Unter dem Mond zu sein - wie still - Renate Siefert - E-Book

Unter dem Mond zu sein - wie still E-Book

Renate Siefert

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Beschreibung

„Weisheit zu später Stunde“ ist wie der Besuch einer lieben Vertrauten am Abend, wenn es still geworden ist. In ihrer klugen, nachdenklichen Art spricht sie über Themen, die uns - speziell seit der Jahrtausendwende - immer wieder beschäftigen: Die Natur in ihrem Aufruhr und ihren ewigen Gesetzen von Kreislauf und Gleichgewicht; über Schicksal, Wanderschaft und Freiheit, Heimat und Fremde, Gefährten auf dem Weg und die Liebe. Sie sinniert über die Stille der Nacht und die Notwendigkeit, wachsam zu sein in einer Zeit, in der so vieles sich wandelt. Die Autorin lässt uns wissen, dass die Texte Mitternachtsinspirationen sind: Dichtungen, einfach, klar und voll Poesie. Entstanden ist eine Sammlung von Texten in diesem Buch, mit dem man Freundschaft schließen wird, das man gern verschenken wird und es immer wieder einmal selbst zur Hand nehmen mit seinen nicht alltäglichen Inspirationen für unser Leben in unruhigen Zeiten.

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Seitenzahl: 54

Veröffentlichungsjahr: 2018

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HOMMAGE

an

SOPHIA

Inhalt

WILLKOMMEN

NATUR

EWIGE GESETZE

GLEICHGEWICHT

SCHICKSAL

VERTRAUEN

NACHT

HÖRE DIE STILLE

BEWUSST SEIN

GEFÄHRTEN

LIEBE

WANDERSCHAFT

FREIHEIT

WILLKOMMEN

Liebe Leserinnen und Leser,

„Weisheit zu später Stunde“ hat eine etwas ungewöhnliche Geschichte, die ich Ihnen zum besseren Verständnis dessen, was Sie da in Händen halten, erzählen möchte. 1997 war ich aus dem Frankfurter Raum in den Odenwald gezogen, um dem von Großstadthektik geprägten Alltag zu entgehen und in einer ruhigen ländlichen Gegend zu mir zu kommen.

Ungewohnt ruhig waren nun die Abende und Nächte. Auch das tägliche Leben war deutlich entschleunigt und um eine Gangart langsamer. Unter einem Dachfenster hatte ich mir einen kleinen Schreibplatz eingerichtet für handschriftliche Arbeiten, Briefe, Tagebucheinträge, Ideensammlungen. Trotz all der Annehmlichkeiten, die der PC bei der Schriftstellerei liefert, wollte ich ihn hier an dem Platz nicht haben. Ich schreibe gern mit der Hand; da fließt das Denken und Fühlen gleich in den Text. Der kleine Schreibtisch wurde mir schnell zum Lieblingsplatz, an dem ich auch abends gern unter der Lampe saß oder einfach unter dem Mond und den Sternen.

Im Laufe des Winters 1997 geschah etwas Merkwürdiges. Es gab Abende, an denen ich besonders wach war. Gegen Mitternacht dann hatte ich das Gefühl, ich sollte etwas schreiben. Und ich schrieb Worte, die ich mir nicht ausgedacht hatte. Sie wurden mir wie von anderswoher eingegeben, ich schrieb einfach. Die Worte kamen langsam zu Papier; ich hatte auch keine Ahnung, wie der Text weitergehen würde, ich schrieb. Die Worte kamen in kurzen Zeilen und füllten nie mehr als eine DIN-A4-Seite. Dann war die Durchsage zu Ende. Auf der Stelle war ich so müde, dass ich mich hinlegen musste und gleich einschlief. Erst am nächsten Morgen konnte ich dann lesen, was ich geschrieben hatte. Die Texte waren überraschend klar und deutlich gestaltet. Es gab nichts zu ändern, umzustellen oder zu streichen. Erstaunlich.

Es kamen auch nicht an jedem Abend solche Durchsagen. Es gab Pausen dazwischen oder auch kurze Intervalle. Ich spürte nur deutlich an dieser besonderen abendlichen Wachheit, dass ich in der Nacht schreiben würde.

In den Jahren 1997 bis 1999 kamen auf diese Weise an die 250 Texte zu Papier. Sie tragen alle die gleiche Handschrift: Die Sprache ist getragen, lyrisch, rhythmisch. Manchmal zart: „Tau am Morgen. Die Glockenblume hüllt ihn in ihr zartestes Blau. Nie wurde er so empfangen.“ Manchmal kraftvoll: „Toben die Winde, brausen die Stürme? Geht dein Atem schnell?“

Es ist auch zu spüren, dass die Worte erst nach und nach zu Papier kamen. So beginnt eine Zeile zum Beispiel mit: „Nicht ist“, einer Verneinung, die in einem Prosatext erst am Ende eines Satzes zu finden wäre. Das erinnert mich an eine Bemerkung, die mein französischer Freund Michel – seines Zeichens Sprachwissenschaftler – einmal machte: „Wir Franzosen beginnen einen Satz irgendwie und mit vielen eh..., eh... setzen wir ihn fort, um dann irgendwo zu landen. Im Deutschen muss man schon zu Beginn eines Satzes wissen, wie er endet. Das setzt eine Disziplin des Denkens voraus, die uns Franzosen – auch in vieler anderer Hinsicht – abgeht.“ Ähnlich gehen die Texte hier vor, es wird nicht sogleich deutlich, wohin es geht. Wenngleich es immer sinnvoll und oft überraschend endet, was da gesagt wird. Das Schreiben dieser Texte forderte von mir allerdings eine eher französische Haltung: Mal sehen, was kommt.

Die japanische Dichtkunst des Haiku verlangt von einem guten Gedicht, dass es sowohl Bilder aus der Natur zeichnet als auch durchscheinen lässt, wie das menschliche Leben sich darin spiegelt. Das gleiche Prinzip finden wir auch in den meisten dieser Weisheits-Texte.

Ich hatte anfangs keine Ahnung, wer da nächtens zu mir spricht. Dass es ein weises Wesen wäre, war mir deutlich, ein Wesen, das die Welt liebevoll betrachtet mit Verzicht auf jede Art von Polemik. Auch ist es kein säuselnder rosaroter Engel, der da von oben herabschwebt. Nein, es scheint ein Wesen zu sein, das sich mitten unter uns bewegt und unsere Sorgen, unsere Schmerzen, unsere Sehnsucht und unser Glück kennt. Nach etwa einem Jahr geduldigen Schreibens wagte ich einmal darum zu bitten, dass sich mir dieses Wesen zu erkennen gibt:

„Aus Fernen komme ich zu dir, von daher, wo unsere Heimat ist. Die Sprache der Heimat spreche ich, die Sprache der Heimat rufe ich in dir wach. Künden will ich das alte Wissen, die einfachen Dinge, die der Weisheit eigen sind. Sophia ist mein Name. Worte der Weisheit gebe ich dir, wenn dein Herz still geworden ist und du nach innen hörst. So kehrst du zurück zu deinem Ursprung und findest die Tür offen zu dem Haus, in dem du immer schon wohntest. Willkommen daheim, sei gegrüßt!“

Sophia ist der griechische Name für „Weisheit“. Hier spricht also die Weisheit persönlich. In der Ostkirche wird die heilige Weisheit als eine Eigenschaft Gottes verehrt, ebenso wie der Friede und die Schöpferkraft. Kaiser Justinian widmete ihr in Konstantinopel die „Hagia Sophia“, die Kirche der heiligen Weisheit, die wir heute noch in Istanbul besuchen können.

Wer auch immer nun die Sophia sei, die zu mir sprach, mag dahingestellt sein. In jedem Falle zeugen ihre Worte von Weisheit, von liebevollem Weitblick, von Klarheit und Einfachheit. Jede Eitelkeit oder Anmaßung ist ihr fern.

Die Durchsagen endeten 1999. Ich habe immer wieder gern in den Texten gelesen; waren sie wohl gedacht als begleitende Worte für die Jahre des beginnenden neuen Jahrtausends mit seinen vielfachen Veränderungen und Umwälzungen, die wir nun erleben. Es war mir auch deutlich, dass die Botschaften nicht nur mir persönlich zugedacht waren, denn sie betreffen das menschliche Leben in und mit dieser Welt, mit der Natur und ihren Gesetzen. Sie sprechen von den Herausforderungen, die eine Welt im Wandel für uns bedeutet, und von dem Zwiespalt, den wir immer wieder erleben. Zu all diesem finden wir weise und ungewöhnliche Sichtweisen.

Zunehmend spürte ich tiefe Dankbarkeit und den Wunsch, diese Weisheit zu teilen; denn Sophias Worte sind keineswegs Antworten auf meine ganz persönlichen Fragen; sie sprechen zu uns allen und über die Dinge, die unser Leben in dieser Zeit und in dieser Welt betreffen. Die Texte wurden mir ja auch gegeben, ich habe sie nicht selbst entworfen oder gestaltet. Sie kamen druckreif zu Papier und ich gebe sie hier so wieder, wie sie von Sophia übermittelt wurden. Deshalb spreche ich auch über diese Texte wie über das Werk eines Dichters oder einer Dichterin – es ist nicht mein eigenes Werk. Ich war nur zur Verfügung: