Undoubtable Love - Kylie Scott - E-Book

Undoubtable Love E-Book

Kylie Scott

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Beschreibung

WENN MAN GLAUBT, DAS ENDE ZU KENNEN, DARF MAN DANN DEN ANFANG WAGEN?

Als Susie Bowen das Haus ihrer Tante erbt, ist sie froh über die Chance eines Neuanfangs. Weniger begeistert ist sie allerdings, als die Renovierungsfirma ausgerechnet Lars, den besten Freund ihres Ex’ vorbeischickt, der vor Kurzem Zeuge ihrer demütigenden Trennung wurde. Der unverschämt attraktive Wikinger-Typ soll nun mehrere Wochen lang Susies Haus renovieren. Doch es wird noch schlimmer, als Lars hinter einer Wand ein Scheidungszertifikat findet, mit ihrer beider Namen und einem Datum, das in der Zukunft liegt. Hat ihnen jemand einen Streich gespielt? Während Susie und Lars versuchen, das Rätsel zu lösen, stellen sie fest, dass es gewaltig zwischen ihnen knistert. Aber was will ihnen dann der mysteriöse Fund in der Wand sagen?

»Ich habe dieses Buch in einem Rutsch durchgelesen und mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen beendet.« LISA LOVES LITERATURE

Der neue Roman von SPIEGEL-Bestseller-Autorin Kylie Scott!

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Seitenzahl: 439

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

Epilog

Bonus-Story

Die Autorin

Die Romane von Kylie Scott bei LYX

Impressum

Kylie Scott

Undoubtable Love

Roman

Ins Deutsche übertragen von Richard Betzenbichler

Zu diesem Buch

Als Susie Bowen das alte, etwas baufällige Haus ihrer Tante erbt, ist sie froh über die Chance auf einen Neuanfang. Weniger begeistert ist sie allerdings, als die Renovierungsfirma ausgerechnet Lars, den besten Freund ihres Ex’, vorbeischickt, der vor Kurzem Zeuge ihrer demütigenden Trennung wurde. Der unverschämt attraktive Wikinger-Typ soll nun mehrere Wochen lang Susies Haus renovieren. Doch es wird noch schlimmer, als Lars hinter einer Wand ein Scheidungszertifikat der beiden findet, mit einem Datum, das zehn Jahre in der Zukunft liegt. Hat ihnen jemand einen Streich gespielt oder sind hier tatsächlich übernatürliche Kräfte am Werk? Während Susie und Lars gemeinsam versuchen, das Rätsel zu lösen, sprühen zwischen ihnen immer stärker die Funken, und ihre Verbindung lässt sich nicht mehr leugnen. Aber was, wenn das mysteriöse Dokument doch echt sein sollte? Wäre ihre Beziehung dann nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt?

Für alle unerschütterlichen Leser:innen von Liebesromanen

1. Kapitel

»Das ist jetzt ein bisschen unangenehm.«

Der große blonde Mann auf meiner Türschwelle sah mich verblüfft an.

»Wie geht es dir, Lars?« Ich schenkte ihm mein bestes falsches Lächeln. »Nett, dich zu sehen.«

»Susie. Wie lange ist es her … fünf, sechs Monate?« Er stellte seinen Werkzeugkoffer ab und lächelte mich verkrampft an. Eigentlich war sein Lächeln eher ein Zusammenzucken. Denn als wir uns das letzte Mal gesehen hatten, war das kein guter Abend gewesen. Zumindest für mich nicht.

»So in etwa«, erwiderte ich.

»Ist das dein neues Zuhause?« Er deutete mit dem Kopf auf das heruntergekommene Arts-and-Crafts-Cottage. »Im Büro hieß es, du hättest einen Wasserschaden, um den wir uns kümmern sollen?«

»Ja, mir wurde gesagt, Mateo würde das übernehmen.«

»Er ist leider verhindert.«

»Oh.«

Er schaute mich bestürzt an. Wie sein Name suggerierte, sah er aus wie der typische Wikinger auf Raubzug. Halblange blonde Haare, helle Haut, blaue Augen, kurzer Bart, groß und kräftig. Da ich nur von normaler Statur war, überragte er mich deutlich. Er war Mitte dreißig und mehr als nur ein bisschen ungeschliffen. Ganz anders als sein aalglatter bester Freund. Ein Arschloch, an dessen Existenz ich am liebsten nie mehr erinnert werden würde. Aber man bekommt nicht immer, was man gern hätte.

Ich holte tief Luft und riss mich zusammen. »Komm doch rein, dann zeige ich dir …«

»Okay.«

»Die Schuhe kannst du anlassen. Der Teppich fliegt sowieso raus.«

Mit schweren Schritten folgte er mir durch das Wohnzimmer ins Esszimmer, wo wir uns nach links in den kleinen Flur begaben. Von hier gelangte man entweder ins Badezimmer oder in das rückwärtige Schlafzimmer. Wir gingen in Letzteres.

»Das Wasser ist wer weiß wie lange durch einen Spalt im Fenster eingedrungen«, erklärte ich. »Ich habe das Haus erst kürzlich geerbt. Da hier alle möglichen Kartons aufgestapelt waren, konnte niemand sehen, dass es ein Problem gab.«

Er gab einen Grunzlaut von sich.

»Den ersten Monat habe ich nichts anderes getan, als alles zu sortieren und wegzuwerfen.«

Unter dem Fensterrahmen war ein großer Fleck auf der goldgesprenkelten Tapete zu sehen. Als wäre sie nicht auch so schon hässlich genug. Aber meine Tante Susan war nun mal kein großer Fan von Veränderung gewesen. Das Cottage mit den zwei Schlafzimmern hatte ihren Eltern gehört, und nach dem Tod meiner Großeltern war alles mehr oder weniger unverändert geblieben. Abgesehen davon, dass Susans Kram noch hinzugekommen war. Was bedeutete, dass die Tapete und der Teppich aus den 1970er-Jahren waren, das Badezimmer hingegen aus den 1940ern und die Küchenschränke aus den 1930ern. Das Haus war wie eine Ode an den Einrichtungsstil des 20. Jahrhunderts. Im Guten wie im Schlechten.

Lars kniete sich hin und inspizierte den Schaden. »Der Fensterrahmen ist unten verzogen und muss ersetzt werden.«

»Kannst du das machen?«

»Ja«, erwiderte er. »Ich muss mir mal anschauen, wie es dahinter aussieht. Hängst du an der Tapete?«

»Um Himmels willen, nein.«

Er hätte beinahe gelächelt.

»Je schneller ich streichen und einen neuen Boden reinlegen kann, desto besser.«

Keine Antwort. Er nahm ein spitz zulaufendes Messer mit gezackter Klinge aus dem Werkzeugkasten. Problemlos fuhr er damit durch das Mauerwerk und bohrte es in die Wand hinein.

»Wie geht es ihm?«, stellte ich ihm die gefürchtete Frage. Neugier war ein schreckliches Laster. »Gefällt es ihm in London?«

»Yeah.« Mehr sagte er nicht.

»Und wie geht es Jane?«

»Wir sind nicht mehr zusammen.«

Was mich nicht wirklich überraschte. Während des Jahres, als ich mit Wie-hieß-er-noch-mal zusammen war, hatte Lars mehrere Freundinnen. Weder er noch sein Freund legten sich gern fest. Was okay war, wenn man einfach nur Spaß haben wollte. Aber Jane hätte er behalten sollen, sie war klug und hatte einen schrägen Humor. Lars stand definitiv auf einen bestimmten Typ Frau. Alle seine Freundinnen waren zierliche Puppen mit damenhaften Manieren. Ganz das Gegenteil von mir, die ich drall und vorlaut bin.

Er säbelte ein Stück Mauerwerk aus der Wand. »Hast du vor, auf Dauer hier zu wohnen, oder willst du es renovieren und verkaufen?«

»Habe ich noch nicht entschieden.«

»Die Lage ist toll. Und mit ein bisschen Arbeit ist es vermutlich eine Menge Geld wert.« Er lenkte das Gespräch lieber wieder auf die Dinge, die anstanden. Das war auch gut so.

Mithilfe der Taschenlampe in seinem Handy nahm er den Hohlraum unter die Lupe. Dieser Mann verkörperte den typischen Handwerker-Chic: klobige Schuhe, Jeans, verwaschenes schwarzes T-Shirt. Alles gut abgetragen. Und wie sich seine Jeans um seine kräftigen Oberschenkel und seinen Hintern spannte, war durchaus das Hinsehen wert. Ich hatte den Blick nicht absichtlich darauf gerichtet, es war mir einfach so aufgefallen. Vielleicht lag es daran, wie sein Werkzeuggürtel jenen speziellen Teil seiner Anatomie umschloss. Einen Moment lang war ich wie hypnotisiert. Der Anblick eines wohlgeformten Hinterns konnte mich durchaus in seinen Bann schlagen, was alles andere als in Ordnung war. Besonders in diesem Fall. Ich sollte diesen Mann nicht auf sexuelle Weise wahrnehmen, wenngleich es tröstlich war, dass mich so etwas noch anmachte.

Ich weiß nicht, ob Lars und ich jemals wirklich Freunde waren. Auf jeden Fall hatten wir einen freundschaftlichen Umgang gepflegt. Aber so war das nun mal mit Liebesbeziehungen: Gerade noch waren all diese großartigen Menschen Teil deines Lebens, und im nächsten Moment waren sie von der Bildfläche verschwunden.

Ich zupfte nervös am Ende meines dunklen Pferdeschwanzes herum. Ein alter Tick von mir.

»Bis jetzt sieht es aus, als wäre der Schaden nur oberflächlich«, sagte Lars. »Diese beiden Lagen Gipsplatten müssen weg. Dann erst kann ich genauer sagen, womit wir es hier zu tun haben.«

»Okay.«

»Aber es würde mich nicht wundern, wenn man davon auch einiges oder alles ersetzen müsste.« Er deutete auf die Wand zwischen Schlafzimmer und Badezimmer. »Siehst du, wie sich die Tapete dort in den Fugen wellt?«

»Ja.«

»Bist du einverstanden, dass ich loslege?«

Ich nickte.

Ich war nicht wirklich überrascht. Ältere Gebäude haben eine besondere Ausstrahlung, aber oft sind sie auch teuer im Unterhalt. Renovierungen kosten eine Menge Geld. Ich hatte kaum Ersparnisse, aber dieses hundert Jahre alte Haus hatte das Glück, dass mir meine Tante ein bisschen Geld vermacht hatte. Was mit einigen in meiner Familie zu Streit geführt hatte. Als ob sie jemals Zeit für Tante Susan gehabt hätten, als sie noch lebte. Abgesehen davon, dass sie meine Namensvetterin war, war sie auch das schwarze Schaf in der Familie gewesen. Für einige vermutlich ein bisschen zu schräg. Aber für einen schrägen Charakterzug hatte ich schon immer etwas übrig.

»Ich mache mir einen Kaffee«, sagte ich. »Möchtest du auch einen?«

»Ja, danke.«

»Wie trinkst du ihn?«

»Mit Milch. Ohne Zucker.«

»Du bist auch so schon süß genug, wie?« Kaum hatte ich das gesagt, wusste ich, dass ich einen Fehler gemacht hatte. So viel zum Thema unangenehm.

Er schnaubte, dann sagte er: »So in etwa.«

Lars fackelte nicht lange. Als ich zurückkam, hatte er die ersten beiden Gipsplatten bereits entfernt. Die Hände in die Hüften gestemmt, starrte er in das Innere der Wand mit dem problematischen Fenster. Zu sehen waren vor allem eine Menge Staub und ein paar Spinnweben. Allerdings bin ich keine Handwerkerin. Als ich ihm seinen Becher reichte, lächelte er mich kurz an, bevor er einen Schluck trank.

»Wie sieht es aus?«, fragte ich.

»Dein Haus ist solide gebaut.«

»Na prima.«

»Solange der Schaden in der Wand nur eine Folge der Feuchtigkeit ist, die durch das Fenster dringt, und nicht von einem undichten Badezimmerrohr herrührt, dürfte sich das rasch erledigen lassen«, sagte er.

Ich hatte mich im Hauptschlafzimmer eingerichtet, aber dieses Zimmer hatte für mich noch immer einen großen sentimentalen Wert. Wann immer Mom und Dad beschäftigt waren oder eine Pause von uns Kindern brauchten, blieb mein Bruder bei einem Freund, und ich wurde bei Tante Susan geparkt – in genau diesem Schlafzimmer. Was mir nur recht war. Andrew war ein kontaktfreudiger Sportler, während ich eher etwas schüchtern war. In diesem Haus wurde ich so akzeptiert, wie ich war. Eine nette Abwechslung. Nach der Scheidung meiner Eltern wuchs ich abwechselnd in drei Haushalten auf und lebte überwiegend aus einer Schultasche, was echt blöd war. Aber Tante Susan gab mir die Sicherheit, die ich woanders vermisste.

»Ist der Boden in Ordnung?«

»Heben wir doch mal den Teppich an und schauen nach.« Er stellte seinen Kaffeebecher auf die Fensterbank. Dann machte er sich mit dem Messer über den Teppichboden her. Es war beeindruckend, wie das Werkzeug zu einem Teil von ihm wurde, wie eine Erweiterung seines Körpers. »Da drunter hast du einen guten soliden Holzboden.«

»Oh, lass mich mal sehen.«

Er zog die verschlissene Unterlage noch weiter zurück. »Eiche, wie es aussieht.«

»Wow. Kaum zu glauben, dass man auf so etwas Schönes einen potthässlichen Teppich klebt.«

»Nichts von einem Wasserschaden zu sehen. Du hast Glück gehabt.«

Ich lächelte. »Das klingt super.«

»Jetzt schauen wir mal, was hier dahinter ist.«

Ich trat einen Schritt zurück, damit er den nächsten Abschnitt der Trockenwand herausreißen konnte. Er hatte große fähige Hände. Ihm bei der Arbeit zuzuschauen war reiner Kompetenzporno. Als reife und ausgeglichene Dreißigjährige wusste ich nur zu gut, dass ich jetzt nicht an Sex denken sollte. Der beste Freund meines Ex ist nicht mein Freund. Wie schon Konfuzius sagte, oder wer auch immer.

»Da hinten scheint irgendetwas zu sein«, sagte er und stellte zwei Gipsplatten zur Seite.

»Etwas Gutes oder etwas Schlechtes?« Ich zuckte zusammen, als eine große haarige Spinne aus der Öffnung herauskroch. »Igitt.«

»Das ist nur eine Wolfsspinne. Nichts Gefährliches.«

»Aber da kommt vielleicht noch mehr.«

Ohne darauf einzugehen, griff er in das Loch hinein und zog ein Stück Papier heraus. Es sah alt aus. Was nicht weiter verwunderlich war. Wer weiß, wie lange es schon in der Wand versteckt gewesen war. Es war irgendwie, als würde man eine Zeitkapsel öffnen.

»Was ist das?«, fragte ich neugierig.

Mit zusammengekniffenen Augen überflog er die Seite und runzelte dann die Stirn. Seine Augenbrauen wanderten immer weiter nach oben, und seine Lippen wurden zu einem dünnen Strich. Mit einem erst ungläubigen und dann zornigen Gesichtsausdruck drückte er mir das Papier in die Hand. Von einem Mann seiner Statur so offensichtlich feindselig angeschaut zu werden war beängstigend. »Susie, was soll der Scheiß?«

»Häh?«

»Findest du das etwa witzig?«

»Nein. Ich …« Das Papier war mit den Jahren sehr dünn geworden, und die Schrift war verblasst, aber immer noch lesbar. Zumindest weitgehend. Superior Court of Washington, County of King, stand oben auf der Seite. Auch ein Datumsstempel war erkennbar. Dann folgten eine Reihe Zahlen und die Wörter Rechtskräftige Scheidungserklärung. »Moment mal. Ist das eine Scheidungsurkunde?«

»Yeah«, erwiderte er. »Für dich und mich. Datiert auf in zehn Jahren.«

Ich zog die Nase kraus und kreischte: »Was? Moment mal. Du glaubst, ich habe das dorthin gelegt?«

»Nein«, erwiderte er und trat drohend vor mich. »Ich weiß, dass du das dorthin gelegt hast.«

»Tritt bitte mal einen Schritt zurück.« Ich drückte fest gegen seine harte Brust.

Er tat wie geheißen, und seine Wut ließ sichtbar nach. »Tut mir leid«, knurrte er.

»Danke.«

»Warum machst du so was? Aber egal. Such dir einen anderen Handwerker.« Er packte sein Werkzeug zusammen. »Ich bin jedenfalls weg.«

»Kannst du mal einen Moment warten?«

Offenbar lautete die Antwort Nein. Er bewegte sich nämlich nur noch schneller. »Ich weiß nicht, was für ein Spiel du da treibst. Und ich will es auch gar nicht herausfinden.«

Ich holte tief Luft und atmete langsam aus. »Ich habe das nicht in die Wand gelegt, Lars. Denk doch mal nach. Du bist Handwerker. Wurde an dieser Tapete oder am Mauerwerk in den letzten vierzig oder fünfzig Jahren irgendwas gemacht?«

»Du hättest dir von der anderen Seite Zugang verschaffen können. Was weiß ich.«

»Ich wusste nicht mal, dass du heute kommen würdest.«

»Dafür habe ich nur dein Wort«, knurrte er.

»Und ich habe nur dein Wort, dass du es nicht aus irgendeinem blödsinnigen Grund dorthin gelegt hast.« Ich dachte darüber nach. Wieso war mir das nicht eher eingefallen? »Natürlich hast du es dorthin gelegt. Ich war nicht die Erste, die Zugang zu dem Hohlraum hatte. Das warst du. Mit ein bisschen Fingerfertigkeit wäre das kein Problem gewesen. Das ist so was von unseriös.«

»Echt nett. Diese Ansprache hast du garantiert zur gleichen Zeit geplant, als du die Urkunde dorthin gelegt hast, weil du wusstest, dass ich unweigerlich derjenige sein würde, dem sie als Erstes in die Finger fällt.«

»Und du hast diese Ansprache garantiert zur selben Zeit geplant, wie du die Urkunde da hingelegt hast, weil du wusstest, ich würde dich verdächtigen.«

Er starrte mich an. »Warum zum Teufel sollte ich das tun, Susie?«

»Warum zum Teufel sollte ich das tun, Lars?«, fauchte ich zurück. »Das ist lächerlich. Ich will nur mein Haus repariert haben. Das ist alles. Und ich habe extra gefragt, wen sie mir schicken, weil ich keinen Wert darauf gelegt habe, dich wiederzusehen.«

Mit dem Rücken zu mir blieb er stehen.

»Nimm es nicht persönlich. Aber ich wusste, es würde ziemlich unangenehm sein.«

»Wieso hast du dann meine Firma angerufen?«

»Weil ich weiß, dass sie seriös ist und gute Arbeit leistet. Du hast selbst gesagt, dass das einer der Hauptgründe ist, weshalb du ihnen die Treue hältst. Weil sie dich nicht ermutigen, bei der Ausführung der Aufträge Abstriche zu machen oder minderwertiges Material zu verwenden und weil sie ihre Mitarbeiter gut behandeln. Außerdem machen sie so ziemlich alles. So etwas ist wichtig.« Ich hob einen Finger. (Nein. Nicht den.) »Nimm zum Beispiel Autoreparaturen. Da ich so gut wie nichts von Autos verstehe, werde ich von Werkstätten übers Ohr gehauen – da bin ich mir sicher. Ich wollte nicht, dass mir das hier ebenfalls passiert.«

Noch ein Grunzlaut. Es hatte schon etwas Animalisches.

»Ich möchte dich weder heiraten noch mich von dir scheiden lassen, Lars. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass du das genauso siehst. Also bringt mir dieser Zettel überhaupt nichts. Sieh mich an. Lache ich etwa? Nein, tue ich nicht. Und ich finde auch keinen Gefallen an diesem Theater. Ganz im Gegenteil. Ich hasse Auseinandersetzungen.« Ich spürte, wie meine Schultern hinabsackten. »Ich weiß nicht, was ich sonst noch sagen soll. Das Ganze ist lächerlich.«

»Das hast du bereits gesagt.«

»Das kann man nicht oft genug sagen.«

Er warf mir einen Blick über die Schulter zu. »Wenn du mich verarschst …«

»Tue ich nicht. Verarschst du mich?«

»Nein.«

»Was zum Teufel soll das dann?«, richtete ich meine Frage an das Universum.

Ohne ein weiteres Wort stand er auf, ging aus dem Zimmer und geradewegs ins Badezimmer nebenan, wo er alles rasch untersuchte. Fliesen und Farbanstrich, den Bereich um das weiße Sockelwaschbecken, das Innere des in die Wand eingelassenen Spiegelschranks und den Ablauf der Klauenfußbadewanne. Dann drehte er sich um und fragte gereizt: »Wo ist der Zugang zum Dachboden?«

»Im Flur.«

Im Nullkommanichts hatte er die Klappe geöffnet, die Leiter heruntergelassen und stieg hinauf in die Dunkelheit. Wieder diente ihm sein Handy als Taschenlampe.

»Ganz schön viel Zeug hier oben«, sagte er.

»Das wundert mich nicht. Meine Tante hat gern Sachen gehortet. Nicht so schlimm wie die Leute in diesen Fernsehsendungen, aber … ja.«

Er nieste. »Und jede Menge Staub.«

»Gesundheit. Da oben war ich noch gar nicht. Hier unten sauber zu machen und auszuräumen hat meine gesamte Zeit in Anspruch genommen.«

Seine großen Stiefel verschwanden auf den letzten Sprossen der Leiter, während ich unten wartete – schließlich würde ich nur im Weg sein. Mit meiner Angst vor gruseligen Krabbeltieren hat das nicht das Geringste zu tun. Jemand musste schließlich unten mit dem merkwürdigen Dokument warten. Als Nächstes hörte ich ihn oben herumtrampeln und Dinge durch die Gegend schieben. Irgendetwas Schweres wurde zur Seite gerückt. Etwas anderes fiel zu Boden, und Glas klirrte.

»Tut mir leid«, rief Lars.

»Es war bestimmt nichts Wertvolles. Hoffe ich.«

Dann tauchte sein Gesicht in dem dunklen Loch über mir auf. »Sieht aus, als wäre der Dachboden mal als zusätzliches Schlafzimmer oder als Büro geplant gewesen. Der Holzboden und alles ist dicht. Kein richtiger Zugang zu den Wänden unten.«

»Mmm.«

»Außerdem liegen hier mindestens zwei Zentimeter Staub auf dem Boden, und außer meinen sind hier keine Fußspuren zu sehen.«

»Gute Arbeit, Nancy Drew«, erwiderte ich. »Ist als Nächstes der Keller dran?«

Er warf mir einen unfreundlichen Blick zu. »Ja.«

Vielleicht sollte ich mich lieber nach einem anderen Handwerker umsehen. Im Grunde wusste ich, dass das besser wäre. Wobei ich mir damit nur andere Probleme einhandeln würde. Ich würde mich zwar nicht länger mit Lars herumschlagen müssen, aber in die Arbeit eines neuen Handwerkers würde ich lange nicht so viel Vertrauen haben. Das würde mir Sorge bereiten und vermutlich teuer werden. Ich befand mich in der Zwickmühle.

Unser alles andere als fröhliches Abenteuer führte uns zurück ins Esszimmer und von dort durch die Küche im hinteren Teil des Hauses. Ich öffnete die Tür zu der düsteren Treppe. »Ich nenne dies gern das Mordzimmer. Dunkel, feucht, bedrohlich. Was eben so dazugehört.«

Er zeigte keine Reaktion, während wir hinuntergingen. Schwieriges Publikum. Der Keller hatte Betonwände; in dem Raum befanden sich ein Boiler, eine Waschecke und ähnliche Sachen. Aber der alte Boiler, der vor dem jetzigen, hatte immer merkwürdige Geräusche von sich gegeben. Deshalb hatte ich als Kind immer Angst vor dem Keller gehabt. Es war immer eine Tortur gewesen, bei der Wäsche helfen zu müssen. Normalerweise entkam ich ihr, indem ich anbot, stattdessen abzuspülen.

Lars machte sich daran, die Decke zu untersuchen.

»Wann hast du von diesem Auftrag erfahren?«

»Heute Morgen gegen acht«, erwiderte er. »Ich erhielt einen Anruf aus dem Büro, dass Mateos Freund auf dem Weg zur Arbeit von einem Auto angefahren worden sei.«

»Geht es ihm so weit gut?«

»Ein paar blaue Flecke und Kratzer und ein verstauchtes Handgelenk.«

»Herrje.«

»Ja. Der letzte Auftrag war so gut wie erledigt, deshalb konnten sie mich da entbehren und haben mich gebeten, hierherzufahren.«

»Was mir zu denken gibt, ist, dass das Papier alt aussieht. Ich meine, so wie die Schrift verblasst ist und alles.« Vorsichtig drehte ich die Urkunde um. »Ich frage mich, ob man das irgendwie prüfen lassen kann.«

Er schnaubte. »Du hältst das doch nicht allen Ernstes für echt?«

»Ich weiß es wirklich nicht«, entgegnete ich. »Ich weiß nur, wenn du die Urkunde nicht dort versteckt hast, um mich zu ärgern – und vermutlich glaube ich dir, wenn du sagst, dass du es nicht warst –, dann fällt mir keine vernünftige Erklärung ein, wie sie dort hingekommen ist.«

Er runzelte die Stirn und untersuchte weiter die Decke. Selbst er musste zugeben, dass es höchst unwahrscheinlich war, dass ich die Scheidungsurkunde in der Wand versteckt hatte. Wahrhaftig.

»Fängt dein zweiter Name mit A an?«

»Alexander, ja.«

»Dann stimmen also zumindest die Details. Finanzielle Regelungen wurden nicht getroffen. Auch nicht in Bezug auf Immobilien. Diese Ehe wurde aufgelöst. Antragstellerin und Antragsgegner sind geschieden. Wenig Informationen, mit denen man etwas anfangen könnte.« Meine nächsten Worte wählte ich sehr vorsichtig. »Weißt du, meine Tante war ein bisschen exzentrisch. Sie hat immer Kerzen angezündet und Kristallkugeln gekauft.«

Er warf mir über die Schulter einen fragenden Blick zu.

»Manchmal hat sie auch mit dem Haus geredet«, fuhr ich schließlich fort. »Als wäre es tatsächlich ein lebendes, atmendes Wesen. Und ja, vielleicht war sie einsam oder ein bisschen seltsam. Bitte sag jetzt nichts Gemeines oder Verächtliches über sie.«

»Ich werde überhaupt nichts über deine Tante sagen.«

»Danke.«

Er blinzelte nicht einmal. »Aber da ist nichts Übernatürliches im Spiel, Susie. Das war kein Gespenst oder Geist oder was immer du glaubst.«

»Okay. Gut. Ich wollte es nur mal erwähnt haben. Hast du hier unten irgendwas gefunden?«

»Nein.«

»Und was jetzt?«

Mit starrer Miene trat er auf mich zu und sah mir in die Augen, als könnte er in meiner Seele lesen. »Susie.«

»Lars.«

»Ich will dir glauben, wenn du sagst, dass du nichts damit zu tun hattest. Ich habe dich immer für einen ziemlich ehrlichen Menschen gehalten. Ein bisschen zu ehrlich manchmal.«

»Wie meinst du das?«, fragte ich ein wenig genervt – wobei ich mich sehr zurückhalten musste.

»Manches von dem, was du manchmal so von dir gibst, ist … unnötig.«

»Einigen wir uns darauf, dass wir uns da nicht einig sind.«

Er schüttelte den Kopf.

»Ich möchte allerdings festhalten, dass ich nicht verletzend bin. Ist dir schon mal aufgefallen, wie Leute normalerweise sind, die behaupten, sie wären nur ehrlich?«

Er holte tief Luft, und seine Nasenlöcher blähten sich auf. Ich hatte keine Ahnung, wie ich das auch nur ansatzweise attraktiv finden konnte. Irgendetwas stimmte nicht mit mir. Vermutlich wurde mein Vibrator allmählich ein bisschen langweilig. Vielleicht war der Zeitpunkt gekommen, mich mal wieder mit Männern zu treffen. Andererseits wäre es großartig, nie wieder im Leben ein Date zu haben.

»Zum letzten Mal«, sagte er langsam und feierlich. »Hast du diese Urkunde in die Wand gelegt?«

»Nein. Ich schwöre es.«

»Mist«, murmelte er.

»Mist«, stimmte ich zu.

Er seufzte. »Irgendjemand verarscht uns.«

2. Kapitel

»Korrigiere mich, wenn ich falschliege, aber ich dachte, du hättest gerade gesagt, du wüsstest nicht, wie irgendjemand die Urkunde in die Wand hineinbekommen konnte«, sagte ich verwirrt.

»Ich muss irgendwas übersehen haben.«

»Nämlich?«

»Wenn ich das nur wüsste«, erwiderte er völlig frustriert.

»Lass mich nachdenken.« Ich holte tief Luft und atmete langsam aus. »Was hältst du davon, wenn wir die anderen Platten von dieser Wand abmontieren, um nachzusehen, ob da sonst noch irgendwas für uns hinterlassen wurde?«

Einen Moment lang starrte er vor sich hin, dann nickte er. »Gute Idee.«

Nichts von alldem ergab Sinn. Ich konnte mir nicht vorstellen, wer die Scheidungsurkunde in der Wand versteckt haben sollte, um mich zu verarschen. Hinzu kam, dass ich schon vor langer Zeit beschlossen hatte, niemals zu heiraten. Meine Eltern hatten sich scheiden lassen, als ich fünf war. Etwa zehn Jahre zuvor hatten sie jeglichen Kinderwunsch aufgegeben, und dann kam völlig überraschend mein Bruder daher. Danach vergrößerten sie das Problem, indem sie mich bekamen. Ich habe mal von einer Studie gelesen, in der es hieß, dass die Ehe von Kindern geschiedener Eltern mit fast siebzig Prozent höherer Wahrscheinlichkeit mit einer Scheidung endet. Zwar träumte ich davon, den einen zu finden, aber nicht von einem tollen weißen Kleid. Und ich brauchte auch keins. Wenn die Beziehung nicht auf Liebe und Verbundenheit beruhte, würde eine Heiratsurkunde auch nichts mehr ändern.

Im Nullkommanichts hatte Lars den nächsten Abschnitt der Trockenwand im zweiten Schlafzimmer entfernt.

Nichts außer noch mehr Staub und Spinnweben. Aber beim dritten …

»Bei diesem ist ganz unten ein Loch«, sagte Lars und beugte sich vor, um die Trockenwand zu inspizieren. Das Loch war in etwa so groß wie seine Hand und geschickt hinter einer Tapetenbahn versteckt.

»Siehst du, dass der Teppich dort dunkler ist?« Ich deutete auf die Stelle. »Dort stand eine Kommode. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass dort ein Versteck ist.«

Wieder entfernte Lars ein Stück Mauerwerk und legte das Innere des Hauses frei.

»Bingo«, murmelte er.

»Was hast du da?«

Er fegte den Staub von der Zeitschrift. »Sexheftchen.«

Tatsächlich betrachtete auf dem Cover ein blondes Hippie-Mädchen in einem durchscheinenden Blumenkleid ihre Zehen. Garantiert hatte sie Schamhaare und alles. Schön für sie.

»Playboy. April 1972.« Ich schlug das Heft auf. »Oh, Wahnsinn. Weißt du, was das sein muss? Die Onaniervorlage meines Vaters, damals als er Teenager war.«

Er versuchte, sich ein Grinsen zu verkneifen. »Vermutlich.«

»Eklig!«

»Zumindest sind die Seiten nicht verklebt.«

»Das ist nicht lustig.« Ich warf die Zeitschrift auf den Boden. »Ich brauche ein Bleichebad.«

Er wandte sich wieder der Wand zu. »Die Trockenwand schließt nahtlos mit den Stützbalken ab. Da ist kaum Platz, um etwas durchzuschieben.«

»Stützbalken sind die Holzteile, die den Rahmen des Hauses bilden?«

»Genau.«

»Selbst wenn man den Arm in das Loch bekäme, wüsste ich nicht, wie man ein Blatt an dem ersten Stützbalken vorbei, über den Zwischenraum hinweg und dann an dem zweiten Stützbalken vorbei dorthin bugsieren könnte, wo wir es gefunden haben.«

»Nein.« Er kratzte seinen kurzen Bart. Oder vielleicht waren es auch lange Stoppeln. »Mir fällt nichts weiter ein. Dir?«

Ich zuckte mit den Schultern und holte die zusammengefaltete Urkunde aus der Tasche meines schwarzen Baumwollkleids. Denn in einer Welt, in der alles seine Ordnung hat, sollten Kleider Taschen haben. »Ich wüsste nicht, was.«

»Dann mache ich mich wohl besser wieder an die Arbeit.«

»Wirklich, du bleibst?«

Jetzt war er derjenige, der mit den Schultern zuckte. Dann griff er nach seinem inzwischen kalten Kaffee und trank ihn halb aus.

Ich lächelte. »Okay. Dann lasse ich dich jetzt mal machen.«

Während im Schlafzimmer munter gesägt und gehämmert wurde, machte auch ich mich an meine Arbeit. Zuerst antwortete ich auf Kommentare auf die heutigen Posts, besänftigte einen wütenden Kunden mit einem Zwanzig-Dollar-Geschenk und arbeitete an zukünftigen Werbeaktionen. Was halt so zu den Freuden eines Social-Media-Managers gehörte. Die meiste Zeit konnte ich von zu Hause aus arbeiten. Aber ich musste freundlich, witzig, kreativ, eine Problemlöserin und quasi vierundzwanzig Stunden am Tag verfügbar sein. Meine wichtigsten Kunden waren eine Firma für ökologisch hergestellte recycelte Kleidung, ein Fuhrpark aus Coffee Trucks und ein Onlinehandel für Menstruationsartikel. Ich liebte meine Arbeit.

Als ich ein paar Stunden später Mittagspause machte, war ich bereit, mich wieder mit der Lösung des Rätsels um die Scheidungsurkunde zu beschäftigen. Außerdem wollte ich etwas essen. »Hast du Hunger?«

Lars sah zu mir hoch. »Ich bin am Verhungern.« Irgendwie hatte es etwas Befriedigendes, einen Mann auf den Knien zu sehen. Schade nur, dass es bloß mit den Renovierungsarbeiten zusammenhing. Aber ich schweife ab. »Was vom Grill?«

»Gebongt.«

Dem Lieferdienst sei Dank, saßen wir bald mit unserem Essen vorn auf der Veranda. Es war einer dieser angenehmen Sommertage. Blauer Himmel, Vögel, das Übliche. Der Berg war draußen, der Mount Rainier war also zu sehen, was immer ein gutes Zeichen war. Wenngleich Seattle für seinen Regen bekannt ist, haben wir oft gutes Wetter. Und all der Niederschlag sorgte dafür, dass Gras und Bäume in einem Grün leuchteten, wie ich es noch nie irgendwo anders gesehen hatte. Das Grundstück, auf dem sich das Cottage befand, hatte die Größe einer Briefmarke, aber der Platz reichte für einen kleinen Garten vor und einen hinter dem Haus. Ich hatte mehr als genug Zimmerpflanzen umgebracht. Vielleicht war dies meine Chance, einen grünen Daumen zu entwickeln.

»Ich hätte da ein paar Fragen«, sagte Lars und lud sich Krautsalat auf die Gabel. »Wer hat dich besucht, seit du eingezogen bist?«

»Haben wir nicht bereits festgestellt, dass es keine Möglichkeit gibt, wie jemand die Urkunde dort hätte verstecken können, ohne das Mauerwerk aufzustemmen?«

»Bitte verrate es mir.«

»Okay.« Ich trank einen Schluck Wasser. »Es ist nicht so, dass ich Partys oder Ähnliches veranstaltet hätte. Das geht mit dem Haus noch nicht. Meine Freundin Cleo war ein paar Mal hier.«

Er starrte einen Moment lang auf die ruhige Straße hinaus. »Die habe ich, glaube ich, nie kennengelernt.«

»Nein. Das glaube ich auch nicht. Und sie würde so etwas nicht in der Wand verstecken. Ich habe dich ihr gegenüber auch nie erwähnt.«

»Das ist bitter.«

»Du warst der beste Freund. Nicht der Boyfriend.«

»Reden Frauen nur über Beziehungen?«

Ich zog verächtlich die Nase kraus.

»Was ist?«, fragte er.

»Diese Frage ist einfach so blöd, dass ich echt nicht weiß, was ich darauf antworten soll.«

Er sah mich mürrisch an.

»Frauen reden über vieles, Lars. Ich habe nur nicht über dich im Besonderen geredet.«

»Okay«, erwiderte er. »Wer noch?«

»Nur meine Familie.«

»Weiß die von mir?«

»Kann sein, dass ich dich mal erwähnt habe. Aber keineswegs so ausführlich, dass sie sich bemüßigt fühlten, mir solch einen Streich zu spielen.«

»Gibt es irgendjemanden in deinem Leben, dem du das zutrauen würdest?«

»Ich habe einen Onkel, der mal ein künstliches Hundehäufchen in meinen Schuh gelegt hat, als ich zwölf war.« Ich wischte mir den Mund mit der Serviette ab. »Aber mehr von der hinterhältigen Sorte gibt es nicht.«

»Wie sieht es mit Nachbarn aus?«

»Wie meinst du das?«

»Kennst du jemanden von ihnen?«

Ich schüttelte den Kopf. »Tante Susan kannte einige von ihnen, aber …«

Schweigend widmeten wir uns eine Zeit lang unserem Essen. Dann hielt er mir seine zur Hälfte gegessene Rinderbrust mit Krautsalat und Maisbrot hin. »Magst du tauschen?«

Ich reichte ihm mein Pulled Pork mit Mac’n’Cheese und Blattkohl. Keine Ahnung, wie es angefangen hatte, aber das mit dem Essen-Tauschen hatten Lars und ich immer gemacht, wenn wir alle zusammen essen gingen. Bei Doppel-Dates oder Ähnlichem. Uns schmeckten ähnliche Gerichte, und so konnten wir mehr von der Speisekarte ausprobieren. Wer würde schließlich nicht gern zwei unterschiedliche Nachspeisen probieren wollen?

Ich tippte mir nachdenklich mit der Gabel gegen die Lippen. »Nur um das noch mal aufzugreifen – vor acht Uhr heute Morgen wusste niemand, dass du hierherkommen würdest?«

»So ist es«, erwiderte er.

»Das ist dermaßen absurd. Wie aus einem Film.«

Er biss in sein Maisbrot und nickte. Nachdem er geschluckt hatte, sagte er: »Das ist nicht das erste Mal, dass wir bei Renovierungen Sachen hinter den Wänden gefunden haben. Zeitungen als Dämmung, Werkzeuge, die beim Bau des Hauses fallen gelassen wurden, sogar alte Flaschen aus der Zeit der Prohibition.«

»Wow.«

»Andere haben bei einem Auftrag mal eine Waffe und Geld gefunden.«

»Ich wünschte, wir hätten Geld gefunden.«

»Wenn wir zehntausend Dollar gefunden hätten, was würdest du damit machen?«, fragte er.

»Irgendetwas Leichtsinniges. Zum Beispiel nach Paris reisen oder mir ein Paar Prada-Schuhe kaufen.« Ich lächelte. »Und du?«

»Nichts. Dein Haus, deine Wände, deine Porno-Sammlung. Das Geld gehört ausschließlich dir.«

»Angenommen, wir teilen.«

»In dem Fall würde ich es zu dem Ersparten für meine eigene Firma legen.«

»Wie reif und vernünftig.«

»Du sagst das, als wäre es etwas Schlechtes«, entgegnete er. »Wir sind alt genug, wir sollten unser Leben in geordnete Bahnen lenken.«

»Ich habe ein Haus.«

»Nicht weil du gespart und dafür gearbeitet hast.«

»Autsch.« Ich riss die Augen auf, dass es wehtat. »Nur dass du es weißt, ich arbeite seit Jahren an meiner beruflichen Selbständigkeit.«

»Klingt, als hätte ich einen wunden Punkt getroffen.«

»Oh, glaubst du?«

Er legte den Kopf schief und schwieg.

»Du redest, als wäre ich eine Verschwenderin.«

»Ich wollte damit nicht sagen …«

»Doch, wolltest du. Und es stimmt, ich genieße gern schöne Sachen, aber ich arbeite auch hart dafür. Ich investiere viel Zeit in meine Arbeit, und meine Kreditkarte ist schuldenfrei und mein Auto komplett abgezahlt.«

»Okay«, erwiderte er.

»Männer wie du bringen mich aus dem Konzept – du weißt schon, ihr haltet euch für nette Jungs, ganz entspannt und unkompliziert. Und dann schwingt ihr euch unversehens zu Urteilen über andere Leute auf. Und meistens sind diese anderen Leute Frauen.«

Einen Moment lang starrte er mich einfach nur an, dann seufzte er. »Tut mir leid.«

»Wirklich?«

»Ja«, erwiderte er. »Du hast recht. Ich bin zu weit gegangen.«

»Freut mich, dass du das einsiehst.«

»Du und ich, wir haben die schlechte Angewohnheit, uns gegenseitig auf die Nerven zu gehen. Das war schon immer so.«

»Kann sein.«

Aufgewühlt fuhr er sich mit der Hand durch sein goldenes Haar und strich es sich aus dem Gesicht. Er hatte ein angenehmes Gesicht. Hohe Wangenknochen und ein kantiges Kinn. Schade nur, dass er ein derartiger Blödmann sein konnte. Auch mein Ex neigte dazu, alles schwarz-weiß zu sehen. Als wäre alles in Beton gegossen. Engstirnige Menschen machten mir Angst. Wenn jeder denken würde, man wüsste bereits alles, was es zu wissen gibt, Irrtum ausgeschlossen, wie zum Teufel sollte man da jemals etwas Neues lernen?

»Jedenfalls wundert es mich nicht mehr, dass wir uns haben scheiden lassen.«

Wieder zog Lars eine Augenbraue nach oben. »Das ist nicht echt, Susie.«

»Ich weiß, ich wollte nur …« Ich sah einem Schmetterling zu, wie er um den Lavendel an der vorderen Treppe herumflatterte. »Zwischen uns besteht nicht einmal eine gegenseitige Anziehung.«

Er schwieg einen Moment. »So würde ich das nicht sagen.«

»Nicht?«

»Nein.« Er klang, als wäre das eine feststehende Tatsache.

»Ach.« Mehr brachte ich vor lauter Verblüffung nicht heraus.

»Nicht dass es eine Rolle spielen würde«, fuhr er fort. »Du warst mit meinem Freund zusammen, deshalb läuft da sowieso nichts.«

»Aha. Der Bro-Code.«

»Genau.«

»Ihr Männer mit euren Prinzipien. Das mag ich so sehr an euch.«

Jetzt funkelten seine Augen wieder amüsiert. »Susie, wenn wir in einem anderen Leben tatsächlich zusammenkämen, glaube ich ehrlich gesagt nicht, dass wir uns länger als fünf Minuten ertragen könnten. Meinst du nicht auch?«

»Vermutlich.«

Und dann lächelte er. Er hatte ein umwerfendes Lächeln. Verdammt. Dann war da vielleicht wirklich etwas. Nur nichts, was wir jemals in die Tat umsetzen würden. So viel stand fest.

»Das ist ja irre«, sagte Cleo, als wir abends telefonierten. Sie war Fotografin und meine Seelenverwandte. Wir hatten uns vor Jahren durch die Arbeit kennengelernt.

»Nicht wahr?«

»Glaubst du, das Haus ist verhext?«

»Mir gefällt, dass du dich gar nicht erst mit Logik aufhältst und sofort zu diesem Schluss kommst.«

Sie lachte. »Es gibt einen Grund, weshalb wir Freundinnen sind.«

»Ich dachte mir, dass das Loch ein Riss im Raum-Zeit-Kontinuum ist.«

»Das würde passen«, erwiderte sie. »Nur würde das dann auch bedeuten, dass du ihn an irgendeinem Punkt in der Zukunft heiraten und dich von ihm scheiden lassen müsstest.«

»Nicht wenn die Urkunde aus einer Parallelwelt stammen würde.«

»Okay. Akzeptiert. Red weiter.«

»Weißt du, ich habe versucht, ihm zu sagen, dass es vielleicht etwas Übernatürliches ist, aber davon wollte er nichts hören.« Ich legte mich auf dem Bett zurück und starrte an die Decke, die dankenswerterweise einfach weiß war. Anders als Wände und Böden war sie von sämtlichen hässlichen Innendekorationstrends früherer Jahre verschont geblieben. Die Urkunde lag neben mir auf der Matratze. Ich hatte sie den ganzen Tag mit mir herumgetragen, so als könnte das seltsame Ding sich in Luft auflösen, sobald ich es aus den Augen ließ. »Wobei mir nichts aufgefallen ist, dass das Haus verhext sein könnte. Ich meine, es knarzt ab und zu. Aber das tun doch alle alten Häuser, oder?«

»Mmm.«

»Es ist nicht so, als hätte ich Tante Susans Anwesenheit gespürt oder irgend so etwas«, fuhr ich fort. »Ich würde zwar gern mal einen Geist sehen, aber ich hätte auch schreckliche Angst davor.«

»Da bin ich ganz bei dir.«

»Vielleicht sollten wir eine Séance abhalten.«

»Bei unserem Glück öffnen wir garantiert aus Versehen eine Pforte zur Hölle«, entgegnete sie. »Und meine Mama wäre entsetzt, wenn wir mit so etwas Unsinn machen.«

»Stimmt. Keine Séance.«

»Es ist jedenfalls eine sehr merkwürdige Entdeckung.«

»Lars ist überzeugt, dass uns jemand einen Streich spielen will. Was die wahrscheinlichste Erklärung ist. Ich kann mir nur nicht vorstellen, wieso.«

»Du bist dir hundertprozentig sicher, dass er sie nicht dorthin gelegt hat, als du gerade mal weggeschaut hast?«

»Ja, bin ich.« Ich runzelte die Stirn. »Zuerst war er verblüfft, genau wie ich, aber dann war er wütend. Als würde ich ein Spielchen mit ihm treiben oder Ärger machen wollen. Er wollte schon gehen, aber ich konnte ihn noch umstimmen. Nicht dass ich ihn so gern hier habe. Ich bin gerade erst darüber hinweg, dass mich sein bescheuerter Freund vor versammelter Mannschaft abserviert hat. Lars in meiner Nähe zu haben entspricht nicht meiner Vorstellung von Spaß haben. Es ist einfach zu kompliziert und weckt zu viele Erinnerungen. Heute hat er mich quasi als unreif hingestellt, und als jemanden, der nicht mit Geld umgehen kann.«

»Was für ein Flachwichser.«

Ich lachte.

»Und wenn du es deinem Blödmann von einem Ex heimzahlen wolltest, würdest du das auf reife und überlegene Art tun.«

»Genau.«

»Zum Beispiel, indem du sein Haus mit Eiern bewirfst.«

»Das könnte mir gefallen. Wie geht es dir allein in deiner Wohnung?«

»Ich verwandle dein früheres Zimmer in mein Büro«, erwiderte sie.

»Ein gutes Werk.«

»Josh möchte bei mir einziehen.«

»Oh, echt?«

»Es würde mir mit der Miete helfen. Und ich habe nichts gegen ihn.«

»Ah. Das hört sich nach wahrer Liebe an.«

Cleo lachte. »Vielleicht. Ich weiß es nicht. Es ist ein großer Schritt, und ich genieße es, die Wohnung für mich zu haben. Nach der Scheidung konnte ich mir nicht vorstellen, einem Mann wieder so viel Platz in meinem Leben einzuräumen. Allerdings konnte ich mir auch nicht vorstellen, jemals wieder Lust auf Dates zu haben.«

»Lass dir ruhig Zeit.«

»Ja.« Sie seufzte. »Dann sind wir jetzt wohl beide Geschiedene.«

»Stimmt. Gewissermaßen. Wobei meine Scheidung offenbar erst in der Zukunft droht.«

»Du hast mich hoffentlich gefragt, ob ich deine Brautjungfer sein will.«

Ein klagendes Miau ließ mich den Kopf drehen. »Auf dem Fensterbrett vor meinem Schlafzimmerfenster sitzt ein Kater und starrt mich an.«

»Kleiner Spanner«, witzelte sie. »Hast du was an?«

»Er ist grau und hat hübsche grüne Augen. Wem er wohl gehört?« Das Tier setzte sich auf die Hinterpfoten und begann, seinen Bauch zu lecken. »Oh, es ist eine Sie. Danke für die Aufklärung, Freundin.«

»Gehört wahrscheinlich einem Nachbarn«, sagte Cleo. »Was hast du in dem heutigen Karton gefunden?«

An den ersten Wochenenden nach meinem Umzug hatte Cleo mir beim Auspacken geholfen. Wir schrubbten und saugten und sortierten. Da meine Mom mit ihrem neuen Mann in Michigan weilte, Dad in die Hauptniederlassung nach Florida gewechselt hatte und mein Bruder darunter litt, dass er in Tante Susans Testament nicht berücksichtigt worden war, hatte sich Cleo als Lebensretterin erwiesen. Jetzt, da ich auf mich allein gestellt war, hatte ich mir jeden Tag einen Karton mit Susans Kram vorgenommen. Hatte das Wichtige vom Belanglosen und vom Verwirrenden getrennt. Hatte Platz für die Zukunft gemacht, indem ich die Vergangenheit aussortierte. So hatte ich es mir jedenfalls zurechtgelegt. Der Gedanke an diese Aufgabe hatte mir seit Jahren insgeheim Angst gemacht, aber jetzt, da ich mittendrin steckte, entpuppte sie sich als größer, als ich mir jemals vorgestellt hatte.

»Die, die ich heute aufgemacht habe, enthielt Urlaubs- und Geburtstagskarten aus den Achtzigern. Einen Stapel Dias aus den Siebzigern von Ferien mit der Familie. Ein paar rissige weiße kniehohe Leder-Discostiefel, einige coole bunte Plastikperlenhalsketten und die Asche eines Hunds namens Rex.«

»Ruhe in Frieden, Rex.«

»Amen. Ich wünschte, sie wäre hier und könnte mir ein paar dazugehörige Geschichten erzählen.«

»Mmm.«

»Zumindest ist das Erdgeschoss jetzt ausgeräumt«, fuhr ich fort. »Alles, was noch aussortiert werden muss, steht inzwischen im Keller. Bleibt nur der Dachboden. Vielleicht tue ich einfach so, als gäbe es ihn nicht.«

»Keine schlechte Idee. Steht unser Essenstermin für Donnerstagmittag noch?«

»Unbedingt. Wie läuft es mit den Fotos für den Blumenladen?«

»Sollten morgen fertig sein. Der Kunde war sehr zufrieden«, erwiderte sie. »Weißt du, vielleicht meldet sich derjenige, der die Urkunde in der Wand versteckt hat. Zeigt mit dem Finger auf dich und lacht. Irgend so was.«

»Dann wüsste ich wenigstens, was es damit auf sich hat.«

»Ich habe mal ein Gerichtsdrama im Fernsehen gesehen, in dem ein Experte für Dokumente hinzugezogen wurde. Da ging es um eine gefälschte Geburtsurkunde. Vielleicht brauchst du so jemanden.«

»Vielleicht. Oder vielleicht einen der Geisterjäger aus diesen Fernsehserien.«

»Halt mich auf dem Laufenden«, erwiderte sie. »Ich stehe auf geheimnisvolle Dinge.«

Zu meiner großen Enttäuschung hatte sich niemand zu der Urkunde bekannt. Allerdings war auch erst ein Tag vergangen, seit wir sie gefunden hatten, und bei Lars’ weiterer Arbeit waren keine Dokumente mehr aufgetaucht. Was vermutlich nur gut war. Sandra Bullock und Keanu Reeves fanden es vielleicht gut, sich in diesem Film, Das Haus am See, durch eine Zeitschleuse Briefe zu schreiben, aber ich fand diese Erfahrung nicht sonderlich romantisch, mir kam es eher wie mentale Selbstsabotage vor.

Lars stand früh am nächsten Morgen vor der Tür und machte sich sofort daran, den verzogenen Fensterrahmen auszubessern. Er sagte so gut wie nichts, warf mir aber jedes Mal schräge Blicke zu, wenn wir uns über den Weg liefen. Ausgesprochen uneindeutige Blicke. Und wenn er mir jetzt wieder mit Zweifeln wegen der Scheidungsurkunde kommen sollte, konnte er seinen Kaffee vergessen. Wir ignorierten uns gegenseitig, bis es Zeit für meine Mittagspause war.

Jeden anderen Handwerker hätte ich problemlos weiter links liegen lassen können. Aber Lars war so ein Zwischending. Er fühlte sich eher wie ein Gast in meinem Haus an als wie ein Handwerker, aber auch nicht so richtig. Es war kompliziert.

»Ich mache mir was zu essen«, sagte ich. »Magst du ein Sandwich?«

»Nein.«

»Dann nicht«, blaffte ich.

Man kommt einer Frau nicht dumm, die prämenstruell und hungrig ist. Das weiß jeder. Lars war leider ein Idiot. Denn wieder warf er mir einen dieser schwer zu interpretierenden Seitenblicke zu. Dieser Blödmann.

»Ich kann nicht glauben, dass wir wieder an diesem Punkt angelangt sind«, sagte ich und stemmte die Hände in die Hüften. »Gibt es irgendwas, das du mir gern sagen würdest?«

»Nein.«

»Bist du dir da sicher?«

»Ja.«

Ich strich die Vorderseite meines schwarzen Tanktops glatt und zog den Bund meiner bauchfreien Jeans hoch. Der schwarze Lack auf meinen Zehennägeln glänzte, was Wunder für mein Selbstvertrauen bewirkte und in Kombination mit meinen flachen Lederriemchensandalen großartig aussah. »Lass mich raten, als du gestern Abend nach Hause kamst, hat dein kleines Gehirn angefangen, Überstunden zu machen. Wie könnte die Scheidungsurkunde dorthin gelangt sein? Ich habe sie nicht dorthin gelegt. Susie war die einzige andere Anwesende. Sie muss es gewesen sein. Verbrennt die Hexe!«

Er sah mich kühl an.

»Nun?«

»Niemand wusste, dass ich hierherkommen würde«, knurrte er. »Das ist das Einzige, was Sinn ergibt.«

»Meine Güte! Niemand, einschließlich mir, wusste, dass du hierherkommen würdest. Und trotzdem glaubst du, ich müsste sie dorthin gelegt haben. Wo ist da die Logik?«

»Das ist so, wie sie in dieser Fernsehsendung sagen: Wenn man das Unmögliche ausschließt, dann muss das, was übrig bleibt, die Wahrheit sein, so unwahrscheinlich es auch scheinen mag.«

»Wenn du das wirklich glaubst, dann pack deinen Kram und verschwinde. Sag deiner Firma, sie sollen mir eine Rechnung schicken für die Zeit, in der du hier warst. Wir sind hier fertig.«

Er erstarrte. »Ist das dein Ernst?«

»Da kannst du deinen Hintern drauf verwetten. Mit so was muss ich mich nicht herumschlagen. In meinem Zuhause, wo ich zu arbeiten versuche. Wenn du wirklich glaubst, ich würde irgendetwas im Schilde führen und dich für dumm verkaufen wollen, dann geh.«

An diesem Tag trug er ein verblasstes Pearl-Jam-T-Shirt, was in dieser Stadt so eine Art Uniform war. Und es stand ihm gut. »Gestern hast du noch gesagt, eine andere Handwerksfirma würde dich vielleicht über den Tisch ziehen. Die Arbeit nicht richtig machen.«

»Das kann dir doch egal sein.«

Eine Zeit lang starrte er mich nur an. Dann seufzte er. »Ich habe dich immer gemocht.«

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.

»Nicht so.« Er ließ den Kopf hängen. »Was ich sagen will … dieser Schwachsinn ist lächerlich. Er ergibt keinen Sinn.«

»Da stimme ich dir zu. Aber wieso machen wir nicht was Konstruktives, statt uns gegenseitig anzugreifen?«

»Und was?«

Ich verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte mich an den Türrahmen. »Eine Freundin hat mir einen Tipp gegeben, wie man am besten feststellen kann, ob die Urkunde echt ist.«

»Das ist sie nicht.«

Ich zuckte mit den Schultern. »Gut. Dann schicken wir sie eben an einen Experten, um diese Möglichkeit auszuschließen.«

»Aber sie ist nicht echt. Das können wir uns sparen.«

»Hast du eine bessere Idee?«

»Nein«, rang er sich schließlich ab.

»Ich habe bereits angerufen und ein Angebot eingeholt. Ich mache es.«

»Na gut.« Das Leid, das ihm die Frauenwelt zufügte, stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. »Ganz wie du meinst, Susie.«

»Gute Antwort, Lars.« Ich machte mit beiden Händen das Daumen-hoch-Zeichen. »Weiter so.«

Als Antwort brachte er seine Halswirbel ein paar Mal zum Knacken. »Ich habe gelogen. Ich hätte gern ein Sandwich.«

»Natürlich hättest du gern eins.«

»Was hast du hier draußen vor?«

Wir saßen hinter dem Haus auf den zwei alten Adirondack-Stühlen unter dem japanischen Ahorn und aßen. Wir waren umgeben von einer kleinen Rasenfläche und einer Ansammlung heller Keramiktöpfe, in denen verschiedene Kräuter, eine Tomatenpflanze, grüne Zwiebeln, Bohnen und Kopfsalat wuchsen. Noch war es mir nicht gelungen, sie eingehen zu lassen. Hoffentlich blieb das so.

»Ich hätte gern eine kleine Feuerstelle«, entgegnete ich. »So einen netten kleinen Ort, wo man abends gern sitzt.«

Er nickte. »Und die Außenwände?«

»Die brauchen auf jeden Fall einen neuen Anstrich. Ich habe an einen Blauton gedacht. Falls ich beschließe, es zu verkaufen, trifft das einen breiten Geschmack.«

Wieder ein Nicken.

»Schau nicht hin, wir werden beobachtet.« Ich deutete mit dem Kopf auf die Hausecke, wo die graue Katze saß und uns anstarrte.

Lars lächelte und biss in sein Sandwich mit Roastbeef, Senf, Käse, Tomate und Kopfsalat. Es ging doch nichts über Trostessen. Dann riss er ein bisschen von dem Roastbeef ab und warf es der Katze hin. Noch nie habe ich ein Tier sich so schnell in Bewegung setzen sehen. Oder so glücklich schauen.

Die Urkunde war bereits von einem Boten der Dokumentenexpertin abgeholt worden. Aber es würde zwei Wochen dauern, bis ihr Bericht über die Scheidungsurkunde vorlag. Ziemlich frustrierend, schließlich war Geduld noch nie meine Stärke gewesen.

»Wie geht es mit dem Rausreißen von Tapete und Teppich weiter?«, fragte ich.

»Mateo und Connor kommen morgen mit und helfen dabei. Heute Nachmittag werde ich die Teile der Holzverkleidung ausmessen, die ersetzt werden müssen. Vielleicht schaue ich mir auch mal die Stufe an der Eingangstür an, die ein bisschen wackelt.«

»Dich kann man gebrauchen.«

Er knurrte.

»Und, was hast du in den letzten sechs Monaten so alles gemacht?«

»Was ich gemacht habe?« Er zog eine Augenbraue hoch. »Lass mich nachdenken … ich habe an diesem coolen Hausboot gearbeitet, das ein Freund gekauft hat. Das hat Spaß gemacht.«

»Schön.«

»Und ich bin ab und zu mal wandern gegangen.«

»Wie sportlich.«

»Vorletzte Woche war ich auf einer Weintour. Das war okay.«

»Klingt nach einem Date«, erwiderte ich. »Mit wem warst du unterwegs?«

»Sie ist nur eine Freundin.«

»Weil du ja genau der Mann für Freundschaften bist.«

Er fasste sich an den Nacken. »Ich hatte ganz vergessen, wie gern du mich aufziehst.«

»Oh, fühl dich nicht als was Besonderes. Das mache ich mit allen.«

»Ich weiß nicht. Mir schien, du warst immer ziemlich nett zu …«

»Wehe, du sagst seinen Namen.«

Er schwieg einen Moment lang. »Und du? Was hast du so gemacht?«

»Meine Tante ist gestorben, kurz nachdem wir uns das letzte Mal gesehen hatten. Das war hart.«

»Tut mir leid«, sagte er leise.

Ich nickte. Es gab eine Menge, was man über den Verlust eines geliebten Menschen sagen konnte. Aber es gab kein einziges Wort, das ihn zurückbrachte. »Mit der Arbeit lief es gut. Ich hatte viele Aufträge. Die meiste Zeit aber war ich mit diesem Haus beschäftigt.«

»Es muss seltsam sein, sich um die Hinterlassenschaft eines anderen Menschen zu kümmern.«

»Das ist es«, stimmt ich ihm zu. »Dieses Haus birgt eine Menge Geschichte. Mit mir wohnt jetzt die dritte Generation unserer Familie hier, aber außer mir interessiert sich niemand wirklich dafür. Vermutlich macht das die Entscheidung, was ich mit dem ganzen Kram machen soll, leichter. Was ich behalten und was ich aussortieren will. Aber es ist auch traurig.«

Er sah mich nur an.

»Hast du ein enges Verhältnis zu deiner Familie?«

Einer seiner Mundwinkel glitt nach oben. »Ja. Ich bin der Älteste von dreien. Meine Schwester wohnt in San Diego, sie ist verheiratet und hat zwei Kinder. Mit meinem Bruder teile ich mir eine Wohnung.«

»Du wohnst mit deinem Bruder zusammen? Das wusste ich nicht. Läuft es gut?«

»Ja.« Er sah sich in dem kleinen Garten um. »Wir besitzen gemeinsam ein paar Anlageimmobilien. Die sind Teil eines Wirtschaftsplans, an dem wir seit einiger Zeit arbeiten. Irgendwann werden wir es satthaben, uns so eng auf der Pelle zu hocken. Aber im Moment läuft alles gut.«

»Prima. Das freut mich.«

»Mich auch.« Ein Summen ertönte, und er zog sein Handy aus der Tasche. Seinen Gesichtsausdruck … konnte ich nicht deuten. »Entschuldige mich.«

»Gern.«

Schon war er aufgestanden und ging weg. »Hi, Mann. Wie ist es in London? Wie spät ist es bei euch?«

Ich starrte ihm hinterher, während er um die Hausecke und außer Hörweite verschwand. Nicht dass ich auch nur ein verdammtes Wort hätte hören wollen. Ich sollte mich schämen, dass ich mich einen Moment lang entspannt und vergessen hatte, dass Lars und mein Ex eng befreundet waren, und das schon, seit er mit acht Jahren in das Nachbarhaus gezogen war. Niemals würde ich jemandem trauen können, der, was Besties anging, einen derart schlechten Geschmack hatte. Ein Makel, über den man einfach nicht hinwegsehen konnte. Deshalb bestand nicht die geringste Chance, dass ich ihn jemals heiraten oder mich von ihm scheiden lassen würde. Vermutlich hatte Lars letztlich doch recht mit seiner Ansicht über die Überprüfung der Urkunde.

Ein einziger Zeit- und Geldverlust. Mehr nicht.

3. Kapitel

Ich saß mit einer Tasse Kaffee auf der Veranda, als am nächsten Tag zwei Pick-ups vorfuhren. Die Katze lag am anderen Ende der Veranda neben der Schüssel mit Wasser, die ich ihr hingestellt hatte. Es war mir unhöflich erschienen, ihr nicht auch etwas zu trinken anzubieten. Wir hatten eine Weile über das Wetter geredet, aber sie hatte nicht viel dazu zu sagen. Meistens bewegte sie nur den Schwanz hin und her, beobachtete die Autos, die gelegentlich vorbeifuhren, und behielt die Vögel im Blick. Trotz der frühen Stunde hatte ich mein Haar bereits zu lockeren Wellen gestylt, Make-up aufgelegt und schwarze Leinenshorts sowie ein schwarzes Knit Top mit quadratischem Ausschnitt und Flügelärmeln angezogen. Wozu hatte Gott mir Brüste gegeben, wenn nicht, um sie einzusetzen?

»Susie«, sagte Lars. »Hübsch siehst du aus.«

»Danke.«

»Verdammt hübsch«, stimmte ihm ein junger Weißer mit stacheligem Haar und Grübchen begeistert zu.

Lars sah ihn stirnrunzelnd an. »Nicht sehr professionell, Connor.«

»Was?«

»Das sind Mateo und Connor«, stellte Lars die beiden Neuankömmlinge vor. »Wie ich dir schon sagte, helfen sie mir heute.«

»Hallo«, sagte ich und lächelte.

Mateo war ein gut aussehender Mann Mitte vierzig mit dunklem Haar und brauner Haut. Er nickte mir kurz zu und machte sich daran, den Pick-up abzuladen. Es war so weit; endlich würde ich die grässliche goldene Tapete und den braunen Teppichboden loswerden. Halleluja.

»Ich habe so viel wie möglich in den Keller geräumt.« Ich hob das verwaiste Schälchen auf. Die Katze hatte sich aus dem Staub gemacht, sobald sie fremde Stimmen gehört hatte.

»Prima«, erwiderte Lars. »Mit dem Rest kommen wir schon klar. Du gehst?«

»Ich habe einen Termin mit einem Kunden und treffe mich danach mit einer Freundin zum Mittagessen.« Mein Lächeln war die perfekte Mischung aus freundlich und unverbindlich. Das wusste ich, weil ich es am Abend vorher vor dem Spiegel geübt hatte. »Ich dachte, es wäre das Beste, wenn ich euch nicht im Weg rumstehe.«

Connor schlenderte an mir vorbei Richtung Haus. Dass es ihm gelang, lüstern auf meine Beine zu starren und gleichzeitig eine Sammlung diverser Werkzeuge zu tragen, brachte die Debatte über die Begabung von Männern zum Multitasking ein für alle Mal zum Verstummen. Dem Lustmolch sei Dank.

»Guck nach vorn«, fauchte Lars ihn an.

Mateo schüttelte den Kopf und murmelte etwas auf Spanisch.

»Tut mir leid, das mit Connor«, sagte Lars. »Er ist der Sohn des Besitzers.«

Ich nickte nur. »Ich schnappe mir jetzt besser meine Tasche und mache mich auf den Weg. Bevor ihr für heute fertig seid, bin ich wieder zurück. Du hast meine Nummer, falls du mich für irgendwas brauchst.«

Lars nickte.

Nachdem er gestern vom Ex angerufen worden war, hatten wir nicht mehr viel miteinander geredet. Was okay war, denn ich musste darauf achten, Abstand zu halten. Der Ex war nicht mein erster Fehler gewesen. Aber ich hatte mir fest vorgenommen, dass er mein letzter sein würde. Und Lars war durch diese Verbindung in ein schlechtes Licht geraten. Es war für alle besser, wenn wir die Dinge auf der professionellen Eben beließen.

Tante Susans Haus lag mitten in Ballard, einem aufstrebenden Viertel in Seattle mit vielen Bars, Restaurants und hippen kleinen Läden. In der Nähe gab es einen netten Park und eine Menge Bäume. Ich ging gern dort spazieren, und in Cafés zu arbeiten stellte einen angenehmen Tapetenwechsel dar.