"...und darin fliegt eine Schwalbe" -  - E-Book

"...und darin fliegt eine Schwalbe" E-Book

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Beschreibung

Seit der Gründung des Wieser Verlages vor nunmehr 27 Jahren begleitet mich die Poesie in den Gedichten von Slavko Mihalic, Hans Raimund, Milan Jesih, Ali Podrimja, Gellu Naum, Emil Szyttia, Lajos Kassák, Robert Reiter, Ivo Svetina, Aleš Debeljak, Milan Dekleva, Maruša Krese, Herta Kräftner, Robert Altmann, H. C. Artmann, Dezso Tandori … Viele wurden erstmals veröffentlicht, übersetzt oder dem Vergessen entrissen. Einige davon habe ich mir zum Geschenk gemacht, in der vorliegenden Sammlung zum Nachlesen, Wiederlesen oder Neulesen zusammengetragen, und lege sie nun auch der geschätzten Leserschaft ans Herz.

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WieserVerlagGmbH

A-9020 Klagenfurt/Celovec, 8-Mai-Straße 12

Tel. + 43(0)463 370 36, Fax. + 43(0)463 370 36-90

[email protected]

www.wieser-verlag.com

Copyright © dieser 2., erweiterten Ausgabe 2017 bei Wieser Verlag GmbH,

Klagenfurt/Celovec

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Josef G. Pichler

ISBN 978-3-99029-243-3

Diesen Band möchte ich auch als Dank verstanden wissen: an alle Übersetzerinnen und Übersetzer, Lektorinnen und Lektoren, Buchhändlerinnen und Buchhändler; an alle, die in den Jahren den Autorinnen und Autoren zu Rezensionen verholfen oder sie ihnen gewidmet und damit aufmerksam auf sie gemacht haben. Nicht zuletzt gilt mein Dank auch allen Subventionsgebern, Sponsoren, Paten und Patinnen. Den Autorinnen und Autoren gilt mein besonderer Dank für alles Neue, das sie uns in Bildern und Versenzu erzählen wussten und lesbar, sichtbar und berührbar machten.

Ich liebe sie. Es gab Zeiten, da habe ich gehofft, man würde sie eher bemerken. Vergangen. Unbeachtet viele. Liest man die Verse heute: Rufzeichen vergessener, selten betretener Wege. Frühzeitig belegt vom Reif. Auch von Kälte umhüllt. Und doch so hell. Wie der morgendliche Klang des Vogels, der im ersten Sonnenstrahl bricht und sich als Hauch der Erinnerung über sieben Berge und sieben Flüsse hebt.

Lojze Wieser

Sem dolgo upal in se bal, slovo sem upu, strahu dal; srce je prazno, srečno ni, nazaj si up in strah želi.

Hab lang gehofft und bang verzagt, hab Hoffnung, Furcht Lebwohl gesagt; das Herz ist leer, es kennt kein Glück, wünscht Hoffnung sich und Furcht zurück.

France Prešeren, aus dem Slowenischen von Klaus Detlef Olof

Die Diebstähle der Elstern verschliefen wir Nicht von Belang! Es erübrigt sich Die Schrift der Zehen im Staub zu entziffern Eher nahmen wir zu Protokoll Was aus dem Stegreif wir träumten

Hans Raimund

Da gibt es im Frühling Rosen und Lilien Hyazinthen und Veilchen beiderlei Art Levkoien und gelben Lack im Sommer

Inhalt

Fatos Arapi

Sultan Murad und der Albaner

H. C. Artmann

letzte schwalbe

Martin Camaj

Schwalbe

Kito Lorenc

Nalětnja krajina

Frühlingslandschaft

Knuts Skujenieks

Uzradstīts augustā

Geschrieben im August

Rudolf Jurolek

Život je možný

Das Leben ist möglich

Hertha Kräftner

Abend

Ingram Hartinger

Hohe Buchstabensee

Srečko Kosovel

Potovanje

Reise

Edvard Kocbek

Die Lipizzaner

Tomaž Šalamun

Der ungläubige Enkel

Axel Karner

karntn III

Marko Pavček

stück für stück

Michail Lermontov

Einsam tret ich auf den Weg, den leeren

René Altmann

679.

Vasko Popa

Der Esel

Jani Oswald

Greben Zeh

Azem Shkreli

Werden

Milan Rúfus

Čo je báseň?

Was ist ein Gedicht?

Jovan Nicolić

Ungesagter Urvers

Pier Paolo Pasolini

Lied

Jan Skácel

Smlouva

Übereinkunft

Srečko Kosovel

Kozmično življenje

Kosmisches Leben

Gellu Naum

Rotirea

Das Kreisen

Slavko Mihalić

Kruh na stolu

Das Brot auf dem Tisch

Tin Ujević

Svakidašnja jadikovka

Alltägliches Klagelied

H. G. Adler

Wanderers Fluchtlied

Ali Podrimja

Edhetimi me ujq

Das Wandern mit Wölfen

Lajos Kassák

35

Ali Podrimja

Europa durch den Rolladen

Srečko Kosovel

Kons I

Kons I

Alfred Goubran

Jugend

Zlatko Krasni

Am Ring

Vasko Popa

Wir werden leben im Zeitalter des Messers

Ali Podrimja

Ballade vom Menschen

Axel Karner

17b

Slavko Mihalić

Hoffe nicht

Lojze Wieser

Syrakus

Ingram Hartinger

Sturz ins Nichts

Marian Drăghici

Die Schlange

Azem Shkreli

Schwarzer Vogel

Maximilian Hendler

Kleiner grauer Vogel

Srečko Kosovel

Balada

Ballade

Rainer Maria Rilke

Herbsttag

Lojze Wieser

Molitev otrok

Gebet der Kinder

Edvard Kocbek

Gebet

Ceja Stojka

Aschdas Wiegenlied

Vasco Popa

Die kleine Schachtel

Eva Petrič

Der liebliche Raum

Zigeunerlied

Mehr brauche ich nicht

Luan Starova

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Das Leben hat meinen Tata gelehrt

Erich Prunć

Epilog

Epilog

Alois Hergouth

Bekenntnis

P. Slavejkov

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Purpurne Blüte, purpurne Rose

Rupert Henning

Das Widerlicht

Horst Dieter Sihler

brecht aus in erstaunen

Tone Kuntner

Jablana

Der Apfelbaum

Miroslav Sinčić

Teran

Teran

Ludvik Zorzùt

Čeriešnje, čeriešnje

Kirschen, Kirschen

Gerhard Kofler

Cielo in mare

Himmel im Meer

Martin Camaj

Fragment

Jiří Gruša

Odražel odtut

Bootssteg

Mak Dizdar

Modra Rijeka

Der blaue Fluß

Slavko Mihalić

Manduševac

Leonardo Zanier

Freiheit

Sabine Gruber

Strandsätze

Tone Kuntner

Tu sem jaz doma

Hier bin ich zu Haus

Rudolf Jurolek

Už nechcem

Mehr wissen

Rolf Schwendter

219. Chorus

220. Chorus

221. Chorus

222. Chorus

Srečko Kosovel

Kons II

Kons II

Hertha Kräftner

Die Weide im Winter

Milka Hartman

Dezemberdämmerung

Walther von der Vogelweide

An Herzog Bernhard von Kärnten

Ulrich von Liechtenstein

Zu Klausen blieb ich diese Nacht

Mönch von Salzburg

Das Kuhhorn

Oswald von Wolkenstein

Es kam so weit, als ich zehn Jahre alt erst war

Martin Codax

Ondas do mar de Vigo

Wellen des Meeres von Vigo

Wolfram von Eschenbach

Ihm war stets jede Falschheit fremd

Maria Elena Blanco

An Virgilius

Andrej Šuster Drabosnjak

Ena lepa, zelo nova litanija za hude ženske …

Eine schöne, ganz neue Litanei für die bösen Frauen …

Christine Janach

Gruftenhundes Nachtgebet

Walter Raffeiner

Psalm

Maruša Krese

Zaprla sem se in iskala besede

Ich schloss mich ein und suchte nach Worten

Mak Dizdar

Zapis o zemlji

Inschrift für ein Land

Zsolt Szolnoki Csanya

O milaj thaj o andyalo

Der Sommer und der Engel

Martin Camaj

Eine verlorene Jahreszeit

Marie Thérèse Kerschbaumer

Glückwunsch

Lojze Wieser

Zgubljene besede

Verschollene Worte

Abdulah Sidran

Zašto tone Vencija

Warum versinkt Venedig?

Handke / Maier / Wieser

Kärnten Blues

France Prešeren

Zdravljica

Trinklied

Dezső Tandori

Gedichtreibe

Editorische Notiz

Quellenverzeichnis

FATOS ARAPI

Sultan Murad und der Albaner

Sultan Murad steht vor dem gebundenen Sklaven. Vom Pferd herab mustert er ihn mit den Augen: gealtert, Wunden, Ketten … »Skipetar«, fragt er ihn, »warum kämpfst du, wenn du auch anders leben könntest?« »Weil, Großmächtiger Sultan«, erwidert der Sklave, »jeder Mensch in der Brust ein Stück Himmel hat und darin fliegt eine Schwalbe.«

H. C. ARTMANN

letzte schwalbe

letzte schwalbe dunkle kleine herzentsprungene bring du meine grüße hinab in das gilbe bergland bring sie kärnten wo noch die rote beere im späten herbstlicht steht

wolken wie schwarze bündel geschnürt sind es die mit dem schnee verbündet kalte wunder an mir und den bäumen tun mein sinnen wäre dem deinen gleich trüge auch ich flügel statt meine schuhe ja und die schnelle deiner augen ein gefieder dein korngroßes mutiges herz und die freundschaft des windes oder leichte des löwenzahns in der du dich forthebst

letzte schwalbe nachzüglerin liebste aller spätbotinnen ich bitte dich nimm du meine traurigen grüße

MARTIN CAMAJ

Schwalbe

Schwarze Flügel inmitten von Schneeflocken in den Alpen die Schwalbe auf verspätetem Zug gen Süden. Mit Flügeln wie Laub des Spätherbstes kämpft sie gegen wirbelnde Winde an dem höchsten Paß entgegen.

Jeder hat zwei Wege vor sich

KITO LORENC

Nalětnja krajina

Wulke módre worjoły słonca přzemja w runinje, so poklaknu wjerški štomow, zešwikane z wětrom křidłow, mjeztym korjenje delka, so třasuce hišće pod železnym přimkom pazorow horka w hałzach, hłubšo so rozlehnu do pódy, kotrejž swój třepot posrědkuja, ha so z črjódami krioty, nastróžane, kaž kołwrótne hrjebaja horje, dyrkotace opłe somo ane kožuchi, a nasypaja swoje hruzli kate hrodźišća na bitwišću łukow a polow, z chwatkom pódla ma atej zelenje placnu swoje tu ne omo. Zatrubja błyskate fanfary njebja, zaprasknu zelenoćorne standarty zemje. A njesłyšna, njesłyšana bitwa zo zahaji.

Frühlingslandschaft

Die großen blauen Sonnenadler bäumen auf in der Ebene, hinknien die Wipfel, gepeitscht im Flügelwind, während die Wurzeln unten, erschauernd noch unterm stählernen Zugriff der Klauen oben im Geäst, sich tiefer verkrallen ins Erdreich, dem sie ihr Zittern mitteilen, davon die Heerhaufen der Maulwürfe aufgeschreckt, wie irrsinnig losbuddeln hochwärts, zuckende warme samtweiche Pelze, und aufwerfen ihre Schützenstellungen im Schlachtgelände der Felder und Wiesen, hastig neben

KNUTS SKUJENIEKS

Uzrakstīts augustā

… Kad bezdelīgas ir nobriedušas, Kad zvaigznes ir nogatavojušās – Un tas ir augustā – Un cilvēkam palēnām Deniṇni izkalst balti,

Papīra lapa sāk dzestri blāzmot, Un katram vārdam ir zemes garša.

Tā top augusts.

Geschrieben im August

… Wenn die Schwalben und Sterne Reif sind – Und das ist im August – Und die Schläfen allmählich Bleichen und dorren,

Beginnt das Papierblatt sich abendkühl zu färben, Und jedes Wort schmeckt nach Erde.

So kommt der August zustande.

RUDOLF JUROLEK

Život je možný

Ked’ jediným výsledkom je prejdená cesta, únava v nohách, vietor, ten nepokoj krajiny, obloha nad tým: ešte jeden svet. Život je možný.

Das Leben ist möglich

Wenn alles, was herauskommt, der durchschrittene Weg ist, die Müdigkeit in den Beinen, der Wind, diese Unruh der Landschaft, der Himmel darüber: noch eine Welt.

HERTHA KRÄFTNER

Abend

Ich möchte mit der Abendröte gehn, tief mit dem Rot nach ferne. Ich möchte in dem Abendrot vergehn, und möchte in den Winden wehn, die ohne Ziele rauschend gehn

INGRAM HARTINGER

Hohe Buchstabensee

Es bleibt dir, wohin du auch gehst: Nimm das Schiff. Nimm das frühe Schiff. Wenn du das getan hast, fall nicht zurück. Hau ab und denk selber nach. Träum dich frei von Nachtfährnissen. Sieh alles selber. Nichts ist genauso wie ein anderes Nichts. Dann anderes Land in Sicht. Immer anders. Dort neue Klänge. Zu sagen dies. Lebensvoll. Auf die eine oder andere Weise. Los. Weg. Weg von der Ästhetik der Angst. Los, geh schon. Du brauchst nichts, um ein Gedicht zu machen. Am

SREČKO KOSOVEL

Potovanje

In tu in tam. Le bežno potovanje. Drevo in stolp. In hiša. Gora. Hrib. Kot žalost mrzla. Kakor tihe sanje. Odhajaš. Truden in težak utrip.

Postaja. Restavracija. In listje se siplje raz kostanje preko miz. In tista dama. Tiha je in sama. Pogled. Rjavo listje. Bežen vtis.

Tujina: kot jesen in kot neznanka vsa bežna mrzla. Tu pri nas topló. Leteče listje. Proti Karavankam. Tunel: v poltemi sije nje oko.

Reise

Und hier und dort. Nur eine flüchtige Reise. Baum und Turm. Und Haus. Berg. Hügel. Wie kalte Schwermut. Wie stille Träume. Du fährst fort. Müder und schwerer Puls.

Bahnstation. Restaurant. Und das Laub rieselt durch Kastanienäste über Tische. Und diese Dame. Sie ist still und allein. Blick. Braunes Laub. Flüchtiger Eindruck.

Fremde: wie der Herbst und wie die Unbekannte ganz flüchtig, kalt. Hier bei uns Wärme.

EDVARD KOCBEK

Die Lipizzaner

Das Journal berichtet:

Die Lipizzaner

haben bei einem historischen Film mitgewirkt.

Das Radio erklärt:

Ein Millionär hat Lipizzaner gekauft,

die edlen Tiere waren

während des ganzen Fluges über den Atlantik ruhig.

Und das Lehrbuch lehrt:

die Lipizzaner sind dankbare Reitpferde,

sie stammen vom Karst, sind von geschmeidigem Huf,

schmuckem Trab, feurigem Naturell

und hartnäckiger Treue.

Und doch füge ich für dich hinzu, mein Sohn,

daß es unmöglich ist, diese unruhigen Tiere

in eindeutige Schablonen zu stecken:

gut ist es, wenn der Tag leuchtet,

die Lipizzaner sind schwarze Fohlen,

und gut ist es, wenn die Nacht herrscht,

die Lipizzaner sind weiße Stuten,

am besten aber ist es,

wenn der Tag aus der Nacht kommt,

denn die Lipizzaner sind weißschwarze Possenreißer,

Hofnarren Ihrer Hoheit,

der slowenischen Geschichte.

Andere haben heilige Kühe und Drachen verehrt,

tausendjährige Schildkröten und geflügelte Löwen,

Einhörner, doppelköpfige Adler und Phönixe,

wir aber haben uns das schönste Tier erwählt,

es hat sich ausgezeichnet auf Schlachtfeldern und in Zirkuszelten,

es hat Königstöchter gefahren und die goldene Monstranz,

deshalb sprachen die Kaiser in Wien

französisch mit den gewandten Diplomaten,

italienisch mit den hübschen Schauspielerinnen,

spanisch mit dem unendlichen Gott

und deutsch mit den ungebildeten Knechten,

mit den Pferden aber unterhielten sie sich slowenisch.

Erinnere dich, mein Kind, wie geheimnisvoll

Natur und Weltgeschichte miteinander verbunden sind

und wie unterschiedlich die Triebfeder des Geistes ist

bei jedem Volk auf der Erde.

Du weißt gut, daß wir das Land der Wettkämpfe und der Wettläufer sind.

Deshalb versteht du auch, weshalb die weißen Pferde

aus Nohas Arche auf unseren reinen Boden geflüchtet sind,

weshalb sie unser heiligstes Tier geworden sind,

weshalb sie in die Legende der Geschichte eingetreten sind

und weshalb sie unsere Zukunft in Unruhe stürzen,