Und keiner ist vor euch sicher - Brigitte Finke - E-Book

Und keiner ist vor euch sicher E-Book

Brigitte Finke

0,0
13,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Irena und Stefan Band 1: „…und Schuld bist du!“ Als die kleine Rina Meyer aus dem Garten verschwindet, steht für ihre Familie die Welt Kopf. Dann kommt der Anruf: Rina wurde entführt. Und der Entführer verlangt, dass keine Polizei eingeschaltet wird und dass die Familie umzieht. Ohne Rina. Und dass sie Rina einfach vergessen. Sonst wird er ihr etwas antun. Irena und Stefan Band 2: „…hier habe ich das Sagen!“ In der Gartenbausiedlung der Stadt ist ein Junge gefunden worden. Ganz alleine hielt er sich in einer der Lauben auf und das wahrscheinlich schon seit einigen Tagen. Irena und Stefan von der Kripo der Stadt ermitteln mit ihrem Team auf Hochtouren. Keiner weiß, woher er kommt oder wer er ist. Und keiner ahnt, was ihm passiert ist. Und der Junge selber kann ihnen nicht sagen, was vorgefallen ist. Er spricht nicht. Irena und Stefan Band 3: „…wir haben es nicht vergessen!“ Während Irena und Stefan ihre frischgebackenen Schulkinder am ersten Tag begleiten, erfolgt in der Stadt ein Einbruch, der mit einer brutalen Körperverletzung endet. Und ausgerechnet in Irenas Haus, das sie seit ihrem Umzug zu Stefan vermietet hat. Wem oder was galt dieser Einbruch? War Irena selber das Ziel? Irena und Stefan Band 4: „…jetzt sollt auch ihr es spüren!“ Die Herbstferien sind vorbei und in der Stadt gibt es eine Entführung nach der anderen. Zwischen den Opfern gibt es kaum eine Gemeinsamkeit. Weder im Aussehen, noch in den Lebensumständen. Das Motiv scheint undurchsichtig, wenn es überhaupt eins gibt. Dann hat Irena eine ungewöhnliche Idee. Und die bringt den Durchbruch Irena und Stefan Band 5: „…wenn zwei und eins gleich zwei ist“ Klara Lenz, ein kleines zweijähriges Mädchen ist schwer erkrankt. Sie hat Leukämie. Und als schon die Eltern die niederschmetternde Mitteilung bekommen haben, dass sie als Stammzellenspender nicht in Frage kommen, erhalten die Großeltern die nächste niederschmetternde Nachricht. Auch sie können ihrer Enkeltochter nicht helfen. Aber aus ganz anderen Gründen. In ihrer Verzweiflung wendet sich Anne Lenz, die Mutter von Klara, an Irena Schneider. Sie bittet die Kriminalpolizei um Hilfe. Irena und Stefan erklären sich bereit, den Fall zu übernehmen. Und dann haben sie plötzlich mit einem Verbrechen zu tun, das an Kaltblütigkeit kaum zu überbieten ist.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Brigitte Finke

Und keiner ist vor euch sicher

Irena und StefanSammelband der Bände 1-5

Inhaltsverzeichnis

Die Reihe „Irena und Stefan“

… und Schuld bist du

Das Buch

32.

33.

34.

Tag Eins

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

Tag Zwei

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

22.

23.

24.

25.

Tag Drei

26.

27.

29.

30.

31.

35.

36.

37.

38.

39.

Tag Vier

40.

41.

42.

43.

44.

45.

46.

47.

48.

49.

50.

Tag Fünf

51.

52.

53.

54.

55.

56.

57.

58.

59.

60.

61.

62.

63.

64.

65.

66.

67.

Tag Sechs – der letzte Tag

68.

69.

70.

71.

72.

73.

74.

… hier habe ich das Sagen

Das Buch

16.

17.

Tag eins

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

Tag zwei

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

Tag drei

15.

18.

19.

20.

21.

22.

23.

24.

25.

26.

27.

Tag vier

28.

29.

30.

31.

32.

33.

34.

35.

36.

37.

38.

39.

Tag fünf

40.

41.

42.

43.

44.

45.

46.

47.

Tag sechs

48.

49.

50.

51.

52.

Tag sieben

53.

54.

55.

56.

…wir haben es nicht vergessen

Das Buch

29.

30.

Tag eins

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

Tag zwei

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

22.

23.

24.

Tag drei

25.

26.

27.

28.

29.

30.

31.

32.

33.

34.

35.

Tag vier

36.

37.

38.

39.

40.

Tag fünf

41.

42.

43.

44.

Tag sechs

45.

46.

47.

48.

49.

Tag sieben

50.

51.

53.

53.

54.

55.

56.

57.

58.

59.

60.

61.

62.

63.

64.

65.

66.

Tag acht

67.

68.

69.

…jetzt sollt auch ihr es spüren

Das Buch

28.

29.

Tag eins

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

Tag zwei

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

Tag drei

21.

22.

23.

24.

25.

26.

27.

28.

29.

30.

31.

32.

33.

34.

Tag vier

35.

36.

37.

38.

39.

40.

41.

42.

Tag fünf

43.

44.

45.

46.

47.

48.

49.

50.

Tag sechs

51.

52.

53.

54.

55.

56.

57.

59.

Tag sieben

60.

61.

62.

63.

64.

65.

66.

67.

68.

Tag acht

69.

70.

71.

72.

73.

74.

75.

Eine Bitte an meine Leser

…wenn zwei und eins gleich zwei ist

Das Buch

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

An einem Mittwoch im Juli vor fünfundzwanzig Jahren

16.

17.

18.

19.

20.

21.

22.

23.

Tag eins 31.12.

24.

25.

26.

27.

28.

Tag zwei 01.01.

29.

30.

31.

32.

33.

34.

35.

Tag drei 02.01.

36.

37.

38.

39.

40.

41.

42.

Tag vier 03.01.

43.

44.

45.

46.

47.

48.

49.

Tag fünf 04.01.

50.

51.

52.

53.

54.

55.

56.

57.

Tag fünf 05.01.

58.

59.

60.

61.

An einem Donnerstag bis Freitag im Juli vor fünfundzwanzig Jahren

62.

63.

64.

65.

66.

Tag sechs 06.01.

67.

68.

69.

70.

71.

Sechs Wochen später

72.

Nachwort

Irena und Stefan

Sammelband

Die Reihe „Irena und Stefan“

Irena Schneider und Stefan Bergmann sind Polizisten bei der Kriminalpolizei der Stadt. Mit ihrem kleinen Team, zu dem noch Silke Werner und Daniel Ostmann gehören, verfolgen sie Verbrecher und klären deren Verbrechen auf.

Und kein Verbrecher ist vor ihnen sicher.

Bei ihren Ermittlungen haben sie sich auch kennen und lieben gelernt.

Ihre Kinder Anton und Moritz, beste Freunde und jetzt auch beste Brüder, sind mit dieser Entwicklung mehr als zufrieden.

Freuen Sie sich auf mehr Bücher aus der Reihe.

Band 1: …und Schuld bist du

Band 2: …hier habe ich das Sagen

Band 3: …wir haben es nicht vergessen

Band 4: …jetzt sollt auch ihr es spüren

Band 5: …wenn zwei und eins gleich zwei ist

Alle Bücher sind in sich abgeschlossen und lassen sich unabhängig voneinander lesen. Sie sind auch alle als Einzelromane erschienen. Da das Lesen in der richtigen Reihenfolge aber mehr Spaß macht, erhalten Sie hier den ersten Sammelband der Reihe. Viel Spaß beim Lesen und Erfolg beim Aufklären der Fälle.

… und Schuld bist du

Irena und Stefan

Band 1

Das Buch

Als die kleine Rina Meyer aus dem Garten verschwindet, steht für ihre Familie die Welt Kopf. Dann kommt der Anruf: Rina wurde entführt. Und der Entführer verlangt, dass keine Polizei eingeschaltet wird und dass die Familie umzieht. Ohne Rina. Und dass sie Rina einfach vergessen. Sonst wird er ihr etwas antun. Keine Polizei, wie soll das gehen? Die Kommissare Irena Schneider, Stefan Bergmann und ihr kleines Team ermitteln im Verborgenen. Doch mit diesem Entführer hatte keiner gerechnet, nicht einmal die Mutter selber.

32.

Endlich läutete die Glocke. Endlich war Schulschluss. Schnell nahm Tobias seine Tasche. Nichts wie heim. Er war schon an der Tür, als er Herrn Schreier, seinen Klassenlehrer, hörte.

„Tobias, warte doch bitte mal. Ich möchte noch mit dir reden.“

Nein! Er hatte doch gar keine Zeit. Langsam drehte sich Tobias um und sah Herrn Schreier an. Er wollte ja nicht unhöflich sein, aber was wollte er denn gerade heute?

„Was ist los mit dir? Du bist mein bester Schüler. Und nicht nur bei mir in Deutsch, auch die anderen Lehrer meinen das. In den letzten beiden Tagen warst du aber mehr als unruhig. Gar nicht so richtig aufmerksam. So kennen wir dich gar nicht, Tobias. Ist irgendetwas vorgefallen? Geht es dir nicht gut? Kann ich dir irgendwie helfen? “

„Nichts, was soll sein? Ich habe eben momentan nicht so meine besten Tage. Das geht doch jeden Mal so. Das wird schon wieder.“

Zumindest hoffte er das. Auf keinen Fall wollte er mehr erzählen. Durfte er auch gar nicht. Keinen durften seine Sorgen etwas angehen. So war es ihnen gesagt worden. Die Sorgen um Rina. Seine kleine Schwester Rina.

„Natürlich habe ich auch mal schlechte Zeiten, da hast du ganz Recht. Das werfe ich dir doch auch nicht vor. So gut müsstest du deinen Lehrer doch kennen. Aber ich dachte, ich kann dir helfen. Bald ist das Schuljahr um. Und du willst dir doch nicht noch das Zeugnis versauen.“

Wollte Tobias nicht, auf keinen Fall. Aber das war momentan nebensächlich. Nur sagen konnte er das Herrn Schreier nicht. Sicher würde der das verstehen, ganz sicher sogar. Aber er durfte nicht. Und dabei würde er sich so gerne die Sorgen mal von der Seele reden.

„Das wird schon wieder Herr Schreier. Vielleicht werde ich auch nur krank. Und das geht ja dann wohl vorüber. Jetzt muss ich aber schnell nach Hause. Meine Mutter wartet.“

Und schon war er fort. Nachdenklich sah der Lehrer ihm nach. Irgendetwas stimmt da ganz und gar nicht, dachte er noch. Tobias war eigentlich ein aufgeschlossener 15-jähriger. Immer höfflich, ganz anders als manche seiner Mitschüler, die nur rumpöbeln konnten. Aber heute, das war ja schon fast so, als hätte er ihn, den Lehrer, nur schnell loswerden wollen.

Was solls? Er wollte Tobias noch zwei, drei Tage Zeit lassen. Vielleicht fängt er sich ja bis dahin wieder. Ansonsten würde er wohl mit der Mutter reden müssen.

33.

Musste das jetzt wirklich sein? Musste Herr Schreier ihn gerade heute aufhalten. Wo er doch Angst um seine Schwester hatte. Ausgerechnet Rina musste das zustoßen. Er konnte es noch immer nicht verstehen. Er wollte es auch gar nicht verstehen.

Tobias hatte zwei Schwestern. Luana war 13, und damit zwei Jahre jünger als er. Und ja, er liebte Luana auch. Klar zofften sich die beiden auch mal, wo passierte das nicht? Aber eigentlich waren sie so richtig gute Geschwister. Sagte auch seine Mutter immer und auch die Großeltern meinten das. Und die mussten es ja wissen.

Aber Luana war schon immer ziemlich selbständig. Sie brauchte seine Hilfe selten mal.

Anders war das bei Rina, seiner gerade mal 4 Jahre alten Schwester Rina. Natürlich brauchte sie noch jemanden der ihr half. Sie brauchte ihn, Tobias.

Das alles war auch kein Wunder. Als Rina geboren wurde, war seine Mutter sehr traurig. Genau genommen war sie das da schon ein halbes Jahr lang. So lange, wie sein Vater damals tot war. Genau sechs Monate nach dem grässlichen Arbeitsunfall von Tobias Vater, dem Feuerwehrmann, war Rina zur Welt gekommen.

Klar brauchte seine Mutter da Hilfe. Und klar waren da zwei Omas und zwei Opas, die halfen. Aber damals war Tobias ja schließlich auch schon elf. Mit elf durfte man sich schon als Mann im Haus fühlen. Und so nahm er sich der kleinen Rina besonders an. Und das war bis heute so geblieben.

Und das würde auch so bleiben. Immer, für alle Zeit. Das hatte er sich geschworen. Wenn man ihn nur lassen würde. Oh wie sehr hoffte er das. Er machte sich solche Sorgen um Rina.

Also erstmal schnell heim. Vielleicht gab es ja schon etwas Neues. Vielleicht, ja vielleicht…

„Hallo Mama, ich bin wieder zu Hause. Ist Rina…?“

Er musste seine Mama nur ansehen. In ihr trauriges Gesicht blicken und schon kannte Tobias die Antwort: Nein, Rina war nicht wieder da.

Seit drei Tagen war sie nun schon verschwunden. Einfach so. In einem Moment war sie noch im Garten spielen – und im nächsten verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt.

Und dabei war der Garten doch so gut gesichert. Sein Papa hatte den hohen Zaun noch gebaut. Schließlich waren er und Luana ja auch mal klein gewesen. Und sie waren nie verschwunden. Immer war der Garten sicher gewesen. Wieso also jetzt Rina? WO WAR RINA?

34.

„Nein. Tobby, es gibt nichts neues. Ich habe den ganzen Tag am Telefon gesessen. Kein weiterer Anruf. Kein Nichts.“

Mama liefen die Tränen übers Gesicht. Aber seine schöne Mama sollte doch nicht weinen. Dann sah sie doch überhaupt nicht mehr schön aus. Ob er sie mal in die Arme nahm? Aber dann weinte er bestimmt gleich mit. Und dann wäre Mama noch trauriger.

„Komm rein, Oma hat euch etwas zu essen gebracht. Sie war vorhin gerade schnell hier. Sie hat euer Lieblingsessen gekocht.“

Als wenn er jetzt Appetit hätte. Nur schnell etwas essen, damit er nicht etwa wirklich noch krank wird. Da war ihm aber ganz egal, was es war.

„Mama, du darfst nicht weinen. Wir müssen alle ganz stark bleiben. Rina kommt wieder. Und dann braucht sie uns. Das weißt du doch.“

Ja, daran wollte seine Mama glauben. Aber das war so verdammt schwer. Er merkte es ja selber.

„Wie war es in der Schule?“

„Ganz in Ordnung. Herr Schreier ist mit mir zufrieden, das Schuljahr ist ja auch fast um.“ Das stimmte ja eigentlich auch, nur heute war es eine glatte Lüge. Aber nur nichts davon erzählen. Er bekam das schon hin.

Wenn nur endlich Rina wieder hier wäre.

„Wo ist Luana? Ist sie nicht mit dir aus der Schule zurückgekommen?“

„Keine Angst Mama. Luana hat noch bis zum Nachmittag Unterricht. Aber ich habe schon mit Opa gesprochen. Er holt sie dann ab und bringt sie nach Hause. Luana wird nichts passieren. Komm wir gehen ins Haus. Ich werde schnell etwas essen und dann fahre ich mit dem Fahrrad wieder durch die Gegend. Vielleicht sehe ich ja etwas, das uns hilft.“

Das macht er jetzt schon seit drei Tagen. Seit drei Tagen hatte er nichts entdeckt, das hilft. Seit drei Tagen bangten sie um Rina.

Drei Tage war es jetzt her, seit Rina verschwunden und dieser merkwürdige Anruf gekommen war.

35.

Tag Eins

1.

„Hallo Mama, ich bin zu Hause.“ Tobby kam ins Haus gestürmt. Er hatte heute eine Stunde eher Schulschluss gehabt. Die verhasste Chemiestunde war ausgefallen. Der Unterricht selber war ja gar nicht mal so schlecht. Aber nachmittags um drei noch Schule? Wo ging denn so etwas? Und alles nur, weil seine Schule keinen Lehrer hatte und der aus der Nachbarschule ausgeborgt werden musste. Aber heute war auch der letzte Chemielehrer noch ausgefallen.

Jetzt konnte er wenigstens eher auf den Sportplatz. Seine Freunde waren sicher auch schon dort. Sie wollten sich zum Fußball treffen. Micha hatte zum Geburtstag einen neuen Fußball bekommen. Einen richtigen guten Lederball. Nur schnell umziehen und dann…

Aber warum kam keine Antwort von Mama? War sie etwa gar nicht zu Hause? Um die Zeit!

„Luana, bist du zu Hause? Wo ist Mama?“ Langsam wurde ihm ganz komisch.

„Hi, Tobby“, Luana sah ganz verweint aus. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht.

„Was ist los, nun sag schon.“

„Mama ist bei der Polizei. Rina ist verschwunden. Sie waren hinten im Garten spielen und Rina hatte Durst. Da ist Mama schnell mal in die Küche und wollte ihr Saft holen. Du weißt doch auch, dass eigentlich nichts passieren kann. Papa hat den Garten so sicher gemacht.

Aber als sie wieder rauskam, war Rina nicht mehr zu sehen. Ich war gerade heimgekommen. Wir haben gleich überall gesucht. Zuerst haben wir ja gedacht, sie hat sich mal wieder versteckt. Du weißt ja, dass das in letzter Zeit ihr Lieblingsspiel ist.

Aber Rina war nirgends. Wirklich nirgends, Toby. Wir haben überall gesucht. Hinter dem großen Strauch, im Schuppen, in ihrem Zelt, überall, sogar im Baumhaus – obwohl sie ja ganz genau weiß, dass sie dort nicht hoch soll. Sie war nicht zu finden. Sie…“

„Halt, Luana. Ich glaube dir ja. Hol aber erstmal Luft. Habt ihr auch in der Umgebung gesucht? Sie kann ja nicht vom Erdboden verschluckt sein. Und weit gekommen kann sie so alleine auch nicht sein.“

„Mama wollte erstmal zur Polizei, dann suchen wir, hat sie gesagt. Aber die Polizei soll gleich mitsuchen. Tobby, ich habe solche Angst.“

Hatte Tobby auch, aber das wollte er jetzt nicht zugeben. Er war hier der Mann im Hause, seit sein Papa nicht mehr da war. Und als solcher musste er stark sein und einen kühlen Kopf bewahren. Nicht, dass Mama das von ihm erwartete. Aber Papa wäre sicher stolz auf ihn.

Er war auch immer stolz auf seinen Papa gewesen. Auf den Feuerwehrmann, der dann bei einem Einsatz ein Kind aus einem brennenden Haus gerettet hat und dabei selber…

Nicht dran denken. Nicht gerade jetzt. Das lenkte ihn nur ab. Jetzt war nur Rina wichtig.

„Los komm, bis Mama wieder da ist, werden wir schon mal suchen. Du hier in der Umgebung, ich nehme das Fahrrad und fahre ein bisschen rum.“

„Wir sollen aber hierbleiben, Tobby. Wenn Mama nach Hause kommt und wir sind nicht da, bekommt sie bestimmt noch mehr Angst.“

Hm, da war etwas dran. Papa und Mama haben sie ja immer davor gewarnt, mit Fremden mitzugehen. Sie gingen auch beide zum Kampfsport. Aber Luana war schließlich ein Mädchen. Und für die war die Gefahr noch viel größer als für ihn als Jungen. Und außerdem war er immerhin schon 15. Kein Kind mehr.

„Du hast natürlich Recht, Luana. Du bleibst hier und wartest auf Mama. Es ist auch besser, wenn jemand im Hause ist. Falls Rina wieder nach Hause kommt. Ich fahre aber auf jeden Fall mal durch die Gegend.“

Und schon war er zur Türe raus und hatte sich sein Fahrrad genommen. Gut, dass er es vorhin nicht erst aufgeräumt hatte.

Schnell noch eine Nachricht an Micha, seinen besten Freund. Komme heute nicht. Das musste reichen. Morgen in der Schule konnte er den anderen dann immer noch alles erzählen. Dann würden sie auch schon drüber lachen können, denn bis dahin war Rina sicher wieder da. Oder ob er schnell zum Sportplatz fuhr und die anderen informierte. Vielleicht konnten sie ja alle suchen. Nein erst mal nicht, das hatte wirklich morgen noch Zeit.

Die Stadt war nicht sonderlich groß, man konnte ganz schnell von einem Ende zum anderen gelangen oder auch von einer Seite zur anderen. In kurzer Zeit war man auch einmal ringsherum gefahren. Und selbst mehrmals hin und her dauerte nicht ewig. Auch gab es nicht viele Ecken, wo sich ein kleines Kind verstecken konnte. Nicht, ohne dass es dann so alleine Angst bekam.

Trotzdem, nirgends sah er Rina. Nicht auf dem Spielplatz mit der großen Rutsche, die sie gerade für sich entdeckt hatte. Nicht bei der Hundepension und dem kleinen weißen Hund, den sie so gern streichelte. Nicht beim Eisverkäufer, nicht im Park am Goldfischteich.

Der Goldfischteich! Wenn Rina dorthin… Aber sie wusste doch, dass das gefährlich war. Sie war noch nie alleine an den Teich gegangen. Und außerdem konnte sie ja auch schon ein bisschen schwimmen. Nein, daran wollte er jetzt gar nicht denken.

Ob sie etwa zu Oma und Opa gelaufen ist? Seine Großeltern von Mama und Papa wohnten zusammen in einem Haus. Jeder hatte seine eigene Wohnung, aber für die Enkel war das wirklich bequem. Sie konnten immer beide Großeltern zusammen besuchen.

Nein, dort war sie wahrscheinlich auch nicht, denn dann hätten die doch bestimmt sofort angerufen. Hatten sie ja damals auch gemacht, als er mit sechs Jahren seinen Ausflug zu ihnen unternommen hatte.

Und Marko, Mamas neuer Freund, hatte keine Eltern mehr.

Das schied also alles aus. Tobby hatte keine Idee mehr, wo er noch suchen sollte. Und selbst wenn sie einfach drauflosgelaufen wäre und jemand hatte sie gesehen, jemand der keine bösen Absichten hatte, dann hätte Rina ihm erzählen können wer sie ist und wo sie wohnt. Das hatte er selber mit ihr geübt.

Ob sie vielleicht schon wieder zu Hause war? Aber dann hätte ihn Luana bestimmt angerufen oder eine Nachricht geschickt.

Ping Wie gerufen klingelte sein Telefon.

„Mama, ist Rina wieder da?“

„Nein Tobby. Komme aber bitte wieder nach Hause. Ich möchte euch jetzt hier zusammen bei mir haben.“

Was sollte das denn? Aber Mama würde ihm das bestimmt gleich erklären.

2.

„Mama, ich bin da. Hast du bei der Polizei etwas erreicht? Ich…“

Tonja Meyer stand in der Küche und wusste nicht, was sie hier gerade machen wollte.

Der Tag hatte heute Morgen so schön begonnen. Endlich schien mal so richtig die Sonne. Sie wollte nach der Arbeit mit Rina draußen spielen und dann für alle ein leckeres Abendbrot machen. Irgendetwas, das die Kinder besonders gerne mochten und wozu meist keine Zeit blieb. Vielleicht hätten sie sogar mal wieder eine Pizza gebacken, auf die dann jeder hätte legen dürfen, was ihm schmeckt.

Und heute Abend wollten Marko und sie so wie jeden Tag lange miteinander telefonieren. Marko war der neue Mann an ihrer Seite.

Natürlich ist er nicht Thomas, hatte sie morgens noch gedacht. Ihren ersten Mann konnte ihr niemand ersetzen. Er war ihre erste und große Liebe gewesen. Aber Thomas war tot. Seit 4,5 Jahren, als er von einem Feuerwehreinsatz nicht nach Hause gekommen war.

Damals war sie gerade mit Rina schwanger. Und bald hätte sie ihre Tochter damals verloren. Ja, sie war sogar kurz wütend auf die Ärzte gewesen, dass sie eben das verhindert hatten.

So ohne Thomas hatte das alles keinen Sinn. Und überhaupt…

Heute konnte sie das alles nicht mehr verstehen. Sie liebte ihre Kinder, alle drei. Auch Rina konnte sie jetzt lieben. Da gab es für sie keinen Unterschied zwischen ihren Kindern. Es waren eben ihre Kinder, die von Thomas und ihr.

Die erste Zeit ohne ihren Mann war schwer gewesen, manchmal wusste sie nicht, wie sie es schaffen sollte. Manchmal hätte sie sich gewünscht, es auch nicht zu müssen. Aber da waren ja auch noch Tobby und Luana. Sie hatten es ja damals genauso schwer, sie hatten ihren geliebten Vater verloren. Sie brauchten sie. Sie brauchten sich alle gegenseitig.

Und das hatte auch ganz gut geklappt. Tobby dachte wohl manchmal, er müsste sie beschützen. Aber das hatte ihm wahrscheinlich geholfen. Er hatte ganz besonders an seinen Vater gehangen. Wollte später auch mal Feuerwehrmann werden.

Manchmal dachte sie da mit gemischten Gefühlen dran. Der Beruf war gefährlich. Aber sich ihrem Sohn in den Weg stellen, wenn es um dessen Zukunft ging? Niemals.

Aber dann hatte sie vor zwei Jahren Marko getroffen. Marko war Fernfahrer und wollte sich aus der Bibliothek, in der Tonja da seit knapp drei Wochen arbeitete, Bücher für seine nächste Fahrt holen.

Er hatte sie erst eine Weile angesehen und wohl gedacht, sie würde es nicht merken. Dann hatte er sie nach ihrer Empfehlung für ein paar gute Bücher gefragt. Natürlich hatte sie sofort geahnt, dass er eigentlich ganz genau wusste, was er lesen wollte. Aber sie hatte gerne mitgespielt.

Und daraus war dann ihre zweite große Liebe geworden. Marko war ganz anders als Thomas, und das war gut so. Er hatte auch nie versucht, Thomas zu ersetzten sondern wollte nur einfach er selber sein und als er selber anerkannt und geliebt werden. Und das fiel ihr bei ihm überhaupt nicht schwer. Das Wichtigste war aber, dass er sie und die Kinder liebte. Und die Kindern akzeptierten ihn, mochten ihn sogar. Für Rina war er sogar ihr Papa.

Die Fahrt jetzt sollte die letzte sein. Marko hatte einen neuen Job als Busfahrer im Linienverkehr gefunden und bei seinem alten Arbeitgeber schon gekündigt. Das würde für beide eine Umstellung werden, die sich aber sicher lohnte. Sie wollten heute Abend am Telefon ein bisschen feiern. Und nun musste sie ihm sagen, dass Rina weg war.

Aber durfte sie das? Was, wenn ihm auch noch etwas passierte, weil er unaufmerksam fuhr? Denn er würde sich genauso Gedanken machen wie sie hier. Sie wusste es einfach nicht. Oder konnte sie vielleicht seinen Chef anrufen, dass er einen Ersatz schickte? Das wäre wahrscheinlich die beste Lösung, aber anderseits: wenn sie ihm einfach nichts sagte und ihn heimkommen lassen würde – das ginge wahrscheinlich am schnellsten.

Aber was wollte sie denn nun hier in der Küche, mit dem großen Messer in der Hand? An Essen kochen war doch jetzt nicht mehr zu denken.

„Mama, was machst du dort?“ Tobby stand vor ihr und sah sie ganz ängstlich an. „Was hat die Polizei gesagt?“

„Ach ja, richtig. Die Polizei. Sie fangen gleich mit der Suche an. Es kommt dann auch gleich noch eine Beamtin mit einem Hund vorbei. Der wäre wohl der allerbeste und soll deshalb bei der Suche helfen. Wo warst du?“

„Ich bin mit dem Fahrrad unterwegs gewesen. War überall, Spielplatz, Eisverkäufer, Hundepension, Park. Überall wo Rina immer so gerne ist. Nur im Oma-Opa-Haus war ich nicht. Die hätten doch bestimmt angerufen, wenn Rina dort wäre. Ich wollte sie erstmal nicht erschrecken. Du weißt ja, Oma Anitas Herz.“

Oma Anita war die Mutter von Thomas. Da hatte Tobby vollkommen richtig gehandelt. Er war eben schon ein richtig vernünftiger 15-jähriger. Manchmal noch der kleine Junge, an den sie sich so gerne erinnerte, wie eben die meisten in dem Alter. Aber wenn es drauf ankam, konnte man sich zu 100 Prozent auf ihn verlassen. Dann war er schon richtig erwachsen.

„Nein, wir erzählen erstmal nichts. Rina ist doch heute Abend wieder da. Und da müssen wir sie nicht erst beunruhigen.“

Tonja hoffte ja so sehr, dass das stimmte. Sie wollte nichts anderes denken. Aber glaubte sie das selber? Sie hatte Angst, einfach nur Angst um ihre Tochter. Und Tobias hatte auch Angst, sie sah es ihm an.

Da klingelte das Telefon. Wer ruft jetzt an? Sie wollten doch mit niemanden reden. Oder hatte jemand ihre Rina gefunden? Aber woher sollten sie dann die Telefonnummer haben? Sie standen nicht im Telefonbuch und Rina war noch zu klein, um die Nummer zu kennen.

3.

„Hallo?“ Tobby sprach ganz vorsichtig in das Telefon.

„Ich will mit Frau Meyer sprechen?“

„Mama, für dich. Die Stimme klingt aber so komisch, wie verstellt. Als wenn wir den Anrufer nicht erkennen sollen.“

Was? Was sollte das? Tonja konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Das konnte doch nichts mit Rina zu tun haben. Oder war das eingetreten, woran zu denken sie sich bisher verboten hatte? Hatte man ihre Rina…?

„Ja, ich bin Frau Meyer. Wer spricht da?“

„Das kann dir ganz egal sein. Wichtig ist nur, dass Rina hier bei mir ist. Und hier wird sie auch bleiben. Du brauchst keine Angst um sie haben, ich würde ihr nie etwas tun. Es sei denn, du willst es so.“

„Nein, natürlich nicht. Aber Rina gehört zu uns. Ich bin doch ihre Mutter. Und sie braucht mich. Bitte…“

„Sei still. Ihre Mutter, dass ich nicht lache. Ich sollte ihr Mutter sein. Und das werde ich ab jetzt auch.

Pass auf! Keine Polizei. Ihr werdet nicht nach Rina oder mir suchen. Ich bin großzügig zu dir, denn du hast genau drei Wochen Zeit. Dann bist du in eine andere Stadt gezogen. Und eure Oma-Opa-Sippe gleich mit.

Ihr zieht irgendwo hin, wo euch keiner kennt. Wo es eine Rina nie gegeben hat. So wird es auch keinem auffallen, dass sie nicht mehr bei euch ist.

Natürlich müsst ihr auch die Kontakte zu all euren Freunden abbrechen. Aber das dürfte euch ja nicht so schwerfallen, es geht hier schließlich um Rinas Leben.

Wenn ihr euch an meine Anweisungen haltet und keiner nach uns sucht, werdet ihr sie zwar nicht wiedersehen aber es wird ihr auch nichts passieren. Und vielleicht bekommt ihr zur Belohnung sogar jedes Weihnachten ein Foto von ihr. Natürlich ohne mich, ihre wahre Mutter, darauf.

Wenn nicht, nun dann – eene, meene, muh - seid ihr Schuld, wenn ich ihr weh tun muss.“

„Aber warum? Was habe ich Ihnen denn getan? Kann ich irgendetwas wieder gut machen. Ich weiß ja nicht mal, wer Sie sind.“

„Und das wird auch so bleiben.“ Und schon war aufgelegt. Nur noch ein Tuten war im Telefon zu hören.

„Mama, was war das? Wer war das? Hat jemand Rina entführt?“ Luana stand in der Tür und hatte alles mitgehört. Ihr liefen die Tränen übers Gesicht, genau wie bei Tonja und Tobby. Keiner mochte etwas sagen. Tonja wünschte sich, dass der Tag noch mal von vorne beginnen sollte. Oder wenigstens ab Mittag. Dann würde sie alles anders machen. Dann müsste Rina eben mit reinkommen, wenn sie Durst hat.

Und doch mussten sie etwas unternehmen. Jetzt.

„Ich muss die Polizei informieren. Sie dürfen auf keinen Fall herkommen. Die Entführer wollen nicht, dass wir nach Rina suchen. Sonst tun sie ihr weh. Dass ich schon dort war, haben sie ja offensichtlich noch nicht mitbekommen. Zum Glück.“

„Aber du willst doch nicht wirklich machen, was der Entführer sagt. Mensch Mama, das geht nicht so. Wir können Rina doch nicht einfach aufgeben.“ Tobias war außer sich.

„Nein, natürlich nicht. Tobby, ich werde doch unsere Rina nicht einfach so einer Fremden überlassen, die ich noch dazu gar nicht kenne. Aber wir müssen zumindest so tun, als ob wir mitspielen.“

Ja, das konnte Tobby verstehen. Auch wenn er absolut noch nicht wusste, wie das gehen sollte.

„Hallo, hier spricht Tonja Meyer. Bitte schicken sie auf keinen Fall die Beamtin mit dem Hund her.“ Und dann erzählte Tonja dem Polizisten am Telefon von dem seltsamen Anruf.

„Ja, der Anrufer hat tatsächlich verlangt, dass wir alle umziehen. Und ich werde darauf eingehen. Zum Schein.“

Wieder hörte sie eine Weile zu. „Okay, so machen wir das, das funktioniert bestimmt. Ich werde meinen Sohn Tobias sofort losschicken. Und dann wird er auch zu meinen Eltern und Schwiegereltern fahren und denen alles erklären. …. Ja ich bleibe zu Hause. Und nein, ich kann nicht sagen, ob mich ein Mann oder eine Frau angerufen hat. Die Stimme war verstellt und klang einfach nur blechern.“

Tonja war wie aufgezogen. Jemand hatte ihre Tochter entführt und sie sollte die Füße stillhalten. Nicht mit ihr. Derjenige kannte sie nicht. Oder vielleicht doch? Woher wusste er sonst von ihr? Und er kannte ja auch ihre Familienverhältnisse. Oder war es eine sie? Moment mal. Klar war es eine sie. Die hatte doch gesagt, dass sie ihre Mutter sein wollte. Oder war auch das eine Finte.

Sie wollte jetzt erst mal ganz fest dran glauben, dass Rina nichts passierte. Dass sie Rina finden und wieder zu ihr bringen würden. Zu ihrer Mama, ihrem Bruder und ihrer Schwester. Zu ihrem Papa Marko und zu den Omas und Opas.

Aber jetzt musste erstmal der Plan der Polizistin ausgeführt werden.

„Tobby, komm mal her.“

4.

„Du wirst jetzt die Omas und Opas besuchen. Du sollst sie einweihen. Mache das bitte ganz vorsichtig. Und sie dürfen natürlich auch keinen sagen, dass Rina nicht da ist.

Wir werden überall erzählen, Rina ist an der See im Krankenhaus und wir wollen ganz schnell dorthin ziehen. Weil es ihr nur dort besser gehen wird. Sie sollen auch keinen mehr ins Haus lassen, damit keiner sieht, dass sie nicht wirklich packen.

Unterwegs triffst du so ganz zufällig eine Bekannte, Frau Schneider. Auch ihr erzählst du die Geschichte. Und zwar ruhig so, dass es die Leute in der Nähe hören können. Frau Schneider ist die Hundeführerin, von der ich vorhin erzählt habe. Stelle dich dabei so, dass du mit den Rücken in die Richtung stehst, aus der du gekommen bist. Dann kann ein etwaiger Verfolger nicht sehen, was du vor deinem Bauch machst.

Frau Schneider wird dir gleich zu Beginn des Gespräches einen Beutel mir Rinas Socken von heute Vormittag abnehmen. Anhand derer soll dann Jelly, das ist die Hündin, Rinas Spur aufnehmen.

Hoffen wir, dass alles klappt.

Ach und Tobby, sage ihr doch bitte noch, dass es wahrscheinlich eine Frau war, die mich angerufen hat. Ich habe mich gerade daran erinnert, dass sie ab jetzt Rinas Mutter sein will. Und das bedeutet…“

„Ok, Mama, ich verstehe. Ich mache mich gleich auf den Weg. Rufe mal schon im Oma-Opa-Haus an, dass ich vorbeikomm. Damit auch alle zu Hause sind.“

Tobby war jetzt richtig aufgeregt. Endlich konnte er etwas machen, konnte er helfen, damit Rina wieder nach Hause kam. Er fühlte sich gleich viel besser.

Gut, die Idee eine Krankheit vorzuschieben fand er nicht so toll. Man sollte doch immer froh sein, dass alle gesund sind. Aber eine bessere hatte er auch nicht. Vor allem brauchten sie ja eine, die erklärte, warum Rina nicht da war. Und Micha sage immer Der Zweck heiligt die Mittel. Für das hier konnte er das sogar mal durchgehen lassen.

„Was wirst du Marko erzählen, wenn er heute Abend anruft?“

Das hatte Tonja ja schon wieder total vergessen. Sie konnte am Telefon nichts sagen. Aber ihn anlügen wollte sie natürlich auch nicht. Sie wollten sich doch immer alles erzählen. Und bis auf eine Sache hatte sie sich bisher auch darangehalten.

„Ich weiß nicht, Tobby. Hoffentlich brauche ich gar nichts sagen, weil Rina bis dahin wieder da ist.“

Schnell waren die Socken in eine Tüte gesteckt.

„Hier nimm meine Bauchtasche. Die sieht man von hinten nicht, wenn du deine Jacke los drüberziehst.“

Luana kam mit ihrer Tasche, die sie sonst nie aus der Hand gab. An jedem anderen Tag wäre sich Tobby damit doof vorgekommen. Er war doch kein kleiner Junge mehr und auch kein Mädchen. Aber heute – heute war alles anders. Und wie war das mit dem Zweck und den Mitteln? Genau!

„Okay, danke. Gib schnell her. Ich will los. Es zählt jede Minute.“

Beinahe kam er sich vor, wie in einem Spionagethriller. Aber eben nur beinahe. Leider war es ernst, bitterer Ernst. Am liebsten hätte er laut geschrien. Er wollte, dass alles wieder seine Richtigkeit hatte, dass Rina wieder hier bei Ihnen zu Hause war. Punkt.

„Hier, trotz allem. Vergiss deinen Fahrradhelm nicht.“ Mama sorgte sich um ihn, klar. Aber hatte sie nicht schon genug Sorgen?

Schnell schwang sich Tobby auf sein Fahrrad. Frau Schneider sollte am Eingang zum Park auf einer Bank sitzen. Gemeinsam mit ihrem Hund, an dem er sie auch erkennen sollte.

Tobby war schnell dort und trat so scharf auf die Bremse, dass hinter ihm eine Staubwolke entstand. Hoffentlich war sie das auch. Aber es saß nur eine einige Frau mit einem Hund hier. Überhaupt war nur der eine Hund zu sehen.

„Oh, hallo Frau Schneider. Schön dass ich Sie treffe. Da kann ich mich gleich von Ihnen verabschieden.“

„Verabschieden? Warum denn das“ Und dann leise: „Wo hast du den Beutel? Sprich laut weiter und erzähle deine Geschichte. Du machst das toll.“

Während Tobby erzählte, dass sie fortziehen müssten -wohin sollte er nicht laut sagen und dass Rina krank sei, dass konnte er einfach nicht- nahm er den Plastiksack mit Rinas Socken aus der Bauchtasche. War eben doch ein tolles Ding, so eine Mädchentasche. Da musste er Luana für ihre Idee dann unbedingt noch loben.

„Gut, Tobias. Deine Schwester hat einen tollen großen Bruder. Da kann sie richtig stolz sein. Fahre jetzt zu deinen Großeltern, so wie abgemacht. Ich werde noch ein bisschen warten und dann mit Jelly die Suche beginnen.“

„Danke, Frau Schneider. Hoffentlich findet sie Rina. Ach, beinahe hätte ich es doch noch vergessen. Mama geht davon aus, soll ich Ihnen sagen, dass es eine Frau war, die angerufen hat. Sie meinte nämlich, sie sei ab jetzt Rinas Mutter.“

„Los komm, mach schnell. Wir müssen den Zug erreichen.“

„Ich will aber nicht. Ich will zu meiner Mama.“

„Deine Mama kann jetzt nicht kommen, das habe ich dir doch schon erklärt.“

„Uns warum tommt dann Tobby nicht?“

5.

Jetzt musste er zu seinen Großeltern ins Oma-Opa-Haus. So hatte Luana das damals genannt, nachdem alle Großeltern zusammengezogen waren. Damals war sie 9 Jahre und hatte immer so verrückte Ideen, besonders wenn es darum ging, für irgendetwas oder wem einen Namen zu erfinden. Das Ganze den Vieren zu erzählen würde viel, viel schwerer werden. Hoffentlich regt sich Oma Anita nicht so auf, dachte er noch.

Anita Meyer war die Mutter von seinem Papa. Sie war 65 Jahre, sein Opa Klaus war jetzt 68. Früher mal, als sie noch arbeiten waren, waren sie die Gärtner der kleinen Stadt. Den Laden, in dem es immer frische Blumen und im Sommer auch Gemüse gab, hatten sie inzwischen verkauft. Jetzt wurde nur noch im eigenen kleinen Garten gewerkelt. Aber das mit großer Freude. Die Gurken und Tomaten von Opa Klaus waren unübertroffen.

Beide hatte es schwer getroffen, als ihr einziger Sohn Thomas bei dem Unfall damals gestorben war. Anita war sogar mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus gekommen.

Durch die gute Betreuung der Ärzte und die Pflege der Schwestern und Pfleger hatte sie sich wieder erholt. Und natürlich hat auch die Liebe ihrer Enkel geholfen. Auch ihre Schwiegertochter liebte sie, und das beruhte durchaus auf Gegenseitigkeit.

Damals hatten sie beschlossen, mit den Eltern von Tonja in eine gemeinsames Haus zu ziehen. Jeder bewohnte eine Etage, sie oben und die Schusters unten.

Jochen und Reni Schuster, 62 und 60 Jahre alt, waren von der Idee genauso begeistert gewesen. Es hatte ja auch viele Vorteile.

Man konnte sich gegenseitig unterstützen. Jeder hatte schließlich etwas, das er besonders gut konnte. Und eben auch Dinge, die er ohne Hilfe nicht so recht zu Stande brachte. Das hatten sie sich selbst gegenüber eingestanden. Und so funktionierte diese Alters-WG entsprechend gut.

Das Wichtigste aber: Wenn die Enkel kamen, waren sie immer gleich bei beiden Großelternpaaren. Da gab es keinen Streit und keine Eifersucht.

Man setzte sich eben gemeinsam an die Kaffeetafel und aß Renis Kuchen. Die Schusters hatten die einzige Bäckerei in der Stadt betrieben, die jetzt leider geschlossen war. Brot musste man seitdem im Supermarkt holen oder in die nächste Stadt fahren. Nur für die Familie hatte sich Opa Jochen noch eine Holzbackofen im Garten bauen lassen.

Und wenn die Enkel da waren, konnten sie erzählen und alle hörten gleichzeitig zu.

Ja, Anita und Klaus hatten davon gehört, dass in anderen Familien der Kontakt zu Schwiegertochter oder Schwiegersohn und den Enkel nach einem Todesfall abbrach. Aber da hatte dann bestimmt schon vorher nicht alles gestimmt.

Manche Schwiegereltern waren ja auch komisch. Aber so waren beide nicht, nicht die Meyers und auch nicht die Schusters. Da waren sich Tonja und Thomas immer einig gewesen. Und das war gut so.

„Hallo, ist jemand zu Hause? Es ist ganz wichtig. Ich muss unbedingt mit euch reden.“ Tobby hatte sein Fahrrad neben dem Haus fallen lassen. Das machte er sonst nie, er liebte sein Rad. Und er wusste auch, dass alles Geld kostete und dass Geld nicht gerade auf Bäumen wuchs.

Da kam auch schon Anita um die Ecke und sah ihren Enkel erschrocken an. So aufgeregt war er selten. Es war doch hoffentlich nicht wieder etwas passiert.

„Hallo Tobby, wir sind alle hinten im Garten und wollten gerade Kaffee trinken. Komm setz dich dazu, ich mach dir nur schnell einen heißen Kakao.“

„Äh, nein Oma. Dafür ist keine Zeit. Komm einfach mit hinter. Gut, dass ihr schon zusammensitzt. Da kann ich dann gleich los erzählen.“

Das klang doch nicht gut. Anita hatte sofort wieder Schweiß auf der Stirn, ihr Herz raste. Aber sie sollte sich nicht aufregen. Davor hatte der Arzt sie eindringlich gewarnt. Erstmal tief Luft holen und dann abwarten. Vielleicht war es ja auch etwas Gutes, das Tobby zu erzählen hatte. Auch das konnte aufregend sein.

Aber es sollte anders kommen. Und nur ihr Atemtraining, vier Jahre geprobt, bewahrte sie vor schlimmen gesundheitlichen Folgen.

„Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Es ist alles so schwer.“

„Leg einfach los, schweres wird nicht einfacher, wenn man es nicht ausspricht.“ Sein Opa Jochen wieder, immer für den direkten Weg.

„Rina ist verschwunden, sie wurde entführt. Und wir wissen nicht von wem.“

„Entführt? Was heißt entführt?“ „So einfach entführt man doch kein Kind.“

„Eben doch. Rina war mit Mama im Garten. Und dann hatte Rina Durst. Mama war nur ganz kurz in der Küche und als sie wieder rauskam, war Rina verschwunden. Sie hat keine Ahnung, wie sie aus unserem sicheren Garten fortkonnte. Eigentlich geht das doch gar nicht. Papa hat doch den Garten so sicher gemacht.“

„Und Rina hat sich nicht nur versteckt? Auch hier hat sie das in letzter Zeit immer mal gemacht. Und alle Achtung, sie findet vielleicht gute Verstecke.“

„Deine Mama kann ganz sicher nichts dafür. Sie ist eine gute Mama und würde alles für euch tun. Das wissen wir doch.“ Die Großeltern waren sich da vollkommen einig . Waren doch die Kinder alles, das Tonja noch von ihrem Mann hatte.

Und auch Marko, dem neuen Freund an Tonjas Seite, konnten sie vertrauen. Er liebte Tonja, und er liebte die Kinder.

„Mama und Luana haben überall im Haus und im Garten gesucht, sie ist nicht da.“

„Aber woher wisst ihr, dass sie entführt wurde? Kann sie nicht auch einfach fortgelaufen sein?“

„Haben wir dann auch gedacht. Wir haben auch überall gesucht. Ich bin die ganze Stadt abgefahren, war an allen Lieblingsorten von Rina. Und Mama war schon bei der Polizei.

Aber dann kam dieser furchtbare Anruf. Eine verstellte Stimme hat gesagt, dass sie Rina hat. Dass ihr aber nichts passiert, wenn Mama macht, was sie soll.“

„Das ist ja furchtbar. Und was sollt ihr machen?“

„Wir dürfen vor allem niemanden etwas sagen. Auch nicht der Polizei. Und dann sollen wir wegziehen. Ganz weit weg, wo uns keiner kennt und daher auch keiner Rina vermisst. Also keiner nach ihr fragt. Und ihr müsst mit umziehen.“

„Aber das geht doch nicht. Ihr könnt, wir können Rina doch nicht so einfach aufgeben.“ Oma Reni standen die Tränen in den Augen. Und auch die anderen waren nahe dran, die Fassung zu verlieren.

„Nein, natürlich nicht. Wir tun nur so als ob wir mitmachen würden. Mama hat sofort mit der Polizei telefoniert. Mit meinem Handy, falls unser Telefon oder ihr Handy abgehört werden. Die Polizistin hatte auch gleich eine Idee, wie wir vorgehen können.

Ich habe mich gerade mit Frau Schneider, der Hundeführerin getroffen. Sie hat jetzt Rinas Socken und will dann gleich mit der Suche beginnen.“

„Und wenn sie Rina nicht findet?“

„Opa, wir wollen doch erstmal dran glauben. Aber ansonsten tun wir natürlich alles, dass es so aussieht, als ob wir tatsächlich umziehen würden.

Wir werden allen erzählen, Rina sei krank und an die See in ein Krankenhaus gebracht worden. Und sie müsste ab sofort im Norden leben, wo die Luft besser ist. Nur Seeluft wäre für sie gut.“

„Zum Glück wohnen wir ja in eigenen Häusern, da brauchen wir keinem Vermieter irgendetwas erzählen. Es müssen keine Wohnungen gekündigt werden.“ Opa Jochen war schon weiter mit seinen Gedanken. Er plante schon mit.

„Und was, wenn ihr euch nicht daran haltet?“

Stille, eisige Stille. Keiner wollte daran denken, dass Rina irgendetwas passieren konnte.

„Dann wird es Rina nicht gut gehen. Was genau passiert, hat die Stimme nicht gesagt.“

Ja, sie würden alle mitspielen. Ein böses Spiel, aber eines, dass sie unbedingt gewinnen mussten. Und gewinnen würden!

„Nun komm schon Rina, wir fahren jetzt Zug und dann wartet deine Mama auf dich.“

„Wirtlich? Und dann tann ich mit ihr mitdehen?“

„Das habe ich nicht gesagt. Jetzt aber los.“

6.

Irena Schneider hatte 15 Minuten gewartet. Die Zeit war ihr lange vorgekommen, aber sie wollte auf Nummer sicher gehen. Dann war sie mit Jelly am Haus der Meyers vorbei Richtung Stadtrand gelaufen. Dort erst ließ sie ihren Hund an Rinas Socken schnüffeln.

Jelly war schon ganz aufgeregt. Was für Irena harte Arbeit war, war für die Fährtenspürhündin fast wie ein Spiel. Am Ende stand eine Belohnung. Und wenn sie das Objekt fand, dann wartete immer eine besonders große Belohnung auf ihn. Das war natürlich nochmal ein zusätzlicher Ansporn für den Hund.

Am liebsten hatte sie ihren blauen Plüschhasen. Denn gab es aber wirklich nur, wenn sie Erfolgt hatte. Sie mochte auch die roten Bälle, die es schon als Belohnung für jede Anstrengung gab, aber der Hase war das Aller-aller-Beste. Und natürlich die sichtbare Freude ihrer Irena, wenn sie den oder die Vermisste gefunden hatten.

Langsam ging Irena mit Jelly zusammen zurück. „Such, Jelly“

Natürlich wusste sie, dass Jelly hier noch nichts finden würde. Deshalb war das auch nicht der richtige Befehl, den würde sie ihr erst am Haus zuflüstern. Jetzt hieß es nur, geradewegs dorthin.

Leise sagte sie deshalb: „Lauf Jelly, Nase runter.“ Sie hatte doch wirklich einen klugen Hund, der sofort verstand.

Am Haus angekommen merkte Irena schon, dass Jelly Witterung aufgenommen hatte. Die Hündin wurde unruhig und zog an der Leine. Na dann mal Los. Jetzt kam der richtige Befehl, nach dem Jelly wusste, dass jetzt gearbeitet wurde.

„Finde Rina!“

Zum Glück ging es erstmal weiter geradeaus, so dass sich an Jelly Verhalten nichts änderte. Zumindest aus der Ferne gesehen für einen unbeteiligten Dritten nicht. Irena spürte schon die Aufregung der Hündin, die Aufmerksamkeit, die sie der von ihr gefundenen Spur widmete. Gut so.

Jelly war sowieso die beste. Es gab noch zwei andere Spürhunde hier bei der Polizei. Alles gute Tiere, bestens ausgebildet. Aber ihrer Jelly konnte keiner das Wasser reichen.

Jelly war eine reinrassige Beagle, die besonders kinderlieb war. Deshalb war sie auch für diese Suche hier bestens geeignet.

Wenn Jelly Rina nicht fand, dann keiner.

Irena war in Gedanken, und trotzdem voll bei der Sache. Sie merkte sofort, dass Jelly mehr an der Leine zog und immer schneller werden wollte.

„Langsam, Jelly. Ich komme ja gar nicht hinterher. Und hier in der Stadt kann ich dich auch nicht einfach laufen lassen.“

Jelly lief zielstrebig auf den Bahnhof zu. Das sah nicht gut aus, gar nicht gut. Hoffentlich war der Zug nicht schon abgefahren.

Aber natürlich hatten sie kein Glück. Jelly legte sich auf den Bahnsteig und versteckte ihr Nase unter der Pfote. Hier endete die Spur. Da half auch kein roter Ball. Auch Jelly war traurig. Sie liefen noch den ganzen Bahnsteig hin und her ab, aber Jelly fand die Spur nicht wieder. Die Entführer mussten mit dem Zug fort sein.

„Es tut mir leid. Der Entführer ist mit Rina im Zug fortgefahren. Und ich weiß nicht, in welchem Zug.“

Irena hatte gerade mit Tonja telefoniert. Sie selber hätte vor Wut heulen können, war außer sich. Warum war sie nicht eher dort gewesen, noch bevor der Zug abgefahren war. Aber sie wusste ja nicht mal, welcher Zug.

Natürlich hatte Irena bereits alles gecheckt. Den gesamten Fahrplan seit der Entführung bis hin zu ihren Eintreffen angesehen. Aber mit Logik kam man da kaum weiter. Dazu wussten Sie einfach zu wenig.

So klein ihre Stadt auch war, der Bahnhof war ein Drehpunkt. Hier ging es zur Landeshauptstadt, in die nahen Berge mit ihren Wanderwegen und sogar nach Berlin fuhr zweimal am Tag ein Zug.

Seit Rinas Verschwinden waren nun schon vier Stunden vergangen und seitdem sage und schreibe vierzehn Züge abgefahren.

Und fragen durfte sie ja niemanden. Keiner konnte ihnen sagen, ob er ein kleines Mädchen gesehen hatte, dass nicht mit der oder dem Erwachsenen mitgehen wollte. Sofern Rina ihren Entführer nicht kannte, das mussten sie natürlich auch bedenken. Aber vielleicht hatte sie sich doch gewehrt. Und es war ja jemand so aufmerksam, dass es ihm auffiel und er die Polizei verständigte. Hoffentlich!

Sie hoffte nur, dass es tatsächlich eine Frau war, die Rina entführt hatte. Eine Frau, die ihr wirklich nichts tun wollte. An die andere Möglichkeit wollte sie gar nicht erst denken. Nicht schon wieder.

Es war erst ein halbes Jahr her, als dieser Perversling sich die damals die sechsjährige Kira geholt hatte.

Damals hatte Jelly mehr Glück. Sie hatten Kira gefunden, bevor etwas passiert war.

Aber das half jetzt auch nicht, sie mussten auch Rina finden.

Irena mochte nicht daran denken, wie es Tonja Meyer jetzt ging. Sie selber hatte einen kleinen Sohn, Anton. Wenn ihm etwas zustoßen würde – sie wusste nicht, zu was sie dann fähig wäre.

„Komm Jelly, du kannst ja nichts dafür. Hast deine Arbeit gut gemacht. Hier ist auch dein roter Ball. Gehen wir erstmal zurück. Vielleicht haben wir eine Meldung, vielleicht war ja jemanden etwas merkwürdig vorgekommen und er hat Anzeige erstattet.“

Ich bin schon jetzt wieder so verzweifelt, dass ich mit Jelly rede, dachte sie noch.

Da kam ihr auch Tobias noch entgegen. Er musste gerade von seinen Großeltern zurückkommen.

„Oh, Frau Schneider, sie haben Rina doch gefunden?“ Er sah sie so voller Hoffnung an.

„Nein Tobias, leider nicht. Jelly hat mich zum Bahnhof geführt. Aber dort endete die Spur. Sie müssen mit dem Zug fort sein. Und da kann auch Jelly nichts mehr ausrichten.“

„Ich will zu meiner Mama. Tannst du mich nicht zu ihr brinnen.“

„Oh, jetzt höre endlich auf. Deine Mama will dich nicht sehe. Ich bin doch jetzt deine Mutti.“

„Bist du dar nicht.“

„Oh doch, und du bist nicht Rina, du bist Anna.“

7.

„Mama, ich habe gerade Frau Schneider getroffen. Ist es wahr? Ist Rina immer noch verschwunden?“

„Nicht so laut Tobby, die Nachbarn sollen dich doch nicht hören. Du weißt, dass wir aufpassen müssen. Und ja, es stimmt. Jelly hat Rina am Bahnhof verloren. Aber da kann Jelly nichts dafür. Und auch Frau Schneider nicht. Hörst du?“

„Ja, Mama. Weiß ich doch. Ich hatte nur so gehofft, dass wir sie schon bald wieder haben.“

„Was haben die Großeltern gesagt?“

„Sie waren natürlich total geschockt und haben genauso Angst um Rina wie wir. Und sie sorgen sich, auch um uns. Aber sie werden mitspielen. Und haben auch schon erste Pläne, was sie alles tun werden.

Oma Anita will gleich morgen ihren Friseurtermin in vier Wochen absagen. Nicht, weil sie denkt, dass wir tatsächlich umziehen müssen, sondern damit alles glaubhafter aussieht.

Und Oma Reni wird ihre Freundin anrufen um ihr zu sagen, dass das nächste Treffen bei ihr ausfällt, da wir mit Vorbereitungen für den Umzug beschäftigt sind. Du weißt, wie sehr sie die Treffen genießt. Aber Rina ist ihr wichtiger, als alle Freundinnen der Welt zusammen, hat sie gesagt.“

„Ich wusste, dass sie uns verstehen und helfen werden. Ihr habt tolle Großeltern.“

„Ja, haben wir. Und sie haben auch gesagt, dass keiner dir die Schuld gibt. Du sollst dir keine Vorwürfe machen.

Aber sag mal Mama. Ich weiß schon, dass wir Rina nicht aufgeben. Aber was ist, wenn wir sie in drei Wochen noch nicht gefunden haben. Ziehen wir dann wirklich um? Und wohin? Und dürfen wir dann unsere Freunde wirklich nie mehr sehen. Ich könnte für Rina auf sie verzichten, aber schwer wäre es schon.“

„Ich mag daran noch gar nicht denken, Tobby. Aber darüber muss ich mit Marko reden. Seine Eltern hatten an der Ostsee ein großes Ferienhaus. Wenn ihm das noch gehört, würde das uns zumindest erstmal über die Sommerferien helfen.“

Marko! Tonja wusste noch immer nicht, was und wann sie ihrem Freund von Rinas Verschwinden erzählen sollte. Nicht, dass sie sich ihm gegenüber schuldig fühlte. Zumindest nicht mehr, als so wieso schon. Aber auch er würde leiden.

Warum nur war sie alleine rein gegangen? Sie hätte doch Rina einfach nur mitzunehmen brauchen. Dann wäre das alles nicht passiert. Wenn, wenn, wenn.

Aber sie wollte nicht, dass Marko unaufmerksam fuhr. Er musste mit seinem großen LKW aufpassen, dass er keinen Unfall verursachte, bei dem ihm oder anderen etwas passierte.

„He, Mama. Du bist nicht schuld. Du hast doch Rina nicht entführt. Wie oft waren Luana und ich dort im Garten alleine spielen. Da waren wir auch nicht älter als Rina jetzt. Und nie ist etwas passiert. Also mach dir keine Vorwürfe. Bitte, Mama“

Ihr Sohn. Tobby wusste wieder einmal ganz genau, was in ihr vorging. Manchmal dachte sie, er kennt sie besser, als jeder andere. Manchmal dachte sie, er kennt sie sogar besser als sie sich selber.

Tonjas Telefon klingelte. Inzwischen war es Abend geworden. Sie wusste auch ohne hinzusehen, dass es Marko war. Es war ihre Zeit, zu der sie immer telefonierten.

Und außerdem hatte sie einen Klingelton, der nur für ihn bestimmt war. Elise. Bei diesem Lied hatten sie sich das erste Mal in einem Restaurant gegenübergesessen und sich in die Augen gesehen. Da hatte sie zum ersten Mal gespürt, dass sie sich vielleicht doch noch mal verlieben könnte.

Konnte es heute nicht einfach schon später sein? Dann müsste sie jetzt nicht mit ihm reden.

Was sollte sie nur machen? Wenn sie gar nicht ran ging, machte er sich auch nur Sorgen. Sie ging immer ran, selbst dann, wenn sie vom Tag geschafft war oder Kopfschmerzen hatte.

Das war es, Kopfschmerzen.

„Hallo Marko“, Tonja musste sich nicht mal Mühe geben, um geschafft zu klingen. Sie war es. Sie wollte nur noch schlafen. Und vielleicht für eine kurze Zeit alles vergessen. Aber sie wusste auch jetzt schon, dass es mit schlafen nichts werden wird.

„Hallo mein Schatz. Du klingst ja nicht gerade begeistert. Heute ist unser Tag, wir kennen uns seit zwei Jahren. Alles Gute.“

„Ich weiß Marko, aber das hat nicht mit begeistert oder nicht begeistert sein zu tun. Ich bin genauso glücklich mit dir, wie du hoffentlich mit mir.

Ich bin einfach geschafft. Und mein Kopf brummt auch wieder mal. War viel los heute mit den Kindern. Und ich möchte so schnell wie möglich schlafen. Bitte sei nicht böse. In drei Tagen bist du ja wieder zu Hause.“

Das war ja noch nicht mal gelogen, nur eben nicht die ganze Wahrheit.

„Schon gut, Tonja. Ich verstehe dich doch. Du musst alles alleine machen. Ich bewundere dich, wie stark du bist.

Aber höre mal, bevor du schlafen gehst habe ich noch eine Überraschung. Ich bin hier eher fertig geworden. Noch heute Nacht geht die Fähre von Helsingborg bis nach Helsingør in Dänemark. Dann noch bis in die Stadt und in der Firma ausladen. Morgen Nachmittag bin ich zu Hause. Na, wie klingt das?“

„Morgen Nachmittag schon. Ach Marko, bin ich froh. Das ist ein tolles Geschenk für mich. Gerade das, was ich im Moment brauchen kann. Dann werde ich dir morgen erzählen, was hier alles so passiert ist. Komme bitte gesund heim.“

„Okay, gute Nacht mein Schatz. Und denke dran, dann fahre ich nicht mehr weg.“

Was war nur mit seiner Freundin los? Tonja klang so ganz anders als sonst. Ob irgendetwas mit den Kindern war? Oder mit ihr selber?

Marko wollte nicht gleich an das Schlimmste denken. Er war kein Schwarzmaler, aber er merkte schon, dass da etwas nicht stimmte. Und genau deshalb hatte er sich schließlich den neuen Job gesucht. Damit er immer bei ihr sein konnte, wenn sie ihn brauchte. Und sie brauchte ihn jetzt ganz offensichtlich.

Morgen, dachte er noch, bevor auch er sich zum Schlafen legte. Das letzte Mal in einem LKW.

„Ich heiße nicht Anna, ich bin Rina. Mert dir das.“

„He Kleine, nicht frech werden. Du bist ab jetzt meine Tochter, und da werde ich ja wohl wissen, wie du heißt.“

Tag Zwei

8.

„Guten Morgen, Mama.“

Tobby kam sich vor, als hätte er die halbe Nacht nicht geschlafen. Oder eigentlich die ganze Nacht nicht. Und auch Mama und Luana sahen kaum anders aus.

„Wir schreiben heute eine Chemiearbeit. Kannst du mir nicht eine Entschuldigung schreiben. Ich kann mich doch gar nicht konzentrieren.“

„Oh, Mann, Tobby. Das tut mir leid. Aber nein, ich kann nicht. Du weißt doch, wir sollen uns nichts anmerken lassen. Versuche einfach, dein Bestes zu geben. So wie immer. Und wenn es nicht klappt – was soll´s. Wegen Chemie geht die Welt nicht unter.“

Also so kannte er Mama überhaupt nicht. Nicht, dass sie ihn sonst drängelte, aber ernstnehmen musste er die Schule schon.

Aber gut, sonst gab es auch keine verschwundene Rina.

„Was wirst du heute machen? Gehst du arbeiten?“

„Ich weiß nicht, ich habe noch sehr viele Überstunden. Ich kann bestimmt welche absetzen.“

Tonja wusste, dass das ungerecht war. Sie schickte ihre Kinder zur Schule und selber wollte sie nicht arbeiten gehen. Aber einfach so tun, als wäre nichts geschehen, dass konnte sie auch nicht.

Aber man wird ihr das wohl nachsehen, dachte sie noch. Schließlich ist auch eine plötzlich erkrankte Tochter ein Grund, aus der Bahn zu geraten. Vor allem, wenn diese Tochter in eine Klinik ganz weit weggebracht wurde. Sie selber hatte noch nie von so einem Vorgehen gehört, aber wer weiß? Die anderen würden ihr schon glauben.

Jetzt musste sie nur noch überlegen, wie sie das in der Kita erklären sollte. Gestern Morgen war Rina noch mopsfidel und dann sollte sie nachmittags auf einmal krank sein? Was hatte sich der Entführer nur dabei gedacht.

Wahrscheinlich gar nichts. War ja nicht sein Problem.

Sie würde heute erstmal, ja was. Eigentlich wusste Tonja nicht so richtig, was sie als nächstes tun sollte. Sie kam sich wie gelähmt vor. Denn konnte sie denn etwas machen? Aber nichts machen ging doch auch nicht. Rina war schließlich ihr Kind. Egal was dieser Verbrecher behauptete.

Wenn bloß Marko endlich zu Hause wäre. Der wusste immer, was zu tun ist. Aber mit einem entführten Kind hatte auch Marko bisher noch nichts zu tun gehabt. Warum nur war alles so ungerecht?

„Das stimmt dar nicht. Du lüdst. Und lüden darf man nicht. Bin Rina.“

„Jetzt höre mal her. Was dir deine MAMA da bisher erzählt hat, ist mir egal. Ab heute bist du Anna, und ich will nichts anderes mehr hören.

Und hör schon auf zu weinen. Wenn wir da sind, bekommst du ein eigenes Zimmer und ganz viel Spielsachen.“

„Ich will aber nur Brummel, meinen Teddy. Alles andere tannst du dir behalten.“

9.

Kriminalkommissarin Irena Schneider ging an diesem Morgen nur ungern zur Arbeit. Das passierte ihr kaum mal. Sie machte ihre Arbeit bei der Kriminalpolizei wirklich gern. Aber so? Sie musste ermitteln und durfte es doch eigentlich nicht, damit sie die kleine Rina nicht gefährdete.

Mal sehen, was ihr Chef dazu zu sagen hatte. Kriminalhauptkommissar Peter Schick war ein zugänglicher Mensch und für Irena und ihren Kollegen Stefan Bergmann, wie sie Kommissar bei der Kripo, aber auch für alle anderen immer ein Freund.

Aber er musste sich natürlich an die Dienstvorschriften halten, genau wie sie und Stefan auch. Eigentlich.

„Hallo Irena, komm doch bitte gleich mal zu mir.“

Na also, kaum auf der Dienststelle und schon hatte er sie erwischt.

„Berichte doch bitte mal, was gestern los war. Warum ist der Vermisstenfall Rina Meyer abgeschlossen. Mir hat keiner gesagt, dass die Kleine wieder da ist.“

„Ist sie auch nicht, Peter. Die Entführerin hat sich telefonisch bei Tonja Meyer gemeldet und verlangt, dass keine Polizei eingeschaltet wird. Sie wäre jetzt die Mutter, daher gehe ich davon aus, dass es eine Frau ist. Aber natürlich können wir nichts ausschließen.“

„Und daran will sich die Mutter jetzt halten? Keine Polizei.“

„Nein, natürlich nicht. Nur so zum Schein. Also keine offensichtlichen Ermittlungen, alles etwas verdeckt. Ist doch klar, dass sie Angst um ihr Kind hat. Würde dir doch auch so gehen.“

Und dann erzählte Irena ihrem Chef, was verlangt worden war und was sie am gestrigen Tag schon hatte unternehmen können. Und auch, dass ihre Jelly diesmal nicht helfen konnte.

„Der Bruder scheint ja ein aufgewecktes Bürschchen zu sein. Was meinst du?“

„Ist er. Und die ganze Familie hält vor allem zusammen.“

„Und wie hast du dir das jetzt weitergedacht? Du klingst nicht, als ob du überhaupt nicht ermitteln willst.“

„Ich würde gerne mit Stefan und einigen wenigen anderen eine Sondereinheit bilden. Wir arbeiten ab sofort ausschließlich von mir zu Hause aus. Hierher halten wir nur telefonisch Kontakt und auch nur mit dir, damit wir nicht mit der Polizei in Verbindung gebracht werden können.“

„Könnte funktionieren. Gut macht das so. du bist die leitende Ermittlerin. Sollte aber irgendetwas sein, na du weißt schon. Ab dann wird offiziell ermittelt. An wen hattest du denn noch gedacht?“

„Danke, Peter. Also als erstes natürlich Hagen Ortler von der Spusi und Maria Lichtherr aus dem Labor. Die beiden müssen natürlich hier ein und aus gehen, Dafür werden sie nicht zu mir nach Hause kommen.

Zum Glück gibt es ja Videotelefonie, so dass wir in Verbindung bleiben können. Damit hier aber niemand etwas hört, sollte das dann von ihnen zu Hause aus erfolgen.

Und dann Silke Werner und Daniel Ostmann. Silke hat ein besonderes Talent, zu allen unauffällig Kontakt zu bekommen. Damit kann sie uns hier besonders helfen.

Und Daniel bekommt mein Arbeitszimmer. Wenn er im Internet nicht findet, das wir brauchen, dann keiner.

Ich rufe dann gleich Stefan an. Er soll heute gar nicht erst herkommen. Unser Büro ist dann bei mir zu Hause. Du kannst bitte die anderen einweihen, damit ich mich hier so schnell wie möglich unsichtbar machen kann. Und bitte sage den übrigen Kollegen nichts. Wir sind dann schon genug, die etwas wissen.“

Das hatte sich Irena wirklich gut ausgedacht. Wenn sie so weiter machte, würde er sie bald zur Beförderung vorschlagen. Und wer weiß, in ein paar Jahren ging er in Rente. Sie wäre doch die richtige Nachfolgerin für ihn.

„Hallo Stefan. Bist du noch zu Hause?“

„Ja, mein Sohn wollte wieder mal nicht aus dem Knick kommen. Er hat den Urlaubsmodus noch nicht so richtig abgeschaltet. Nur der Gedanke an Anton konnte ihn ein klein wenig antreiben. Aber jetzt geht es los zur Kita und in 30 Minuten bin ich da. Das ist doch noch in Ordnung?“

„Es ist sogar gut, dass du noch nicht hier bist. Komme dann gleich zu mir nach Hause. Wir arbeiten zusammen mit Daniel und Silke ab jetzt von da aus. Verdeckte Ermittlung. Das erzähle ich euch dann alles, wenn ihr da seid.“

Stefan Bergmann sah etwas verwundert auf sein Telefon. So etwas hatte es ja noch nie gegeben. Arbeiten von zu Hause, machte die Kripo jetzt schon Homeoffice? Er schüttelte noch schnell den Kopf über seine Gedanken.

Nun gut, Irena hatte gesagt, er erfährt alles, wenn er da ist. Dann musste er wohl noch so lange warten.

Sein Urlaub war gestern zu Ende gegangen und so wusste er ja sowieso nicht, was gerade an Fällen anstand. Die Presse hatte von keinen spektakulären Fällen etwas gebracht. Und die wussten ja immer alles besser und meist auch eher als die Polizei. Dachten sie zumindest.

Jetzt musste er erstmal Moritz in die Kita schaffen. Sicherlich war Anton, Irenas Sohn und Moritz´ bester Freund schon dort. Er sprach schon den ganzen Morgen von nichts anderen als von Anton und davon, was sie alles anstellen können. Und das, obwohl er doch noch gar keine Lust auf die Kita hatte. Kinder eben.

„Los geht es, Moritz. Anton wartet bestimmt schon und du wirst nicht fertig. Man könnte ja fast meinen, du willst gar nicht zu deinem Freund.“

„Doch, zu Anton schon. Aber Frau Petters, die neue Leiterin, mag ich nicht. Sie dürfen wir ja nicht mal mit Namen ansprechen, dabei wissen wir doch, dass sie Karla heißt“

„Wer weiß, vielleicht gefällt ihr der Name ja selber nicht.“

„Man Papa, das ist doch ein schöner Name. Und dass er ihr nicht gefällt, glaub ich nicht. Die anderen Erzieherinnen nennen sie doch auch beim Namen.“

Ja, das waren auch Kinder. Sie hatten ihre eigene, meist gar nicht so verkehrte Logik.