Unterwegs im Weltraum - Gernot Grömer - E-Book

Unterwegs im Weltraum E-Book

Gernot Grömer

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Beschreibung

Faszination Weltraum Eine einzigartige Reise ins Sonnensystem! Erleben Sie Merkur, Venus, Jupiter & Co auf nie dagewesene Weise. Der Autor gehört zu den führenden Weltraumexperten und nimmt uns auf eine Reise zu den Sternen mit. Vom adrenalinträchtigen Klippenspringen auf Kometen, den opulenten Lichtbrechungen bei den Eiskristallen der Saturnringe, den gigantischen Bergwelten des Mars und vielem mehr. Dieses Buch verbindet den aktuellen Forschungsstand der Planetenwissenschaften mit einer Prise technologischer Science-Fiction – "einer gewagten, aber nicht ganz unplausiblen Prognose" von dem, was technisch aktuell machbar ist. Es beschreibt, welche atemberaubenden Regionen es im Sonnensystem gibt, und welche schrägen, wunderschönen, gefährlichen und spektakulären Orte Menschen in Zukunft besuchen können.

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Über dieses Buch

Eine einzigartige Reise ins Sonnensystem!

Erleben Sie Merkur, Venus, Jupiter & Co auf nie dagewesene Weise.

Der Autor gehört zu den führenden Weltraumexperten und nimmt uns auf eine Reise zu den Sternen mit.

Vom adrenalinträchtigen Klippenspringen auf Kometen, den opulenten Lichtbrechungen bei den Eiskristallen der Saturnringe, den gigantischen Bergwelten des Mars und vielem mehr. Dieses Buch verbindet den aktuellen Forschungsstand der Planetenwissenschaften mit einer Prise technologischer Science-Fiction – „einer gewagten, aber nicht ganz unplausiblen Prognose“ von dem, was technisch aktuell machbar ist.

Es beschreibt, welche atemberaubenden Regionen es im Sonnensystem gibt, und welche schrägen, wunderschönen, gefährlichen und spektakulären Orte Menschen in Zukunft besuchen können.

INHALT

EIN VORWORT UND EINE PACKLISTE

Empfohlene Packliste und was Sie sonst noch beachten sollten

KAPITEL 1: ES IST GROSS. ZIEMLICH GROSS!

Der Beginn einer Reise und ein paar Annahmen

Am Boden eines Ozeans aus Luft

Schreibfaule Astronom/-innen und ein planetologisches Familienporträt

Unheilbringer mit Stil und Form

Erste Reisestation: Charming Churi

Ein Dankeschön an tausende Menschen

KAPITEL 2: MERKUR: TIEF DURCHATMEN UND EINE BETRUNKENE SONNE BEOBACHTEN

Klein, heiß und verschrumpelt.

Die klassische Touristenfrage: Wohin zuerst?

Zweite Reisestation: Ein bizarrer Sonnenlauf und weshalb eine Sonnenuhr hier sinnlos ist

Könnte es Wasser auf Merkur geben?

Zwei Boten von der Erde: Messenger und BepiColombo

Einsteins Uhrzeiger – Merkur auf dem Prüfstand der Relativitätstheorie

Frontline-Stories: Merkur bekommt eine Hochgeschwindigkeits-Kopfschmerztablette

Factbox: Merkur und die alten Kulturen

KAPITEL 3: VENUS: FLIEGENDE BENZINTANKS IN EINER ROMANTISCHEN HÖLLE

Dritte Reisestation: Ein Ausflug zur Oberfläche der Hölle

We are getting serious

Achtung Reisewarnung: Aktiver Supervulkanismus

Factbox: Ein Blick in die Mythologie der Venus

Venus-Beobachtungen im Laufe der Geschichte

Der Wiedereintritt von Na-was-jetzt-Tyazhely Sputnik

KAPITEL 4: ERDE & MOND: UNSER BLAU-GRAUER DOPPELPLANET

Die KOPERNIKUS bricht wieder auf

All-inclusive-Urlaub im lunaren Luxushotel

Ein Gourmet-Speiseplan und ein sandiger Ausflug

Factbox: Warum der Mond bei uns männlich, aber anderenorts meistens weiblich ist

KAPITEL 5: MARS: EIN PARADIES FÜR EXTREMSPORTLER MIT ADRENALIN-KICK-GARANTIE

Ein Disclaimer des Reiseanbieters

Eine Bergtour mit Aussicht

Grande Vistas in einer Wüstenwelt

Etwas Adrenalinkick gefällig?

Die zweite Option für Ausflüge für Adrenalinjunkies

Frontline-Stories aus der Forschung

Factbox: Mars in der Mythologie und die Emanzipation einer Göttin

KAPITEL 6: JUPITER: DER GÖTTERVATER UNTER DEN PLANETEN

Der große Rote Fleck – besuchen Sie ihn, bevor er weg ist!

Tour de la lune(s) – Die Monde des Göttervaters und ein exotisches Phänomen

Io – der Albtraum aller Kartographen

Lust auf die Jupiter-Version von Felix Baumgartners Stratosjump?

KAPITEL 7: SATURN: DER HERR DER RINGE

Illegal Eistauchen auf Enceladus

Factbox: Saturn – seine Mythologie und Erforschung

KAPITEL 8: URANUS: DER QUERROLLENDE EISRIESE

„Winter is coming.“

Mystisches Wetter. Geheimnisvolles Magnetfeld.

Der ultimative Bungee Jump auf Miranda für Shakespeare-Fans

Factbox: Uranus und die Mythologie und die Debatte um seine Benennung

KAPITEL 9: NEPTUN: DIE TOP 3 DER ABENTEUER UND MAGISCHEN MOMENTE WEIT DRAUSSEN

Lust auf neptunische Nahtod-Erfahrungen?

Paragleiter-Sturmfliegen auf Neptun

Ein magischer Augenblick einer Eiswelt

Factbox: Die Mythologie des Neptun

KAPITEL 10: BABY IT‘S COLD OUT THERE! – PLUTO: DIE EISWELTEN JENSEITS DES NEPTUN

Statusverlust mit Protestwirkung

Ein Menü am Rande der Welt

Ihr Moment

Epilog

Glossar

Ein Wort des Dankes

EIN VORWORT UND EINE PACKLISTE

04. August 2018: Ich sitze am Flughafen Kopenhagen auf dem Weg zur Insel Bornholm. Vor dem Terminalgebäude steht ein altes, abenteuerlich kleines Flugzeug, das mich auf eine abgeschiedene Insel im Baltischen Meer nahe einem militärischen Testgebiet auf Hoher See bringen wird. Meine Erfahrung nach 12 simulierten Marsexpeditionen, Schwerelosigkeitsflug und vielen anderen Reisen ist gut mit einem indirekten Verhältnis auszudrücken: Je kleiner das Flugzeug, umso größer das Abenteuer!

Von einer schwimmenden Startplattform aus startet dort morgen um 8 Uhr Früh die fast 300 kg schwere Nexö II Rakete zu einem Testflug. Die Gruppe von Weltraumbegeisterten dahinter nennt sich „Copenhagen Suborbitals“ und sie möchten damit in wenigen Jahren einen Menschen für ein paar Sekunden auf über 100 km Höhe fliegen. Just for fun. Klingt verrückt? Ja? – Was wäre aber, wenn man in 25 Jahren einen derartigen Flug einem Teenager als Belohnung zur bestandenen Matura schenken könnte? Was, wenn man in 50 Jahren seine Flitterwochen in einem „Hotel Orbital“ in der Mondumlaufbahn verbringen könnte? Oder in 100 Jahren auf dem Saturnmond Enceladus Eistauchen gehen könnte?

Dies ist nicht so undenkbar, wie es fürs Erste klingen mag. Dieses Buch verbindet den aktuellen Stand der Planetenwissenschaften mit einer Prise technologischer Science-Fiction, sagen wir, „eine gewagte, aber nicht ganz unplausible Prognose“ von dem, was technisch aktuell machbar ist: Es beschreibt, welche atemberaubenden Regionen es im Sonnensystem gibt und welche schrägen, wunderschönen, gefährlichen und spektakulären Orte dereinst Menschen besuchen können. Das Buch versteht sich als gedankliche Sneak-Preview auf die Zukunft der ultimativen Reisen in unserem Sonnensystem. Falls einmal etwas leicht salopp formuliert ist, dann möge man das verzeihen – ein bisschen literarische Freiheit eben, mit einer Prise Humor gewürzt.

Falten Sie also Ihre Landkarte/Weltraumkarte zusammen, packen Sie den Reisekoffer und Ihren Raumanzug. Die Rakete ist vollgetankt, ein blauer und wolkenloser Himmel strahlt über Ihnen, die Turbopumpen verdichten surrend den Treibstoff, die Launch Control hat soeben die Startfreigabe erteilt. Seien Sie bereit für Ihr zwei Monate dauerndes Abenteuer … es geht los! Wir schreiben Montag, den 01. August 2219. Zieleingabe: Unser Sonnensystem – die ganze Tour!

Ich wünsche Ihnen eine gute und angenehme Reise!

Ihr Gernot Grömer

Innsbruck, im Sommer 2019

EMPFOHLENE PACKLISTE UND WAS SIE SONST NOCH BEACHTEN SOLLTEN

Herzlich Willkommen an Bord unseres Schiffes, der KOPERNIKUS!

Benannt ist unser kleines Raumschiff nach dem Domherren, Astronomen, Arzt und Mathematiker Nikolaus Kopernikus, dem wir seit 1543 unser modernes Weltbild verdanken, demnach die Sonne im Zentrum des Sonnensystems steht. Sie ist eine Luxusyacht mit 150 m Länge, in strahlendem Weiß gehalten und mit den modernsten Gerätschaften ausgestattet, welche das 23. Jahrhundert zu bieten hat. Sorry, es gibt keinen Warp-Antrieb wie bei „Star Trek“, aber immerhin einen MHD-Drive – einen Magnethydrodynamischen Antrieb, der mit einem sorgfältig abgestimmten Set aus Magneten Plasma beschleunigen kann, um aberwitzige Distanzen zu überwinden: Das ermöglicht uns etwa, in weniger als einer Woche von der Erde aus auf dem Mars sein.

Zusammen mit etwa 80 weiteren Passagieren ist für Sie für so ziemlich jeden Luxus gesorgt, den man sich als Weltraumreisende/r wünschen kann: wir bieten ein exquisites Catering, einen Schwerelosigkeits-Pool, Bordteleskope, bei welchen man neben der Vergrößerung auch die gewünschte Wellenlänge einstellen kann, Bordbibliothek und Fitnessraum und sogar eine kleine Musikband für lange Abende im Transit. Kurzum, es mag ein wenig an jene Luxuskreuzfahrten erinnern, mit denen im frühen 21. Jahrhundert abenteuerlustige Tourist/-innen die Polarmeere befahren haben. Tatsächlich gibt es einige Parallelen – unwirtliche Bedingungen außerhalb des Schiffes, ausgefeilte Technik und vor allem ein gewisses, nicht ganz verschwindendes Restrisiko, mit einem Eisberg zu kollidieren, oder eben hier, analog dazu, mit der KOPERNIKUS mit einem Asteroiden in der Dunkelheit des Sonnensystems zusammenzustoßen. Weiters die Herausforderung, bei medizinischen Notfällen Wochen bis zum nächsten Krankenhaus zu fliegen. Aber keine Angst, es gibt eine äußerst qualifizierte Bordmedizinerin und eine ausgefeilte medizinische Telemetrie bis hin zu einem Roboterchirurgen – wir können Ihnen wahlweise an Bord sogar den Blinddarm entnehmen, wenn Sie möchten, oder Ihnen aber auch das Wellnesspaket mit Augen-Gurkenauflagen anbieten.

In allen Flugphasen stehen Ihnen Flugbegleiter/-innen zur Verfügung, die auch eine exzellente planetologische Grundausbildung genossen haben, um Sie bestmöglich auf Ihre Landgänge vorzubereiten.

Praktische Reisetipps

Hier sind noch ein paar Tipps für Sie, bevor die Reise losgeht, zusammengestellt von (Weltraum)erfahrenen Vielreisenden…

•Postkarten vom Urlaub und Kommunikation nach Hause: Hmm… also, wenn Sie diese uralte Tradition noch leben möchten: Die FedEx des 23. Jahrhunderts arbeiten mit robotischen Raumsonden, die mit der Antriebstechnologie des 20. Jahrhunderts funktionieren – also ein Brief vom Mars zur Erde dauert ca. 200 Tage. Es kann also gut sein, dass Sie schon wieder zuhause sind, bevor Ihre Postkarte angekommen ist. Postdienste im Sonnensystem sind daher eher auf elektronische Kommunikation ausgerichtet. Aufgrund der langen Distanzen, manchmal über Millionen von Kilometern, schlägt aber die Lichtgeschwindigkeit zu: Sie können ein Funksignal mit knapp 300 000 km/s (nicht km/h!) schicken. Das mag schnell erscheinen, aber alleine für einen Kurzstreckenanruf vom Olympus Mons auf dem Mars zur Tante Miezi in Vöcklabruck dauert es im Schnitt 10 Minuten pro Richtung. Da kann Smalltalk schnell einmal etwas mühsam und langwierig werden, wobei mit Tante Miezi ist das ohnehin auch in Echtzeit mühsam… (und es hat wohl jeder eine Tante Miezi!)

•Tiefschlaf: Selbst wenn Sie mit hohen Geschwindigkeiten unterwegs sind, ziehen sich die Wochen zwischen den Reisestationen, vor allem bei den äußeren Planeten ab dem Jupiter in die Länge. Entweder Sie nehmen also das Angebot für einen Tiefschlaf an Bord wahr, oder Sie benötigen mindestens alle Ausgaben der „Game of Thrones“ Bücher, oder auch sämtliche gesammelten Episoden der US-Serien „Friends“ und „Beverly Hills“ und auch jene der deutschen „Schwarzwaldklinik“, um sich nicht bei den langen Flügen zu langweilen. Möchten Sie Ihre Schlafpille mit einem Glas Wasser?

•Kartenlesen und Orientierung: Ihren Reisekompass können Sie getrost zuhause lassen: Die Magnetfelder im Sonnensystem sind manchmal so verwirrend aufgebaut, dass man zumindest ein Doktorat in Magnethydrodynamik braucht, um sie interpretieren zu können. Am besten eignet sich eine gute Sternkarte, um wenigstens die Ausrichtung Ihres Raumschiffes nachvollziehen zu können. Früher gab es mal entweder auf Papier gedruckte oder auf Kunststoff-Scheiben angebrachte Sternkarten – dieses Mal setzen Sie einfach Ihre Datenbrille auf und die Sterne werden automatisch erkannt und bezeichnet. Hach, so manche/r Freizeitastronom/-in hätte die Großmutter verkauft, um so ein System zu haben! Dazu kommt eine große Funkantenne, genauer gesagt eine 4 m Radioteleskop-Schüssel, um die großen interplanetaren Leuchttürme anpeilen zu können. Den Rest übernimmt ein gewisser Sir Isacc Newton, der vor etwa 350 Jahren die Keplerschen Gesetze in eine Mathematik umformuliert hat, aus der die „Verkehrsregeln für Raumschiffe“ abgeleitet worden sind.

•Pünktlichkeit: Bitte seien Sie nach allen Landgängen unbedingt wieder pünktlich an Bord der KOPERNIKUS. Wie bei Karibikkreuzfahrtschiffen können wir leider keine Rücksicht auf Zuspätkommende nehmen! Dazu kommt nämlich noch eine besondere Sache: Planeten umkreisen die Sonne, das heißt, gewisse Flugbahnen lassen sich nur bei bestimmten Planetenkonstellationen fliegen. Das nennt man ein „Startfenster“, innerhalb dessen man zum nächsten Reiseziel aufbricht. Und diese Startfenster können bei interplanetaren Flügen etwas selten sein: So kommt die Planetenkonstellation, bei der 1976 eine der beiden Voyager-Raumsonden startete, nur alle 176 Jahre vor. Das ist ein laaaanges Warten auf den nächsten Bus… äh… das nächste Shuttle

•Raumanzug: An JEDEM einzelnen Ort, den wir auf unserer Reise besuchen werden, benötigen Sie bei den Landgängen einen Raumanzug. Ohne ihn sind Sie ansonsten sehr schnell, sehr tot. Ein Raumanzug ist letzten Endes eine Art „Miniatur-Raumschiff zum Anziehen“. Er schützt Sie vor kosmischer Strahlung, stellt Atemluft und Trinkwasser bereit, hat eine Energieversorgung für den Anzugs-Bordcomputer und die Kommunikation, und er regelt Ihre Temperatur. Dazu dient er – wie eine Art schusssicherer Ganzkörper-Strampelanzug – als Schutz vor Mikrometeoriten, die sonst einfach durch Ihren Körper durchfliegen würden wie Bleikugeln aus dem Maschinengewehr aus Al Capones Violinenkoffer. Je nach Himmelskörper gibt es eigene Add-ons, wie beispielsweise Exoskelette, um Ihre Körperkraft bei Hoch-Schwerkraftwelten zu unterstützen, oder auch ein eingebautes Magnetfeld, um die geladenen Elementarteilchen abzuschirmen, etwa bei Jupiter.

•Regenschirm: Moment, eine Regenschirm bei einer Weltraumreise? Keine schlechte Idee: Ihr Raumanzug ist zwar ein tragbares Ökosystem, aber gegen Schwefelsäureregen auf der Venus oder kristalline Diamantausfällungen in der tiefen Neptunatmosphäre hat er sich gut bewährt, berichten erfahrene Reisende. Aber es gibt im Premium-Segment im Jahr 2219 sogar säurefeste Regenschirme.

•Toilette: Äh… tja… „DIE“ Frage aller Fragen: Wie geht man im Weltraum auf die Toilette, vor allem in der Schwerelosigkeit? Im Raumanzug tragen Sie Erwachsenenwindeln, an Bord unseres Raumschiffes gibt es für die Herren eine Art „Staubsauger“ (den Ablauf dieser Prozedur können Sie sich jetzt bitte selber vorstellen), für die Damen und allgemein „das große Geschäft“, gibt es eine Toilette, die auf den ersten Blick aussieht wie ein erd-übliches Exemplar, allerdings mit einem kleinen Ventilator versehen, der einen Luftstrom erzeugt, um die gewünschte Flugrichtung der Abfälle vorzugeben. Wichtig wäre bitte, sich auf die Klobrille exakt dichtend aufzusetzen, sonst kann es ein Unglück geben… (ein weiterer Grund, bei der Reise ein Handtuch mitzunehmen, wie schon in „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams empfohlen. Happy towel day!)

KAPITEL 1

ES IST GROSS. ZIEMLICH GROSS!

DER BEGINN EINER REISE UND EIN PAAR ANNAHMEN

Jetzt wird es ernst: Jede stilvolle Reisevorbereitung beginnt mit einer Tasse Tee und dem ehrfürchtigen Auffalten einer Landkarte. Man zeichnet mit dem Finger Routen nach, liest geheimnisvolle und exotisch klingende Ortsnamen, von denen man noch nie zuvor gehört hat, und im Kopf entstehen schon die ersten Bilder, wie es am Reiseziel wohl aussehen mag.

In unserem Fall ist das nicht ganz so einfach: Zum einen, weil das Sonnensystem so groß ist, dass beim notwendigen Kartenmaßstab die Planeten zu kleinen Pünktchen verkommen, zum anderen, weil es da draußen Welten gibt, die mit unseren Lebensund Reiseerfahrungen auf der Erde nur sehr wenig zu vergleichen sind.

Das Erste, was auffällt: Es ist groß. Ziemlich groß! Und es ist eine ziemlich großartige Leere…

AM BODEN EINES OZEANS AUS LUFT

Unsere Reise nimmt an einem wohlbekannten Ort, einem vertrauten Zuhause, in unserem Fall – der Erde – ihren Anfang: einem feuchten Felsbrocken mit einem Durchmesser von etwa 12 500 km. Aber Moment mal!? Wo beginnt denn nun eigentlich der Weltraum? Darüber gibt es tatsächlich Konsens in der Raumfahrt, obwohl ja die Atmosphäre keine scharfe Grenze hat und einfach nur zunehmend ausdünnt, sodass man bei knapp 40 km Höhe – aus der übrigens auch Felix Baumgartner bei seinem Stratosjump gesprungen ist – schon 99 % unserer Lufthülle unter sich hat.

Vorgeschlagen hat diese Grenze zum Weltraum ein gebürtiger Ungar mit dem Namen Theodore von Kármán mit einer erstaunlich einfachen Definition: Wenn ich in zunehmend dünner werdender Luft mit einem Flugzeug fliege, muss ich meine Geschwindigkeit erhöhen, um nicht wieder an Höhe zu verlieren. Sobald aber die Luft so dünn ist, dass meine Fluggeschwindigkeit ausreichen würde, um in die Umlaufbahn zu gelangen, bin ich im Weltraum. Und das ist bei etwa bei 100 km der Fall – was auch von der Internationalen Luftfahrtvereinigung FAI so gesehen wird und was man gemeinhin als die Karman-Linie bezeichnet.

100 km versus 12 500 km Planetendurchmesser? Eher schmalbrüstig, diese Atmosphäre, nicht wahr?

Oder analog gesehen: Nehmen Sie eine gekühlte Orange aus dem Kühlschrank, hauchen Sie kräftig darauf und es wird eine hauchdünne Feuchteschicht aus Ihrem Atem auf der Orange kondensieren. Der Durchmesser der Orange zur Dicke der feuchten Schicht aus Ihrem Atem entspricht nun dem Durchmesser der Erde im Verhältnis zur Atmosphäre. Es ist eine hauchdünne, zerbrechliche, unglaublich empfindliche Schicht: Selbst aus dem Weltraum macht sie einen erschreckend zierlichen Eindruck. Und damit darf ich Ihnen auch schon anbieten, ein klein wenig Ihre Sicht der Dinge von dieser lebenserhaltenden Gasschicht zu überdenken: Nein, wir leben nicht in einer schier unendlich großen Lufthülle, die alles verträgt, was wir Menschen an Industrieabgasen abstoßen: Wir leben am Boden eines hauchdünnen und empfindlichen Ozeans aus Luft.

Die Internationale Raumstation (ISS) kreist in einer Höhe von etwa 400 km alle 90 Minuten um die Erde. Je nach Startzeitpunkt und Startgeometrie braucht eine Rakete für den Großteil dieser Entfernung gerade einmal 10 Minuten und danach noch ein paar weitere Stunden für die Feinanpassung der Umlaufbahnen bis zum Andocken an der Station.

Bis zum Erdmond sind es etwa 384 000 km. Für diese Distanz brauchten die Apollo-Astronauten drei Tage, bevor sie in die Umlaufbahn unseres Trabanten einschwenkten. Und wir sind immer noch im Erde-Mondsystem, haben sozusagen auf dem Weg zum Dorfrand gerade einmal den ersten Schritt in den Vorgarten gemacht.

Wagen wir nun den nächsten Schritt aus unserem Vorgarten? Ihren Raumanzug haben Sie ohnehin schon eingepackt, bitte überprüfen Sie noch einmal, ob er richtig sitzt, denn gleich geht es weiter!

SCHREIBFAULE ASTRONOM/-INNEN UND EIN PLANETOLOGISCHES FAMILIENPORTRÄT

Sobald man das Erde-Mondsystem verlässt, wird die Rechnung mit Kilometern etwas mühsam. Astronom/-innen sind eine sehr schreibfaule Spezies und so hat sich eine praktischere Längeneinheit eingebürgert: Die Astronomische Einheit, kurz AE (und ja, offensichtlich sind Astronom/-innen auch nicht gerade kreativ, wenn es um die Namensfindung geht). Eine Astronomische Einheit ist der mittlere Abstand zwischen Erde und Sonne und misst etwa 150 Millionen Kilometer. Und für diejenigen, die es ganz genau wissen möchten: Es entspricht 149 597 870 700 Metern oder umgerechnet 0,000015813 Lichtjahren.

Der Planet Jupiter ist etwa 5 AE von der Sonne entfernt, Saturn ungefähr das Doppelte, der bekannteste Zwergplanet Pluto zwischen 30-50 AE, der im Dezember 2018 entdeckte Zwergplanet Farout (Englisch für „Weit weg“) 120 AE. Manche Kometen und Asteroiden ziehen in Zeiträumen von Jahrtausenden in hunderten AE ihre Ellipsen um die Sonne. Und wie weit ist es bis zum nächsten Stern, dem roten Zwergstern Proxima Centauri? Da sind es 268 134 AE oder 4,24 Lichtjahre. Eine lange Reise, genauer gesagt, ca. 81 000 Jahre, entsprechend 2 700 Generationen von Menschen – unter der Voraussetzung, dass Sie so schnell reisen würden, wie eines der schnellsten Raumschiffe, das jemals gebaut wurde, der Deep Space 1.

Eigentlich haben Sie einen schlechten Reiseführer, der Sie gerade mit Zahlen bombardiert – und noch dazu Begriffe verwendet, die noch nicht sauber geklärt worden sind. Wie zum Beispiel: Planet, Zwergplanet, Asteroiden (aber keine Sorge – in diesem Buch finden Sie auch ein praktisches Glossar für den weiteren Weltraumgebrauch angehängt! Schlagen Sie bitte einfach nach!)

Was ist das nun genau am großen Bild unseres planetologischen Familienporträts? Hier eine kleine Begriffsklärung, die erstaunlich umstritten war, bis es den Astronom/-innen gereicht hat und man bei einer Tagung in Prag 2006 kurzerhand eine „Urabstimmung“ erzwang. Jedenfalls halten sich die meisten meiner Kolleg/-innen an folgende Definitionen:

Planeten sind auf einer Umlaufbahn um eine Sonne, die genügend Masse haben, um ein hydrostatisches Gleichgewicht zu erreichen (Neudeutsch für: sie sind halbwegs kugelrund) und es gibt keine nennenswerten anderen größeren Brocken auf ihrer Umlaufbahn (kurzum: sie sind „der Platzhirsch“ im jeweiligen Orbit). Dieser Definition entsprechend haben wir in unserem Sonnensystem 8 Stück davon. Sorry, denn damit fallen weg: Monde, Objekte im Asteroidengürtel, Staubbrösel und was da sonst noch herum fleucht. Und leider, leider hat es damit auch Pluto erwischt, was dazu geführt hat, dass in den USA sogar Kindergartenkinder mit Protestplakaten auf die Straße gingen um für Pluto zu demonstrieren. Aber dazu später mehr!

Asteroiden, auch Kleinplaneten oder Planetoiden genannt, sind astronomische Kleinkörper (naja, „klein“ kann auch 500 km Durchmesser heißen) in einer Umlaufbahn um die Sonne, größer als Meteoroide (die wiederum einige Millimeter bis Meter groß sind), aber nicht zur Kugelform finden, weil sie zu klein sind, um ein hydrostatisches Gleichgewicht zu haben: Kartoffel-förmige, kraterübersäte Riesen-Eier. Manche schauen sogar wie graue stilisierte Gummi-Enten aus. Wir kennen aktuell mehr als 750 000 solcher Asteroiden. Wenn man den Schätzungen mancher Kolleg/-innen trauen darf, dürfte die Zahl in unserem Sonnensystem in die Millionen gehen.

Wenn Asteroiden genügend Wassereis enthalten, dann kann das in Sonnennähe ausgasen und Millionen von Kilometern lange Schweife generieren. Von der Erde aus gesehen sieht man dann einen Schweifstern oder Kometen. Das bedeutet, dass der Übergang von Asteroiden und Kometen letztlich fließend ist.

UNHEILBRINGER MIT STIL UND FORM

Willkommen auf dem ersten Reiseziel unserer Tour, dem ersten Halt unseres Raumschiffes, der KOPERNIKUS! Nachdem Churi gerade wieder mal in der Nähe der Erde ist (naja, sofern zig dutzende Millionen Kilometer als „Nähe“ bezeichnet werden können), hat unsere zweimonatige Reise hier ihre erste Station. Willkommen auf Churi! Bevor die KOPERNIKUS aber ihre Annäherung an den Kometen beginnt, blättern Sie nochmals eilig im Reiseführer – schließlich wollen Sie ja nicht komplett unvorbereitet auf dem ersten Ziel ankommen, oder?

Bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts hatte wohl jeder Erdenbürger ein leicht mulmiges Gefühl, wenn Kometen am Firmament auftauchten. Entweder wurde wieder einmal ein Kaiser gestürzt oder ein König geköpft, ein Krieg entfacht oder die nächste Hungersnot bahnte sich an. Und als noch dazu Astronom/-innen beim Halleyschen Kometen Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckten, dass der Schweif geringe Mengen der giftigen Substanz Zyanid enthielt, stürmten besorgte Menschen endgültig die Fachgeschäfte für Gasmasken. Ist so eine Reaktion übertrieben und Zeugnis einer längst vergangenen Panik, die historisch auf Unwissen und längst überwundenem Aberglauben begründet ist? – Leider nein!

Als der Komet Hale-Bopp 1997 wirklich beeindruckend am Nachthimmel zu sehen war, wähnte die UFO-gläubige Heaven’s Gate-Glaubensgemeinschaft die Niederkunft ihres vermeintlichen Erlösers und das Ganze endete in einem tragischen Massensuizid von 39 Mitgliedern.

Unbeeindruckt von den irdischen Tragödien und den schwankenden Aktienkursen für Gasmasken ziehen Kometen ihre Bahn um die Sonne: genauer gesagt – wie der US-amerikanische Astronom Fred Whipple 1950 so treffend formulierte – als „schmutzige Schneebälle“. Sie kennen sicher diesen von Autoabgasen über Wochen hinweg schwarz-bräunlich gefärbten Schnee am Ende des Winters am Straßenrand? Nehmen Sie davon bitte einen 10 km großen Brocken, geben Sie ein paar Zusatzstoffe, wie ein paar Tonnen Haushaltsreiniger mit Ammoniak und Salz dazu, beschleunigen Sie alles auf ein paar Kilometer pro Sekunde und setzen Sie es der Sonnenstrahlung im freien Weltraum aus – und damit haben Sie, indem Sie diesem „Rezept“ gefolgt sind, sich selbst einen Kometen gemacht!