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Die Familie ist ein Hort der Liebe, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Wir alle sehnen uns nach diesem Flucht- und Orientierungspunkt, der unsere persönliche Welt zusammenhält und schön macht. Das wichtigste Bindeglied der Familie ist Mami. In diesen herzenswarmen Romanen wird davon mit meisterhafter Einfühlung erzählt. Die Romanreihe Mami setzt einen unerschütterlichen Wert der Liebe, begeistert die Menschen und lässt sie in unruhigen Zeiten Mut und Hoffnung schöpfen. Kinderglück und Elternfreuden sind durch nichts auf der Welt zu ersetzen. Genau davon kündet Mami. »Tut mir wahnsinnig leid, Schätzchen«, seufzte Wolf von Kelberg und tätschelte die Hand seiner derzeitigen Favoritin, einer italienischen Stewardeß namens Paola, »heute kann ich dich beim besten Willen nicht einplanen. Wie wär's mit morgen?« »Morgen muß ich nach Rom«, grollte Paola, »hast du das schon wieder vergessen?« »Tststs«, murmelte Wolf kopfschüttelnd und kreiste in seinem Schreibtischsessel einmal um die eigene Achse, »wie ärgerlich! Na, vielleicht bin ich heute abend doch noch früh genug zurück. Wer weiß. Ich rufe dich jedenfalls an. Welches Hotel?« »Excelsior, wie immer.« »Wie immer«, wiederholte Wolf zerstreut und schnappte den Hörer, kaum daß sein Haustelefon geklingelt hatte, lauschte sekundenlang der sachlichen Stimme am anderen Ende und knurrte: »Was? Sind Sie sicher? Kein Anschluß unter dem Namen Ida Blonski in ganz Rotenhain? Versteh ich nicht. Die Frau muß doch Telefon haben!« »Die Frau?« hauchte Paola und zog ihre zarte braune Hand zurück, ohne daß er es bemerkte. »Du fährst zu einer Frau?« Er grinste breit. »Keine Angst, Schätzchen, du bist außer Konkurrenz. Die Dame Blonski, die ich heute aufsuche, ob sie nun ein Telefon hat oder nicht, dürfte so alt sein wie deine Großmutter. Falls du noch eine hast…« »Ich habe sogar zwei«, entgegnete Paola spitz, »was hast du vor mit dieser alten Frau?« Wolf von Kelberg zog seine langen Beine unter dem mächtigen Palisanderschreibtisch hervor und lächelte träumerisch. »Mal sehen. Vielleicht bringe ich sie vor Gericht, vielleicht ins Gefängnis.« »Aber warum denn nur?« flüsterte Paola, halb entsetzt, halb fasziniert. »Weil sie etwas hat, das rechtmäßig mir gehört«, sagte er knapp, »und genau das will ich mir heute
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Seitenzahl: 99
Veröffentlichungsjahr: 2017
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»Tut mir wahnsinnig leid, Schätzchen«, seufzte Wolf von Kelberg und tätschelte die Hand seiner derzeitigen Favoritin, einer italienischen Stewardeß namens Paola, »heute kann ich dich beim besten Willen nicht einplanen. Wie wär’s mit morgen?«
»Morgen muß ich nach Rom«, grollte Paola, »hast du das schon wieder vergessen?«
»Tststs«, murmelte Wolf kopfschüttelnd und kreiste in seinem Schreibtischsessel einmal um die eigene Achse, »wie ärgerlich! Na, vielleicht bin ich heute abend doch noch früh genug zurück. Wer weiß. Ich rufe dich jedenfalls an. Welches Hotel?«
»Excelsior, wie immer.«
»Wie immer«, wiederholte Wolf zerstreut und schnappte den Hörer, kaum daß sein Haustelefon geklingelt hatte, lauschte sekundenlang der sachlichen Stimme am anderen Ende und knurrte: »Was? Sind Sie sicher? Kein Anschluß unter dem Namen Ida Blonski in ganz Rotenhain? Versteh ich nicht. Die Frau muß doch Telefon haben!«
»Die Frau?« hauchte Paola und zog ihre zarte braune Hand zurück, ohne daß er es bemerkte. »Du fährst zu einer Frau?«
Er grinste breit.
»Keine Angst, Schätzchen, du bist außer Konkurrenz. Die Dame Blonski, die ich heute aufsuche, ob sie nun ein Telefon hat oder nicht, dürfte so alt sein wie deine Großmutter. Falls du noch eine hast…«
»Ich habe sogar zwei«, entgegnete Paola spitz, »was hast du vor mit dieser alten Frau?«
Wolf von Kelberg zog seine langen Beine unter dem mächtigen Palisanderschreibtisch hervor und lächelte träumerisch.
»Mal sehen. Vielleicht bringe ich sie vor Gericht, vielleicht ins Gefängnis.«
»Aber warum denn nur?« flüsterte Paola, halb entsetzt, halb fasziniert.
»Weil sie etwas hat, das rechtmäßig mir gehört«, sagte er knapp, »und genau das will ich mir heute ansehen.«
Er stand auf, hängte sich eine kurze Lederjacke mit Pelzbesatz um die Schultern, drückte auf einen Knopf und sprach zu einem unsichtbaren Zuhörer: »Siebmann, meinen Wagen bitte! Ich starte!«
Eine verzerrte Lautsprecherstimme quäkte devot: Jawohl, Herr von Kelberg.«
Paola warf eine Kußhand in die leere Luft. Sie wußte, wann sie entlassen war.
Kurz danach verließ Wolf von Kelberg das Haus. Es war ein fünfstöckiger Glaskasten im Herzen einer Industriestadt. Hochqualifizierte Mitarbeiter und ebenso viele Computer breiteten sich auf den verschiedenen Etagen aus, und über allen residierte der Chef in seiner Penthaus-Wohnung.
Wolf von Kelberg, Diplomkaufmann und Marketing-Berater. Zu seinen Kunden gehörten alte traditionsreiche Firmen ebenso wie neue expansive Unternehmen.
Im Lauf der letzten Jahre hatte Wolf nicht nur eine Menge einflußreicher Männer kennengelernt. Er war auch selbst einer geworden.
Das werden wir dem alten Mädchen als erstes klarmachen, dachte er, sie muß vornherein wissen, mit wem sie es zu tun hat.
Er lenkte den schweren Wagen aus der Stadt hinaus in Richtung in Süden über die Autobahn und schließlich über eine Landstraße, die sich als schwere Zumutung für das Fahrzeug erwies.
»Verdammt!« knirschte Wolf, den Schlaglöchern vergeblich ausweichend. Er war fremd in der Gegend, aber ein guter Kartenleser. Außerdem hatte er sich vorbereitet.
Zuerst kam der Fluß, den man auf einer Fähre überqueren mußte, dann die alte Abtei, dahinter die kleine Ortschaft mit dem Kirchlein aus rotem Sandstein und dem ehemaligen Pfarrhaus.
Ist es zu fassen, dachte Wolf, mit dem Flieger nach London wäre ich nicht länger unterwegs gewesen.
Immerhin: er hatte es geschafft. Sein Ziel vor sich zu sehen, erfüllte ihn mit Befriedigung.
In jenem Pfarrhaus nämlich, in der Obhut einer Dame namens Ida Blonski, lebte mit fast hundertprozentiger Sicherheit das einzige Kind, das er jemals gezeugt hatte: ein Junge von nunmehr zehn Jahren.
Es würde mich nicht wundern, wenn seine Mutter ihn Wolf genannt hätte nach mir. Das sähe ihr ähnlich. So verliebt wie sie damals war, die kleine Edith! So sentimental, so anhänglich. Ich bin kein Mann zum Heiraten, habe ich zu ihr gesagt, wir wollen uns nichts vormachen. Aber das hat sie einfach überhört, dachte er.
Früher war ihm der Gedanke an das Kind nur selten gekommen. In letzter Zeit jedoch verfolgte er ihn, drängte sich auf bei jeder Gelegenheit.
Ganz schlimm war es geworden seit seinem vierzigsten Geburtstag, seit jener stilvollen Fete in seiner neu erbauten Villa im Kreise seiner Geschäftsfreunde, von denen einer ihm auf die Schulter geklopft und augenzwinkernd gefragt hatte, was er in Zukunft mit seinem Besitz anfangen wolle. Vielleicht alles dem Tierschutzverein vermachen?
Denn ein leiblicher Erbe, ein eigenes Kind, sei ja wohl nicht mehr zu erwarten.
Diese lachend geäußerte Vermutung, so gestand sich Wolf von Kelberg am Steuer seines goldmetallisch schimmernden Wagens zähneknirschend ein, hatte ihn tiefer getroffen als jede Aggression.
Denn es war eine ebenso deprimierende wie nicht zu leugnende Tatsache, daß außer dem jungen sentimentalen Mädchen Edith keine seiner Freundinnen jemals wieder von ihm schwanger geworden war.
Bis zu seinem vierzigsten Lebensjahr hatte er in seinem kinderlosen Dasein kein Manko gesehen, im Gegenteil.
Anders als frei und ungebunden konnte er sich das Leben gar nicht vorstellen.
Aber in letzter Zeit schienen sich alle Party-Gespräche um Kinder zu drehen und um alles, was mit Kindern zusammenhing. Es war verblüffend, es war unglaublich. Es machte ihn nervös, nicht mitreden zu können, es stempelte ihn zum Außenseiter, wenn nicht zum Versager. Dazu kamen melancholische Anwandlungen, Stunden, in denen er sich ernstlich fragte, wozu er sich hetzte und rackerte, wozu er ein solches Unternehmen überhaupt aufgezogen hatte, wozu er lebte.
Wolf von Kelberg wußte so gut wie jeder andere, daß man sich vor solchen Stimmungen hüten mußte. Aber wie?
Vor einem Jahr schließlich hatte er eine Gegenmaßnahme ergriffen und mit der systematischen Suche nach dem Kind begonnen, das ein Mädchen namens Edith nachweislich von ihm bekommen hatte.
Es war nicht leicht gewesen, die Spur zu finden und zu verfolgen. Fest stand inzwischen, daß sie nach Rotenhain führte, einem kleinen Marktflecken, der seinen Namen einem Buchenwäldchen verdankte, das soeben im schwachen Frühlingssonnenschein vor der Windschutzscheibe auftauchte.
»Nun wollen wir doch mal sehen«, sagte Wolf laut zu sich selbst, »wie sich Frau Blonski verhält, wenn sie von meinem Entschluß erfährt.«
*
Seit zwei Wochen hatte die Malerin Ida Blonski ein Bild in Auftrag, ohne daß ihr eine Idee dafür gekommen wäre. Ruhig abwarten hieß das Gebot der Stunde, nur nicht nervös werden. Alles, was reifen mußte, brauchte seine Zeit. Am frühen Morgen dieses Tages war es soweit.
Einer wunderbaren Vision gleich schwebte die Vorstellung dessen, was sie gestalten würde, vor Idas innerem Auge. Rasch schickte sie ein Dankgebet zum Himmel hinauf und machte sich daran, einen Speiseplan für drei Tage aufzustellen. Beim Frühstück gab sie den Kindern die frohe Botschaft bekannt.
»Heute ist es soweit. In der Frühe hat mich die Inspiration erreicht. Ich weiß, wie das Bild aussehen wird. Der Arbeit steht nichts mehr im Wege.«
»Oh, Ida, wie schön! Welche Farben wirst du nehmen?«
»Viel Kobaltblau, etwas Gold dazu, dann ein warmes, lebendiges Rot, die Purpurfarbe der chinesischen Kaiser. Ja, das wären die Grundlagen.«
»Und was ist mit dem Essen diesmal?«
»Erbsensuppe, wenn ihr nichts dagegen habt. Sascha, du holst zwanzig Brötchen beim Bäcker, am besten gleich, dann hast du es hinter dir, und bring zwei große frische Brote mit. Würstchen, Haferflocken, Honig, Milch und Hundefutter sind im großen Vorratsschank. Mehr werden wir nicht brauchen.« Drei Kinderköpfe nickten eifrig.
»Wie lange wird es diesmal dauern?« fragte die siebenjährige Tania.
»Drei Tage, falls ich nicht gestört werde. Danach mache ich auf jeden Fall eine schöne lange Pause, auch wenn ich noch nicht fertig bin, und wir gehen zu unserem Freund Gino Gelati und essen soviel Eis, wie wir können.«
Drei Augenpaare strahlten.
»Nun, was ich tun werde in diesen drei Tagen ist ja sonnenklar«, fuhr Ida Blonski munter fort, »und du, Sascha? Was hast du vor?«
»Ich baue ein Boot und lasse es schwimmen.«
»Ausgezeichnet. Und du, Tania?«
»Ich mache endlich mal die Lehmfiguren, das wollte ich schon lange.«
»Sehr gut. Wenn sie getrocknet sind, kannst du sie bemalen. Ich mische dir alle Farben, die du brauchst.«
Blieben noch Nino, der höchstens fünf war, niemand wußte es genau, und Bärli, der Berner Sennenhund. Beide, das wußte Ida, würden verkümmern, wenn man sie länger als eine Stunde von ihr fernhielt.
Das war nun einmal so. Nino und Bärli durften bei ihr bleiben, während die Inspiration anhielt und das Bild entstand. Anders ging es nun einmal nicht.
»Wunderbar«, sagte Ida abschließend und rieb sich schaffensfroh die Hände, »helft mir, das Geschirr abzuwaschen, und dann ans Werk! Außer bei lebenswichtigen Entscheidungen möchte ich nicht gestört werden! Wenn es euch schwerfällt, denkt an das lahme Zirkuspferd, das wir von dem Honorar kaufen werden.«
»Wirklich, Ida?« zwitscherte Tania.
»Das kleine Pferd mit dem dreckigen Verband am Hinterbein?« fragte Sascha atemlos.
»Genau dieses.«
»Und wenn der Zirkus bis dahin schon weitergezogen ist?«
»Das darf er einfach nicht. Ich werde alle Willenskraft darauf verwenden, ihn zu bannen. Aber lange gelingt mir das nicht, deshalb muß ich weiterkommen mit der Arbeit an dem Bild, und niemand darf mich stören in diesen Tagen.«
»Niemand«, wiederholten Sascha und Tania voll heiliger Überzeugung.
»Also, ihr wißt, worum es geht«, sagte Ida abschließend. »Ich koche jetzt die Suppe, dann ziehe ich mich um. Jeder erledigt seine Pflichten. Tania, du gehst mit Bärli raus, Sascha, du holst die Brötchen und das Brot.«
Zu bestimmten Anlässen trug Ida Blonski stets bestimmte Kleider. An den schöpferischen Tagen hüllte sie sich von Kopf bis Fuß in grobes besticktes Leinen, band sich ein blaues Tuch um den Kopf und stieg in flache braune Ledersandalen. Die künstlerische Arbeit verrichtete sie in der ehemaligen Sakristei. Erstens hatte man dort das beste Licht, zweitens hörte man die Haustürklingel nicht.
Sie legte eine Wolldecke für Nino und Bärli auf den Fußboden und begann mit den Vorbereitungen. Sie bespannte einen hölzernen Rahmen mit Leinwand, stellte Farbtöpfe auf den Tisch und nahm verschiedene Pinsel aus dem sorgfältig verschlossenen Kasten und Blattgold aus der kleinen Schublade. Eine Skizze zuvor machte sie nie.
Im Laufe ihres Künstlerlebens hatte Ida die Techniken hundertmal gewechselt, und sie hatte keine Ahnung, welche sie anwenden würde, wenn sie im Zeichen der Inspiration die Sakristei betrat. Im Laufe der ersten halben Stunde, das lehrte sie die Erfahrung, erhellte sich ihr die gesamte bildliche Komposition, und alles, was dazu erforderlich war, ergab sich von selbst.
*
Der Wagen war golden. Er rollte langsam bis zum Gartentor und blieb stehen.
»Sieh mal, wer da kommt«, flüsterte Tania und drückte die Stirn ans Küchenfenster, »ein Prinz! Er hat eine goldene Kutsche, und er trägt einen Königsmantel.«
»Quatsch«, antwortete Sascha und preßte seine eigene Stirn ebenfalls an die Scheibe, »das ist keine Kutsche, das ist ein Mercedes, und was er anhat ist ein armer abgeschossener Bär. Manche Leute ziehen auch Fohlen und Kälber an oder kleine Lämmer, die extra dafür umgebracht werden.«
»Wie schrecklich«, wisperte Tania, »sag mir so was nicht, sonst träume ich davon!«
»Besser, man weiß Bescheid«, sagte Sascha düster und öffnete das Küchenfenster.
»Hoffentlich wollen Sie nicht zu uns!« rief er dem Mann zu, der ihn gar nicht bemerkt hatte und ganz erstaunt eine Augenbraue hob.
»Doch, das will ich.«
»Heute geht es nicht«, erklärte Sascha und wollte das Fenster wieder schließen.
»Warte mal! Ich bin stundenlang gefahren, um Frau Blonski zu sprechen. Ist sie nicht da?«
»Nein«, sagte Sascha.
»Sie hat die Inspiration«, fügte Tania schüchtern hinzu, »drei Tage lang darf sie nicht gestört werden.«
»Was? Was hat sie?«
»Die Inspiration«, wiederholte Tania ein wenig ungeduldig, »außerdem hält sie den Zirkus fest, dafür braucht sie alle Kraft.«
»Gütiger Himmel«, murmelte Wolf von Kelberg, »wo bin ich hingeraten? Das scheint ja ein Irrenhaus zu sein!«
Ganz in der Nähe begann ein Tier zu röhren, heiser, drohend und immer lauter.
»Wer ist das?« fragte er und zog unwillkürlich den Kopf ein.
»Unser Bärli«, lächelte das blonde Kind hinter der Scheibe, »aber den können Sie nicht anziehen! Der frißt Sie auf!«
Wolf schlug den Pelzkragen seiner Jacke hoch und zog sich Schritt für Schritt zurück.
Er war irritiert. Eine innere Stimme riet ihm von jedem weiteren Vorstoß ab.
»Habt ihr kein Telefon?« rief er aus sicherer Entfernung.
»Nein, Ida mag nicht, wenn es immerzu klingelt.«