub zu verbrauchen. Urlaub bedeutet für Gucki Langeweile - da kommt es nur gelegen, dass sie an ihrem letzten Arbeitstag Zeugin eines Mordes wird: Irgendjemand hat der slowakischen Altenpflegerin einen Nordic-Walking-Stock in die Brust gestoßen. Zwischen Rasenmähertraktor-Rennen und Tarockabenden, Zeltfesten und Harley-Davidson-Treffs ermittelt Gucki, stets begleitet von ihrem treuen und trinkfreudigen Hund Turrini. Schließlich beginnt sie sogar ein Praktikum im Altersheim, um sich die Sache genauer anzuschauen. Doch je näher sie dem Mörder rückt, desto mehr schwebt sie selbst in Gefahr. ABENTEUERLICH UND UMWERFEND KOMISCH - Franz Friedrich Altmanns neuer Turrini-Krimi ist einmal mehr EINE GENIALE MISCHUNG AUS SCHRÄGEM HEIMATROMAN UND SPANNENDEM PROVINZ-KRIMI. WEITERE KRIMIS MIT DEM BELIEBTEN ERMITTLERDUO GUCKI WURM UND TURRINI: * Turrinis Jagd * Turrinis Leber

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Titel

Franz Friedrich Altmann

Turrinis Bauch

Kriminalroman

Widmung

Für die (nicht nur) wunderschöne Veronika

I

Stadschauat ist so ein Wort, das man nicht recht übersetzen kann. Auf Hochdeutsch. Weil es dann nicht mehr dasselbe ist. Weil beim Übersetzen das Wesentliche verlorengeht. Sozusagen die Seele von dem Wort. Und was dann überbleibt, hat mit der ursprünglichen Bedeutung genauso wenig zu tun wie eine eiskalt-stocksteife Leich mit einem lebendigen Menschen.

Drum sag ich jetzt absichtlich: „Meingott, sowas von stadschauat, die Gucki!“ Weil es dafür ganz einfach keinen anderen Ausdruck gibt. Die wörtliche Übersetzung kannst du sowieso vergessen: komplett irreführend! Still schauend wär ja was Positives. Sprich: Aufmerksamkeit, Konzentration. Die Gucki aber das genaue Gegenteil: gar keine Aufmerksamkeit, gar keine Konzentration! Schaut praktisch ins Nichts. Ins Narrenkastl, wie es so schön heißt. Und wenn du so schaust, schaust du leider auch ein bisserl deppert drein. Stadschauat halt.

Dass wir uns da aber nicht falsch verstehen: Deppert ist sie wirklich nicht, die Gucki! Erstens ist sie eine Frau Magister, weil sie in Wien unten studiert hat, und zweitens kann sie tarockieren wie der Teufel. Und zumindest beim Tarockieren brauchst du ein Hirn. Beim Studieren bin ich mir da schon nicht mehr so sicher. Weil was heutzutag Doktoren und Magister herumrennen und kein bisserl einen Hausverstand haben – da wird es mit dem Studieren nicht so weit her sein.

Direkt deppert schaut sie ja eh nicht drein, die Gucki. Mehr so geistesabwesend. Praktisch: Geist grundsätzlich vorhanden, derzeit aber gerade abwesend. Ist auch gar nicht notwendig. Weil die Gucki in der Arbeit ist. In der Redaktion der Mühlviertler Nachrichten in Freistadt. Und bei so einer Lokalzeitung wie bei den Mühlviertler Nachrichten – da hat Geist sowieso nichts verloren. So wie du ja auch keinen eleganten Anzug anziehst, wenn du in den Saustall gehst.

Trotzdem – so stadschauat braucht die Gucki auch wieder nicht dreinschauen! Ist ja nicht allein im Büro. Der Turrini ist ja auch noch da. Dem wird ihre Stadschauerei jetzt schön langsam zu dumm. Zwickt er sie halt ein bisserl ins Knie. Und weil sie gar so schön aufschreit, schleckt er ihr gleich auch noch über die Innenseiten von den nackten Oberschenkeln. Weil da ist sie kitzlig, das weiß er.

„Na bumm!“, wird man sich jetzt denken. „Das fangt ja gut an: gleich mit einer sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz!“ Ist aber nicht so, wie es ausschaut. Die Gucki fühlt sich ja gar nicht belästigt, sondern erheitert. Sonst tät sie nicht lachen. Ist dem Turrini sogar dankbar, dass er sie aus ihrem Leichenstarre-ähnlichen Zustand herausgerissen hat. Und außerdem darf der Turrini sowieso zwicken und schlecken, wie er will. Weil er ihr Herzikratzischeißibinki ist. Weil er der Gucki ihr Hund ist.

„Turrini?“, wird man sich jetzt fragen. „Schon ein komischer Name für einen Hund.“ Früher hat so ein Hund halt Hasso geheißen oder Wastl oder von mir aus sogar Rex. Hat man gleich gewusst: aha, ein Hund! Aber heutzutage muss ja so ein Viech unbedingt einen möglichst ausgefallenen Namen haben: praktisch wie ein richtiger Mensch. Gibt es natürlich Missverständnisse noch und nöcher. Wenn – sagen wir einmal – der Fleischhacker von St. Moritz plärrt: „Der Grasser hat schon wieder eine Knacker gestohlen! Ich stech ihn ab, die kriminelle Drecksau!“ Dann weißt du nicht: Sticht er jetzt den früheren Finanzminister ab – oder nur seinen Dobermann?

Der Turrini heißt zwar nicht so nach einem Finanzminister, dafür aber nach einem Theaterdichter. Nach dem Peter Turrini. Schaut aber dem Hund wirklich total ähnlich: ziemlich klein, schon ziemlich grau, ziemlich gut gefüttert. Vor allem aber das G’schau: so treuherzig-traurig, wie wenn das ganze Leben eine todernste Angelegenheit wär. Dabei ist er eh ein ganz ein Lustiger. Da mein ich jetzt natürlich den Hund. Den Dichter kenn ich ja nicht näher. Der wird schon eher traurige Theaterstückeln schreiben. Sonst tät der Gucki ihre Diplomarbeit nicht Sentimentale Motive im dramatischen Werk von Peter Turrini heißen.

Aber was tu ich da lang herum mit dem Peter Turrini? Ist ja komplett wurscht, ob das ein trauriger oder ein lustiger Hund ist! Ich will ja keine Diplomarbeit für die Theaterwissenschaft schreiben, sondern was über die Gucki erzählen: Warum sitzt sie gar so stadschauat in der Redaktion der Mühlviertler Nachrichten herum? Warum sauft sie an diesem Vormittag schon das dritte Flaschl Freistädter Bier? Warum raucht sie eine Gauloises filterlos nach der anderen?

Wo fang ich da jetzt an? Ich kann ja nicht die ganze Lebensgeschichte von der Gucki herunterbeten! Also: Heißen tut sie in Wirklichkeit Magister Gudrun Wurm. Sagt aber keiner. Sagt jeder nur Gucki. Passt einfach zu ihr. Ihr neugieriger Blick aus den großen bernsteinbraunen Augen – das ist ja das Allererste, was dir an ihr auffallt. Außer du bist ein Mann. Dann sticht dir womöglich schon der kecke Busen ins Aug. Mitsamt dem nicht vorhandenen BH. Oder der prachtvolle Arsch. Oder die elendslangen Haxen. Kurzum: mit Abstand das geilste Weib im ganzen Bezirk Freistadt!

Nur darf ich das nicht laut sagen! Weil das die Gucki nämlich gar nicht gern hört. Da sagt sie dann gleich: „Sexistische Drecksau!“ oder auch: „Notgeiler Wichser!“ Je nachdem, wie sie aufgelegt ist. Und dann klescht es auch schon. Weil dass die Gucki nicht nur schlagfertig, sondern auch schlagkräftig ist – von dem haben sich schon etliche Herren überzeugen können. Wobei ihr die meisten nicht einmal richtig bös sind. Weil: Bei einer Strengen Herrin tätest du für so ein Mordstrumm Watschen ein Vermögen hinblattln. Nur: Um eine zweite Watschen hat auch noch keiner gebettelt.

Jessas! Ich bin aber auch ein Depp! Da red ich lang und breit über so Details wie Busen und Arsch daher – und dabei vergess ich doch glatt auf das Wichtigste. Das Auffälligste an der Gucki ist ja nicht, dass sie so eine schöne Frau ist – das Auffälligste ist, dass diese schöne Frau wie ein Mann daherkommt.

Schwarze Jeans, schwarze Lederjacke. Jahr und Tag! Im Winter wie im Sommer! Im Winter mit Rollkragenpullover und Stiefeln, im Sommer mit Leiberl und Sandalen. Ich will ja nicht in der Gucki ihrem Seelenleben herumstierln, aber wenn du dich seit deiner Pubertät zusammenrichtest wie ein Mann, Marke edelhart, dann wird das schon was heißen!

Jetzt aber interessant: Die Gucki kann auch anders, wenn sie will. So zwei Jahre wird das jetzt her sein – da war die Gucki auf einmal nimmer zum Der­kennen. Hat auf einmal Röcke und Blusen, Strümpfe und Stöckelschuhe und sogar einen BH angehabt. Und geschminkt hat sie sich auch, und Parfum hat sie gleich literweis verpritschelt. Einfach zum Anbeißen ist sie da gewesen. Was heißt da anbeißen? Fressen hätt ich sie können!

War aber dann genauso schnell, wie sie gekommen ist, wieder vorbei mit der ganzen Herrlichkeit – besser gesagt: mit der ganzen Weiblichkeit. Seither wieder ausschließlich Männerkleidung in Schwarz. Das Einzige, was geblieben ist, ist das Parfum. Bulgari, wenn es wer genau wissen will. Wenigstens lässt sie sich jetzt die Haare wachsen. Bis vor zwei Jahren Stoppelglatze, jetzt immerhin Kurzhaarfrisur. Wobei Frisur eigentlich irreführend ist. Weil der Gucki ihr blonder Wuschelkopf immer total zerrupft ist.

„Ha!“, wird der eine oder andere jetzt einwerfen. „Und wie kann der Turrini dann die nackten Oberschenkel von der Gucki abschlecken? Wenn sie Jahr und Tag nur Jeans anhat?“

„Sehr brav!“, sag ich da. „Wirklich gut aufgepasst! Das lob ich mir, wenn einer mitdenkt!“

Gibt aber eine watscheneinfache Erklärung. Nämlich: der Gucki ihre Leidenschaft für den Fußball. Heute 1. Juni 2010. Ist gleich: Genau in zehn Tagen fangt die Fußball-Weltmeisterschaft an. Und die wird die Gucki nicht daheim vor dem Fernseher verbringen – sie hat ja gar keinen Fernseher –, sondern gemeinsam mit ihren Nachbarbuben in Mandi’s Saustall.

Der Saustall ist natürlich kein richtiger Saustall, sondern ein kleines Wirtshaus mit einem großen Flachbildschirm-Fernseher. Aber schon so flach, dass dir sogar so ein zaundürrer Skispringer daneben wie eine fette Sau vorkommt. Eh schon höchste Zeit, dass man die Fernsehgeräte ans Fernsehprogramm angepasst hat: so flach, dass es flacher nimmer geht!

Ui-jeh! Ist mir schon wieder was herausgerutscht, was gar nicht da hergehört. Wo waren wir gleich noch? Ah ja: in Mandi’s Saustall. Vor dem Fernseher. Wo die gesamte männliche Bevölkerung aus der näheren Umgebung ihre Sportbegeisterung auslebt. Im Winter Skifahren und Skispringen, im Sommer Fußball und Formel 1.

Bier trinken kann man sowieso im Sommer und im Winter. Tut man natürlich auch. Wirkt sich ja vorteilhaft auf die Sportbegeisterung aus. Weil nach, sagen wir einmal: sieben, acht Bier – da wird dann geplärrt, gegrölt und gepfiffen, dass es nur so eine Freude ist. Und obwohl ich selber noch nie in Wien unten war: Mehr Radau wie der Gucki ihre Nachbarbuben im Saustall werden alle Zuschauer miteinander im Gerhard Hanappi Stadion auch nicht schlagen können.

„Was redet denn der da die ganze Zeit daher?“, wird man sich jetzt fragen. „Was hat denn das Ganze mit der Gucki ihren nackerten Oberschenkeln zu tun?“

„Nur net hudeln!“, sag ich dann. Wenn ich das nicht gescheit erklär, kennt sich womöglich keiner aus. Und dann heißt es zum Schluss noch: Ich verzapf einen Schmarrn! Aber ich erzähl ja das Ganze nicht zur Gaudi. Das muss man einfach wissen, dass die Gucki fest vorhat, dass sie sich die ganze Fußball-WM 2010 hineinzieht. Und zwar in Mandi’s Saustall.

Und weil sie da als einzige Frau unter den ganzen fußballnarrischen Männern eine gute Figur abgeben will, hat sie sich heute Vormittag neu eingekleidet und das neue Gewand aus lauter Vorfreude gleich angelassen. Und jetzt kommt auch schon die Erklärung: warum nackerte Oberschenkel? Nicht weil die Gucki einen Minirock anhat – weil sie eine Fußballdress anhat! Blaue Hose, gelb-grünes Leiberl. Beim Sport Riesinger in Freistadt gekauft. Steht ihr wirklich gut! Was aber heißt blau und gelb-grün? Richtig! Nichts anderes als Brasilien! Was anderes tät für die Gucki nie und nimmer in Frage kommen.

Angefangen hat es damit, dass sie der Opa schon als kleines Mäderl zu jedem LASK-Spiel auf die Gugl mitgenommen hat. Das ist das Fußballstadion in Linz. Und wie sie dann in die Volksschule gekommen ist, hat sie auch schon sämtliche Namen der LASK-Spieler fehlerfrei aufsagen können. Genauso wie die Namen der wichtigsten Jagdflieger der deutschen Wehrmacht. Aber das ist eine andere Geschichte. Das gehört nicht da her, dass der Opa ein bisserl ein alter Nazi war.

Auf jeden Fall hat sie sich dann zum Geburtstag statt einer Puppe immer einen Fußball gewünscht und statt einem Kleiderl eine Fußballdress. Hat sie sowieso gebraucht. Hat ja von April bis Oktober jeden Tag mit dem Opa trainiert und bei jeder Gelegenheit mit den Nachbarbuben auf der Wiesen Fußball gespielt.

Aber: Obwohl sie wahrscheinlich das einzige Kind war, das heraußen gehabt hat, was ein Abseits ist, ist sie auf einmal selber im Abseits gelandet. In der Kreuzschwesternschule. „Damit das Kind nicht verwildert!“, hat die Mama gemeint. Weil in einer reinen Mädchenschule – da ist es dann aus und vorbei gewesen mit der ganzen Fußballherrlichkeit. Da hat sie grad einmal die Wahl gehabt zwischen Ballett und Rhythmischer Sportgymnastik.

Und Verein hat dich damals auch keiner genommen: als Mäderl. War ja noch lang nicht so weit, dass auch die Damen Fußball gespielt hätten. Hat ja nicht einmal der Opa mit seinen ganzen Beziehungen zu den Kriegskameraden geschafft, dass sie bei einem Fußballverein unterkommt. Weil die alten Nazi – die haben es halt mehr mit dem Turnen gehabt.

Hat sich die Gucki also schweren Herzens mit dem Zuschauen begnügen müssen. Einmal in der Woche mit dem Opa auf die Gugl und natürlich sämtliche Fußballspiele im Fernsehen. Und jetzt kommt es auch schon. Hat die Gucki eines schönen Tages die brasilianische Nationalmannschaft spielen gesehen – nein, nicht einfach nur gesehen: mit offenem Mund und offenem Herzen geschaut!

Das, was da die Brasilianer mit dem Ball aufgeführt haben – das war so ganz anders als alles, was sie je vorher auf einem Fußballplatz gesehen hat. Das war nicht Mühe und Plage und harte Arbeit wie bei den anderen Mannschaften – das war Eleganz und Witz und Zauberei! Beim Spiel Brasilien–Spanien bei der WM in Mexiko war das. Am 1. Juni 1986. Genau heute vor vierundzwanzig Jahren! Da war die Gucki vierzehn. Ist sie den Brasilianern verfallen. Mit Haut und Haar! Obwohl sie dann im Viertelfinale ausgeschieden sind. Aber unglücklich. Nach einem Elfmeterschießen gegen Frankreich. Für die Gucki trotzdem die Mannschaft. Bis heute: einmal Brasilien – immer Brasilien!

Und das sollen ihre Nachbarbuben gefälligst zur Kenntnis nehmen. Die alle miteinander für die Deutschen sind. Dass da jetzt kein Missverständnis aufkommt: Natürlich mag bei uns keiner die Deutschen! Die Bayern schon – die sind eh wie mir, aber alle anderen Deutschen können uns gestohlen bleiben! Dieses Zackige, Sture, Humorlose geht unsereinem ganz einfach auf die Nerven. Jetzt aber interessant: So unbeliebt die Deutschen in echt sind, so beliebt ist bei uns der deutsche Fußball. Dabei zeichnet sich der durch genau die gleichen Eigenschaften aus, die wir an den Deutschen so unsympathisch finden: Fleiß, Sturheit, Fantasielosigkeit!

Eigentlich schon ein ziemlicher Widerspruch. Kann ich mir auch nicht erklären. Außer man tät den Mühlviertlern unterstellen, dass sie selber auch ziemlich fleißig, stur und fantasielos sind und sich ihre ganze Gemütlichkeit und ihre ganze Fröhlichkeit nur einbilden. So weit möcht ich aber gar nicht gehen. Ich glaub, dass der deutsche Fußball bei uns nur deswegen so beliebt ist, weil er halt ziemlich erfolgreich ist. Der österreichische Fußball aber leidergottes ganz und gar nicht.

„Alles gut und schön!“, wird jetzt einer einwerfen. „Da erzählt uns der Narr alles Mögliche: über der Gucki ihre Fußballer-Karriere, über ihre Brasilien-Begeisterung und dann auch noch über den deutschen Fußball! Aber die wesentliche Frage hat er noch immer nicht beantwortet: Warum sitzt die Gucki so stadschauat da?“

Das kann ich jetzt nicht einmal abstreiten, dass ich da vielleicht ein bisserl umständlich bin beim Erzählen. Nur: Das richtige Leben ist halt auch einmal nicht so gradlinig. Zumindest nicht so gradlinig wie der deutsche Fußball. Sonst wär es ja genauso fad. Und warum soll ich es denn nicht zugeben? Ich freu mich genauso wie die Gucki, wenn die Brasilianer wieder einmal den Rest der Welt schwindlig spielen. Mir kommt es nicht aufs Tore-Schießen an – mir geht es um die Schönheit des Spiels! Lieber ein bisserl umständlich als gar so durchsichtig und berechenbar!

Und außerdem kommt ja eh schon die Antwort auf die Frage, warum die Gucki gar so stadschauat dasitzt. Weil jetzt die Heiligenbrunner Renate hereinkommt. Die Redaktionssekretärin. In der Gucki ihr Büro. Mit einer Mehlspeise. Mit brennende Kerzerl drauf. Zehn sind es. Die Gucki hat doch nicht Geburtstag! Und zehn Jahre alt ist sie schon gar nicht!

Hat die Gucki nicht die geringste Ahnung, was da gefeiert werden soll. Ist heute vielleicht der zehnte Todestag von der Lady Di oder gar der zehnte Hochzeitstag von der Prinzessin Letizia? Weil die Renate schon ziemlich viel so Frauenzeitschriften verschlingt. Wo es hauptsächlich um Prinzessinnen geht.

„Liebe Gucki!“, fangt die Renate jetzt aber an. Eine richtig eine feierliche Rede. Da hat sie sich wirklich was angetan. „Wie schnell doch die Zeit vergeht!“, heißt der erste Satz. Stimmt halt leider nicht. Weil die Zeit bei der elendslangen Rede von der Renate nicht und nicht vergehen will. Die sparen wir uns jetzt aber eh. Bis auf den letzten Satz: „Also, liebe Gucki: dann auf die nächsten zehn Jahre!“

Bleibt der Gucki nichts anderes über, als dass sie die Kerzerl brav ausblast. Weil es heute wirklich auf den Tag genau zehn Jahre her ist, dass sie bei den Mühlviertler Nachrichten angefangen hat. Am 1. Juni 2000 war das. Hat dabei fast Tränen in den Augen. Aber nicht, weil sie so gerührt ist, dass die Renate dieses Datum nicht vergessen hat – weil sie so erschüttert und entsetzt und angewidert ist, dass sie tatsächlich schon zehn Jahre bei einer letztklassigen Provinzzeitung herumhängt. Und wenn kein Wunder geschieht, wird sie auch noch die nächsten zehn Jahre bei den Mühlviertler Nachrichten versumpern!

Damit ist also auch schon das Rätsel gelöst, warum unsere Gucki vorher so stadschauat herumgesessen ist. Wie sollst du denn sonst dreinschauen, wenn deine Arbeit so interessant ist wie ein Fußballspiel zwischen St. Anton und St. Moritz?

Mit umso größerem Interesse widmet sie sich aber jetzt der Kardinalschnitte. Die Renate ist ja berühmt für ihre Mehlspeisen, aber heute hat sie sich selber übertroffen. Ein flaumiger Doppelpass zwischen Eischaum und Kaffeecreme, mit zartem Biskuit als Schiedsrichter. Trotzdem wird der Gucki schon beim dritten Stück schlecht. Oder ist das womöglich ihr schlechtes Gewissen? Weil sie in letzter Zeit ganz schön fett geworden ist.

Was heißt da in letzter Zeit? Seit sie im Mühlviertel gelandet ist, seit zehn Jahren, wird sie immer fetter und fetter! Und wenn sie noch zehn Jahre bei den Mühlviertler Nachrichten durchdrücken muss, kommt sie locker auf hundert Kilo! Und warum? Weil sie ein Opfer ihres Berufes ist! Ihr Übergewicht praktisch eine Berufskrankheit. Wie das kaputte Kreuz bei einem Tischler, die kaputten Knie bei einem Fliesenleger und die kaputte Nasenscheidewand bei einem Popsänger.

Wenn du mich fragst: Da übertreibt sie schon hübsch, unsere Gucki. Weil wenn deine Lieblingsspeise ein fettes Bratl und dein Lieblingsgetränk Bier ist, besser gesagt: viel Bier, dann brauchst du dich nicht wundern, wenn du im Lauf der Jahre ein bisserl in die Breiten gehst. Und außerdem war sie vorher für meinen Geschmack eh zu dürr. Bevor sie ins Mühlviertel übersiedelt ist. Vor zehn Jahren.

Aber ein bisserl was Wahres ist schon dran an der Gucki ihrer Ausrede. Weil du als Lokaljournalist wirklich ununterbrochen was zum Essen und Trinken angeboten kriegst. Und nicht Nein sagen kannst. Weil sonst die Leute beleidigt sind. Und den Mund nicht mehr aufmachen. Dann kannst du dir deine Geschichte in die Haare schmieren!

Und erst recht, wenn du was über die Politik schreiben willst: Fressen und Saufen absolut Pflicht! Bei uns im Mühlviertel besteht ja die Politik eigentlich nur aus Einweihungen. Da eine Schule, dort ein Feuerwehrzeughaus. Und auch wenn es nur ein Scheißhaus ist: Eingeweiht wird es trotzdem! Kommen also die hohen Herren aus Linz, halten eine Rede, stürzen ein Stamperl Schnaps hinunter und sind wieder weg. Und können sich auf der Fahrt zur nächsten Einweihung im Dienstauto den Rausch ausschlafen, den sie im Lauf des Tages zusammenkriegen.

Als Lokaljournalistin kannst du aber nicht einfach verschwinden. Da kannst du nämlich mit dem Herrn Bürgermeister Bratwürstel fressen und Bier saufen und dich ein bisserl sexuell belästigen lassen. Sonst inseriert die Gemeinde nicht mehr ganzseitig in den Mühlviertler Nachrichten. So schaut es aus!

Und drum wird die Gucki auch bald ausschauen wie – wie ein Nilpferd. Wobei es so ein Nilpferd noch leichter hat, weil es sich nicht in einen Bikini hineinzwängen muss, der an allen Ecken und Enden zwickt. Weil aber der Gucki jetzt das deprimierende Wort Bikinifigur in den Kopf hineingehuscht ist und sich nicht und nicht verscheuchen lässt, fasst sie den unumstößlichen Beschluss, heute noch ein zweites Mal den Sport Riesinger zu beehren. Aber diesmal kauft sie sich ein Radl. Und mit dem fährt sie dann jeden Tag in die Arbeit. Jeden Tag vierzig Kilometer!

Der Turrini braucht ja auch dringend mehr Bewegung. Wie er so dasitzt mit seiner Kaffeecreme-verschmierten Schnauze und treuherzig um ein viertes Stück Kardinalschnitte bettelt, schaut er von der Figur her mehr einem Seehund ähnlich als wie einem richtigen Hund. Höchste Zeit, dass das Nilpferd und der Seehund ein bisserl Sport betreiben! Und wenn sich die Gucki nicht täuscht, hat sie beim Sport Riesinger sogar ein Radl in den brasilianischen Nationalfarben gesehen. Her damit!

„Ich bin dann dahin, Renate!“

„Geht sich doch leicht aus!“

„Was?“

„Nach St. Hans.“

„Wieso St. Hans? Ich fahr heim! St. Anton!“

„Vorher musst du aber noch zum Hunderter nach St. Hans!“

Was tät sie nur ohne die Renate? Die hat doch wirklich alle Termine von der Gucki im Kopf! Sie selber hätte den Hunderter glatt verschwitzt. Dabei steht er brettelbreit in ihrem Kalender: vierzehn Uhr, Bezirksaltenheim St. Johann. Muss sie halt das Radl-Kaufen ein bisserl verschieben und mit dem Auto fahren.

II

Entrisch ist ein Ausdruck, den man an und für sich leicht übersetzen kann. Gespenstisch heißt es auf Hochdeutsch. Heißt aber trotzdem nicht dasselbe!

Weil keiner mehr an Gespenster glaubt. Eh kein Wunder! Seit sie auch bei uns das depperte Halloween eingeführt haben, fallen dir ja beim Wort Gespenster sofort die verzogenen Fratzen ein, denen man endlich einmal Saures geben müsste. Na, die sollen sich nur einmal hertrauen zu mir! Da gibt es dann statt einem Sackerl Zuckerl ein Packl Haustetschen!

Gespenster also nur lachhaft. An ein so die wörtliche Übersetzung von glauben die Leute schon viel eher. Sonst wär ja das Tischerlrücken nicht so beliebt. Im Mühlviertel praktisch Volkssport Nummer zwei. Gleich nach dem Eisstockschießen. Wobei man dazusagen muss, dass das sinnliche Vergnügen Eisstockschießen von den Männern bevorzugt wird, während die Frauen mehr für das übersinnliche Tischerlrücken zum Haben sind.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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