Verführt von dir und deiner Liebe - Jennie Lucas - E-Book

Verführt von dir und deiner Liebe E-Book

Jennie Lucas

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Beschreibung

Schockiert hört Laney das unmoralische Angebot: Nach der Mitternachtsgala in Monaco will Kassius Black mit ihr eine Nacht voller Leidenschaft verbringen. Wenn ihr die erotischen Stunden mit ihm nicht gefallen, schenkt ihr der sexy Millionär danach zehn Millionen Dollar! Mutig sagt Laney Ja, denn Kassius ist zwar ein Traummann, aber sie glaubt nicht an ihre eigene Sinnlichkeit. Doch als sie in seinen Armen erregt seinen Namen flüstert, verliert sie mehr als sehr viel Geld. Ihr Herz - an einen Mann, der keine Sekunde lang an wahre Liebe glaubt …

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Seitenzahl: 203

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IMPRESSUM

JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2016 by Jennie Lucas Originaltitel: „Baby of His Revenge“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 2317 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Annette Stratmann

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 1/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733708801

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Ich sollte Sie auf der Stelle feuern, Laney. Es gibt genug andere, die gern Ihren Job hätten. Und keine von denen ist so dämlich wie Sie.“

„Entschuldigung!“ Mit Tränen in den Augen blickte Laney May Henry auf den edlen weißen Pelz ihrer Chefin, der über einer Sessellehne hing und den Laney gerade mit Kaffee bekleckert hatte. Verzweifelt bearbeitete sie ihn mit einem Zipfel ihrer schlichten weißen Baumwollbluse. „Es war nicht …“

„Was war es nicht?“ Die perfekt geschminkten Augen der jungen Adligen, einer kühlen blonden Schönheit, die bereits vier gescheiterte Ehen hinter sich hatte, verengten sich drohend. „Was wollen Sie damit sagen?“

Dass es nicht meine Schuld war.

Laney atmete tief durch. Es war zwecklos, ihrer Chefin erklären zu wollen, dass deren Freundin ihr ein Bein gestellt hatte, als sie gerade den Kaffee servierte. Aus dem einfachen Grund, weil ihre Chefin es mit eigenen Augen gesehen und sich zusammen mit ihrer Besucherin köstlich darüber amüsiert hatte, wie Laney mit einem erschrockenen „Ups!“ auf dem flauschigen Teppich ins Straucheln geraten war. Für Mimi du Plessis, die Comtesse de Fourcil, die hier in Monaco in einem Luxusapartment residierte, war das alles ein großer Spaß.

Bis sie die Kaffeeflecken auf ihrem Pelzmantel entdeckte.

„Nun?“, fragte sie scharf. „Ich warte.“

Laney senkte den Blick. „Es tut mir leid, Madame la Comtesse.“

Ihre Arbeitgeberin wandte sich wieder ihrer ganz in Dolce und Gabbana gekleideten Freundin zu, die in der anderen Ecke des weißen Ledersofas saß und genüsslich an ihrer Zigarette zog. „So ein Trampel“, sagte sie abfällig.

„Allerdings.“ Die Besucherin blies gelangweilt einen Rauchkringel in die Luft.

„Heutzutage findet man kaum noch gutes Personal.“

Laney biss sich auf die Lippen und hielt den Blick gesenkt. Mimi du Plessis hatte sie vor zwei Jahren als Assistentin engagiert. Ihre Aufgabe war es, sich um die Garderobe der Comtesse zu kümmern, ihre Termine zu verwalten und diverse Besorgungen für sie zu erledigen. Laney hatte bald gemerkt, warum die Stelle so gut bezahlt war. Sie musste ihrer Chefin rund um die Uhr zur Verfügung stehen, immer auf Abruf. In den letzten zwei Jahren war kein Tag vergangen, an dem sie nicht davon geträumt hatte, ihren Job hinzuwerfen und nach New Orleans zurückzukehren.

Doch das ging nicht. Ihre Familie war auf ihr Gehalt angewiesen, und sie liebte ihre Familie.

„Nehmen Sie den Pelz, und zischen Sie ab. Ich kann Ihre weinerliche kleine Fratze nicht mehr sehen. Bringen Sie den Mantel zur Reinigung, und wehe, er ist nicht pünktlich zur Silvestergala heute Abend wieder da.“ Ohne sich weiter um Laney zu kümmern, plauderte die Comtesse wieder mit ihrer Freundin. „Du, ich glaube, Kassius Black macht heute Abend den entscheidenden Schritt.“

„Meinst du wirklich?“, fragte die andere Frau sensationslüstern.

Die Comtesse lächelte zufrieden wie eine Perserkatze, die Sahne aus einer goldenen Schüssel schleckt. „Er hat ein paar Millionen Euro für Kredite an meinen Boss verschleudert, dabei steht dessen Firma kurz vor dem Bankrott. Ich habe ihm gesagt, wenn er mich beeindrucken will, soll er aufhören, sein Geld zum Fenster hinauszuwerfen, und lieber mit mir ausgehen.“

„Und? Begleitet er dich heute Abend zum Ball?“

„Nicht direkt“, erwiderte die Comtesse achselzuckend. „Aber ich habe es satt, darauf zu warten, dass er die Initiative ergreift. Jeder weiß, dass er verrückt nach mir ist. Und ich könnte mir durchaus vorstellen, wieder zu heiraten.“

„Du willst ihn heiraten?“

„Warum denn nicht?“

Die rauchende Society-Lady schürzte die Lippen. „Zugegeben, Süße, Kassius Black ist sündhaft reich und unverschämt attraktiv, aber wer ist er? Wo kommt er her? Welchen Hintergrund hat er? Das weiß niemand so genau.“

„Und wenn schon.“ Mimi du Plessis, die gern damit prahlte, einem Adelsgeschlecht anzugehören, das sich nicht nur bis zur „Mayflower“, sondern bis hin zu Karl dem Großen zurückverfolgen ließ, tat den Einwand ihrer Freundin mit einer achtlosen Handbewegung ab. „Ich habe die Nase voll von Aristokraten, die keinen lumpigen Dollar besitzen. Mein letzter Ehegatte, der Comte, hat mich ganz schön bluten lassen. Nach der Scheidung musste ich mir eine Arbeit suchen. Ich! Eine Arbeit!“

Sie schüttelte sich angewidert, doch ihre Miene hellte sich gleich wieder auf. „Als Kassius Blacks Frau brauche ich mir um einen Job keine Sorgen mehr zu machen. Er ist der zehntreichste Mann der Welt.“

Ihre Freundin blies einen weiteren Rauchkringel in die Luft. „Der neuntreichste.“

„Umso besser. Ich weiß, er wird mich um Mitternacht küssen. Ich kann es kaum abwarten. Er sieht aus, als wüsste er, was Frauen brauchen …“ Das spitze Gesicht der Gräfin wurde noch spitzer, als ihr Blick auf Laney fiel, die zögernd neben dem Sofa verharrte. „Worauf warten Sie noch?“

„Verzeihung, Madame, aber ich brauche Ihre Kreditkarte für die Reinigung.“

„Soll das ein Witz sein? Die bezahlen Sie gefälligst selbst. Und dann bringen Sie uns frischen Kaffee, und zwar flott, Sie dumme Gans.“

Mit dem schweren Pelz über dem Arm fuhr Laney im Lift hinunter in die elegante Lobby des Hôtel de Carillon und trat auf einen der vornehmsten Boulevards von Monaco hinaus. Hier, in Sichtweite des berühmten Casinos von Monte Carlo, reihte sich eine Edelboutique an die andere. Der Hotelportier nickte ihr aufmunternd zu. „Ça va, Laney?“

„Ça va, Jacques.“ Sie rang sich ein Lächeln ab, doch so trüb wie der wolkenverhangene Himmel war auch ihre Stimmung.

Es hatte gerade erst aufgehört zu regnen, und alles war tropfnass. Die Straße, die schicken Sportwagen, die vorüberflitzten, die Touristen, die sich in Trauben auf dem Bürgersteig drängten.

Jetzt, Ende Dezember, waren die Tage kurz und die Nächte lang, was der Feierstimmung keinen Abbruch tat. Viele Besucher, vor allem reiche Jachtbesitzer, kamen extra am Jahresende nach Monaco, um sich auf exklusiven Partys zu amüsieren, Designerläden zu besuchen und in Spitzenrestaurants zu dinieren.

Laney war froh, dass es nicht mehr regnete. Nicht nur aus Sorge um den Pelz ihrer Arbeitgeberin, sondern auch, weil sie in der Eile vergessen hatte, ihren Mantel überzuziehen. In der typischen Dienstbotenkluft, bestehend aus einer einfachen weißen Bluse, Kakihosen und bequemen Sportschuhen, das dunkle Haar zum Pferdeschwanz gebunden, eilte sie zitternd vor Kälte die Straße entlang, den Pelz der Comtesse fest an sich gepresst.

Sie selbst mochte keine Pelze. Die erinnerten sie zu sehr an die heiß geliebten Haustiere im Haus ihrer Großmutter am Rande von New Orleans, wo sie aufgewachsen war. An die gutmütigen alten Jagdhunde und die eigenwilligen Katzen, ihre treuen Begleiter aus Jugendtagen, die ihr über so manchen Herzschmerz hinweggeholfen hatten.

Wie sehr sie ihr Zuhause vermisste! Ihr blutete das Herz vor Heimweh. Sie hatte ihre Familie seit zwei Jahren nicht gesehen.

Der Pelz in ihren Armen war unförmig und schwer, sie selbst klein und zierlich. Sie hievte ihn sich über die Schulter, um gleichzeitig ihr Smartphone bedienen zu können.

Während sie mit gesenktem Kopf im Netz nach der nächstgelegenen Pelzreinigung suchte, lief sie mitten in eine Touristengruppe hinein, die stur wie eine Schafherde hinter ihrem Fremdenführer hertrottete. Sie wurde angerempelt, stolperte und geriet auf die Fahrbahn.

Keuchend vor Schreck drehte sie sich um und sah wie in Zeitlupe einen knallroten Sportwagen auf sich zukommen.

Rasend schnell gingen ihr ein paar letzte Gedanken durch den Kopf, als der Wagen mit quietschenden Reifen auf sie zuschlitterte. Wie schade es war, dass sie schon mit fünfundzwanzig sterben musste, weit weg von zu Hause und ihren Lieben. Noch dazu auf diese Weise, mit dem Pelz ihrer Chefin über der Schulter, überrollt von den Reifen eines Luxusautos. Wie gern hätte sie ihrer Großmutter und ihrem Vater ein letztes Mal gesagt, wie sehr sie sie liebte …

Als der Aufprall kam, schloss sie die Augen und hielt den Atem an. Sie flog über die Motorhaube und landete – auf etwas himmlisch Weichem.

„Verdammt, was fällt Ihnen ein?“

Was sie da hörte, klang nicht wie die Stimme Gottes, sondern wie eine ganz normale, zornige Männerstimme. Demnach war sie wohl noch am Leben. Vorsichtig öffnete sie die Augen und sah eine große dunkle Gestalt über sich gebeugt.

Noch während der Mann neben ihr in die Hocke ging, sammelte sich eine Gruppe Schaulustiger um sie.

„Warum laufen Sie einfach auf die Straße? Sie hätten tot sein können!“ Der Mann hatte dunkles Haar, dunkle Augen und sah, soweit sie es erkennen konnte, ziemlich gut aus.

Ruckartig fuhr sie in die Höhe, woraufhin ihr sofort schwindelig wurde. „Kassius … Black!“, krächzte sie, eine Hand an ihre Stirn gepresst.

„Kennen wir uns?“, fragte der Mann irritiert.

Aber nein. Sie schüttelte den Kopf. Sie war ein Niemand, er dagegen …

„Sind Sie verletzt?“

„Nein“, flüsterte sie. Und das stimmte sogar. Der dicke Pelz ihrer Chefin hatte ihren Sturz wie ein Kissen abgefedert. Ungläubig berührte sie die Schnauze des überaus schnittigen, überaus teuren Sportwagens, der sie fast überfahren hätte.

„Sie stehen unter Schock.“ Der Mann begann, sie abzutasten. Natürlich nur, um sich zu vergewissern, dass nichts gebrochen war, doch seine Hände auf ihrem zitternden Körper erfüllten sie mit prickelnder Hitze.

Energisch schob sie ihn fort. „Mir fehlt nichts.“

Von allen Milliardären Monacos – und die gab es hier wirklich tonnenweise – musste sie ausgerechnet dem Schwarm ihrer Chefin ins Auto laufen. Dem mysteriösen, mächtigen Kassius Black. Wenn die Comtesse das erfuhr …

„Ich muss weiter.“ Sie wollte aufstehen, doch der Mann hielt sie zurück.

„Halt, warten Sie. Die Sache ist vielleicht ernster, als Sie denken.“

„Wieso?“ Sie warf einen Blick auf den chromblitzenden Kühlergrill seines Wagens. „Habe ich Ihren Lamborghini verletzt?“

„Sehr witzig.“ Er musterte sie streng. „Sie sind mir direkt ins Auto gelaufen.“

„Ich bin gestolpert.“

„Dann passen Sie das nächste Mal besser auf.“

„Danke für den guten Rat.“ Warum kam ihr der leichte Akzent des Mannes, der gelegentlich mit ihrer Chefin zu Mittag aß, so merkwürdig vertraut vor? Verwirrt rieb sie sich die Schläfen.

Kassius Black zückte sein Smartphone. „Ich rufe jetzt einen Krankenwagen.“

„Nein, lassen Sie nur“, wehrte Laney hastig ab. „Das ist nett gemeint, aber dafür habe ich keine Zeit.“

Der große, dunkelhaarige Mann sah sie entgeistert an. „Sie haben keine Zeit für den Krankenwagen?“

Prüfend blickte sie an sich herab. Kein hervorsprudelndes Blut, keine verrenkten Glieder. Alles, was sie davongetragen hatte, war ein kleiner Schwächeanfall und eine unbedeutende Beule an der Stirn. „Ich muss dringend etwas für meine Chefin erledigen.“

Mühsam rappelte sie sich hoch. Er ergriff ihre Hand, um ihr zu helfen. Wieder spürte sie ein Kribbeln wie von elektrischem Strom, als er sie berührte.

Er war ein ganzes Stück größer als sie, schlank, aber kräftig gebaut, und wirkte äußerst distinguiert in seinem feinen dunklen Anzug. Sie dagegen musste aussehen wie ein Häufchen Elend.

Noblesse oblige, dachte sie missmutig und ließ rasch seine Hand los.

„Also, noch mal vielen Dank, dass Sie gebremst haben“, sagte sie. „Ich muss los.“

„Für wen arbeiten Sie?“

„Für die Comtesse de Fourcil.“

„Für Mimi?“ Überrascht trat er näher und musterte sie aufmerksam. „Ah, jetzt fällt es mir ein. Sie sind die kleine Maus, die um Mimi herumwuselt und ihr alles hinterherträgt.“

Laney errötete. „Ich bin ihre Assistentin.“

„Und was ist so dringend, dass Sie bereit sind, dafür zu sterben?“

„Ich bin nicht gestorben.“

„Glück gehabt.“

„Ja, Glück gehabt.“ Aus der Nähe betrachtet, war er sogar noch attraktiver. Ihr wurde fast ein bisschen schwindelig, als sie ihm in die Augen sah. Er hatte ein schönes, markantes Gesicht mit einer interessanten Narbe auf der rechten Wange. Seine Nase wies eine leichte Krümmung auf, als wäre sie schon einmal gebrochen gewesen.

Kassius Black war keiner dieser Playboy-Typen, mit denen sich Mimi seit ihrer letzten Scheidung im fliegenden Wechsel umgab. Dieser Mann war ein Kämpfer. Und er brachte Laney völlig aus dem Gleichgewicht, warum auch immer.

„Also, kleine Maus, was ist so wichtig, dass Sie dafür Ihr Leben riskieren?“

„Der Mantel …!“ Den hatte sie fast vergessen. Entsetzt blickte sie auf den weißen Pelz, der halb zerfetzt in einer Pfütze lag. Ihre Schläfen pochten, als sie sich danach bückte. „Ich bin erledigt“, flüsterte sie. „Ich sollte ihn für den Ball heute Abend reinigen lassen. Jetzt ist er ruiniert.“

„Das ist nicht Ihre Schuld.“

„Doch, ist es“, erwiderte sie kläglich. „Erst schütte ich Kaffee darüber, und dann laufe ich, ohne hinzugucken, auf die Straße, nur weil ich auf dem Handy … mein Handy!“

Da lag es, platt gewalzt von einem der Breitreifen des metallicroten Sportflitzers. Mit Tränen in den Augen hob sie es auf.

Fang jetzt bloß nicht an zu heulen, befahl sie sich.

Und dann, zu allem Überfluss, öffnete der bleigraue Himmel seine Schleusen, und ein eiskalter Regen prasselte auf sie nieder. Das gab ihr den Rest. Sie öffnete den Mund – und fing schallend an zu lachen.

Kassius Black starrte sie an, als hätte sie den Verstand verloren.

„Meinen Job kann ich vergessen“, keuchte sie, immer noch lachend.

„Und das finden Sie lustig?“

„Nein.“ Ernüchtert wischte sie sich die Tränen aus den Augen. „Wenn ich kein Geld nach Hause schicke, kann meine Familie die Miete und die Medikamente für meinen Vater nicht mehr bezahlen, und das ist gar nicht lustig.“

„Das tut mir leid“, erwiderte Kassius Black zugeknöpft.

„Und mir erst“, murmelte Laney, der plötzlich aufging, wie absurd es war, dem neuntreichsten Mann der Welt von ihren Geldproblemen zu erzählen.

Der schrille Klang einer Autohupe ließ sie beide herumfahren. Nachdem klar war, dass hier niemand auf offener Straße verbluten würde, hatten sich die Gaffer zerstreut, doch der rote Sportwagen blockierte den Verkehr, und die Fahrer der mindestens ebenso teuren Luxuskarossen hinter ihm wurden allmählich ungeduldig.

Kassius Black bedachte sie mit einer rüden Geste, wandte sich wieder Laney zu und erklärte in plötzlich recht schroffem Ton: „Also, wenn Sie nicht verletzt sind und auch nicht ins Krankenhaus wollen, dann fahre ich jetzt weiter.“

„Gute Fahrt“, sagte sie spitz. „Und danke, dass Sie mich nicht totgefahren haben.“

Sie feuerte ihr kaputtes Handy in den nächsten Mülleimer, legte sich den ruinierten Pelz über die Schulter und stapfte im strömenden Regen davon. Sie würde zum Hotel zurückkehren und Jacques fragen, ob er eine Reinigung kannte, die Wunder vollbringen konnte. Obwohl ihr auch ein Wunder jetzt nicht mehr helfen würde. Da brauchte es schon jemanden, der die Zeit für sie zurückdrehte …

Jemand packte sie von hinten am Arm. Sie fuhr herum und sah in das finstere Gesicht von Kassius Black.

„Okay, wie viel?“, fragte er grimmig.

„Wie bitte?“

„Los, steigen Sie ein.“

„Danke, ich habe es nicht weit bis zum Hotel.“

„Und was wollen Sie da?“

„Den Pelz abliefern, mir das Geschrei meiner Chefin anhören und mich vor die Tür setzen lassen.“

„Nette Aussichten.“ Er lächelte ironisch. „Hören Sie, ich weiß, dass Sie mir absichtlich vors Auto gelaufen sind. Ich verstehe zwar nicht, warum Sie nicht sagen, wie viel Sie wollen, aber welches Spiel auch immer Sie spielen …“

„Ich spiele kein Spiel!“

„Egal, auf jeden Fall habe ich eine Lösung für Ihr Problem. Das Problem mit dem Mantel, meine ich.“

Laney funkelte ihn ungläubig an. „Sie meinen, der Pelz ist noch zu retten? Das wäre wunderbar! Ich wäre Ihnen unendlich dankbar …“

„Steigen Sie ein.“

Die Autofahrer in der Schlange waren inzwischen zu wüstem Geschrei übergegangen. Laney überlegte nicht lange. Triefnass und mit dem verdreckten Pelz im Arm kletterte sie auf den Beifahrersitz von Kassius Blacks rotem Sportflitzer.

Kassius glitt hinter das Steuer, und mit satt brummendem Motor brausten sie los.

„Wohin fahren wir?“

„Keine Sorge, es ist nicht weit.“

„Meine Großmutter würde Zeter und Mordio schreien, wenn sie wüsste, dass ich zu einem wildfremden Mann ins Auto steige“, sagte Laney, der tatsächlich etwas mulmig zumute war. Nur weil der Mann ein teures Auto fuhr, war er noch lange nicht vertrauenswürdig, eher im Gegenteil.

„Ich bin kein Fremder. Sie kennen meinen Namen.“

„Mr. Black, ja, aber …“

„Nennen Sie mich Kassius.“

„Kassius“, wiederholte sie mit ihrem weichen Südstaatenakzent. „Ich heiße Laney. Laney May Henry.“

„Amerikanerin?“

Sie nickte. „Aus New Orleans.“

Er drehte den Kopf und sah sie so aufmerksam an, dass sie ganz verlegen wurde. Sie war es nicht gewöhnt, dass Männer Notiz von ihr nahmen, schon gar nicht Männer wie Kassius Black. Warum verhielt er sich so hilfsbereit? Hatte die Comtesse ihn nicht als unnahbar bezeichnet? Als einen Mann, in dessen Adern Eiswasser floss?

„Danke, dass Sie mir helfen“, sagte sie. „Das ist sehr nett von Ihnen.“

„Ich bin nicht nett. Ich will nur nicht, dass Sie Ihren Job verlieren.“

„Danke“, sagte sie noch einmal. Wann hatte sich das letzte Mal jemand um sie gekümmert? Normalerweise war sie es, die sich um andere kümmerte. Heftig blinzelnd wandte sie sich ab und blickte aus dem Fenster.

Das kleine Fürstentum Monaco, an der französischen Mittelmeerküste gelegen, galt als Steuerparadies und war ein beliebter Wohnsitz für die Reichen aus aller Welt. Es war bekannt für sein im neunzehnten Jahrhundert erbautes Spielcasino, sein erlesenes Publikum und für den Großen Preis von Monaco, das Autorennen, das alljährlich in den engen Straßen mit ihren berühmt-berüchtigten Haarnadelkurven ausgetragen wurde.

Seufzend betrachtete Laney wieder den lädierten Pelz auf ihrem Schoß. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass da noch etwas zu machen ist. Können Sie nicht einfach mitkommen und meiner Chefin alles erklären? Vielleicht drückt sie dann ein Auge zu.“

Kassius Black blickte mit unbewegter Miene auf die Straße. „Warum sollte sie? Meine Beziehung zu Mimi ist rein geschäftlich.“

„Sind Sie denn nicht in sie verliebt?“, platzte Laney heraus.

„Verliebt?“ Der Wagen machte einen kleinen Schlenker. „Wie kommen Sie darauf?“

„Alle Männer sind in Mimi verliebt. Ich dachte …“

„Falsch gedacht.“ Rasant scherte er in eine Parklücke am Straßenrand ein. „Man sagt mir nach, ich hätte kein Herz.“

„Sie müssen eins haben. Warum sonst sollten Sie mir helfen?“

Er warf ihr einen finsteren Blick zu, stieg aus und ging um den Wagen herum. Er war groß, sehr groß, brachte bestimmt hundert Pfund mehr auf die Waage als sie. Hundert Pfund reine Muskelmasse, und doch bewegte er sich erstaunlich geschmeidig. Schwungvoll öffnete er ihr die Tür und streckte ihr die Hand hin.

Sollte sie es wirklich wagen, ihn noch einmal zu berühren?

„Den Pelz bitte.“

Ach so. Sie gab ihm den Mantel, und er warf ihn sich achtlos über die Schulter.

„Jetzt Sie.“ Wieder hielt er ihr die Hand hin.

Laney zögerte. Sie hatte Angst, sich wie eine alberne Gans zu benehmen. Wenn sie nervös war, neigte sie dazu, dummes Zeug zu reden, und Kassius Black machte sie äußerst nervös. Zaghaft legte sie ihre Hand in seine, zog sie aber rasch zurück, sobald sie ausgestiegen war, denn seine warme Hand um ihre löste die seltsamsten Reaktionen in ihr aus.

Zweifelnd betrachtete sie die vornehme Jugendstilfassade, vor der sie standen. „Das sieht aber nicht aus wie eine Reinigung.“

„Ist es auch nicht. Kommen Sie.“

Sie betraten eine exklusive Modeboutique. Mit den Worten: „Bitte entsorgen Sie den“, drückte Kassius der erstbesten Verkäuferin Mimis Pelz in die Arme.

„Gern, Sir“, erwiderte die Frau höflich lächelnd.

„Entsorgen?“, rief Laney entsetzt. „Das können Sie doch nicht tun!“

„Und bringen Sie uns einen gleichwertigen Ersatz“, setzte er hinzu, den Blick auf die schöne, modisch gekleidete junge Frau gerichtet.

„Was?“, krächzte Laney.

„Gern, Sir“, wiederholte die Verkäuferin unverändert lächelnd. Laney vermutete, dass sie genauso reagiert hätte, wenn einer ihrer reichen Kunden sie gebeten hätte, eine Leiche zu entsorgen. „Wir haben ein ganz ähnliches Modell aus derselben Kollektion auf Lager, zum Preis von fünfzigtausend Euro.“

Laney traf fast der Schlag, doch Kassius verzog keine Miene.

„Den nehmen wir.“

„Es gibt nur eine Erklärung dafür, dass Sie soeben ein Vermögen für einen Pelzmantel verschleudert haben“, sagte sie düster, als sie kurz darauf mit dem neuen Pelz im Kofferraum zurück zum Hotel fuhren. „Geben Sie’s zu, Sie sind doch in Mimi verliebt.“

Ihr Begleiter lächelte. „Ich tue das nicht für Mimi, ich tue das für Sie.“

„Für mich?“

„Allerdings. Sie wissen, wie reich ich bin, und versuchen trotzdem nicht, Kapital daraus zu schlagen, dass ich Sie angefahren habe. Sie könnten alle möglichen Ansprüche geltend machen und mich auf Schmerzensgeld verklagen. Ich dachte, das wäre Ihr Plan.“ Er nahm ihre zierliche, feminine Figur so ungeniert unter die Lupe, dass Laney vor Verlegenheit heiße Wangen bekam. „Mit einem guten Anwalt könnten Sie locker ein paar Millionen herausschlagen.“

Ein paar Millionen? Daran hatte sie im Traum nicht gedacht. Mit so viel Geld hätte sie für den Rest ihres Lebens ausgesorgt, vor allem aber ihre Familie …

„Nein, das wäre nicht fair“, erwiderte sie, wenn auch zögerlich. „Sie trifft keine Schuld, im Gegenteil. Ihre schnelle Reaktion hat mir das Leben gerettet.“

„Wenn ich Ihnen eine Million Dollar überweise, rasch und unbürokratisch, unterschreiben Sie dann, dass Sie keine weiteren Ansprüche an mich stellen?“

„Nein.“ Es gab Momente, da verfluchte sie ihre eigenen Moralvorstellungen.

Kassius Black lächelte zynisch. „Oh, ich verstehe …“

„Sie bekommen meine Unterschrift gratis.“

„Wie bitte?“

„Meine Großmutter hat mir beigebracht, was es heißt, ein ehrlicher, anständiger Mensch zu sein. Nur weil Sie reich sind, nehme ich Sie noch lange nicht aus.“

Er lachte anerkennend. „Eine bemerkenswerte Frau, Ihre Großmutter.“

„Ja, das ist sie. Eine echte Südstaaten-Lady.“

Wieder bedachte er sie mit einem intensiven Seitenblick. Als er wenig später vor dem Hotel anhielt, ließ er die Hände am Steuer und starrte schweigend vor sich hin.

„Was ist?“ Laney fasste ihn spontan an der Schulter, zog die Hand aber gleich wieder wie elektrisiert zurück. Merkte er, wie es bei jeder Berührung zwischen ihnen knisterte?

Unsinn. Er interessierte sich doch nur für Mimi, die schöne, glamouröse Adelige, die alles war, was sie, die kleine graue Maus, nicht war.

„Was soll sein?“, fragte er unwillig.

„Sie sehen traurig aus.“

Er sah ihr in die Augen, sagte dann mit einem kurzen, harten Lächeln: „Milliardäre sind niemals traurig. Sie revanchieren sich. Kommen Sie, ich beschütze Sie vor Mimi.“

„Mademoiselle Laney?“ Jaques, der Portier, war sichtlich verblüfft, sie in einem Sportwagen zurückkehren zu sehen. Noch verblüffter war er, als Kassius ihm den Autoschlüssel und ein dickes Trinkgeld in die Hand drückte, den Pelz aus dem Kofferraum holte und mit Laney zusammen im Hotel verschwand.

„Was halten Sie von Mimi?“, fragte Kassius beiläufig auf dem Weg zum Lift. „Ist sie eine gute Arbeitgeberin?“

Laney überlegte. Was sollte sie darauf antworten? „Ich bin froh, dass ich für sie arbeiten darf“, sagte sie. Das war nicht gelogen. „Sie zahlt gut, sodass ich in der Lage bin, meine Familie zu unterstützen. Danke, dass Sie mir helfen, meinen Job zu behalten.“

Spätestens als sie die Suite der Comtesse betrat, war sie nicht mehr sicher, ob sie sich wirklich darüber freuen sollte.

„Laney, Sie Faulpelz, wo waren Sie denn so lange? Und warum gehen Sie nicht an Ihr Handy?“, bekam sie von ihrer wütenden Chefin zu hören. „Ich musste mir sogar meinen Kaffee selbst bestellen. Ich höchstpersönlich!“

„Verzeihung“, meinte Laney bedrückt. „Ich hatte einen Unfall, und mein Handy …“

„Wofür bezahle ich Sie eigentlich, Sie nichtsnutzige …“

Die Comtesse verstummte mitten im Satz, als sie Kassius hinter Laney auftauchen sah. Ihrer Freundin Araminta, die neben ihr saß und gelangweilt in einer Ausgabe des „Paris Match“ blätterte, fiel vor Schreck die Zigarette aus dem Mundwinkel.

Beide Frauen sprangen gleichzeitig auf und stellten sich in Pose.

„Kassius!“, gurrte Mimi. Ihr Lächeln wirkte wie aufgemalt. „Ich wusste nicht, dass Sie vorhatten, mich heute zu besuchen.“

„Ich auch nicht, bis ich draußen auf Ihre Assistentin stieß.“ Er zwinkerte Laney verschwörerisch zu, was Mimi offenbar gar nicht gefiel.

„Was soll das heißen?“, fragte die scharf.

Kassius musterte sie irritiert. „Ich habe Laney mit meinem Auto gerammt.“

„Laney, Sie dummes Ding! Wie kommen Sie dazu, Mr. Black vors Auto zu laufen?“