Until Us: Susan - CP Smith - E-Book

Until Us: Susan E-Book

CP Smith

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Beschreibung

Nie hätte Susan gedacht, dass ein platter Reifen dazu führen könnte, der Liebe ihres Lebens zu begegnen. Doch James Mayson lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass ihre Begegnung nicht nur eine Laune des Schicksals ist. Als James die hübsche Fremde am Straßenrand entdeckt, spürt er sofort eine tiefe Verbindung zu ihr. Boom. Als wäre sie für ihn geschaffen. Doch ihre Liebe steht unter keinem guten Stern. Ein Mörder scheint es auf Susan abgesehen zu haben, und James könnte die Frau verlieren, für die er sein Leben geben würde ...

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Seitenzahl: 199

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UNTIL US:SUSAN

CP SMITH

© Die Originalausgabe wurde 2018 unter dem

Titel UNTIL SUSAN von CP SMITH veröffentlicht.

© 2022 Romance Edition Verlagsgesellschaft mbH

8700 Leoben, Austria

Aus dem Amerikanischen von Jennifer Kager

Covergestaltung: © Sturmmöwen

Titelabbildung: © AndrewLozovyi (depositphotos)

Redaktion & Korrektorat: Romance Edition

ISBN-EPUB:978-3-903413-43-6

www.romance-edition.com

FÜR AURORA ROSE REYNOLDS

Dein Vertrauen in mich als Autorin ehrt mich. Danke, dass ich die Geschichte von James und Susan schreiben durfte. Ich habe mich in die beiden verliebt und hoffe, ihnen mit dieser Novelle gerecht geworden zu sein.

EINE ANMERKUNG VON AURORA ROSE REYNOLDS

Liebe Leserinnen und Leser,

willkommen in der Happily-Ever-Alpha-Welt.

Ich habe jede Autorin dieser Spin-Off-Reihe persönlich ausgewählt, weil ich ihre Bücher und die Art, wie sie Geschichten erzählen, liebe. Dieses Buch ist ausschließlich das Werk jener Autorin, die es verfasst hat, und ich hatte keinen Anteil am Schreibprozess.

Viel Freude mit diesem BOOM!

XOXO

Aurora Rose Reynolds

Prolog

Susan, November 2013

Das tiefe, gutturale Quaken der Teichfrösche begrüßt mich, als ich meinen Truck vor dem Haus der Familie Mayson parke. Ein Haus, das ich in den letzten achtundzwanzig Jahren zu meinem eigenen gemacht habe. Die Verandalichter erleuchten den Weg zur Vordertür und auch den größten Teil der Einfahrt. James’ Streifenwagen ist nicht mehr dort abgestellt; vermutlich hat man ihn unerwartet zu einem Einsatz gerufen. Als ich mittags losfuhr, um November für einen Einkaufsbummel abzuholen, wollte er seinen freien Tag in der neuen Scheune verbringen. Seine Werkstatt, in der er die verschiedensten Dinge baut.

Ich drehe den Kopf und starre auf die Metallkonstruktion, die wie ein Wachposten auf unserem Grundstück steht. Erinnerungen an die alte Holzscheune holen mich ein, und ich beiße mir auf die Unterlippe. Sie war fünfzig Jahre alt, mit roten Wänden und weißen Schindeln. Ein Symbol für das amerikanische Landleben. Ich erschaudere. So viel ist darin geschehen. Wir sprachen nie darüber, weder mit Alice noch mit James Senior, als dieser noch unter uns weilte. Unsere Jungs haben auch keine Ahnung, was an diesem Ort vorgefallen ist.

Ich schließe die Augen und denke an meinen Sohn Asher, der in der Asche unserer Vergangenheit gezeugt wurde. Ich hatte seinen Namen bewusst gewählt, auch wegen seiner Bedeutung: glücklich und gesegnet. Genau das waren James und ich. Über alle Maßen gesegnet mit der Liebe, die uns verbindet, und mit unseren Jungs.

Jetzt ist Asher an der Reihe, das zu finden, was James und ich teilen. Wobei ich sicher bin, dass er nicht mehr suchen muss. Er ist in dieser Hinsicht ganz sein Vater – wie all meine Söhne –, und ich weiß besser als jede andere, dass es keinHalten mehr gibt, wenn ein Mayson beschließt, dass man für ihn die Eine ist. Ashers Gesichtsausdruck, als er das erste Mal von November erzählt hat, war mehr als deutlich. Weder sie noch er hatten eine Chance gegen das, was meine Jungs den Mayson-Fluch nennen.

Ich lache leise und denke an vorhin zurück, als ich November von James und meiner Vergangenheit erzählt habe. Die jugendfreie Version, mit ein paar Wahrheitslücken, die nur zu ihrem Besten sind. »Eine Lüge schadet nicht, wenn sie aus dem richtigen Grund gemacht wird«, murmle ich, während ich meine Einkaufstaschen aus dem Kofferraum hole und mich auf den Weg ins Haus mache.

Als ich die Tür hinter mir abschließe, fällt mein Blick auf den Spiegel im Eingangsbereich. Wo sind die Jahre geblieben? Ich lasse die Taschen fallen, trete näher und betrachte die kleinen Fältchen um meine Augenwinkel.

Lachfalten ... Nein. Runzeln, weil ich James immer wieder mit zusammengekniffenen Augen ansehe.

Meine Söhne machen die Frauen des einundzwanzigsten Jahrhunderts verrückt, ihr Vater war jedoch der erste Mayson, der mit seiner leicht arroganten, herrischen und selbstgefälligen Art eine Frau – mich – in den Wahnsinn getrieben hat.

»Was habe ich zu November über James gesagt?«, frage ich mein Spiegelbild und streiche über die Stirnfalten, die mein Mann verursacht hat. »Ach ja, dass mich James zwei Monate lang täglich um ein Date geben hat, bevor ich endlich einwilligte.« Ich grinse die ältere und weisere Version meiner selbst, Susan Elizabeth Montgomery Mayson, an. »Ja, ich weiß, ich habe gelogen. Aber meine Jungs brauchen die Wahrheit nicht zu erfahren.« Nicht die Wahrheit darüber, wie es anfing oder was danach kam. Damals war ich genauso schwach wie heute. James brauchte mich nur auf eine bestimmte Art anzusehen, und ich war völlig machtlos gegen ihn und das, was er in mir auslöste.

Das ist immer noch so. Wie heute Morgen, als ich meinen Wagen aus der Einfahrt lenkte. In seinem Blick lag ein stummes Versprechen.

Es ist Zeit, dieses Versprechen einzulösen.

Ich schaue auf die Uhr. Ob ich noch Gelegenheit habe, um mich vorzubereiten? »Erst duschen, dann ein sexy Nachthemd anziehen«, murmle ich und schnappe mir meine Einkaufstüten. Es ist Eile geboten, denn ich habe eine Überraschung für James besorgt. Sobald er durch die Eingangstür tritt, werde ich es ihm zeigen.

Zwanzig Minuten später bin ich frisch geduscht und von jeglichen ungewollten Haaren befreit. Ich schlüpfe in mein neues lavendelfarbenes Seidennachthemd und lege mich auf unser Kingsize-Bett. In einer Pose, die meine Vorzüge optimal zur Geltung bringt. Ich platziere mein Handy vor meinem Dekolleté und mache ein Foto.

Ich betrachte das Bild. Ach du meine Güte... Keine Frau in meinem Alter sollte ein Foto aus diesem Winkel machen.

Mit veränderter Position – den Arm weit nach oben gestreckt, um eine Perspektive zu finden, die weniger Doppelkinn und einen tieferen Einblick verspricht – versuche ich es noch einmal.

Nein. Nein. Verdammt, nein.

Vielleicht nur eine Beinaufnahme mit einem Hauch von Lavendelseide?

Ich lösche die ersten beiden Bilder und probiere es erneut. Bingo. Das Ergebnis ist geschmackvoll und gleichzeitig sündhaft sexy, mit dem zusätzlichen Vorteil, dass ich kein Doppelkinn darauf habe.

Jetzt muss ich es nur noch abschicken.

Mein Finger schwebt über diesem seltsamen Plus-Symbol, um das Bildan die Nachricht anzuhängen.Unsicher beiße ich mir auf die Unterlippe. Soll ich oder soll ich nicht? Ich habe den ganzen Tag mit einer vierundzwanzigjährigen Frau verbracht, die voller Leben und Ausgelassenheit steckt und mich an mein sorgloses und kühneres Ich von früher erinnerte. Ich vermisse diese Seite an mir. Genauso will ich wieder sein, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick. Ich habe noch nie ein sexy Bild von mir verschickt. Doch allein bei der Vorstellung, wie James die Nachricht öffnet, fühle ich mich mutig und jung. Aber kann ich meinem Mann, dem Sheriff von Murfreesboro, Tennessee, wirklich ein sexy Bild schicken und riskieren, dasses versehentlich ein anderer zu Gesicht bekommt?

Entscheidungen über Entscheidungen.

Nachdenklich blicke ich zur Seite. Auf meinem Nachttisch steht unser Hochzeitsfoto. Ich nehme es in die Hand und fahre mit dem Finger liebevoll an James’ Gesicht entlang. Er war schon immer und ist noch immer der attraktivste Mann, den ich je getroffen habe. Meine Gefühle sind seit dem ersten Tag unverändert. Ich liebe ihn über alles, und das wird für immer so bleiben.

Als ich erneut das Bild auf meinem Handy ansehe, wähle ich zum ersten Mal seit Jahren Spontanität und ein wenig Leichtsinn. Ohne weitere Überlegung drücke ich auf Senden. Auch wenn sich in meinen Augenwinkeln Falten gebildet haben und mein dunkelbraunes Haar von grauen Strähnen durchzogen ist. Mein Herz schlägt immer noch wild wie das einer jungen Frau, sobald James in der Nähe ist. Ob er nun im Dienst ist oder nicht, er soll zu jeder Zeit wissen, dass ich ihn nach all den gemeinsamen Jahren noch genauso begehre wie er mich.

Mit meinem Geist.

Meinem Körper.

Und meiner Seele.

Kaum habe ich das Bild abgeschickt, vibriert mein Handy. Ich grinse wie ein hormongesteuertes Schulmädchen, das zum ersten Mal verknallt ist, und öffne seine Nachricht.

James:

Jesus.

Ich:

Wie?

James:

Ich befinde mich an einem Unfallort.

Tja, das ist nicht so gelaufen wie geplant.

Ich:

Tut mir leid, ich hoffe, es ist nichts Ernstes. Ich werde versuchen, wach zu bleiben, bis du nach Hause kommst. Pass auf dich auf.

Ich will gerade mein Handy weglegen und mich in die Decke einkuscheln, als es erneut vibriert.

James:

Baby, wenn du einschläfst, nachdem du mir diese Nachricht geschickt hast, steckst du in Schwierigkeiten.

Das entspricht schon eher meinem Plan.

Ich:

Welchen Schwierigkeiten?

Ich drücke auf Senden und warte geduldig auf seine Antwort. Als stattdessen das Telefon in meiner Hand zu klingeln beginnt, schrecke ich auf. »James?«, nehme ich den Anruf atemlos entgegen. Selbst ich kann die Vorfreude in meiner Stimme hören.

»Ich stehe an einer Unfallstelle. Der idiotische Sohn des Bürgermeisters musste sich unbedingt betrunken hinters Steuer setzen und hat seinen Truck in einen Baum gelenkt. Der Junge hat überlebt, aber dafür habe ich jetzt die Presse und vier meiner Männer am Hals, die darauf warten, dass ich diesen Scheiß regle«, knurrt er in die Leitung. »Aber sie werden sich gedulden müssen.«

»Warum? Hast du immer noch mit dem Sohn des Bürgermeisters zu tun?«

»Nein. Du hast mir ein verdammt sexy Bild geschickt, und allein daran zu denken, macht mich hart. Also sei gewarnt, Baby: Wenn du einschläfst, bevor ich zu Hause bin, werde ich dir den Hintern versohlen.«

Bei seiner Andeutung stockt mir der Atem. »Ich werde wach bleiben«, flüstere ich in vor lauter Lust halb ersticktem Tonfall.

Er reagiert nicht sofort, aber ich kann hören, wie er tief und gleichmäßig Luft holt. Er ist immer noch erregt. »Ich liebe dich, Baby«, sagt er mit tiefer, heiserer Stimme.

»James ...«

»Niemals. Ich lasse niemals los.«

Ich erstarre. Genau diese Worte hat er vor achtundzwanzig Jahren in einer ähnlichen Nacht gesagt; einer Nacht, in der ich fast alles verloren hätte.

»Niemals«, antworte ich und füge mit mehr Kraft hinzu: »Du kommst zu mir nach Hause, bald.«

»Sobald ich kann«, brummt er leise, dann ist die Leitung tot.

Ich lasse mein Handy fallen, ziehe sein Kissen an meine Brust und schlinge meine Arme darum. Das Gesicht darin vergraben, hole ich tief und lange Luft.

»Niemals. Ich lasse niemals los«, wiederhole ich leise seinen Schwur, den er auf dieser Farm abgelegt hat.

»Was wäre, wenn ich nie diese Autopanne gehabt hätte?«, frage ich in den stillen Raum und lasse mich von James’ einzigartigem Duft einlullen. Ich entspanne mich, während vor meinem geistigen Auge wie bei einem Film Bilder ablaufen und mich in die Vergangenheit zurückführen. Ich in meiner Krankenschwesternuniform, kurz nachdem ich nach Murfreesboro zog. James in seiner Uniform, ein sexy Grinsen im Gesicht, wie er sich an mein Auto lehnte. Der alte Mustang mit Verdeck, aus dem ich immer rücksichtslos alles herausholte. All diese Erinnerungen verschwimmen in einer Collage meines Lebens.

Ich kämpfe gegen die Flut von Emotionen ebenso wie gegen den Schlaf. Aber schließlich gelange ich an den Ort, an dem Erinnerungen und Träume – sowohl die guten als auch die schlechten – aufeinanderprallen. Mit aller Macht versuche ich die dunkelsten unter ihnen abzuwehren. Aber manchmal, egal wie sehr man sich bemüht zu vergessen, kehrt die Vergangenheit zu einem zurück, ob man nun will oder nicht. Um einen daran zu erinnern, wie wertvoll all das ist, was das Leben einem gegeben hat.

1

Susan, Juni 1985

Billy Joels Uptown Girl schallte durch das Innere meines Wagens, doch selbst dieser Song konnte die Wut, die heiß durch meine Adern floss, nicht kühlen. Der Anruf meines Ex hatte mich zu sehr aufgeregt. Also drückte ich das Gaspedal meines 67er Mustang Cabriolets durch und ließ den Wind meinen Ärger dämpfen. Ich lebte seit genau einem Monat in Murfreesboro, Tennessee, aber irgendwie hatte der Mistkerl herausgefunden, wo ich arbeitete, und mich kurz vor Beginn meiner Schicht im Krankenhaus angerufen.

»Vollidiot«, zischte ich und rauschte die US-41 hinunter zu dem Farmhaus, das ich gemietet hatte. Ich war in Nashville aufgewachsen und wollte nach meinem Abschluss an der Krankenpflegeschule eigentlich dort bleiben. Als ich jedoch meinen Ex-Freund mit einander anderen erwischte, beschloss ich, dass es Zeit für einen Neuanfang war. Eine stickige Wohnung in der Stadt bot nicht den Freiraum, den ich brauchte. Also bewarb ich mich bei Krankenhäusern im ganzen Bundesstaat. Meine Wahl fiel auf das St. Thomas in Murfreesboro. Die zwei Hektar Land, die an mein Miethaus anschlossen, hatten zu dieser Entscheidung beigetragen. Ich liebte die Einsamkeit des Landes, aber das so viel Rasen auch gemäht werden musste, hatte ich nicht bedacht. »Er vögelt jede Frau, die in seine Richtung schaut, und will mir die Schuld an unserer Trennung geben?«, wetterte ich über das Radio hinweg.

Billy Joel ignorierte mich gekonnt. Er war zu sehr damit beschäftigt, Christie Brinkley vorzusingen, wie schön sie doch war.

Immer bekamen die Blondinen einen Mann ab. Brünette wie ich waren in einem Raum voller Barbys unsichtbar; das hatte die FDA wissenschaftlich bewiesen. Wenn man zehn Blondinen mit riesigen Brüsten in einen Raum steckte, würde keine Dunkelhaarige einen zweiten Blick erhalten. Nicht einmal die bestaussehende Brünette der Welt.

Okay, das stimmte wahrscheinlich nicht. Ich war wohl ein wenig voreingenommen, seit Jonathan zwei Jahre meines Lebens weggeworfen hatte, als er mich mit einer wirklich dümmlichen Blondine betrog.

Bei einem Blick in den Rückspiegel bemerkte ich, dass ich immer noch meine altmodische Schwesternhaube aufhatte, und stöhnte auf. Kein Wunder, dass mich der süße Typ im Supermarkt seltsam angesehen hatte. Ich war kaum einen Meter sechzig groß, deshalb trug ich gern Hüte, um größer zu wirken. Doch meine Schwesternhaube war nicht die Art von Kopfbedeckung, mit der ich außerhalb des Krankenhauses gesehen werden wollte. Sie war hässlich.

Ich ließ das Lenkrad los und steuerte den Wagen mit den Knien, während ich schnell alle Haarnadeln herauszog. Ich packte sie in die Haube, ehe ich das verhasste Ding auf den Beifahrersitz warf.

»Besser«, sagte ich und schüttelte mein langes, dunkelbraunes Haar aus. Statt Billy brachte mir nun Steve Perry ein Ständchen mit Oh Sherrie. Auch die war blond gewesen. Konnte mich bitte einer umbringen?

Ich rollte mit den Schultern und versuchte, mich zu entspannen. Ich hatte gerade die Spätschicht in der Notaufnahme hinter mich gebracht, das bedeutete Dienst von drei Uhr nachmittags bis elf Uhr nachts. Ich konnte es kaum erwarten, die verdammten weißen Stützstrümpfe auszuziehen, die wir tragen mussten. Das St. Thomas war noch nicht im zwanzigsten Jahrhundert angekommen. Bunte Schwesternkleidung war hier noch tabu. Weiß. Weiß. Und noch mal weiß. Alles war steril weiß. Sogar unser Make-up musste zurückhaltend sein. Kein Parfüm. Kein Nagellack. Nichts Auffälliges war erlaubt. Wir mussten jederzeit adrett und kompetent erscheinen. Wenn wir unsere Uniformen in irgendeiner Weise personalisierten, wurde das in unserer Personalakte vermerkt. Wer die Regeln wiederholt missachtete, flog raus. So oder so, ich war die Strümpfe leid und wollte keine weitere Sekunde in ihnen verbringen. Es fühlte sich an, als würden sie mir die Lebenskraft aus dem Körper saugen. Ich konnte nicht warten, bis ich zu Hause war. Ich musste diese Dinger jetzt loswerden.

Mit dem Gedanken an Bequemlichkeit nahm ich den Fuß vom Gaspedal und begann zu bremsen, während ich nach einem Platz zum Anhalten Ausschau hielt. In der Dunkelheit war das nicht so leicht. Der Seitenstreifen war meine beste Option. Als ich den Wagen auf das Straßenbankett lenkte, wurde ich heftig durchgeschüttelt, als hätte ich gerade etwas Großes überfahren. Ein lauter Knall folgte. Aus Angst, ich könnte ein Tier erwischt haben, rollte ich noch einen halben Meter weiter, als mein Lenkrad plötzlich nach rechts riss. Mist. Ich wusste, was das bedeutete. Ich hatte einen platten Reifen.

Ich blickte auf meine weiße Uniform hinunter und stöhnte; dann suchte ich die Straße vor mir nach Häusern ab, in denen noch Licht brannte. Um diese Zeit war das hoffnungslos. So viel dazu, den Pannendienst zu rufen. Verflixt und zugenäht. Was würde ich nicht alles für eines dieser ziegelsteinartigen tragbaren Telefone geben, von denen ich gelesen hatte. Am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts machte die Technologie rasante Fortschritte. Bald würden wir alle ein Telefon bei uns tragen und vom Auto aus Anrufe tätigen können, als säßen wir zu Hause. Ich konnte es kaum erwarten.

Ich zog die Handbremse an, öffnete die Tür, damit das Innenlicht anging, und griff in mein Handschuhfach, wo ich eine Taschenlampe aufbewahrte. Laternen gab es in diesem Straßenabschnitt keine. Die Gegend war dünn besiedelt, und die Häuser wurden durch viel Land getrennt oder lagen sogar Meilen voneinander entfernt. Man brauchte ein Fahrzeug, um sich vom Nachbarn etwas Zucker zu leihen.

»Wer hatte die geniale Idee, auf dem Land zu leben?«, brummte ich vor mich her, als ich aus meinem Auto stieg. Steves samtene Stimme begleitete mich zu meinem Kofferraum. Beim Aufmachen stellte ich fest, dass er noch immer voller Umzugskartons war.

Verdammt, ich habe vergessen, sie auszuladen.

Meine Nase begann zu brennen, und erste Tränen sammelten sich in meinen Augen. Ich war hungrig, müde und litt an einem emotionalen Schleudertrauma, das mir mein Ex verpasst hatte. Dieser Mistkerl. Und als wäre das nicht schlimm genug, musste ich jetzt auch noch mitten in der Nacht einen Reifen wechseln, ganz in Weiß gekleidet.

Aus Frust knallte ich den Kofferraum zu, dann ging ich zur Wagenseite und trat gegen den platten Reifen. Ich war fertig – fertig – mit diesem Tag. Ich würde zu meinem Haus laufen und morgen Früh den Triple-A-Abschleppdienst verständigen.

»Probleme?«, rief eine sehr tiefe, sehr männliche Stimme hinter mir.

Überrascht zuckte ich zusammen und wirbelte herum. Wegen des lauten Radios hatte ich niemanden kommen gehört. Ich richtete meine Taschenlampe auf einen Mann in den Zwanzigern. Wie erstarrt stand ich da und ließ den Lichtstrahl von Kopf bis Fuß über ihn gleiten, während mein Herz vor Angst wild klopfte. Er war über einen Meter neunzig groß und hatte breite Schultern, die gegen den Stoff seines T-Shirts spannten und die Grenzen des Materials testeten.

Mein Blick fiel auf seine schmale Taille, dann auf seine ebenso muskulösen Beine, und meine Angst verwandelte sich auf unerklärliche Weise in eine seltsame Art von Aufmerksamkeit. Als wäre ich mir mit jeder Faser meines Körpers seiner Anwesenheit bewusst. Ich leckte mir über die Lippen und betrachtete dieses Paradebeispiel eines Mannes. Als ich bei seinem Gesicht ankam, bemerkte ich seine tiefblauen Augen; sie wurden von langen Wimpern umrahmt. Seine Stirn war kräftig, sein Haar dunkelblond und zerzaust, als wäre er aus Frust mit den Händen hindurchgefahren. Anders als die meisten Männer heutzutage trug er keinen dieser hässlichen Vokuhila. Seine Frisur war sexy, wild wie er selbst, und jeder Zentimeter von ihm schien zu schreien: Ich bin ein Mann, ganz und gar, und ich bin gefährlich. Also leg dich nicht mit mir an.

Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass ich mitten auf einer dunklen Straße einem harmlosen wilden Mann begegnete?

Nicht groß. Meine Angst kehrte zehnfach zurück.

Gefahr, Will Robinson!

»Kommen Sie nicht näher!«, krächzte ich erschrocken und wich zurück. Mein Selbsterhaltungstrieb hatte die Führung übernommen.

Ich hielt die Taschenlampe auf sein Gesicht gerichtet und suchte nach Anzeichen dafür, dass er mich angreifen wollte, doch stattdessen lächelte er. Seine Mundwinkel zuckten, als er mich ebenfalls einer Musterung unterzog. Dann hob er langsam die Hände, als wolle er ein Kind beruhigen. »Ich werde Ihnen nichts tun. Sie können mir vertrauen.«

Mein Pony war mir in die Augen gefallen und versperrte mir teilweise die Sicht auf ihn. Ich schob die lästigen Strähnen beiseite. Sein Grinsen wurde breiter, was meine Aufmerksamkeit auf seinen Mund lenkte. Mein Blick blieb an seinen vollen Lippen hängen. Ob sie sich so weich anfühlten, wie sie aussahen? Als er sich über die Unterlippe leckte, stockte mir der Atem. Wie ein Reh im Scheinwerferlicht stand ich blinzelnd da, um den Nebel in meinen Gedanken zu vertreiben. Abermals betrachtete ich den Mann argwöhnisch und suchte nach einem winzigen Indiz, das ihn als Lügner entlarven würde. Seine muskulösen Arme hingen entspannt an seiner Seite, überhaupt nicht angriffslustig, und auch sonst war seine Haltung locker und männlich. Dieser Kerl war der bestaussehende Möchtegern-Angreifer, den ich je gesehen hatte, und meine Anspannung fiel ein wenig von mir ab.

War ich nun naiv oder einfach nur sexuell erregt? Ich wusste es nicht, aber mein Instinkt sagte mir, dass er nicht log. Also nahm ich einen tiefen, beruhigenden Atemzug. Dann noch einen zweiten. Aber mein Herz schlug immer noch rasend schnell. Er war einfach zu männlich, zu imposant und zu viel für mein armes Nervensystem. »Wo sind Sie so plötzlich hergekommen?«

Auf meine Frage hin hob er eine einzelne perfekte Braue, dann ruckte er mit dem Kopf zur Seite. »Mein Haus. Ich saß auf der Veranda, als Sie angehalten haben. Also bin ich mit ausgeschalteten Scheinwerfern hergefahren, um zu überprüfen, dass Sie keine Herumtreiberin sind.«

Ich schaute an ihm vorbei und sah in der Ferne ein einzelnes Licht brennen. Nur ein Stück hinter ihm stand ein Truck, den ich bis zu diesem Moment nicht wahrgenommen hatte. »Sie wohnen in der Nähe?«, fragte ich wie eine Idiotin, weil mich das sanfte Timbre seiner Stimme völlig aus dem Konzept brachte.

Er hob beide Brauen und grinste mich an.

Richtig. Dumme Frage.

»Haben Sie ein Telefon, das ich benutzen kann?« Ich plapperte weiter und spürte, wie meine Wangen zu brennen begannen. Ich hatte noch nie in meinem Leben einen Mann getroffen, der so anziehend war wie er. Es lenkte mich total ab. »Ich bin Mitglied bei Triple-A. Ich muss anrufen, damit jemand vom Abschleppdienst herkommt, um meinen Reifen zu wechseln.«

Er legte den Kopf schief und betrachtete mich langsam und ausgiebig, während er nachzudenken schien. Sein Blick verweilte etwas länger auf meinen Brüsten, und ich spürte, wie sie als Reaktion schwer wurden. »Haben Sie einen Ersatzreifen dabei?«, sagte er schließlich mit rauer Stimme.

»Ich ... ich glaube schon«, antwortete ich etwas holprig, weil ich so heftig auf ihn reagierte.

»Machen Sie den Kofferraum auf, und ich wechsle den Reifen.«

Ich blinzelte. »Sie wollen das machen?«

Sein Grinsen kehrte zurück. »Habe ich das nicht gerade gesagt?«

Da man einem geschenkten Gaul nicht ins Maul schauen sollte, eilte ich zum Kofferraum. »Vielen Dank. Meine Schicht morgen beginnt zwar erst um drei Uhr nachmittags und endet um elf in der Nacht, aber ohne genug Schlaf wegen einer Autopanne würde ich vielleicht zu spät kommen«, erklärte ich hastig und öffnete meinen Kofferraum. Als ich hineinschaute, stockte ich in der Bewegung.

Mist. Die Kisten.

»Ich werde einfach ...« Ich wies mit meiner Taschenlampe auf die Kisten, griff eine und versuchte, sie mit aller Kraft herauszuziehen. Da sie jedoch leichter war als erwartet, geriet ich durch den Schwung ins Stolpern, verlor den Halt und ließ sie fallen. Der Inhalt ergoss sich auf der Straße. Ich stöhnte entsetzt auf, als der Schein meiner Taschenlampe auf ein paar BHs und Höschen fiel, die ich schon vermisste hatte.

Ich möchte sterben.

Mein Retter bückte sich nach meiner Unterwäsche, und ich drehte durch. »Nein!«, rief ich und schwenkte den Lichtkegel zur Seite. Als könnten meine Seidenhöschen von der Dunkelheit verschluckt werden. Die Dringlichkeit in meinem Ton muss ihn etwas alarmiert haben, denn sein Kopf schoss hoch, so auch seine rechte Hand, in der er eins meiner schwarzen Seidenhöschen hielt.

»Die gehört mir nicht«, platzte ich mit einer so offensichtlichen Lüge heraus, dass ich ziemlich verrückt wirken musste.

Seine Lippen zuckten, dann presste er sie zusammen, als würde er sich ein Lachen verkneifen. Genau so reichte er mir das sehr knapp bemessene Stück Stoff. Ich schnappte es mir, sank auf die Knie und schob den Rest meiner Unterwäsche zurück in den Karton.

»Ich nehme an, dass diese Bücher auch nicht von Ihnen sind«, murmelte mein Retter lächelnd, während er die zweite Kiste mit Leichtigkeit aus dem Kofferraum hob. Wenn Gott ein barmherziges Wesen wäre, wie in der Bibel behauptet wird, würde er mich von meinem Elend erlösen. Mit einem plötzlichen Blitzschlag.

Ich schaute zum Nachthimmel hinauf, in der Hoffnung, gleich getroffen zu werden, aber mir leuchteten nur der riesige Mond und unzählige Sterne entgegen. Offenbar hatte Gott Wichtigeres zu tun, als mich vor totaler Demütigung zu bewahren.

»Packen Sie sie einfach auf den Rücksitz«, antwortete ich, ohne den Mann anzuschauen.