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Sven Berger, 50, Versicherungsangestellter und Familienvater, lebt in einer sexlosen Ehe mit einer spirituell abgetauchten Frau. In der tiefen Einsamkeit seines Daseins wagt er den Schritt in eine Parallelwelt: diskrete Begegnungen mit professionellen Frauen, die ihm helfen, verlorene Nähe, Identität und Sinnlichkeit wiederzufinden. Was als Tabubruch beginnt, wird zu einer Reise der Selbsterkenntnis. Mit literarischer Qualität und psychologischer Tiefe entfaltet sich eine Geschichte, die den Konflikt zwischen familiärer Pflicht und persönlichem Erwachen leise, sinnlich und schonungslos ehrlich darstellt.
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Seitenzahl: 262
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Der erste Schritt
Sprung ins kalte Wasser
Die Erleuchtung der Ehefrau
Grenzen erkunden
Hausaufgaben und Familienleben
Geist und Körper
Geburtstagstrubel
Die Kunst der Unterwerfung
Häusliche Pflichten
Der Blechschaden
Verbotene Orte
Machtspiele
Saisonale Aufgaben
Die Sprache der Zärtlichkeit
Berufliche Entwicklung
Unerwartete Begegnung
Neugier im Schaufenster
Doppelte Freude
Sinnsuche im Alltag
Die Zeit anhalten
Beruflicher Druck
Fantasiewelten
Familienspannung
Risiko und Wahrheit
Die Dunkelheit im Schlafzimmer war schwer und drückend, eine unsichtbare Decke, die Sven Berger wachhielt. Neben ihm atmete Claudia ruhig und gleichmäßig, tief im Schlaf versunken. Er jedoch war wieder einmal gefangen in einem Strudel aus Gedanken, Sehnsüchten und einer Einsamkeit, die sich über die Jahre in seinem Inneren eingenistet hatte.
Zehn Jahre. Eine unvorstellbar lange Zeit war vergangen, seit er ihre Haut das letzte Mal wirklich gespürt hatte. Zehn Jahre, in denen eine unsichtbare Kluft zwischen ihnen gewachsen war, eine Kluft, die sich im gemeinsamen Bett am schmerzlichsten offenbarte. Sie lagen nebeneinander, doch Welten trennten sie.
Sven drehte vorsichtig den Kopf und betrachtete ihr Profil im schwachen Mondlicht, das durch einen Spalt im Vorhang fiel. Claudia war immer noch eine schöne Frau, auch mit achtundvierzig Jahren. Ihr langes, nun graumeliertes Haar lag auf dem Kissen ausgebreitet, ihr Gesicht wirkte im Schlaf entspannt und friedlich. Liebte er sie noch? Natürlich tat er das. Sie war die Mutter seiner Kinder, seine Partnerin seit fünfzehn Jahren. Aber die Liebe hatte sich verändert, war distanzierter geworden, einer tiefen Freundschaft gewichen, die jedoch keine Leidenschaft mehr kannte.
Leise seufzend drehte er sich auf die andere Seite, weg von ihr. Es war sinnlos, darüber nachzugrübeln; es änderte nichts an der Tatsache, dass Claudia vor zehn Jahren eine Entscheidung getroffen hatte. Ihre spirituelle Reise hatte sie auf einen Weg geführt, der ihn ausschloss – nicht physisch, aber emotional und definitiv körperlich.
"Den Körper überwinden, um Erleuchtung zu finden", hatte sie immer wieder gesagt, sanft, aber mit einer unerschütterlichen Entschlossenheit. "Körperliche Begierden halten uns in der materiellen Welt gefangen. Wir müssen uns davon befreien." Befreien. Von was?, hatte Sven sich oft gefragt. Von ihm? Von ihrer gemeinsamen Vergangenheit?
Anfangs hatte er es für eine Phase gehalten. Claudia hatte schon immer eine spirituelle Ader gehabt. Aber dies war anders. Als hätte jemand einen Schalter umgelegt, war jegliche Intimität aus ihrer Beziehung verschwunden. Keine Küsse mehr, keine Umarmungen, kein Sex. Zehn Jahre des Nichts.
Er hatte versucht, sie zu verstehen, war geduldig gewesen, hatte Bücher über Spiritualität gelesen und sie sogar zu Meditationsgruppen begleitet. Sie war dabei aufgeblüht, hatte eine neue Welt für sich entdeckt, während er innerlich welkte, Tag für Tag ein bisschen mehr.
Die ersten Jahre waren die schlimmsten gewesen. Seine zaghaften Versuche, sich ihr zu nähern, waren immer wieder sanft, aber bestimmt abgewiesen worden. Die weggeschobene Hand, der abgewehrte Kuss, der leere Blick – es hatte ihn zermürbt. Gespräche darüber führten ins Leere, hinterließen nur Frustration, Wut, Traurigkeit und schließlich Resignation.
Vor fünf Jahren hatte sie ihm die Scheidung angeboten oder, alternativ, die Erlaubnis erteilt, seine körperlichen Bedürfnisse bei anderen Frauen zu stillen. "Ich verstehe das", hatte sie ruhig gesagt, als spräche sie über das Wetter. "Ich urteile nicht. Ich habe diese Begierden überwunden." Überwunden. Das Wort hatte ihn getroffen wie ein Schlag. War sein Verlangen nach Berührung, Intimität und Verbindung etwas Schmutziges, etwas, das man überwinden musste?
Er hatte beide Angebote abgelehnt. Scheidung kam wegen der Kinder und der tiefen, wenn auch veränderten Liebe zu ihr nicht in Frage. Und andere Frauen? Der Gedanke allein hatte ihn damals mit Scham erfüllt. Er war nie der Typ für Affären gewesen, sah sich als treuen, zuverlässigen Familienmenschen.
Also hatte er sich zurückgezogen, seine Bedürfnisse unterdrückt, sich in die Arbeit gestürzt. Die Einsamkeit war erdrückend geworden. Das Internet bot eine kurzfristige, oberflächliche Erleichterung durch Pornos, doch die Scham danach war nur umso tiefer. Jede Nacht derselbe trostlose Kreislauf.
Sven schloss die Augen, versuchte die Gedanken zu verdrängen. Er war fünfzig. Ein halbes Jahrhundert alt. Und was hatte er vorzuweisen? Eine Ehe ohne Berührung, Kinder, die langsam erwachsen wurden und sich entfernten, einen Job bei einer Versicherung, der ihn nicht erfüllte. Grau und monoton. War das alles, was das Leben noch für ihn bereithielt?
Die Frage hallte in seinem Kopf nach, während er endlich in einen unruhigen Schlaf glitt.
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Der Morgen kam wie immer zu früh. Das schrille Klingeln des Weckers riss ihn aus einem Traum, an den er sich nicht erinnern konnte. Stöhnend schlug er auf den Knopf und setzte sich auf. Claudias Seite des Bettes war bereits leer und ordentlich gemacht. Sie stand immer früher auf, um zu meditieren oder was auch immer sie tat, um sich weiter von ihm zu entfernen.
Eine bleierne Müdigkeit lag in seinen Knochen, als er aufstand. Ein weiterer Tag, an dem er funktionieren musste, existieren, ohne wirklich zu leben. Er schalt sich innerlich für sein Selbstmitleid und ging ins Badezimmer. Der Mann im Spiegel sah müde aus, mit grauen Schläfen und feinen Linien um die Augen. Trotz des Fitnessstudios zeigte sich ein leichter Bauchansatz. Er war nicht unattraktiv, aber er fühlte sich unsichtbar.
Nach einer schnellen Dusche zog er einen grauen Anzug an – seine Uniform für das mittlere Management, unauffällig, kompetent, vertrauenswürdig. Langweilig? Vielleicht.
In der Küche herrschte bereits die übliche Morgenroutine. Claudia, in fließende, naturfarbene Kleidung gehüllt, bereitete Smoothies zu. Sein fünfzehnjähriger Sohn Lukas saß mit Kopfhörern am Tisch, in sein Smartphone vertieft. Die dreizehnjährigen Zwillinge Emma und Lena führten ihren leisen, belanglosen Morgenstreit.
"Guten Morgen", sagte Sven. Nur die Mädchen blickten kurz auf und murmelten eine Erwiderung. Claudia nickte ihm mit einem höflichen, aber distanzierten Lächeln zu. "Dein Smoothie steht dort", sagte sie. "Mit Spirulina und Chlorella. Sehr reinigend." Reinigend. Jeden Morgen derselbe Kommentar, jeden Morgen derselbe grünliche Trunk, der wie Sumpfwasser schmeckte. Er unterdrückte ein Seufzen und trank ihn aus. Es war einfacher, nicht zu widersprechen.
Emma bat ihn, sie zur Schule zu fahren, da sie ein schweres Kunstprojekt dabeihatte. Lena schloss sich sofort an. Sven war dankbar für die Ablenkung. Lukas lehnte das Angebot mit einem Kopfschütteln ab, ohne von seinem Telefon aufzusehen. Claudia beobachtete die Szene mit einem fast entrückten Lächeln. "Ich bin heute Nachmittag beim Retreat mit Meister Takashi", informierte sie ihn. "Wir arbeiten daran, das Ego zu überwinden. Ich komme spät zurück." Wieder ein Retreat, wieder Stille, wieder war sie weg.
Sven nickte nur. Es war nichts Ungewöhnliches mehr. Ihre spirituelle Gemeinschaft nahm viel ihrer Zeit in Anspruch. Anfangs hatte es ihn gestört, er hatte sich vernachlässigt gefühlt. Inzwischen war es einfach Teil ihres Lebens – ihres Lebens, nicht seines. "Kein Problem", sagte er. "Ich kümmere mich ums Abendessen."
Das Frühstück verlief schweigend, jeder in seiner eigenen Welt. Eine Familie, zusammen und doch getrennt. Wann hatten sie sich so voneinander entfernt? War es seine Schuld?
Die Fahrt zur Schule mit den Mädchen war lebhafter. Sie erzählten von Freunden, Lehrern und kleinen Dramen. Sven genoss diese Momente, die ihm Einblicke in ihr Leben gaben. Hier fühlte sich die Distanz geringer an.
Danach fuhr er zur Arbeit, zur "Sicherheit Plus Versicherung AG". Das graue, funktionale Gebäude passte zu seinem Anzug. Kompetent war er hier, ja. Aber erfüllt? Nein. Meetings, Berichte, Entscheidungen, Zahlen, Klauseln, Risiken. Er sicherte ständig Risiken ab, nur nicht die in seinem eigenen Herzen.
Im Büro begrüßte ihn Frau Keller, seine effiziente Sekretärin, mit den üblichen Informationen für den Tag. Ein weiterer sicherer, aber leerer Tag begann. An seinem Schreibtisch fiel sein Blick auf das fünf Jahre alte Familienfoto aus dem Italienurlaub. Alle lächelten in die Sonne. Ein perfektes Bild, das eine Lüge verbarg. Niemand ahnte die Wahrheit über die zehn Jahre ohne Intimität.
Als der Computer hochgefahren war, öffnete er den Browser. Automatisch wollte er die übliche Adresse für Pornoseiten tippen, doch heute hielt er inne. Etwas in ihm wehrte sich. War das wirklich alles, was ihm blieb? Heimliche Momente, flüchtige Fantasien? Für die nächsten dreißig Jahre?
Ein Gedanke blitzte auf, überraschend klar: Er war fünfzig, nicht achtzig. Noch nicht tot. Jahrzehnte lagen vielleicht noch vor ihm. Sollte er sie in dieser Halbexistenz verbringen?
Claudias Worte kamen ihm wieder in den Sinn: "Triff andere Frauen. Ich verstehe deine körperlichen Bedürfnisse." Das Angebot, das er einst aus Prinzip, Treue und vielleicht auch Angst abgelehnt hatte. War es nach zehn Jahren der Einsamkeit und Frustration wirklich falsch, darüber nachzudenken?
Er schloss den Browser, ohne die Pornoseite geöffnet zu haben, und öffnete ein neues Fenster. Zögernd tippte er "Escort Service diskret" in die Suchleiste.
Die Ergebnisseiten listeten Dutzende von Agenturen auf. Der Gedanke, für Intimität zu bezahlen, ließ ihn erröten, obwohl er allein im Büro war. Aber er versuchte, logisch zu denken: Es wäre diskret, professionell, ohne emotionale Komplikationen. Keine Affäre, die seine Ehe gefährden würde. Es wäre eine Dienstleistung, ein Geschäft. Und Claudia hatte ihm, wenn auch kalt und sachlich, ihre Erlaubnis gegeben.
Er klickte auf einen Link: "Elite Begleitung". Die Website war elegant, geschmackvoll, ohne vulgäre Bilder. Die Fotos zeigten attraktive, gut gekleidete Frauen. Die Beschreibungen betonten Persönlichkeit und Interessen, nicht nur den Körper. Sein Herz begann schneller zu schlagen, als er durch die Profile scrollte. War er bereit für diesen Schritt?
Sein Blick blieb an einem Profil hängen: "Sophie". Blond, vielleicht Anfang dreißig, mit einem sanften Lächeln und klugen Augen. Die Beschreibung hob ihre Einfühlsamkeit, Geduld und ihr Verständnis für Neulinge hervor. Neulinge wie ihn. Ein Fünfzigjähriger, der seit zehn Jahren keine Frau mehr berührt hatte und nicht sicher war, ob er überhaupt noch wusste, wie es ging.
Seine Hände zitterten leicht, als er auf den Kontaktbutton klickte. Ein Formular erschien, fragte nach Wünschen, Vorstellungen, Datum, Uhrzeit, Dauer. Besondere Anforderungen?
Er starrte auf die leeren Felder. Was sollte er schreiben? Seine Wünsche? Sex, natürlich. Aber er sehnte sich nach mehr: nach Berührung, Nähe, danach, gesehen und begehrt zu werden, nach all den Jahren der Ablehnung und Einsamkeit.
Langsam begann er zu tippen. Nächste Woche, Freitagnachmittag, während seiner angeblichen Fortbildung. Drei Stunden. Keine besonderen Anforderungen, außer Geduld und Verständnis. Er sei nervös und unerfahren mit dieser Art von Begegnung.
Er las seine Worte noch einmal durch und starrte auf den "Absenden"-Button. Ein Klick würde eine Grenze überschreiten, von der er nie gedacht hätte, sie zu überqueren. Ein Klick würde einen neuen Weg einschlagen, der ihn vielleicht für immer verändern würde. Aber die Einsamkeit, die Leere, das Bedürfnis waren stärker geworden, Tag für Tag, Nacht für Nacht.
Mit einem tiefen Atemzug klickte er.
Abgesendet.
In der Stille des Büros hörte er nur das leise Summen des Laptops und das laute Pochen seines eigenen Herzens. Was hatte er getan?
Eine Mischung aus Angst, Aufregung, Schuld und einer fast vergessenen Hoffnung durchströmte ihn.
Der erste Schritt war getan.
Das Bella Vista Villa Hotel stand vor ihm, ein Monument seiner Kühnheit, seiner Verzweiflung und der Stärke, die aus dieser Verzweiflung geboren war.
Er saß im Auto und starrte vor sich hin. Seine Knöchel umklammerten das Lenkrad, weiß wie die Laken, die ihn erwarteten, weiß wie seine Lügen, weiß wie die Leere in ihm. Ein Teil von ihm schrie: "Ich kann das nicht tun!", ein Gedanke, den er immer wieder verdrängte ein Echo in der Stille seines verlassenen Herzens.
Zehn Jahre, rechnete er nach, zehn unendlich lange Jahre waren vergangen, seit er das letzte Mal berührt worden war. Eine Wüste der Haut, eine Dürre der Seele.
Sein Herz schlug wie ein gefangener Vogel gegen seinen Brustkorb, wollte ausbrechen, fliegen – leben, nicht sterben, korrigierte er sich. Ein wilder, verzweifelter Flügelschlag gegen die Gitterstäbe der Resignation.
Eine Woche war vergangen, seit er das Online-Formular abgeschickt hatte, eine Woche voller Zweifel, Angst und einer prickelnden, fast vergessenen Erregung. Die Antwort war schnell gekommen, professionell und diskret: Sophie würde ihn in Suite 412 treffen. Der Preis war hoch, aber er hatte das Geld von seinem privaten Notgroschen genommen – einem Konto, von dem Claudia nichts wusste. Ein Notgroschen, für diesen Moment, für diese Entscheidung, für diesen Neuanfang, der sich wie Verrat anfühlte, ein süßer, giftiger Nektar.
Er hatte Claudia erzählt, er sei auf einer Fortbildung. Die Lüge war ihm erschreckend leicht über die Lippen gekommen. Sie hatte nur genickt, kaum von ihrem Buch über buddhistische Meditation aufgeblickt. Es traf ihn, wie wenig sie sich für sein Leben zu interessieren schien, wie einfach es war, sie zu belügen. Doch es machte die Entscheidung auch leichter – obwohl nichts an dieser Situation wirklich leicht war.
Es war 14:53 Uhr, das Treffen war für 15:00 Uhr vereinbart. Zu früh, wie immer. Pünktlichkeit war eine seiner Tugunden, eine der vielen Eigenschaften, die ihn zu einem guten Ehemann, Vater und Angestellten machten – ein Mann, der nie aus der Reihe tanzte. Bis heute, bis zu diesem Moment, der alles verändern könnte.
Sein Vater hätte das nie getan, dachte er bitter. Er war immer treu, immer anständig gewesen. Was würde er jetzt von seinem Sohn denken, dem Versager, der seine Ehe nicht retten konnte und stattdessen zu – das Wort "Hure" stieß ihm auf, "Escort" klang sauberer, weniger beschämend – ging?
Die Erinnerung an seinen Vater, streng aber gerecht, 40 Jahre in derselben Firma, seiner Mutter immer treu, schmerzte. Er hatte immer in dessen Fußstapfen treten wollen, der perfekte Sohn, Ehemann, Vater sein. Doch wohin hatte es ihn geführt? In ein Leben stiller Verzweiflung, unterdrückter Bedürfnisse, langsamer Selbstauslöschung, als würde er Stück für Stück verschwinden, ein Geist in seinem eigenen Leben.
Er öffnete die Autotür und stieg aus. Die Januarkälte traf ihn wie ein Schlag und ließ ihn erschaudern – war es die Kälte oder die Nervosität, die wie Eis durch seine Adern kroch? Er schloss das Auto ab, überquerte die Straße, sein Gang steif und mechanisch, als würde er von jemand anderem gesteuert. "Ich bin nicht ich selbst", dachte er, ein Fremder in seiner eigenen Haut.
Die Glastüren des Hotels öffneten sich automatisch und entließen einen Hauch warmer, parfümierter Luft. Die Lobby war elegant, mit gedämpftem Licht, sanfter Musik und diskreten Gesprächen. Niemand beachtete ihn, als er zum Empfang ging, und doch fühlte er sich, als würden alle Augen auf ihm ruhen, als könnte jeder sehen, warum er hier war, ihn durchschauen und verurteilen.
"Guten Tag, wie kann ich Ihnen helfen?", fragte die junge Frau hinter dem Tresen mit einem professionellen Lächeln.
Seine Stimme klang plötzlich rau. "Ich... ich habe einen Termin. Suite 412."
Sie weiß es, dachte er panisch. Sie kann es in meinen Augen sehen: verheirateter Mann, mittleren Alters, nervös, schämt sich. Sie hat hunderte wie mich gesehen. Erbärmlich.
Doch die Rezeptionistin nickte nur, ohne mit der Wimper zu zucken. "Natürlich Sir. Ihr Name?"
"Berger. Sven Berger."
Sie tippte etwas in ihren Computer, nickte erneut. "Alles in Ordnung, Herr Berger. Der Aufzug ist dort drüben. Vierter Stock, dann rechts." Kein Ausweis, keine Fragen, keine hochgezogenen Augenbrauen. Nur professionelle Höflichkeit. Er entspannte sich ein wenig. Vielleicht war das hier alltäglicher, als er dachte. Vielleicht war er nicht der einzige, nicht allein, nicht so verzweifelt, wie er sich fühlte.
Er ging zum Aufzug, drückte den Knopf und wartete. Sein Spiegelbild in den polierten Metalltüren starrte ihn an: ein Mann im grauen Anzug, mit grauen Schläfen und unterdrückter Panik in den Augen. War das wirklich er? War das, was er geworden war?
Alles an ihm schien grau geworden zu sein. Wann war das passiert? Wann hatte er aufgehört, Farbe in seinem Leben zu haben, aufgehört zu leben und angefangen, nur noch zu existieren? Er erinnerte sich an seine Jugend, die bunten Hemden, die wilden Partys, die Träume von einem aufregenden Leben. Irgendwann waren die bunten Hemden grauen Anzügen gewichen, die Partys Geschäftsmeetings, die Träume... ja, was war aus ihnen geworden? Er konnte sich kaum noch erinnern, als wäre ein Teil von ihm gestorben, verblasst wie ein altes Foto.
Der Aufzug kam, die Türen öffneten sich. Er trat ein, drückte auf "4" und lehnte sich gegen die Rückwand. Allein in der kleinen Kabine spürte er, wie sein Atem schneller ging, wie Schweiß auf seiner Stirn ausbrach. Was tat er hier? Was, wenn jemand es herausfand? Seine Karriere, sein Ruf – alles wäre zerstört. Und die Kinder... oh Gott, die Kinder. Was würden sie denken, wenn sie es wüssten? Sie würden ihn verachten.
Die Zahlen über der Tür leuchteten auf: 2... 3... 4. Ein sanfter Gong ertönte, die Türen öffneten sich wieder. Er trat in einen stillen, eleganten Korridor. Dicke Teppiche dämpften seine Schritte, als er nach rechts abbog und den Nummern an den Türen folgte: 408... 410... 412.
Er blieb stehen und starrte auf die goldenen Ziffern an der Tür. Dahinter wartete Sophie, eine Frau, die er bezahlt hatte, um mit ihm zu schlafen. Der Gedanke ließ ihn erröten, erfüllte ihn mit Scham und gleichzeitig mit einer heftigen, fast schmerzhaften Erregung. Nach zehn Jahren der Enthaltsamkeit und Zurückweisung stand er hier, bereit, für Intimität zu bezahlen. War er wirklich so verzweifelt geworden? So einsam, so ausgehungert nach Berührung?
Ja, verdammt, das war er. Und es war ihm egal. Claudia hatte ihm selbst gesagt, er könne andere Frauen treffen. Sie hatte ihn in diese Situation gebracht, nicht er. Zehn Jahre! Zehn verdammte Jahre ohne Berührung, ohne Nähe, ohne das Gefühl, begehrt zu werden. Jeder andere Mann hätte längst aufgegeben, wäre fremdgegangen, hätte sich getrennt. Die plötzliche Wut überraschte ihn; er war selten wütend, hatte gelernt, seine negativen Emotionen zu unterdrücken. Aber jetzt spürte er eine Wut, die tief aus seinem Inneren kam – Wut auf Claudia, auf sich selbst, auf die Umstände. Eine heiße, brennende, fast befreiende Wut.
Mit einem letzten tiefen Atemzug klopfte er an die Tür.Einen Moment lang geschah nichts, er dachte schon, er hätte sich in der Zimmernummer geirrt. Dann hörte er leichte, rhythmische Schritte, und die Tür öffnet sich.
Die Frau, die vor ihm stand, war nicht das, was er erwartet hatte – nicht, dass er genau gewusst hätte, was er erwarten sollte. Sophie war attraktiv, aber auf eine zurückhaltende, natürliche Weise. Blonde Haare fielen in sanften Wellen auf ihre Schultern, blaue Augen blickten ihn freundlich an. Sie trug ein schlichtes, aber elegantes schwarzes Kleid, das ihre Figur betonte, ohne vulgär zu wirken. Sie hätte eine Anwältin sein können, eine Ärztin, eine Geschäftsfrau – nicht jemand, der...
...nicht jemand, der Sex verkaufte, dachte er. Das Wort "Hure" oder "Prostituierte" passte nicht zu ihrem Erscheinungsbild. Aber das war sie doch, oder? Egal wie elegant sie aussah, egal wie teuer der Service war – er bezahlte sie für Sex. Was machte das aus ihm? Aus ihr? Aus dieser Situation?
"Herr Berger?", fragte sie mit angenehmer, leicht rauchiger Stimme. "Bitte kommen Sie herein."
Er nickte stumm und trat in die Suite. Der Raum war großzügig, mit einem Wohnbereich, der in ein Schlafzimmer überging. Große Fenster boten einen Blick über die Stadt, die im Januarlicht grau und verschneit dalag. Auf einem Tisch in der Ecke stand eine Flasche Champagner mit zwei Gläsern bereit. Champagner, als gäbe es etwas zu feiern. War dies ein besonderer Anlass? Der Beginn seines Doppellebens?
"Bitte setzen Sie sich", sagte Sophie und deutete auf eine elegante Sitzgruppe. "Möchten Sie etwas trinken? Champagner? Oder vielleicht etwas Stärkeres?"
Er räusperte sich. "Champagner wäre gut. Danke."
Er setzte sich steif auf einen der Sessel. Sophie ging zur Flasche, löste geschickt den Korken – das leise "Plopp" hallte in der Stille wider – goss zwei Gläser ein und reichte ihm eines. Sie setzte sich ihm gegenüber, ihre Bewegungen fließend und selbstsicher. Selbstsicher, etwas, das er seit langem nicht mehr gewesen war.
"Auf neue Erfahrungen", sagte sie und hob ihr Glas.
Er hob seines ebenfalls, seine Hand zitterte leicht. "Auf neue Erfahrungen." Er nahm einen Schluck. Der Champagner war kühl und prickelnd, ein Luxus, den er sich selten gönnte. In seinem Elternhaus war Alkohol etwas für besondere Anlässe gewesen, und selbst dann nur in Maßen. Sein Vater hatte immer gesagt, ein Mann müsse klar im Kopf bleiben, um gute Entscheidungen zu treffen. Was würde er wohl zu dieser Entscheidung sagen?
Er würde mich verachten, dachte Sven. Mich einen Schwächling nennen, einen Mann, der seine Probleme nicht wie ein Mann lösen konnte, der zu einer "Hure" ging, statt seine Ehe zu retten. Aber sein Vater hatte nie verstanden, wie es war, abgelehnt zu werden, Jahr um Jahr, bis man sich fragte, ob man überhaupt noch ein Mann war. Was bedeutete das überhaupt, ein Mann zu sein? Was machte einen Mann aus?
Eine unangenehme Stille breitete sich aus. Er wusste nicht, was er sagen, wie er anfangen sollte. War es üblich, Small Talk zu machen, oder sollten sie direkt zur Sache kommen? Der Gedanke ließ ihn erneut erröten, wie einen Schuljungen, wie jemanden, der keine Ahnung hatte, was er tat.
Sophie schien seine Verlegenheit zu bemerken. Mit einem sanften Lächeln stellte sie ihr Glas ab und lehnte sich leicht vor. "Es ist Ihr erstes Mal, nicht wahr? Mit einem Escort-Service meine ich."
Er nickte, dankbar für ihre Direktheit. "Ist es so offensichtlich?"
"Ein wenig", antwortete sie freundlich, nicht spöttisch. "Aber das ist völlig in Ordnung. Jeder fängt irgendwann an. Und ich bin hier, um sicherzustellen, dass es eine gute Erfahrung für Sie wird. Eine Erfahrung, die über reinen Sex hinausgeht, wenn Sie das möchten. Es geht um die Begegnung, die Experience." Sie betonte das englische Wort leicht. Experience? Eine Erfahrung. Er spürte, wie sich bei dem Wort etwas in ihm regte, eine Neugier, die die Angst überlagerte. Was für eine Erfahrung meinte sie? Er nickte nur, zu unsicher, um nachzufragen, aber die Frage hing in der Luft.
Ihre Worte entspannten ihn ein wenig. Er nahm noch einen Schluck Champagner und spürte, wie die Wärme sich in seinem Körper ausbreitete – eine Wärme, die er lange nicht mehr gespürt hatte. "Ich bin... es ist lange her, seit ich...", begann er unsicher.
"Seit Sie intim mit einer Frau waren?", half Sophie ihm.
"Zehn Jahre", sagte er leise, fast beschämt. "Meine Frau... sie hat sich für einen spirituellen Weg entschieden. Körperliche Intimität ist nicht mehr Teil unserer Beziehung."
Sie wird denken, ich bin ein Versager, schoss es ihm durch den Kopf. Ein Mann, der seine Frau nicht befriedigen kann, der nicht attraktiv genug ist, um begehrt zu werden, der so verzweifelt ist, dass er für Berührung bezahlen muss. Bezahlen, als wäre Nähe eine Ware, als wäre Begehren etwas, das man kaufen kann.
Doch Sophie nickte nur verständnisvoll. "Das ist eine lange Zeit. Es ist verständlich, dass Sie sich nach Nähe sehnen." Ihre Worte, frei von Urteil oder Mitleid, berührten etwas in ihm. Er hatte nicht erwartet, verstanden zu werden, nicht von einer Fremden, die er bezahlte. Aber da war etwas in ihren Augen, eine Wärme, die echt wirkte. Oder war sie nur eine gute Schauspielerin? Spielte es eine Rolle?
"Ich weiß nicht einmal, ob ich noch... ob ich noch kann", gestand er, den Blick auf sein Glas gerichtet. "Es ist so lange her."
"Das ist eine häufige Sorge", sagte Sophie sanft. "Aber der Körper vergisst nicht. Und wir haben Zeit. Wir müssen nichts überstürzen."
Sie stand auf, kam zu ihm herüber und setzte sich neben ihn auf die Armlehne seines Sessels. Ihre Nähe, ihr subtiler blumiger Duft ließen sein Herz schneller schlagen. Ein gefährliches, aufregendes Tempo. "Darf ich?", fragte sie und streckte eine Hand aus, um seine Wange zu berühren.
Er nickte, unfähig zu sprechen. Ihre Finger waren warm und weich, als sie über seine Wange strichen. Eine simple Berührung, die nach all den Jahren der Abstinenz elektrisch wirkte, ein Blitz in der Wüste. Er schloss unwillkürlich die Augen und lehnte sich in ihre Berührung. Menschliche Berührung. Wie hatte er so lange ohne leben können?
"Es geht nicht nur um Sex", sagte Sophie leise. "Es geht um Berührung, um Nähe, um das Gefühl, gesehen und begehrt zu werden. Das sind grundlegende menschliche Bedürfnisse, Sven." Sie benutzte seinen Vornamen, und es klang vertraut, nicht unpassend. "Es ist nichts, wofür Sie sich schämen müssten." Ihre Worte trafen ihn tief, lösten etwas in ihm, das lange verschlossen gewesen war. Er öffnete die Augen, blickte in ihr Gesicht, so nah an seinem. Ohne nachzudenken, lehnte er sich vor und küsste sie.
Ich küsse eine fremde Frau, dachte er verwirrt. Nach zehn Jahren Ehe ohne Intimität küsste er eine Frau, die nicht seine Ehefrau war. Und es fühlte sich gut an, es fühlte sich richtig an. Was sagte das über ihn aus? Über seine Ehe? Über sein Leben? Es war ein zögerlicher, fast schüchterner Kuss, wie der eines Teenagers bei seinem ersten Date, aber Sophie erwiderte ihn sanft, ihre Lippen weich und einladend. Sie schmeckte nach Champagner und etwas anderem, etwas Eigenem, Berauschendem. Ihre Hand fand seinen Nacken, zog ihn sanft näher, vertiefte den Kuss. Er spürte, wie sein Körper erwachte, wie Blut in seine Lenden schoss, ein längst vergessenes Feuer. Als sie sich lösten, keuchten beide leicht. Sein Körper reagierte auf eine Weise, die er fast vergessen hatte. Er reagierte, lebte, fühlte.
"Vielleicht sollten wir es uns bequemer machen", sagte Sophie, ihre Stimme nun tiefer, rauer. Sie stand auf und streckte ihm eine Hand entgegen.
Er nahm ihre Hand, ihre Haut weich, warm, lebendig, und ließ sich von ihr zum Bett führen. Seine Beine fühlten sich schwer an, sein Mund war trocken trotz des Champagners. Als sie vor dem großen Bett mit seinen weißen Laken und flauschigen Kissen standen, überkam ihn plötzlich wieder die Unsicherheit, die Angst, die Scham. Ein Abgrund tat sich vor ihm auf.
"Ich weiß nicht, ob ich...", begann er, aber Sophie legte einen Finger auf seine Lippen. Ihre Berührung sandte einen Schauer durch seinen Körper. "Kein Druck", sagte sie, ihre Stimme ein sanftes Flüstern. "Wir können einfach hier liegen, reden, uns kennenlernen. Alles andere ergibt sich, oder nicht. Es ist in Ordnung."
Sie begann, sein Jackett aufzuknöpfen, langsam, ohne Eile. Ihre Finger streiften dabei seine Brust, ein flüchtiger Kontakt, der seine Haut prickeln ließ. Er ließ es geschehen, ließ zu, dass sie ihm half, es auszuziehen und über einen Stuhl zu hängen. Seine Krawatte folgte, dann sein Hemd, Knopf für Knopf. Ihre Fingerkuppen streiften über seine Haut – eine bewusste Berührung, eine Einladung, eine Verheißung. Er stand vor ihr mit nacktem Oberkörper und fühlte sich plötzlich sehr verletzlich, exponiert, als würde er bewertet. Ein Buch, aufgeschlagen für eine Fremde.
Sie wird enttäuscht sein, dachte er. Er war nicht mehr jung, sein Körper war nicht mehr... Er hatte zugenommen, seit er und Claudia geheiratet hatten. Die Büroarbeit, der Stress, die Kinder – all das hatte seine Spuren hinterlassen. Sie hatte wahrscheinlich junge, durchtrainierte Männer als Kunden, nicht alternde Versicherungsangestellte mit Bauchansatz, grauen Haaren und Falten.
Aber Sophie lächelte nur. Sie ließ ihre Hände über seine Brust gleiten, über die leichte Behaarung mit den grauen Strähnen darin. Ihre Berührung war fest, sicher, nicht wertend. "Du siehst gut aus", sagte sie, und es klang aufrichtig. Ihre Augen wanderten über seinen Oberkörper, verweilten einen Moment auf seinem Bauch. Kein Ausdruck des Ekels, nur Interesse, Akzeptanz – vielleicht sogar Begehren? Sie sah nicht nur den alternden Mann, sie schien den Mann darunter zu sehen, den Mann, der er war, der er sein könnte.
Sie half ihm, auch den Rest seiner Kleidung abzulegen, während sie sich selbst langsam ihres Kleides entledigte. Das Geräusch des Reißverschlusses, das Rascheln des Stoffes, der zu Boden glitt. Er stand nackt vor ihr, sie vor ihm, nur in zarter, schwarzer Spitze. Die Verletzlichkeit war fast greifbar, aber Sophies ruhige Selbstsicherheit wirkte wie ein Anker in seinem aufgewühlten Inneren. Sie betrachtete ihn offen, ihre Augen wanderten über seinen Körper, und er spürte, wie seine Wangen heiß wurden, aber es war nicht nur Scham, es war auch Erregung. Sie machte keine Anstalten, ihre eigene Unterwäsche abzulegen, wartete, gab ihm Raum.
"Du bist wunderschön", flüsterte er, und es war die Wahrheit. Ihr Körper war weiblich, weich und stark zugleich, ihre Haut schien im gedämpften Licht zu leuchten.
Sophie lächelte. "Du auch, Sven." Sie trat näher, legte ihre Hände auf seine Hüften. Ihre Berührung war elektrisierend. "Entspann dich. Atme."
Er atmete tief durch, versuchte, die Anspannung loszulassen. Sie führte ihn zum Bett, ließ ihn sich setzen. Dann kniete sie sich vor ihn. Ihr Blick traf seinen, fragend, aber auch voller Versprechen. Er nickte kaum merklich.
Ihre Hände fanden seinen schlaffen Penis, umschlossen ihn sanft. Ihre Berührung war warm, weich, erfahren. Sie begann ihn zu streicheln, langsam, zärtlich, dann fester, als sie spürte, wie er unter ihrer Berührung erwachte, sich aufrichtete, hart wurde. Ein Stöhnen entrang sich seiner Kehle. Es war so lange her, dass ihn jemand so berührt hatte, mit solcher Aufmerksamkeit, solcher Hingabe.
Sie beugte sich vor, ihre blonden Haare fielen wie ein Vorhang um ihr Gesicht, und nahm ihn in ihren Mund. Die Feuchtigkeit, die Wärme, der sanfte Sog – es war überwältigend. Er keuchte auf, krallte seine Finger ins Bettlaken. Ihre Zunge umspielte ihn, ihre Lippen massierten ihn, ihr Rhythmus war mal langsam und neckend, mal schnell und fordernd. Er schloss die Augen, gab sich dem Gefühl hin, verlor sich in der Sensation. Es war zu viel, zu intensiv nach all den Jahren der Leere. Ein heißer Schauer durchfuhr ihn, sein Körper spannte sich unkontrolliert an, und er kam, viel zu früh, mit einem fast schmerzhaften Stoß. Ein Gefühl von Versagen und tiefer Scham überflutete ihn sofort.
Er stöhnte auf, diesmal aus Enttäuschung. "Oh Gott... es tut mir leid... ich..."
Sophie löste sich sanft von ihm, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und blickte ihn an. Kein Vorwurf in ihren Augen, nur Verständnis, vielleicht sogar ein Hauch von Belustigung, aber nicht verletzend. "Hey", sagte sie leise und legte eine Hand auf sein Knie. "Das ist absolut okay. Wirklich. Es ist lange her, du stehst unter Druck. Das passiert."
Ihre Gelassenheit überraschte ihn. Er hatte Ablehnung erwartet, vielleicht sogar Ärger. Aber sie lächelte ihn nur an. "Der Körper hat manchmal seinen eigenen Kopf, besonders wenn er so lange warten musste." Sie strich ihm beruhigend über den Oberschenkel. "Wir haben Zeit. Lass uns einfach einen Moment durchatmen."
Sie setzte sich neben ihn aufs Bett, zog ihre Beine an und umfasste ihre Knie. Sie plauderten ein wenig, über Belanglosigkeiten, über Stuttgart im Winter, über Musik. Ihre Ungezwungenheit half ihm, sich zu entspannen, die Scham verblasste langsam. Er betrachtete sie, ihre entspannte Haltung, die Art, wie sie sprach, und spürte eine wachsende Zuneigung, eine Dankbarkeit für ihre Sensibilität.
Nach einer Weile, als er sich wieder ruhiger fühlte, legte sie ihren Kopf auf seine Schulter. "Bereit für Runde zwei?", fragte sie mit einem Augenzwinkern.
Er lächelte. "Ja."
Diesmal war es anders. Langsamer, bewusster. Sie küssten sich, zärtlich, forschend. Ihre Hände erkundeten einander, ohne Eile, lernten die Konturen, die Wärme, die Textur der Haut des anderen kennen. Er strich über ihren Rücken, spürte die sanfte Wölbung ihrer Wirbelsäule, sie ließ ihre Finger durch sein Haar gleiten. Die Luft knisterte nicht mehr vor verzweifelter Gier, sondern vor sanfter Erwartung.
"Was magst du?", fragte Sophie leise, ihre Lippen an seinem Ohr. "Was wünschst du dir?"
Er zögerte zuerst, dann begann er, seine Wünsche zu äußern, schüchtern, aber ehrlich. Er sprach von Berührungen, von Küssen an bestimmten Stellen, von der Sehnsucht, gehalten zu werden. Er fragte sie nach ihren Vorlieben, überrascht von seiner eigenen Kühnheit. Sie antwortete offen, beschrieb, was sie erregte, leitete ihn mit sanften Berührungen und leisen Anweisungen an, ermutigte ihn, die Kontrolle zu übernehmen oder abzugeben.
"Ich kenne nicht viele Stellungen", gestand er erneut, als die Erregung wieder stieg, diesmal langsamer, tiefer. "Missionar, von hinten... das war's eigentlich."
Sophie lächelte. "Kein Problem. Wollen wir etwas Neues ausprobieren? Wie wäre es, wenn ich oben bin? Man nennt das die Reiterstellung. Du kannst dich einfach zurücklehnen und genießen – oder mitmachen, wie du willst."