Der Körper weiß den Weg - Maja Lo Faso - E-Book

Der Körper weiß den Weg E-Book

Maja Lo Faso

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Beschreibung

Selbstheilungskräfte aktivieren Psychische Krankheitsphänomene und Genesungsprozesse betreffen gleichermaßen den Körper, die Gefühlswelt, den Geist und die Umwelt. In verständlicher Sprache stellt dieser Ratgeber das komplexe Zusammenspiel von körperlichen und mentalen Prozessen dar. Übungen zur Körper- und Selbstwahrnehmung und zu gesundheitsfördernden Gewohnheiten stärken die Achtsamkeit, das Selbstbild und das Selbstvertrauen. Leser*innen werden befähigt, mit belastenden Lebenssituationen und Beziehungsdynamiken kreativ und konstruktiv umzugehen, brachliegende Ressourcen zu nutzen und zunehmend selbstfürsorglich zu handeln. Der integrative Ansatz des Buches bezieht auch den gestalterischen und sinnlichen Bereich ein.

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Seitenzahl: 213

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Maja Lo Faso, Manuela Grieser, Nicole Amrein

Der Körper weiß den Weg

Ganzheitlich genesen nach psychischen Krisen

Aktivieren Sie Ihre Selbstheilungskräfte!

»Erst wenn wir uns als körperliche, emotionale, geistig bewusste und seelische Wesen wahrnehmen, können wir uns selbst erkennen. Jede dieser Ebenen birgt Kräfte, um Selbstheilung und Selbstwirksamkeit herbeizuführen.«

Maja Lo Faso, Manuela Grieser, Nicole Amrein

Der Körper weiß den Weg

Ganzheitlich genesen nach psychischen Krisen

1. Auflage 2023

ISBN Print: 978-3-86739-230-3

ISBN E-Book (PDF): 978-3-86739-237-2

ISBN E-Book (EPUP): 978-3-86739-238-9

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Weitere Ratgeber, Selbsthilfebücher und Erfahrungsberichte unter www.balance-verlag.de

© BALANCE buch + medien verlag, Köln 2023

Der BALANCE buch + medien verlag ist ein Imprint der Psychiatrie Verlag GmbH, Köln. Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werks darf ohne Zustimmung des Verlags vervielfältigt, digitalisiert oder verbreitet werden.

Lektorat: Katrin Klünter, Bergheim

Umschlaggestaltung: Michael Schmitz, Arnbruck, www.grafikschmitz.de, unter Verwendung eines Fotos von Yuriy Seleznev / shutterstock.com

Typografiekonzeption: Iga Bielejec, Nierstein

Typografieanpassung und Satz: Alexander Klar, Deutschland

Illustrationen: Manuela Grieser, Bern

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt

Ein paar Worte vorab

Was Sie von diesem Buch erwarten können

Wie es aufgebaut ist

Wie Sie es nutzen können

Das Wesen des Ganzen

Selbstheilung – Naturgesetz und Hoffnungsschimmer

Die Wolfsfrau

Eine Vision des gesunden Selbst

Woher wir kommen und wo wir stehen

Die Geschichte des Menschen

Die Entwicklung geht weiter

Ein erster Überblick

Ganzheitlich Ressourcen entdecken

Der Körper – ein intelligentes Wesen

Wie das Leben auf den Körper wirkt

Wie der Körper auf die Psyche wirkt

Der Körper im Überblick

Emotionen und Gefühle – Ausdruck unseres Inneren

Die Feldmaus Frederick

Wie Emotionalbereich und Körper ineinandergreifen

Die Kraft der Gefühle

Die Gefühlswelt im Überblick

Der menschliche Geist als Quelle der Klarheit

Rationalität – unsere vernünftige Begleiterin

Unter– und teilbewusste geistige Tätigkeit

Spiritualität als Verbindung mit dem Ganzen

Kreativität ermöglicht Lösungsfindung

Der menschliche Geist im Überblick

Beziehungen als Lebenselixier

Spiegelneurone – körperlich empfundenes Mitgefühl

Beziehungserfahrungen korrigieren

Beziehungen und ihre Dynamiken

Beziehungen als Spiegel

Beziehungen im Überblick

Verhalten als Ausdruck unserer selbst

Wie Verhalten entsteht und wie wir es wandeln können

Selbstbild – die Summe unseres Seins

Verhaltensweisen verändern

Gute Gewohnheiten einführen

Verhalten im Überblick

Das Ganze im Überblick

Aus eigener Kraft genesen

Fachliche Unterstützung finden

Vertrauen aufbauen

Entscheidungen treffen

Psychopharmaka – Fluch oder Segen?

Selbstwirksam mit Diagnosen umgehen

Den eigenen Genesungsprozess begleiten

Selbstheilung konkret

Stolpersteine, Rückschritte und Wellengänge

Abschließende Worte

Literatur

Konkrete Übungen zu den gedruckten Anregungen können Sie im Internet herunterladen:

https://balance-verlag.de/product/der-koerper-weiss-den-weg

Den Zugangscode finden Sie im Buch auf Seite 41.

Ein paar Worte vorab

Liebe Leserin, lieber Leser,

schön, dass Sie mehr über Genesungswege erfahren und den Ihren bewusster gehen möchten! Vielleicht haben Sie auch zu unserem Buch gegriffen, weil Sie Menschen in Ihrem Umfeld begleiten.

In diesem Ratgeber lernen Sie zahlreiche Ihrer Ressourcen und Selbstheilungskräfte vertieft kennen – viele davon nutzen Sie bereits jetzt ganz selbstverständlich. Beispielsweise verlangt allein der Umstand, diese Zeilen zu lesen, Ihren Sinnen und Ihrem Gehirn sehr viel ab, und doch gelingt es spielend. Vermutlich haben Sie gerade an einem ruhigen Ort Platz genommen, das Buch zum Licht hin geöffnet und den Kopf in der passenden Distanz zu den Seiten ausgerichtet. Ihre Augen sind fähig, über die Zeilen zu gleiten und Worte, ganze Sätze zu erfassen. Sie konzentrieren sich, verstehen das Gelesene, stellen einen Bezug zu sich, Ihren Erfahrungen und Ihrem Leben her und erkennen einen Sinn in Ihrem Tun. Gleichzeitig funktioniert Ihr Körper im Hintergrund weiter: Sie atmen, verdauen und verstoffwechseln, Ihr Herz versorgt Sie mit sauerstoffgesättigtem Blut. All das ist nur ein Bruchteil der Fähigkeiten, über die Sie und Ihr Körper ohne großen Aufwand verfügen.

Schauen wir auf die Anfänge unserer Welt zurück, sehen wir, wie unbeschreiblich entwicklungsfähig alles Lebendige ist und wie komplex die Zusammenhänge zwischen Körper, Geist und Umgebung sind. Leben – und damit letztlich unser heutiges – keimte vor über vier Milliarden Jahren in Form von Einzellern auf dieser Erde. Im Laufe der Zeit ist aus den ersten Lebensformen eine enorme Vielfalt an Pflanzen, Tieren und auch der Mensch hervorgegangen, allesamt unmittelbar eingebunden in ihre Umwelt. Die Umwelt beeinflusste ihr Verhalten und ihre Entwicklung. Jede Spezies bildete überlebenswichtige, individuelle und hochspezialisierte Fähigkeiten aus. Und irgendwann wurden wir in dieses Leben hineingeboren, haben uns in Wechselwirkung mit anderen Menschen und unserer Umgebung entwickelt und entwickeln uns bis heute, wie es bereits unsere Eltern, Großeltern bis hin zu unseren frühesten Vorfahren getan haben.

In einer Welt, die prägend wirkt, müssen wir im Spannungsfeld zwischen Bedürfnissen, Mitmenschen und Umwelt unseren Weg finden. Dabei leiten uns Urinstinkte, die auf soziale Bindung, Sicherheit und Überleben ausgerichtet sind. Erfahrungen wirken sich auf unser Verhalten und unsere Entwicklung aus – ein Wechselspiel, das förderlich oder hinderlich sein kann. Unser Lebensweg ist als körperliche Erinnerung gespeichert und macht uns zu dem, was wir heute sind: Wesen, die durch ihr Sein und Tun ihre Welt mitgestalten.

Was Sie von diesem Buch erwarten können

In diesem Ratgeber beleuchten wir das komplexe Zusammenspiel von körperlichen, emotionalen und mentalen Prozessen. Wir erkunden die zentrale Bedeutung sozialer Beziehungen für unser Verhalten, unsere Entwicklung und Gesundheit. Für jeden Bereich stellen wir Ihnen Möglichkeiten vor, wie Sie Handlungsspielräume (wieder-)entdecken und kreativ nutzen können. Wir suchen nach Ansätzen, um – gerade unter schwierigen Umständen – gut für sich selbst zu sorgen und die eigene Entwicklung positiv zu beeinflussen. Unabhängig davon, ob Sie selbst oder Ihre Angehörigen von einer psychischen Erkrankung, von einer Belastungssituation oder akuten Lebenskrise betroffen sind, möchten wir Ihnen anwendbares Wissen über das Menschsein in die Hände legen, damit Sie persönlichen Herausforderungen wirksam begegnen können.

Dabei stützen wir uns auf wissenschaftliche Erkenntnisse der Neurologie, Psychologie und Entwicklungsbiologie. Gleichzeitig stehen wir spirituellen Konzepten offen gegenüber, wenn diese Genesung und Selbstheilungskräfte stärken. Falls Sie sich also beispielsweise einem Glaubenssystem verbunden fühlen sollten, welches das Konzept der Kreation jenem der Evolution vorzieht, so ersetzen Sie im Geist die Begriffe. Auch ist es unser Anliegen, die Inhalte und Anregungen allseitig zu gestalten, sodass sie kurzfristig zur Steigerung der Lebensqualität dienen sowie mittel- und langfristig dazu befähigen, mit einer Erkrankung gut zu leben oder gar einen vollumfänglichen Genesungsweg zu gehen. Die Inhalte können helfen, psychische und soziale Herausforderungen in einem neuen Licht zu betrachten und die Beziehung zu betroffenen Angehörigen positiv zu gestalten. So handelt dieses Buch weniger über psychische Erkrankungen als über unsere Menschlichkeit und darüber, was diese gedeihen lässt.

Als Autorinnen greifen wir auf langjährige Erfahrungen als Körpertherapeutin und ganzheitliche Prozessbegleiterin, als kreativ Schaffende, Selbstcoach, Krisenerprobte, Pflegefachperson, Bildungsverantwortliche und Angehörige zurück. Wir verknüpfen Fachwissen mit Selbsterfahrung und verbinden aktuelle Forschungsergebnisse mit praktischen Ansätzen und althergebrachtem Wissen. Die hier vorgestellten therapeutischen Techniken entwickelten wir zur Selbstanwendung weiter. Erfahrungsberichte, die von Selbstheilungskräften und Selbstwirksamkeit erzählen, runden diesen Ratgeber ab.

Wie es aufgebaut ist

Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Viele Abschnitte enden mit einer Zusammenfassung »Kurzgefasst«, in der wir die Essenz des Erfahrenen festhalten.

Im einleitenden ersten Teil suchen wir nach einem Grundverständnis von Selbstheilung, Selbstwirksamkeit und Genesung, um den Boden für Veränderung zu bereiten. Dabei treten wir auch einen Schritt zurück und beleuchten kollektive Entwicklungen, Normen und Werte. Wir ergründen, wie diese mit uns Individuen in Wechselwirkung stehen.

Im Hauptteil schauen wir uns die Ressourcen von Körper, Gefühlswelt und Geist an. Ebenso beleuchten wir zwischenmenschliche Beziehungen – deren Segen und Herausforderungen – und die Beziehung zu sich selbst. Wir ergründen die innere Logik negativer Verhaltensmuster und zeigen Möglichkeiten des Wandels auf. Diese fünf Schwerpunkte – Körper, Gefühlswelt, Geist, Beziehung und Verhalten – sind stets mit praktischen Anleitungen zur Selbsthilfe und Beispielen verbunden. Wir verweisen auf ergänzende Praxistools im Downloadbereich dieses Buches, die teilweise von Nicole Amrein in Form von Audiodateien eingesprochen wurden. Sie können diese unter https://balance-verlag.de/product/der-koerper-weiss-den-weg herunterladen. Den Zugangscode finden Sie auf Seite 41 in der Fußnote. Auf diese Weise befähigen wir Sie im Hauptteil und Download zur Entwicklung von Selbstwirksamkeit auf allen Ebenen.

Im dritten und letzten Teil befassen wir uns mit dem Genesungsprozess als solchem. Wir zeigen, wie Sie Selfcoaching und Selbstheilungseinheiten gestalten können und dauerhafte Prozessbegleitung in eigener Sache erlernen. Hilfsmittel, Wissen und Anregungen sind beschrieben, damit positiver Wandel ganzheitlich geschieht. Auch zeigen wir, wie es gelingen kann, Rückschritte im Prozess und Wellenbewegungen im Befinden abzufedern.

Wie Sie es nutzen können

Um Selbstheilung und -fürsorge zu kultivieren, ist ein Prozess notwendig. Das hier vermittelte Wissen will verstanden und körperlich erlebt werden. Neue Erfahrungen brauchen Zeit, um im Alltag zu abrufbaren Fähigkeiten zu werden, die sich neu im Selbstbild manifestieren. Wir empfehlen Ihnen daher, sich nur mit einem Aspekt pro Tag zu beschäftigen – vielleicht sogar mit weniger. Die Auseinandersetzung wird tiefer und nachhaltiger, wenn Sie ein Thema langsam reifen lassen, dieses beispielsweise mit auf einen Spaziergang nehmen oder darüber schlafen. So kann der Prozess nicht nur Ihren Intellekt, sondern Ihr ganzes Selbst berühren und sich durch Träume, körperliche und emotionale Bewegungen sowie Verhaltensänderung ausdrücken.

Damit Sie Ihren inneren Prozess gelegentlich auch von außen betrachten können, schlagen wir vor, ein Notizbuch anzulegen. Ein solches kann Ihnen helfen, zu erkennen, was Sie bereits geleistet haben und welche Themen – vielleicht unbemerkt – erledigt sind. Es hilft, innezuhalten und sich über die eigene Entwicklung zu freuen. Und es gibt der persönlichen Entwicklung Gestalt und eine tiefere Dimension. Unverstandene Träume und innere Bilder überdauern als Schätze, die Sie später heben können. Dokumentieren Sie Ihre Entwicklung Ihren Vorlieben entsprechend mit künstlerischer Gestaltung und Poesie oder mit Selbstbeobachtung und Reflexion – oder mit alledem.

Wir hoffen, dass Ihnen dieses Buch Inspiration, nützliches Handwerkszeug und gutes Geleit auf Ihrem Genesungsweg bietet und dass dieser zunehmend leichter, gehaltvoll und erfüllend wird.

Herzlich, Maja Lo Faso, Manuela Grieser und Nicole Amrein

PS: Größter Dank gilt all unseren Weggefährten und Wegbegleiterinnen für ihre Liebe, Geduld, Unterstützung und die langen Spaziergänge. Auch danken wir Michaela Pape, Isabelle Scherler und Claudia Ryffel für ihre wertvollen Erfahrungsberichte, Wendelin Kappeler für die Lippenbremse und Brige Lobsiger für den nachhaltig guten Input. Ohne sie alle wäre dieses Buch nicht, was es ist.

Das Wesen des Ganzen

In diesem Kapitel suchen wir nach einem ganzheitlichen Verständnis von Selbstheilung und Selbstwirksamkeit – mit allen Sinnen, mit Körper, Herz und Verstand. Wir zeigen, dass körperliche Selbstheilung naturgegeben ist und wir Selbstwirksamkeit, also lösungs- und ressourcenorientiertes Handeln bei psychischen Belastungen, erlernen können, diese jedoch nicht zum Allgemeinwissen zählt. Dafür ziehen wir wissenschaftliche Erkenntnisse und althergebrachtes Wissen heran und beleuchten im Zeitraffer, wie sich die Menschheit entwickelt hat und welche kollektiven Normen und Werte dabei eine maßgebliche Rolle gespielt haben. Auf diese Weise werden brachliegende Ressourcen für ganzheitliche Genesung und Entwicklung sichtbar.

Selbstheilung – Naturgesetz und Hoffnungsschimmer

Ist Selbstheilung möglich? Sicher ist: Unser Körper ist ihrer kundig. Er kann Wunden und Erkrankungen – oft ohne viel absichtsvolles Zutun – heilen. Aber ob Selbstwirksamkeit als willentliches Gehen des eigenen Genesungswegs auch bei psychischen Erkrankungen funktionieren kann? Das Wesen unserer Psyche ist mehrdimensional und durchlässig – es wird beeinflusst durch unser Denken, durch Emotionen, Gefühle und die Körperlichkeit sowie durch Beziehungen und unsere Biografie. Psychische Versehrungen und Erschütterungserfahrungen schreiben sich oft tief im Selbst und Verhalten ein, durchdringen unser Erleben und erscheinen als einzig mögliche Realität. Wir brauchen folglich einen umfassenden, bewussten und aktiven Ansatz, um unser Selbst innerlich und äußerlich neu ausrichten zu können und selbstwirksam zu werden.

Aus der Neurologie, der Gehirnforschung, wissen wir, dass unser Körper psychischen Wandel unterstützt. Beispielsweise konnte die neuronale Plastizität, also die Formbarkeit unseres Gehirns, vielfach nachgewiesen werden. Unser Gehirn und Nervensystem formen sich zeitlebens entsprechend ihrem Gebrauch, das heißt durch äußere Einflüsse und innere Impulse (Renz-Polster, Hüther 2022). Ähnlich den Waldwegen, die durch vielfaches Begehen allmählich breiter werden und bei Nicht-Begehen verwildern, prägt das, was wir erleben, unsere körperlichen Strukturen und unser psychisches Befinden. Was wir oft tun, geht uns zunehmend leicht von der Hand, unabhängig davon, ob es konstruktiv oder destruktiv ist. Inzwischen wissen wir auch, dass die aktive Nutzung des Gehirns, körperliches und geistiges Training sowie eine reizvolle, interessante Umgebung die Teilung und Neubildung von Nervenzellen anregen (Bauer 2013). Stimulierende Impulse, die keinerlei Bedrohung darstellen, führen dazu, dass sich Gehirn und Persönlichkeit positiv entwickeln oder gar neu bilden. Letztlich ist belegt, dass liebevolle soziale Beziehungen tiefgreifend heilend auf die Psyche und den Körper wirken (Bauer 2008). Wertschätzung, liebevolle Zuwendung, Sicherheit, Unterstützung und Liebe lassen Menschen gedeihen. Folglich dient auch Psychotherapie als positiv korrigierende soziale Beziehung – sie wirkt heilsam auf Denken, Fühlen und Verhalten bis hin zu den körperlichen Prozessen (Ambühl, Grawe 1988).

Unser Körper kann uns auf dem Genesungsweg leiten, da zeitlebens jegliche Sinneserfahrung physisch abgespeichert wird. Körperwahrnehmung ermöglicht es, die Wirkung von inneren und äußeren Impulsen auf unser Befinden zu erkennen. Dadurch werden wir fähig, ein für uns förderliches Umfeld aufzusuchen, Belastungen und Stressoren als solche zu erkennen und abzumildern (zu desensibilisieren) sowie unser Inneres zu reorganisieren.

KURZGEFASST Selbstheilung, das Erlernen von Selbstwirksamkeit und psychische Genesung sind reale menschliche Möglichkeiten. Die Fähigkeit unseres Gehirns zum Wandel bildet ihre biologische Basis. Für die aktive Bewältigung von psychischen Krisen sind positive Impulse im körperlichen, emotionalen und mentalen Bereich sowie die Auseinandersetzung mit biografischen Belastungen notwendig. Sie erst ermöglichen eine Verhaltensänderung, die sich letztlich in Wohlbefinden und Genesung niederschlägt. Unterstützende Beziehungen – privater und therapeutischer Natur – fördern unsere Selbstheilungskräfte und Wandlungsfähigkeit.

 Wandel, Selbstheilung und die Genesung von psychischen Erkrankungen sind aus biologischer Sicht möglich. – Was empfinden Sie beim Lesen dieses Satzes? Nehmen Sie dies möglichst wertfrei wahr, gerade dann, wenn Sie uns in einem Winkel Ihres Herzens oder gar zutiefst widersprechen. Was Sie empfinden, ist in Ordnung. Halten Sie Ihre ersten Impulse zur Idee von Selbstheilung schreibend oder gestaltend in Ihrem Notizbuch fest.

 Emotionaler Stressabbau (ESR), Seite 85, mildert auf einfache Weise Gefühle der Verzweiflung ab. Die Anwendung »Lebenssinn und Spiritualität« (Download Mentalbereich) verstärkt Ressourcen. Den Zugangscode für die Anwendungen finden Sie auf Seite 41.

»Bevor ich mich mit dem Thema Selbstheilungskräfte auseinandergesetzt habe, hätte ich vehement verneint, dass Selbstheilung und psychische Genesung reale menschliche Fähigkeiten sind. Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung waren bei mir so viel größer als alles, was ich mir vorstellen konnte – Stagnieren auf tiefem Niveau. Die Arbeit an diesem Buch verursacht in mir gerade einen wesentlichen Wandel: Ich bin nicht einfach krank. Es kann mir besser gehen, als es mir im Moment gerade geht. Ich kann mich auf meinen gesunden Kern beziehen – und sei dieser noch so klein. Denn was klein ist, kann wachsen.«

Die Wolfsfrau

Die Fähigkeiten zur Selbstheilung und Regeneration sind durch die Evolution gewachsen. Sie basieren auf körperlichen Strukturen und sind im Gehirn und Nervensystem verankert. Seit Urzeiten existent, liegt es auf der Hand, dass nicht nur die moderne Wissenschaft, sondern auch alte Kulturen und indigene Völker darüber Kenntnis haben. Eine Geschichte über Selbstheilung stammt aus Mexiko (Estés 2022):

Es war einmal eine alte Frau. Sie war füllig, am ganzen Körper behaart und in zottige Kleider gehüllt. Die alte Frau lebte in einer kargen Gebirgswüste. Nur wenige hatten sie gesehen oder kannten sie gar persönlich. Dennoch wussten alle, dass es sie gibt, und hofften, sie zu treffen, um etwas über ihre Seele zu erfahren.

Die alte Frau verbrachte den Tag damit, Wolfsknochen zu suchen. Denn mit den Wölfen fühlte sie sich besonders verbunden. Und wenn sie nach langem Suchen ein ganzes Wolfsskelett zusammengetragen hatte, legte sie es so am Boden aus, dass sich jeder Knochen am richtigen Platz befand. Dann breitete sie darüber die Arme aus und begann, zu singen. Sie sang so schön und markerschütternd, dass die Bergwände erzitterten. Sie sang sirrend, tief brummend, zart und wild, bis sich um die Knochen Sehnen und Muskeln bildeten. Sie sang und langsam wuchs über den Muskeln das Fell. Sie summte sanft in die Ohren des Wolfes, wiegte ihn auf ihrem Schoß und strich mit ihren rauen Händen durch sein Fell. Da tat der Wolf plötzlich einen tiefen Atemzug, öffnete seine gelben Augen, reckte und schüttelte sich. Er sprang auf, heulte aus tiefster Kehle und machte sich in Richtung Horizont davon. Und nur diejenigen mit den wirklich guten Augen sahen, dass er sich in weiter Ferne in eine Frau verwandelte, die lachend von dannen zog.

 Welche Gefühle, Bilder und Gedanken löst diese Geschichte bei Ihnen aus? Wie deuten Sie sie? Können Sie Verbindungen zu Ihrem eigenen Leben ziehen? Vielleicht haben Sie Lust, zu schreiben oder zu malen. Geben Sie Ihren Eindrücken auf persönliche Weise Gestalt.

 Die Heldenreise nach Joseph Campbell (1974) ist ein bildhaftes Modell der Persönlichkeitsentwicklung. Es beleuchtet die Essenz von Geschichten und Märchen. Im Download Mentalbereich finden Sie das Modell sowie eine Auswahl klassischer Heldenreisen. Vielleicht gehört Ihre Lieblingsgeschichte dazu.

»Es ist bestimmt aufwendig, aus Knochen einen Wolf zusammenzusetzen. Es braucht Zeit, eine Vision – wie im richtigen Leben. Wenn ich nicht weiß, wo ich hinwill, mich treiben lasse, womöglich in belastenden Gedanken und Emotionen, dann entsteht bestimmt kein Wolf daraus.«

KURZGEFASST Selbstheilung wird von einer Vision geleitet. Sie geschieht, wenn alle Sinne daran beteiligt sind, und ist ein erschütternder, kreativer und persönlicher Prozess, der nur in Verbundenheit mit der Natur – unserer Natur – stattfinden kann.

 Hören Sie den von Nicole Amrein geschriebenen und vertonten Song »Freedom in us« im Download an.

Die Geschichte der Wolfsfrau erzählt von einem Selbstheilungsprozess, in dem Totgeglaubtes zu neuem Leben erwacht. Sie beruht auf der Annahme, dass jede Persönlichkeit vielschichtig ist. Zustände wie Unsicherheit, Abgeklärtheit, kindlicher Übermut, tiefes inneres Wissen, Hilflosigkeit, Verletzung, Verbundenheit, innere Distanz, Größe und vieles mehr existieren im Menschen nebeneinander. So beschreibt die Geschichte unterschiedliche seelische Kräfte des Selbst. Unabhängig davon, welches Geschlecht wir innehaben – oder ob wir uns überhaupt einem solchen zugehörig fühlen –, können wir die alte Frau, die Knochen, den Wolf, das Singen, die Lachende, die Gebirgswüste und den Wiederbelebungsprozess als Bilder unseres Seelenlebens deuten:

Die Wolfsfrau verkörpert unsere innere Weisheit und Selbstheilungskraft. Wir erahnen sie in unserem tiefsten Inneren, haben sie aber vielleicht noch nicht getroffen. Die alte Frau ist mit der Erde und Körperlichkeit tief verbunden und schert sich nicht um gesellschaftliche Konventionen. Ihre Geduld und Hingabe an das, was sie tut, sind beispiellos. Sie zweifelt keinen Moment am Gelingen ihrer Mission und fürchtet weder Tod noch Versehrung. Sie weiß, dass sie sich wiederbeleben und heilen kann.

Die Wolfsknochen sind Sinnbild für die verlorenen Anteile unseres Selbst. Sie repräsentieren die zahlreichen Verluste, Verletzungen und psychischen Einschränkungen, die wir über die Jahre erlitten haben. Als knöcherne verlorene Möglichkeiten liegen sie in alle Winde verstreut. Oft so viele an der Zahl, dass vom fröhlich lachenden Selbst nichts übrig bleibt. Die Knochen warten, bis die alte Frau sie restlos alle aufsammelt, um ihnen neues Leben einzuhauchen.

Der Wolf verkörpert als soziales Säugetier die Instinktnatur des Menschen. Während der Wolf ohne seine Instinkte zugrunde geht, verliert der Mensch ohne sie immerhin einen wesentlichen Teil seiner selbst. Er verliert die Fähigkeit, verbunden mit Emotionen und Körperempfindungen Entscheidungen zu treffen, die seine psychische und körperliche Unversehrtheit bewahren. Ohne Instinkt und Intuition sind wir von unseren psychischen Kräften abgetrennt – der Bezug zu uns selbst und anderen empfindsamen Wesen erlischt. Die Wiederbelebung des Wolfes bedeutet folglich die Wiederbelebung unserer Instinktnatur.

Das Singen der weisen Alten bewirkt einen magischen Prozess der Wiederbelebung. Ihr Gesang ist Symbol für leidenschaftliche Hingabe, für Resonanz und die ganzheitliche Verbindung mit allem, was ist. Mit ihrem Körper erzeugt die Singende Schwingung. Die Vibration durchdringt sie selbst, den Raum, die Erde und Knochen. Damit bringt sie Stagniertes, Festgefahrenes und Totes in Bewegung und entzündet den Funken, der den Wolf wiederbelebt.

Die lachende, sich schüttelnde Frau steht für unser gesundes Selbst. Dieses ist erst vollständig, wenn Instinkte und Intuition integriert sind. Werden Verletzungen und Verluste erkannt, Empfindungen, Emotionen und Gefühle wiederbelebt, kann das Selbst heilen und seine unversehrte Kraft zeigen. Frei, sich selbst genügend und mit großer Energie verlässt dieses den Schauplatz des Heilungsprozesses und macht sich auf zu neuen Ufern.

Die Gebirgswüste ist karg, einsam, unberührt vom Menschen und doch voller Leben. Wir finden sie sowohl in unserem Inneren – beispielsweise in meditativer Versenkung – als auch in der wilden, intakten Natur. Die Wüste symbolisiert den Zustand des Alleinseins oder des All-Eins-Seins. Ohne äußere Stimulation ist sie der Raum des Nichttuns, der Kontemplation, der Leere und gleichzeitigen Fülle, aus der Neues entstehen kann.

Der Wiederbelebungsprozess schließlich durchläuft verschiedene Phasen – und braucht Zeit. Die Wolfsfrau sammelt die Knochen – vielleicht in jahrelanger Arbeit –, bis sie alle Teile des Skeletts am richtigen Platz wiedervereint hat. Solch seelische Bewusstseinsarbeit ist die Voraussetzung für Selbstheilung. Sie erfordert Geduld und Ausdauer, lohnt sich aber bereits mit jedem neuen Knochenfund. Das unversehrte Selbst gewinnt zunehmend an Konturen und jeder neue Knochen bedeutet zurückeroberte Fähigkeiten und Möglichkeiten. Ist das Skelett komplett – und das Bild des gesunden Selbst wiederhergestellt –, beginnt der sinnliche Prozess der Transformation. In der Geschichte wird dieser durch Singen angestoßen. Im realen Leben kann er durch jegliche hingebungsvolle Tätigkeit geschehen, die die gesunden Anteile nährt und verloren gegangenen Anteilen neues Leben einhaucht. Leidenschaftliche Hingabe lässt neue Gewohnheiten, ein neues Körper- und Selbstbild entstehen. Das gesunde Selbst wird erfahrbar. Der magische Moment, in dem es einen Quantensprung durchläuft und erwacht, ist ein Geschenk des Lebens.

KURZGEFASST Selbstheilung und psychische Genesung sind reale menschliche Möglichkeiten. Genesungswege entstehen, indem sie gegangen werden. Die Fähigkeit zur Selbstwirksamkeit wächst – wie andere Fähigkeiten auch –, wenn sie angewandt und kultiviert wird. Durch Neuroplastizität manifestiert sich gesundheitsförderndes Handeln zunehmend im Gehirn, Nervensystem, Verhalten und Selbstbild. Unsere Persönlichkeit hat neben den erkrankten Aspekten auch weise und heilkräftige. Sie zu nähren und aufzubauen ermöglicht, mit Herausforderungen konstruktiv umgehen zu lernen.

»Ich habe viel Zeit damit zugebracht, gegen die Realität und meine psychische Erkrankung anzukämpfen. Doch je verbissener ich den Kampf führte, umso tiefer ritt ich mich hinein. Es dauerte sehr lange, bis ich begriff, dass auch der Status quo ein (erstes) Ziel sein kann, dass sich die Spirale weder aufwärts- noch abwärtsdrehen muss. Ich wusste um mein destruktives Verhalten, die belastenden Emotionen – und versuchte, sie anzunehmen. Zu keiner Zeit hatte ich vor, sie zu umarmen, aber ich probierte, sie zu akzeptieren, ohne sie lieben zu müssen. Sie waren da, ich war da. Damit machte ich mich unbewusst auf den Weg der Heilung meiner selbst.«

Eine Vision des gesunden Selbst

Es ist von zentraler Bedeutung, das Selbst und die Belastung als zwei – zwar verknüpfte, aber doch unterschiedliche – Dinge zu erkennen. Wir sind nicht die Belastung, wir erleben sie. Diese Erkenntnis öffnet dafür, die Perspektive der inneren Weisheit einzunehmen. Auch wird es so möglich, eine Vision unseres gesunden Selbst zu entwickeln. Wir brauchen ein Ziel zur Orientierung, das uns wie ein Magnet zu sich hinzieht, um die anstrengende Arbeit der seelischen Transformation auf uns nehmen zu können. Am besten finden wir dies, indem wir Körper und Geist entspannen. Entspannung öffnet für Inspiration, Lernfähigkeit und die natürlichen Kräfte der Regeneration. In der Ruhe, im Hier und Jetzt, beginnen wir zu ahnen, wer wir neben der Erkrankung und Belastung sind und zunehmend sein können.

»Ich habe mein gesundes Selbst in Gegenüberstellung zu den depressiven und manischen Symptomen definiert. Meine gesunden Anteile sind z. B. lebensfroh, humorvoll, authentisch, kreativ, zuversichtlich, selbstwirksam, verbunden, gesunder Selbstwert, empathisch, gelassen, tiefer Atem, gesunder Schlaf. Diese Aufzählung ist für mich ein wichtiger Anker, an dem ich mich orientieren kann. Er gibt mir Sicherheit.«

Wir laden Sie nun zu einer kleinen inneren Bilderreise ein. Sind Meditationen Neuland für Sie, so gehen Sie möglichst ohne Erwartungen ans Werk. Vielleicht erleben Sie sie als bereichernd, vielleicht nicht. Die Sinneskanäle sind bei jedem Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt. Es kann also sein, dass Sie weniger innere Bilder, sondern Körperempfindungen oder Worte und Klänge wahrnehmen – oder eine Mischung aus alledem. Wir duzen Sie in den Praxisanwendungen, da die Inhalte das Selbst so besser erreichen. Was es mit Körperwahrnehmung, Entspannung, inneren Bildern und Meditation genau auf sich hat, erläutern wir in späteren Kapiteln.

VISION DES GESUNDEN SELBST

Setze dich bequem hin. Lasse deinen Kopf auf der Wirbelsäule ruhen und deinen Kiefer entspannt fallen. Spüre deinen Atem, wie und wo er deinen Körper in Bewegung bringt.

Drücke die Zunge nach unten, öffne deinen Mund und gähne. Schaue dabei hinter geschlossenen Lidern nach oben.

Nimm deinen Körper wahr. Wie sitzt du da? Wie spürst du deine Gestalt? Was ist präsent?

Nimm deine Füße und Beine wahr. Nimm dein Becken, deinen Rücken, Bauch und Rumpf wahr. Spüre deinen Schultergürtel und wie du deine Arme und Hände hingelegt hast. Nimm wahr, wie du deinen Kopf trägst. Lasse deinen Atem fließen und verbinde dich mit allem, was ist – oder stelle es dir vor. Stelle dir nun vor, du bist gesund. Stelle dir vor, du bist einen erfolgreichen Genesungs- oder Entwicklungsweg gegangen und freust dich deines Lebens.

Wer bist du dann? Welches ist das schönste Bild, das du von dir selbst hast? Bleibe in Gedanken bei diesem schönen Bild, bis du es deutlich sehen oder spüren kannst.

Stelle dir vor, dieses schöne Bild deiner selbst zieht dich zu sich hin, wie ein Magnet. Und du gehst Schritt für Schritt deinen Genesungsweg. Stelle dir vor, Lebenskraft fließt dir stetig zu. Was erlebst du?

Nimm die Bilder und Empfindungen mit in die Gegenwart und bedanke dich.

 Halten Sie in Ihrem Notizbuch fest, was Sie in der Meditation erlebt haben. Geben Sie Ihrem gesunden, fröhlichen Selbst Gestalt. Tun Sie dies auf Ihre Weise, beispielsweise indem Sie dessen positive Eigenschaften aufschreiben, es malen, zeichnen oder mit Naturmaterialien gestalten und fotografieren.

 Die liegend durchgeführte Meditation finden Sie als Audiodatei im Download Mentalbereich.