V - Daniela Danz - E-Book

V E-Book

Daniela Danz

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Beschreibung

Daniela Danz` 2009 erschienener Gedichtband »Pontus" war eine Sensation, er wurde mit höchstem Lob bedacht und liegt mittlerweile in der vierten Auflage vor. So wie die Autorin dort den Blick auf die Grenzen Europas, besonders im Osten, richtete, so widmet sie sich in ihrem neuen Buch dem schwierigen und fast nur mit der Chiffre »V" zu fassenden Thema Vaterland, das sie als transzendierte Heimat versteht. Sprachmächtig und formbewusst fragt Daniela Danz dem nach, was unsere Gesellschaft, was Europa zusammenhält jenseits dessen, was leicht zu haben ist.

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Seitenzahl: 37

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Daniela Danz

V

Gedichte

Die Autorin dankt dem Land Thüringen

und dem Deutschen Literaturfonds e.V.

für die Unterstützung ihrer Arbeit.

Bibliografische Information der Deutschen

Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Wallstein Verlag, Göttingen 2014

www.wallstein-verlag.de

Vom Verlag gesetzt aus der Stempel Garamond

Umschlaggestaltung: Susanne Gerhards, Düsseldorf

Druck und Verarbeitung: Hubert & Co, Göttingen

ISBN (Print) 978-3-8353-1377-4

ISBN (E-Book, pdf) 978-3-8353-2587-6

ISBN (E-Book, epub) 978-3-8353-2588-3

Wenn du eine Wand einreißt, dann musst duden Raum vor Augen haben, den du damitschaffst, nicht den Dreck, den du damit machst.

Heiner Bauer

1973-2011

DAS IST DAS LAND VON DEM MAN SAGT

dass alles hier aufhört und alles anfängt

das sind die Dörfer die im Schlaf

über mich kriechen mit schweren Sockeln

der Kirchen und bellenden Hunden

das sind die Dörfer in deren Leere

ich morgens stehe wenn ich erwache

das ist der Tau zu dem ich den Durst

noch am Abend verspürt habe

das ist das Land der kalten Dörfer

das sind die bellenden Dörfer

die sagen: wie lebst du bequem

während wir dreimal aufhören

und einmal den Anfang nicht finden

das bin ich unter der Decke

der wimmernde Hund geht nachts

durch die Dörfer seine Füße laufen

im Schlaf auf der kalten Straße

getrieben vom Gekläff der Meute

das ist das leere Land das mich

morgens bekniet und abends verbellt

das ist im Schlaf ein Dorn und da

habe ich auch die Zeit gesehen

als die Dörfer sich über mich

schleppten – sie sah nach nichts aus

aber der Zug von Nachsicht um

ihre Mundwinkel zeichnete sie aus

vor allen Gestalten des Traums:

du bist nicht gekommen sagte sie

Herbst und Mahd und einen

Kirmesburschen habe ich dir geschickt

aber du wolltest umkehren

principium

Vaterland heißt in eigentlichem und genauerm Verstande derjenige Ort, woselbst jemand gebohren worden und das Licht der Welt erblicket hat. Sonst aber und ausserdem wird dieses Wort auch gar öffters demjenigen Orte beygeleget, allwo jemand seine wesentliche Wohnung und das Bürger-Recht erlanget hat. Man hälts insgemein dafür, daß dem Menschen von Natur eine Liebe gegen sein Vaterland eingepflantzet sey, und daß in Krafft solcher Liebe er seinem Vaterlande, da ihm zumahl die erste Lufft, Nahrung und Erziehung gegeben, mit gar besondern Pflichten verbunden sey.

Zedlers Universallexikon

DIE HELDEN

Die Helden stiegen den Hügel hinauf. Sie begannen zu kämpfen. Ja, das war im Abendrot. Zuerst spalteten sie einander mit den Hellebarden die Harnische, dann die Helme, die Halsbergen und die Arm- und Beinschienen. Damit hatte das Klirren ein Ende. Die Helden kämpften lautlos weiter, die stumpfen Hellebarden hatten sie ins kniehohe Gras geworfen. Sie würgten sich selbst mit beiden Händen. Ihre langen Schatten reichten bis zu uns herab, und so ächzten wir unter ihren Griffen. Weil wir wollten, dass keiner der Helden stirbt, kämpften sie einzeln, jeder gegen sich selbst. Sie hieben ihre Fingerknöchel gegeneinander. Sie verrenkten sich die Schultergelenke und verdrehten ihre Hüften, dass uns war, als hörten wir es knacken. Da kam die Sonne hinter dem Hügel herauf, und wir gingen die Helden zu berühren nach diesem Kampf. Alles war heil an ihnen. Der Wind wehte in unseren Kleidern, die nackte Haut der Helden aber glänzte. Die Landschaft war golden, als wir uns zum Gehen wandten. Da lagen die den Hang hinabgerollten Helme und Harnische auf zerdrückten Schneckenhäusern. Als wir die Rüstungen aufhoben, waren sie voll schleimiger Leiber und die aufgehende Sonne spiegelte sich nicht wie die untergehende auf ihnen. Da endlich weinten wir.

Abends kamen wir wieder zu diesem Hügel, da waren die Helden nicht da. Wir standen von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang in der Dunkelheit und sahen den Wind die silbrigen Grasschwaden niederdrücken. Wir gingen, als die Sonne schon hoch am Himmel stand. Heute hatten wir nicht geweint.