Verbindungsfehler - Melanie Kienast - E-Book

Verbindungsfehler E-Book

Melanie Kienast

0,0
6,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Cassandra hat sich an das Leben im Internat gewöhnt. Trotzdem versucht sie immer wieder ihren eigenen Kopf durchzusetzen. Ennis gefällt diese Einstellung und er bittet sie seiner Schülerverbindung beizutreten. Er verspricht ihr, dass sie gegen ihren Erzfeind Chris kämpfen kann ohne dabei von den Dozenten erwischt zu werden. Ihre beste Freundin Lisa warnt sie davor sich mit dieser Verbindung einzulassen, doch das Angebot ist einfach zu verlockend. Mit Begeisterung tritt Cassandra dieser Verbindung bei und erfährt immer öfter am eigenen Leibe wie gefährlich diese Schülerverbindung ist. Die Mutproben, die man von ihr verlangt sind nicht gerade ungefährlich.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 390

Veröffentlichungsjahr: 2017

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Verbindungsfehler

TitelseiteDer versalzene BadespaßEs blüht so grünGanz schön übelDie WetteDumm gelaufenDie SucheNeue FüchseEin Skelett auf AbwegenLiebenswert und sturDer verlorene SchlüsselAußer KontrolleEssensschlachtJunge HitzköpfeGegenmaßnahmenDickschädel hoch zweiWas man über Autos wissen sollteDie WeiheMein Feind, der PsychologeLeben nach eigenen RegelnStrafarbeitSorgentrösterEndlich Party!Ausflug zu den WasserfällenDie Wahrheit kommt ans LichtBesuch vom SchulratAlles in bester OrdnungEin Geist im InternatAntiaggressionstrainingNebelspieleDer ReitlehrerDornröschenschlafErholsame WeihnachtenFriede und GlückseligkeitDas GeständnisPrüfungParagraph 1VerbindungsendeZwangsmaßnahmenDer letzte SchultagEndlich wieder zuhauseEpilog:-Impressum

Verbindungsfehler

Der versalzene Badespaß

Endlich Sommerferien! Cassandra hatte bereits Pläne geschmiedet was sie ihren Eltern alles antun konnte um sie auf die Palme zu bringen, denn verziehen hatte sie ihnen immer noch nicht, dass sie sie einfach in dieses Internat für schwererziehbare Kinder abgeschoben hatten. Doch leider kam es anders als gedacht. Mr. Kimberley und ihre Eltern hatten einfach beschlossen, dass sie die ersten Ferien im Internat verbringen sollte, damit sie sich an die neue Umgebung besser gewöhnen konnte. Das war so was von daneben und es hatte sie anfangs furchtbar wütend gemacht. Doch nachdem sie gründlich darüber nachgedacht hatte, redete sie sich ein dass dies für sie ein Glücksfall war. Sie würde ihre Eltern eine ganze Zeitlang nicht sehen und das war in ihren Augen wirklich super, so brauchte sie sich auch nicht über sie zu ärgern. Also beschloss sie trotzig, dass es ihr schlichtweg egal war. Wenn ihre Eltern sie unbedingt loswerden wollten. Bitte! Cass war ein Profi darin, ihre Trauer zu ignorieren und sie gab sich immer die größte Mühe diese aufwallenden Gefühle zu unterdrücken. Niemand sollte merken, wie sehr ihre Eltern sie damit verletzt hatten. Es war ganz offensichtlich, dass sie ihnen egal war und deshalb waren sie ihr jetzt auch egal. Sollten sie sich doch zum Teufel scheren. Doch zum Glück war sie nicht die einzige, die hier bleiben musste. Eine Menge Kinder waren während der Ferien im Internat, deshalb teilte der Schulleiter George Kimberley die Dozenten abwechselnd für die Ferien ein. Jeder Lehrer bekam drei Wochen, entweder die erste Hälfte oder die zweite Hälfte. So waren immer genügend Pädagogen im Internat, die auf die Kinder Acht geben konnten. Cassandra hatte sich vorgenommen, während dieser Zeit, ein paar neue Streiche auszuhecken. Wozu war es sonst schon gut, dass sie hier festsaß. Ihre beste Freundin Lisa hingegen hatte da mehr Glück, sie durfte während der Ferien nach Hause fahren. Obwohl Lisa das weniger so sah, da sie lieber mit ihrer Freundin auf Schatzsuche gegangen wäre. Aber da war leider nichts zu machen. Ihr ärgster Widersacher Chris war bedauerlicherweise noch da, was sie total zum Kotzen fand. Vielleicht war sie ja mit einem Fluch belegt oder sie hatte versehentlich in Idiotenkleber gebadet. Irgendeinen Grund musste es doch für dieses Pech geben. Es ärgerte sie, dass alles in ihrem Leben einen faden Beigeschmack hatte. Die schönen Dinge des Lebens wurden ihr immer nur für einen kurzen Moment gewährt und dann „Paff“, war alles wieder vorbei. Cassandra seufzte schwermütig. Sie fühlte sich so einsam und verlassen und es gab nur eine Möglichkeit dieses gähnende Loch in ihrem Inneren zu stopfen. Sie musste unbedingt jemandem einen Streich spielen. Deshalb zog sie los und ließ ihre Blicke über das Gelände wandern. Sie wunderte sich wie viele Kinder in den Ferien hier geblieben waren. Mindestens drei Dutzend Schüler tummelten sich an diesem zweiten Ferientag draußen in der Sonne. Einigen lagen im sonnengewärmten Gras und ließen es sich gut gehen, manche Kinder spielten trotz der Hitze Soccer und der Rest planschte im Schwimmbad. Diese Idee war gar nicht so schlecht. Das kühle Nass würde ihr bei der drückenden Hitze richtig gut tun. Vor allem machte das Toben mit so wenigen Kindern im Wasser doppelt so viel Spaß. Man hatte ausreichend Platz und konnte in aller Ruhe seine Bahnen ziehen oder einfach nur wie wild herumtoben. Cassandra war nicht der Typ dafür um in Ruhe ein paar Bahnen zu ziehen, sie brauchte es sich auszutoben, damit es ihr besser ging. Rasch war sie umgezogen und hüpfte auch schon fröhlich in das kühle Nass. Ausgelassen planschte sie herum, ohne Rücksicht auf die anderen Kinder. In ihrer Welt hatten sich die anderen ihr unterzuordnen, darüber gab es keine Diskussion. Sie war um einiges stärker als die meisten Kinder und sie hatte keine Probleme damit ihre Meinung durchzusetzen, egal auf welchem Weg. Plötzlich kam ihr eine großartige Idee. Wassertretend sah sie sich neugierig um, um die Lage zu checken. Mr. McCall hatte heute Aufsicht, und das passte wirklich sehr gut. Er konnte sicher ein wenig Spaß vertragen. Zu gerne würde sie ihn mal lachen sehen. Er sah immer so angespannt aus, als würde er jeden Moment den Weltuntergang erwarten. Und damit er diese ernste Haltung endlich einmal ablegte, wollte sie einen Krampf vortäuschen und dann so tun, als ob sie ertrank. Wie lange es wohl dauern würde bis er etwas unternahm? Cass grinste still vor sich hin. Das würde ein Heidenspaß werden. Das würde ein wenig Pepp in sein Leben bringen. Kaum hatte sie den Gedanken zu Ende gedacht, fing sie auch schon mit ihrer Show an. Der scheinbare Krampf dauerte nur kurz, bevor sie untertauchte und kurze Zeit später als vermeintlich Ertrunkene, mit dem Gesicht nach unten, wieder an die Oberfläche trieb. Sie hoffte, dass es nicht allzu lange dauerte bis sie gerettet wurde, da sie schließlich nicht ewig die Luft anhalten konnte. So war es dann auch. David McCall sah mit Schrecken den scheinbar leblosen Körper und hechtete mit voller Montur ins Wasser. Schnell zog er die Schülerin aus dem Schwimmbecken und strich ihr die Haare aus dem Gesicht, um mit der Mund-zu-Mund-Beatmung zu beginnen. Als er gerade mit der Wiederbelebung beginnen wollte spuckte Cassandra ihm eine ganze Ladung Wasser ins Gesicht und fing laut an zu lachen. Mr. McCall bot schon einen lächerlichen Anblick, als er in seinem klatschnassen Anzug vor ihr stand. Außerdem fand sie die Mimik des Dozenten außerordentlich lustig. Erst Überraschung, dann Entsetzen und dann verdunkelte sich sein Gesicht schlagartig.

„Bist du noch ganz bei Trost? Findest du das etwa komisch?“ Auch Cassandras Miene wurde schlagartig ernst, da sie nicht verstand warum Mr. McCall mit ihr schimpfte. Verstand denn hier an dieser Schule niemand Spaß? Dem schien nicht so zu sein, denn er schimpfte immer weiter. „Meinst du dich rettet noch mal jemand, wenn du wirklich in Gefahr bist! Verdammte Göre! Los mitkommen!“ David zerrte Cassandra grob auf die Beine und zog sie hinter sich her. Er konnte einfach nicht verstehen wie jemand so geschmacklos sein konnte. Gab es auf der Welt nicht schon genug elend ohne dass dieses Mädchen seinen Senf dazu gab? Das war für ihn völlig unverständlich. Mürrisch versuchte Cass sich zu befreien. Schließlich hatte sie sich nur einen Spaß erlaubt. Was war denn schon dabei, wenn man bei der Hitze ein wenig nass wurde? Mr. McCall sollte froh sein, dass sie ihm trotz seiner Aufsichtspflicht ein wenig Abkühlung verschafft hatte. Doch sie wagte es nicht das laut auszusprechen, da sie merkte, wie kurz sie vor einer Ohrfeige stand. „Ey Mann, ziehen sie nicht so an mir. Ich bin nicht ihr Hund!“, motzte sie. David blieb stehen und blickte sie bitterböse an. Anscheinend wollte Cassandra ihn aus irgendeinem Grund provozieren. „Pass lieber auf dein freches Mundwerk auf, sonst hast du nämlich gleich mehr Ärger, als dir lieb ist!“, presste er ärgerlich zwischen den Zähnen hervor. Erbarmungslos zog er sie weiter. Er war wirklich wütend. Wie konnte dieses Mädchen nur ständig so unbedacht handeln. Am liebsten hätte er es kräftig geschüttelt, bis es zur Vernunft kam. Die anderen Kinder hatten sich viel schneller hier integriert und sich an die Regeln gewöhnt, als Cassandra. Sie war wirklich außergewöhnlich hartnäckig und verdammt dickköpfig. Als Beau ihnen unterwegs begegnete bat David ihn darum, die Aufsicht am Schwimmbecken zu übernehmen, da er noch etwas zu erledigen hatte. Mit verärgerter Miene deutete er auf Cassandra, die immer noch in seinem Griff hing. Beau musterte seinen nassen Kollegen und die grimmig dreinblickende Schülerin und versprach, die Beaufsichtigung zu übernehmen. Er konnte sich ungefähr denken was passiert war und schüttelte nur den Kopf. Cassandra war wirklich ein schwieriger Mensch. Dickköpfig und uneinsichtig waren nur zwei der Eigenschaften, die sich bei ihr besonders hervortaten. Immer wieder brachte sie sich durch ihre Unbedachtheit in Schwierigkeiten und sah nicht einmal im Nachhinein ein, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Er fragte sich, ob sich das jemals ändern würde, denn wenn dem nicht so war, dann hatte sie einen langen und sehr schwierigen Lebensweg vor sich. Willig ließ sich Cassandra von Mr. McCall weiterziehen ohne dumme Kommentare von sich zu geben. Es erschien ihr klüger den Mund zu halten, denn der Dozent sah aus als hätte er in eine Zitrone gebissen. Als sie endlich in der Vorhalle der Burg waren, ließ er sie wieder los. „Geh und zieh dir trockene Sachen an und danach will ich dich sofort in meinem Büro sehen!“ Cassandra trottete murrend davon. Ihr war das Lachen vergangen. Sie konnte nicht verstehen wie jemand so griesgrämig sein konnte, schließlich hatte sie nur einen Spaß gemacht um ihn ein wenig aufzuheitern. „Mein Gott, was regt der sich so auf. Es ist doch nichts passiert“, motzte sie leise vor sich hin. Trotzdem lief sie rasch in ihr Zimmer, trocknete sich ab, zog Hose und Shirt an und lief schnurstracks zum Büro des Dozenten. Bei dieser schlechten Laune wollte sie ihn nicht allzu lange warten lassen. Wer weiß was ihm in der Zwischenzeit alles für Strafen einfielen. Das wollte sie auf gar keinen Fall riskieren. Als sie in das Zimmer trat, sah sie, dass Mr. McCall sich inzwischen auch umgezogen hatte. Streng blickte er sie an. „Setz dich!“ Cass verdrehte die Augen, nahm aber dennoch Platz, da sie nicht genau wusste was er vorhatte. An diesem Internat war echt Vorsicht geboten. Bei den Lehrern wusste sie nie woran sie gerade war. „Kannst du mir mal sagen was du dir dabei gedacht hast, verdammt noch mal? Findest du es witzig, wenn ich dich für tot halte?“ David war wirklich wütend über dieses rücksichtslose Verhalten. Er konnte sich beim besten Willen nicht erklären wie jemand überhaupt auf so eine verrückte Idee kam. Verständnislos zuckte Cass mit den Achseln. Sie verstand es einfach nicht. Sie lebte schließlich noch, da es sich ja nur um einen Scherz gehandelt hatte. „Regen sie sich doch nicht so künstlich auf, nur weil sie nass geworden sind“, motzte sie mürrisch und hielt ohne weiteres dem gereizten Blick stand. Sie war auch sauer, weil sie ständig eins auf die Mütze bekam wenn sie sich einen Spaß erlaubte. David hämmerte wütend mit seiner flachen Hand auf den Schreibtisch und Cassandra zuckte erschrocken zusammen. „Verdammt noch mal Kind, weißt du eigentlich worum es hier geht? Es ist mir egal, ob ich nass geworden bin! Aber ich kann es nicht ausstehen, wenn ich mir deinetwegen Sorgen mache, und du mich auf den Arm nimmst!“ Brummig sah sie ihn an und verschränkte beleidigt ihre Arme vor der Brust, schließlich hatte sie nichts Schlimmes getan. „Dazu sind sie mir zu schwer“, maulte sie gekränkt und blickte Mr. McCall dabei düster an. Davids Gesicht nahm erneut zornige Züge an. Er konnte es nicht leiden, wenn jemand respektlos mit ihm umsprang. „Wie bitte?“, hakte er mit messerscharfer Stimme nach und nahm sich ein Toffee Bonbon aus einer Schachtel, damit er ein wenig zur Ruhe kam. Cassandra machte sich nach der zornigen Frage auf ihrem Stuhl ganz klein und schüttelte den Kopf. Sie wollte nicht noch mehr Ärger. Es war schon schlimm genug, dass ihr Mund schneller war als ihr Kopf. „Gar nichts, ist schon gut“, flüsterte sie. David kochte vor Wut. Musste er diesem Kind eigentlich jeden vernünftigen Gedanken mit einem Holzhammer einprügeln? Er wusste, dass sie nicht dumm war, aber manchmal handelte sie einfach so unbedacht, als wäre es ihr egal was andere empfanden. „Kannst du mir mal verraten was eigentlich dein Problem ist? Musst du immer im Mittelpunkt stehen oder hast du so extreme Langeweile?“ David wartete die Antwort gar nicht erst ab, sondern fuhr einfach in seiner Ausführung fort. „Gegen beides habe ich ein sehr wirksames Mittel. Du wirst in den Ferien arbeiten. Morgen kommt der Gärtner, um neue Blumen und Sträucher zu pflanzen. Du wirst ihm dabei zur Hand gehen und zwar die gesamte Ferienzeit. Bei der riesigen Grünfläche, die wir hier haben, bist du damit hoffentlich den ganzen Tag beschäftigt.“ Empört sprang Cassandra auf, da sie diese Strafe als total ungerecht empfand, schließlich hatte sie sich nur einen Spaß erlaubt. „Auf gar keinen Fall, ich habe Ferien! Ich sehe überhaupt nicht ein, wegen eines so kleinen Spaßes einer Strafarbeit nachzugehen!“ David ging auf diesen Einspruch gar nicht mehr ein. Er hatte genug davon sich mit einer Schülerin über einen dermaßen makabren Scherz zu streiten. Kühl blickte er sie an. „Du kannst gehen Cassandra und Morgen um Punkt acht Uhr erscheinst du bei mir, damit ich dir deine Arbeit zuweisen kann.“ Zornig stampfte sie mit dem Fuß auf den Boden. Das würde sie sich nicht gefallen lassen, das war doch reine Schikane. „Haben sie mir nicht zugehört? Ich mache das nicht!“ Wütend blickte sie ihm in die Augen und hielt seinem gereizten Blick mit Mühe stand. Mr. McCall war kurz davor die Beherrschung zu verlieren, das sah sie ihm genau an. „So? Ich glaube eine zusätzliche Strafe täte dir ganz gut. Für den Rest des Jahres darfst du nicht mehr ins Schwimmbad. Möchtest du sonst noch irgendwelche Anmerkungen machen?“ Herausfordernd sah er sie an. Er erwartete einen weiteren Wutausbruch oder eine Verweigerung der Strafe, doch dazu war Cassandra zu fassungslos. „Das ist... das... Sie sind so... gemein, wo es doch so heiß draußen ist“, stammelte sie und unterdrückte mit Mühe ihre Tränen. „Das hättest du dir vorher überlegen sollen. Wir sehen uns Morgen Punkt acht Uhr. Ich rate dir, deine Strafe anzutreten und zwar pünktlich, sonst wirst du mich kennenlernen.“ Drohend hob er seinen Zeigefinger. „Was ich dann mit dir machen werde, würdest du deinem ärgsten Feind nicht wünschen. Ich hoffe wir verstehen uns?“ Eingeschüchtert nickte Cassandra. Sie hatte Angst, sich vorzustellen, was er mit ihr machen wollte, wenn sie sich weiter weigerte. Sie hatte ihn immer für einen ruhigen und nachsichtigen Menschen gehalten, aber die Ohrfeige, die sie im Freizeitpark kassiert hatte, hatte sie noch nicht vergessen. Mittlerweile traute sie ihm alles zu und das schürte ihre Angst noch ein wenig mehr. Schluchzend rannte sie raus ins Freie und kletterte auf ihren Baum, um sich ihrem Selbstmitleid hinzugeben. Die Lehrer hatten etwas gegen sie, und schuld daran waren nur ihre Eltern, schließlich hatten sie sie hierher geschickt. „Ich werde sie umbringen, wenn ich wieder bei ihnen bin, das schwöre ich!“, fauchte sie ungehalten und schlug wütend vor den Baumstamm. Bitterlich fing sie an zu weinen. Sie war so unendlich sauer auf alles und jeden. Wieso gab es niemanden, der sie verstand und Mitleid mit ihr hatte? Keinen kümmerte es, dass sie hier seelisch gequält wurde. Sie fühlte sich so einsam, verlassen und leer und eine tiefe Trauer breitete sich in ihr aus. Sie hatte es so satt anderer Leute Marionette zu sein. Sie musste daran unbedingt etwas ändern. Ihr musste nur ein guter Plan einfallen. Dieses Leben war nicht nach ihrem Geschmack und deshalb musste sie es unbedingt ändern. Jetzt hatte sie nicht einmal die Möglichkeit nach Hinweisen für die Schatztruhen zu suchen. Lisa würde bestimmt mächtig enttäuscht sein, wenn sie aus den Ferien zurückkam.

Bis zum späten Abend saß sie auf ihrem Baum und grübelte über ihr Leben nach. Es fuchste sie, dass sie einfach nicht gegen die Lehrer ankam. Immer zog sie den Kürzeren, weil es hier die Prügelstrafe gab und jedermann glaubte ihr damit drohen zu müssen. Was konnte sie nur machen, um von hier wegzukommen? All ihre Gedanken kreisten nur noch um ein Thema: Flucht aus diesem Gefängnis. Dann fiel ihr plötzlich ein, dass Lisa sicher enttäuscht wäre, wenn sie aus den Ferien kam und sie weg wäre. Nein, sie musste diesen Gedanken verdrängen und erst wieder anfangen zu planen, wenn Lisa zurück war. Sie wollte sich auf jeden Fall von ihrer Freundin verabschieden, bevor sie verschwand. Das war ein ungeschriebenes Gesetz, welches sie unbedingt einhalten wollte.

Es blüht so grün

Pünktlich am nächsten Tag klopfte Cassandra mürrisch bei Mr. McCall an die Tür. Sie war immer noch total angepisst über die Art und Weise wie er sie behandelt hatte. Sie fand es echt gemein, wenn Erwachsene ihre Überlegenheit zum Ausdruck brachten. Auch wenn sie nur eine Schülerin war so hatte sie doch ein Recht auf ihre Meinung ohne dass sie deshalb gleich eine Strafe aufgebrummt bekam. David öffnete und blickte sie kühl an. „Schön dass du dich entschieden hast, auf meinen Rat zu hören. Dann lass uns mal loslegen.“ Er legte ihr eine Hand auf die Schulter, um einer eventuellen Flucht vorzubeugen, doch das konnte Cassandra überhaupt nicht leiden. Mit düsterer Miene streifte sie den Arm wieder ab und gab zu erkennen, dass sie freiwillig mitkam. Achselzuckend nahm David sie mit nach draußen und stellte sie dem Gärtner vor. „Das ist Cassandra Benedict, sie wird ihnen in den Ferien zur Hand gehen.“ Dann wandte er sich wieder an Cassandra. „Jason Williams ist unser Gärtner, der sich um die Grünanlage im Internat kümmert. Hier gibt es immer viel zu tun, da kommt sicher keine Langeweile auf“, lächelte er kalt. „Er wird dir zeigen, was zu tun ist. Benimm dich und mach keine Dummheiten.“ Cassandra nickte grimmig und Jason bedeutete ihr mitzukommen. „Na, dann wollen wir mal. Du kannst damit anfangen, den Rasen zu mähen“, erklärte er freundlich. „Okay, Mr. Williams“, seufzte sie. „Du kannst mich ruhig Jason nennen, wir sind schließlich ein Team. Ich zeige dir mal in welchem Verlauf du den Rasenmäher führst, damit es schön aussieht und du nichts doppelt mähst.“ Cassandra war Jason dankbar, dass er nicht danach fragte was sie angestellt hatte. Sie hatte absolut keine Lust darüber zu reden. Es war schon schlimm genug, dass sie für so einen kleinen Spaß so gemein bestraft worden war. Es war schließlich nicht ihre Schuld, dass Mr. McCall keinen Spaß verstand. Aufmerksam hörte sie dem Gärtner zu, der sehr nett zu sein schien, und fing danach an die Maschine über den Rasen zu schieben. Was ihr anfangs noch gut von der Hand ging, fiel ihr nach zwei Stunden schon ziemlich schwer. Sie hatte den Eindruck, dass die Rasenfläche immer größer und größer wurde. Sie hatte keine Ahnung wie viel Hektar Land zu dem Internat gehörte aber das meiste davon war mit Rasen bedeckt. Cassandras Arme und Beine fingen an zu schmerzen und sie fragte sich, ob Jason diese Arbeit immer alleine machen musste. Vielleicht war er hier genauso gefangen wie sie. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er das freiwillig tat, dazu war er viel zu nett. Als er ihr dann auch noch erzählte, dass er Landschaftsgärtner war, brach für sie eine Welt zusammen. Hatte sie doch gedacht, bei diesem Beruf sei sie immer nur von schönen Blumen umgeben und andere würden die Arbeit ausführen, die sie ihnen auftrug. Deshalb stand dieser Beruf ab sofort nicht mehr auf ihrer Wunschliste. Sie würde bestimmt noch Alpträume vom Rasenmähen bekommen. Sie hasste diese Arbeit und wünschte Mr. McCall die Pest an den Hals. In der Mittagspause, schleppte sie sich in den Speisesaal und fiel schwer auf ihren Stuhl. Leise stöhnte sie vor sich hin, weil ihre Beine schmerzten und außerdem war ihr furchtbar heiß. Kraftlos stopfte sie ihr Essen in sich hinein und trank gierig ihre Cola. Sie war anscheinend völlig ausgetrocknet von dem heißen Wetter. Zwischendurch tauchte dann auch noch Chris an ihrem Tisch auf und bombardierte sie mit spöttischen Kommentaren, was ihr natürlich sauer aufstieg. Was hatte sie auch erwartet. Klar hatte er jede Menge Spaß daran, dass sie in den Ferien arbeiten musste. Schließlich waren sie Feinde. Cassandra kümmerte sich nicht darum, da sie viel zu müde war. Immer wieder fielen ihr die Augen zu und sie drohte einzuschlafen. Plötzlich durchschnitt eine kalte Stimme ihren Dämmerzustand und sie war augenblicklich wieder wach. „Du bist nicht zum Schlafen hier! Ab Marsch nach draußen, es gibt noch viel zu tun!“ Mr. McCall zeigte strafend Richtung Tür. Cassandra blickte ihn bitterböse an, erhob sich trotzdem erschöpft und schleppte sich wieder nach draußen, um mit ihrer Arbeit fortzufahren. Sie konnte sich nicht einmal großartig darüber aufregen, weil sie völlig geschafft war. Nur noch mühsam ging ihr die Arbeit von der Hand. Sie war wirklich den Tränen nahe, weil Mr. McCall kein Erbarmen zeigte. Konnte er ihr nicht wenigstens einen kleinen Augenblick der Ruhe gönnen? Sie hatte nicht gewusst wie gemein dieser Lehrer sein konnte, da sie sich nach wie vor keiner Schuld bewusst war. Irgendwann kam Jason auf sie zu, der mehr Mitleid zeigte, als David. Er sah wie fertig sie war und wollte nicht, dass sie irgendwann einfach zusammenbrach. „Komm mach mal Pause, du bist ja völlig entkräftet. Setz dich in den Schatten eines Baumes und ruh dich ein wenig aus. Ich mache solange weiter.“ Dankbar nickte Cassandra und setzte sich unter eine hohe und schattenspendende Buche. Kurz darauf war sie bereits eingeschlafen und träumte wie sie mit dem Rasenmäher über dem Boden schwebte und in Sekundenschnelle ihre Arbeit erledigt hatte. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht denn sie freute sich darüber, dass sie nun endlich fertig war. Wie lange sie geschlafen hatte wusste sie nicht, aber geweckt wurde sie durch eine scharfe Stimme. „Solltest du nicht bei der Arbeit sein? Warum liegst du hier faul rum?“ Erschrocken sprang sie auf und blickte verlegen in Mr. McCalls Gesicht. Obwohl sie nichts verbrochen hatte, bekam sie ein schlechtes Gewissen. „Ich – ich – ich...“, stammelte sie, in dem hilflosen Versuch sich zu erklären. Irgendwie klebte ihr die Zunge am Gaumen, da ihr Mund mit einem Mal sehr trocken war. David schüttelte missbilligend den Kopf. „Reiß dich mal zusammen und antworte gefälligst anständig!“, schimpfte er. Befangen blickte sie ihn an und schluckte ihren Kloß im Hals runter. Anscheinend konnte sie ihm momentan gar nichts recht machen. „Jason hat mir gesagt, ich soll eine Pause machen“, würgte sie trocken hervor und machte dabei einen ziemlich schuldbewussten Eindruck. David verengte misstrauisch seine Augen und taxierte sie eingehend. Er war sich nicht sicher, ob das der Wahrheit entsprach und das fiel auch Cassandra auf. „Das hat er wirklich gesagt. Sie können ihn fragen“, verteidigte sie sich ängstlich und hoffte auf ein wenig Verständnis. David entschloss sich ihr zu glauben, da sie auf ihn ausnahmsweise wirklich unschuldig wirkte. „Nein, ich glaube du sagst die Wahrheit“, meinte er milder gestimmt. „Dann kannst du dich ja jetzt wieder an die Arbeit machen.“ Cass nickte heftig und rannte schleunigst davon. Sie wollte schließlich nicht schon wieder Ärger bekommen. Ihr Herz klopfte immer noch heftig in ihrer Brust vor lauter Not und Angst, dass der Dozent ihr nicht hatte glauben können.

<<<<<<>>>>>> 

Die ganzen Ferien arbeitete Cassandra mit Jason an der Grünanlage. Jeden Abend fiel sie todmüde in ihr Bett und schlief sofort ein. Sie kam nicht einmal dazu nach dem geheimnisvollen Schatz oder dem Geheimgang zu suchen. Am schlimmsten war es für sie, als es eines Tages so heiß war, dass sie das Gefühl hatte schmelzen zu müssen. Sehnsüchtig blickte sie zum Schwimmbad in dem die anderen Kinder tobten. Die hatten so viel Spaß und sie durfte nur dabei zusehen. Eine so tolle Abkühlung bei diesem Wetter wäre jetzt absolut der Wahnsinn. Mit einem Mal fühlte sie sich so ausgetrocknet und durstig, so als wäre sie stundenlang durch die Wüste gerannt ohne etwas zu trinken. Mehrmals leckte sie sich über ihre Lippen, aber das Gefühl änderte sich nicht. Cassandra seufzte und ließ die Schultern hängen. Sie wollte auch schwimmen und sich im Schwimmbad vergnügen, sowie die anderen Kindern. Warum hatte sie auch ihre freche Klappe nicht halten können. Plötzlich stolzierte Chris mit einem hämischen Grinsen im Gesicht an ihr vorbei und ließ die Bemerkung fallen, dass er sich jetzt ins kühle Nass stürzen würde, weil er es durfte. Mit schadenfrohem Gesicht nahm er Anlauf und sprang mit einem lauten Platschen ins Wasser. Cassandra fragte sich woher dieser Idiot wissen konnte, dass sie nicht schwimmen durfte. Mr. McCall hatte es ihm mit Sicherheit nicht erzählt. Vielleicht hatte Chris auch nur eins und eins zusammengezählt und sonnte sich jetzt in ihrem Ärger. Sauer beobachtete sie wie er mit seinem blasierten Gesichtsausdruck im Becken planschte. Er schien eine Menge Spaß zu haben, während er sich mit einigen Kindern eine Wasserschlacht lieferte. Sie fragte sich, ob sie sich einfach unter die anderen Schüler mischen sollte. Vielleicht merkte es ja niemand. Die Aufsicht hatte heute Miss Taylor und der würde das bestimmt nicht auffallen. Cass, die im Sommer immer einen Badeanzug unter ihrer Kleidung trug, sprang aus ihren Sachen und pirschte sich an das Schwimmbecken heran, immer darauf bedacht die Dozentin im Auge zu behalten. Die Taylor war so damit beschäftigt ein paar Streithähne auseinanderzubringen, dass sie Cassandra nicht bemerkte. Doch die Gefahr kam auch diesmal nicht von vorne, sondern von hinten. Mr. Kimberley, der ab und zu draußen nachsah, ob alles in Ordnung war, pfiff sie zurück. „Versuchst du dich etwas ins Schwimmbad zu schleichen?“, fuhr er sie an. Cass zuckte wie unter einem Peitschenhieb zusammen und drehte sich mit schuldbewusstem Gesichtsausdruck um. Flehend blickte sie ihn an und verknotete nervös ihre Finger. „Es ist doch so schrecklich heiß, und da wollte ich mich nur kurz abkühlen.“ „Tut mir leid, aber Strafe muss sein, und wage es nicht noch einmal, dich darüber hinwegzusetzen. Hast du mich verstanden?“ Cassandra versuchte erst gar nicht den Schulleiter umzustimmen und nickte seufzend. Mit hängendem Kopf schlich sie davon und war den Tränen nahe. Was hatte sie sich da nur wieder eingebrockt? Und das alles nur wegen dieser Spaßbremse von Lehrer. Wütend schlug sie vor einen Baum in ihrer Nähe und zog ihre Sachen wieder an. Das würde Mr. McCall noch bereuen. Er war schuld daran, dass sie in den Ferien arbeiten musste und nicht einmal schwimmen durfte. Sobald Lisa wieder da war würde sie ihm einen furchtbaren Streich spielen. Niemand durfte so gemein mit ihr umgehen. Verärgert ging sie weiter ihrer Arbeit nach und hoffte, dass die letzten Wochen der Ferien schnell vorübergingen. Trübes Wetter wäre auch nicht schlecht, damit sie den anderen Kindern nicht bei deren Vergnügen zuschauen musste. Doch bedauerlicherweise erfüllte sich dieser Wunsch nicht.

Ganz schön übel

Endlich war es dann aber doch soweit und die Ferien neigten sich ihrem Ende zu und damit auch ihre Strafe mit der Gartenarbeit. Cassandra hatte einen Muskelkater, der sich gewaschen hatte. Ihrer Meinung nach musste sie nun Muskeln wie der Hulk haben. Jedenfalls fühlte es sich so an. Als Lisa dann wieder da war, erzählte sie ihr von dem misslungenen Spaß und wie wütend sie auf Mr. McCall war. „Der ist doch voll die Spaßbremse!“, ereiferte sie sich. „Da wollte ich diesen Idioten mal aufheitern und dann verdonnert er mich zur Zwangsarbeit! Das ist doch voll daneben. Und nach Hinweisen zu unseren Schatztruhen oder dem Geheimgang konnte ich auch nicht suchen. McCall hat mir die ganzen Ferien versaut!“

Lisa schüttelte ungehalten den Kopf, denn sie war völlig anderer Meinung. „Warum machst du nur so etwas Gemeines. Ausnahmsweise muss ich Mr. McCall mal Recht geben, das ist überhaupt nicht witzig. Du solltest dich was schämen.“ Enttäuscht sah Cassandra sie an. Hatte sie doch geglaubt eine Gleichgesinnte vor sich zu haben. Verstand in ihrer Nähe eigentlich niemand mehr Spaß? Oder wurde jeder in diesem Internat automatisch nach längerem Aufenthalt stumpfsinnig. Sie konnte sich diesen Sinneswandel einfach nicht erklären. „Schließlich lebe ich noch“, motzte sie beleidigt und verschränkte schmollend die Arme vor der Brust. „Und außerdem war das doch nur ein kleiner Spaß.“ „Lass es dir von mir gesagt sein, es ist nicht witzig, einen geliebten Menschen irgendwo tot liegen zu sehen!“, fuhr sie auf. Tränen liefen ihr in kleinen Sturzbächen über das Gesicht und tropften wie schwermütige kleine Wassergeister zu Boden. Sie sah Lisa an wie sehr sie diese Vorstellung mitnahm und das brachte den Verdacht mit sich, dass sie so etwas schon einmal erlebt hatte. Vorsichtig hakte Cassandra nach und strich ihr mitfühlend über die Schulter. „Ist dir so etwas schon mal passiert?“ Lisa wischte die tröstende Hand grob von ihrer Schulter und schlug sich die Hände vors Gesicht. „Mein Bruder lag tot in der Badewanne“, schluchzte sie und brauchte einen Moment ehe sie weitersprechen konnte, da sie von einem heftigen Weinkrampf geschüttelt wurde. „Er hatte sich die Pulsadern aufgeschnitten.“ Cassandra konnte das nicht länger mit ansehen. Tröstend zog sie ihre Freundin in den Arm und strich ihr immer wieder besänftigend über den Rücken. Es musste schlimm sein so eine Erfahrung zu machen. Manche Dinge sollte ein junger Mensch einfach nicht erleben und der Selbstmord eines nahen Verwandten gehörte definitiv dazu. „Das tut mir ehrlich leid. Hätte ich dir bloß nichts von meinem Streich erzählt. Ich wollte keine alten Wunden aufreißen.“ Grob befreite sich Lisa aus der Umarmung und funkelte sie böse an. „Du hättest Mr. McCall besser gar nicht erst diesen Schock versetzt“, meinte sie enttäuscht und ging ein paar Schritte zurück. Sie war stinksauer und hätte am liebsten um sich geschlagen. Verzagt verknotete Cassandra ihre Finger. Sie verstand einfach nicht was mit Lisa los war. Vielleicht saß ihr der Schock immer noch in den Knochen, weil sie ihr eigenes Leid nicht vergessen konnte. „Dein Leid verstehe ich ja, aber für Mr. McCall bin ich doch kein geliebter Mensch. Was interessiert es ihn, ob ich ertrinke?“ Entsetzt blickte Lisa ihre Freundin an. Sie konnte einfach nicht glauben was sie da hörte. Ob Cassandra überhaupt merkte was sie da sagte? „Spinnst du jetzt völlig? Die Dozenten hier kümmern sich wirklich gut um uns und sie haben echtes Interesse an jedem einzelnen Schüler! Du musst dich bei ihm entschuldigen, sonst rede ich kein Wort mehr mit dir!“ Ärgerlich warf sie ihren Kopf zurück und rannte davon. Cassandra blieb verstört zurück und blickte Lisa nachdenklich hinterher. Sie wusste nicht was sie davon halten sollte. Was meinte sie damit, dass die Dozenten Interesse an den Schülern hätten? Es war schließlich nur ein Job wie jeder andere. Außerdem waren sie immer gemein und ungerecht. Sie wollten ständig nur die Gewinner sein und das war auch schon alles. Grübelnd ging sie zu ihrem Baum und kletterte hinauf. Sie musste dringend alleine sein um in Ruhe über dieses Gespräch nachzudenken. Sie suchte sich eine bequeme und stabile Astgabelung und kuschelte sich an den Stamm. Genießen konnte sie das jedoch nur für einen kurzen Moment. Sie saß noch nicht lange dort oben, als Mr. McCall unter dem Baum auftauchte. „Cassandra, komm doch bitte mal runter, ich möchte mit dir reden.“ Murrend kletterte sie wieder hinunter. Sie konnte nicht verstehen warum dieser Lehrer sie nicht einmal in Ruhe ließ. „Stell dich nicht so an und komm mit“, brummte David. Beleidigt zuckte Cass mit den Schultern und folgte ihm mit in den Taschen vergrabenen Händen. Sie hatte echt keine Lust auf ein blödes Gespräch mit einem blöden Lehrer, aber ändern konnte sie das auch nicht so lange sie hier in diesem Internat gefangen war. Im Büro angekommen kam David sofort zur Sache, da er nicht um den heißen Brei reden wollte. Er wollte noch mal versuchen zu Cassandra vorzudringen und ihr klarmachen wie makaber dieser Scherz gewesen war. „Da deine Strafe nun vorbei ist, wollte ich mit dir noch einmal über deinen sogenannten Spaß reden. Ich bitte dich so einen makabren Scherz nie wieder zu treiben. Du hast mir damit einen ganz schönen Schrecken eingejagt junge Dame.“ Stirnrunzelnd sah Cass ihn an und legte nachdenklich ihren Kopf schief. Sie verstand immer noch nicht warum er sich angeblich Sorgen um sie machte. Deshalb nahm sie all ihren Mut zusammen, und fragte ihn danach.

„Mr. McCall?“ David blickte sie mit hochgezogenen Augenbrauen fragend an und sie sprach schnell weiter, ehe sie der Mut verließ. „Warum interessiert es sie eigentlich, ob ich lebe oder tot bin? Ihnen kann das doch egal sein.“ Die Augenbrauen des Dozenten zogen sich wie eine Gewitterfront zusammen und Cass wurde mit einem Mal auf ihrem Stuhl ganz klein. Anscheinend war diese Frage nicht angebracht gewesen und wahrscheinlich hatte sie sich nun schon wieder eine Strafe eingebrockt. „Aber sonst geht es dir noch gut, ja? Jeder Schüler ist mir wichtig. Was glaubst du, weshalb ich diese Arbeit hier mache? Ich versuche euch zu vermitteln was Leben heißt, und dass kann ich nur wenn ich an das glaube was ich mache. Die Kinder in diesem Internat sind wie eine Familie für mich und ich will nicht, dass ihnen etwas geschieht. Verstehst du das wenigstens ein bisschen?“ Cassandra nickte verlegen und fühlte plötzlich eine angenehme Wärme in sich aufsteigen. Es gab tatsächlich Erwachsene denen sie wichtig war und das gab ihr ein Gefühl der Zugehörigkeit. Sie fühlte sich glücklich und traurig zugleich. Da war ein Erwachsener, der sie mochte und sie hatte ihn vor den Kopf gestoßen. Zerknirscht blickte sie ihm in die Augen und schluckte ihren Kloß im Hals hinunter. „Es tut mir leid, wenn ich sie erschreckt habe. Ich werde so etwas bestimmt nicht wieder machen, versprochen.“ Sie hatte plötzlich ein schrecklich, schlechtes Gewissen. Sie hatte eine Dummheit gemacht und war auch noch wütend über die Strafe gewesen. Gedankenversunken verließ sie das Büro und David blickte ihr stumm hinterher. Ihr schien es wirklich leid zu tun, aber warum handelte sie stets so gedankenlos? Vielleicht waren das einfach nur die ganz normalen Probleme eines Jugendlichen welche sich mit der Zeit hoffentlich legten. Er nahm sich eine Schachtel Toffee Bonbons aus seinem Schrank und fing an zu essen. Cassandra war für ihn wie ein Buch mit sieben Siegeln.

Die Wette

Cassandra hatte sich inzwischen zwar an das Internat gewöhnt, spielte aber trotzdem immer noch mit dem Gedanken zu fliehen. Ihr war es einfach zuwider in diesem Internat gefangen zu sein, egal wie nett die Lehrer auch schienen. Sie wollte frei sein und ihr eigenes Leben leben völlig ohne Regeln. Leider wusste sie nicht wie sie aus diesem Gefängnis fliehen konnte. Sie sah einfach keine Möglichkeit. Vielleicht konnte sie fliehen, wenn sie den Geheimgang fand. Leider wusste sie einfach nicht wo sie danach suchen sollte. Selbst Lisa hatte die Suche inzwischen aufgegeben. Sie war der Meinung, dass irgendwer die Schlüssel hergestellt hatte um sie in die Irre zu führen. Cass seufzte, aber ohne konkrete Hinweise würden sie die Schatztruhen sowieso nicht finden. Es war zwar schade, aber anscheinend musste sie diesen Traum sausen lassen. Momentan war es ihr sowieso wichtiger aus dem Internat zu fliehen und dabei kam ihr tatsächlich der Zufall zu Hilfe.

Der Unterricht war längst vorbei und die meisten Schüler befanden sich draußen auf dem Hof und amüsierten sich. Plötzlich gab es einen großen Tumult und alle die das mitbekamen rannten in die Richtung des Geschehens. Auch Cassandra und Lisa waren neugierig und versuchten sich durch die Menschentraube nach vorne zu drängen. Dort standen Miss Taylor und Mr. McCall, die einen um sich tretenden Jungen festhielten. Soweit Cassandra das Gespräch verfolgen konnte, hatte der Junge versucht aus dem Internat zu fliehen und sollte jetzt zum Direktor gebracht werden. David McCall zerrte den Jungen hinter sich her, während Rhonda Taylor die Schüler auseinander trieb und ihnen Strafarbeiten androhte, wenn sie nicht gehorchten. Das half. Die Kinder verkrümelten sich hastig, denn niemand hatte Lust aufgrund einer Lappalie bestraft zu werden. Allerdings war die missglückte Flucht nun das Gesprächsthema Nummer eins. Viele Kinder wünschten sich das Internat verlassen zu können, aber nur die wenigsten versuchten tatsächlich abzuhauen aus Angst bestraft zu werden. Auch Tage danach unterhielten sie sich noch darüber. Auch Cassandra und Lisa spekulierten wild drauflos, wie der Junge bestraft worden war.

Zufällig kam an diesem Tag ein Junge namens Frank aus der ersten Klasse an ihnen vorbei.

„Entschuldige, dass ich störe. Ich habe gehört, dass ihr euch über Albert unterhalten habt. Er ist in meiner Klasse und es war wirklich dumm, dass er erwischt wurde. Seine Strafe war echt hart. Drei Tage hat der Direktor ihn eingesperrt ohne Essen und Trinken. Danach musste er auf die Krankenstation. Albert sah echt mies aus.“ Die beiden Freundinnen starrten den Erstklässler für einen Moment mit offenem Mund an, dann räusperte sich Cassandra. „Also, das ist ja wohl nicht dein Ernst. Der Direktor lässt doch niemanden verhungern. Ich glaube, du bildest dir da was ein.“ Sie zeigte ihm einen Vogel und wandte sich wieder ihrer Freundin zu. Der Junge hob mit kühlem Blick seine Schultern. „Tja, du kannst es glauben oder nicht. Ich bin schließlich sein bester Freund und ich muss es wohl wissen“, meinte der kleine Besserwisser frech und lief hocherhobenen Hauptes davon. Die Mädchen grinsten sich an und schüttelten die Köpfe. „Ich glaube der will einfach mal im Mittelpunkt stehen“, lachte Lisa und Cassandra nickte zustimmend. „Kann schon sein. Eins weiß ich aber ganz sicher, mich würde niemand erwischen.“ „Ha! Das glaubst du doch selbst nicht“, brüllte jemand hinter ihr. Chris war zu ihnen gestoßen und sah die Beiden spöttisch an. Kampflustig reckte Cassandra ihr Kinn nach vorne. „Ach ja? Wollen wir wetten, dass ich es schaffe zu entkommen, ohne erwischt zu werden?“ Darauf hatte Chris natürlich nur gewartet und grinste triumphierend. „Klar wetten wir. Damit es aber auch spannend bleibt, werden wir noch ein Zeitlimit hinzufügen. Du musst es innerhalb von drei Wochen schaffen hier rauszukommen und du musst mindestens eine Woche außerhalb dieser Mauern verbringen ohne geschnappt zu werden. Alles klar?“ „Einverstanden“, knurrte Cass und schürzte verächtlich ihre Lippen. Giftig sahen sich die Kontrahenten an. Keiner war bereit nachzugeben und jeder darauf aus zu gewinnen. „Gut. Einen Wetteinsatz benötigen wir eh nicht, mir reicht die Genugtuung zu gewinnen.“ „Ist mir Recht, da ich gewinne“, fauchte Cassandra. Die beiden Schüler besiegelten ihre Wette mit Handschlag und jeder ging wieder seiner Wege. Lisa schüttelte missbilligend den Kopf und stemmte ihre Arme in die Hüften. „Was hast du dir nur dabei gedacht. Er wird dich sicher verpetzen und dann hast du schon verloren. Das wird er dir ewig unter die Nase reiben.“ „Vielen Dank für dein Vertrauen“, brummte Cassandra. „Aber ich werde dir mal etwas sagen, ich bin nicht auf den Kopf gefallen, deshalb werde ich auch gewinnen!“ Wütend drehte sie sich um und rannte in ihr Zimmer. Sie wollte sofort anfangen einen Plan zu schmieden. Als erstes packte sie einen kleinen Rucksack, mit einigen Notwendigkeiten. Eine Taschenlampe und Ersatzbatterien, Streichhölzer, eine Sonnenbrille, ein Basecap für die Tarnung, einen Dosenöffner und drei Dosen Truthahnfleisch. Das mochte sie sehr gerne und hatte es vor einiger Zeit schon aus der Küche entwendet. Genug Geld steckte sie auch ein, damit sie jederzeit mit Bus und Bahn fahren konnte. Jetzt blieb nur noch die Frage offen wie sie entkommen konnte, und ob sie den Rucksack ständig mit sich rumschleppen sollte. Es schien zwar einerseits vernünftig zu sein, andererseits war das aber auch sehr auffällig. Zunächst entschied sie sich, jeden Tag eine andere Tasche mit sich zu führen, so dass es zur Gewohnheit wurde, das sie eine Tasche bei sich trug. Später würde es keinem mehr auffallen, wenn sie ihren Fluchtrucksack bei sich trug. Ja, so wollte sie es machen, und wenn sich endlich die Gelegenheit ergab, war sie auf Nimmerwiedersehen verschwunden.

So vergingen eine Menge Tage, an denen sich die Schüler wunderten, dass Cassandra immer eine Tasche bei sich trug. Jedem der es wissen wollte präsentierte sie ihre Comicsammlung, die sie derzeit immer mit sich herumtrug. Bald schon interessierte es niemanden mehr und Cassandra tauschte die Tasche gegen ihren Rucksack aus. Selbst Chris hatte nicht den geringsten Verdacht geschöpft. Er schritt zwar selbstsicher wie ein Gockel durch die Gegend, aber das kam wohl eher davon, dass er jetzt schon meinte der Sieger zu sein, da seine Erzfeindin nur noch eine knappe Woche Zeit hatte. Cassandra saß wie auf glühenden Kohlen, da sie immer noch keine Idee hatte, wie sie entkommen sollte. Nie im Leben würde sie Chris die Genugtuung geben zu gewinnen. Eher versteckte sie sich solange im Keller, bis die Frist verstrichen war. Doch das war zum Glück nicht nötig. Noch am selben Tag nach der Mittagspause erblickte sie eine einfache aber auch geniale Fluchtmöglichkeit. Ein Lieferwagen von einem Paketdienst fuhr auf das Internatsgelände und Cass beeilte sich Lisa davon zu berichten. Sie hatten schon vor Tagen ein Ablenkungsmanöver einstudiert, damit niemand merkte wann sie floh. Traurig umarmte Lisa ihre Freundin. „Ich wünsche dir viel Glück und vergiss mich nicht.“ Auch Cassandra war traurig, da sie noch nie eine so tolle Freundin gehabt hatte. Aber ihr Wunsch hier rauszukommen und Chris dabei noch eins auszuwischen war stärker als alles andere. „Ich schicke dir eine Postkarte, damit du weißt wie es mir geht. Irgendwann sehen wir uns sicher wieder.“ Schweren Herzens trennten sie sich voneinander und setzten ihren Plan in die Tat um. Während Cass sich daran machte in den Wagen zu klettern um sich zu verstecken, veranstaltete Lisa in der Eingangshalle einen riesigen Tumult. Wütend knallte sie die Klotür zu und lief maulend zu Maureen. „Oh Mann, Cassandra bringt mich noch zur Weißglut! Erst fängt sie Streit an und dann schließt sie sich auf dem Klo ein und redet kein Wort mehr mit mir. Kannst du mir vielleicht mal sagen, wie ich sie zur Vernunft bringen soll?“ Maureen zuckte mit den Schultern. „Ich weiß ja nicht einmal worum es geht.“ Inzwischen hatten sich auch andere Schüler um die Mädchen versammelt. Auch Chris mischte sich neugierig unter die Schaulustigen, denn es zog ihn magisch an, wenn es irgendwo Ärger gab. Lisa stampfte gerade wütend mit dem Fuß auf. „Seit Tagen regt sie sich auf, das ihr kein Plan einfällt zu fliehen und als ich ihr gesagt habe, sie soll es vergessen, da hat sie mir eine geknallt. Jetzt hat sie sich auf dem Klo eingeschlossen und kommt nicht mehr raus. Ich bin so sauer!“ Lisa spielte ihre Rolle so überzeugend, dass sogar Chris ihr Glauben schenkte. „Soll ich sie für dich daraus holen? Es wäre mir ein Vergnügen.“ Streitlustig schlug er seine Faust in die flache Hand und steuerte teuflisch grinsend auf die Mädchentoilette zu. Aber sein Freund Bob hielt ihn gerade noch am Arm zurück. „Bist du verrückt, wenn dich ein Lehrer erwischt kriegst du eine Strafe. Das ist doch nur ein Trick, um dir eins auszuwischen.“ Chris nickte zustimmend. „Stimmt. Auf so eine Scheiße falle ich mit Sicherheit nicht rein.“, meinte er herablassend. Kurzerhand drehte er sich um und verschwand mit seinen Freunden nach draußen. Lisa ging daraufhin in die Toilette und schloss sich eine Zeitlang ein, damit jeder dachte sie versuchte sich mit ihrer Freundin zu vertragen. Doch Cass war bereits erfolgreich geflohen. Sie war in aller Ruhe in den Lieferwagen geklettert und hatte sich gut getarnt hinter den Paketen versteckt. Als der Fahrer später anhielt um ein Paket zuzustellen, stieg sie aus und stellte begeistert fest, dass sie am Bahnhof gelandet war. Mit so viel Glück hatte sie in ihren kühnsten Träumen nicht gerechnet. Hastig rannte sie hinein und erwischte gerade noch den Zug nach Inverness. Erleichtert atmete sie aus und ließ sich in das weiche Polster eines Sitzes in der dritten Klasse fallen. Endlich war sie frei von allen Zwängen und Regeln. Die Flucht war ihr tatsächlich geglückt. Nur leider hatte sie keine Zeit mehr gehabt einen Fahrschein zu kaufen. Aber darüber machte sie sich auch momentan keine Gedanken. Es würde schon alles gut gehen. Schließlich hatte bisher alles reibungslos geklappt. Doch gerade als sie ihre Füße hochlegen wollte, hörte sie weiter hinten den Schaffner nach den Fahrkarten fragen. Erschrocken sprang sie wieder auf und rannte weiter, sie musste unbedingt ein Versteck finden. Sie wollte auf keinen Fall wieder zurück ins Internat. Dort hatte sie schon viel zu lange festgesessen. Vielleicht konnte sie sich auf der Toilette verstecken, dann könnte sie sich rausschleichen, wenn der Schaffner vorbeigegangen war. Diese Idee erschien ihr perfekt. Er würde mit Sicherheit nicht einfach in den Toilettenraum sehen. Lächelnd machte sie sich auf den Weg. Allerdings musste sie dafür durch die zweite Klasse und sie sah, dass auch hier ein Schaffner dabei war die Karten zu kontrollieren. Plötzlich war es mit ihrer Ruhe aus. Was sollte sie denn jetzt machen? Sie wollte nicht zurück ins Internat, doch das würde unweigerlich geschehen, wenn ihr nicht augenblicklich eine Lösung einfiel. Vielleicht sollte sie in ein Abteil rennen und aus dem Fenster klettern. Nur leider bewegten sich ihre Beine nicht vom Fleck. Wie ein Reh im Scheinwerferlicht starrte sie den Schaffner an, der aufgrund ihrer gehetzten Miene, nun auf sie aufmerksam geworden war. Ehe sie ihren Schrecken überwunden hatte stand er bereits bei ihr. „Wären sie so freundlich mir ihre Fahrkarte zu zeigen, Miss?“ Erschrocken blickte Cassandra ihn an, sehr darum bemüht die Ruhe zu bewahren. „Ähm, ja natürlich.“ Ängstlich kramte sie in sämtlichen Taschen herum, obwohl sie genau wusste, dass sie dort nichts finden würde. Sie musste einfach ein wenig Zeit schinden, bis ihr eine Lösung einfiel. Der Schaffner machte bereits ein finsteres Gesicht, da er Schwarzfahrer auf einen Blick erkannte und er hatte keine Zeit sich stundenlang mit irgendwelchen Ausflüchten zu beschäftigen. „Wenn sie keine Karte haben, dann müssen sie mitkommen.“ Verzweifelt sah sie ihn an und kramte noch ein wenig tiefer in ihren Taschen. Ihr musste schnellstens etwas einfallen, damit sie nicht wieder ins Internat geschickt wurde. Ihr Herz klopfte mittlerweile panisch in ihrer Brust und sie wägte ab, ob sie den Schaffner beiseite schubsen konnte um zu fliehen. Doch wo wollte sie hin solange der Zug in Bewegung war? Plötzlich meldete sich ein junger Mann zu Wort, der in dem Abteil saß vor dem sie standen. „Hey Darling, hast du vergessen, dass wir mit einer Mehrfahrkarte unterwegs sind?“ Der Schaffner und Cassandra sahen den jungen Mann verdutzt an. Dann nickte Cass geistesgegenwärtig, da sie endlich geschnallt hatte, dass sie gemeint war. „Ach, stimmt ja, wo habe ich nur meinen Kopf.“ Um ihre Vergesslichkeit zu demonstrieren schlug sie sich mit der flachen Hand vor die Stirn. Argwöhnisch betrachtete der Schaffner den jungen Mann und ließ sich natürlich sofort die Fahrkarte zeigen. Mit dieser Karte konnten bis zu vier Personen gleichzeitig fahren. Dagegen war absolut nichts einzuwenden. Der Schaffner entwertete das Ticket und gab es wieder zurück. Dankend tippte er an seine Mütze und verschwand. Cassandra hatte dem fremden Mann gegenüber nicht das geringste Misstrauen. Er machte einen netten und offenen Eindruck und war auch noch super hilfsbereit. „Vielen Dank für ihre Hilfe, es war echt nur ein Versehen, das ich keine Fahrkarte hatte.“ „Aber sicher“, grinste der blonde Mann vergnügt. „Ist ja auch egal.“ Beleidigt sah sie ihn an. Das konnte sie nun wirklich nicht auf sich sitzen lassen. Schließlich hatte sie den Zug noch erreichen müssen. „Das ist aber die Wahrheit“, maulte sie beleidigt. „Okay, okay. Ich glaube ihnen ja. Wie wär’s, wenn sie sich setzen?“ Er machte eine einladende Bewegung. „Mein Name ist übrigens Sinclair. Matt Sinclair.“ Cassandra nannte auch ihren Namen und reichte ihm die Hand. Dabei betrachtete sie ihn neugierig. Dieser Mann hatte wirklich eine besonders nette Ausstrahlung und ein unglaublich sympathisches Lächeln. Er war ungefähr 1,75m groß und Mitte dreißig. Er hatte eine normale Figur und seine blauen Augen strahlten viel Wärme aus. Sie hatte wirklich Glück gehabt so jemanden zu treffen. Vielleicht zog sie ja das Glück an, jetzt nachdem sie das Internat hinter sich gelassen hatte. Freundlich lächelnd hielt Matt dem prüfenden Blick stand und verwickelte Cassandra gleich in ein Gespräch. Es war immer schön auf Reisen ein wenig Unterhaltung zu haben. „Wohin geht’ s denn?“, fragte er interessiert und lehnte sich gemütlich in seinem Sitz zurück. Cassandra überlegte nicht lange, denn sie wollte nicht noch mehr Misstrauen erregen. Schließlich musste sie vorsichtig sein. „Meine Tante besuchen, sie hat sich ein Bein gebrochen und da wollte ich ihr ein wenig zur Hand gehen.“ „Das ist aber sehr nett.“ Neugierig fragte auch sie ihn nach dem Grund seiner Reise, um ihn ein wenig von sich und ihrer fiktiven Tante abzulenken. Wahrscheinlich hätte sie sich sonst noch in ihrer Lüge verheddert und dann war alles aus und vorbei. „Ich muss noch verschiedene Dinge besorgen und dann fahre ich zurück nach Fort William um meinen neuen Job anzutreten.“ Cassandra nickte, fragte aber nicht weiter nach dem Beruf, den er ausübte. Das ging sie ja auch nichts an. Die Beiden unterhielten sich noch eine geraume Weile über verschiedene Dinge, bis der Zug an der nächsten Station anhielt. Hastig sprang Cass auf, da sie sich nicht zu lange an einem Ort aufhalten wollte. „Hier muss ich raus, es war nett sie kennen zu lernen und vielen Dank für ihre Hilfe. Auf Wiedersehen.“ Sie winkte zum Abschied und lief schnell hinaus, ehe ihre neue Bekanntschaft noch auf die Idee kam sie bis zur Tür ihrer vermeintlich kranken Tante zu bringen. Draußen auf dem Bahnsteig war nicht besonders viel los und Cassandra sah sich suchend nach einem Weg aus dem Bahnhof um. Plötzlich zerrte jemand von hinten an ihrem Rucksack. Erschrocken drehte sie sich um und sah drei Typen, von denen einer versuchte den Rucksack an sich zu reißen. „Ey Mann, verpiss dich!“, schnaubte Cassandra giftig und zog mit aller Kraft ihre Tasche wieder an sich. Laut schrie sie um Hilfe und diese kam auch in Gestalt eines blonden Mannes. Kaum hatte er den Typen, der an der Tasche hing auf den Boden geworfen, da stürzten sich die anderen beiden auf den freundlichen Helfer. Geschickt wich Matt ihnen aus, trat dem einen in den Magen und verbog dem anderen so fest den Arm, dass dieser laut aufschrie. Als die anderen beiden Männer flüchteten, ließ Matt auch den dritten Mann los, der seinen Kumpanen hastig hinterher lief. „Und lasst euch hier nie wieder blicken!“, rief er ihnen noch hinterher. Cassandra hatte staunend zugesehen, wie Matt die Diebe vermöbelt hatte. Außer im Fernsehen hatte sie so etwas noch nie gesehen. „Voll krass!“, schwärmte sie. „Wie haben sie das gemacht?“ „Reines Training“, schmunzelte Matt und Cassandra lächelte ihn dankbar an. „Vielen Dank. Sie haben meine Tasche und mich gerettet.“ Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Das werde ich ihnen nicht vergessen. Viel Glück bei ihrem neuen Job.“ Sie winkte nochmals zum Abschied und verschwand dann Richtung Ausgang. Matt ließ sie wirklich ungerne alleine weiterziehen, aber er hatte auch keine Zeit ihr hinterherzulaufen um sie zu beschützen, da er weiter musste. Gerade noch schaffte er es wieder in den Zug zu steigen, während Cassandra noch überlegte wohin sie gehen sollte. „Zuerst brauch ich noch mehr Verpflegung, damit ich über die Runden komme“, sagte sie zu sich selbst und machte sich auf den Weg zum nächsten Geschäft. Sie kaufte ein Brot und etwas Käse und Wurst. Das reichte vielleicht für eine Woche, dann musste sie wohl wieder einkaufen. Sie hatte sich noch gar keine Gedanken gemacht, wie es weitergehen sollte. Wenn sie kein Geld mehr hatte, musste sie entweder arbeiten oder stehlen. Das wollte sie eigentlich beides nicht. Doch irgendetwas würde ihr schon einfallen, davon war sie fest überzeugt. Sie würde die Tage so nehmen wie sie kamen. Fröhlich pfeifend wanderte sie immer der Nase nach und verschwand irgendwann in einem kleinen Wald, der auf ihrem Weg lag. Endlich war sie frei.