Unversehrt. - Maja Lo Faso - E-Book

Unversehrt. E-Book

Maja Lo Faso

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  • Herausgeber: tredition
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2018
Beschreibung

Unversehrt. verbindet Techniken aus Coaching und Therapie mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und transkulturellen Ansätzen zu einem ganzheitlichen, individuell nutzbaren Konzept. Durch verständliche und doch tiefgründige Betrachtung erschliessen sich den Lesenden persönliche Ressourcen, grössere Zusammenhänge und eine neue Sicht auf alte Themen. Die jahrelange Auseinandersetzung mit Selbstwirksamkeit ermöglicht es der Autorin, Wissen aus zahlreichen Gebieten physisch erfahr- und nutzbar zu machen.

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Seitenzahl: 528

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Maja Lo Faso

Unversehrt.

Selfcoaching körperlich, emotional, mental Grundlagenwissen & Praxis

© 2018 Maja Lo Faso

2., aktualisierte Auflage

Verlag: tredition® GmbH, Hamburg

ISBN Paperback: 978-3-7469-3277-4

ISBN Hardcover: 978-3-7469-3278-1

ISBN e-Book: 978-3-7469-3279-8

lofaso selfcoaching, Bern

lofaso.ch | [email protected]

Umschlaggestaltung & Illustrationen: lofaso selfcoaching, Bern

Korrektorat: Esther Feller

1. Auflage 2017 tredition® GmbH, Hamburg

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhaltsübersicht

1 | Ressourcen, ab Seite 10

In diesen Kapiteln wird das Verständnis von Selfcoaching erläutert. Auch werden die zahlreichen inneren Ressourcen behandelt, die es ermöglichen, auf das persönliche Wohl Einfluss zu nehmen, wie die emotionale und körperliche Intelligenz, die Imagination, Rationalität und Kreativität. Fachgebiete, welche das menschliche Wesen erforschen, insbesondere die Neurologie, Psychologie und Biologie, aber auch die Physik sowie transkulturelle und spirituelle Betrachtungen, dienen als äussere Ressourcen.

2 | Grundlagenwissen, ab Seite 21

Diese Kapitel legen umfassendes Grundlagenwissen dar, um den persönlichen Entwicklungsprozess bewusst lenken zu können. Die Schwerpunkte liegen dabei auf dem Motivationssystem, der Entstehung von persönlichem Wissen aus neurologischer Betrachtung, der Wechselwirkung zwischen Körper, Emotionen und Geist sowie jener zwischen Beziehung, Entwicklung und Gesundheit.

3 | Entwicklung, ab Seite 48

Unter diesem Titel werden für die Persönlichkeitsentwicklung relevante Erkenntnisse der Neurologie beleuchtet sowie unterschiedliche Faktoren, die sich positiv auf das Lernvermögen auswirken. Des Weiteren sind verschiedenste dienliche Entwicklungs- und Lösungsansätze für Selfcoaching aufgeführt.

4 | Selfcoaching als Konzept, ab Seite 67

Hier wird das praktische Vorgehen von Selfcoaching erörtert. Methodisches Vorgehen und konkrete Techniken, wie der Muskelselbsttest, werden zur Anwendung beschrieben, damit sich Selfcoaching als individueller, effektiver und effizienter Prozess gestalten lässt.

5.a | Selfcoachingpraxis im Körperbereich, ab Seite 100

In diesem Abschnitt sind praktische Techniken der Wahrnehmungsschulung, der Entspannung, Vitalisierung und Massage für die Selbstanwendung erläutert. Es werden einerseits eine breite Palette von sanften Ansätzen, wie Atemarbeit, aber auch Achtsamkeitsübungen bei dynamischer Bewegung beschrieben, um über den Körper positiv auf das gesamte Wohlbefinden einzuwirken.

5.b| Selfcoachingpraxis im Emotionalbereich, ab Seite 141

Unter diesen Kapiteln sind selbstanwendbare Techniken ausgeführt, um positiv auf den Gefühlshaushalt einzuwirken. Das Nutzen der emotionalen Intelligenz, emotionaler Stressabbau, Desensibilisierung von traumatisch gespeicherten Gedächtnisinhalten, die Arbeit mit dem inneren Kind und den Subpersönlichkeiten sowie Klopfakupressurtechniken und kombinierte Anwendungen werden im Detail erläutert.

5.c | Selfcoachingpraxis im Mentalbereich, ab Seite 194

Um das mentale Vermögen zur Lebensgestaltung zu nutzen, werden hier Meditationstechniken unterschiedlicher Tiefengrade beleuchtet und praktisch umgesetzt. Durch Sinneswahrnehmung und innere Bilder lassen sich Erkenntnisgewinn, Selbststeuerung, Konfliktlösung und Selbstheilung erzeugen. Techniken, um die persönliche Bildersprache subjektiv zu deuten, stützen dabei die Selbstwirksamkeit.

5.d | Selfcoachingpraxis im psychosomatischen Bereich, ab Seite 278

Der Körper gilt neurologisch betrachtet als Manifestation aller Tätigkeiten, Gefühle und zwischenmenschlicher Interaktionen. Daher werden in diesem Abschnitt Techniken beschrieben, um die persönlichen Körpersymptome subjektiv zu verstehen und durch die Erkenntnisse positiv auf das gesamte Wohlbefinden einwirken zu können.

Anhang, ab Seite 286

Abschliessend ist eine Kurzübersicht über diverse Hilfsmittel für Selfcoaching im körperlichen, emotionalen und mentalen Bereich aufgeführt. Ausserdem sind ein Epilog mit einigen persönlichen Worten, das Literaturverzeichnis und Quellen sowie ein detailliertes Inhaltsverzeichnis zu finden.

Danksagung

Mein grosser Dank gilt allen, welche die Entwicklung dieses Selfcoachingkonzepts mit Interesse, Fachkompetenz, Kritik und Arbeitseinsatz unterstützt haben. Im Speziellen danke ich Luca Lo Faso für sein geduldiges Lektorat, kritisches Hinterfragen und endloses Vertrauen in mich und die Sache, Esther Feller für das sorgsame und liebevolle Korrektorat, Wilhelmina Zwemer und Angelica Feldmann für ihr Lob, ihre Unterstützung und ihre guten Ideen zur praktischen Umsetzung, Mocco Andrea Abraham für ihre aufbauende Kritik, Sandra Thomann für ihre Begleitung, die zur Initialzündung geführt hatte, Manuela Grieser und Mischu Roulet für die lehrreiche Zusammenarbeit. Des Weiteren danke ich Myriam Loepfe, Sabine Piccolruaz, Sabina Gerber, Renate Weber, Peter Zingg, Jörg Weidmann, Ester & Tigi Kugler, Renie Uetz, Thea Rytz, Patrizia und Käthi Lo Faso sowie vielen Bekannten für ihr dauerhaftes Interesse am Projekt.

Ausserdem

Der Leserlichkeit halber sind die vorliegenden Inhalte in gebräuchlicher Sprache verfasst, mit dem Bewusstsein, dass diese oft nicht genderneutral ist. Falls sich jemand dadurch nicht angesprochen fühlen sollte, so entschuldige ich mich dafür. Es ist mir ein Anliegen zu versichern, dass ich beide Geschlechter sowie die jeweiligen Qualitäten, die diesen zugeordnet werden, gleichermassen achte und schätze. Darüber hinaus bin ich der Überzeugung, dass in jedem Menschen potentiell alle Eigenschaften angelegt sind und er unabhängig seines Geschlechts jene entwickeln kann, die zu seinem individuell integren Selbstgefühl führen.

Zum Nutzen dieses Buches

Die vorliegenden Inhalte folgen einem Aufbau, gleichzeitig stehen die einzelnen Praxisanwendungen und diesbezüglich wissenswerten Informationen als eigenständige Elemente da. Seitenverweise führen einerseits vom Grundlagenwissen direkt zu den entsprechenden Praxisanwendungen, ebenso sind die Anwendungen mit Seitenverweisen auf die Grundlagen versehen. So kann dieses Buch durchgängig gelesen werden, was sich empfiehlt, wenn Selfcoaching als Konzept im dargelegten Sinne verstanden und angewendet werden möchte. Gleichsam ist es möglich, sich beim Lesen von den gegenwärtigen Interessen leiten zu lassen. Solch intrinsisch motiviertes Vorgehen stärkt die Selbstwirksamkeit und zeigt an, welche Inhalte des Selfcoaching momentan den grössten Nutzen bringen.

Vorwort

Unversehrt. Ein grosses Wort, ein grosses Ziel?

Wir Menschen wissen und können viel. Wir vollbringen in mancher Hinsicht Höchstleistungen, sind fähig, auf den Mond und womöglich schon bald auf den Mars zu fliegen. Wir haben unsere Technologien so weit entwickelt, dass wir uns selbst und gar Teile unseres Körpers ersetzen können. Wir können zahlreiche Krankheiten heilen und kommunizieren global mit wenigen Klicks. Wir sind Meister im Umgang mit der Materie.

Werden jedoch psychische Belangen zum Problem, so sind wir verhältnismässig ratlos. Wir leiden laut oder still, resignieren und nehmen die Folgen von Verletzung als unabdingbares Übel des Lebens in Kauf. Wir sind sicher, dass erlittene Schmerzen niemals gänzlich abklingen werden und arrangieren uns mit Einschränkungen. Wir kompensieren Defizite auf mannigfaltige Weise, ohne dass diese damit verschwänden. Oder wir suchen Fachpersonen auf und legen unsere innersten Anliegen in deren Hände. Vergleichsweise sind wir wenig Meister im Umgang mit uns selbst.

Aber ist uns dies zu verübeln? Wo hätten wir solches denn auch lernen sollen? Die Generation unserer Grosseltern war mit zwei Kriegen und Überlebensfragen konfrontiert. Unsere Eltern gestalteten den wirtschaftlichen Aufschwung. Psychische Belange hatten in dieser Zeit weder Priorität noch war das Wissen um Belastungsabbau und die biologische Entwicklungsfähigkeit des Menschen gegeben.

In Anbetracht all des Wohlstandes unserer westlichen Welt scheint es, dass mehr davon nicht glücklicher macht. Auch angesichts der endlichen irdischen Ressourcen und einem belasteten Gesundheitssystem mutet es erstrebenswert an, Gesundheit und Entwicklung aus eigener Kraft erzeugen zu können. Warum also nicht innere Ressourcen erschliessen?

Die heutigen Voraussetzungen dafür stehen gut. Das diesbezügliche Allgemeinwissen hat stark zugenommen, es existieren zahlreiche gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, wirksame Methoden und fähige Fachpersonen. Nun stellt sich nur noch die Frage, wie viel an Selbstheilung und Persönlichkeitsentwicklung wir dem Menschen grundsätzlich, auch bei schweren Belastungen, zutrauen. Und ausserdem, wie all das Fachwissen dem Einzelnen zum Selbstgebrauch verfügbar wird.

In dieser Hinsicht sind grosse Visionen sicherlich nicht fehl am Platz. Vor hundert Jahren hätten sich die Wenigsten den heutigen Flugverkehr, geschweige denn eine Mondlandung vorstellen können. Warum sollten uns Menschen in Bezug auf Persönlichkeitsentwicklung weniger Ressourcen innewohnen?

Die folgenden Seiten handeln denn auch von der Möglichkeit, Belastungen umfassend abzubauen, schädliches Verhalten mit förderlichem zu ersetzen und persönliche Ressourcen zu erschliessen. Zahlreiche Erkenntnisse der Neurologie, Psychologie, Biologie und Physik lassen sich in Form konkreter Techniken direkt anwenden. So wird beispielsweise erfahrbar, dass Körper, Emotionen und Geist untrennbar zusammenwirken und dass ihnen allen eine spezifische, zur Lebensgestaltung nutzbare Intelligenz innewohnt. Auch ermöglicht das Wissen um die zentrale Bedeutung zwischenmenschlicher Beziehung eine lösungsorientierte Haltung gegenüber Belastungen, während die erwiesene menschliche Entwicklungsfähigkeit dazu verhilft, Umstände tatsächlich zu wandeln.

Auf der Suche nach ganzheitlicher Selbstwirksamkeit wird zudem deutlich, dass sich über Jahrtausende entstandenes, körperliches und spirituelles Erfahrungswissen mit gegenwärtigen Erkenntnissen und Thesen der Forschung überschneidet. Kombiniert eröffnen die beiden Bereiche eine gehaltvolle Sicht auf das Leben und eine beträchtliche Anzahl konkreter Möglichkeiten zur Selbsthilfe.

Zur effektiven Umsetzung von Selfcoaching dienen indes erläuterte Strukturhilfen sowie eine selbstanwendbare Methode des Biofeedbacks.

Wie aber kommt es, mag man sich fragen, zu diesem Selfcoaching Konzept?

Es entstand aus der Praxis.

Schon früh interessierten mich die Physis und Persönlichkeitsentwicklung. Ich begann mit einem Handwerk, bildete ich mich in Tanz und Theater weiter und erlernte schliesslich die Feldenkraismethode. Nebst künstlerischen Tätigkeiten arbeitete ich als Bewegungspädagogin in eigener Praxis sowie als Körper- und Aktivierungstherapeutin in Betrieben des Gesundheitswesens. Die Kombination darstellender und therapeutischer Ansätze führten zu der Arbeitsweise «Bodycoaching». Dabei bewährte sich die Körperarbeit stets als grundlegend und nützlich, dennoch bewegten sich ihre Möglichkeiten ohne Einbezug von Geist und Emotionen in unnötigen Grenzen. So bildete ich mich in Mental und Emotioncoaching weiter und verband die drei Schwerpunkte letztlich zu einem Ganzen.

Meine persönliche Biografie indes führte mich zur Überzeugung, dass Persönlichkeitsentwicklung und Selbstheilung mit den entsprechenden Techniken auch unter schwierigsten Bedingungen möglich sind und erst die Fähigkeit sich selbst zu helfen dauerhafte Erleichterung verschafft. So wage ich heute die Behauptung, dass nichts das Selbst mehr nährt als die Fähigkeit, innere Kräfte zu mobilisieren, um den persönlichen Herausforderungen gerecht zu werden.

Resultierend aus der Summe aller Erfahrungen, aus der fachlichen und persönlichen Auseinandersetzung mit Coaching und Therapie, entwickelte ich die nützlichsten Techniken zur Selbstanwendung weiter und verdichtete sie schliesslich im vorliegenden Selfcoaching Konzept.

Dieses soll keine professionelle Begleitung in anspruchsvollen Lebensphasen ersetzen. Jedoch möchten die Inhalte dazu ermutigen, weitere Möglichkeiten der Selbstwirksamkeit zu erkunden. Mit dem Ziel, zunehmend alle Formen immanenter Intelligenz zu nutzen, Stress und Traumata abzubauen, negative Muster aufzulösen, um Liebesfähigkeit und körperliches Wohlgefühl zu erlangen.

Kurz, mit dem Ziel, unversehrt zu sein.

Herzlich und mit den besten Wüschen. Maja Lo Faso

1 | RESSOURCEN

Die folgenden Kapitel erläutern den Ansatz und die grundlegende Herangehensweise des vorliegenden Selfcoaching Konzepts. Sie geben einen Überblick über die inneren und äusseren Ressourcen, die dem Menschen zur Selbstwirksamkeit dienen.

Einleitung

Glücksempfindungen

Die Wolfsfrau - das Verständnis von Selfcoaching

Innere Ressourcen

Die Rationalität

Die Imagination

Die emotionale Intelligenz

Die körperliche Intelligenz

Methodenübergreifende Herangehensweisen des Selfcoaching

Äussere Ressourcen – Die Fachgebiete

Kreativität als natürliches Prinzip

Die Verweise auf die, der jeweiligen Theorie entsprechenden Praxisanwendungen sind mit dem Vermerk „Selfcoaching“ gekennzeichnet.

Einleitung

Leben. Unbewusst hineingeboren widerfährt es einem. Andauernde Erfahrung wird dabei vom ersten Herzschlag an als inneres Wissen abgelegt. Inneres Wissen über die Beschaffenheit der Umgebung, über Beziehungen, die eigenen Interessen und Fähigkeiten, über die Willenskraft, deren Grenzen und das Schicksal. Kurz: inneres Wissen über die Welt und sich selbst. Und zunehmend entstehen Anlagen, um persönliche Ziele zu verfolgen, Probleme zu lösen, Krisen zu bewältigen und sich vielleicht gar neu zu erfinden.

Leben. Eine sinnliche Erfahrung und ständige Herausforderung, die letztlich jeder Person selbst übertragen bleibt.

Um diese Herausforderungen auch unter schwierigen Bedingungen gut zu meistern, stellt sich die Frage nach den inneren Ressourcen, die im Menschen hierfür angelegt sind. Gibt es möglicherweise ungenutzt brachliegende? Welche davon sind im Hinblick auf die Selbstwirksamkeit von besonderer Bedeutung? Und wie lassen sie sich im Bedarfsfall erschliessen?

Jüngere Forschungsergebnisse zeigen auf, dass eine erfüllende Lebensgestaltung nebst dem rationalen Denken massgeblich durch die emotionale und körperliche Intelligenz begünstigt wird. Zahlreiche gesicherte Erkenntnisse belegen die Wechselwirkung geistiger, emotionaler und körperlicher Abläufe. Kreative Prozesse sind allgegenwärtig, sie lassen sich bis hin zur menschlichen Genaktivität nachvollziehen, und der Nutzen der Imagination als schöpferische Geistesform ist unbestritten. Die umfassende Wandelbarkeit der Hirnstrukturen gilt aus neurologischer Sicht ebenso als gegebene Möglichkeit wie lebenslanges Lernen.

Und genauso wie vernünftiges Denken geübt und gebildet wird, kann dies auch mit der emotionalen und körperlichen Intelligenz geschehen. Techniken der Imagination helfen dabei, nebst der Rationalität weiteres Potential des Geistes zu nutzen, während die Kreativität durch Entspannung und zunehmendes Vertrauen in den kreativen Prozess erschlossen wird. Die Synergie all dieser Ressourcen schafft Zugang zu einer ungeheuren Menge an innerem Wissen, zur Persönlichkeitsentwicklung und Selbstheilung.

In der Annahme (die sich anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse noch bestätigen wird), dass in der menschlichen Biologie tatsächlich mehrere Formen von Intelligenz angelegt sind, drängt sich der Gedanke auf, zu ihrer Erschliessung auch unterschiedliche Methoden anzuwenden. So repräsentiert rationales Denken nur eine Form der menschlichen Intelligenz. Um emotionalen, körperlichen und seelischen Belangen tatsächlich effektiv begegnen zu können, bedingt es weiterer entsprechender Ansätze.

Ihrer Natur gemäss sind solche Arbeitsweisen oft aus kollektiver überlieferter Erfahrung entstanden. Althergebrachtes Wissen hat sich teilweise über Jahrtausende entwickeln und aufgrund seiner Wirksamkeit erhalten können. Praxiserprobt und realitätsnah, lässt es sich in vieler Hinsicht mit aktuellen wissenschaftlichen Ergebnissen vereinbaren und zeigt auch dadurch seinen überdauernden Wert.

Die vorliegenden Inhalte werden denn auch verdeutlichen, dass sich der Nutzen alter Formen der Körperarbeit, wie Yoga, Tai Chi und Judo oder der zeitgenössischen Feldenkraismethode durch heutige Erkenntnisse nachweisen lässt. Weiter legt die Traditionelle Chinesische Medizin die Grundlage für moderne Ansätze, wie die energetische Psychologie und Kinesiologie, mit denen sich über die Physis emotionaler Stress abbauen lässt. Ebenfalls aus der Praxis entstanden sind neuere Techniken der angewandten Psychologie und des Coachings, die dazu verhelfen, Traumata zu desensibilisieren oder mittels gezielter Fragestellung die subjektiv richtigen Lösungsansätze zu finden. Im mentalen Bereich sind es Praktiken des Buddhismus, der christlichen Mystik, der Systemaufstellung sowie des Schauspieltrainings, die sich als konkret nützlich erweisen. Sie wiederum lassen sich mit gegenwärtigen Thesen der Biologie und Physik in Verbindung bringen.

Grundsätzlich wirft aktuelles Wissen über das Menschsein ein neues Licht auf Jahrtausende alte und auch jüngere Heilmethoden praktischen Ursprungs. Und es zeigt sich zunehmend, dass überdauernde, durch körperliche, emotionale und geistige Erfahrung entstandene Methoden, einen grossen Nutzen bergen, auch wenn wissenschaftliche Nachweise für deren Wirksamkeit derzeit noch fehlen.

Coaching und Therapie vereinen im körperlichen, emotionalen und mentalen Bereich eine beträchtliche Anzahl dienlicher Techniken. Eine Auswahl davon liegt im dargelegten Selfcoaching Konzept weiterentwickelt zur Eigenanwendung vor. Darüberhinaus hat die konsequente Betrachtung wissenschaftlicher Erkenntnisse in Verbindung mit alten Überlieferungen, Berufs- und Selbsterfahrung die Entwicklung zusätzlicher Tools ermöglicht.

Die Auswahlkriterien der beschriebenen Anwendungen sind indes ihr unmittelbarer Nutzen, ihre Korrelation untereinander sowie ihre Abstützbarkeit auf Fakten. Aus eigener Kraft anwendbar, ermöglichen sie subjektive Erfahrung, stärken die verschiedenen Formen der Intelligenz und damit die Selbstwirksamkeit. Wertfrei und fern von jeglicher Ideologie sollen sie nach Interesse und Bedarf auf ihre Wirksamkeit erprobt werden können. Derweil dient das Grundlagenwissen der lösungs- und entwicklungsorientierten Haltung und dazu, die Anwendungen durch rationale Betrachtungen zu stützen.

Glücksempfindungen

Um sich dem Thema des Selfcoaching anzunähern, stellt sich die übergeordnete Frage, was im Kern damit bezweckt werden möchte. Aus welcher tiefsten Motivation werden unsere Entscheidungen gefällt und was treibt uns zum Handeln an?

Vereinfacht lässt sich sagen, dass jede unserer Entscheidungen im Grunde von der Frage beeinflusst wird, ob damit Lebenserhaltung, Befriedigung, Wohlgefühl und letztlich Glück erzeugt wird.

Obwohl das, was konkret mit Glück assoziiert wird von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sein kann, gibt es doch allgemeingültige Bedingungen, damit sich Glücksgefühle einstellen können. In körperlicher Hinsicht sind dies die Sicherung der basalen Grundbedürfnisse wie ausgewogene Ernährung, Schutz durch Wohnung und Kleidung sowie ausreichende Bewegung. Im emotionalen Bereich zeigen sich Zuwendung und Liebe bereits beim Säugling als überlebenswichtig. Es sind damit primär erfüllende Beziehungen, wie die Partnerschaft oder die Einbindung in ein soziales Netz, die im innersten angestrebt werden. Sich für das Kollektiv nützlich zu machen und dabei Werkschätzung zu erfahren, ist ein wesentlicher Faktor für emotionale Erfüllung. Auf mentaler Ebene ist es wichtig, sich entsprechend der individuellen Fähigkeiten entwickeln und in die Gemeinschaft integrieren zu können. In Anbetracht des persönlichen Schicksals und der Endlichkeit des Lebens ist es ausserdem bedeutsam, diese beiden als sinnvoll einordnen zu können und auf spirituelle Fragen die subjektiv richtigen Antworten zu finden. Sind diese körperlichen, emotionalen und geistigen Bedürfnisse mehrheitlich befriedigt, stellen sich, auch biologische nachvollziehbar, Glücksgefühle ein.

Selbstredend sind in einem Leben voller Dynamik diese Voraussetzungen selten alle gleichermassen gegeben. Sie interagieren direkt miteinander. Erhält ein Aspekt zu wenig Beachtung oder fällt weg, wirkt sich dies auf das gesamte innere Gleichgewicht aus. Gleichsam können Einschränkungen oder Abwesenheit in einem Bereich mit andern kompensiert werden.

Wie später im Detail erläutert wird, sind die Handlungsstrategien, welche zu Befriedigung, Wohlgefühl und Glück führen sollen, aus biografischen Gründen oftmals widersprüchlich angelegt. Diese innere Widersprüchlichkeit ist es, die offenkundig selbsterzeugte, gegenteilige Ergebnisse des Glück zur Folge hat.

Daraus lässt sich schlussfolgern, dass nicht primär die ständige, gleichwertige Befriedigung aller Bedürfnisse ausschlaggebend ist. Vielmehr hängen Zufriedenheit und Glück auch von dem Mass an erlebter Selbstwirksamkeit ab, also von der individuellen Fähigkeit, aktiv und positiv auf ein Ungleichgewicht einwirken zu können. Und für ebendiese individuelle Befähigung zur Selbstwirksamkeit möchte das vorliegende Selfcoaching Konzept seinen Beitrag leisten.

Zunächst bleibt aber eine Grundfrage offen.

Erlauben wir uns, im Grunde unseres Selbst, persönliches Glück anzustreben? Gestatten wir uns in einer Kultur, in der das Leiden als zentrales religiöses Motiv gilt, erfüllt von Glück zu sein? Empfinden wir in einer Welt des allgegenwärtigen Schmerzes Glück als ethisch vertretbar? Assoziieren wir mit Glück unbewusst Oberflächlichkeit, Hedonismus und eine innere Abkehr von Gott? Oder befürchten wir glückerfüllt die Ablehnung unserer Mitmenschen?

Dies sind nur einige, möglicherweise provokative Fragen nach der tiefen inneren Erlaubnis zum Glücklich sein. Dass sie nicht aus der Luft gegriffen sind, zeigen die Symbole, mit welchen das Glück derzeit in westlichen Breiten dargestellt wird. Etwa das, als schmutzig, in einigen Kulturen gar als unrein geltende Schwein und der Ausspruch „Schwein gehabt!“. Weiter der Kaminfeger, der täglich mit Schmutz und Russ zu tun hat sowie das äusserst seltene, vierblättrige Kleeblatt.

Dieser subtilen aber doch deutlichen Negativbewertung des Glücks spricht entgegen, dass glückliche Menschen viel mehr Heiteres und Liebevolles zu teilen haben. Ausserdem entstehen wirkliche Glücksgefühle in Kooperation mit anderen und nicht durch deren Übervorteilung, wie zu einem späteren Zeitpunkt deutlich werden wird. Sie haben also nichts unreines an sich.

Hinsichtlich Selfcoaching hat die Frage nach der inneren Erlaubnis zum Glücklichsein einen übergeordneten Sinn. Besteht das unbewusste Gefühl, dass Glück in irgend einer Weise verwerflich oder unverdient ist, so erzeugt das gleichzeitige Streben danach ein sich aufhebendes Kräfteverhältnis. Ähnlich dem Seilziehen wirken die Kräfte in entgegengesetzte Richtungen und führen zum Stillstand. Alle Bemühungen, positive Umstände zu schaffen münden in einer schleppenden Entwicklung, möglicherweise gar in Rückschlägen und Enttäuschung ob der Nutzlosigkeit von Techniken und der sinnlos investierten Energie.

Selfcoaching: Erlaubnis zum Glück, S.230

Die folgende, möglicherweise bekannte Geschichte, erzählt auf ihre Weise vom Glück und zeichnet gleichzeitig ein treffendes Bild von Selfcoaching.

Die Wolfsfrau - das Verständnis von Selfcoaching

Es war einmal eine alte, hässliche Frau. Die Frau lebte in der Wüste und verbrachte den Tag damit, Knochen zu suchen. Wolfsknochen. Und wenn sie etwa alle hundert Jahre ein ganzes Wolfsskelett zusammengetragen hatte, begann sie, darüber die Arme auszubreiten und zu singen. Sie sang und sang. Sie sang so schön und markerschütternd, dass sich um die Knochen des Wolfes langsam Sehnen und Muskeln zu bilden begannen. Sie sang in allen Tonlagen. Sirrend und tief brummend, laut schallend und zart summend und mit der Zeit bildete sich über den Muskeln das Fell. Sie summte sanft in die Ohren des Wolfes, wiegte ihn hin und her und strich mit ihren rauen Händen durch sein Fell. Da tat der Wolf plötzlich einen tiefen Atemzug, begann sich zu recken und zu schütteln. Er sprang auf, heulte aus tiefster Kehle und machte sich auf und davon, in Richtung Horizont. Und nur diejenigen mit den wirklich guten Augen sahen, dass er sich in weiter Ferne in eine Frau verwandelte, welche ihr Haar schüttelte und lachend von dannen zog.

Die Geschichte stammt aus der Sammlung von Clarissa Pinkola Estes und ist mit ihrer Interpretation im Buch „die Wolfsfrau“ zu finden.

Wie ist sie jedoch mit Glück und Selfcoaching in Zusammenhang zu bringen?

Grundsätzlich ist anzunehmen, dass die Persönlichkeit durch zahlreiche verschiedene Aspekte definiert wird. So können Souveränität mit Unsicherheit, kindlicher Übermut mit abgeklärter Ruhe, Kommunikationsfreude mit Distanziertheit, inneres Wissen mit Ratlosigkeit innerhalb ein und derselben Persönlichkeitsstruktur vorkommen, um hier nur einige Beispiele zu nennen. Dementsprechend lassen sich die einzelnen Aspekte der Erzählung als unterschiedliche Anteile des Selbst interpretieren.

Als sozial organisiertes Säugetier steht der Wolf sinnbildlich für die animalische Natur des Menschen. Mensch wie Wolf sind ohne gesunde Instinkte nicht überlebensfähig. Während der Wolf ohne sie tatsächlich zu Grunde geht, verliert der Mensch im besten Fall nur einen wesentlichen Teil seines Selbst. Nämlich denjenigen, der ihn befähigt, sein immanentes Wissen zu nutzen sowie lebenserhaltend auf innere Impulse und äussere Einflüsse zu reagieren. Hinsichtlich Selfcoaching ist es ein erklärtes Ziel, diese selbsterhaltenden Urinstinkte zu (re-)integrieren und zu nutzen.

Die alte Frau entspricht demjenigen Anteil des Selbst, der über Heilkraft und innere Weisheit verfügt. Weder kann sie Negatives erschüttern, noch macht sie sich Gedanken darüber, was andere denken. Sie ist verbunden mit den Urkräften der Natur, verfügt über grosses Gestaltungspotential und geht auf die Suche nach den abgespaltenen, „verlorenen“ Anteilen der Persönlichkeit. Sie stellt den Persönlichkeitsanteil des inneren Coachs dar.

Die Wüste kommt metaphorisch einem Ort des Alleinseins oder eben des All-Eins-Seins gleich. Ohne äussere Stimulation, aber doch unmittelbar verbunden mit der Unendlichkeit der Natur, ist sie ein Ort der Leere und gleichzeitigen Fülle, aus dem Neues entstehen kann. Auch im städtischen Alltag kann die innere Wüste aufgesucht werden; in ihr geschieht Selbstwahrnehmung, Reflexion und Wandel. Sie entspricht dem Zustand einer dynamischen Meditation, wie sie in Selfcoaching entsteht.

Die Knochen, welche die Alte sammelt, versinnbildlichen jene Aspekte der Persönlichkeit, die im Laufe der Jahre verloren gingen. Im schlimmsten Fall so viele an der Zahl, dass vom autonomen und glücklich lachenden Selbst nicht viel übrig bleibt. Sie stellen die Ressourcen und zurück zu erobernden Anteile des Selbst dar.

Damit steht die lachende, Haare schüttelnde Frau1 als Sinnbild für wiederhergestellte Gesundheit, Freiheit und Ganzheit. Wir können dies als Zustand grundlegenden Glücks sehen, der weder durch materiellen Überfluss noch durch Ruhm und Prestige zu erlangen ist. Vielmehr beschreibt er ein schlichtes Glück, das durch innere Unversehrtheit und den Zugang zu allen persönlichen Ressourcen entsteht. Die harmonische Verbindung von Rationalität und Intuition manifestiert sich körperlich und drückt sich in Handlungsfreiheit aus. Dies ist das Ziel von Selfcoaching.

Innere Ressourcen

„Wir erzeugen die Welt, in der wir leben, buchstäblich dadurch, dass wir sie leben.“

Maturana Humberto, Philosoph und Neurologe

Um sich zunehmend innerer Ganzheit anzunähern, können vier Ressourcen erwähnt werden, derer sich ein Mensch bedienen kann. Es sind dies die vernunftgeleitete Rationalität, die von Kreativität durchdrungene Imagination, ausserdem die emotionale und die körperliche Intelligenz. Wie Maturana prägnant formuliert, wirken sich diese Ressourcen dementsprechend auf das persönliche Erleben und die Handlungsstrategien aus, wie sie im Alltag ausgelebt werden.

Ein erklärtes Ziel von Selfcoaching ist es damit, den Wert all dieser Ressourcen, inklusive deren synergetisches Zusammenwirken zu erkennen und sie alle zunehmend nutzen zu können.

Die Rationalität

Ein übergeordnetes Prinzip ist die Rationalität, deren Weltanschauung auf Vernunft, Fakten und Analyse basiert. Sie sucht den wissenschaftlichen Weg, um Erkenntnisse zu gewinnen. Ihre Stärken sind die geistige Klarheit und Urteilskraft, welche zu konsequenten, geradlinigen Handlungen führen. Ihre Entscheidungen basieren auf sachlichen, nachvollziehbaren Überlegungen.

Die Gefahren eines ausschliesslich rationalen Weltbilds sind verminderte Empfindungsfähigkeit durch Abspaltung der richtungsweisenden Emotionen und Gefühle. Für Kreativität, Inspiration und Träume ist kein Platz vorgesehen. Im Extremfall werden weder subjektive leibliche Erfahrungen noch kollektive Erfahrungswerte als relevant erachtet, insbesondere wenn sie der wissenschaftlichen Erklärung entbehren2.

Im Bezug auf Selfcoaching ist es die Aufgabe der Rationalität, das Selbst und Tatsachen objektiv zu betrachten. Ebenso obliegt es ihr, die neutrale Wahrnehmung hinsichtlich den eigenen Gefühlen, Emotionen und dem Körpergeschehen zu pflegen. Sie ist fähig, negative Verhaltensmuster und Luftschlösser zu erkennen und gar ihr eigenes Denken zu reflektieren. Durch Wissen und analytische Betrachtung kann sie festgefahrene Gefühls- und Gedankenstrukturen durchbrechen. Indem sie zu alten Problemen neue Gedanken denkt, generiert sie Lösungen. Positive Verhalten, Selbst- und Weltbilder von Mitmenschen kann sie als Lernchancen erkennen und bringt das Selbst dazu, diese trotz gegenteiliger Erfahrung und Gefühlslage zu nutzen. Letztlich ist es die Rationalität, welche Erklärungsgrundlagen für erlebbare Phänomene zu finden und gleichzeitig die Begrenzung menschlichen Wissens zu akzeptieren hat.

Die Imagination

Der mentale Gegenpol zur Rationalität ist die Imagination. Sie findet den Zugang zum Weltverständnis über innere Bilder und zeichnet sich durch Kreativität, Verbundenheit mit den seelischen Anteilen und der universellen Gestaltungskraft aus. Offen für alle erklärlichen und unerklärlichen Phänomene sieht sie die Welt farbig, lebendig und phantasievoll. Durch sie entstanden Metaphern, Mythen und Sagen und die Spiritualität. Mittels der Imagination findet der Mensch Einsicht in die grosse Welt seiner unterbewussten Anteile.

Ebenso beträchtlich wirkt die Imagination auch auf die Forschung und technische Entwicklungen ein. Was vorstellbar ist, kann angestrebt werden, auch wenn anfänglich unklar ist, ob sich die inneren Bilder als Phantasmen herausstellen. So existierte beispielsweise der Traum vom Fliegen erst als Idee in den Köpfen einiger, meist als Spinner verschriener Visionäre. Das Aufrechthalten der Vision trotz anfänglichem Scheitern führte letztlich zu der technischen Fertigkeit, erst einen, später sogar hunderte Menschen zugleich durch die Luft zu tragen. Vor ihrer Realisation galt diese Entwicklung für die meisten Menschen als undenkbar und wäre ohne die anfänglichen Phantasien einiger nicht geschehen.

Ausschliesslich bildhaftes Denken birgt indes die Gefahr des Realitätsverlusts sowie ebenfalls die Abspaltung der Emotionen und körperlichen Wahrnehmung. Es wird in Luftschlössern gewandelt, ohne dass Phantasie und Realität verbunden sind oder Kreativität zu Schaffenskraft führt. Es besteht die Gefahr Dogmen zu verfallen, die mit der tatsächlich erfahrbaren Welt wenig zu tun haben.

Bezüglich Selfcoaching ist es die Imagination, welche die persönliche Realität entscheidend mitgestaltet. Alleine schon durch die Vorstellungskraft werden entsprechende Körperreaktionen ausgelöst, was die inneren Bilder real erlebbar macht. Die Imagination zieht Entwicklung und Lösungen in Betracht oder aber schliesst solche aus. Damit lenkt sie die Kräfte in die entsprechende Richtung. Abhängig von den inneren Bildern über das Selbst macht sie das persönliche Potential zugänglich oder verschliesst es, führt sie zu Gesundheit oder torpediert diese. Die Imagination schafft Zugang zu unterbewussten Inhalten, zum persönlichen Potential und zur übergeordneten Lebenskraft.

Die emotionale Intelligenz

Die dritte Ressource ist die emotionale Intelligenz. Emotionen entstehen, wie später vertieft erläutert wird, in direktem Zusammenhang mit dem ursprünglichen Überlebensinstinkt. Aus Emotionen in Verbindung mit der Vernunft ergeben sich Gefühle dafür, wie sich Entscheidungen auswirken können und welche Handlungen das Selbst näher zu einem erwünschten Ergebnis bringen können. Wird die emotionale Intelligenz aktiv genutzt, tragen die teils subtilen Reaktionen des Selbst massgeblich zur Lebensgestaltung bei. Im sozialen Zusammenleben ist die emotionale Intelligenz diejenige, welche durch Mitgefühl aber auch Abgrenzung den grössten Nutzen erzeugt.

Stützt sich ein Weltbild jedoch vorwiegend auf die erlebten Emotionen und Gefühle, führt dies zu innerer Unruhe und Unausgeglichenheit. Nehmen Emotionen und Gefühle fern von jeglicher Vernunft überhand, so können sie ihren ursprünglichen Zweck zur richtungsweisenden Lebensgestaltung nicht mehr erfüllen.

Im Hinblick auf Selfcoaching wird die emotionale Intelligenz durch Wahrnehmung und Achtsamkeit gefördert, Emotionen und Gefühle werden als ernstzunehmende Impulse geschätzt. Gleichsam besteht das Anliegen, eine belastende Emotionsüberflutung durch Reflexion, Hintergrundwissen sowie körperliche Intelligenz einzuordnen und weiter mittels geeigneter Techniken abzubauen.

Die körperliche Intelligenz

Die vierte Ressource ist die körperliche Intelligenz. Im Körper sind, und auch dies wird noch anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse vertieft erläutert, alle jemals gemachten Erfahrungen eingeschrieben. Die Auswirkung von geistiger und körperlicher Tätigkeit, von Emotionen und Gefühlen, von jeglichen zwischenmenschlichen Interaktionen, kurz, das ganze Leben in all seinen Facetten ist im eigenen Leib manifestiert. Dieses Erfahrungswissen ist zu einem grossen Teil unterbewusst angelegt, steuert das persönliche Verhalten und erzeugt ein entsprechendes Körpergefühl, Selbst- und Weltbild.

Trotz seines materiellen Charakters reagiert der Körper unmittelbar, sensibel und authentisch auf innere und äussere Impulse. Damit kann er über Schädlichkeit und Nutzen von äusseren Einflüssen sowie über die Ursache von Stressbelastungen Auskunft geben.

Wird die Welt jedoch vorwiegend durch die körperliche Realität wahrgenommen, besteht die Gefahr, dass sie als statisch und inhaltsleer erscheint. Isoliert von Emotionen und Gefühlen, von der Rationalität und Imagination entbehrt die Physis eben der Persönlichkeit, die sie eigentlich bewohnt.

Bezüglich Selfcoaching kann die körperliche Intelligenz durch Achtsamkeit, bewusste Wahrnehmung und Reflexion genutzt werden. Die physisch eingeschriebene Erfahrung dient als immenser Wissensspeicher und der Körper als verlässlicher Realitätsbezug hinsichtlich aller emotionalen und geistigen Tätigkeit. Die Körperwahrnehmung lässt fühlen, welche Gedanken, inneren Bilder, Entscheidungen und Handlungen zu Energie, Wohlgefühl und Entspannung führen. Durch die Körperwahrnehmung wird auch deutlich, welche Techniken des Selfcoaching sich positiv auswirken. Körperliche Symptome können entschlüsselt, in Zusammenhang mit dem Leben gebracht und abgebaut werden.

Fazit

Jeder Mensch verfügt über alle Ressourcen der Rationalität und Imagination, der emotionalen und körperlichen Intelligenz. Durch Biografie, Bildung und Präferenzen ist der einzelne jedoch meist einseitig geprägt. Werden die Bereiche aber ergänzend genutzt, so kann ihre Synthese Potential freilegen, die individuelle Welt ungleich grösser machen und der persönlichen Entwicklung zu Quantensprüngen verhelfen. Diese Kräfte gleichermassen nutzen zu lernen ist - der Geschichte der Wolfsfrau entsprechend - auch dem Zusammentragen von Knochen ähnlich. Einmal das harmonische Zusammenspiel von Intellekt, Phantasie, Emotionalität und Sinnlichkeit erfahren, kann sich innerer Reichtum eröffnen, der Gefühle der inneren Ganzheit und des Glücks ermöglicht.

Methodenübergreifende Herangehensweisen des Selfcoaching

Entsprechend dem offensichtlichen Nutzen, sich aller Ressourcen der Rationalität und Imagination, der emotionalen und körperlichen Intelligenz zu bedienen, entfaltet auch das Zusammenführen von Methoden der Persönlichkeitsentwicklung in all diesen Bereichen grosses Potential.

Geist, Gefühlswelt und Körper verlangen nach einer individuellen Herangehensweise, sie wollen nach Bedarf und in ihrer jeweiligen Sprache angesprochen werden. Ist die Herangehensweise an Entwicklung und Selbstheilung ausschliesslich analytisch, kreativ, emotions- oder körperbezogen, führt dies oft nur teilweise zum Ziel und vielfach zu Enttäuschung. So kann jemand Experte im Erkennen seiner Probleme sein, sich aber unverändert schlecht fühlen. Andernfalls bessert sich die körperliche Verfassung auch nach vielen Stunden Körperarbeit nicht wesentlich, schlicht weil die Ursachen des Unwohlseins auf einer anderen Ebene liegen. Rein medizinische Interventionen bringen psychosomatische Beschwerden selten zum Verschwinden und trotz intensiver Auseinandersetzung mit geistigen Inhalten kann der Zugang zum erfüllten Alltag verschlossen bleiben.

Ebenso wie in jeder Person ein rationaler, kreativer und sinnlicher Anteil angelegt ist, so vielfältig ausgeprägt sind auch die Heilmethoden und Entwicklungsansätze, welche die Menschheit hervorgebracht hat. Die Erfahrung zeigt, dass sehr viel Potential in der Kombination verschiedener Lösungsansätze steckt. Dementsprechend ist es das Ziel der Selfcoaching Praxis, übergreifende Methoden im körperlichen, emotionalen und geistigen Bereich anzuwenden, um zunehmend alle inneren Ressourcen nutzen zu können.

Äussere Ressourcen – Die Fachgebiete

Die für Selfcoaching herangezogenen Fachgebiete entsprechen im weitesten Sinne ebenfalls der Rationalität und Imagination, der emotionalen und körperlichen Intelligenz. Mit unterschiedlichen Ansätzen erforschen sie deren Phänomene. Es sind dies vor allem die Neurologie, die Psychologie, die Biologie und Physik sowie transkulturell spirituelle Sichtweisen und körperbasierte Methoden.

Die Neurologie bietet eine empirische, auf Fakten und Erfahrung basierende Auseinandersetzung, um menschliches Verhalten aus der Sicht körperlicher Prozesse zu verstehen. Ursprünglich aus der Erforschung von Nervenkrankheiten entstanden, umfasst ihr Gebiet heute die ganzheitliche menschliche Funktionsweise. Die Interaktion von Gehirn, Nervensystem, Rückenmark und Muskulatur in Zusammenhang mit Umgebungsimpulsen und psychischen Abläufen wird umfassend und präzise dargelegt. Die Neurologie verdeutlicht auch das Erinnerungsvermögen, die Sensibilität und Wandelbarkeit körperlicher Strukturen. Sie schafft Verständnis für die Beziehung des Körpers zu Emotionen, Gefühlen, Geist und Umwelt. Damit legt sie das Grundlagenwissen zum Nutzen der emotionalen und körperlichen Intelligenz und schafft Vertrauen in eben diese. Aktuelle Erkenntnisse der Neurologie fliessen in zahlreiche praktische Techniken des Selfcoaching ein.

Die Psychologie (Psychlogia, gr.: Seelenkunde, „psyché“, Hauch, Seele, Gemüt, auch Atem-Hauch; ich atme, lebe) erforscht psychische Abläufe und den „immateriellen Faktor“ des Menschseins. Mittels empirischer, bereichsübergreifender Studien (v.a. der Verhaltens-, Kognitions- und Neurowissenschaften) wird Erfahrungswissen gesammelt, um Theorien zu belegen. Im Hinblick auf Selfcoaching sind psychologische Erkenntnisse über das Bewusstsein und Unterbewusstsein, das individuell angelegte Wissen bezüglich der Welt und sich selbst, die Beziehung von Körper und Verhalten sowie die Ursachen von negativen Verhaltensweisen von Bedeutung. Die Psychologie unterstützt durch ihre Sachlichkeit die rational geistigen Qualitäten im Umgang mit dem Selbst und fliesst ebenfalls in viele praktische Techniken des Selfcoaching ein.

Im Bereich der Imagination werden indes Hypothesen der Biologie betreffend einer metaphysischen, gestaltgebenden Realität sowie physikalische Betrachtungen über die Deckungsgleichheit von Raum und Zeit herangezogen. Sie schaffen Erklärungsansätze für mentale Phänomene der Meditation und verdeutlichen die Wirkungen des Geistes auf die Materie. Wissenschaftlich begründet zeigen sie die Kraft der Imagination auf und bilden Berührungspunkte zu altem spirituellen Erfahrungswissen. Auch sie beschreiben Dimensionen, die das Tagesbewusstsein erweitern und bewirken damit Vertrauen in die Selbstheilung. Die Hypothesen der Biologie und Physik fliessen in zahlreiche mentale Praktiken des Selfcoaching ein.

Spirituelle Praktikenaller Erdteile befassen sich ebenfalls mit den geistigen und seelischen Aspekten des Menschen. Spiritualität (lat. „spiritus“ Geist, Hauch; spiro, ich atme) in ihrer Begrifflichkeit beinhaltet einerseits religiöse Denkschemata sowie Mystizismus (gr. „mystikos“ geheimnisvoll). Dieser definiert sich als intuitive Auseinandersetzung mit dem menschlichen Geist und generiert auf diese Weise Erfahrungswissen. Spirituelle Auffassungen und Praktiken sind in jeglichen Kulturen offen oder verdeckt zu finden, teilweise über Jahrtausende entstanden und weitergegeben worden. Einige weisen Gemeinsamkeiten auf, während andere im kulturellen Zusammenhang zu verstehen sind.

Hinsichtlich Selfcoaching dienen Techniken spirituellen Ursprungs zur Bearbeitung geistiger, seelischer und emotionaler Inhalte. Über die Imagination und Sinneserfahrung schaffen sie Zugang zur universellen Lebensenergie. Ihre Auswahl wurde anhand ihrer Wirksamkeit und Vereinbarkeit mit rationalen Ansätzen getroffen. In der Praxis suchen sie möglichst frei von Dogmen mit der subjektiven Sinneserfahrung und den persönlichen inneren Bildern zu arbeiten3.

Ebenfalls aus der Quelle überlieferten alten Erfahrungswissens stammen Ansätze der traditionellen chinesischen Medizin. Die TCM betrachtet den Körper als Energiesystem, das durch Stimulation an bestimmten Stellen beeinflusst werden kann. Diese Stimulation wirkt sich wiederum positiv auf emotionale und gar geistige Prozesse aus. Kombiniert mit westlichen Techniken und abgestützt auf wissenschaftliche Erkenntnisse ermöglicht die TCM Selfcoaching bei psychosomatischen Beschwerden. Wie die Neurologie, unterstützt ihr Ansatz die emotionale und körperliche Intelligenz, jedoch über den Zugang der unmittelbaren Selbst- und Körperwahrnehmung.

Aus der traditionellen chinesischen Medizin und taoistischen Ansätzen sowie aus der Körpertherapie und Chiropraktik hat sich die Kinesiologie (griech: kinesis, Bewegung/ logos, Lehre, Wort) entwickelt. Kinesiologische Verfahren nutzen auf komplexe Weise die subtile Körperresonanz, um die Ursache eines Stressors und die passenden Therapieverfahren genauer zu bestimmen. Die Kinesiologie gehört zu den anerkannten alternativen Heilmethoden, entbehrt aber eines wissenschaftlichen Nachweises. Sie wird jedoch, wie später noch zur Sprache kommt, auch von Ärzten angewandt und ergibt in Zusammenhang mit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen grossen Sinn. Hinsichtlich Selfcoaching stellt eine vereinfachte Technik der Kinesiologie die Grundlage dar, um Stressoren im Selbstverfahren genauer zu identifizieren, um daraufhin effizient mit der passenden Methode zu reagieren.

Die zeitgenössische Feldenkrais Methode, eine mittlerweile anerkannte Therapieform und Lernmethode wurde vom gleichnamigen Ingenieur, Judoka und Jiu Jitsu Lehrer entwickelt. Mittels einer umfassenden Anzahl an Bewegungslektionen unterstützt sie das autonome Lernverhalten, die körperliche Wohlspannung und Selbstwirksamkeit. Feldenkrais ging schon vor den entsprechenden neurologischen Erkenntnissen davon aus, dass sich alles körperlich manifestiert, was das Selbst innerlich und äusserlich lebt. Aus dieser Annahme entstand die auf Selbstwahrnehmung beruhende Methode, welche über den körperlichen Weg eine Veränderung im Verhalten sucht. Hinsichtlich Selfcoaching sind einerseits bestimmte Bewegungslektionen aufgeführt, andererseits fliesst das Gedankengut von Feldenkrais in entwicklungsphysiologische Grundlagen und generell zum Thema der Selbstwirksamkeit ein.

Schliesslich ist das Schauspieltraining zu erwähnen. Mit unterschiedlichen Methoden werden die Ziele verfolgt, einerseits eine neutrale, starke Präsenz zu suchen, andererseits durchlässig für vielfältige Emotionen zu werden. Emotionen und Gefühle sollen dabei nicht fern vom Selbst gespielt, sondern bis hin zur körperlichen Ebene erlebt werden. Im Hinblick auf Selfcoaching lassen sich Techniken des Schauspieltrainings zur Wahrnehmungs- und Präsenzschulung sowie zur Sensibilisierung für das Erleben des Gegenübers nutzen. Die Fähigkeit, mit Leib und Seele einzutauchen in Aspekte der Persönlichkeit, in Rollen, andere Sichtweisen oder Geschichten, stärkt das Vertrauen in die eigene Kreativität und Intuition.

Die unterschiedliche Auseinandersetzung all dieser Fachgebiete mit den menschlichen Aspekten, ihre Berührungspunkte und Überschneidungen stützen Selfcoaching in Theorie und Praxis. Sie bereichern und ergänzen einander auf der Suche nach einem tieferen Verständnis für Geist, Emotionen und Körper sowie jenem für Verhalten, Entwicklung und Selbstheilung.

Kreativität als natürliches Prinzip

Kreativität kann als die übergeordnete Ressource gelten. Sie umfasst alle bewussten und unbewussten, inneren und äusseren Möglichkeiten der Selbstheilung und Entwicklung. Durch die Orientierung am persönlichen Interesse und subjektiven Empfinden, durch Entspannung, Einfälle, Ausprobieren und die neue Kombination von Techniken wird sie zugänglich. Innerliches Loslassen von vorgegebenen Meinungen und limitierenden Strukturen sowie die Vorstellung vom unendlichen Reichtum an Möglichkeiten schaffen Vertrauen, dass Lösungswege vorhanden und zugänglich sind.

Das Prinzip der Kreativität kann in der Natur mit deren unendlich phantasievollen, gewaltigen, filigranen und gar humorvollen Aspekten erkannt werden. Die Natur selbst inspiriert zum Gedanken, dass der Mensch trotz aller zeitweiligen Entfremdung von ihr aus ebendieser Substanz hervorgegangen ist. Wir sind Teil einer immensen Entwicklungsgeschichte, deren Schöpferkraft auch uns zu Grunde liegt. Die Evolution hat stets Möglichkeiten für Entwicklung und Lösungen für Probleme gefunden. Und weil der Mensch Teil der Energie ist, die ihn hervorgebracht hat, durchdringt dieses Prinzip auch ihn.

Das Gewahrwerden der naturgegebenen kreativen Gestaltungskraft und aller inneren wie äusseren Ressourcen ermöglicht es zunehmend, mit Schwierigkeiten befriedigend umzugehen, Herausforderungen auf individuelle Weise anzugehen und das persönliche Potential zeitlebens zu entfalten.

Konkrete Techniken, um das umfassende und alles durchdringende Prinzip der Kreativität zu nutzen, kommen im Praxisteil ebenso zum Einsatz wie Hintergrundwissen über kreativitätsfördernde Umstände und die diesbezüglich förderliche Arbeit mit Entspannung und dem subjektiven Empfinden.

Selfcoaching: Der kreative Modus, S.147

2 | GRUNDLAGEN

Die folgenden Inhalte bilden das Grundlagenwissen, das die Persönlichkeitsentwicklung und Selbstheilung auf rationaler Ebene fördern will. Im Speziellen dann, wenn das Selbst von Emotionen überflutet wird, negative Verhaltensmuster und Stress überhand nehmen, ist es die Vernunft, die unterstützend wirken kann. Neurologische und psychologische Erkenntnisse über des Menschen Grundveranlagung und dessen inneren Antrieb dienen dem lösungs- und ressourcenorientierten Denken ebenso, wie Wissen über die Persönlichkeitsentwicklung und Gesundheit sowie Fakten über das Zusammenspiel von Körper, Emotionen und Geist.

Das Motivationssystem

Ist der Mensch gut?

Persönlich angelegtes Wissen

Die neurologische Sichtweise

Der unterbewusste Anteil inneren Wissens

Das Gehirn – ein Abbild seiner Umgebung

Die psychologische Sichtweise

Beziehung, Entwicklung und Gesundheit

Beziehung und Schmerz

Die Kräfte innerhalb des menschlichen Mikrokosmos

Der menschliche Körper

Natürliche versus künstliche Intelligenz

Die Körperresonanz

Nervenzellwachstum

Nonverbale Kommunikation

Der Einfluss des Körpers auf Geist und Emotionen

Wandel bis in die körperlichen Strukturen

Der Körper als Ressource

Die Emotionen & Gefühle

Die biologische Funktion von Emotionen

Emotionsbildung

Die Entstehung der Gefühle

Emotionen und Gefühle in Wechselwirkung mit dem Körper und Geist

Emotionen als Ressource

Der menschliche Geist

Die Rationalität als selbstwirksame Geisteskraft

Die Imagination als kreative Geisteskraft

Die Seele als transzendente Geisteskraft

Geist als Ressource

Die Verbindung von Körper, Emotionen und Geist

Das Motivationssystem

Um menschliches Verhalten grundsätzlich und damit auch das persönliche besser zu verstehen, sind primär diejenigen Faktoren zu nennen, die den Menschen im Innersten zum Handeln antreiben.

Diesbezüglich konnte die Neuropsychologie in den letzten Jahren belegen, dass ein durch hormonelle Ausschüttungen gesteuertes Motivationssystem im menschlichen Körper existiert, welches den psychobiologischen Antrieb auf ein bestimmtes Ziel hin verursacht. Die Erkenntnis darüber, woraus genau dieser antreibende Faktor besteht, verdeutlicht Wichtiges, wenn nicht gar das Kernstück grundlegender Menschlichkeit: Demnach ist der Mensch ein auf soziale Bindung ausgerichtetes Wesen. Sein primäres biologisches Interesse gilt nebst der physischen Selbsterhaltung der gelingenden Beziehung und die Aussicht auf eine solche erzeugt seine überwiegenden Handlungsimpulse. Das Bedürfnis nach menschlicher Zuwendung, Gemeinschaft und Liebe treibt den Organismus ebenso an, wie ihn das Hungergefühl zur Nahrungssuche oder das Empfinden von Kälte zur Suche nach Schutz bewegen4. Der Neuropsychologe Joachim Bauer bringt diese Erkenntnisse wie folgt auf den Punkt: „Alle Ziele, die wir im Rahmen unseres normalen Alltags verfolgen, die Ausbildung oder den Beruf betreffend, finanzielle Ziele, Anschaffungen etc. haben aus der Sicht unseres Gehirns den tiefen, meist unbewussten Sinn dadurch, dass wir damit letztlich auf zwischenmenschliche Beziehungen zielen, das heisst, diese erwerben oder erhalten wollen. Das Bemühen des Menschen, als Person gesehen zu werden, steht noch über dem, was landläufig als Selbsterhaltungstrieb bezeichnet wird.“ Und: „Nichts aktiviert die Motivationssysteme so sehr, wie der Wunsch, von andern gesehen zu werden, die Aussicht auf soziale Anerkennung, das Erleben positiver Zuwendung und - erst recht - die Erfahrung von Liebe.“ (Bauer, 2008 [1], S.37 & S.39).

Sind die Voraussetzungen für gelingende Beziehungen gegeben, so werden schmerzlindernde bis erotisierende Hormone freigesetzt. Sie wirken auf das emotionale Zentrum des Gehirns und haben eine aktivierende, Stress dämpfende, Immunabwehr stärkende, sowie allgemein gesundheitsfördernde Wirkung. Dies lässt schlussfolgern, dass auch aus biologischer Sicht gelingende zwischenmenschliche Beziehungen die Voraussetzung für Glücksempfindungen sind; befriedigende Beziehungen machen gesund und glücklich.

Sind die Voraussetzungen dafür nicht gegeben und besteht keine Aussicht auf soziale Anerkennung oder gar Liebe, können diese Motivationssysteme abschalten. Bauer schreibt dazu: „unabhängig von neurobiologischen Studien ist aus Verhaltensbeobachtungen und psychologischen Untersuchungen seit längerem bekannt, dass soziale Isolation oder Ausgrenzung, wenn sie über lange Zeit anhält, zu Apathie und Zusammenbruch jeglicher Motivation führt.“ (Bauer, 2008 [1], S.37).

Zugehörigkeit, Liebe und Anerkennung der nächsten Bezugspersonen zu gewinnen und zu erhalten wird demnach hinsichtlich der Selbsterhaltung instinktiv als prioritär eingestuft.

Diese Tatsache verdeutlicht, weshalb Menschen mitunter lieber wiederholt selbstschädigende Beziehungen in Kauf nehmen, als dass sie Einsamkeit erdulden. Fehlt die Möglichkeit, das persönliche Verhalten grundlegend zu ändern, reproduzieren die individuell erlernten Beziehungsmuster kombiniert mit dem basalen Bedürfnis nach Beziehung identische destruktive Situationen (vgl. S.25).

Ein Erklärungsansatz hierfür liegt darin, dass Schmerz und Liebe vereint erfahren werden und der persönlichen Erfahrung entsprechend als untrennbar erscheinen. Möglicherweise wurde das Sichern einer ähnlichen schmerzerzeugenden Beziehungsstruktur schon im Kindesalter als lebenserhaltend erfahren. Oder es wird das Gegenteil einer bekannten belastenden Beziehungsform angestrebt, wobei das Streben danach anstelle von innerer Freiheit von Stress und Schmerz genährt wird.

Nebst destruktiven Beziehungsstrukturen können aus dem basalen Bedürfnis nach Liebe und Anerkennung auch Entwicklungsblockaden resultieren. Das individuell erlernte Wissen darüber, wie Zuwendung erlangt wird, bildet selbsterwirkte Einschränkungen. Diese haben ihre Ursachen im instinktiven Verlangen, die Liebe von Bezugspersonen und die Integration in die Gemeinschaft zu sichern.

Die Erkenntnis über die zentrale Bedeutung von Beziehung bildet die Grundlage vieler praktischer Anwendungen von Selfcoaching. Beispielsweise können das eigene Lernverhalten und die Verwirklichung von Zielen, aber auch psychosomatische Symptome unter dem Beziehungsaspekt betrachtet werden. Um negative Beziehungsmuster zu durchbrechen wird das liebesbedürftige Selbst und die destruktiven Mechanismen zu verstehen gesucht. Mit diesem Verständnis fällt die Anpassung der persönlichen Verhaltensmuster deutlich einfacher.

Selfcoaching: Die Liebe rufen, S.256

Im Erwachsenenalter ist es jedoch letztlich der Selbstumgang, welcher die grösste Auswirkung auf das erlebte Mass an Liebe und Zuwendung hat. Alleine durch die Tatsache, dass sich das Selbst physisch und psychisch am nächsten ist, kann die Beziehung zu sich selbst als die zentrale gelten. Die Voraussetzung, dass Beziehung zu andern als erfüllend erfahren wird, liegt dementsprechend darin, jene zu sich Selbst einschliesslich aller Körperlichkeit und allen Tuns erfüllend zu gestalten.

Ist der Mensch gut?

Im Zusammenhang mit der zentralen Bedeutung zwischenmenschlicher Beziehung haben aktuelle neurobiologische Erkenntnisse bestätigt, dass der Mensch nicht - wie ursprünglich von Darwin angenommen wurde - auf den ständigen Konkurrenzkampf ausgerichtet ist5. Sein physisch mess- und nachweisbares Interesse steht vielmehr im Dienste zwischenmenschlicher Kooperation und Kommunikation sowie dem Schaffen und Erhalten funktionierender Beziehung.

Zahlreiche gesicherte Erkenntnisse können heute belegen, dass aggressives Verhalten erst da auftritt, wo Beziehung fehlt oder in Gefahr ist. Aggressionen treten demnach einerseits zur Verteidigung von Beziehung, zum Erlangen von Anerkennung oder zur Korrektur von schädlichen Beziehungsstrukturen auf. Ein weiteres Phänomen ist die kollektive Aggression, beispielsweise bei Jugendbanden oder Kriegsgemeinschaften, deren unbewusste Basismotivation ebenfalls darin besteht, soziale Bindung durch gemeinschaftliche Aggression zu erlangen6. Oder wie es die forensische Psychiaterin Nahlah Saimeh ohne jede Beschönigung ausdrückt: Es sind meist schicksalhafte Konstellationen und biografisches Scheitern, welche Menschen unterschiedlichster Herkunft „monströse Taten“ verüben lassen. Die Täter seien deswegen keine Monster, sondern Menschen wie Sie und ich. Auch beschreibt sie aufgrund langer Praxiserfahrung, dass Menschen, die mit grosser Brutalität vorgehen, oft bereits sehr früh schwere emotionale Verwahrlosung und Verrohung erlitten hätten7.

Wird die zentrale Wichtigkeit gelingender Beziehung und der Umstand anerkannt, dass aggressivem Verhalten ein Mangel an Beziehung oder eine diesbezügliche Belastung zu Grunde liegt, lässt dies folgende Schlussfolgerung zu: Der Mensch hat einen letztlich nachvollziehbaren, guten respektive schmerzhaften Grund für sein negatives Fühlen und Handeln. Und sein grundlegendes, grosses Liebesbedürfnis sind ebenso evident, wie seine diesbezügliche Verletzlichkeit.

Damit zeigen sich jegliche selbst- und fremdschädigenden Verhaltensweisen in einem neuen Licht. Nicht, dass dies den Einzelnen von seiner Verantwortung entheben würde, sind sie in Zusammenhang mit dem sozialen Umfeld zu setzen, in welchem sie sich entwickelt haben. Grösstenteils kann negatives Verhalten darauf zurückgeführt werden, dass Beziehung erlangt, erhalten, positiv gestaltet oder verteidigt werden wollte. Oder aber negative Verhalten sind die Reaktion auf Isolation und massiven Schmerz.

Aufbauend auf diesen Erkenntnissen darf vermutet werden, dass zahlreiche destruktive Handlungen, zu denen der Mensch fähig ist, ursprünglich aus einer unterbewussten Überlebensstrategie entstanden sind. Diese kann als die beste Strategie gelten, zu der das Individuum beim Zeitpunkt des Bedarfs fähig war. Sie zu ergreifen sollte verhindern, dass aus rein persönlicher Perspektive Schlimmeres eintreffen würde.

Hinsichtlich Selfcoaching wird das Wissen um die zentrale Bedeutung von Beziehung und das grundlegende Liebensbedürfnis im Menschen dann konkret nutzbar, wenn destruktive Verhaltensmuster Überhand nehmen. Aggression auf Schmerz und diesen auf Verletzung zurückzuführen ermöglicht es, negatives Verhalten zu verstehen und sich die dringend notwendige positive Zuwendung zukommen zu lassen. Dieses Selbstmitgefühl ist nicht mit Selbstmitleid zu verwechseln. Es verhilft dazu, die eigene Person vorbehaltlos, nicht aber negative Taten zu akzeptieren. Erst so eröffnet sich die Möglichkeit, grundlegende Verletzungen zu fühlen und mit diesen einen konstruktiven Umgang zu finden. Paradoxerweise gelingt dies oft, indem nach dem selbsterhaltenden Nutzen negativen Verhaltens und der dahinterliegenden Überlebensstrategie gesucht wird.

Selfcoaching: Das Gute des Schlechten, S.232 | Die Subpersönlichkeiten - Reintegration abgespaltener Gefühlsstrukturen, S.180 | Gefühle wahrnehmen, S.149 | ESR - Emotionaler Stressabbau, S.151

Das Wissen über diese Grundveranlagung des Menschen hilft in Konfliktsituationen ausserdem dabei, eine friedvolle Haltung zu entwickeln. Indem bewusst Distanz von der negativen Dynamik genommen und Verständnis für das Verhalten des Gegenübers gesucht wird, eröffnen sich Lösungswege.

Selfcoaching: Beziehungsklärung – Perspektivenwechsel, S.248

Letztlich führen die Erkenntnisse über das grundlegende Liebesbedürfnis und die Verletzlichkeit des Menschen zu der Annahme, dass dieser in seinem innersten Kern und Wesen prinzipiell gut ist. Für Selfcoaching ist diese Grundannahme unabdingbar, um persönlichen und zwischenmenschlichen Herausforderungen lösungsorientiert begegnen zu können. Ohne die, in mancher Hinsicht auch wissenschaftlich belegte Annahme, würde die Entwicklungsmotivation bei Belastungen im Keim erstickt und sich im Extremfall gänzlich erübrigen.

Selfcoaching: Ich bin – Die Essenz des Selbst, S.269

Persönlich angelegtes Wissen

In Anbetracht der zentralen Bedeutung von Beziehung stellt sich die grundlegende Frage, wie individuelles Wissen darüber und über die Welt generell erworben wird. Welches sind die unterbewussten Anteile inneren Wissens, wie und warum entstehen sie? In welchem Bezug zur Umgebung steht unser Gehirn? Und welche Formen solch individuellen Wissens lassen sich unterscheiden?

Folgende Kapitel suchen aus Sicht der Neurologie und Psychologie nach Antworten und stets auch den direkten Bezug zur Selfcoaching Praxis.

Die neurologische Sichtweise

Aus neurologischer Perspektive legt der Mensch die immensen Mengen gesammelten Wissens über die Welt, über sich selbst und die Funktionsweise von Beziehungen in Form von inneren Bildern an. Diese so genannten Repräsentanzen entstehen durch Sinneswahrnehmungen, die als Erregungsmuster an das Gehirn weitergeleitet, dort auf ihre Wichtigkeit geprüft und letztlich mit früheren ähnlichen Informationen abgeglichen und gespeichert werden.

Der Neurobiologe Gerald Hüther schreibt dazu anschaulich; „Wer Augen hat zum Sehen, Ohren zum Hören, eine Nase zum Riechen, Haut zum Fühlen, für den ist die Welt voller Bilder.“ (Hüther, die Macht der inneren Bilder, S.22).

Dementsprechend differenziert die Neurologie zwischen verschiedenen Typen von inneren Bildern. Durch innere und äussere Reize entstehen Bilder von Körperempfindungen und Bewegungsabläufen, also sensomotorische Repräsentanzen. Mittels Nase und Gaumen entstehen olfaktorische und gustatorische, durch die Augen und Ohren visuelle sowie auditive Repräsentanzen.

All diese Sinneseindrücke werden zu den Mandelkernen im Gehirn, den Amygdalae, geleitet. Diese bewerten die eingegangenen Reize hinsichtlich Gefahr und lösen entsprechende vegetative Reaktionen aus. Entweder wird der Sympathikus aktiviert, derjenige Systemkreis, der Puls- und Atemfrequenz beschleunigt, um eine blitzschnelle Reaktion zu gewährleisten. Oder aber der Parasympathikus wird aktiviert, welcher auf gegebene Sicherheit reagiert und durch Verlangsamen von Herzschlag wie Atmung Entspannung einleitet.

Daraus wiederum resultieren körperliche Phänomene wie Stress oder Wohlgefühl sowie affektartig ausgelöste Emotionen, etwa Angst, Wut oder Freude. Wenn ein Affekt ausgelöst ist, erstattet das vegetative Nervensystem Rückmeldung über den veränderten Körperzustand ans Gehirn und bringt diesen damit in die bewusste Wahrnehmung.

Die so verarbeiteten Sinnesreize werden letztlich zur spezifisch dafür angelegten Hirnrinde (Cortex) geleitet, mit früheren Informationen abgeglichen und überlappend mit diesen abgespeichert.

Ähnlich einem Feuerwerk breiten sich die neuronalen Erregungsmuster im jeweiligen Hirnareal aus und aktivieren damit auch gleichartige alte Repräsentanzen. Auf diese Weise werden Assoziationen geschaffen und instinktive Handlungsmuster ausgelöst. Sind die elektrischen Impulse stark und von

Dauer, greifen sie auf die angrenzenden Hirnareale über und führen zu globalen körperlichen Veränderungen. Durch Erfahrung manifestieren sich positive, neutrale oder stressbehaftete innere Bilder und erzeugen so das Welt- und Selbstbild sowie das persönliche Verhalten.

Für Selfcoaching werden positive innere Bilder als Ressourcen genutzt. Darüber hinaus stellt sich vor allem die Frage nach dem Umgang mit belastenden Repräsentanzen. Ursprünglich aus der angewandten Psychologie, Traditionellen Chinesischen Medizin und Kinesiologie entstanden, existieren äusserst effiziente, auch zur Selbstanwendung geeignete Techniken des Stressabbaus. Durch vorwiegend körperliche Stimulation wirken diese auf das limbische System, das sogenannt „emotionale Gehirn“ und dessen Alarmzentren ein, was eine Desensibilisierung des belastenden Themas zur Folge hat8 und eine positive Veränderung des Verhaltens, Selbst- und Weltbildes nach sich zieht.

Selfcoaching: EMDR –Desensibilisierung traumatisch verarbeiteter Gedächtnisinhalte, S.155 | ESR - Emotionaler Stressabbau, S.151 | Klopfakupressur, S.160

Der unterbewusste Anteil inneren Wissens

Die auf den Organismus treffenden Reize werden überwiegend unterbewusst abgespeichert, damit die Aufmerksamkeit auf die wichtigen Eindrücke fokussiert werden kann. Wäre dies nicht der Fall, würde der Mensch einer Informationsüberflutung erliegen.

Welche der unzähligen angenehmen wie unangenehmen Sinnesempfindungen in die bewusste Wahrnehmung gelangen, hängt einerseits von deren Stärke und Unvermitteltheit ab, andererseits auch von der individuellen Gewichtung, die eine Person ihnen gibt. So kann das objektiv gleiche Ereignis bei zwei Menschen völlig verschiedene Reaktionsstärken auslösen.

Dieser natürliche Schutz vor Informationsüberflutung bedeutet auch, dass der bedeutend grössere Anteil gespeicherten Wissens im Unterbewusstsein des Menschen angelegt ist. Das bekannte Eisbergmodell aus der angewandten Psychologie verdeutlicht dieses Verhältnis bewusst und unterbewusst gespeicherter Repräsentanzen; es wird dabei von einem Verhältnis 20/80 bis sogar 10/90 ausgegangen.

Betreffend Selfcoaching stellen die unterbewussten Anteile einerseits Ressourcen dar, im Sinne von immanentem Wissen um Lösungswege und Entwicklungspotential. Andererseits sind es oft die unterbewussten belastenden Repräsentanzen, welche auf unterschiedlichen Wegen Beachtung einfordern. Verschiedene meditative Techniken dienen dazu, teil- bis unterbewusste Inhalte ins Bewusstsein zu bringen und zu bearbeiten. Sie werden vielfach in Kombination mit Körperwahrnehmung angewandt, da diese eine verlässliche Referenz für den Realitätsgehalt geistiger Tätigkeit darstellt.

Selfcoaching: Das innere Rollenspiel, S.215 | Das innere Hindernis, S.218

Das Gehirn – ein Abbild seiner Umgebung

Die Neurologie geht weiter davon aus, dass die unzähligen Reize, welche auf das Zentralnervensystem treffen, dessen Grundaktivität überhaupt erst stimulieren und damit die Entfaltung des genetischen Programms in Gang setzen. So kommt ein Säugling bereits mit einem grossen inneren Bilderschatz aus Erfahrungen zur Welt. Im schützenden Uterus hat er die unterschiedlichsten Stimuli erfahren, beispielsweise den Geschmack verschiedener Speisen und Getränke, unzählige akustische und sensorische Reize, die Verschaltungsmuster von Organfunktionen und Stoffwechsel sowie diejenigen reflexartiger Bewegung. Sie alle stellen die pränatal angelegten Repräsentanzen eines Neugeborenen dar.

Hüther geht in seinen Überlegungen diesbezüglich weiter und fragt sich, wo die pränatalen Repräsentanzen anknüpfen, bevor sich das Gehirn mit Hilfe der Sinnesorgane ein inneres Bild der äusseren Welt machen kann. Er kommt zum Schluss, dass bei der Zellteilung im Uterus stets neue Informationen im sich entwickelnden Organismus freigegeben werden. Wenn Zellen und Fortsätze ihre spezifischen Aufgaben zu übernehmen beginnen, schliessen sich alle weiteren den individuellen Konzepten an. Dies führt zum Prozess der Struktur- und Formgebung.

„So wird das sich entwickelnde Gehirn – bereits lange Zeit vor der Geburt – zu einem sich fortwährend ergänzenden und vervollständigenden Abbild der Verhältnisse, unter derer es sich herauszuformen hat.“ (Hüther, Die Macht der inneren Bilder, S.26).

Dieses Fazit Hüters zeigt auf, dass eine äusserst unmittelbare Korrelation zwischen Umgebung und der Persönlichkeitsentwicklung stattfindet. Ähnlich einem unvorstellbar komplexen Biospeicher verarbeitet der Mensch die im Laufe seines Lebens erfahrenen Sinnesreize, um daraus nach persönlichem Vermögen Handlungsstrategien und lebenserhaltende Massnahmen abzuleiten.

Hinsichtlich der Selfcoachingpraxis verlangen diese Erkenntnisse nach einer ganzheitlichen systemischen Sicht bezüglich aller Lösungsfindung und Entwicklung (vgl. S.63). Das Umfeld, in welchem sich Stressoren oder Blockaden entwickelt haben, bedarf dementsprechend ebenfalls der Beachtung.

In diesem Zusammenhang ermöglichen Techniken des Mental- und Emotionalbereichs, Einflüssen eines früheren oder gegenwärtigen Umfeldes anders zu begegnen. Die Beziehungsklärung auf mentaler Ebene beispielsweise hat Stressabbau und eine positive Auswirkung auf das Selbstbild zur Folge.

Selfcoaching: Mentale Beziehungsklärung mit Gruppen, S.259

Die psychologische Sichtweise

Die psychologische Kurzausführung über innerlich angelegtes Wissen eignet sich hier dazu, um die detaillierte Version der Neurologie anschaulich zusammenzufassen.

Aus psychologischer Perspektive betrachtet sind innere Bilder, hier Repräsentationen genannt, ebenfalls die Informationsverarbeitung von Wahrnehmungen, jedoch inklusive der dadurch ausgelösten Gefühls- und Geistesprozesse. Repräsentationen entstehen durch Sinneswahrnehmungen, die verarbeitet zu einem individuellen Weltverständnis führen, von welchem wiederum Handlungsstrategien und Pläne zur Problemlösung abgeleitet werden. Die Kognitionspsychologie definiert drei Typen von Repräsentationen:

•Perzeptive, also bewusst oder unbewusst wahrgenommene momentane Repräsentationen

Alle kurzfristigen, durch Sinnesreize gewonnen Eindrücke

•Vorstellungsartig überdauernde Repräsentationen

Alle Inhalte, die als Erinnerungsbilder von Wahrnehmungen das Selbst- und Weltbild ausmachen

•Handlungspläne und Pläne zur Problemlösung

Organisationsformen individuellen Wissens, welche durch stete bewusste und unbewusste Schlussfolgerungsprozesse der Veränderung unterliegen (Häcker, Stapf, 1994)

Diese drei Formen von Repräsentationen stehen in direktem Zusammenhang miteinander und beeinflussen sich wechselwirkend in der Entwicklung. Der Säugling befindet sich noch in einem Zustand der Einheit mit sich und der Welt. Er nimmt zwar wahr, kann aber die Wahrnehmung weder bewusst verarbeiten, noch einem „Ich“ oder „Du“ zuordnen. Das Kind entwickelt durch Sinneserfahrung zunehmend seine Vorstellungen über die eigene Persönlichkeit und über die Beschaffenheit der Welt. Bewusste Sinneserfahrung sowie Selbst- und Weltbild entfalten sich dabei gleichzeitig und in Wechselwirkung mit Handlungsstrategien und Plänen zur Problemlösung.

Positives Einwirken auf einen Bereich betrifft damit die andern beiden ebenfalls. Mit den entsprechenden Selfcoaching Techniken lässt sich auf alle drei Typen von Repräsentationen einwirken:

• Der Bereich der kurzfristigen perzeptiven Repräsentationen kann durch Wahrnehmungsschulung vermehrt ins Bewusstsein gelangen. Dies schärft die Sinne, Empfindungen und Gefühle werden bewusster wahrgenommen. Die Klarheit bezüglich des jeweiligen inneren Zustands führt wiederum zu entsprechend fokussierten Handlungen.

Selfcoaching: Körperwahrnehmung, S.101 | Gefühle wahrnehmen, S.149

• Belastende, vorstellungsartig überdauernde Repräsentationen können mittels verschiedenen Techniken des Stressabbaus bearbeitet werden. Sie sind daraufhin zwar noch als Erinnerungsbilder vorhanden, jedoch ohne belastenden Effekt.

Selfcoaching: Emotionaler Stressabbau und Desensibilisierung, ab S.151

• Verschiedene Techniken der Erkenntnisgewinnung und Reflexion dienen dazu, Handlungspläne und Pläne zur Problemlösung durch neue Schlussfolgerungen zu erweitern oder gar zu ersetzen.

Selfcoaching: Distanz nehmen – Die Aussensicht, S.222 | Lernen von andern, S.235

Beziehung im Zusammenhang mit Entwicklung und Gesundheit

Instinktive Handlungspläne und Verhaltensmuster zur Problemlösung entwickeln sich also schon im frühen Kindesalter. Ausgelöst durch Sinnesreize entsteht mit den Jahren ein individueller, grösstenteils unbewusster Wissensschatz darüber, wie das soziale Umfeld funktioniert, welches Verhalten Zuwendung, Liebe und einen sicheren Platz in der Gruppe erzeugt und wie ein Verlust der eigenen Integrität verhindert werden kann. Der Psychologe Eberhard Stahl beschreibt diesbezüglich, dass im belastenden Fall eine enorme Handlungseinschränkung auftreten kann und das Selbst stets die selben Rollen innerhalb von Gruppen und Beziehungen einnimmt. Solch sogenannt neurotisches Verhalten „steht im Dienste der Abwehr unbewusster Ängste“ (Stahl, 2017, S.330). Erst die Wahrnehmung der Wiederholung des belastenden Themas in wechselndem Umfeld sowie die Reflexion bezüglich des eigenen Handelns lassen solch innere Triebkräfte ins Bewusstsein treten. Wahrnehmung und Reflexion indes sind Fähigkeiten, die sich erlernen lassen. Einmal angeeignet, ermöglichen sie den Wandel von Beziehungsmustern und Lebensumständen.

Sind die frühen Beziehungserfahrungen also im weitesten Sinne positiv geprägt, so entwickelt das Individuum - in der Regel und als Folge darauf - Verhaltensmuster, welche mit diesen förderlichen Stimuli aus dem Umfeld korrespondieren.

Zahlreiche Forschungsergebnisse9 deuten darauf hin, dass schützende, liebevolle und bejahende Beziehungen von Kindesalter an das Immunsystem stärken, die Gesundheit fördern, Entwicklung in jeder Hinsicht begünstigen sowie Resilienz gegenüber psychischen Störungen generell und im besonderen nach Schicksalsschlägen bewirken.

Gleichsam legt der heranwachsende Mensch ein Repertoire an positiven und damit gesundheitsfördernden Repräsentationen an, die wiederum in der weiteren Beziehungsgestaltung zum Ausdruck kommen.

Sind die Beziehungen im heranwachsenden Alter hingegen von Lieblosigkeit oder Mangel geprägt, ist dies für den auf soziale Gemeinschaft ausgerichteten Menschen gleichbedeutend mit Schmerz. Nicht existente oder belastende Beziehungen verursachen Stress und körperliche Spannungen bis hin zu Schmerzen, gleichsam schwächen sie erwiesenermassen das Immunsystem10. Auch die Entwicklungsfähigkeit eines Jugendlichen wird gravierend eingeschränkt, schulische Leistungen sinken bei sozialer Belastung. Nicht zuletzt wirken negative Beziehungen destabilisierend auf die psychische Gesundheit und schaffen damit den Nährboden für seelische Erkrankungen11. Sie erzeugen ihrerseits Repräsentationen, welche der Beziehungsgestaltung im erwachsenen Leben abträglich sind.

Die doch sehr gravierende Auswirkung negativer Beziehungserfahrung wirft die Frage auf, ob sich solche Belastungen auch retrospektiv bearbeiten lassen und inwiefern sich ein diesbezüglicher Stressabbau lohnt.

Wie später noch vertieft zur Sprache kommt, ist der Körper einerseits ein Speicher aller Erfahrung, gleichzeitig ist er aber wandelbar bis hin zu seiner feinsten Struktur. Diese Wandlungsfähigkeit ermöglicht es, mittels bestimmter Techniken der Psychologie, der TCM und Kinesiologie einen umfassenden Stressabbau alter Belastungen durchzuführen. Das Auflösen solcher Stressoren wirkt sich positiv auf das Selbstbild, auf die gegenwärtige Beziehungsfähigkeit, die persönliche Entwicklung und Gesundheit aus.

Selfcoaching: Kombinierte Techniken des Stressabbaus, S. 167

Beziehung und Schmerz

Ein wichtiger Aspekt von negativer Beziehungserfahrung besteht in deren körperlichen Auswirkung. Erwiesenermassen macht das menschliche Gehirn keinen grossen Unterschied zwischen rein körperlichem und durch Beziehung entstandenem Schmerz. Dies bedeutet, dass psychische Verletzungen dem körperlichen Schmerz sehr ähnlich sind und im neuronalen Schmerzzentrum zu annähernd identischen Erregungsmustern führen12.

Bringen wir die instinktiv als lebensnotwendig eingestufte, zwischenmenschliche Beziehung mit der Ähnlichkeit von körperlichem und seelischem Schmerz in Zusammenhang, lässt dies folgenden Schluss zu: Negative Beziehungserfahrungen können nicht nur eine Hauptursache von psychischen Belastungen, sondern auch von unerklärlichen körperlichen Schmerzzuständen darstellen.

Belastende Emotionen und Gefühle wirken sich ausserdem - wie später noch genauer erläutert wird - direkt auf die Körperspannung und Bewegungsqualität sowie auf das Nerven- und Immunsystem aus. Damit können sie Dysfunktionen im Bewegungsapparat, Spannungen, Schmerzen, sowie die Anfälligkeit gegenüber zahlreichen, endogenen und exogenen Krankheiten begünstigen.

All diese Faktoren lassen körperliche Beschwerden in einem neuen Licht erscheinen.

Körperliche Beschwerden nebst der medizinischen Abklärung auch mit Beziehungserfahrung, dem persönlichen Weltbild, Handlungsmustern, sowie belastenden, oft unterbewussten Gefühlen in Verbindung zu bringen, wird naheliegend. Gleichzeitig wird denkbar, dass der Mensch grundsätzlich - sind seine schmerzhaften Beziehungsthemen einmal geklärt - im Kern und Wesen nicht nur gut, sondern auch von körperlichem Wohlgefühl erfüllt ist.

Hinsichtlich Selfcoaching stellen diese Erkenntnisse die Grundlagen zur Arbeit mit körperlichem Unwohlsein, psychosomatischen Symptomen und Schmerzzuständen ohne körperlichen Befund dar. Verständnis für die Sprache des eigenen Körpers zu erlangen kann wirksame Lösungswege eröffnen und das persönliche Selbstheilungspotential erfahrbar machen.

Selfcoaching: Körpersymptome deuten, S.279

Die Kräfte innerhalb des menschlichen Mikrokosmos

Übergeordnet sind es also die Wechselwirkungen des Selbst mit dem Umfeld, welche für Selfcoaching von Interesse sind: Innere Prozesse werden durch äussere Reize ausgelöst, der persönliche Antrieb, Entwicklung und Gesundheit stehen im Zusammenhang mit zwischenmenschlicher Beziehung, negative Beziehungserfahrung führt zu Schmerz und Aggression.

In Anbetracht all dieser Korrelationen stellt sich damit die Frage, wo und wie - unabhängig des jeweiligen Umfelds - aus eigener Kraft eine positive Entwicklung eingeleitet werden kann.

Diesbezüglich findet eine weitere, beachtenswerte Wechselwirkung innerhalb des Individuums selbst statt: Der Körper, die Emotionen und der Geist interagieren auf sehr direkte Weise miteinander und jede Ebene hält Ansatzpunkte zur Selbsthilfe bereit, um auf die gesamte Persönlichkeit einzuwirken. Gleichermassen ist die Berücksichtigung aller drei Aspekte förderlich, um Entwicklung nachhaltig in eine gewünschte Richtung zu lenken.

Die folgenden Kapitel beleuchten die Kräfte des menschlichen Mikrokosmos und ihr Zusammenspiel mit der Absicht, ihnen auch in der Praxis gerecht zu werden.

Der menschliche Körper

Die Menschheit hat sich sehr früh für die eigene Anatomie und deren Funktionsweise interessiert, jedoch erst jüngere Erkenntnisse machen deutlich, wie sensibel, intelligent und wandlungsfähig die körperlichen Strukturen in Wirklichkeit sind.

Als komplexer Organismus nimmt der Körper in jeder Sekunde enorme Mengen an Sinnesreizen wahr und verwertet diese so, dass Geist und Gefühlshaushalt nicht ins Chaos stürzen, gleichzeitig zieht er instinktiv sinnvolle Schlüsse daraus. Er ermöglicht es zu Fühlen, zu Denken und Handeln, koordiniert unzählige, sich bedingende Abläufe und ist fähig zur Regeneration und Fortpflanzung. Im zwischenmenschlichen Kontakt ist er das Kommunikationsmittel, über welches ein Grossteil der Verständigung abläuft.

Der Körper ist die fassbarste Ebene, derer ein Mensch sich bedienen kann. Erst seine materielle Substanz erzeugt die uns bekannte Lebensform und ermöglicht es, sich selbst zu erfahren.

Natürliche versus künstliche Intelligenz

Das lange vorherrschende mechanistische Körperverständnis verleitete zu immensen technischen Anstrengungen, die menschliche Physis nachzubauen. Heute gilt es als überholt. Kognitionsforscher Wolfgang Tschacher beschreibt im Gemeinschaftswerk „Embodiment“ den eindrücklichen Niedergang vom Glauben an die künstliche Intelligenz (KI). Laut ihm hat die Forschung bis in die letzten Jahre Milliarden investiert, um einen, dem Menschen in allen Bereichen überlegenen Computer zu schaffen. Mit der daraus resultierenden ernüchternden Erkenntnis, dass wirkliche Intelligenz einen Körper braucht