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Brigitte Finke

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Beschreibung

Als die kleine Rina Meyer aus dem Garten verschwindet, steht für ihre Familie die Welt Kopf. Dann kommt der Anruf: Rina wurde entführt. Und der Entführer verlangt, dass keine Polizei eingeschaltet wird und dass die Familie umzieht. Ohne Rina. Und dass sie Rina einfach vergessen. Sonst wird er ihr etwas antun. Keine Polizei, wie soll das gehen? Die Kommissare Irena Schneider, Stefan Bergmann und ihr kleines Team ermitteln im Verborgenen. Doch mit diesem Entführer hatte keiner gerechnet, nicht einmal die Mutter selber.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Ähnliche


Brigitte Finke

Und Schuld bist du

Irena und StefanBand 1

Inhaltsverzeichnis

Das Buch

32.

33.

34.

Tag Eins

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

Tag Zwei

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

22.

23.

24.

25.

Tag Drei

26.

27.

29.

30.

31.

35.

36.

37.

38.

39.

Tag Vier

40.

41.

42.

43.

44.

45.

46.

47.

48.

49.

50.

Tag Fünf

51.

52.

53.

54.

55.

56.

57.

58.

59.

60.

61.

62.

63.

64.

65.

66.

67.

Tag Sechs – der letzte Tag

68.

69.

70.

71.

72.

73.

74.

Irena und Stefan ermitteln weiter

… und Schuld bist du

Irena und Stefan

Band 1

Das Buch

Als die kleine Rina Meyer aus dem Garten verschwindet, steht für ihre Familie die Welt Kopf. Dann kommt der Anruf: Rina wurde entführt. Und der Entführer verlangt, dass keine Polizei eingeschaltet wird und dass die Familie umzieht. Ohne Rina. Und dass sie Rina einfach vergessen. Sonst wird er ihr etwas antun. Keine Polizei, wie soll das gehen? Die Kommissare Irena Schneider, Stefan Bergmann und ihr kleines Team ermitteln im Verborgenen. Doch mit diesem Entführer hatte keiner gerechnet, nicht einmal die Mutter selber.

32.

Endlich läutete die Glocke. Endlich war Schulschluss. Schnell nahm Tobias seine Tasche. Nichts wie heim. Er war schon an der Tür, als er Herrn Schreier, seinen Klassenlehrer, hörte.

„Tobias, warte doch bitte mal. Ich möchte noch mit dir reden.“

Nein! Er hatte doch gar keine Zeit. Langsam drehte sich Tobias um und sah Herrn Schreier an. Er wollte ja nicht unhöflich sein, aber was wollte er denn gerade heute?

„Was ist los mit dir? Du bist mein bester Schüler. Und nicht nur bei mir in Deutsch, auch die anderen Lehrer meinen das. In den letzten beiden Tagen warst du aber mehr als unruhig. Gar nicht so richtig aufmerksam. So kennen wir dich gar nicht, Tobias. Ist irgendetwas vorgefallen? Geht es dir nicht gut? Kann ich dir irgendwie helfen? “

„Nichts, was soll sein? Ich habe eben momentan nicht so meine besten Tage. Das geht doch jeden Mal so. Das wird schon wieder.“

Zumindest hoffte er das. Auf keinen Fall wollte er mehr erzählen. Durfte er auch gar nicht. Keinen durften seine Sorgen etwas angehen. So war es ihnen gesagt worden. Die Sorgen um Rina. Seine kleine Schwester Rina.

„Natürlich habe ich auch mal schlechte Zeiten, da hast du ganz Recht. Das werfe ich dir doch auch nicht vor. So gut müsstest du deinen Lehrer doch kennen. Aber ich dachte, ich kann dir helfen. Bald ist das Schuljahr um. Und du willst dir doch nicht noch das Zeugnis versauen.“

Wollte Tobias nicht, auf keinen Fall. Aber das war momentan nebensächlich. Nur sagen konnte er das Herrn Schreier nicht. Sicher würde der das verstehen, ganz sicher sogar. Aber er durfte nicht. Und dabei würde er sich so gerne die Sorgen mal von der Seele reden.

„Das wird schon wieder Herr Schreier. Vielleicht werde ich auch nur krank. Und das geht ja dann wohl vorüber. Jetzt muss ich aber schnell nach Hause. Meine Mutter wartet.“

Und schon war er fort. Nachdenklich sah der Lehrer ihm nach. Irgendetwas stimmt da ganz und gar nicht, dachte er noch. Tobias war eigentlich ein aufgeschlossener 15-jähriger. Immer höfflich, ganz anders als manche seiner Mitschüler, die nur rumpöbeln konnten. Aber heute, das war ja schon fast so, als hätte er ihn, den Lehrer, nur schnell loswerden wollen.

Was solls? Er wollte Tobias noch zwei, drei Tage Zeit lassen. Vielleicht fängt er sich ja bis dahin wieder. Ansonsten würde er wohl mit der Mutter reden müssen.

33.

Musste das jetzt wirklich sein? Musste Herr Schreier ihn gerade heute aufhalten. Wo er doch Angst um seine Schwester hatte. Ausgerechnet Rina musste das zustoßen. Er konnte es noch immer nicht verstehen. Er wollte es auch gar nicht verstehen.

Tobias hatte zwei Schwestern. Luana war 13, und damit zwei Jahre jünger als er. Und ja, er liebte Luana auch. Klar zofften sich die beiden auch mal, wo passierte das nicht? Aber eigentlich waren sie so richtig gute Geschwister. Sagte auch seine Mutter immer und auch die Großeltern meinten das. Und die mussten es ja wissen.

Aber Luana war schon immer ziemlich selbständig. Sie brauchte seine Hilfe selten mal.

Anders war das bei Rina, seiner gerade mal 4 Jahre alten Schwester Rina. Natürlich brauchte sie noch jemanden der ihr half. Sie brauchte ihn, Tobias.

Das alles war auch kein Wunder. Als Rina geboren wurde, war seine Mutter sehr traurig. Genau genommen war sie das da schon ein halbes Jahr lang. So lange, wie sein Vater damals tot war. Genau sechs Monate nach dem grässlichen Arbeitsunfall von Tobias Vater, dem Feuerwehrmann, war Rina zur Welt gekommen.

Klar brauchte seine Mutter da Hilfe. Und klar waren da zwei Omas und zwei Opas, die halfen. Aber damals war Tobias ja schließlich auch schon elf. Mit elf durfte man sich schon als Mann im Haus fühlen. Und so nahm er sich der kleinen Rina besonders an. Und das war bis heute so geblieben.

Und das würde auch so bleiben. Immer, für alle Zeit. Das hatte er sich geschworen. Wenn man ihn nur lassen würde. Oh wie sehr hoffte er das. Er machte sich solche Sorgen um Rina.

Also erstmal schnell heim. Vielleicht gab es ja schon etwas Neues. Vielleicht, ja vielleicht…

„Hallo Mama, ich bin wieder zu Hause. Ist Rina…?“

Er musste seine Mama nur ansehen. In ihr trauriges Gesicht blicken und schon kannte Tobias die Antwort: Nein, Rina war nicht wieder da.

Seit drei Tagen war sie nun schon verschwunden. Einfach so. In einem Moment war sie noch im Garten spielen – und im nächsten verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt.

Und dabei war der Garten doch so gut gesichert. Sein Papa hatte den hohen Zaun noch gebaut. Schließlich waren er und Luana ja auch mal klein gewesen. Und sie waren nie verschwunden. Immer war der Garten sicher gewesen. Wieso also jetzt Rina? WO WAR RINA?

34.

„Nein. Tobby, es gibt nichts neues. Ich habe den ganzen Tag am Telefon gesessen. Kein weiterer Anruf. Kein Nichts.“

Mama liefen die Tränen übers Gesicht. Aber seine schöne Mama sollte doch nicht weinen. Dann sah sie doch überhaupt nicht mehr schön aus. Ob er sie mal in die Arme nahm? Aber dann weinte er bestimmt gleich mit. Und dann wäre Mama noch trauriger.

„Komm rein, Oma hat euch etwas zu essen gebracht. Sie war vorhin gerade schnell hier. Sie hat euer Lieblingsessen gekocht.“

Als wenn er jetzt Appetit hätte. Nur schnell etwas essen, damit er nicht etwa wirklich noch krank wird. Da war ihm aber ganz egal, was es war.

„Mama, du darfst nicht weinen. Wir müssen alle ganz stark bleiben. Rina kommt wieder. Und dann braucht sie uns. Das weißt du doch.“

Ja, daran wollte seine Mama glauben. Aber das war so verdammt schwer. Er merkte es ja selber.

„Wie war es in der Schule?“

„Ganz in Ordnung. Herr Schreier ist mit mir zufrieden, das Schuljahr ist ja auch fast um.“ Das stimmte ja eigentlich auch, nur heute war es eine glatte Lüge. Aber nur nichts davon erzählen. Er bekam das schon hin.

Wenn nur endlich Rina wieder hier wäre.

„Wo ist Luana? Ist sie nicht mit dir aus der Schule zurückgekommen?“

„Keine Angst Mama. Luana hat noch bis zum Nachmittag Unterricht. Aber ich habe schon mit Opa gesprochen. Er holt sie dann ab und bringt sie nach Hause. Luana wird nichts passieren. Komm wir gehen ins Haus. Ich werde schnell etwas essen und dann fahre ich mit dem Fahrrad wieder durch die Gegend. Vielleicht sehe ich ja etwas, das uns hilft.“

Das macht er jetzt schon seit drei Tagen. Seit drei Tagen hatte er nichts entdeckt, das hilft. Seit drei Tagen bangten sie um Rina.

Drei Tage war es jetzt her, seit Rina verschwunden und dieser merkwürdige Anruf gekommen war.

Tag Eins

1.

„Hallo Mama, ich bin zu Hause.“ Tobby kam ins Haus gestürmt. Er hatte heute eine Stunde eher Schulschluss gehabt. Die verhasste Chemiestunde war ausgefallen. Der Unterricht selber war ja gar nicht mal so schlecht. Aber nachmittags um drei noch Schule? Wo ging denn so etwas? Und alles nur, weil seine Schule keinen Lehrer hatte und der aus der Nachbarschule ausgeborgt werden musste. Aber heute war auch der letzte Chemielehrer noch ausgefallen.

Jetzt konnte er wenigstens eher auf den Sportplatz. Seine Freunde waren sicher auch schon dort. Sie wollten sich zum Fußball treffen. Micha hatte zum Geburtstag einen neuen Fußball bekommen. Einen richtigen guten Lederball. Nur schnell umziehen und dann…

Aber warum kam keine Antwort von Mama? War sie etwa gar nicht zu Hause? Um die Zeit!

„Luana, bist du zu Hause? Wo ist Mama?“ Langsam wurde ihm ganz komisch.

„Hi, Tobby“, Luana sah ganz verweint aus. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht.

„Was ist los, nun sag schon.“

„Mama ist bei der Polizei. Rina ist verschwunden. Sie waren hinten im Garten spielen und Rina hatte Durst. Da ist Mama schnell mal in die Küche und wollte ihr Saft holen. Du weißt doch auch, dass eigentlich nichts passieren kann. Papa hat den Garten so sicher gemacht.

Aber als sie wieder rauskam, war Rina nicht mehr zu sehen. Ich war gerade heimgekommen. Wir haben gleich überall gesucht. Zuerst haben wir ja gedacht, sie hat sich mal wieder versteckt. Du weißt ja, dass das in letzter Zeit ihr Lieblingsspiel ist.

Aber Rina war nirgends. Wirklich nirgends, Toby. Wir haben überall gesucht. Hinter dem großen Strauch, im Schuppen, in ihrem Zelt, überall, sogar im Baumhaus – obwohl sie ja ganz genau weiß, dass sie dort nicht hoch soll. Sie war nicht zu finden. Sie…“

„Halt, Luana. Ich glaube dir ja. Hol aber erstmal Luft. Habt ihr auch in der Umgebung gesucht? Sie kann ja nicht vom Erdboden verschluckt sein. Und weit gekommen kann sie so alleine auch nicht sein.“

„Mama wollte erstmal zur Polizei, dann suchen wir, hat sie gesagt. Aber die Polizei soll gleich mitsuchen. Tobby, ich habe solche Angst.“

Hatte Tobby auch, aber das wollte er jetzt nicht zugeben. Er war hier der Mann im Hause, seit sein Papa nicht mehr da war. Und als solcher musste er stark sein und einen kühlen Kopf bewahren. Nicht, dass Mama das von ihm erwartete. Aber Papa wäre sicher stolz auf ihn.

Er war auch immer stolz auf seinen Papa gewesen. Auf den Feuerwehrmann, der dann bei einem Einsatz ein Kind aus einem brennenden Haus gerettet hat und dabei selber…

Nicht dran denken. Nicht gerade jetzt. Das lenkte ihn nur ab. Jetzt war nur Rina wichtig.

„Los komm, bis Mama wieder da ist, werden wir schon mal suchen. Du hier in der Umgebung, ich nehme das Fahrrad und fahre ein bisschen rum.“

„Wir sollen aber hierbleiben, Tobby. Wenn Mama nach Hause kommt und wir sind nicht da, bekommt sie bestimmt noch mehr Angst.“

Hm, da war etwas dran. Papa und Mama haben sie ja immer davor gewarnt, mit Fremden mitzugehen. Sie gingen auch beide zum Kampfsport. Aber Luana war schließlich ein Mädchen. Und für die war die Gefahr noch viel größer als für ihn als Jungen. Und außerdem war er immerhin schon 15. Kein Kind mehr.

„Du hast natürlich Recht, Luana. Du bleibst hier und wartest auf Mama. Es ist auch besser, wenn jemand im Hause ist. Falls Rina wieder nach Hause kommt. Ich fahre aber auf jeden Fall mal durch die Gegend.“

Und schon war er zur Türe raus und hatte sich sein Fahrrad genommen. Gut, dass er es vorhin nicht erst aufgeräumt hatte.

Schnell noch eine Nachricht an Micha, seinen besten Freund. Komme heute nicht. Das musste reichen. Morgen in der Schule konnte er den anderen dann immer noch alles erzählen. Dann würden sie auch schon drüber lachen können, denn bis dahin war Rina sicher wieder da. Oder ob er schnell zum Sportplatz fuhr und die anderen informierte. Vielleicht konnten sie ja alle suchen. Nein erst mal nicht, das hatte wirklich morgen noch Zeit.

Die Stadt war nicht sonderlich groß, man konnte ganz schnell von einem Ende zum anderen gelangen oder auch von einer Seite zur anderen. In kurzer Zeit war man auch einmal ringsherum gefahren. Und selbst mehrmals hin und her dauerte nicht ewig. Auch gab es nicht viele Ecken, wo sich ein kleines Kind verstecken konnte. Nicht, ohne dass es dann so alleine Angst bekam.

Trotzdem, nirgends sah er Rina. Nicht auf dem Spielplatz mit der großen Rutsche, die sie gerade für sich entdeckt hatte. Nicht bei der Hundepension und dem kleinen weißen Hund, den sie so gern streichelte. Nicht beim Eisverkäufer, nicht im Park am Goldfischteich.

Der Goldfischteich! Wenn Rina dorthin… Aber sie wusste doch, dass das gefährlich war. Sie war noch nie alleine an den Teich gegangen. Und außerdem konnte sie ja auch schon ein bisschen schwimmen. Nein, daran wollte er jetzt gar nicht denken.

Ob sie etwa zu Oma und Opa gelaufen ist? Seine Großeltern von Mama und Papa wohnten zusammen in einem Haus. Jeder hatte seine eigene Wohnung, aber für die Enkel war das wirklich bequem. Sie konnten immer beide Großeltern zusammen besuchen.

Nein, dort war sie wahrscheinlich auch nicht, denn dann hätten die doch bestimmt sofort angerufen. Hatten sie ja damals auch gemacht, als er mit sechs Jahren seinen Ausflug zu ihnen unternommen hatte.

Und Marko, Mamas neuer Freund, hatte keine Eltern mehr.

Das schied also alles aus. Tobby hatte keine Idee mehr, wo er noch suchen sollte. Und selbst wenn sie einfach drauflosgelaufen wäre und jemand hatte sie gesehen, jemand der keine bösen Absichten hatte, dann hätte Rina ihm erzählen können wer sie ist und wo sie wohnt. Das hatte er selber mit ihr geübt.

Ob sie vielleicht schon wieder zu Hause war? Aber dann hätte ihn Luana bestimmt angerufen oder eine Nachricht geschickt.

Ping Wie gerufen klingelte sein Telefon.

„Mama, ist Rina wieder da?“

„Nein Tobby. Komme aber bitte wieder nach Hause. Ich möchte euch jetzt hier zusammen bei mir haben.“

Was sollte das denn? Aber Mama würde ihm das bestimmt gleich erklären.

2.

„Mama, ich bin da. Hast du bei der Polizei etwas erreicht? Ich…“

Tonja Meyer stand in der Küche und wusste nicht, was sie hier gerade machen wollte.

Der Tag hatte heute Morgen so schön begonnen. Endlich schien mal so richtig die Sonne. Sie wollte nach der Arbeit mit Rina draußen spielen und dann für alle ein leckeres Abendbrot machen. Irgendetwas, das die Kinder besonders gerne mochten und wozu meist keine Zeit blieb. Vielleicht hätten sie sogar mal wieder eine Pizza gebacken, auf die dann jeder hätte legen dürfen, was ihm schmeckt.

Und heute Abend wollten Marko und sie so wie jeden Tag lange miteinander telefonieren. Marko war der neue Mann an ihrer Seite.

Natürlich ist er nicht Thomas, hatte sie morgens noch gedacht. Ihren ersten Mann konnte ihr niemand ersetzen. Er war ihre erste und große Liebe gewesen. Aber Thomas war tot. Seit 4,5 Jahren, als er von einem Feuerwehreinsatz nicht nach Hause gekommen war.

Damals war sie gerade mit Rina schwanger. Und bald hätte sie ihre Tochter damals verloren. Ja, sie war sogar kurz wütend auf die Ärzte gewesen, dass sie eben das verhindert hatten.

So ohne Thomas hatte das alles keinen Sinn. Und überhaupt…

Heute konnte sie das alles nicht mehr verstehen. Sie liebte ihre Kinder, alle drei. Auch Rina konnte sie jetzt lieben. Da gab es für sie keinen Unterschied zwischen ihren Kindern. Es waren eben ihre Kinder, die von Thomas und ihr.

Die erste Zeit ohne ihren Mann war schwer gewesen, manchmal wusste sie nicht, wie sie es schaffen sollte. Manchmal hätte sie sich gewünscht, es auch nicht zu müssen. Aber da waren ja auch noch Tobby und Luana. Sie hatten es ja damals genauso schwer, sie hatten ihren geliebten Vater verloren. Sie brauchten sie. Sie brauchten sich alle gegenseitig.

Und das hatte auch ganz gut geklappt. Tobby dachte wohl manchmal, er müsste sie beschützen. Aber das hatte ihm wahrscheinlich geholfen. Er hatte ganz besonders an seinen Vater gehangen. Wollte später auch mal Feuerwehrmann werden.

Manchmal dachte sie da mit gemischten Gefühlen dran. Der Beruf war gefährlich. Aber sich ihrem Sohn in den Weg stellen, wenn es um dessen Zukunft ging? Niemals.

Aber dann hatte sie vor zwei Jahren Marko getroffen. Marko war Fernfahrer und wollte sich aus der Bibliothek, in der Tonja da seit knapp drei Wochen arbeitete, Bücher für seine nächste Fahrt holen.

Er hatte sie erst eine Weile angesehen und wohl gedacht, sie würde es nicht merken. Dann hatte er sie nach ihrer Empfehlung für ein paar gute Bücher gefragt. Natürlich hatte sie sofort geahnt, dass er eigentlich ganz genau wusste, was er lesen wollte. Aber sie hatte gerne mitgespielt.

Und daraus war dann ihre zweite große Liebe geworden. Marko war ganz anders als Thomas, und das war gut so. Er hatte auch nie versucht, Thomas zu ersetzten sondern wollte nur einfach er selber sein und als er selber anerkannt und geliebt werden. Und das fiel ihr bei ihm überhaupt nicht schwer. Das Wichtigste war aber, dass er sie und die Kinder liebte. Und die Kindern akzeptierten ihn, mochten ihn sogar. Für Rina war er sogar ihr Papa.

Die Fahrt jetzt sollte die letzte sein. Marko hatte einen neuen Job als Busfahrer im Linienverkehr gefunden und bei seinem alten Arbeitgeber schon gekündigt. Das würde für beide eine Umstellung werden, die sich aber sicher lohnte. Sie wollten heute Abend am Telefon ein bisschen feiern. Und nun musste sie ihm sagen, dass Rina weg war.

Aber durfte sie das? Was, wenn ihm auch noch etwas passierte, weil er unaufmerksam fuhr? Denn er würde sich genauso Gedanken machen wie sie hier. Sie wusste es einfach nicht. Oder konnte sie vielleicht seinen Chef anrufen, dass er einen Ersatz schickte? Das wäre wahrscheinlich die beste Lösung, aber anderseits: wenn sie ihm einfach nichts sagte und ihn heimkommen lassen würde – das ginge wahrscheinlich am schnellsten.

Aber was wollte sie denn nun hier in der Küche, mit dem großen Messer in der Hand? An Essen kochen war doch jetzt nicht mehr zu denken.

„Mama, was machst du dort?“ Tobby stand vor ihr und sah sie ganz ängstlich an. „Was hat die Polizei gesagt?“

„Ach ja, richtig. Die Polizei. Sie fangen gleich mit der Suche an. Es kommt dann auch gleich noch eine Beamtin mit einem Hund vorbei. Der wäre wohl der allerbeste und soll deshalb bei der Suche helfen. Wo warst du?“

„Ich bin mit dem Fahrrad unterwegs gewesen. War überall, Spielplatz, Eisverkäufer, Hundepension, Park. Überall wo Rina immer so gerne ist. Nur im Oma-Opa-Haus war ich nicht. Die hätten doch bestimmt angerufen, wenn Rina dort wäre. Ich wollte sie erstmal nicht erschrecken. Du weißt ja, Oma Anitas Herz.“

Oma Anita war die Mutter von Thomas. Da hatte Tobby vollkommen richtig gehandelt. Er war eben schon ein richtig vernünftiger 15-jähriger. Manchmal noch der kleine Junge, an den sie sich so gerne erinnerte, wie eben die meisten in dem Alter. Aber wenn es drauf ankam, konnte man sich zu 100 Prozent auf ihn verlassen. Dann war er schon richtig erwachsen.

„Nein, wir erzählen erstmal nichts. Rina ist doch heute Abend wieder da. Und da müssen wir sie nicht erst beunruhigen.“

Tonja hoffte ja so sehr, dass das stimmte. Sie wollte nichts anderes denken. Aber glaubte sie das selber? Sie hatte Angst, einfach nur Angst um ihre Tochter. Und Tobias hatte auch Angst, sie sah es ihm an.

Da klingelte das Telefon. Wer ruft jetzt an? Sie wollten doch mit niemanden reden. Oder hatte jemand ihre Rina gefunden? Aber woher sollten sie dann die Telefonnummer haben? Sie standen nicht im Telefonbuch und Rina war noch zu klein, um die Nummer zu kennen.

3.

„Hallo?“ Tobby sprach ganz vorsichtig in das Telefon.

„Ich will mit Frau Meyer sprechen?“

„Mama, für dich. Die Stimme klingt aber so komisch, wie verstellt. Als wenn wir den Anrufer nicht erkennen sollen.“

Was? Was sollte das? Tonja konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Das konnte doch nichts mit Rina zu tun haben. Oder war das eingetreten, woran zu denken sie sich bisher verboten hatte? Hatte man ihre Rina…?

„Ja, ich bin Frau Meyer. Wer spricht da?“

„Das kann dir ganz egal sein. Wichtig ist nur, dass Rina hier bei mir ist. Und hier wird sie auch bleiben. Du brauchst keine Angst um sie haben, ich würde ihr nie etwas tun. Es sei denn, du willst es so.“

„Nein, natürlich nicht. Aber Rina gehört zu uns. Ich bin doch ihre Mutter. Und sie braucht mich. Bitte…“

„Sei still. Ihre Mutter, dass ich nicht lache. Ich sollte ihr Mutter sein. Und das werde ich ab jetzt auch.

Pass auf! Keine Polizei. Ihr werdet nicht nach Rina oder mir suchen. Ich bin großzügig zu dir, denn du hast genau drei Wochen Zeit. Dann bist du in eine andere Stadt gezogen. Und eure Oma-Opa-Sippe gleich mit.

Ihr zieht irgendwo hin, wo euch keiner kennt. Wo es eine Rina nie gegeben hat. So wird es auch keinem auffallen, dass sie nicht mehr bei euch ist.

Natürlich müsst ihr auch die Kontakte zu all euren Freunden abbrechen. Aber das dürfte euch ja nicht so schwerfallen, es geht hier schließlich um Rinas Leben.

Wenn ihr euch an meine Anweisungen haltet und keiner nach uns sucht, werdet ihr sie zwar nicht wiedersehen aber es wird ihr auch nichts passieren. Und vielleicht bekommt ihr zur Belohnung sogar jedes Weihnachten ein Foto von ihr. Natürlich ohne mich, ihre wahre Mutter, darauf.

Wenn nicht, nun dann – eene, meene, muh - seid ihr Schuld, wenn ich ihr weh tun muss.“

„Aber warum? Was habe ich Ihnen denn getan? Kann ich irgendetwas wieder gut machen. Ich weiß ja nicht mal, wer Sie sind.“

„Und das wird auch so bleiben.“ Und schon war aufgelegt. Nur noch ein Tuten war im Telefon zu hören.

„Mama, was war das? Wer war das? Hat jemand Rina entführt?“ Luana stand in der Tür und hatte alles mitgehört. Ihr liefen die Tränen übers Gesicht, genau wie bei Tonja und Tobby. Keiner mochte etwas sagen. Tonja wünschte sich, dass der Tag noch mal von vorne beginnen sollte. Oder wenigstens ab Mittag. Dann würde sie alles anders machen. Dann müsste Rina eben mit reinkommen, wenn sie Durst hat.

Und doch mussten sie etwas unternehmen. Jetzt.

„Ich muss die Polizei informieren. Sie dürfen auf keinen Fall herkommen. Die Entführer wollen nicht, dass wir nach Rina suchen. Sonst tun sie ihr weh. Dass ich schon dort war, haben sie ja offensichtlich noch nicht mitbekommen. Zum Glück.“

„Aber du willst doch nicht wirklich machen, was der Entführer sagt. Mensch Mama, das geht nicht so. Wir können Rina doch nicht einfach aufgeben.“ Tobias war außer sich.

„Nein, natürlich nicht. Tobby, ich werde doch unsere Rina nicht einfach so einer Fremden überlassen, die ich noch dazu gar nicht kenne. Aber wir müssen zumindest so tun, als ob wir mitspielen.“

Ja, das konnte Tobby verstehen. Auch wenn er absolut noch nicht wusste, wie das gehen sollte.

„Hallo, hier spricht Tonja Meyer. Bitte schicken sie auf keinen Fall die Beamtin mit dem Hund her.“ Und dann erzählte Tonja dem Polizisten am Telefon von dem seltsamen Anruf.

„Ja, der Anrufer hat tatsächlich verlangt, dass wir alle umziehen. Und ich werde darauf eingehen. Zum Schein.“

Wieder hörte sie eine Weile zu. „Okay, so machen wir das, das funktioniert bestimmt. Ich werde meinen Sohn Tobias sofort losschicken. Und dann wird er auch zu meinen Eltern und Schwiegereltern fahren und denen alles erklären. …. Ja ich bleibe zu Hause. Und nein, ich kann nicht sagen, ob mich ein Mann oder eine Frau angerufen hat. Die Stimme war verstellt und klang einfach nur blechern.“

Tonja war wie aufgezogen. Jemand hatte ihre Tochter entführt und sie sollte die Füße stillhalten. Nicht mit ihr. Derjenige kannte sie nicht. Oder vielleicht doch? Woher wusste er sonst von ihr? Und er kannte ja auch ihre Familienverhältnisse. Oder war es eine sie? Moment mal. Klar war es eine sie. Die hatte doch gesagt, dass sie ihre Mutter sein wollte. Oder war auch das eine Finte.

Sie wollte jetzt erst mal ganz fest dran glauben, dass Rina nichts passierte. Dass sie Rina finden und wieder zu ihr bringen würden. Zu ihrer Mama, ihrem Bruder und ihrer Schwester. Zu ihrem Papa Marko und zu den Omas und Opas.

Aber jetzt musste erstmal der Plan der Polizistin ausgeführt werden.

„Tobby, komm mal her.“

4.

„Du wirst jetzt die Omas und Opas besuchen. Du sollst sie einweihen. Mache das bitte ganz vorsichtig. Und sie dürfen natürlich auch keinen sagen, dass Rina nicht da ist.

Wir werden überall erzählen, Rina ist an der See im Krankenhaus und wir wollen ganz schnell dorthin ziehen. Weil es ihr nur dort besser gehen wird. Sie sollen auch keinen mehr ins Haus lassen, damit keiner sieht, dass sie nicht wirklich packen.

Unterwegs triffst du so ganz zufällig eine Bekannte, Frau Schneider. Auch ihr erzählst du die Geschichte. Und zwar ruhig so, dass es die Leute in der Nähe hören können. Frau Schneider ist die Hundeführerin, von der ich vorhin erzählt habe. Stelle dich dabei so, dass du mit den Rücken in die Richtung stehst, aus der du gekommen bist. Dann kann ein etwaiger Verfolger nicht sehen, was du vor deinem Bauch machst.

Frau Schneider wird dir gleich zu Beginn des Gespräches einen Beutel mir Rinas Socken von heute Vormittag abnehmen. Anhand derer soll dann Jelly, das ist die Hündin, Rinas Spur aufnehmen.

Hoffen wir, dass alles klappt.

Ach und Tobby, sage ihr doch bitte noch, dass es wahrscheinlich eine Frau war, die mich angerufen hat. Ich habe mich gerade daran erinnert, dass sie ab jetzt Rinas Mutter sein will. Und das bedeutet…“

„Ok, Mama, ich verstehe. Ich mache mich gleich auf den Weg. Rufe mal schon im Oma-Opa-Haus an, dass ich vorbeikomm. Damit auch alle zu Hause sind.“

Tobby war jetzt richtig aufgeregt. Endlich konnte er etwas machen, konnte er helfen, damit Rina wieder nach Hause kam. Er fühlte sich gleich viel besser.

Gut, die Idee eine Krankheit vorzuschieben fand er nicht so toll. Man sollte doch immer froh sein, dass alle gesund sind. Aber eine bessere hatte er auch nicht. Vor allem brauchten sie ja eine, die erklärte, warum Rina nicht da war. Und Micha sage immer Der Zweck heiligt die Mittel. Für das hier konnte er das sogar mal durchgehen lassen.

„Was wirst du Marko erzählen, wenn er heute Abend anruft?“

Das hatte Tonja ja schon wieder total vergessen. Sie konnte am Telefon nichts sagen. Aber ihn anlügen wollte sie natürlich auch nicht. Sie wollten sich doch immer alles erzählen. Und bis auf eine Sache hatte sie sich bisher auch darangehalten.

„Ich weiß nicht, Tobby. Hoffentlich brauche ich gar nichts sagen, weil Rina bis dahin wieder da ist.“

Schnell waren die Socken in eine Tüte gesteckt.

„Hier nimm meine Bauchtasche. Die sieht man von hinten nicht, wenn du deine Jacke los drüberziehst.“

Luana kam mit ihrer Tasche, die sie sonst nie aus der Hand gab. An jedem anderen Tag wäre sich Tobby damit doof vorgekommen. Er war doch kein kleiner Junge mehr und auch kein Mädchen. Aber heute – heute war alles anders. Und wie war das mit dem Zweck und den Mitteln? Genau!

„Okay, danke. Gib schnell her. Ich will los. Es zählt jede Minute.“

Beinahe kam er sich vor, wie in einem Spionagethriller. Aber eben nur beinahe. Leider war es ernst, bitterer Ernst. Am liebsten hätte er laut geschrien. Er wollte, dass alles wieder seine Richtigkeit hatte, dass Rina wieder hier bei Ihnen zu Hause war. Punkt.

„Hier, trotz allem. Vergiss deinen Fahrradhelm nicht.“ Mama sorgte sich um ihn, klar. Aber hatte sie nicht schon genug Sorgen?

Schnell schwang sich Tobby auf sein Fahrrad. Frau Schneider sollte am Eingang zum Park auf einer Bank sitzen. Gemeinsam mit ihrem Hund, an dem er sie auch erkennen sollte.

Tobby war schnell dort und trat so scharf auf die Bremse, dass hinter ihm eine Staubwolke entstand. Hoffentlich war sie das auch. Aber es saß nur eine einige Frau mit einem Hund hier. Überhaupt war nur der eine Hund zu sehen.

„Oh, hallo Frau Schneider. Schön dass ich Sie treffe. Da kann ich mich gleich von Ihnen verabschieden.“

„Verabschieden? Warum denn das“ Und dann leise: „Wo hast du den Beutel? Sprich laut weiter und erzähle deine Geschichte. Du machst das toll.“

Während Tobby erzählte, dass sie fortziehen müssten -wohin sollte er nicht laut sagen und dass Rina krank sei, dass konnte er einfach nicht- nahm er den Plastiksack mit Rinas Socken aus der Bauchtasche. War eben doch ein tolles Ding, so eine Mädchentasche. Da musste er Luana für ihre Idee dann unbedingt noch loben.

---ENDE DER LESEPROBE---