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Hals über Kopf verliebt sich die Studentin Corinna in den sympathischen Draufgänger Sandie, doch es ist eine Liebe ohne Zukunft. Als Corinna feststellt, dass sie ein Kind erwartet, hat sie Sandie bereits aus den Augen verloren.
Einige Jahre später: An der Seite des ehrgeizigen Geschäftsmanns Robert führt Corinna ein ruhiges, harmonisches Familienleben. Da kreuzen sich ihre und Sandies Pfade erneut.
Zu Sandie war das Schicksal weniger freundlich. Der ehemalige Charmeur sitzt seit einem Unfall im Rollstuhl und hat sich zu einem bitteren Zyniker entwickelt, der jeglichen Lebensmut verloren hat.
Als Corinna eine Entscheidung trifft, deren Konsequenzen sie nicht einschätzen kann, gerät ihr Leben komplett aus den Fugen.
Und wieder muss sie sich entscheiden ...Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2016
Gabriele Popma
Umwege zum Glück
Roman
»Umwege zum Glück« erschien erstmals 1996 im Universitas-Verlag, München. Für die Neuauflage wurde der Text gründlich entstaubt und modernisiert, um einige Klischees verringert und dafür um etliche Details bereichert. Was nicht geändert wurde, ist der Zeitrahmen. So beginnt die Handlung in der zweiten Hälfte der 90er Jahre, noch völlig ohne Internet und Handys.
Es war ein wunderschöner warmer Tag Ende Mai. Auf dem winzigen Balkon im dritten Stock des Appartementhauses saßen zwei Mädchen auf bequemen Campingstühlen und ließen sich von der Sonne bräunen. Beide steckten die Nase in ein Buch, die Lektüre unterschied sich jedoch deutlich. Während Astrid einen spannenden Roman las, versuchte Corinna, sich die Anwendung des spanischen Gerundiums einzuprägen. Schließlich legte sie das Lehrbuch zur Seite und nahm einen großen Schluck aus dem Limonadeglas, das neben ihr stand.
»Eigentlich haben wir es doch gut, oder?«
»Hmm.«
»Ich meine, genauso gut könnte ich jetzt in einem überfüllten Studentenwohnheim sitzen und vergeblich versuchen, mich zu konzentrieren, während meine Kommilitonen eine rauschende Fete feiern.«
Astrid sah von ihrem Buch hoch. »Interpretiere ich dich also richtig, dass es dir bei mir gefällt?«
»Ich finde es prima.« Corinna grinste sie an. Astrid war vor fünf Jahren nach München gezogen und hatte nun die jüngere Schwester für die Zeit ihres Studiums bei sich aufgenommen. Seit sieben Monaten wohnten sie zusammen und bisher lief das Experiment hervorragend. Die Großstadt hatte Corinna voll in ihren Bann gezogen und obwohl sie in einem kleinen Dorf aufgewachsen war, wusste sie sich hier gut zu behaupten.
»Prima, ja? Holst du mir dann auch etwas zu trinken?«
»Ja, klar.« Gut gelaunt sprang Corinna hoch. »Was magst du denn?«
»Sieh doch mal nach, ob du noch eine Cola auftreiben kannst.«
Das junge Mädchen trat in die gemeinsame Wohnung. Eigenartig, wie gut sie sich inzwischen mit Astrid verstand. In ihrer Jugend war das ganz anders gewesen, allerdings war das bei einem Altersunterschied von sechs Jahren auch nicht weiter verwunderlich.
»Hier, die Letzte.« Corinna stellte ein großes Glas vor Astrid hin. »Ich fürchte, wir müssen mal wieder unsere Ersparnisse angreifen und einkaufen gehen.«
»Welche Ersparnisse denn?« Astrid gluckste. »Haben wir welche?«
»Nein.« Corinna seufzte. »Wir leben wirklich über unsere Verhältnisse. Zumindest ich.«
»Ach lass nur, Papa kann das schon verkraften. Was willst du denn? Du rauchst nicht, trinkst nicht, hängst nicht in zweifelhaften Lokalen herum, und hungern sollst du ja wohl nicht.«
»Trotzdem. Papa ist so großzügig und nie habe ich am Monatsende noch Geld übrig.«
»Du kommst wenigstens damit aus. Bei mir ist am Ende vom Geld meistens noch furchtbar viel Monat übrig.« Astrid lachte, während Corinna ein Gesicht zog. »Ja, ich weiß, der Witz hat einen Bart, aber ganz ehrlich, ich bin über den monatlichen Mietzuschuss, den mir unser alter Herr für dich zahlt, ziemlich froh.«
»Aha, jetzt kommt es an den Tag. Ich darf nicht hier wohnen, weil ich deine geliebte kleine Schwester bin, sondern weil Papa dir die Hälfte der Miete dafür zahlt.«
»Klar, weshalb sonst?« Astrid blinzelte Corinna vergnügt an, wurde dann jedoch ernst. »Sich die Wohnung mit jemandem zu teilen, bedeutet natürlich eine große Ersparnis, gerade weil hier mitten in München die Preise nicht von Pappe sind. Aber wenn man sich nicht richtig gut versteht, kann das Zusammenwohnen zur Qual werden. Ich muss zugeben, dass ich anfangs Bedenken hatte, als die Eltern vorschlugen, dass du bei mir einziehst. Schau nicht so beleidigt, Corrie. Wie du selbst vorhin festgestellt hast, haben wir es doch ganz gemütlich hier. Und ich finde, wir haben uns recht ordentlich zusammengerauft.«
»Ja, ältere Schwestern werden eben auch manchmal klüger.«
»Nicht frech werden, sonst fliegst du wieder raus.«
»Glaub ich dir nicht.« Corinna hielt ihr Gesicht in die Maisonne. »Das bringst du nicht übers Herz. Ein Studentenwohnheim wäre der reine Horror für mich.«
»Ach was, du würdest dich schnell eingewöhnen. Du bist doch ein verträglicher Typ. Übrigens, hast du dich schon entschieden, ob du heute Abend mitkommst?«
»Zu dieser Party bei deinem Kollegen? Nein, lieber nicht.«
»Warum denn nicht? Du hast doch nichts Besseres vor, oder? Du musst dich endlich mal voll in das Münchener Leben werfen.«
»Aber ich kenne da doch niemanden.«
»Mit dieser Einstellung wirst du das auch nicht ändern. Eine solche Fete ist die beste Gelegenheit, um neue Leute kennenzulernen. Außerdem werde ich mich schon um dich kümmern.«
»Ja, das kenne ich. Spätestens nach drei Minuten bist du der Mittelpunkt einer lachenden Menge, während ich daneben stehe und keine Ahnung habe, was ich sagen soll.«
»Du darfst dich bloß nicht so krampfhaft darum bemühen, geistreich zu sein. Es ist klar, dass dir dann nichts einfallen kann. Du musst dich einfach treiben lassen. Dann kommen die Unterhaltungsthemen ganz von allein.«
Corinna seufzte. Astrid hatte gut reden. Sie hatte eine natürliche Ausstrahlung, die auf andere anziehend wirkte. Sie trug geflickte Jeans mit der gleichen Eleganz wie ihr bestes Abendkleid und um Gesprächsstoff war sie nie verlegen. Sie konnte mit wildfremden Menschen ein Gespräch beginnen und die banalsten Dinge zur interessanten Wissenschaft werden lassen.
Sie war da völlig anders. Sie war keineswegs schüchtern, wenn sie sich auf vertrautem Terrain befand und die Menschen, mit denen sie sprach, kannte. Dann war sie witzig und schlagfertig. Sobald jedoch fremde Leute um sie waren und sie keinen Bezugspunkt fand, verließen sie diese Eigenschaften. Sie fühlte sich dann wie eine kleine graue Maus und war überzeugt davon, dass auch die anderen diesen Eindruck von ihr erhielten. Je nach Laune zog sie sich darauf entweder still in eine Ecke zurück, oder sie versuchte, mit aller Kraft mitzureden, was sie dann meistens gestelzt und gekünstelt wirken ließ. Oft wurde sie als hochmütig bezeichnet, dabei war sie einfach nur unsicher. Und nun wollte Astrid sie mit zu einer Party schleppen, die exakt diese Vorzeichen besaß. Corinna wusste genau, es würde eine Riesenpleite werden, wenn sie mitging, und ihrem Selbstbewusstsein einen erneuten Dämpfer verpassen. Doch Astrids Meinung nach konnte Corinna den Umgang mit anderen Menschen nur lernen, wenn sie mit ihnen zusammen kam.
»Nur Mut, Corrie. So schlimm wird es nicht werden. Es sind nicht nur Leute vom Verlag da, sondern auch ein paar Studenten. Mit denen kannst du dich über die Uni unterhalten oder über die Fächer, die ihr belegt habt. Vielleicht kennst du ja doch einige der Gäste.«
»Ziemlich unwahrscheinlich. Außerdem weiß ich nicht mal, was ich anziehen soll.«
»Wie wäre es mit dem kleinen Schwarzen?« Schalk blitzte in Astrids Augen.
»Du weißt genau, dass ich im Gegensatz zu dir so etwas nicht besitze. Außerdem würde ich absolut lächerlich darin wirken.«
»Ach was, du weißt nur nicht, wie du elegante Kleider tragen sollst. Aber heute Abend ist das gar nicht nötig. Die meisten Gäste werden sowieso in Jeans erscheinen. Und du sollst dir nicht immer Gedanken darüber machen, was die anderen denken. Du musst dir selbst gefallen. Nur das ist wichtig.«
Aber nicht ganz einfach, dachte Corinna. Doch sie sprach es nicht aus. Stattdessen hörte sie zu ihrem Schrecken ihre Stimme, die zu Astrid klar und deutlich sagte: »Gut, wenn dir so viel daran liegt, komme ich halt mit.«
Corinna langweilte sich. Natürlich war es genauso gekommen, wie sie befürchtet hatte. Astrid hatte sie zwar ihren Freunden vorgestellt, aber gleichzeitig die ganze Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Seit einer Stunde sprach sie mit einigen Kolleginnen über die neueste Mode und mit den Männern über Politik. Corinna beneidete ihre Schwester, wie sie es schaffte, über all diese Dinge zu reden, als wäre sie der absolute Insider. Dabei wusste sie, dass Politik Astrid herzlich wenig interessierte, doch niemand sonst schien es zu bemerken.
Corinna hatte bisher nur etwas mit dem Gastgeber geplaudert, einem netten blonden Mann namens Reinhold, der bemüht war, sich um alle Anwesenden persönlich zu kümmern. Sie hatten einige höfliche Floskeln ausgetauscht und er hatte zweimal betont, wie sehr er sich freue, Astrids Schwester kennenzulernen. Bevor er sich wieder anderen Gästen zuwandte, bat er sie noch, sich wie zu Hause zu fühlen.
Doch Corinna war dem Trubel nicht gewachsen. Alle anderen Leute schienen sich untereinander zu kennen. Keiner schien das Mädchen zu bemerken, das sich verzweifelt bemühte, Anschluss zu finden, und zu schüchtern war, um sich einfach in die Menge zu stürzen und so zu tun, als würde sie dazu gehören. Alle, bis auf Einen. Zweimal hatte Corinna schon den Blick eines jungen Mannes aufgefangen, der sie interessiert zu mustern schien. Er war größer als die meisten anderen hier und trotz der frühen Jahreszeit braun gebrannt. Sie fühlte, wie sie unter dem Blick der tiefblauen Augen errötete und wandte sich schnell wieder dem Tisch mit den Getränken zu.
»Darf ich dir etwas einschenken?« Die Stimme hinter ihr klang tief und ungemein sympathisch. Corinna wusste, ohne sich umzudrehen, wer sie angesprochen hatte. Und prompt fühlte sie, wie Geist und Inspiration sie verließen und nur ein leeres Gehirn zurückblieb.
»Ja, gerne«, sagte sie nur und kam sich dabei unwahrscheinlich fade vor.
»Was willst du denn?« Langsam schob sich ein freundlich lächelndes Gesicht so in ihr Blickfeld, dass sie nicht ausweichen konnte.
»Äh, was will ich denn?« Oh Mann, Corinna, stell dich nicht so verdammt blöde an, schalt sie sich heftig. »Am liebsten eine Cola.« Ja, das war schon etwas besser.
»Cola. Jawohl, die Dame, Cola kommt sofort.«
Während sie zusah, wie das braune Getränk in ein Glas floss, legte sich Corinnas Nervosität ein wenig. Als sie es in Empfang nahm, was sie schon so weit, dass sie ihr Gegenüber ebenfalls anlächeln konnte. »Danke.«
»Bist du allein hier?« Sein Blick hatte fast etwas Mitleidiges.
»Ja, das heißt, nein.« Corinna schloss kurz die Augen, um sich zu sammeln, bevor sie sich noch mehr blamierte. »Ich bin mit meiner Schwester hier. Astrid.«
Er zog die Augenbrauen hoch. »Astrid ist deine Schwester? Hätte ich nicht gedacht.«
»Ja, das glaube ich dir. Niemand hält uns für Schwestern. Wir sind sehr unterschiedlich. Nicht nur äußerlich.«
»Du fühlst dich wohl ein bisschen einsam, wie?«
Corinna wollte schon heftig verneinen, da hörte sie Astrid im Kreis ihrer Freunde fröhlich lachen. Das versetzte ihr einen Stich, der sie ehrlicher antworten ließ, als sie eigentlich wollte. »Ja, ein bisschen. Weißt du, ich kenne hier niemanden.«
»Und du findest nicht so leicht Anschluss wie deine großartige Schwester?«
Sie nickte. »Genau. Wie du selbst festgestellt hast, ist sie eben großartig. Im Gegensatz zu mir«, fügte sie mit leichter Bitterkeit hinzu.
Ihr Gesprächspartner musterte sie nachdenklich. »Wie heißt du eigentlich?«
»Corinna. Corinna Stadler. Und du?«
»Alexander. Wegener«, fügte er noch hinzu, wohl, weil Corinna ihm auch ihren Nachnamen genannt hatte. Er musterte sie nachdenklich, dann grinste er frech. »Komm doch mal kurz mit.«
»Wohin?«
»Lass dich überraschen. Ich will dir etwas zeigen. Na komm schon, nicht so schüchtern.«
Er nahm sie einfach bei der Hand und zog sie ins Badezimmer. Sorgfältig schloss er die Tür?
»Und was soll ich hier?« Sie fragte sich kurz, ob ihre neue Bekanntschaft sie hier verführen wollte, aber so wirkte Alexander nicht auf sie.
»Wart’s ab.« Er fasste sie bei den Schultern und drehte sie herum, so dass sie geradewegs in den Spiegel sah. »Was siehst du?«
»Mich.« Corinna hatte keine Ahnung, was er von ihr wollte.
»Nein, so leicht mache ich es dir nicht. Ich fragte nicht, wen du siehst, sondern was.«
Ein merkwürdiges Spiel. Doch Alexander schien einen bestimmten Zweck damit zu verfolgen. Corinna spürte ein leichtes Kribbeln im Bauch. Eigentlich war er genau ihr Typ. Er war mindestens einen halben Kopf größer als sie und sie war schon größer als die meisten Mädchen hier. Als sie wieder in den Spiegel sah, begegneten ihr die klaren, dunkelblauen Augen, die ihr schon vorher aufgefallen waren. Alexander hatte dichte, blonde Haare, die eigentlich mal wieder gekämmt werden mussten, und einen Schnurrbart, der einen leichten Stich ins Rötliche hatte. Seine markanten Gesichtszüge flößten ihr ungewollt Vertrauen ein und sie fragte sich, warum dieser Junge, den sie auf Mitte Zwanzig schätzte, sie angesprochen hatte.
Er merkte, wie sie ihn im Spiegel musterte und trat einen Schritt zurück. »Du sollst nicht mich anschauen, sondern dich«, grinste er. »Also, was siehst du?«
In einem Anflug von Galgenhumor antwortete Corinna ihrer Stimmung entsprechend: »Eine kleine graue Maus.«
»Wirklich?« Alexander drehte sie zu sich um und betrachtete sie, als hätte er sie gerade zum ersten Mal gesehen. »Komisch, ich sehe etwas ganz anderes. Willst du wissen, was?«
Sie nickte beklommen. Was würde jetzt wohl kommen?
Alexander setzte sich auf den Rand der Badewanne und verschränkte die Arme vor der Brust, ohne sie dabei aus den Augen zu lassen. »Ich sehe ein junges Mädchen, vielleicht neunzehn Jahre alt.«
Corinna nickte.
»Ungefähr, na ja, 1,75 groß.«
»1,76.«
»Prima, habe ich doch nicht schlecht geschätzt. Hey, ich glaube, du bist größer als Astrid, kann das sein?«
»Ja, aber nur drei Zentimeter. Das fällt nicht auf.«
»Trotzdem. Das hast du ihr schon mal voraus.« Er sah sie von oben bis unten an. »Das Mädchen, das ich hier sehe, ist ein bisschen schüchtern und sie hält sich für unscheinbar, was sie unsicher macht. Das steht in ihren Augen. Es sind übrigens schöne Augen. Ich mag braune Augen. Die haben so etwas Zärtliches.«
»Du spinnst ja.« Corinna musste lachen. »Außerdem sind sie mehr grün als braun.«
»Sei ruhig. Ich bin noch nicht fertig. Weiterhin sehe ich wundervolle dunkle Haare.« Er stand auf, um eine Strähne durch seine Finger gleiten zu lassen. »Es sind sehr feine und dünne Haare.«
»Viel zu dünn. Man kann nichts damit anfangen, außer sie einfach herunter hängen zu lassen.«
»Viele Mädchen wären froh über so feine Haare, die ganz weich und locker auf die Schultern fallen. Das Mädchen im Spiegel trägt kein Make-up.« Corinna erinnerte sich daran, wie Astrid sie zu Lippenstift und Lidschatten hatte überreden wollen, und überlegte kurz, ob sie hätte nachgeben sollen. Doch Alexander hatte seine Worte anscheinend nicht als Kritik gemeint. »Aber sie hat es auch nicht nötig«, fuhr er fort. »Ihre Augen sind groß und ausdrucksvoll, jede Farbe würde sie verschandeln, und ihre Wangen brauchen kein Rouge, um gesund zu wirken. Das Mädchen hier hat eine schmale, gerade Nase und eine reine, glatte Haut. Jetzt verrate mir, warum sollte sie eine kleine graue Maus sein?«
Corinna blickte überrascht in den Spiegel. So hatte sie sich noch nie betrachtet. Sie war schon immer froh gewesen, dass ihre Haare nicht fetteten und ihre Wangen nicht glänzten. Sie wusste, dass sie ausdrucksstarke Augen hatte. Sie amüsierte sich stets, wenn Astrid mit Kajalstift und Mascara bewaffnet ewig vor dem Spiegel stand, um ihre Augen größer wirken zu lassen. Trotzdem würde sie sich nicht unbedingt hübsch nennen. Fragend sah sie Alexander an.
»Wie du gerade festgestellt hast«, meinte er verschmitzt lächelnd, »hast du alles, was die anderen Mädchen und Frauen da draußen auch haben, vielleicht sogar noch mehr. Warum, um alles in der Welt, versteckst du dich in einer Ecke?«
»Hab ich ja gar nicht. Es ist nur, weil, weil …« Corinna wusste nicht mehr, was sie hatte sagen wollen.
»Du kommst dir aufdringlich vor, wenn du dich einfach zu einer Gruppe dazu stellst?«
Sie nickte kläglich. Dieser Junge schien genau zu wissen, was in ihr vorging.
»Das ist Unsinn. Ich werde es dir beweisen. Pass auf, wir beide gesellen uns jetzt zu dem Grüppchen, das deine Schwester um sich geschart hat. Es dauert keine zwei Minuten, bis du dich großartig unterhältst, wetten? Und wenn du unsicher bist, redest du einfach mit mir, okay?«
»Okay.« Corinna wusste gar nicht, wie ihr geschah. »Wieso tust du das?«
»Was?«
»Na, all das. Ich meine, kein anderer wäre auf so eine verrückte Idee gekommen. Nicht einmal Astrid. Sie wollte mir zwar helfen, neue Leute kennenzulernen, aber sie ist viel zu beschäftigt.«
»Kennst du das Märchen vom hässlichen Entlein?«
»Natürlich, warum?«
»Weißt du, ich dachte mir, ich müsste zu diesem kleinen, niedlichen Entchen gehen und ihm beweisen, dass es ein herrlicher Schwan sein kann, wenn es nur ein bisschen Mut zeigt.«
»Danke, das Entchen merke ich mir. Sind deine Motive wirklich so uneigennützig?«
»Nicht ganz. Aber das erzähle ich dir später mal. Komm, die anderen vermissen uns bestimmt schon.«
»Mich vermisst keiner.«
Er drohte ihr mit dem Zeigefinger. »Du sollst keine solchen Sachen denken, geschweige denn aussprechen. Irgendwann glaubst du es sonst selber noch. Komm jetzt, Schwan, zeige den anderen, wer du bist.«
»Corrie, wo warst du denn so lange?« Astrid winkte ihr aufgeregt zu.
Alexander puffte sie leicht in die Rippen. »Siehst du, man hat dich eben doch vermisst.«
Gemeinsam gesellten sie sich zu Astrid und einigen anderen Gästen.
»Was habt ihr Zwei denn getrieben?«, fragte Astrid und bedachte Alexander mit einem misstrauischen Blick, den dieser lachend quittierte.
»Ich habe nur meine Chance wahrgenommen. Du bist ja viel zu beschäftigt für einen kleinen Flirt.«
»Es muss nur der Richtige kommen.« Astrid sah ihm provokativ in die Augen, doch er reagierte überhaupt nicht darauf. Irritiert wandte sie sich ihrer Schwester zu. »Corrie, ich habe gerade von dem köstlichen Nudelauflauf geschwärmt, den du gestern gemacht hast. Anita hätte gern das Rezept, weißt du es auswendig?«
Bestrebt, etwas zum Haushalt beizutragen, hatte sich Corinna nach ihrem Umzug einige Kochbücher besorgt und überraschte ihre Schwester am Abend ab und zu mit einem Essen. Nun war sie dankbar für den Anstoß, den Astrid ihr gab. Wenn sich ein Thema fand, das ihr lag, brach ihr natürliches Wesen durch, das ihr half, sich rasch Sympathien zu sichern.
Während sie sich mit einigen jungen Frauen über Kochrezepte austauschte, merkte sie, wie Alexander von seinen Freunden weggeschwemmt wurde. Schade eigentlich. Sie wusste immer noch nicht, was sie von diesem Jungen halten sollte. Schleppte sie einfach ins Badezimmer und hielt ihr ein Selbstporträt vor. Corinna lächelte in sich hinein, als sie daran dachte.
Unversehens stand sie mitten in einer Gruppe von Studenten, die sich über ihre Studienfächer unterhielten und verschiedene Universitäten gegeneinander abwägten. Irgendjemand drückte ihr ein Glas Wein in die Hand und durstig nahm sie einen großen Schluck daraus. Fast augenblicklich spürte sie, wie ihr das ungewohnte Getränk zu Kopf stieg. Als später auch noch Schnaps ausgeschenkt wurde, versuchte sie zu passen.
»Komm schon, Corinna, ist doch nur ein winziges Gläschen.«
»Probier ruhig mal, der schmeckt gut.«
Sie ließ sich überreden. Es freute sie, dass sich die Menschen um sie herum so um sie bemühten. Sie begann sich zunehmend wohler zu fühlen und redete freier und auch spontaner.
Nach einer Weile wurde getanzt. Reinhold legte heiße Discorhythmen und pure Schmachtfetzen auf. Bei einem Partnerwechsel fand sich Corinna überraschend in Alexanders Armen wieder. Er lachte sie an, während er sie drehte. Sie fand es wunderbar, mit ihm zu tanzen. Sie versank immer tiefer in diesen blauen Augen und in ihrem Bauch begannen Schmetterlinge zaghaft zu flattern. Der Tanz hätte ewig dauern können, doch viel zu schnell war das Lied beendet. Zur nächsten Runde forderte Reinhold sie auf und auch Alexander fand eine neue Partnerin.
Irgendwann fühlte sie, wie ihre Wangen von der Hitze rot wurden. Sie flüchtete sich ins Badezimmer und besah sich kritisch im Spiegel. Von der freundlichen Beschreibung, die Alexander ihr wenige Stunden zuvor gegeben hatte, war nicht mehr viel übrig. Ihre Haare waren zerzaust, ihr Gesicht gerötet und ihre Augen glänzten unnatürlich.
»Corinna, du hast einen Schwips«, erzählte sie ihrem Spiegelbild. »Ich versichere dir, du wirst dich morgen mit furchtbarem Kopfweh plagen müssen, wenn du dich nicht zusammenreißt.«
Sie kicherte. Sie wusste genau, dass sie nicht auf ihre Ermahnung hören würde. Heute war es ihr egal, was morgen sein würde, und heute gefiel es ihr, einen kleinen Schwips zu haben. Sie fuhr sich mit dem Kamm durch die Haare und spritzte sich eine Handvoll Wasser ins Gesicht, um frischer zu wirken.
In diesem Moment kam Astrid zur Tür herein. Auch sie sah verschwitzt und keineswegs mehr nüchtern aus.
»Lass das Wasser laufen, Corrie«, stöhnte sie. »Es ist ja furchtbar heiß hier.«
»Ich glaube eher, das ist der Alkohol.«
»Und die Leute. Ich wusste gar nicht, dass Reinhold so viele eingeladen hatte. Aber es macht dir doch jetzt auch Spaß, oder?«
»Ja, schon. Es ist richtig nett.«
»Was hattest du eigentlich mit Alex hier im Badezimmer zu suchen?«
»Wir haben uns unterhalten.«
»Ach ja? Nur unterhalten? Geht man dafür ins Bad?«
»Natürlich.« Verblüfft sah Corinna ihre Schwester an. »Was glaubst du denn?«
»Entschuldige. Ich dachte nur …«
»Was dachtest du?« Corinnas Stimme war schärfer, als sie beabsichtigt hatte.
»Ach, vielleicht tue ich Alex unrecht, ich kenne ihn nur flüchtig. Nur, er ist meiner Meinung nach nicht der Typ, der es bei einer Unterhaltung belässt.«
»So, das meinst du?« Corinna sah in den Spiegel und erinnerte sich an Alexanders Worte. »Ich sage dir, du täuschst dich. Er ist einfach nett. Außerdem gehören zu deinen schmutzigen Gedanken zwei Personen.«
»Ich rate dir nur, vorsichtig zu sein.« Astrid legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Ich habe schließlich eine gewisse Verantwortung für dich.«
»Wirklich? Ich dachte, ich wäre volljährig.«
»Ach Corrie, du weißt doch, was ich meine.«
»Ja. Es ist auch lieb von dir, dass du dir über mich Gedanken machst, aber das ist nicht nötig. Ich weiß schon, was ich tue.«
Als Corinna auf ihre Uhr sah, stellte sie fest, dass es schon nach zwei war. Sie sah sich um. Die Gästereihe hatte sich bereits ziemlich gelichtet. Astrid saß mit einem Glas Cognac in der Hand auf der Couch und erzählte dem Gastgeber Reinhold die Geschichte ihres Lebens. Corinna war müde. Sie wäre gerne nach Hause gegangen, wollte ihre Schwester aber nicht allein lassen. Die interessanten Gespräche waren mit zunehmendem Alkoholgenuss immer weniger geworden und hatten sich teilweise in nichtssagendes Geschwätz verwandelt, dem sie nicht zuhören wollte.
Sie stand gerade vor dem kalten Buffet und wunderte sich, wie schnell sich appetitlich angerichtetes Essen in einen Abfallhaufen verwandeln konnte, als jemand ihr auf die Schulter tippte.
»Hallo, junger Schwan«, sagte die dunkle Stimme hinter ihr.
»Hallo.« Überrascht drehte sie sich zu Alexander um. »Ich dachte, du wärst schon längst weg.«
»Ich weiß, ich habe dich sträflich vernachlässigt. Verzeihst du mir?«
»Warum denn? Du schuldest mir doch nichts.«
»Aber ich wollte mich ein bisschen um meinen frisch geschlüpften Schwan kümmern.«
»Um das hässliche Entlein, meinst du wohl.«
Er hob mit einem Finger ihr Kinn hoch, so dass sie ihn ansehen musste. »Hässlich habe ich nie gesagt. Abgesehen davon hattest du meine Hilfe gar nicht mehr nötig. Möchtest du ein Stück mit mir spazieren gehen?«
»Jetzt? Mitten in der Nacht?«
»Warum nicht? Die Luft ist hier so stickig und verqualmt, ich muss einfach raus. Und geboten wird hier sowieso nichts mehr.«
»Wir können doch nicht mitten in der Nacht …«
»Natürlich können wir. Der Englische Garten ist nur ein Katzensprung von hier.« Alexander sah Corinna ironisch an. »Hast du Bedenken wegen der Dunkelheit oder wegen mir?«
»Eher, dass ich von der frischen Luft umfalle.« Sie strich über ihre heißen Wangen. »Aber etwas Bewegung wäre jetzt wirklich schön. Ich sage nur schnell Astrid Bescheid.«
»Gut, ich warte draußen auf dich.«
Astrid erzählte Reinhold gerade glucksend die überwältigende Story, wie sie einmal die Schule geschwänzt hatte, und hörte kaum darauf, was Corinna sagte. »Viel Vergnügen«, murmelte sie nur und beachtete sie nicht weiter.
Corinna nickte. Wenn Astrid ihrer sogenannten Verantwortung nicht mit Ermahnungen nachkommen wollte, war es ihr recht. Sie wühlte ihre Jacke aus einem Haufen unter der Garderobe und trat ins Freie, wo Alexander auf sie wartete.
Sie sprachen nicht viel, als sie durch den Englischen Garten liefen. Corinna war zu müde, um zu reden, und sie vermutete, dass es ihrer neuen Bekanntschaft ähnlich ging. Die frische Luft hatte sie im ersten Moment tatsächlich etwas schwindelig gemacht, doch Alexander hatte sie festgehalten, bis sie nicht mehr schwankte. Die Berührung hatte ihr gefallen, doch zu ihrer Enttäuschung hatte er sie sofort wieder losgelassen. Sie hätte nichts dagegen gehabt, wenn er den Arm um ihre Schultern gelassen hätte.
Obwohl es sternenklar war, war es nicht kalt, fand sie. Wobei vielleicht auch die drei Cognacs eine Rolle spielten, die sie getrunken hatte. Sie war dankbar, dass der laue Wind ihren Kopf wieder klar blies. Sie wollte vor Alexander nicht den Eindruck erwecken, dass sie betrunken war. Von der Seite her schielte sie ihn an. Sie mochte ihn. Sehr sogar. Insgeheim überlegte sie bereits, wie sie es anstellen konnte, dass sie sich wiedersehen würden. Sie war so in Gedanken versunken, dass sie nicht auf den Weg achtete und stolperte.
Sofort fasste Alexander sie stützend am Arm. »Magst du dich ein bisschen ausruhen?«
»Ja, ich würde mich gern kurz hinsetzen.«
»Da hinten steht eine Bank. Schaffst du es bis dahin?«
»Ja, ich denke schon.« Corinna lächelte. »Tu nicht so, als wärst du nicht auch müde.« Sie ließ sich neben ihm auf die Parkbank sinken und schloss kurz die Augen. Es war so friedlich und ruhig hier mitten in der Nacht. Niemals hätte sie gedacht, dass sie um drei Uhr morgens mit einem Jungen im Englischen Garten sitzen und die Sterne betrachten würde. Sie fühlte sich wohl in Alexanders Gesellschaft. Auch er schwieg, als wolle er den besonderen Moment zwischen ihnen nicht zerstören. Ihr Herz begann schneller zu schlagen, als sie ihn ansah. Es grenzte für sie an ein Wunder, dass er sich unter den zehn anwesenden Mädchen ausgerechnet sie ausgesucht hatte. Vielleicht konnte sie ja, konnte sie … Ach, wenn sie doch nicht so müde gewesen wäre.
Langsam öffnete Corinna die Augen. War sie tatsächlich eingeschlafen? Sie merkte, dass ihr Kopf an Alexanders Schulter lag. Mit einem Ruck fuhr sie hoch.
Er lächelte sie an. »Warum erschrickst du denn so?«
»Wie spät ist es?«
»Kurz nach vier.«
»Dann habe ich fast eine Stunde geschlafen. Habe ich mich die ganze Zeit so an dich gelehnt?«
»Ja, aber das macht nichts.« Er streckte sich und rollte mit den Schultern. »Außer, dass ich jetzt ein bisschen lahm bin.«
»Tut mir leid.«
»Muss es nicht. Wer hält nicht gern einen Schwan in den Armen?«
»Lach mich nicht aus, ja?«
»Nein, bestimmt nicht.« Er strich über ihren Arm. »Willst du heimgehen?«
»Eigentlich habe ich überhaupt keine Lust dazu. Es ist so gemütlich hier. Lass uns noch ein paar Minuten bleiben. Du, darf ich denn auch Alex zu dir sagen?«
Er verzog das Gesicht. »Wenn du willst.«
»Gefällt dir der Name nicht?«
»Nicht wirklich. Das x am Schluss hört sich immer an wie ein Knacksen.«
»Wie soll ich dich dann nennen? Ich will dich nicht bei einem Namen rufen, der dir nicht gefällt. Und Alexander ist viel zu erhaben für dich. Das passt nicht.«
Er lachte. »Meinst du?«
»Vielleicht in zwanzig Jahren. Aber nicht jetzt.«
»Dann hast du ein Problem. Denn eine andere Abkürzung wirst du aus meinem Namen nicht herleiten können und einen Spitznamen habe ich nicht. Obwohl«, er zögerte und lachte leise. »Meine erste große Liebe nannte mich Sandie.«
»Große Liebe?«
»Ja, meine Cousine. Sie war damals zwanzig und ich gerade neun.«
»Hervorragende Voraussetzungen.«
»Ja, nicht wahr? Ich sah sie nur sehr selten, war aber bis über beide Ohren in sie verknallt.«
Corinna lächelte. »Sandie. Das gefällt mir. Gibt es nicht eine uralte Fernsehserie, in der ein Sandie vorkam?«
»Ja, Flipper. Aber ich habe keinen Delfin.« Er legte seinen Arm um ihre Schultern. »Nur einen Schwan.«
»Hör auf damit. Ich bin kein Schwan.«
»Ich finde schon.« Er sah in den Himmel. »Ich sollte dich zurückbringen. Es wird schon bald wieder hell. Astrid reißt mir sowieso den Kopf ab, weil ich dich entführt habe.«
»Glaube ich nicht. Sie hat nicht mal mitgekriegt, dass ich gegangen bin.« Corinna rappelte sich auf. Sie war enttäuscht, dass Alexander, oder Sandie, wie sie ihn nennen wollte, während der ganzen Zeit nicht einmal den Versuch unternommen hatte, sie zu küssen oder ihr irgendwie näher zu kommen. Er gefiel ihr immer besser. Es wäre doch gelacht, wenn sie auseinandergehen würden wie Fremde.
Schüchtern schob sie während des Heimwegs ihre Hand in seine. Er lächelte spöttisch auf sie herunter, machte aber keine Anstalten, den Kontakt zu unterbrechen.
Als sie bei Reinholds Wohnung angelangt waren, stellten sie fest, dass die Haustür verschlossen und alle Lichter gelöscht waren.
»Ich schätze, die Party ist vorbei«, stellte Alexander etwas ratlos fest.
»Ich kann nicht glauben, dass Astrid ohne mich gegangen ist.«
»Vielleicht dachte sie, du bist schon daheim. Das Problem ist, wie kommst du jetzt dort hin?«
»Mit der S-Bahn. So sind wir auch gekommen. Astrid wollte nicht mit dem Auto fahren.«
»Vernünftig. Also gehen wir zur S-Bahn-Station. Ich begleite dich.«
»Musst du nicht.«
»Doch. Ich lasse dich nicht in der Nacht allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren.«
Corinna nickte. Trotz ihres Protestes war sie dankbar, dass ihr neuer Freund sie jetzt nicht allein ließ.
Sie hatten Glück und mussten nicht allzu lange auf die nächste Bahn warten. Corinna war hin- und hergerissen zwischen der Sehnsucht nach ihrem Bett und dem Wunsch, mehr Zeit mit ihm zu verbringen. Schließlich siegte die Müdigkeit über alles andere und am Ende schlurfte sie nur noch neben ihm her. Inzwischen dämmerte es bereits und in den Bäumen begannen vereinzelte Vögel ein fröhliches Morgengezwitscher.
»Wie lange bist du am Montag in der Uni?«, fragte Alexander unvermittelt.
»Montag?« Sie sah auf. »Das ist mein langer Tag. Da bin ich erst um fünf Uhr fertig.«
»Gehst du dann mit mir essen? Ich lade dich ein.«
»Kannst du dir das denn leisten?«
»Nichts Vornehmes. Ich dachte eher an Pizza.«
»Ich liebe Pizza.«
»Also abgemacht. Ich hole dich um fünf bei der Uni ab. Was studierst du eigentlich?«
»Sprachen. Englisch, Französisch und Spanisch. Und du?«
»Informatik. Ich muss allerdings gestehen, dass ich in letzter Zeit nicht viel von den Vorlesungen mitbekommen habe. Das sollte ich bald mal wieder ändern.«
»Solltest du. So, hier wohne ich.«
»Hier?« Er ließ den Blick die Fassade hochwandern.
»Ja, im dritten Stock. Ist nicht so übel. Wir haben sogar Balkon.«
»Wir? Meinst du Astrid?«
»Es ist ihr Appartement. Ich residiere hier nur für die Dauer meines Studiums. Unser Vater zahlt ihr dafür die Hälfte der Miete.«
»Studiert sie denn nicht?«
»Nein, sie arbeitet seit einem Jahr als Sekretärin in einem Verlag.«
»Dann ist sie eine Kollegin von Reinhold?«
»Ich glaube schon. Woher kennst du sie eigentlich?«
»Wir haben uns auf der Fete einer gemeinsamen Freundin getroffen, aber das ist schon eine ganze Weile her. Was willst du denn mal werden?«
»Mein Traum wäre Simultandolmetscherin.«
»Auweia, da sehe ich eine Menge fremder Menschen auf dich zukommen.«
»Stimmt«, erwiderte Corinna gut gelaunt. »Aber für die muss ich ja nur übersetzen und brauche keine großartige Unterhaltung aufzuziehen, wenn ich nicht will.« Sie fröstelte plötzlich.
»Geh rein, du frierst.« Alexander schob sie zur Tür.
»Bis Montag dann?«
»Ja, bis Montag.« Er wandte sich zum Gehen.
»He, Sandie?«
Mit einem überraschten Gesichtsausdruck drehte er sich um, als er den Spitznamen seiner Kindheit hörte. »Echt jetzt?«
Corinna grinste schelmisch. »Ich wollte nur testen, ob du auf diesen Namen noch reagierst. Dann würde ich dich nämlich gern so nennen. Das heißt, wenn es dir nichts ausmacht.«
»Ich glaube, das würde mir gefallen.« Er kam zu ihr und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. Dann drehte er sich um und hastete im Laufschritt davon.
Mit brummendem Kopf wachte Corinna auf. Sie seufzte und sah zur Uhr. Fast Mittag. Nebenan hörte sie Wasser rauschen. Astrid war also auch schon wach und stand gerade unter der Dusche.
Sie drehte sich auf den Rücken, verschränkte die Hände hinter dem Nacken und dachte an die letzte Nacht zurück. Vor allem an den Jungen, den sie kennengelernt hatte. Sandie. Das passte so viel besser zu ihm als Alexander. Sie lächelte. Sie würde vermutlich die Einzige sein, die ihn so nannte, somit waren Missverständnisse vorprogrammiert. Aber das störte sie nicht. Der Name war wie ein geheimer Code, etwas, das nur sie Beide miteinander verband. Ein warmes Gefühl durchrieselte sie. Er hatte wirklich einen großen Eindruck auf sie gemacht. Abgesehen davon hatte sie sich noch nie so gut bei einer Party amüsiert. Sie war überzeugt, dass sie das nur Sandies Initiative zu verdanken hatte. Sie wusste nicht genau, woran sie mit ihm war. Es war nett, wie er sich um sie gekümmert hatte, doch was bezweckte er damit? Bis auf den Vorschlag, spazieren zu gehen, hatte er nie versucht, ihr näher zu kommen. Corinna hätte gern ein wenig mehr mit ihm geflirtet. Allerdings war ihr auch klar, dass Sandie in einer völlig anderen Liga spielte. Ein solcher Typ konnte sicher zwischen den hübschen Mädchen wählen und würde sich keine nehmen, die so schüchtern und unscheinbar war wie sie. Corinna seufzte.
»Schwesterchen, bist du wach?« Astrid streckte vorsichtig den Kopf zur Tür herein.
»Ja, komm nur. Ich wundere mich, dass du schon aufgestanden bist.« Corinna grinste und rutschte zur Seite. »Komm, setz dich. Wann bist du heimgegangen?«
»Es muss kurz vor vier Uhr gewesen sein. Anita hat mich heimgefahren.« Astrid hockte sich im Schneidersitz auf die Bettdecke. »Und du? Ich weiß zwar noch, dass du irgendwann gesagt hast, dass du gehst, aber ich habe keine Ahnung, wann das war.«
»Sandie hat mich heimgebracht.«
»Sandie? Wer ist das?«
»Ich glaube, du nennst ihn Alex.« Amüsiert beobachtete Corinna, wie Astrids Augen sich weiteten.
»Warum hast du mir nichts davon gesagt?«
»Hab ich doch.« Corinna tat beleidigt. »Kann ich was dafür, wenn du mir nicht zuhörst? Ich habe dir laut und deutlich mitgeteilt, dass ich mit ihm spazieren gehe. Das war nach zwei Uhr, aber da warst du schon nicht mehr ansprechbar. Wir waren erst im Englischen Garten, und um halb fünf hat er mich nach Hause begleitet, weil bei Reinhold alles dunkel war.«
Astrids Augen hatten sich verengt. »Du warst über zwei Stunden mit ihm im Englischen Garten? Mit diesem …«, sie suchte nach Worten, »… diesem Macho?«
Unter der Decke stieß Corinna mit dem Fuß nach ihrer Schwester. »Er ist kein Macho. Es ist überhaupt nichts passiert, was dein armes Gewissen belasten müsste.«
»Aua, deswegen brauchst du nicht gleich grob zu werden.« Astrid seufzte. »Glaub mir, Alex ist bestimmt nicht der Richtige für dich.«
»Wie kommst du darauf, dass ich mich für ihn interessiere?«
Ihre Schwester lachte gezwungen. »Du hast ja schon einen Kosenamen für ihn. Außerdem kenne ich den Typ Mann, auf den du fliegst.«
»Ja, weil du den gleichen Geschmack hast«, konterte Corinna. »Wie ist es denn mit dir und dem hübschen blonden Gastgeber? Läuft da was?«
Astrid überging die Frage. »Ich kann dir nur raten, von Alex die Finger zu lassen.«
»Warum?«
Astrid wand sich unbehaglich und wich Corinnas Blick aus.
»Jetzt sag schon.«
»Also gut. Ich habe Alex letzten Herbst kennengelernt, als Anita ihre Bude einweihte. Da kam er aber im Schlepptau ihrer besten Freundin, einem sehr hübschen Mädchen namens Monika. Und er machte auf mich nicht den Eindruck, als hätte er sie gerade eben auf der Straße getroffen.«
Ihre Worte versetzten Corinna einen heißen Stich. Ob Sandie schon vergeben war? Sich einzugestehen, dass er in einer höheren Liga spielte, war eine Sache, aber die Hoffnung gleich zu begraben, etwas ganz anderes. Wieso hatte er dann die letzte Nacht nicht mit Monika verbracht, sondern sich um sie gekümmert? Hatte ihr im Badezimmer buchstäblich einen Spiegel vorgehalten, war mit ihr spazieren gegangen? Das tat man doch nicht, wenn man sich nicht für den anderen interessierte.
»Lass ihn sausen, Corrie«, bat Astrid inständig. »Tu nichts Unüberlegtes, du bereust es sonst.«
»Ich bin morgen mit ihm zum Pizzaessen verabredet. Und ich will das nicht absagen.«
»Dann frag ihn doch mal, wo er seine Freundin Monika gelassen hat.«
Corinna hatte keine Lust mehr, Astrid zuzuhören. Sie fühlte sich viel zu elend, um dieses heikle Thema weiter zu verfolgen.
»Ich gehe jetzt duschen«, verkündete sie energisch und strampelte die Bettdecke los. Als sie schon in der Tür stand, rief Astrid sie noch einmal zurück. »Du hast mir immer noch nicht verraten, was ihr beide gestern so lange im Badezimmer getrieben habt. Die ›bloße Unterhaltung‹ kaufe ich dir nämlich nicht ab.« Ihre Miene wurde grimmig. »Wenn er dich angefasst hat, kann er was erleben.«
Corinna war des Misstrauens müde. »Sandie hat mir hinter verschlossenen Türen die Geschichte vom hässlichen Entlein erzählt. Und jetzt gib Ruhe.« Mit einem letzten Blick auf das verdutzte Gesicht ihrer Schwester schloss sie die Tür.
Die Dusche tat ihr unglaublich gut. Das kalte Wasser vertrieb die Kopfschmerzen und weckte ihre Lebensgeister. Über die Zweifel, die in ihr zu nagen begannen, half es ihr jedoch nicht hinweg. Hatte Sandie wirklich ein persönliches Interesse an ihr gezeigt? Sie wollte nicht glauben, dass alles, was er gesagt und getan hatte, nur reine Freundlichkeit gewesen war. Wer war diese Monika? Sie musste Astrid noch einmal fragen. Wenn es tatsächlich schon Monate her war, dann war es vielleicht längst Vergangenheit und Sandie inzwischen wieder solo. Der Gedanke gab ihr erneuten Auftrieb, doch sie musste ihr Vorhaben verschieben, denn ihre Schwester war auf ihrem Bett eingeschlafen und ihre nassen Haare hinterließen große, feuchte Flecken auf Corinnas Kopfkissen.
Corinna saß einsam auf der Bank und scharrte mit den Füßen. Es war schon beinahe halb sechs. Als der Professor seine Studenten endlich entlassen hatte, war sie zum Treffpunkt gerannt. Doch Sandie war nicht da.
Mit schwerem Herzen sah sie auf die Uhr. Wieder eine Minute vorbei. Ob er sie versetzt hatte? Wenn sie an Astrids Worte dachte, war das durchaus plausibel. Vermutlich bereute er längst, dass er mit ihr angebandelt hatte. Angebandelt, wie das klang. Sie lachte verächtlich. Bis auf den angedeuteten Kuss beim Abschied war absolut nichts vorgefallen, aus dem sich ein Interesse von seiner Seite ableiten ließ. Sie waren sich sympathisch gewesen, aber das war es auch schon. Die Einladung zum Essen war einem Impuls entsprungen, der ihm nun sicher nicht mehr in den Kram passte.
Sandie. Welche Verbundenheit würde der besondere Name noch ausdrücken, wenn sie ihn gar nicht wiedersah? Mit einem bitteren Gefühl in der Herzgegend griff sie nach ihrer Tasche. Es hatte keinen Sinn, noch länger zu warten.
Und plötzlich stand er vor ihr. Abgehetzt, nervös, aber lächelnd. »Ich bin viel zu spät, tut mir leid. Der Verkehr war mörderisch.«
Und warum konnte er ihr bei seinen Worten nicht in die Augen sehen? Sie wusste, dass er log. Er war tatsächlich drauf und dran gewesen, sie zu versetzen, dessen war sie sich sicher. Aber das würde sie nicht ansprechen, sondern sich einfach nur freuen, dass er trotzdem gekommen war.
»Schon okay. Schön, dass du da bist.«
Er öffnete den Mund, wie um etwas zu sagen, ließ es dann aber doch sein und wies ihr den Weg zur Pizzeria um die Ecke.
»Wie war die Vorlesung heute?«
»Lang.« Corinna studierte die Karte. Das Angebot war so umfangreich, dass sie keine Ahnung hatte, was sie nehmen sollte. »Es war so furchtbar heiß im Hörsaal. Spanisch hat sich ewig hingezogen.«
»Aber es ist eine schöne Sprache. Ich höre sie gern, auch wenn ich kein Wort verstehe. Was heißt ›ich liebe dich‹ auf Spanisch?«
»Te quiero.«
»Gut zu wissen. Könnte man ja mal brauchen. Und Liebling?«
»Querido bei einem Mann, querida, wenn es eine Frau ist.«
»Gut, dann bist du also meine querida. Hast du dir schon was ausgesucht?«
War es ihm etwa peinlich, was er gerade gesagt hatte? Und überhaupt, wie kam er denn dazu? So weit waren sie doch noch nicht. Während sie bestellten, betrachtete Corinna ihr Gegenüber verstohlen. Seine Augen schienen heute noch blauer zu sein als bei ihrem ersten Treffen. Er hatte sich ordentlich gekämmt und rasiert und seine Bräune war für Ende Mai irgendwie fehl am Platz. Er war bestimmt 1,90 Meter groß und so durchtrainiert, dass sie vermutete, er müsse regelmäßig Sport treiben.
»Na?« Er grinste sie an. »Wie fällt die Beurteilung aus?«
Corinna wurde rot, jedoch nur für einen Moment, dann hatte sie sich wieder gefasst. »Ich finde, du bist unverschämt braun. Wo holt man sich das um diese Zeit? Im Solarium?«
»Solarium, so ein Quatsch.« Verächtlich zog Sandie die Mundwinkel nach unten. »Der Typ bin ich nicht. Ich war Anfang Mai ein paar Tage in Mallorca. Davon zehre ich noch.«
›Mit Monika?‹, wollte Corinna fragen, doch sie unterließ es. Sie wusste, dass sie damit die zarte Vertrautheit zwischen ihnen zerstören würde. Sie scheute davor zurück, die Wahrheit zu erfahren. Er würde es ihr bestimmt irgendwann selbst sagen. Vielleicht war es das Beste, Astrids mahnende Worte einfach auszublenden und sich auf den Augenblick zu konzentrieren.
»Du wolltest mir erzählen, wie du auf diese verrückte Idee gekommen bist«, wechselte sie das Thema.
»Welche meinst du? Je nachdem, wen man fragt, gibt es da eine große Auswahl.« Er grinste lausbubenhaft. Corinna wurde es plötzlich flau in der Herzgegend.
»Mich einfach vor den Spiegel zu zerren und mir zu eröffnen, ich wäre kein hässliches Entlein, sondern ein Schwan.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich denke, das rangiert unter ziemlich verrückt.«
»Nicht wirklich. Und ich wiederhole, dass ich nie von hässlich gesprochen habe. Hat es dir denn keinen Spaß gemacht? Ich fand es ganz amüsant.«
»Zumindest war die Fete hinterher nicht mehr so öde.« Corinna lächelte bei der Erinnerung, vor allem, als sie an die Stunden nach der Party dachte. »Du wolltest mir deine Beweggründe erklären.«
Sandie zögerte und suchte nach Worten. »Vor ein paar Jahren brachte meine Schwester öfter mal eine Freundin mit heim. Sie hatte eine große Brille mit dicken Gläsern auf der Nase und eine Menge Pickel im Gesicht. Ich beachtete sie überhaupt nicht. Wie hätte ich wissen sollen, dass sie ausgerechnet in mich verknallt war?« Er starrte auf seinen Teller, doch als Corinna nicht reagierte, sah er auf. »Irgendwann hat sie sich dann mal ein Herz gefasst und mich gefragt, ob ich mit ihr ausgehen wolle. Keine Ahnung, was ich ihr geantwortet habe, vermutlich habe ich gelacht und ihr deutlich zu verstehen gegeben, dass sie mich nicht interessierte. Ich hatte sie wohl ziemlich verletzt, denn am Abend kam meine Schwester wutentbrannt in mein Zimmer gestürmt. Sie schlug mir ein Kissen um die Ohren und fragte mich, ob ich überhaupt wüsste, wie weh ich ihrer Freundin getan hätte. Ob ich wenigstens einen Gedanken an ihre Gefühle verschwendet hätte und mir im Klaren wäre, wie sie sich jetzt fühlte. Leider musste ich alle Fragen mit Nein beantworten. Ich hatte nicht mal mehr an das Mädchen gedacht.«
»Deine Schwester gefällt mir«, warf Corinna ein.
»Im Allgemeinen kommen wir recht gut miteinander aus, aber damals war mir alles andere als wohl zumute. Sie war so in Fahrt, wie ich es selten erlebt habe. Ich musste mir anhören, dass ich immer so verdammt hochnäsig sei und es nicht mein eigener Verdienst wäre, dass ich zufällig gut aussehe.« Sandie stockte kurz, doch Corinna verkniff sich jede ironische Bemerkung. »Ich solle nicht so tun, als würde mir die ganze Welt gehören und mir einbilden, ich könne mit den Menschen umspringen, wie es mir gerade passt. Nicht einmal ein Alexander Wegener könne es sich leisten, sich auch nur eine einzige Sympathie zu verscherzen.«
»Und du hast dir ihre Worte zu Herzen genommen?«
»Ich habe lange darüber nachgedacht. Weißt du, sie hatte recht. Ich kannte nicht mal den Namen des Mädchens. Es hat mich einfach nicht interessiert. Aber das hätte ich ihr auch anders klar machen können. Sie hat es sicher nicht verdient, dass ich so ekelhaft war.«
»Aha, jetzt verstehe ich. Du hast ein schlechtes Gewissen wegen dieser Sache und da wolltest du zum Ausgleich zu einem anderen Mädchen, das sich nicht zu helfen wusste, ein wenig nett sein.«
»Nein, das ist nicht wahr«, entrüstete sich Sandie. Er lächelte sie an. »Ich habe mir nur angewöhnt, nicht mehr so sehr über andere Menschen hinwegzusehen und sie erst beim zweiten Blick zu beurteilen. Und der zweite Blick bei dir sagte mir, dass sich hinter deiner gelangweilten Miene reine Unsicherheit verbarg. Es hat mir einfach keine Ruhe gelassen. Und so stand ich also plötzlich mit einem mir völlig fremden Mädchen im Badezimmer eines Freundes und versuchte, es davon zu überzeugen, dass es attraktiver ist, als es glaubte.«
»Und du bist der Meinung, dass dir das gelungen ist?«
»Wenigstens hast du hinterher ziemlich schnell Anschluss gefunden.«
»Ja, das stimmt«, gab Corinna zu. »Sobald ich mal einen Anfang gemacht habe, gibt es keine größeren Probleme mehr. Aber wenn ich mich in eine Gruppe mir völlig unbekannter Menschen einfügen soll, kriege ich immer Panik.«
Sandie lächelte. »Da bist du bestimmt nicht die Einzige. Die wenigsten Leute können sich mit Fremden so unterhalten, als würden sie sie schon seit Jahren kennen.« Mit einem dankbaren Lächeln nahm er seine Pizza vom Kellner entgegen. »Hast du Lust, morgen mit mir joggen zu gehen?«, fragte er, nachdem auch Corinna ihr Gericht erhalten hatte.
»Ich?« Sie war entsetzt. »Um Himmels willen, ich breche nach den ersten hundert Metern zusammen.«
»Das glaube ich dir nicht. Hast du es schon mal versucht?«
»Nein.«
»Na also.«
»Aber ich blamiere mich bis auf die Knochen. Ich bin nicht der Typ fürs Joggen.«
Sandie nahm ihre Hand und strich ihr zärtlich über die Finger. »Bei mir kannst du dich gar nicht blamieren. Wir laufen nur ein wenig durch den Englischen Garten und wenn du müde bist, setzen wir uns einfach hin und ruhen uns aus. Also, kommst du mit?«
Sie hatte eigentlich keine Lust dazu. Joggen war ein Hobby, dem sie noch nie etwas abgewinnen konnte. Aber wenn es eine Möglichkeit war, Zeit mit Sandie zu verbringen, konnte es nur eine Antwort geben. Sie fühlte sich bereits viel zu sehr zu ihm hingezogen, um diese Gelegenheit auslassen zu können.
»Gut, ich mache mit. Aber erst ab Donnerstag. Vorher habe ich keine Zeit.«
»Okay, dann am Donnerstag. Du bist bestimmt besser, als du denkst.« Sandie drückte ihr einen leichten Kuss auf die Lippen. »Ich freue mich schon darauf.«
Erschöpft ließ Corinna sich quer über ihr Bett fallen. Sie war müde, aber gleichzeitig so glücklich, dass ihr Herz laut klopfte. Das ist nur die Anstrengung, versuchte sie sich einzureden, doch davon konnte das Herzklopfen nicht kommen. Sie hatte sich an die Lauferei gewöhnt. Seit zwei Wochen trabte sie nun schon abends mit Sandie durch den Englischen Garten, sofern es das Wetter zuließ. Da Sandie an der Technischen Universität studierte und ihre Vorlesungen zudem zu unterschiedlichen Zeiten stattfanden, war dies die einzige Möglichkeit, sich länger als nur für einige Minuten zu treffen. Zuerst joggten sie immer etwa zwanzig bis dreißig Minuten und setzten sich dann ins Gras oder auf eine Bank, um sich zu unterhalten. Corinna genoss diese Stunden. Der Sport tat ihr gut und mit Sandie verstand sie sich immer besser. Das heikle Thema Monika vermieden sie beide nach Kräften, obwohl sie es gleich bei ihrem ersten Lauf angesprochen hatte. Sie hatte es gar nicht beabsichtigt, es hatte sich einfach ergeben.
Sie erinnerte sich noch sehr gut an diesen Nachmittag. Das Laufen hatte sie angestrengt und sie war froh, als Sandie ein Einsehen hatte und sie sich auf die Wiese gelegt hatten, um auszuruhen.
Träumend blickte sie in den Himmel. Nie hätte sie es für möglich gehalten, dass sie sich so schnell verlieben würde. Sie wusste nicht, ob Sandie ihr die gleichen Gefühle entgegenbrachte, aber sie war sicher, dass er sie zumindest gern hatte. Sonst hätte er wohl kaum ständig ihre Nähe gesucht.
»Was machst du am Wochenende?«, fragte er.
»Lernen. Ich bin zurzeit sträflich faul.«
»Liegt das an mir?« Sandie grinste frech. Er stützte sich auf die Ellbogen, beugte sich über sie und sah ihr tief in die Augen.
Corinna liebte es, wenn seine dunkelblauen Augen vor Übermut blitzten. Sie spürte dann Gefühle in sich, die sie nicht identifizieren konnte. Es musste wohl so etwas wie Liebe sein, dachte sie, während Sandies Gesicht ihr immer näher kam. Sie küssten sich und Corinna schwamm auf einer Woge der Euphorie. Doch plötzlich wurde Sandie ernst. Er setzte sich auf und starrte nachdenklich auf einen einzelnen Löwenzahn zu seinen Füßen. Corinnas gute Laune bekam einen Dämpfer, als sie ihn so sah.
»Denkst du gerade an Monika?«, fragte sie leise.
Er fuhr hoch. »Was weißt du von Monika?« Entsetzt sah er sie an.
»Ich weiß, dass sie deine Freundin war. Oder noch ist.« Die unausgesprochene Frage schwang in Corinnas Stimme mit, doch Sandie ging nicht darauf ein.
»Woher?«
»Kannst du dir das nicht denken?«
Er überlegte kurz, dann nickte er. »Natürlich. Astrid hat es dir erzählt. Sie hat mich mit ihr zusammen gesehen, habe ich recht?«
»Ja.«
»Warum hast du mir nicht gesagt, dass du von ihr weißt?«
»Ich dachte, es wäre deine Angelegenheit, mir zu erzählen, dass du schon eine Freundin hast. Aber ich bin mir sicher, dass du bei unserem Treffen vor der Uni nicht im Stau stecken geblieben bist, sondern mich beinahe versetzt hättest, weil du Gewissensbisse hattest. Ich weiß auch nicht, was das mit uns noch werden soll, aber wenn du schon eine Freundin hast, dann wüsste ich das gerne.«
Corinnas Stimme war immer leiser geworden. Sie wollte keine schlafenden Hunde wecken, aber sie war es ihrem Gewissen schuldig, klare Verhältnisse zu schaffen. An Sandies Gesicht konnte sie erkennen, dass sie mit ihrer Vermutung richtig lag. Sie spürte deutlich, wie er auf Distanz ging. Er stand langsam auf. Während er versuchte, einen Grasfleck aus seiner Jeans zu reiben, wurde seine Miene immer finsterer. Corinna seufzte innerlich. Jetzt hatte sie alles verdorben. Doch sie wollte ihre Beziehung zu Sandie nicht auf einer Lüge aufbauen. Wenn er schon eine Freundin hatte, hinterließ alles, was sie zusammen taten, einen schalen Nachgeschmack.
»Komm, ich bringe dich heim.« Er zog sie vom Rasen hoch und legte ihr den Arm um die Schultern, sagte jedoch in den nächsten fünf Minuten kein Wort.
»Bitte sei nicht böse auf mich«, murmelte Corinna schließlich.
Er sah sie an und seine Miene hellte sich augenblicklich auf. »Ich bin nicht böse«, sagte er zärtlich und küsste sie auf die Nasenspitze. »Ich musste nur nachdenken.«
»Über Monika?«
»Ja. Genügt es dir, wenn ich dir sage, dass ich sie seit einem halben Jahr nicht mehr gesehen habe?«
»Ist es aus zwischen euch?«
»Wir haben uns ziemlich auseinandergelebt.«
»Ich dachte, du warst mit ihr auf Mallorca.«
»Nein, ich habe mit ein paar Kumpels dort meinen fünfundzwanzigsten Geburtstag gefeiert. Monika war nicht dabei.« Sandie war das Gespräch sichtlich unangenehm. »Kommst du morgen wieder mit?«, wechselte er das Thema.
Corinna war misstrauisch. Es gefiel ihr nicht, wie er sich vor einer genauen Aussage drückte. Wenn es aus war, wieso sagte er es dann nicht einfach? Doch ihre Freundschaft war noch zu zerbrechlich, als dass sie weiter nachbohren wollte. Und so nickte sie. »Klar komme ich.«
Als Corinna eine Bewegung an der Tür bemerkte, setzte sie sich auf. »Hallo Schwesterchen«, rief sie fröhlich. »Komm rein.«
»Du bist wieder völlig fertig«, rügte Astrid, als sie eintrat. »Du hast doch noch nie viel vom Joggen gehalten.«
»Ich weiß, aber mit Sandie macht es Spaß. Außerdem fühle ich mich, als hätte ich wirklich etwas geleistet. Und auch meine Kondition verbessert sich.«
»Ja, deinem Körper tut es sichtlich gut …« Astrid zögerte.
»Du magst Sandie nicht, stimmt’s?«, hielt Corinna ihrer Schwester vor. Doch Astrid schüttelte den Kopf.
»Nein, da irrst du dich. Ich kenne ihn zu wenig, um mir ein Urteil bilden zu können, aber er ist mir durchaus sympathisch. Nur ist er halt ein Luftikus.« Sie lächelte. »Ich glaube, gerade weil er so ein Sonnyboy ist, magst du ihn, habe ich recht?«
»Möglich. Hältst du ihn denn für verantwortungslos?«
»Das kann ich dir nicht beantworten, aber du erinnerst dich sicher daran, dass ich dir von einem Mädchen namens Monika erzählt habe.«
»Seine frühere Freundin, ja, das weiß ich. Ich habe mit Sandie darüber geredet. Aber das ist aus. Er hat sie seit einem halben Jahr nicht mehr gesehen.«
»Das fällt ihm bestimmt auch nicht sehr schwer, weil sie nämlich in Amerika ist.«
Corinna fuhr hoch. »In Amerika?«
»Ja. Das hat dir dein feiner Sandie verschwiegen, was? Ich habe Reinhold gefragt, warum man sie nicht mehr sieht. Sie absolviert in den USA ein Auslandssemester. Deswegen, nur deswegen, ist dein Sandie allein und sucht sich einen Zeitvertreib. Nämlich dich.« Astrid zögerte, bevor sie weitersprach. »Deshalb bin ich besorgt. Ich will nicht, dass er dir weh tut.«
Langsam ließ sich Corinna in die Kissen ihres Bettes sinken. Monika war in Amerika? Plötzlich machten Sandies ausweichende Worte einen Sinn. War sie wirklich nur ein Zeitvertreib für ihn, wie ihre Schwester vermutete? Der Gedanke bohrte sich wie ein Messer in ihr Herz.
»Wann kommt sie zurück?«, fragte sie matt.
Astrid zuckte mit den Schultern. »Reinhold wusste es nicht genau. Aber vermutlich in ein paar Wochen.«
»Ich kann nicht glauben, dass zwischen den beiden noch was ist«, flüsterte Corinna tonlos. »Er hätte es mir gesagt.«
»Wirklich?«
Sie unterdrückte ein Schluchzen. »Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll.«
Astrid strich ihr über die Haare. »Tut mir leid, dass ich dir das sagen musste. Aber es ist besser, wenn du Bescheid weißt.« Sie wartete noch einige Sekunden auf eine Antwort, doch ihre Schwester hatte ihr Gesicht im Kissen vergraben. Nachdem Astrid mit einem letzten bedauernden Blick gegangen war, begann Corinna leise zu weinen.
»Corrie?« Astrid klopfte kurz und öffnete dabei die Tür. »Telefon für dich. Es ist Alex. Oder sollte ich besser sagen, dein Freund Sandie?«
»Sag ihm, dass ich nicht da bin«, schniefte Corinna.
»Sorry, das hab ich ihm schon verraten.«
»Dann lass dir irgendwas einfallen. Ich will jetzt nicht mit ihm reden.«
Mit missbilligend gerunzelter Stirn ging Astrid wieder. Corinna hörte sie im Flur am Telefon reden, konnte jedoch nichts verstehen. Für einen Moment war sie versucht, doch mit Sandie zu sprechen, denn ihre Sehnsucht meldete sich prompt zurück, als sie sich ihn vorstellte. Aber dann dachte sie an Monika und sofort verdrängte der Ärger alle anderen Emotionen. Sie fühlte sich ausgenutzt und war tief enttäuscht, dass sie Sandie anscheinend falsch eingeschätzt hatte.
»Ich mag es nicht, zu lügen«, erklärte Astrid geradeheraus, als sie zurückkam. »Ich habe ihm gesagt, du fühlst dich nicht gut, aber ich weiß, dass er mich durchschaut hat. Trotzdem soll ich dir Grüße und Besserungswünsche übermitteln. Er hörte sich ziemlich enttäuscht an.«
»Du wolltest doch, dass wir uns verkrachen, oder?«, fuhr Corinna auf.
»Nein, das wollte ich nicht.« Begütigend legte Astrid ihre Hand auf die ihrer Schwester. »Ich will nur nicht, dass du dir falsche Hoffnungen machst.«
»Das hast du geschafft. Ich weiß jetzt überhaupt nicht mehr, was ich denken soll.«
Corinnas düstere Laune dauerte den ganzen Abend an. Sie versuchte zu lesen, doch immer wieder sah sie Sandie vor sich. Sandie und ein fremdes Mädchen, das er küsste. Sie quälte sich mit ihren Gedanken noch die halbe Nacht, bis sie, von Zweifeln und Selbstvorwürfen geplagt, am frühen Morgen endlich einschlief.
Verflixt! Schon wieder Rot. Seufzend stieg Corinna von ihrem Fahrrad. Eigentlich war es egal, denn sie hatte so kräftig verschlafen, dass es für die erste Vorlesung sowieso schon zu spät war. Doch sie ärgerte sich an diesem Morgen über alles, auch über sich selbst. Sie hasste diese Gefühlsduselei, die sie die ganze Nacht wach gehalten hatte. Sollte Sandie doch mit seiner Monika zum Teufel gehen. Sie würde ihm keine Träne nachweinen. Aber schon bei dem Gedanken begannen ihre Augen zu brennen.
Hinter ihr hupte es ungeduldig. Die Ampel zeigte längst Grün. Der Autofahrer, der sie mit quietschenden Reifen überholte, tippte sich vielsagend an die Stirn. Corinna verspürte den heftigen Drang, ihm die Zunge heraus zu strecken, doch sie beherrschte sich. Was war das nur für ein verkorkster Tag.
Als sie ihr Fahrrad auf dem Universitätsgelände abstellte, sah sie Sandie beim Haupteingang stehen. Widerwillig stellte sie fest, dass ihr Herz sofort schneller schlug und sie augenblicklich zu ihm laufen wollte. Doch ihr Stolz verbot es ihr. Noch vor zehn Minuten hatte sie ihn zum Teufel gewünscht. Sollte sie das etwa gleich vergessen haben, nur weil sie ihn unverhofft sah? Nein, sie wollte nicht mit ihm reden. Als hätte sie ihn nicht gesehen, drehte sie sich um und ging in Richtung des Seiteneingangs. Doch Sandie holte sie mit einem kurzen Sprint ein und griff nach ihrem Arm.
»Corinna, warte, warum läufst du denn weg?«
»Lass mich los«, fauchte sie.
Verblüfft und erschrocken über den heftigen Ton ließ er tatsächlich ihren Arm los, stellte sich ihr aber sofort in den Weg. »Jetzt erzähl schon, was ist passiert? Die Story, die Astrid mir gestern aufgetischt hat, habe ich keinen Moment geglaubt.«
»Na und? Deine Sache.«
Er musterte sie stirnrunzelnd. »Habe ich dir irgendetwas getan? Beim Joggen war doch noch alles in Ordnung.«
»Gar nichts ist in Ordnung«, schnaubte sie. »Du erzählst mir, dass du Monika seit Monaten nicht gesehen hast, und lässt mich in dem Glauben, dass es aus ist zwischen euch. Nur hast du bequemerweise vergessen, mir zu sagen, dass du sie nicht siehst, weil sie für eine Weile in Amerika studiert. Wenn du denkst, dass ich für dich den Lückenbüßer spiele, bis sie wieder da ist, dann hast du dich aber geschnitten. So eine bin ich nicht.« Ihre Stimme drohte bei den letzten Worten überzuschnappen, doch nun war alles gesagt. Sie wandte sich um.
»Corinna, lauf nicht weg. Bitte.« Sandies Stimme war leise, fast flehend. Als sie ihn ansah, wirkte er ernst und schuldbewusst. »Gehst du mit mir einen Kaffee trinken?«
Sie schüttelte energisch den Kopf. »Ich muss zur Vorlesung.«
»Dafür bist du doch schon zu spät. Lass sie sausen. Bitte. Wir müssen miteinander reden.«
Corinna sah ihn an und ihr Herz zerfloss bei seinem Anblick. Sie ärgerte sich darüber, doch sie konnte nicht aus ihrer Haut. »Na gut«, lenkte sie ein. Sie wusste selbst nicht, warum sie das tat, denn eigentlich hatte sie überhaupt keine Lust auf Kaffee und auch nicht auf Sandies Gesellschaft.
»Nimmst du Milch und Zucker?« Es waren seit mehr als fünf Minuten die ersten Worte zwischen ihnen. Gedankenverloren rührte Sandie in seinem Kaffee. »Es tut mir leid, dass ich dir nicht gleich alles gebeichtet habe«, sagte er leise. »Ich hätte mir denken können, dass du es herausfindest. Wir haben zu viele gemeinsame Bekannte.«
»Warum hast du es mir dann verschwiegen?«, klagte Corinna ihn an.
»Ich hatte Angst, dass du nicht mehr mit mir zusammen sein willst.«
»Glaubst du, es ist besser, wenn ich solche Sachen von anderen erfahre?«
Sandie nahm ihre Hand, doch Corinna zog sie weg.
»Querida, ich …«, begann er, aber Corinna schnitt ihm scharf das Wort ab.
»Ich bin nicht deine querida. Du behauptest, es wäre nichts mehr zwischen dir und Monika. Ist sie auch dieser Meinung?«
Der hilflose Blick in Sandies Gesicht sagte ihr genug. Er hatte sie angelogen. Oder die Wahrheit zumindest sehr beschönigt.
»Also?« Ihre Stimme war schneidend. »Sitzt sie in Amerika und denkt, dass du ihr treu bist?«
»Ich weiß nicht, was sie denkt«, brummte er verdrießlich. »Aber es stimmt, wir haben noch nicht offiziell Schluss gemacht.«
»Ach, muss das offiziell sein?«
»Mach es mir doch nicht so schwer. Ich war in Monika verliebt, aber das ist lange her.«
»Ja, ich weiß, fast ein halbes Jahr. Was für eine ewige Zeit.« Corinnas Stimme triefte vor Hohn. »Aber wenn du sie wieder siehst, ist alles wie vorher.«
»Glaube ich nicht.« Sandie zog die Mundwinkel nach unten. »Wenn ich so zurückdenke, hat Monika mich zum Freund genommen. Ich bin einfach in diese Sache hineingeschlittert. Sie ist eine ziemlich dominante Persönlichkeit.«
Corinna konnte nicht glauben, was sie da hörte. Es passte nicht in ihr Bild von Sandie, dass er so ein Schisser war. Er war doch ihr Held, der sie vor einer langweiligen Party gerettet hatte. Tränen brannten in ihren Augen. »Ist das ein Entschuldigungsgrund?«, fuhr sie ruhiger fort. »Du redest dir das nur schön. Glaubst du wirklich, du kannst einfach mit ihr Schluss machen?«
»Nein, das glaube ich nicht.« Sandie machte eine so heftige Bewegung, dass er beinahe seinen Kaffee verschüttet hätte. »Aber sie hat seit Monaten nicht mehr geschrieben. Früher haben wir auch noch ab und zu miteinander telefoniert, aber sie scheint ebenfalls kein Verlangen mehr danach zu haben.«
»Du meinst, sie hat drüben einen anderen Freund?«
»Monika ist der Typ Mädchen, der nie lange allein bleibt. Ich weiß zumindest, dass sie Anita in einem Brief von einem Studienkollegen vorgeschwärmt hat, mit dem sie manchmal ausgeht.«
»Ach, und deswegen glaubst du, dass du es ihr jetzt mit gleicher Münze heimzahlen musst?« Corinnas Stimme war gefährlich leise.
»Nein, Himmel noch mal, das glaube ich nicht.« Sandie sah ihr in die Augen. »Die Sache ist ganz einfach: Ich habe mich in dich verliebt. Viel mehr als damals in Monika.«
»Du hast was?« Corinna riss ungläubig die Augen auf.
Sandie versteckte sich einen Moment hinter seiner Kaffeetasse. Sein Bekenntnis hatte ihn anscheinend selbst überrascht. Dann sah Corinna wieder das schelmische Blitzen in seinen Augen. »Hörst du schlecht? Ich habe mich gerade zu meiner Liebe zu dir bekannt.«
Sie war so verblüfft, dass sie kein Wort heraus brachte.