Urlaubstrauma - Anja Koeseling - E-Book

Urlaubstrauma E-Book

Anja Koeseling

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Beschreibung

Endlich Urlaub! Koffer gepackt, Rucksack umgeschnallt, und los geht's! So schön erholsam könnte es sein, wären da nicht nervtötende Staus und gelangweilte Teenager, Hotelzimmer des Grauens oder Animateure, die auch mit der besten Laune die Strandliegenblockierer nicht von ihren Handtüchern bekommen. Aber dann hat man wenigstens etwas zu erzählen! Und so berichten unsere Autorinnen und Autoren von ihren verrücktesten Reiseerlebnissen und geben Tipps, wie Ihr Urlaubstrauma doch noch ein Ferientraum werden kann. Regel Nummer eins: Lesestoff einpacken!

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Herausgegeben von Heike Abidi und Anja Koeseling

Urlaubstraum(a)

Geschichten vom

Ferienwahnsinn

Inhaltsangabe

Prolog

Kapitel 1 Der Weg ist nicht immer das Ziel

Flieger sind umweltfeindlich, Autos haben Stau, Züge fallen aus – oder? Perfekte Verkehrsmittel gibt es nicht. Womit Sie bei An- und Abreise rechnen müssen

Das Flugangstseminar

The Big Seven – eine Großfamilie reist nach Afrika

Das Navi spinnt

Polarlicht ganz anders

Stadtrauschen

Auf ins idyllische Allgäu

Safari im Sari

Kapitel 2 Dann sind wir endlich da …

»Hab ich nicht was liegen lassen?«Die Top Ten der am häufigsten vergessenen wichtigen Dinge

Ich und mein Frustblog – das etwas andere Reisetagebuch

Wer braucht denn schon morgen?

Onkel Jo sitzt auf dem Klo!

Teenager-Paradies Irland?

Das ist das Leben

Namibian Wildlife (fast)

Kapitel 3 Wenn nur die Touristen nicht wären

Zehn Urlaubsbekanntschaften aus der Hölle

Der Glotzmann

Das war der Onassis

Mir fahret jetzt nach Ällis Schprings

Von doppelten Rahmen und Kunststoff-Cousinen …

Schon wieder Karibik

Die Malle-Misere

Kapitel 4 Mein (un-)schönstes Ferienerlebnis

Die Typologie der Gruppenreisenden

Am schönsten ist das Heimkommen – Familienidyll am Bodden

Der Vulkan

Raub auf dem Nil

New York in Farbe

Seehundstage

Murphys Urlaub

Schlaflos in der Toskana

Im Glutofen von Andalusien

Zimmer mit Aussicht

Im Wald mit Mattes

Winterblues

35 Gründe, NICHT in den Urlaub zu fahren

Autorenbiografien

Prolog

Urlaub – davon träumen wir doch alle das ganze Jahr. Strahlend blauer Himmel. Die Sonne lacht auf uns herab. Unter unseren nackten Füßen der makellos weiße Strand. Aber Urlaub ist nicht einfach nur Freizeit an einem schönen Ort, sondern so etwas wie unser hart erarbeitetes Grundrecht auf professionelle Erholung. Warum denn sonst die ganze Schufterei und dieser öde Alltag? Na klar, weil wir das alles zumindest für ein paar Wochen im Jahr einmal hinter uns lassen können. Egal, ob am Strand oder in den Bergen. Genau so, wie es uns Hochglanzprospekte und Werbeclips glauben machen wollen. Und wir glauben das alles. Zumindest, bis wir uns in der Schlange am Flughafenschalter oder im ersten Stau befinden. Bei manchen setzt die Ernüchterung auch früher ein, beim Kofferpacken oder sogar schon beim Besuch des Reisebüros. Die zählen quasi zu den Frühbuchern in puncto Urlaubsstress. Obwohl, eigentlich ist das doch alles gar nicht so wichtig. Vergessene Sachen kann man überall kaufen.

Wie formulierte es nicht der unvergessliche Mehmet Scholl?

»Ich fliege irgendwo in den Süden, vielleicht nach Kanada, oder so.«

Recht hat er. Denn beim Thema Urlaub, da geht es schließlich ums Prinzip. Folgerichtig ist Urlaub kein Vergnügen, sondern eine äußerst ernste Angelegenheit. Das sagten sich schon die Westgoten unter ihrem Reiseleiter Alarich, als sie im Jahre 455 n. Chr. das wunderschöne Rom besuchten. Sicherlich fielen die Online-Bewertungen in den einschlägigen Internetportalen danach eher mäßig aus, aber wer sollte es den armen Goten verdenken? War ja auch alles kaputt dort, und mancher Kollege benahm sich vor Ort ein bisschen daneben.

Aber egal, solche Urlaubsgeschichten kennen wir doch alle! Man kriegt sich mit der Erholungskonkurrenz so richtig in die Haare. Weil der schlimmste Feind eines Touristen nämlich wer ist? Klar, ein Tourist. Vielleicht abgesehen von der eigenen Familie. Denn wenn Vati endlich mal seine Ruhe will, die Kids am Pool quengeln und die Teens verzweifelt nach WLAN suchen, dann klingt es fast wie zu Hause. Und Mutti? Na, die kümmert sich. Nur, dass sie halt das Hotelzimmer aufräumt, statt in der heimischen Küche zu stehen. Es soll ja auch schon vorgekommen sein, dass ein sonnenverkohlter Ehegatte seiner Frau versehentlich ein Trinkgeld zugesteckt hat. Für den erstklassigen Service.

Wenn etwas zu einem echten Urlaub gehört, dann sind es Stress und ausgemachte Peinlichkeiten. Fremde Länder, fremde Sitten, fremde Sprachen. Da ist es nicht mehr weit bis zum Fremdschämen. Aber keine Bange, das ist der Stoff, aus dem die besten Urlaubsanekdoten gemacht sind. Außerdem gibt es auch einen tröstlichen Gedanken für jeden noch so peinlichen Urlaub. Irgendwann hat es sich ausgeträumt. Da haben wir uns sattgesehen am blauen Himmel, und die Hitze nervt eigentlich nur noch. Ganz abgesehen von diesen fiesen Sandkörnern, die wirklich überall hinkommen: in unsere Haare, in unsere Betten und in unsere Socken. Furchtbar. Aber zum Glück geht es ja bald wieder nach Hause. Dorthin, wo die eigene Gartenzaunwelt noch in Ordnung ist. Zumindest bis zur nächsten Urlaubsdramödie.

Um Ihnen die Wartezeit bis dahin zu verkürzen, haben wir Ihnen eine ganze Sammlung an unterhaltsamen Urlaubsgeschichten und –abenteuern zusammengesucht.

Garantiert voller Peinlichkeiten.

Kapitel 1

Der Weg ist nicht immer das Ziel

Flieger sind umweltfeindlich, Autos haben Stau, Züge fallen aus – oder? Perfekte Verkehrsmittel gibt es nicht. Womit Sie bei An- und Abreise rechnen müssen

Wer beruflich und privat viel unterwegs ist, kann in puncto Verkehrsmittel einiges erleben. Weder mit dem Flieger, noch dem Bus, der Bahn, der Fähre oder dem Auto gibt es eine Kein-Chaos-Garantie. Manchmal hilft nur noch Galgenhumor à la: »Ankommen tun sie irgendwann immer!«

Was fürs Auto spricht

Flexibler geht es nicht: einpacken, tanken, losfahren, ankommen. Fahren mehrere Leute mit, wird es von den Kosten und der Umweltbilanz her attraktiv. Man hat Unterhaltung, kann sich abwechseln, nebenbei essen und trinken. Erlaubt ist, was keinem Mitfahrer auf den Nerv geht. Wer allein reist, genießt dafür fast unbegrenzte Freiheit: Hörbücher sorgen für Romantik- oder Gruselstimmung, zum Lieblingslied kann man laut mitsingen, und die Folgen des exzessiven Zwiebelkuchengenusses am Vorabend stören niemanden. Die Innentemperatur bestimmen Sie und Pause ist, wann sie eben reinpasst. Am Zielort kann man die entlegensten Winkel, verlassensten Strände und nettesten Dörfchen erkunden.

Was gegen das Auto spricht

Die A7. Die A8. Die A9 … und viele mehr. Freitagnachmittag, Sonntag ab Kaffeezeit und Montagfrüh sind die nämlich sehr oft dicht. Und wenn Schulferien anfangen oder enden. Unvorhergesehene, gerade begonnene Bauarbeiten nicht zu vergessen! Da macht dann auch das aktuellste Navi schlapp. Wohl jeder erinnert sich an das eine oder andere schwäbische oder brandenburgische Dorf, in dem gerade die Hauptstraße erneuert wurde und zu der das Navigationssystem partout keine Umleitung fand. Drei-, vier-, fünfmal ging es auf abenteuerlichen Wegen zurück zur selben Sperrung …

Wer allein reist, gilt nicht nur als Umweltsünder, sondern die Autotour ist zudem teurer: Benzin, Maut, Vignetten, Mitgliedschaft im Automobilclub … Was, Sie sind kein Mitglied in so einem Club? Dann haben Sie noch nicht erlebt, dass sich eine Batterie gerade dann entlädt oder Sie eine Motorpanne haben, wenn Sie dringende Termine wahrnehmen müssen.

Im Auto mit Familie gibt es dafür andere Risiken und Nebenwirkungen: »Mamaaa, die ärgert mich!«; »Papaaa, ich will Benjamin Blümchen hören!«; »Wann sind wir endlich da?«; »Hunger!, Durst!, Pipi! …« oder auch »Fahr nicht so dicht auf, Schatz!«

Das Risiko, durch einen Autounfall zu sterben, ist übrigens 58-mal so hoch wie das, mit dem Zug ums Leben zu kommen.

Also fahren wir Bahn? Was dafür spricht:

Gleichzeitig schlafen und reisen, gute Bücher lesen und reisen, im Restaurant ein Bierchen trinken und reisen – das geht nirgends besser als mit der Bahn. Wer spezielle Rabatte nutzt wie etwa Interrail, BahnCard oder Sparangebote, kommt sogar relativ günstig von A nach B. Besonders lohnt sich das Mitnehmen von Kindern unter 15, die sind nämlich gratis. An vielen Zielorten bekommen Sie zum vorausgebuchten Ticket sogar die Weiterreise bis zum Hotel dazu.

Auf vielen Strecken erreichen Sie Ihr Ziel zumeist viel schneller als mit dem Auto.

Und dann die Aussicht! Und die Möglichkeit, die Kinder aufs Klo und zum Getränkeholen zu schicken, während man gleichzeitig weiterhin vorankommt!

Ach ja, und das Reservieren empfiehlt sich. Vor allem für Familien und Gruppen. Auf reservierten Plätzen kann man dann entspannt beobachten, wie weniger vorausplanende Zeitgenossen auf der Suche nach einem Platz schier verzweifeln. Der Sitzende kann die Szenarien, die sich da entspinnen, wortwörtlich in vollen Zügen genießen.

Bahn? Was dagegen spricht

Das mit den Reservierungen klappt leider nicht immer. Da sind einzelne Abteile plötzlich abgekoppelt oder ein Ersatzzug fährt. Schon steht man selbst blöd herum. Klar wird die Reservierungsgebühr hinterher rückerstattet, aber allein der Zeitaufwand, um alles einzureichen!

Dasselbe gilt für die Erstattungen nach Verspätungen oder Zugausfällen. Und die gibt es oft. Besonders oft sonntags. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen spätabends im letzten Zug, eine Stunde von der Heimat entfernt – plötzlich rumpelt es. Nichts geht mehr. Jemand hat unter Ihrem Zug sein Leben beendet. Notarzt und Spurensicherung kommen. Es wird elf, zwölf, ein, zwei Uhr …

Immerhin: Die meisten Kinder lieben das Bahnfahren gerade wegen der Abenteuer. Fällt die Klimaanlage im Sommer aus, gibt es manchmal Gratis-Getränke. Doch auch der mangelnde Platz für große Koffer spricht gegen das Bahnfahren. So manches dreckige oder komplett gesperrte Klo. Und mancher rücksichtslose Mitreisende.

Flüge sind kurz und schmerzlos! Was toll ist!

Zu manchen Destinationen wäre man mit Auto, Bus, Bahn oder Schiff ewig unterwegs. Also rein in den Flieger und ab nach Santiago de Chile, Sydney oder San Francisco. Gerade die aufregendsten Urlaubsorte können ausschließlich auf dem Luftweg erreicht werden. Kaum eingecheckt, schon kehrt es wieder, dieses Gefühl von Freiheit und Exklusivität.

Fliegen ist übrigens die sicherste Art, um von A nach B zu kommen – das Risiko, dabei zu sterben, unterbietet noch das der Zugfahrt. Auf langen Reisen gibt es aktuelle Kinofilme, auf kurzen kann man die Welt von oben begutachten und ihre Schönheit bestaunen. Die Flugbegleiter sind meistens charmant, über das Essen in der Touristenklasse kann man großzügig hinwegsehen. Das Verstauen der schweren Koffer nehmen einem außerdem andere ab.

Aber …

Flugangst mag irrational sein, sie betrifft trotzdem viele. Kleine und Große. Und merke: So selten ein Flugzeugabsturz auch vorkommen mag – betrifft er einen selbst, gibt es kein Entrinnen.

Eine Riesen-Umweltsauerei ist die Vielfliegerei obendrein. Und teuer! Meistens zumindest.

Was den Sitzkomfort und die Klos angeht, gleicht dies der Bahn, nur mit weniger Ausweichmöglichkeiten. Seinen Nachbarn frei wählen darf man auch nicht. Außerdem kommt es immer wieder vor, dass Flüge kurzfristig später starten als gedacht, und dass man so den Zielort statt mittags nachts um vier erreicht. Besonders frustrierend wird es, wenn kleine Kinder mit an Bord sind.

Das Essen ist meist nur in der ersten Klasse wirklich gut. Der Alkohol steigt über den Wolken schneller zu Kopf. Die Klimaanlage lässt Haut und Schleimhäute austrocknen, manche bekommen während des Fluges auch schwere Beine. Wer erkältet fliegt, dem drohen bei der Landung heftige Ohrenschmerzen, gegen die kein Druckausgleich hilft. Gegen all diese Malaisen wirkt nur, sich vor dem Fluge mit dem auszurüsten, was individuell besonders guttut – seien es Kaugummis, Halsbonbons, Augentropfen, Feuchtigkeitscremes oder Stützstrümpfe.

Forever Young mit dem Bus?

Inzwischen sind ja die Fernbusse eine echte Konkurrenz für innerdeutsche Flieger und vor allem für die Bahn. Die Tickets gibt es zu Schnäppchenpreisen, und viele der Busse warten mit viel Beinfreiheit, Sitzkomfort, WLAN und Toiletten auf. Das Gepäck verschwindet dabei im Bauch des Busses. Gemütlichkeit zum kleinen Preis also! Außerdem atmet jede lange Busfahrt den Geist der Jugend: Damals, als man noch so wenig Kohle hatte und in den Ferien Billig-Zeltreisen am Meer buchte, brachten einen ja auch die Busse dorthin! Und eine Sangría an Bord geht immer.

Merke jedoch!

Wenn es richtig schlecht läuft bei der Fernbusreise, haben Sie die Nachteile von Auto-, Flug- und Zugfahrt allerdings alle gleichzeitig: Der Sitznachbar müffelt und macht sich breit. Mal kurz die Beine vertreten fällt aus, weil im Gang drei Kinder schlafen, und der Fahrer hat einen Fahrstil, dass allen übel wird. Oder aber Sie stehen Ewigkeiten im Stau. Ach ja: Busfahrten bringen zwar weniger Leute um als Autofahrten, aber deutlich mehr als Reisen mit dem Flugzeug oder Zug.

Dann wäre da noch das Schiff oder die Fähre …

Eine Kreuzfahrt, die ist lustig – und wird zudem immer günstiger. Wieso also nicht eine Familien- oder Pärchentour durchs Mittelmeer buchen, all-inclusive, mit organisierten Landausflügen? Die Verantwortung für die weitere Reiseplanung, das Auto und die Sorgen bleiben daheim!

Beliebt sind auch Fährüberfahrten zu hübschen Inseln – da darf das eigene Auto mit, man schnuppert Seeluft, kann je nach Fähre schlummern, shoppen und gut essen bis richtig feiern. Auf der Ziel­insel kommt man im vertrauten Auto und günstig von A nach B.

Fähren sind pünktlich und sicher, Kreuzfahrtschiffe luxuriös und sicher – seit der Titanic haben die Reedereien und Kapitäne (na ja, jedenfalls die meisten) deutlich dazugelernt. Es hat schon etwas Erhebendes, an der Reling zu stehen, nach Seehunden oder Delfinen zu suchen, den Möwen zuzuschauen und sich wie Leonardo DiCaprio und Kate Winslet auf der Titanic zu fühlen – zu jenem Zeitpunkt freilich, als noch kein Eisberg in Sicht war.

Risiken und Nebenwirkungen von Schiff und Fähre

Schon mal seekrank gewesen? So richtig? Da könnte auf dem Traumschiff George Clooney mit fünf blutjungen Models vorbeiflanieren, und das Leben wäre immer noch bescheiden. Wer dazu neigt, seekrank zu werden, begreift nicht, warum auf dem Traumschiff ständig geknutscht wird und nie gereihert.

Mit Aufenthalten im Freien (je nach Wetter) und/oder gewissen Tabletten oder Kügelchen lässt sich dieses Übel ja zum Glück oft beheben. Trotzdem kann auch mit Schiff und Fähre vieles schiefgehen.

Dann soll es ja auch Kapitäne geben, die lieber schönen Damen noch schönere Augen machen, als gewissenhaft Felsen auszuweichen … Aber die sind selten. Viel wahrscheinlicher erleben Sie folgende Fähren-Komplikationen: Sie werden seekrank, und alle Toiletten sind besetzt. Ihr Appetit vergeht, weil um Sie herum alle die Duty-Free-Parfums ausprobiert haben und die Duftwolken Ihnen den Atem rauben. Sie wollen im Ruhesessel der Fähre ein wenig schlafen, und neben Ihnen feiert eine Gruppe lautstark Junggesellinnenabschied. Doch das gefährdet nur Ihren Seelenfrieden, keinesfalls Ihr Leben.

Das Flugangstseminar

Fliegen war für mich das Synonym für Harakiri. Ich verreiste furchtbar gern, doch aus irgendeinem Grund hatte ich panische Angst vor dem Fliegen. Obwohl weder ich noch mein Umfeld ein negatives Erlebnis in einem Flugzeug gehabt hatte, das diese Angst hätte erklären können.

Bisher hatte mich dieser Umstand aber nie gestört. Es gab unendlich viele Orte, die man wunderbar mit dem Auto oder dem Zug erreichen konnte, und es machte mir auch nichts aus, wenn ich lange unterwegs war, um an mein Ziel zu kommen.

Doch dann passierte etwas, das in mir den unglaublichen Wunsch auslöste, ganz dringend meine Angst vor dem Fliegen zu besiegen: Der Mann, für den ich schon seit geraumer Zeit sehr ausgiebig schwärmte, zog für zwei Jahre nach Sydney. Wir arbeiteten als Kollegen zusammen, hatten uns immer gut verstanden und waren in einer kleinen Gruppe auch schon öfter gemeinsam um die Häuser gezogen. Er hatte mir von Anfang an sehr gut gefallen, doch fehlte mir der Mut, das auch offen zu zeigen. Leider neigte ich dazu, die eine oder andere Chance, die das Leben mir vor die Füße spielte, eher liegen zu lassen, als sie beherzt in die Hand zu nehmen. Ich stieg leise darüber, versuchte so zu tun, als würde ich sie gar nicht bemerken, und wenn ich mich dann doch noch einmal umdrehte, war in der Regel schon jemand anders da und wendete sie begeistert in seinen Händen hin und her.

Aber jetzt war alles anders. Denn Martin hatte mich tatsächlich gefragt, ob ich ihn in Sydney besuchen kommen wollte! Als ich seine E-Mail las, fiel ich fast vom Stuhl. Seit seiner Abreise waren unsere Mails allmählich privater geworden, doch mit diesem Angebot hätte ich nun wirklich nicht gerechnet. Natürlich sagte ich sofort zu, und erst danach fiel mir auf, dass ich schlecht mit dem Auto nach Sydney fahren konnte und deshalb irgendetwas unternehmen musste.

Nun befand ich mich also auf einem Flugangstseminar. Mit einer Tasse Kaffee in der Hand sah ich mich um. Der Kaffee war allerdings nicht die beste Idee, da mein Puls sowieso schon raste. Ich wusste leider genau, dass es nicht genügte, dass ich wirklich sehr, sehr dringend diesen Flug nach Sydney unternehmen wollte.

Der Raum wurde langsam voller, und alle drückten sich unsicher an dem Tisch mit Kaffee und Kleingebäck herum.

In regelmäßigen Abständen dröhnten Flugzeuge über das Gebäude hinweg, als wollten sie uns Angsthasen hier unten verhöhnen. Um Punkt neun Uhr trat ein sympathisch aussehender Mann ein, der eine solche Selbstsicherheit ausstrahlte, dass er unmöglich ein Teilnehmer sein konnte.

Ich suchte mir einen Stuhl, 15 davon standen im Kreis, und ließ mich darauf plumpsen. Nach und nach setzten sich alle, und eine nervöse Ruhe legte sich über den Raum wie eine schlecht gelüftete Decke.

»Hallo miteinander, ich heiße Ken und freue mich, dass ihr gekommen seid«, begrüßte uns unser Seminarleiter und erzählte weiter, dass er diese Seminare seit vielen Jahren leitete und Diplom-Psychologe war. Sogleich erfuhren wir, dass wir uns alle duzen sollten, um eine weniger steife Atmosphäre zu haben. Danach folgte das, was wirklich niemand leiden kann, wir sollten uns einzeln kurz vorstellen und berichten, warum wir hier waren.

Da war Gerhard, ein Bauer, für den schon die Fahrt hier zum Flughafen weiter gewesen, als er bisher in seinem Leben je gekommen war. Er wollte seiner Frau einen großen Wunsch erfüllen – eine gemeinsame Reise nach Paris –, und dafür musste er seine Angst vor dem Fliegen überwinden. Neben ihm saß Gisela, die nicht nur unter Platzangst litt, sondern für die auch Zugfahren eine Qual war. Dann kam Bernd, ein Manager, der seit einem Burn-out nicht mehr fliegen konnte. Und als ich an der Reihe war, hatte ich seltsamerweise überhaupt keine Hemmungen mehr, mit der Wahrheit herauszurücken.

Nachdem die Runde beendet war, lernten wir einiges über die Angst. Wie sie entstand, welche Ursachen es dafür geben konnte und vieles mehr. Schon allein die Beschäftigung damit führte irgendwie dazu, dass ich das Gefühl hatte, tief in mir ginge eine Tür auf.

Als Ken wissen wollte, wovor genau wir denn Angst hatten, merkte ich, dass ich diese Frage nur schwer beantworten konnte. Mir lief einfach schon bei dem Gedanken, ein Flugzeug zu betreten, ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter. Wenn ich mir dann noch vorstellte, wie sich die Türen automatisch schlossen und wir abheben würden, konnte ich kaum atmen.

»Angst hat auch viel mit Unwissenheit zu tun, und das werden wir heute ändern!«, sagte Ken und schickte uns mit diesem Satz in die Pause.

Beim Mittagessen war die Stimmung schon viel entspannter, und wir scherzten ein wenig über die Gründe, die uns hierher geführt hatten. Nur bei Bernd und einer blassen jungen Frau, deren Namen ich mir nicht merken konnte, spielte jemand anderes eine Rolle bei der Entscheidung, dieses Seminar zu besuchen. Anscheinend war gerade die Tatsache, dass man mit oder zu jemandem fliegen möchte, die beste Motivation, um sich aufzuraffen und seinen Ängsten zu stellen.

Menschen, Koffer, Arbeiter, ständige Durchsagen, das Klappern der Anzeigentafel, Essensgerüche, und über alldem hing eine wabernde Schicht Reisefieber.

»Wenn man Angst hat, hört man auf zu atmen, der ganze Körper ist angespannt, und alles ist in Alarmbereitschaft, obwohl es dafür in der Regel keinen wirklichen Grund gibt beziehungsweise obwohl keine akute Gefahr besteht«, erklärte Ken. Dann zeigte er uns verschiedene Atem- und Entspannungsübungen. Nach einer kurzen Kaffeepause ging die Tür auf, und es erschien Kapitän Friedrich Paulsen. Er flog seit dreißig Jahren und wollte uns nun ein Flugzeug erklären. Also marschierten wir gemeinsam durch das Flughafengebäude und sahen uns um. Ein unglaubliches Gewusel herrschte hier. Menschen, Koffer, Arbeiter, ständige Durchsagen, das Klappern der Anzeigentafel, Essensgerüche, und über alldem hing eine wabernde Schicht Reisefieber.

In dem kleinen Bus, der uns zum Flugzeug fuhr, wurde ich plötzlich wieder nervös. Meine Hände waren nass, ich schwitzte, und mir war übel. Doch als ich mich umsah, musste ich grinsen, denn den anderen ging es augenscheinlich auch nicht sehr viel besser. Wir stiegen aus und standen ehrfürchtig vor der riesigen Maschine, dann marschierten wir die schmale Treppe nach oben. Drinnen war es plötzlich völlig still. Langsam gingen einige von uns weiter, ließen die Hände über die Sitze gleiten und sahen sich um. Ich stand noch nah an der Tür und kämpfte mit mir.

Friedrich war in der Zwischenzeit ins Cockpit gegangen und ließ uns per Sprechanlage wissen, was er gerade machte. Verschiedene Geräusche ertönten, die Klimaanlage, eine Hydraulikpumpe, und ich traute mich endlich ins Innere, wo ich mich auf einen Fensterplatz setzte.

Natürlich durften wir auch ins Cockpit, und als ich an der Reihe war, staunte ich über die Masse an Knöpfen, Hebeln und Anzeigen. Friedrich erklärte alles mit großer Ruhe. Wir erfuhren, dass Piloten viermal im Jahr in einen Simulator mussten, um zu trainieren. Dann durften wir die winzige Küche und auch sonst jeden Winkel dieses Kolosses begutachten.

Turbulenzen gehörten nun mal dazu, wenn man sich durch Luftmassen bewegte. Auf dem Meer wunderte sich schließlich auch niemand über die Wellen.

Theoretisch wussten wir nun genau, wie sicher das Flugzeug und das Fliegen an sich wirklich war, doch würde das reichen, um unsere Ängste zu besiegen? Friedrich erläuterte uns nun die verschiedenen Phasen eines Fluges. Turbulenzen gehörten nun mal dazu, wenn man sich durch Luftmassen bewegte. Auf dem Meer wunderte sich schließlich auch niemand über die Wellen. Da war was dran.

Mit dieser Erkenntnis endete der Tag, und wir gingen gemeinsam zum Abendessen. Danach war ich so erschöpft, dass ich mich gleich in mein Hotelzimmer zurückzog.

Morgen früh würden wir fliegen. Als ich auf dem Bett lag, fand ich den Gedanken gar nicht mehr so schrecklich. Die Beschäftigung mit der Angst hatte diesem normalerweise so machtvollen Gefühl ziemlich viel Wind aus den Segeln genommen. Ich hoffte, das würde so bleiben.

Beim Frühstück am nächsten Morgen waren alle ein wenig aufgekratzt. Mir war schlecht, und ich nahm nur einen Bissen vom trockenen Brötchen. Dann ging es los. Wir bekamen unsere Tickets in die Hand gedrückt und nun gab es kein Zurück mehr. Wieder wurden wir mit einem kleinen Bus zum Flugzeug gebracht, und während ich die Treppe hochstieg, merkte ich, dass irgendwo in meinem Kopf ein kleines Männchen schrie: Was machst du denn hier?

Als ich der Stewardess mein Ticket gab, klebte es an meinen feuchten Händen. Ich hatte einen Fensterplatz und blickte nach draußen auf den trockenen Asphalt. Ken erinnerte uns daran, tief durchzuatmen, und in dem Moment merkte ich tatsächlich, dass ich vor Nervosität kaum atmete.

Neben mir saß Bernd, der Manager, und kommentierte leise jedes Geräusch. Einerseits nervte mich sein unruhiges Gefasel etwas, auf der anderen Seite ging ich so in Gedanken mit ihm jeden Schritt des Startvorgangs durch, den wir gestern theoretisch kennengelernt hatten. Und es stimmte: Was man kannte, machte einem wesentlich weniger Angst.

Als wir starteten, umklammerten meine und auch Bernds Hände die Armlehnen. Es rüttelte und schüttelte, Turbinen heulten, und dann rollten wir los. Ken erinnerte uns daran, eine Entspannungsübung zu machen, und noch während ich versuchte, mich darauf zu konzentrieren, war ich gleichzeitig völlig fasziniert von dem Anblick, den ich aus dem Fenster hatte. Plötzlich wurde es vor dem Fenster weiß, und es sah aus, als würden wir durch einen dicken Bausch Zuckerwatte fliegen. Das Flugzeug wackelte ein bisschen, und vor mir machte Gerhard ein zaghaftes Witzchen. Ich horchte in mich. Es funktionierte! Mir war klar, dass es einen großen Unterschied machte, ob ich eine Stunde flog oder den weiten Weg nach Australien antreten wollte. Aber irgendwie wuchs in mir das Gefühl, dass ich es vielleicht wirklich schaffen könnte.

Als wir zur Landung ansetzten, war ich enttäuscht, dass es schon vorbei war, denn ich hätte gern gewusst, wie es mir in zwei, drei oder noch mehr Stunden hier drin ergehen würde. Ich wollte nach Sydney, ich wollte zu Martin, und jetzt wollte ich, dass wir ganz schnell noch einmal abhoben!

Nach der Landung klatschten wir, vor allem für uns selbst. Es gehörte vielleicht nicht besonders viel Mut dazu, in ein Flugzeug zu steigen, aber umso mehr, sich seiner Angst zu stellen. Wir hatten es alle geschafft, lachten und beglückwünschten uns. Auf dem Rückflug war mein Ticket gar nicht mehr feucht.

The Big Seven – eine Großfamilie reist nach Afrika

Wir haben alle Möglichkeiten der Welt, aber niemals die Zeit, um sie alle auszukosten. Wahrscheinlich gehört das zum Leben. Bei der letztjährigen Weihnachtsfeier hatten mein Mann Udo und ich jedoch beschlossen, Jess, die Tochter meiner Cousine, zu besuchen, die in einem Waisenhaus in Namibia arbeitet. Wenn wir nach Afrika reisen, dann zu siebt. Also mitsamt unserer fünf Kinder im Alter von acht bis 18.

Heute, Monate nach dem besagten Beschluss der Afrika­reise, schreibe ich sie endlich nieder: die Reiseabenteuer der Big Seven. Es gibt Geschichten, die muss man von vorn beginnen. Andere wiederum erzählt man besser von hinten. Diese Geschichte jedoch beginne ich mittendrin. So wie Familienleben eben ist. Mit einem Satz, den wohl alle Mütter dieser Erde schon irgendwann mal gehört haben …

»Mama, hast du eigentlich meine Jacke eingepackt?«

Aber es gibt Augenblicke, da will man diese Frage noch weniger hören als sonst. Dann nämlich, wenn man gerade in der Flughafenhalle steht und kurz davor ist, in den nächsten Flieger nach Windhoek zu steigen. Doch es genügte nur ein Blick in die großen Augen meiner Grundschultochter, dass ich dachte: Was soll’s? Udo hatte ohnehin spontan entschieden, dass er für die Reise noch ein Hemd brauchen könnte. Also zogen die Big Seven los, um kurz vor Abflug noch mal zu shoppen. Während das vergessene Kleidungsstück, das im Übrigen extra für den Afrikatrip angeschafft worden war, zu Hause an der Garderobe hing.

Familien sind willkommen, aber bitte nicht mit mehr als sechs Personen!

Bei allem Pragmatismus ist unsere wahre Stärke jedoch die Fähigkeit, alles im Voraus akribisch zu planen. Gepaart mit Udos unglaublicher Erfahrung in Sachen Geschäftsreisen rund um die Welt. Er denkt dabei wirklich an alles. Aber es ist eine Sache, allein zu verreisen, und eine andere, dies mit den Kindern zu tun. Denn die Schwierigkeiten beginnen für gewöhnlich zu Hause. Es fing mit der Flugbuchung an. Genauer gesagt damit, alle sieben Familienmitglieder in einem Internetformular einzutragen, wenn da nur Platz für sechs vorgesehen war. Damit gestaltete sich die Suche nach einer preisgünstigen Reisemöglichkeit schwierig. Auch seine fleißig gesammelten Miles&More-Punkte halfen meinem Mann überhaupt nicht. Denn auch hier definierte sich Familienfreundlichkeit ungefähr so: Familien sind willkommen, aber bitte nicht mit mehr als sechs Personen! Am Ende landeten die Big Seven deshalb im Reisebüro. Und dort wurden wir angenehm überrascht. Denn der Preis war gar nicht so hoch, wie befürchtet. Nur, und da fühlte man sich ein bisschen wie in einem Paternoster ohne Haltestelle, auch hier waren die Formulare mengenmäßig beschränkt. Auf sechs Personen. Daher ließen wir uns auf eine Gruppenbuchung von sechs plus eine Einzelbuchung ein. Glücklicherweise trug unser volljähriger Stammhalter als einziger Sohn die Sonderstellung mit Fassung. Wird ja nicht jeder gern outgesourct. Doch damit war es noch lange nicht getan. Der Vorbereitungswahnsinn ging erst richtig los. Alle außer Udo brauchten einen neuen Reisepass. Was bedeutete, dass ich mit Kind und Kegel zum Fotografen musste, um einen Stapel dieser gewöhnungsbedürftigen Bilder zu bekommen, auf denen alle dann ungefähr so emotional aussahen wie Clint Eastwood. Von Seiten der Verwaltung war man im Übrigen sehr entgegenkommend und hatte spontan einen einstündigen Simultantermin in zwei verschiedenen Büros organisiert. Ganz ohne Mengenbeschränkung. Das gab dem Begriff »Sturm auf das Rathaus« eine ganz neue Bedeutung …

Vorbereitungswahnsinn mal sieben

Die Beratung war umfassend. Kurz, ich erfuhr alles Mögliche über Krankheiten, von denen ich lieber nichts gewusst hätte.

Udo als Globetrotter kannte natürlich alle Tricks. Von der Sicherung wichtiger Daten in der Dropbox bis hin zu laminierten Papieren im Gürtel. Was dann eher eine echte Großfamilienherausforderung darstellte, war die Sache mit den Impfungen. Ich besuchte das ansässige Tropeninstitut, um mich aufklären zu lassen. Die Beratung war umfassend. Kurz, ich erfuhr alles Mögliche über Krankheiten, von denen ich lieber nichts gewusst hätte. Immerhin war die Dame der dortigen Verwaltung sehr entgegenkommend, da sie gnädigerweise darauf verzichtete, dass ich für jeden der Mitreisenden einen mehrseitigen Fragebogen ausfüllen musste.

Lustig dagegen wurde es, als wir dann mehrmals in voller Besetzung die Praxis des örtlichen Kinderarztes belagerten, um die regelmäßige Impfration verpasst zu kriegen. Als die Arzthelferin beim ersten Termin mit einem Tablett ins Zimmer kam, auf welchem 14 Spritzen lagen, verschlug es zumindest dem ein oder anderen Kind für kurze Zeit die Vorfreude auf die Reise. Glücklicherweise war unser Kinderarzt ein verständnisvoller Mann. Wahrscheinlich, weil er auch ein Familienvater mit überdurchschnittlicher Nachwuchszahl ist. Am Ende ging alles ganz schnell, in zehnminütiger Rekordzeit hatte die Meute die Praxis wieder verlassen. Bis zum nächsten Termin …

Da es in Afrika während unseres Besuches Winter sein würde, wurden dünne lange Sachen gegen Moskitos gebraucht und warme Klamotten für die Nächte. Immerhin schwankten die Temperaturen in Namibia zu dieser Zeit zwischen dreißig Grad plus und acht Grad minus. Von da an ging es in die Detailplanung …

Das Transportmittel vor Ort

Mein Mann als findiger Reiseprofi kannte natürlich schnell alle einschlägigen Seiten im Internet. Nur waren die Angebote dort alles andere als preisgünstig, und Mengenrabatt sah bei einer siebenköpfigen Familie eher so aus, dass die Preise pro Kopf überproportional stiegen. Als wäre das nicht schlimm genug, kam noch dazu, dass es einen Geländewagen für sieben grundsätzlich nicht gab. Die einzige sinnvolle Lösung stellte ein VW-Bus mit acht Sitzen dar. Was jetzt nicht unbedingt nach Afrikaromantik klang, aber es erschien dann doch praktikabler, als eines der Kinder auf dem Dach mitreisen zu lassen. Gebucht. Abgehakt.

Eine sichere Unterkunft

Hatten wir das Zelten zunächst kategorisch ausgeschlossen, trieb die Suche nach einer bezahlbaren Unterkunft uns beinahe in den Wahnsinn. Dank ausführlicher Recherche und der angeskypten Cousinentochter konnten entlang unserer Reiseroute die verschiedensten Möglichkeiten ausfindig gemacht werden. Ein pensionsartiges Guesthouse, eine Unterkunft für Backpacker (was ungefähr einer Jugendherberge entsprach) und eben auch Campingplätze. Natürlich mit Zelt.

Nur, wie sollten wir die Campingausrüstung von Deutschland nach Afrika bringen? Die Antwort lag auf der Hand: gar nicht. Das konnte man doch auch vor Ort organisieren. Wir buchten also zwei Zelte, frostsichere Schlafsäcke, sieben Stühle und Geschirr für sechs Personen. Kaum zu glauben, auch am Zielort kannte man scheinbar keine siebenköpfigen Familien.

Doch somit standen wir vor einem neuen alten Problem. Der VW-Bus wurde aus Platzmangel storniert und ein größeres Transportmittel gesucht. Der Traum jedes Großfamilienvaters: ein Toyota Quantum. Gewissermaßen das Bus-Upgrade für zehn Personen. Fehlten also nur noch die Routenplanung, der Haussitter und Befreiungen für alle drei Schulen …

Endlich Afrika

Der Flug selbst war eher unspektakulär. Zehn Stunden nach Johannesburg via Nachtflug, dort zwei Stunden Warten und schließlich in einer schnellen Stunde nach Windhoek. Im Flieger predigte ich meiner ganzen Familie nochmals die eigens aufgestellten Regeln, die keinesfalls gebrochen werden durften:

1.Nichts von der Straße essen.

2.Nichts essen, was nicht gekocht/gewaschen/geschält wurde.

3.Kein offenes Wasser trinken.

4.Abends nicht Auto fahren.

In Namibia sind Termine auch eher lose Vorgaben für das Zeitgefühl.

Und an die wollten auch wir uns strikt halten. Egal wie. Am Flughafen haben wir dann natürlich erst mal das Auto gesucht. Als das endlich gefunden war, haben wir das Navi aktiviert, das natürlich zu Hause schon vorprogrammiert worden war. Und pünktlich um zwölf Uhr standen die Big Seven dann bei der örtlichen Campingbedarfsvermietung. War nur leider niemand da. In Namibia sind Termine auch eher lose Vorgaben für das Zeitgefühl. Was nun?

Da Jess sich unglücklicherweise die Bänder gerissen hatte, befand sie sich glücklicherweise just um diese Uhrzeit in Windhoek im Krankenhaus. Kurz entschlossen verabredeten wir uns mit ihr zum Mittagessen. Selbstverständlich überreichten wir ihr sogleich die mitgebrachten Krücken aus Deutschland, die bei dem vielen Gepäck kaum aufgefallen waren.

Doch irgendwie verlagerte sich das Essen dann ins Katatura–Viertel auf den Straßenmarkt der Einheimischen. Katatura bedeutet in Herero »der Ort, an dem wir nicht leben möchten.« Was nicht wirklich vertrauenerweckend klingt! Doch der Atmosphäre und der Freundlichkeit der Bewohner wurde dieser Name in keinster Weise gerecht. Auf dem Markt verbanden sich Gerüche und Farben zu einem einzigartigen Erlebnis. Nach der nährstoff- und geschmacksarmen Flugzeugkost lief der gesammelten Familie das Wasser im Mund zusammen. Und ein Blick in die hungrigen Gesichter genügte mir, um das strikte Regelwerk mit interpretativem Spielraum zu versehen. Was so viel hieß wie: Die Regeln wurden drastisch reduziert. Zumindest das Verbot nächtlicher Autofahrten blieb noch unberührt.

Das Essen bestand aus Fleischstücken und Salat, serviert in Zeitungspapier und ausgesprühten Styroporschachteln. Angereicht mit kindgerechtem Besteck, sprich, den Fingern. Mit vollen Mägen und zufriedenen Gesichtern machte sich meine Familie dann noch mal auf den Weg zur Campingvermietung. Jetzt war die Besitzerin da, und die sprach angenehmerweise auch noch Deutsch. Es musste schon komisch ausgesehen haben, wie wir ratlos vor dem Quantum standen, daneben der Berg mit den Zelten und Stühlen. Das war dann selbst für unseren Oberlogistiker zu viel. Denn darin waren wir uns alle einig, das passte niemals dort hinein. Aber die Big Seven wären nicht die Big Seven, wenn sie keine Lösung gefunden hätten. Kurz entschlossen wurde die letzte Sitzbank ausgebaut und bei dem Zeltverleiher auf die Terrasse gestellt. Machte sich eigentlich ganz hübsch dort.

Gegen Abend konnten wir uns auf den Weg zum ersten Anlaufpunkt machen. Nach Omaruru, zum Waisenhaus.

Muss ich dazu sagen, dass sich die Fahrt ziemlich dehnte? So kam es, dass unsere kleine Gruppe im Stockfinstern am Ziel­ort ankam. Nach einer holprigen Nachtfahrt. Und somit hatten wir bereits am ersten Tag alle geplanten Vorsorgemaßnahmen über Bord geschmissen.

Winter in Afrika

Afrika selbst war unglaublich. Vor allem die Landschaft, die keine Kamera und kein Bild so einfangen kann, wie sie ist. Wohin wir auch kamen, überall liefen uns wilde Tiere über den Weg.

Vorerst ankerte der Quantum in Omaruru, wo wir uns akklimatisierten. Unsere europäischen Kids freundeten sich schnell mit den Waisenhauskindern des Havens an. Wenn man keine gemeinsamen Wörter kennt, genügt meistens ein Lächeln. Problemlose Völkerverständigung der direkten Art. Umso mehr schmerzte es zu wissen, dass die Hälfte der jungen Waisenhausbewohner mit dem HI-Virus infiziert war. Nichts davon spiegelte sich in den lachenden Gesichtern.

Anscheinend war uns eine Art Ruf vorausgeeilt. Möglicherweise waren es auch die Buschtrommeln gewesen.

Wie ein Winter in Afrika aussah? Dank frostiger Minusgrade bei Nacht bildeten sich Eiszapfen an der Regenrinne. Schon am Morgen stiegen die Temperaturen jedoch schnell auf über dreißig Grad. Da war es nur konsequent, dass wir bei einem Souvenirladenbesuch prompt vom Besitzer zum Glühwein eingeladen wurden. Quasi Hüttenzauber in Afrika. Nach drei Tagen ging es weiter in die nächste größere Stadt im Norden zu einer Safari bei der AfriCat Foundation. Hier haben wir übrigens unseren Spitznamen bekommen, direkt am Eingangstor. Wir staunten nicht schlecht, als man uns dort begrüßte: »Da seid ihr ja, die Big Seven. Wir haben schon auf euch gewartet.« Anscheinend war uns eine Art Ruf vorausgeeilt. Möglicherweise waren es auch die Buschtrommeln gewesen. Die Mitarbeiter der AfriCat Foundation kümmerten sich um Leoparden und Geparden, die zunächst von Menschen großgezogen worden waren und dann gefährlich wurden, als ihr Instinkt wieder zum Vorschein kam. Eine Auswilderung stand für diese Raubkatzen außer Frage, da sie ihre natürliche Scheu vor den Menschen verloren hatten.

Im Etosha-Nationalpark waren noch mehr Tiere zu sehen – Elefanten, Giraffen und unzählige Antilopen. An einem Wasserloch dann auch noch ein Nashorn. In unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Löwenrudel. Ein rundum perfekter Tag für alle, dem prompt eine anstrengende Nacht folgte. Weil das Gebrüll von Löwen und Elefanten so markerschütternd war, dass nicht nur ich kein Auge zumachen konnte. Mehr als einmal stellte sich uns die Frage, ob der Zaun ums Camp auch wirklich stabil genug war.

Die unglaubliche Vielseitigkeit Afrikas zeigte sich in den folgenden Tagen. Während die Kalahari genau dem entsprach, was man aus dem Fernsehen kannte, präsentierten sich andere Landstriche als mindestens ebenbürtig. Udo und ich waren vor allem von den Steingravuren in Twyfelfontein beeindruckt. Die sind vor 6500 Jahren in Sandstein geritzt worden. Oder vom überwältigenden Deadvlei, mit seinem fast weißen Lehmboden und abgestorbenen Bäumen inmitten der apricotfarbenen Dünen der Namibwüste.

Allerdings darf man nicht verschweigen, dass die Rundreise nicht immer problemlos verlief. Die sogenannte Gravel Road war weit weg von den europäischen Vorstellungen einer asphaltierten Strecke. Da war es dann auch kein Zufall, dass Udo den Quantum schwungvoll auf eine Kuppe zusteuerte. Nur um anschließend – jeder Bodenfreiheit beraubt – in einem Straßenloch zu landen. Das wirkte so souverän, dass unser Filius, der alles beobachtete, das zunächst für eine väterliche Showeinlage hielt. Ist halt nicht jeder ein geborener Indiana Jones. Glücklicherweise war am Auto nichts defekt, und die Fahrt konnte ohne Verzögerungen fortgesetzt werden.

Familienspaß ohne Ende

Entertainment ist bei uns eigentlich immer inklusive. Auch wenn es ganz unterschiedliche Formen annimmt.

Da überraschte es wenig, dass unsere beiden Großen auch mal freiwillig über einen hohen Zaun kletterten, um sich in einer Einheimischenbar von der elterlichen Aufsicht zu erholen. Ein echtes Highlight für die Mädels konnte ich spontan in einem örtlichen Frisiersalon organisieren. Sie bekamen Extensions in die Haare geflochten, echt Afrika-Style. Das weitete sich schnell zu einem vierstündigen Happening aus, mit insgesamt sieben Friseurinnen im Schichtbetrieb. Was vor allem auch daran lag, dass sich das europäische Haar wohl völlig anders anfühlte, und jede der Mitarbeiterinnen mal drankommen wollte. Da war es nicht verwunderlich, dass die Kids im weiteren Verlauf der Reise von anderen Touris als »Einheimische« fotografiert wurden.

Dass sich der mir versprochene Schlitten als handelsübliche Schrankrückwand entpuppte, machte es nicht unbedingt leichter.

Der Höhepunkt in Sachen Familienspaß war aber wohl der Besuch in Swakopmund. Die Stadt selbst sah ziemlich deutsch aus, beinahe so, als wäre man an der Nordsee. Aber hier ging es uns nicht ums Sightseeing, sondern Sandboarding stand auf dem Plan. Dabei sauste man bäuchlings auf Snowboards die Dünen herunter mit einer Spitzengeschwindigkeit von fünfzig bis sechzig Stundenkilometern. Zuschauen war schlimm genug, aber die meiste Überwindung kostete es natürlich, selbst mitzumachen. Mit einem Helm auf meinem Kopf, der mich aussehen ließ wie Calimero mit der Eierschale. Dass sich der mir versprochene Schlitten als handelsübliche Schrankrückwand entpuppte, machte es nicht unbedingt leichter. Am Ende ging es sogar noch besser als Udos Fahrzeug-Stunt und zu aller Überraschung kam ich heil unten an.

Das waren sie, die Abenteuer der Big Seven in Afrika. Nach unserem dreiwöchigen Trip brachten wir das Auto zurück zur Vermieterin, auf deren Terrasse die Rückbank noch immer geduldig wartete. Unsere Familie war hin- und hergerissen zwischen »Juhu – es geht wieder nach Hause« und »Oh nein, müssen wir denn wirklich schon zurück?«