Verschwiegen - Eva Björg Ægisdóttir - E-Book
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Verschwiegen E-Book

Eva Björg Ægisdóttir

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Beschreibung

Im ersten Band ihrer Krimi-Reihe führt uns Eva Björg Ægisdóttir in die isländische Kleinstadt Akranes. Jede*r kennt jede*n, das Leben verläuft einigermaßen ereignislos, bis eines Tages eine unbekannte Tote die beschauliche Kleinstadtidylle gehörig durcheinanderbringt.  Als in der Nähe des Leuchtturms der isländischen Stadt Akranes die Leiche einer zunächst unbekannten jungen Frau gefunden wird, stellt sich schnell heraus, dass sie keine Fremde in dem kleinen Ort ist. Polizistin Elma, die selbst in Akranes aufgewachsen und nach dem Ende ihrer Beziehung aus Reykjavík in den Ort ihrer Kindheit zurückgekehrt ist, übernimmt die Ermittlungen zusammen mit ihren Kollegen Saevar und Hördur. Gemeinsam stoßen sie auf ein Geheimnis in der Vergangenheit der Toten, dessen Folgen bis heute nachwirken. Im Zuge der weiteren Ermittlungen entdecken Elma und ihr Team nach und nach eine Reihe weiterer, lang verborgener Verbrechen, die die gesamte Community der Stadt erschüttern. Aus den oft bruchstückhaften Erinnerungen von Zeug*innen und Beteiligten müssen sie die Vorkommnisse von damals rekonstruieren. Dabei bleibt nichts so, wie es zunächst scheint, und auch die Ermittler*innen haben immer wieder mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen. Ein hochspannender, psychologischer Krimi mit einer enorm überzeugenden Ermittlerin und großartigen Kulisse. »Verschwiegen« war die Nummer Eins der isländischen Bestsellerliste, Eva Björg Ægisdóttir gilt als die neue Stimme der nordischen Krimiliteratur. Alle Fälle der Krimi-Reihe »Mörderisches Island«: - Verschwiegen - Verlogen - Verborgen - Verlassen Die Bücher erzählen eigenständige Fälle und können unabhängig voneinander gelesen werden.

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Seitenzahl: 558

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Eva Björg Ægisdóttir

Verschwiegen

Ein Island-Krimi

Aus dem Isländischen von Freyja Melsted

Kurzübersicht

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Titelseite

Inhaltsverzeichnis

Über Eva Björg Ægisdóttir

Über dieses Buch

Impressum

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Inhaltsverzeichnis

Krimibeginn

Elma hatte keine Angst. ...

Ein paar Wochen später

Akranes 1989

Die Versammlung der Eigentümergemeinschaft ...

Akranes 1989

Im Haus waren nur ...

Akranes 1989

Hier riecht es ja ...

Akranes 1989

Das Gebäude war fast ...

Akranes 1989

An manchen Tagen fühlte ...

Akranes 1990

Sie bereute ihre Entscheidung ...

Akranes 1990

Der Tag war bisher ...

Akranes 1990

Eiríkur sah aus, als ...

Akranes 1990

Am nächsten Tag ging ...

Akranes 1990

Ich verstehe einfach nicht, ...

Akranes 1990

Das Bild des Mädchens ...

Akranes 1990

Eiríkur erschien pünktlich in ...

Akranes 1991

Wie hieß noch mal ...

Akranes 1991

Die Frau hieß Anna ...

Akranes 1991

Nach einigen Versuchen sprang ...

Akranes 1991

Was weißt du über ...

Akranes 1992

Elma musste nicht lange ...

Akranes 1992

Am Ufer bei Krókalón ...

Akranes 1992

Im Haus war jetzt ...

Akranes 1992

Am nächsten Morgen war ...

Akranes 1992

Ein paar Wochen später

Förderung

Leseprobe »Verlogen«

Inhaltsverzeichnis

Sie hört ihn, lange bevor sie ihn sieht. Das Knarren der Treppe, wenn er raufgeht. Ein vorsichtiger Schritt nach dem anderen. Er versucht, sanft aufzutreten, will niemanden wecken – noch nicht jedenfalls. Wenn sie so spät die Treppe hinaufgehen würde, bekäme es niemand mit. Aber er kann das nicht. Er kennt die Stufen nicht so gut wie sie, weiß nicht, wo man am besten auftritt.

Sie kneift die Augen wieder fest zusammen, spannt die Muskeln um die Augen so sehr an, dass es wehtut. Atmet tief, ruhig. Hoffentlich hört er ihr Herz nicht pochen; das Herz schlägt nur dann so schnell, wenn man wach ist. Wach ist und Angst hat. Sie erinnert sich noch daran, als sie einmal Papas Herzschlag hören durfte. Er war sicher tausend Mal die Treppe auf und ab gerannt, bevor er sie gerufen hat. »Horch«, hat er gesagt. »Horch, wie schnell das Herz jetzt schlägt. Das ist, weil der Körper bei Bewegung mehr Sauerstoff braucht, und das Herz ist dafür zuständig, ihn damit zu versorgen«, erklärte er. Aber jetzt liegt sie regungslos da, und trotzdem schlägt ihr Herz viel schneller als damals bei Papa.

Er kommt näher.

Sie weiß, wie die oberste Stufe klingt, und sie weiß auch, wie das Dach im Sturm klingt und die Eingangstür unten, wenn Mama nach Hause kommt. Vor ihren Augen tauchen kleine Sternchen auf. Sie schweben herum, anders als die Sterne am Himmel, die bewegen sich nur sehr selten. Das sieht man nur, wenn man sehr lange abwartet und sehr viel Glück hat. Und das hat sie nicht. Sie gehört nie zu denen, die Glück haben.

Jetzt spürt sie ihn über sich stehen. Er schnauft wie ein alter Mann. Der Geruch von Zigaretten dringt durch ihre Nase, und sie weiß, wenn sie jetzt aufblicken würde, sähe sie direkt in seine dunkelgrauen Augen. Instinktiv zieht sie die Decke über das Gesicht. Aber sie kann sich nicht verstecken. Diese kleine Bewegung hat sie wahrscheinlich auffliegen lassen, und er muss gemerkt haben, dass sie nicht wirklich geschlafen hat. Nicht, dass es einen Unterschied gemacht hätte.

Es hat noch nie einen Unterschied gemacht.

Inhaltsverzeichnis

Elma hatte keine Angst. Das Gefühl war aber ähnlich. Die schwitzigen Hände, das rasende Herz. Eigentlich hatte sie keine schwachen Nerven. Sie wurde aber immer nervös und rot, wenn sie vor Leuten sprechen musste. Nicht nur im Gesicht, wo sie die Röte unter einer dicken Schicht Make-up verbergen konnte, sondern auch auf dem Hals und am Dekolleté. Unübersehbare rote und weiße Flecke.

Schon damals, als sie in der zehnten Klasse angefangen hatte, sich mit Viðar zu treffen, war sie das reinste Nervenbündel gewesen. Ein fünfzehnjähriges Mädchen mit fleckiger Brust und viel zu viel Mascara, das sich aus dem Haus schlich und hoffte, die Eltern würden die Eingangstür nicht ins Schloss fallen hören. Dann wartete sie an der Straßenecke auf ihn. Er saß auf dem Rücksitz, weil er noch nicht alt genug war, um selbst zu fahren, sein Kumpel aber schon. Sie waren noch nicht lange unterwegs und hatten kaum zwei Worte gewechselt, als er sich zu ihr herüberlehnte und ihr die Zunge in den Hals steckte. Noch nie zuvor hatte sie jemanden geküsst, und die Zunge kam ihr groß und aufdringlich vor, aber sie nahm es hin. Während sie sich küssten, fuhr der Freund in aller Ruhe weiter, und ihr fiel auf, dass er ab und zu in den Rückspiegel blickte und sie beobachtete. Sie ließ sich von Viðar über der Kleidung berühren, tat so, als fände sie es gut. Gerade war sie auf derselben Straße unterwegs, die sie damals entlanggefahren waren, mit Lifehouse in den Boxen und einem Bassverstärker im Kofferraum. There’s nothing else to lose, there’s nothing else to find. Bei der Erinnerung lief es ihr kalt den Rücken hinunter.

Vor dem Haus ihrer Eltern waren Risse im Gehsteig. Sie parkte und starrte eine Weile darauf. Stellte sich vor, wie die Risse tiefer und breiter wurden, bis sich Treibsand auftat, der ihren alten Volvo verschluckte. Die Risse waren schon zu ihrer Kindheit da gewesen. Zwar etwas kleiner, aber nicht merklich. Im blauen Haus gegenüber hatte Silja gewohnt, und sie hatten oft auf dem Gehsteig gespielt. In einem der Spiele war der größte Riss eine riesige Schlucht, voll mit glühend heißer Lava und Feuerblitzen, die auf sie zuflogen.

Im blauen Haus – das allerdings mittlerweile weiß war – lebte jetzt aber eine Familie mit zwei kleinen Jungen, beide blond, mit Frisuren wie Prinz Eisenherz. Sie wusste nicht, wo Silja wohnte. Es mussten mindestens vier Jahre vergangen sein, seit sie das letzte Mal mit ihr gesprochen hatte. Vielleicht länger.

Sie stieg aus dem Auto und ging auf das Haus zu. Vor dem Eintreten warf sie noch einmal einen Blick auf die Risse im Gehsteig. Jetzt, zwanzig Jahre später, war die Vorstellung, darin zu verschwinden, gar nicht mehr so schlimm.

Inhaltsverzeichnis

Ein paar Wochen später

Elma erwachte von einem Windstoß. Sie blieb noch eine Weile liegen und lauschte dem Rauschen vor dem Fenster, während sie auf die weiße Decke der Wohnung starrte. Als sie endlich aufstand, blieb ihr nur noch Zeit, sich schnell in ein paar Klamotten zu schmeißen und mit einer überreifen Banane aus dem Haus zu rennen. Sofort wehte ein beißender Wind um ihre Wangen. Sie zog den Reißverschluss der Jacke höher, setzte die Kapuze auf und beeilte sich. Die Straßenlaternen erleuchteten den finsteren Gehsteig und der Frost der vergangenen Nacht brachte den grauen Beton zum Schimmern. In der Stille hallte das Knarren der Schuhe wider – es war nicht viel los an diesem Samstagmorgen spät im November.

Wenige Minuten nachdem sie die warme Wohnung verlassen hatte, stand sie vor dem blassgrünen Gebäude der Polizeistation von Akranes. Elma versuchte, ruhig zu atmen, als sie zur kalten Türklinke griff. Drinnen am Empfangstisch saß eine ältere Frau und telefonierte. Ihr Haar war blond und kraus, die Haut braun gebrannt und sah ein bisschen aus wie Leder. Sie hob einen rot lackierten Zeigefinger, um Elma zu signalisieren, sie solle einen Moment warten.

»Jói, mein Lieber, ich sag ihm das. Ich weiß, dass es nicht in Ordnung geht, aber das ist doch kein Fall für die Polizei. Das sind halt streunende Katzen, du müsstest dich da an die Tierkontrollbehörde wenden … Jói …« Die Frau hielt den Hörer ein wenig vom Ohr weg und lächelte Elma entschuldigend an. »Lieber Jói, ich kann im Moment nicht viel für dich tun. Denk einfach daran, das nächste Mal die Fenster zuzumachen, wenn du einkaufen gehst … Ja, ich weiß, die marokkanischen Teppiche sind sündteuer. Jói, mein Lieber, ich muss mich später wieder melden. Bis dann.«

Sie legte auf und atmete tief durch. »Diese Streuner in Neðri-Skagi sind ein echtes Problem. Der arme Mann hat nur kurz das Fenster offen gelassen, während er einkaufen gegangen ist, und schon schleicht sich das Vieh rein und pinkelt und kackt auf den alten Wohnzimmerteppich. Der Arme«, sagte die Frau und schüttelte den Kopf. »Aber genug davon, was kann ich für dich tun, Liebes?«

»Ja, hallo.« Elma räusperte sich und merkte sofort, dass sie sich nicht die Zähne geputzt hatte. Sie schmeckte noch die Banane auf der Zunge. »Ich heiße Elma, ich habe einen Termin mit Hörður.«

»Ja, ich weiß schon, wer du bist«, sagte die Frau, stand auf und reichte ihr die Hand. »Ich heiße Guðlaug, aber sag ruhig Gulla zu mir. Komm doch rein und behalte die Jacke am besten an. Hier im Vorraum ist es so kalt, ich bitte schon seit Wochen darum, dass diese Heizung endlich repariert wird, aber das steht nun mal nicht weit oben auf der Prioritätenliste einer unterfinanzierten Polizeibehörde«, sagte sie genervt. »Aber wie geht’s denn deinen Eltern? Sie freuen sich sicher sehr, dass du wieder zurück in der Heimat bist, aber so ist das ja hier in Akranes, es gibt keinen besseren Ort, und die meisten kommen wieder, wenn sie merken, dass das Gras in Reykjavík auch nicht grüner ist.« Gulla plapperte vor sich hin, ohne auch nur einmal Luft zu holen. Elma wartete geduldig, bis sie aufhörte zu sprechen.

»Meinen Eltern geht’s gut«, warf sie ein, als sich die Gelegenheit bot, während sie angestrengt überlegte, ob sie Gulla irgendwoher kennen sollte. Seit sie vor fünf Wochen nach Akranes gezogen war, passierte es ihr ständig, dass unbekannte Leute sie auf der Straße in ein Gespräch verwickelten. Meist genügte es, einfach zu nicken und zu lächeln.

»Ach, entschuldige, ich rede immer so viel, da gewöhnst du dich dran. Du erinnerst dich sicher nicht, aber wir haben im selben Treppenhaus gewohnt, als du ein kleines sechsjähriges Mädel warst. Ich weiß noch, wie süß du am ersten Schultag warst, mit dem riesigen Schulranzen«, fuhr Gulla fort und lachte laut.

»Ja, ja doch, da klingelt was bei mir, an den Schulranzen erinnere ich mich«, sagte Elma. Sie sah ein vages Bild vor sich, von einem großen gelben Monstrum, das man ihr auf den Rücken geschnallt hatte und das fast ein Viertel ihres damaligen Körpergewichts wog.

»Und jetzt bist du wieder da«, sagte Gulla und lächelte.

»Ja, scheint so«, antwortete Elma etwas verlegen. Mit einer so herzlichen Begrüßung hatte sie nicht gerechnet.

»Wie schön, ich bringe dich am besten gleich zu Hörður, er hat dich schon angekündigt.« Gulla bat Elma, ihr zu folgen. Sie gingen einen Flur mit Linoleumboden entlang zu einer Tür, auf der eine kleine Metallplatte angebracht war; Hörður Höskuldsson stand darin eingraviert.

»So wie ich Hörður kenne, hört er gerade Radio mit Kopfhörern und hat uns noch nicht bemerkt. Der Mann kann anders nicht arbeiten, das habe ich noch nie verstanden.« Gulla seufzte laut und klopfte fest an die Tür. Ohne auf eine Antwort zu warten, trat sie ein.

Am Schreibtisch saß ein Mann, der konzentriert auf den Bildschirm vor sich blickte. Er trug Kopfhörer, genau wie Gulla vermutet hatte. Als er eine Bewegung bemerkte, blickte er zu ihnen auf und nahm schnell die Hörer runter.

»Hallo, Elma, und willkommen«, sagte Hörður mit einem freundlichen Lächeln auf dem Gesicht. Er stand auf, reichte ihr die Hand über den Schreibtisch und bat sie, sich zu setzen. Vermutlich war er schon über fünfzig, das Haar war grau meliert und einzelne Strähnen fielen ungezügelt in sein schmales Gesicht. Seine Finger aber waren zartgliedrig und die Nägel gepflegt. Elma stellte sich vor, wie er zu Hause mit der Nagelfeile vor dem Fernseher saß. Aus Reflex versteckte sie ihre Hände im Schoß, damit niemand ihre abgekauten Nägel bemerkte.

»Du hast also beschlossen, wieder in die Heimat zu ziehen und uns mit deiner Expertise zu beglücken«, sagte er und lehnte sich zurück, die Hände vor der Brust verschränkt, ohne den Blick von ihr abzuwenden. Die Stimme war tief, und er hatte eigenartig helle blaue Augen.

»Ja, so könnte man es wohl ausdrücken«, sagte Elma und straffte die Schultern. Sie fühlte sich plötzlich wie ein kleines Mädchen, das etwas angestellt hatte und zum Schulleiter musste. Ihre Wangen erröteten, und sie hoffte, es würde nicht auffallen. Was unwahrscheinlich war; sie hatte sich am Morgen keine Zeit zum Schminken genommen, also konnte nichts die Röte im Gesicht verdecken.

»Du warst ja vorher bei der Kripo in Reykjavík, und wie es der Zufall so will, hat einer unserer Mitarbeiter beschlossen, dort sein berufliches Glück zu suchen, also nimmst du quasi seinen Platz ein, wenn man so will.« Er lehnte sich vor und legte eine Hand unter das Kinn. »Ich muss zugeben, ich war etwas überrascht, als dein Vater mich angerufen hat. Was hat dich dazu bewogen, nach fünf Jahren in der Stadt wieder hierherzukommen, wenn ich fragen darf?«

»Ich schätze, Akranes hat mir gefehlt«, antwortete Elma und versuchte, möglichst überzeugend zu klingen. »Ich hatte schon länger mit dem Gedanken gespielt, zurückzukommen«, fügte sie hinzu. »Meine ganze Familie ist hier. Und dann habe ich eine schöne Wohnung zum Verkauf gesehen und gleich zugeschlagen.« Sie lächelte und hoffte, die Antwort würde genügen.

»Verstehe«, sagte Hörður und nickte gelassen, bevor er weitersprach. »Wir können dir vielleicht nicht ganz die Ausstattung und Schnelllebigkeit bieten, die du aus der Stadt kennst, aber eins kann ich dir versprechen, Akranes wirkt auf den ersten Blick wie ein verschlafenes Dorf, aber wir haben hier mehr als genug zu tun. Unter der Oberfläche brodelt so einiges, also wird dir sicher so schnell nicht langweilig werden. Klingt das nicht gut?«

Elma nickte, nicht ganz sicher, ob er es ernst meinte. Ihrer Einschätzung nach war Akranes genauso ruhig, wie es auf den ersten Blick wirkte.

»Wie du wahrscheinlich weißt, bin ich der Chef der Kriminalpolizei und somit dein Vorgesetzter. Wir arbeiten in Schichten rund um die Uhr, es sind immer vier Polizisten und ein Schichtleiter im Dienst. Die Kripo Akranes ist für den gesamten Westen Islands zuständig. Die Schichtverteilung ist so, wie du es aus Reykjavík kennst. Soll ich dir noch schnell die Station zeigen?« Er stand auf, öffnete die Tür und bat Elma, ihm zu folgen.

Die Polizeistation war nicht viel anders als die in Reykjavík, nur viel kleiner natürlich. In der Luft lag der gleiche Bürokratie-Geruch wie in anderen staatlichen Einrichtungen. Der Boden war aus beigem Linoleum, und vor den Fenstern hingen weiße Jalousien und helle Vorhänge. Die Büros waren mit Möbeln aus hellem Birkenholz eingerichtet. Hörður zeigte ihr die vier Zellen am anderen Ende der Station. »Eine ist zurzeit belegt, der gestrige Abend war anscheinend ganz schön turbulent, aber hoffentlich wacht der Arme bald auf, damit er sich nach Hause begeben kann«, sagte er und grinste spöttisch, während er über seinen dichten und gut gepflegten Bart strich. Er öffnete eine leere Zelle, die genauso aussah wie die in Reykjavík – ein kleines Zimmer mit einem schmalen Bett.

»So wie überall, nicht besonders aufregend«, sagte Hörður.

Elma nickte. Sie kannte diese Zellen von ihrem vorherigen Arbeitsplatz: graue Wände und harte Betten, in denen kaum jemand mehr als eine Nacht verbringen wollte. Sie folgte Hörður den Flur entlang zu den Büros. Vor einer Tür blieb er stehen, öffnete sie und bat sie hinein. Sie blickte sich in dem Büro um. Der Schreibtisch war klein, aber groß genug für einen Computer und alles, was sie sonst noch brauchte. Außerdem hatte er ein paar Schubladen, die sich abschließen ließen, und auf der einen Ecke des Tisches stand ein Blumentopf. Die Pflanze sah zum Glück wie ein pflegeleichter Kaktus aus. Aber sie hatte es auch schon einmal geschafft, einen Kaktus umzubringen.

»Hier ist deine Zelle«, sagte Hörður scherzhaft. »Gulla hat vor ein paar Tagen für dich aufgeräumt. Dein Vorgänger, Pétur, hat jede Menge Papiere und Müll hinterlassen, aber für Montag sollte jetzt alles bereit sein.«

»Sieht gut aus«, sagte Elma und lächelte Hörður zu. Sie ging zum Fenster und warf einen Blick hinaus. Von der Scheibe strahlte die Kälte ab, und sie bekam Gänsehaut auf den Armen. Gegenüber der Polizeistation standen Wohnblocks. Karg und trist. Als sie klein war, hatte sie in den Kellern dieser Blocks gespielt. Die Flure waren groß, leer, muffig und rochen nach Gummi, weil in den Fahrradkellern Autoreifen gelagert wurden. Für Kinder wie gemacht zum Spielen.

»Na ja, das war’s eigentlich auch schon«, sagte Hörður und rieb sich die Hände. »Lass uns mal nachsehen, ob schon jemand Kaffee gemacht hat. Trink doch noch eine Tasse mit uns, bevor du nach Hause fährst.«

Sie gingen in die Kaffeeküche. An einem kleinen Tisch saß ein Mann, der sich als Kári vorstellte, ein Polizist. Er teilte mit, dass die anderen der Schicht bei einem Einsatz seien – eine Party in einem Mehrfamilienhaus, die sich bis in die Morgenstunden gezogen hatte, wenig zur Freude der Nachbarn.

»Du wirst noch merken, wie schön es ist, hier auf dem Land den Stadttrubel hinter sich zu lassen«, sagte er dann. Als er lächelte, kniff er die dunklen Augen zusammen, und kurz waren nur die schwarz leuchtenden Pupillen zu sehen. »Wobei wir hier nicht mehr so richtig auf dem Land sind, bei dem Aufschwung in letzter Zeit. Die Häuser gehen weg wie die warmen Semmeln. Alle wollen nach Akranes, so ist das nun mal.« Er lachte laut.

»Es wird jedenfalls eine Umstellung«, antwortete Elma, und ihr entkam ein Lächeln. Der Mann sah aus wie eine Comicfigur, wenn er lachte.

»Wir freuen uns, dich im Team zu haben, ehrlich gesagt haben wir uns Sorgen gemacht, wie es ohne Pétur sein würde, er war einer der alten Hasen hier. Aber er wollte nach einigen Jahrzehnten am gleichen Ort noch einmal neu anfangen, seine beiden Kinder sind aus dem Haus und erwachsen. Außerdem hat er in der Stadt eine neue Frau kennengelernt.« Hörður schenkte zwei Kaffeetassen ein und reichte ihr eine. »Mit Milch oder Zucker?«, fragte er und hielt ihr eine Packung H-Milch hin.

 

Als Elma wieder hinausging, wurde es langsam hell, aber die Straßenlaternen waren noch an. In der Zwischenzeit hatte der Verkehr ein wenig zugenommen und der Wind sich etwas gelegt. Der Ort hatte sich seit ihrer Kindheit verändert, war gewachsen und die Einwohnerzahl gestiegen, aber ihr kam es trotzdem so vor, als wäre alles wie damals. Akranes war immer noch klein und hatte nur etwa siebentausend Einwohner, man begegnete also Tag für Tag denselben Gesichtern. Es gab eine Zeit, da fand sie das überwältigend. Als würde die Welt versuchen, sie in einer kleinen Seifenblase gefangen zu halten, während außerhalb so viel auf sie wartete. Doch jetzt hatte die Vorstellung einen gegenteiligen Effekt. Sie wollte nichts lieber, als sich in der Seifenblase zu verkriechen und die Welt um sich herum zu vergessen.

Langsam setzte sie einen Fuß vor den anderen – wusste, dass zu Hause jede Menge Arbeit auf sie wartete. Am vergangenen Wochenende hatte sie die Wohnung übernommen und war immer noch dabei, sie ordentlich einzurichten. Sie lag in einem kleinen Mehrfamilienhaus mit insgesamt acht Wohnungen auf zwei Etagen. Als Elma klein war, hatte es in der Gegend noch keine Häuser gegeben. Damals lag dort eine große Wiese, und manchmal grasten Pferde darauf, die Elma mit altem Brot fütterte. Doch in der Zwischenzeit war ein ganzes Viertel entstanden, mit vielen neuen Ein- und Mehrfamilienhäusern, es gab sogar einen Kindergarten. Ihre Wohnung lag im Erdgeschoss und hatte eine große Terrasse. Es gab zwei separate Treppenhäuser, und je vier Wohnungen teilten sich einen kleinen Gemeinschaftsbereich, aber Elma hatte noch keinen der Nachbarn so richtig kennengelernt. Sie wusste, dass gegenüber von ihr ein junger Mann wohnte, den sie bisher aber noch nicht gesehen hatte. Über ihr wohnten Bárður, ein etwas älterer Herr, der auch Vorsitzender der Eigentümergemeinschaft war, und ein kinderloses Paar mittleren Alters, die ihr freundlich zunickten, wenn sie ihnen begegnete.

Sie war seit einer Woche dabei, sich einzurichten, und mittlerweile standen fast alle Möbel an ihrem Platz. Ihr Hausrat war eine bunte Mischung aus diesem und jenem. Einiges hatte sie aus Secondhandläden zusammengetragen; eine alte Truhe mit eingeschnitztem Blumenmuster, eine vergoldete Standleuchte und vier Küchenstühle, die um einen alten Esstisch ihrer Eltern standen. Sie fand die Wohnung ganz gemütlich eingerichtet, aber als ihre Mutter zu Besuch kam, verriet ihr Gesichtsausdruck, dass sie diese Meinung nicht teilte. »Aber Elma, es ist so … so bunt«, sagte sie in einem vorwurfsvollen Ton. »Was ist mit den Möbeln aus der alten Wohnung? Die waren doch so schön. So stilvoll.«

Elma zuckte mit den Schultern und sagte, sie habe beim Auszug ohne langes Nachdenken alles verkauft, und tat so, als würde sie den Gesichtsausdruck ihrer Mutter nicht sehen. »Ich hoffe, du hast zumindest einen guten Preis dafür bekommen«, meinte ihre Mutter, aber Elma lächelte nur, denn dem war in Wirklichkeit nicht so. Aber sie fühlte sich wohl inmitten dieser alten Sachen. Einige kannte sie noch aus ihrer Kindheit, und die anderen hatten sicher eine interessante Geschichte.

»Guten Tag«, sagte Bárður, der ältere Herr aus der Wohnung über ihr. Elma war so in Gedanken vertieft gewesen, dass sie ihn nicht bemerkt hatte. Er stand vor dem Haus und stampfte auf dem Gehsteig vor dem Eingangsbereich auf einer losen Steinplatte herum.

»Guten Tag.« Elma nickte ihm höflich zu.

»Wir sehen uns morgen Abend bei der Versammlung, oder?«, sagte er, als sie an ihm vorbeiging.

»Die Versammlung?« Elma drehte sich um und sah ihn fragend an.

»Na, der Eigentümergemeinschaft. Dieser Gehsteig muss in Ordnung gebracht werden, die Platten sind alle mehr oder weniger locker. Wir haben schon ein Angebot für die Reparatur, über das wir abstimmen müssen«, brummte er und sah sie mit ernster Miene an. Bárður hatte einen scharfen Blick, und von seinem Balkon aus beobachtete er die anderen Bewohner des Hauses genau. Von ihren Eltern wusste sie, dass seine Frau vor einigen Jahren nach langer Krankheit verstorben war. In der einen Woche seit ihrem Umzug hatte Bárður jede Gelegenheit genutzt, ihr Informationen über diverse Regeln zukommen zu lassen, die Wohnungseigentümer beachten sollten. Persönliche Gegenstände durften nicht im Treppenhaus abgestellt werden, auch nicht, wenn es nur für ein paar Stunden war. Alle zwei Wochen sollten die Eigentümer abwechselnd den gemeinsamen Bereich saugen und putzen, und die Schilder auf Briefkästen und Türklingeln mussten in einer bestimmten Schriftart und Größe ausgedruckt werden. Im Garten galten dieselben Regeln wie für den gemeinschaftlichen Bereich; nichts durfte ohne vorherige Genehmigung frei herumstehen. Demnach musste jeder Blumentopf vor den beiden Eingängen eigens besprochen werden, genauso wie die Frage, welche Pflanzen man im Garten setzen wollte oder nicht.

»Ach ja, stimmt. Ich werde daran denken«, antwortete Elma fröhlich und fluchte innerlich. Sie hatte die Versammlung völlig vergessen, und es war nicht gerade, wie sie ihren Sonntagabend verbringen wollte. Bárður hatte zwei Tage zuvor bei ihr geklopft und ihr ein Blatt mit den Tagesordnungspunkten überreicht. Er hätte den Zettel auch einfach in den Briefkasten stecken können, aber dabei wollte er es anscheinend nicht belassen. Sicher aus Angst, er könnte dort verloren gehen.

Vor dem Umzug hatte sie mit ihrem langjährigen Freund Davíð in Melar, im Westen Reykjavíks, gewohnt, in einer kleinen, aber feinen Wohnung im Erdgeschoss eines dreistöckigen Hauses. Sie vermisste die große Eberesche vor dem Fenster. Der Baum war wie ein Kunstwerk, das je nach Jahreszeit die Farben wechselte. Im Sommer sattgrün, im Herbst rötlich orange und im Winter entweder braun oder weiß. Die Wohnung fehlte ihr, aber vor allem fehlte ihr Davíð.

Sie hielt vor der Tür inne, holte ihr Handy raus und tippte eine Nachricht. Löschte sie wieder und tippte sie noch mal. Blieb eine Weile stehen und gab dann Davíðs Nummer ein. Sie wusste, es war zwecklos, aber ohne lange darüber nachzudenken, schickte sie die Nachricht ab und ging in die Wohnung.

***

An diesem Freitagabend war das beliebteste Restaurant im Ort gut besucht, es gab schließlich in Akranes auch nicht viel Konkurrenz. Magnea straffte die Schultern und blickte sich um. Sie wusste genau, dass sie an dem Abend ganz besonders gut aussah. Der schwarze Einteiler betonte die Figur, und kaum jemand konnte es lassen, ihr tief in den Ausschnitt zu gucken. Sie sah Bjarni, der ihr gegenübersaß, tief in die Augen, und beide wussten, worauf der Abend hinauslaufen würde, sobald sie unter sich waren. Natürlich hätte sie lieber mit Bjarni allein am Tisch gesessen, anstatt die Schwiegereltern noch dabeizuhaben.

Es gab einen Grund zu feiern. Bjarni sollte endlich die Firma von seinem Vater übernehmen. Gleich im Anschluss ans Gymnasium hatte er angefangen, dort zu arbeiten, und obwohl das Unternehmen in Familienhand war, musste er hart für die Position kämpfen. Er arbeitete von früh bis spät, auch abends und an den Wochenenden, und seit einigen Jahren teilte er sich im Prinzip die Leitung mit seinem Vater. Jetzt sollte er sie endlich auch offiziell übernehmen. Das bedeutete doppelt so viel Gehalt und doppelt so viel Verantwortung. Aber heute Abend wollte er entspannen.

Der Kellner brachte eine Flasche Rotwein und schenkte Bjarni einen kleinen Schluck ein, der ihn probierte und zustimmte. Dann befüllte der Kellner alle Gläser und ließ die Flasche am Tisch stehen.

»Prost.« Hendrik, Bjarnis Vater, hob sein Glas. »Auf Bjarni und seinen unermüdlichen Arbeitseifer. Jetzt darf er sich auch noch Firmenleiter nennen, und wir als Eltern sind äußerst stolz auf ihn, wie wir es freilich immer schon waren.«

Dann stießen sie an und nippten an dem teuren Wein. Magnea achtete darauf, nicht mehr als einen ganz kleinen Schluck zu trinken, nur ein paar Tröpfchen passierten ihre rot geschminkten Lippen.

»Ohne diese wunderschöne Frau an meiner Seite hätte ich es nie so weit gebracht«, sagte Bjarni etwas lallend. Er hatte sich ein wenig Whiskey gegönnt, während sie auf seine Eltern gewartet hatten, und starker Wein stieg ihm immer schnell zu Kopf. »Ich kann gar nicht zählen, wie oft ich nach der Arbeit erst spät nach Hause gekommen bin, und nie, nicht ein Mal, hat dieser Schatz sich beschwert, obwohl sie ja selbst auch alle Hände voll zu tun hat.« Er sah seine Frau mit verträumtem Blick an, und sie schickte ihm einen Luftkuss über den Tisch.

Hendrik sah Ása zufrieden an, sie lächelte aber nicht zurück, sondern wich seinem Blick mit einer missbilligenden Miene aus. Magnea seufzte innerlich. Sie hatte die Versuche längst aufgegeben, die Gunst der Schwiegermutter zu gewinnen, und nahm sich ihre Ablehnung auch nicht mehr zu Herzen. In den Anfängen ihrer Beziehung mit Bjarni hatte sie sich bemüht, ihr näherzukommen. Hatte versucht, die Wohnung vor ihren Besuchen blitzblank zu putzen, extra etwas Frisches gebacken und ihr Bestes gegeben, der Schwiegermutter zu gefallen. Aber alles ohne Erfolg. Sie bekam immer denselben missbilligenden Blick von Ása, der ihr zu verstehen geben sollte, dass der Kuchen zu trocken, das Badezimmer nicht glänzend genug und der Boden schlecht geschrubbt war. Sie würde nie gut genug für Bjarni sein, egal wie sehr sie sich bemühte.

»Wie läuft es in der Schule, Magnea? Können die kleinen Racker sich benehmen?«, fragte Hendrik. Im Gegensatz zu seiner Frau hatte er schon immer ausgesprochen viel für Magnea übriggehabt. Vielleicht war das einer der Gründe für Ásas Skepsis ihr gegenüber. Hendrik nutzte jede Gelegenheit, Magnea zu berühren, fasste ihr an die Schultern oder die Hüfte und küsste sie auf die Wangen. Anders als seine kleine Ehefrau war er groß gewachsen, und in Akranes wussten alle, dass er bei Geschäftsfragen keine Skrupel kannte. Sein Lächeln wirkte sympathisch, das hatte Bjarni von ihm, und seine Haut war dick und etwas rau. Über die Jahre hatte der regelmäßige Alkoholkonsum Spuren im Gesicht hinterlassen, es war schroff und errötet. Magnea konnte aber besser mit ihm als mit Ása und ließ das Begrapschen und das Flirten über sich ergehen. Das schien ihr relativ harmlos.

»Bei mir reißen sie sich meist zusammen«, antwortete Magnea und lächelte ihn an. In dem Moment kam der Kellner, um ihre Bestellungen aufzunehmen.

Der Abend verlief ohne größere Vorfälle, Bjarni und Hendrik redeten über die Arbeit und über Fußball; Ása saß schweigend da und wirkte in Gedanken versunken. Magnea lächelte Vater und Sohn ab und zu an, warf das eine oder andere Wort ein und saß ansonsten wie Ása still an ihrem Platz. Aus dem Grund war sie doch sehr froh, als der Abend vorbei war und sie das Restaurant verließen. Draußen zog die kalte Abendluft bis unter ihren dünnen Mantel. Sie hakte sich bei Bjarni ein und schmiegte sich an ihn.

Der Rest des Abends gehörte ihnen allein.

Erst als Bjarni schon schlief, erinnerte sie sich an das Gesicht. Sah die dunklen Augen, die ihr begegnet waren, als sie sich im Restaurant umgeblickt hatte. Magnea lag bis spät in die Nacht wach im Bett und versuchte, die Erinnerungen loszuwerden, die jedes Mal lebendig wurden, wenn sie die Augen schloss.

Inhaltsverzeichnis

Akranes 1989

Ihr Papa war seit Tagen nicht nach Hause gekommen. Sie fragte auch nicht mehr nach ihm, das machte Mama immer so traurig. Sie wusste ja selbst, dass er nicht wiederkommen würde. Tag für Tag sah sie Leute kommen und gehen, hörte sie reden. Aber niemand redete mit ihr. Sie starrten über sie hinweg und tätschelten ihr den Kopf, aber wichen ihrem Blick aus. Trotzdem konnte sie sich ungefähr zusammenreimen, was passiert war. Papa war an dem Tag, als er von ihnen wegging, mit dem Boot rausgefahren, das wusste sie. Die Leute redeten über den Unfall und den Sturm. Den Sturm, der ihren Papa mitgenommen hatte.

In der Nacht, in der er verschwand, hatte ein Windstoß sie geweckt, der gegen das Wellblechdach knallte, als wollte er es runterreißen. Papa war in ihrem Traum aufgetaucht, lebendig, mit breitem Lächeln und Schweißperlen auf der Stirn. So wie an dem einen Tag im Sommer, als sie mit aufs Meer durfte. Vor dem Einschlafen hatte sie an ihn gedacht. Irgendwann einmal hatte er zu ihr gesagt, dass schöne Gedanken vor dem Schlafengehen schöne Träume bringen. Deshalb dachte sie immer an Papa, etwas Schöneres konnte sie sich nicht vorstellen.

Die Tage vergingen, und die Leute kamen nicht mehr. Irgendwann waren sie nur noch zu zweit gewesen, Mama und sie. Und Mama erklärte nichts, egal wie oft sie fragte. Sie antwortete immer einfach irgendwas, war abweisend und schickte sie zum Spielen raus. Manchmal saß Mama lange da und starrte aus dem Fenster aufs Meer, während sie eine Zigarette nach der anderen rauchte. Viel mehr als früher. Sie wollte Mama aufheitern, ihr sagen, dass sich Papa vielleicht einfach nur verirrt hatte und den Weg nach Hause bestimmt wiederfinden würde. Aber sie traute sich nicht. Sie hatte Angst, Mama würde sich aufregen. Deshalb schwieg sie und gehorchte, wie ein braves Mädchen. Ging zum Spielen raus, machte kaum den Mund auf und versuchte, sich zu Hause unsichtbar zu machen, damit Mama nicht traurig wurde.

Und währenddessen wurde Mamas Bauch immer größer.

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Die Versammlung der Eigentümergemeinschaft am Abend zuvor hatte sich lange hingezogen. Nicht etwa, weil es so viel zu besprechen gegeben hätte, sondern weil die Leute plauderten, statt die Tagesordnung durchzugehen. Abgestimmt wurde erst am Ende, also konnte Elma nicht einfach früher gehen. Dem Angebot für die Reparatur wurde zugestimmt, was bedeutete, dass sich die Beiträge in die Hauskasse eine Zeit lang um zehntausend Kronen erhöhten. Elma hätte eigentlich gerne dagegen gestimmt, traute sich aber nicht, weil alle anderen offenbar dafür waren. Der Gehsteig musste ja repariert werden. Und als neue Eigentümerin wollte sie nicht gleich bei der ersten Sitzung gegen alle anderen stimmen. Außerdem war es sowieso egal, mit ihrer Meinung war sie in der absoluten Minderheit.

Nach der Versammlung hatte sie eigentlich gleich schlafen gehen wollen, das wäre am vernünftigsten gewesen. Aber nachdem sie unruhig in der Wohnung auf und ab gelaufen war, hatte sie beschlossen, mit dem Streichen des Wohnzimmers anzufangen – die Farbe stand seit dem Einzug unberührt herum. Also war sie erst spät ins Bett gekommen, erschöpft und die Arme voller Farbflecke.

Jetzt saß sie am neuen Schreibtisch im neuen Büro und konnte die Augen kaum offen halten. Sie beugte sich vor und starrte mit leerem Blick auf den Bildschirm. Elma musste an die Nachricht denken, die sie Davíð geschickt hatte. Sie stellte sich vor, wie er sie öffnete, leicht lächelte und antwortete. Das war nur ein Wunschgedanke, ihr war völlig klar, dass er nicht antworten würde. Einen Moment lang schloss sie die Augen und spürte, wie die Atemzüge kürzer und schneller wurden. Wieder dieses beklemmende Gefühl, als würden die Wände sie aus allen Richtungen bedrängen. Sie konzentrierte sich aufs Atmen.

»Ähemm.« Sie öffnete die Augen. Vor ihr stand ein Mann mit ausgestreckter Hand. »Sævar.« Elma fing sich schnell wieder und nahm die große Hand. Sie war ungewöhnlich zart.

»Wie ich sehe, hast du einen Platz zugeteilt bekommen«, sagte Sævar und lächelte. Er trug dunkle Jeans und ein T-Shirt, sodass die behaarten Arme zu sehen waren, und von ihm ging ein schaler Geruch nach Rasierwasser aus. Er hatte dunkle Haare und einen dichten Bart. Etwas an den buschigen Augenbrauen und den groben Gesichtszügen weckte den Anschein, als wohnte er in Wirklichkeit in einer Höhle.

»Ja, ist ganz nett hier. Geht völlig in Ordnung«, sagte Elma und strich sich die blonden Haare aus dem Gesicht.

»Und, wie gefällt dir das Landleben so?«, fragte Sævar immer noch lächelnd. Das musste der andere Kommissar sein, von dem Hörður erzählt hatte. Elma wusste, dass er schon mit zwanzig zur Polizei in Akranes gekommen war. Aber sie kannte ihn nicht von früher, obwohl er kaum älter sein konnte als sie. In Akranes gab es nur zwei Grundschulen und ein Gymnasium. In so einem kleinen Ort lernten sich alle Gleichaltrigen irgendwann kennen – das dachte Elma jedenfalls.

»Doch, doch … sehr«, antwortete sie und versuchte, fröhlich zu klingen, kam sich aber komisch vor. Sie hoffte, dass ihre Augenringe nicht allzu offensichtlich waren, was aber gänzlich unwahrscheinlich war. Im grellen Licht der Neonröhren ließen sich diverse Müdigkeitserscheinungen nur schwer vertuschen.

»Du warst bei der Polizei in Reykjavík, hab ich gehört. Wie kam’s, dass du da aufgehört hast und nach Akranes gekommen bist?«, fragte Sævar.

»Ich bin hier aufgewachsen … Ich schätze, ich habe einfach die Familie vermisst«, antwortete Elma.

»Ja, nichts geht über die Familie«, sagte Sævar, »das wird einem klar, wenn man in die Jahre kommt.«

»In die Jahre kommt?« Elma sah ihn verdutzt an. »So alt bist du doch auch wieder nicht.«

»Nein, das vielleicht nicht.« Sævar lächelte ein wenig. »Fünfunddreißig, die besten Jahre kommen noch.«

»Das hoffe ich«, sagte Elma. Für gewöhnlich versuchte sie, so wenig wie möglich über das Altern nachzudenken. Sie wusste, dass sie noch jung war, und trotzdem spürte sie auf alarmierende Art, wie schnell die Zeit verging. Meist musste sie kurz nachdenken, wenn sie nach ihrem Alter gefragt wurde. Deshalb nannte sie oft einfach das Geburtsjahr. Das Baujahr. Als wäre sie ein Auto.

»Das hoffen wir beide«, antwortete Sævar und verschwand wieder.

Kurz darauf steckte er noch einmal den Kopf durch die Tür. »Wir hatten am Wochenende einen Einsatz, nachdem Leute in der Wohnung über ihnen Frauenschreie und viel Lärm gehört hatten. Als wir dort ankamen, war die Lage gelinde gesagt ziemlich schlimm. Der Mann hatte die Frau so vermöbelt, dass seine Finger voller Schrammen und Blut waren. Die Frau behauptete, nicht klagen zu wollen, aber ich gehe davon aus, dass es trotzdem zur Anklage kommen wird. Wobei es immer besser ist, wenn sie bereit ist, selbst auszusagen, auch wenn die Verletzung ärztlich bestätigt wird und noch andere Beweise vorliegen. Sie ist jetzt aus dem Krankenhaus entlassen, und ich wollte kurz mit ihr reden. Es wäre sicher gut, eine weibliche Kommissarin dabeizuhaben. Noch dazu eine, die auch Psychologie studiert hat«, sagte er und grinste.

»Das war nur für zwei Jahre«, nuschelte Elma und fragte sich, woher er von ihrem kurzen Psychologiestudium vor der Polizeischule wusste. Sie erinnerte sich nicht daran, es je erwähnt zu haben. Er musste es in ihrem Lebenslauf gesehen haben. »Ich komme mit, aber ich bezweifle, dass meine Psychologiekenntnisse viel bringen werden.«

»Ach, Quatsch, ich glaub an dich.«

 

Es roch stark nach Essen, als sie an die Tür klopften. Nach einer kurzen Stille erklangen Schritte. Laut Sævar war die Frau, die sie treffen wollten, bei ihrer betagten Großmutter untergekommen.

Einige Augenblicke später öffnete sich die Tür mit einem lauten Knarren, und im Eingang stand eine kleine Frau mit tiefen Falten und braunen Altersflecken im Gesicht. Sie hatte schulterlange hellgraue Haare, für ihr Alter ungewöhnlich dicht und schön, die von einer Spange nach hinten gehalten wurden. Die Frau hob fragend die Augenbrauen.

»Wir sind auf der Suche nach Ásdís Sigurðardóttir, ist sie hier?«, fragte Sævar. Die Frau drehte sich um und gab ihnen schweigend ein Zeichen, ihr zu folgen.

Das Haus hatte sich wohl kaum verändert, seit es in den Achtzigerjahren gebaut wurde, vermutete Elma. Darin befand sich ein altmodischer Teppichboden, und die Wände waren mit Holz verkleidet. Im Innern des Hauses war der Essensgeruch noch stärker.

»Dieser Vollidiot«, sagte die alte Frau plötzlich, so unvermittelt, dass Elma erschrak. »Soll der Jammerlappen doch in der Hölle schmoren. Aber meine kleine Ásdís hört nicht auf mich. Nein, nein. Sie will davon nichts wissen. Ich hab ihr gesagt, dass sie gehen muss. Ich werfe sie raus, wenn sie nicht auf mich hört.« Die Frau drehte sich abrupt um und griff nach Elmas Arm. »Aber ich bin nicht so durchsetzungsfähig, vielleicht hat sie das von mir. Ich kann sie nicht rauswerfen – nicht jetzt. Hoffentlich kannst du mit ihr reden, sie sitzt in ihrem alten Zimmer.« Sie zeigte auf den Flur und wandte sich ab, während sie unverständlich vor sich hin murmelte.

Elma und Sævar blieben zurück und überlegten, welche Tür die alte Frau gemeint hatte. Im Flur waren vier Türen, und Elma fragte sich, was die alte Frau in so einem großen Haus machte. Ihren Informationen nach wohnte sie allein. Schließlich klopfte Sævar vorsichtig an eine der Türen. Es kam keine Antwort, also öffnete er sie langsam.

Auf dem Bett saß ein deutlich jüngeres Mädchen, als Elma sich vorgestellt hatte. Sie hatte einen Laptop auf dem Schoß, und als Sævar und Elma das Zimmer betraten, blickte sie auf. Das Mädchen war kaum älter als fünfundzwanzig, trug einen dunkelblauen Kapuzenpulli und eine weiß-rosa gemusterte Schlafanzughose. Die Haare hatte sie zu einem dünnen Pferdeschwanz zusammengebunden, und die Augenbrauen waren schwarz gefärbt, deutlich dunkler als die braunen Haare. Es war schwer, auf etwas anderes zu achten als ihr übel zugerichtetes Gesicht. Die Lippen waren aufgerissen, und die Schwellung um die Augen hatte sich grünblau und braun verfärbt.

»Darf ich?«, fragte Elma und deutete auf einen Schreibtischstuhl am Fuße des Bettes. Mit Sævar war abgesprochen, dass sie das Reden übernehmen würde. Nach allem, was ihr dieser Mann angetan hatte, würde Ásdís sicher lieber mit einer Frau sprechen. Als das Mädchen nickte, setzte Elma sich.

»Weißt du, wer ich bin?«, fragte sie dann.

»Nein, woher soll ich das wissen?«

»Ich bin von der Polizei. Wir unterstützen die Staatsanwaltschaft bei der Klage gegen deinen Freund.«

»Ich möchte keine Anzeige erstatten. Das habe ich schon im Krankenhaus gesagt.« Ihre Stimme klang bestimmt, und sie straffte die Schultern.

»Leider liegt das nicht mehr in deiner Hand«, sagte Elma. Sie versuchte, freundlich zu klingen, und fügte erklärend hinzu: »Wenn die Polizei gerufen wird, darf sie den Fall untersuchen und wenn nötig Anklage erheben.«

»Du verstehst nicht … ich will ihn nicht anzeigen. Tommi ist halt … er hat es selbst auch nicht leicht. Er wollte das nicht tun«, sagte sie gereizt.

»Ja, ich verstehe, aber das entschuldigt trotzdem nicht, was er dir angetan hat. Viele von uns haben es nicht leicht, aber nicht alle reagieren so.« Elma lehnte sich nach vorne und sah Ásdís in die Augen. »Hat er das schon mal getan?«

»Nein«, antwortete sie schnell und fügte dann leise hinzu: »Er hat mich noch nie geschlagen.«

»Der Arzt hat auch noch ältere Verletzungen bei dir festgestellt, vermutlich von vor einem Monat.«

»Ich weiß nicht, was das war. Ich falle ständig hin«, entgegnete Ásdís.

Elma sah sie prüfend an. Sie wollte nicht zu viel Druck ausüben. Das Mädchen wirkte so klein und verletzlich, wie sie in der viel zu groß geschnittenen Bekleidung auf dem Bett saß.

»Er ist fast vierzig Jahre älter als du, richtig?«

»Nein, er ist fünfundsechzig. Ich werde bald neunundzwanzig«, antwortete sie.

»Es würde uns sehr helfen, wenn du mit zur Polizeistation kommst, damit wir das ganz offiziell besprechen«, sagte Elma. »Du könntest deine Sicht auf die Dinge schildern.«

Ásdís schüttelte den Kopf und strich über eine Stickerei auf der Decke neben sich. Elma las die Buchstaben: Á.H.S.

»Es gibt jede Menge Optionen für Frauen in deiner Situation«, fuhr Elma fort. »Wir haben einen Berater, mit dem du sprechen kannst, und in Reykjavík gibt es ein Frauenhaus, wo schon vielen Frauen geholfen wurde …« Ásdís sah Elma mit einem Blick an, der sie mitten im Satz verstummen ließ.

»Wofür steht das H?«, fragte Elma nach einer kurzen Stille.

»Harpa. Ich heiße Ásdís Harpa. Aber ich hasse den Namen. Meine Mutter hieß Harpa.«

Elma wollte nach der Mutter fragen. Es musste einen Grund haben, dass sie den Namen der Mutter sogar nach deren Tod nicht ausstehen konnte. Dass sie fast dreißig war und abwechselnd bei ihrer Großmutter und einem Mann wohnte, der sie so zurichtete. Aber leider hatte Elma schon oft Schlimmeres gesehen, und ihr wurde schnell klar, dass ihre Handlungsmöglichkeiten in dem Fall beschränkt waren. Jedenfalls solange Ásdís nicht bereit war, selbst etwas zu tun. Hoffentlich war es dafür nicht schon zu spät. Ásdís hatte sich wieder dem Laptop zugewandt und tat so, als wäre außer ihr niemand in dem Raum. Elma sah Sævar ernüchtert an und stand auf. Es gab nichts mehr zu sagen.

Schon in der Tür, drehte sich Elma noch einmal um. »Gehst du wieder zu ihm?«

»Ja«, antwortete Ásdís, ohne vom Computer aufzublicken.

»Na ja, alles Gute. Ruf sofort an, falls … falls du uns brauchst«, sagte sie und wollte schon die Tür schließen.

»Ihr habt überhaupt keine Ahnung«, murmelte Ásdís wütend hinter ihnen her. Elma blieb im Türrahmen stehen und drehte sich um. Ásdís zögerte und sagte dann leise: »Ich kann ihn nicht anzeigen. Ich bin schwanger.«

»Ein Grund mehr, ihm aus dem Weg zu gehen«, sagte Elma und sah ihr in die Augen. Sie sprach langsam und ruhig, betonte jede Silbe, in der Hoffnung, dass die Worte ankamen. Sie glaubte aber nicht wirklich daran.

 

Es war schon vier Uhr vorbei und bereits dunkel, als Elma die Kaffeeküche betrat. Der Kaffee in der Kanne war nur noch lauwarm und schmeckte abgestanden. Sie schüttete die Tasse weg und suchte stattdessen die Schränke nach Tee ab.

»Der Tee ist in der Schublade«, sagte eine Stimme hinter ihr, und Elma erschrak. Die Frau hieß Begga und war Polizistin, sie hatten sich vorhin schon kennengelernt. Begga sah um einiges jünger aus als Elma, vermutlich war sie deutlich unter dreißig. Sie hatte dunkelblonde, schulterlange Haare, war groß und kräftig gebaut, und jeder König dieser Welt wäre stolz auf eine Nase wie ihre. Sogar wenn sie nicht lachte, hatte sie tiefe Grübchen im Gesicht.

»Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken«, sagte Begga. Sie öffnete eine Schublade und zeigte Elma die Schachtel mit den Teebeuteln.

»Danke«, sagte Elma. »Willst du auch?«

»Ja, gerne. Warum nicht?«, sagte Begga und setzte sich an den kleinen Küchentisch. Elma wartete, bis der Wasserkocher ausging, und befüllte zwei Tassen. Sie holte Milch aus dem Kühlschrank und stellte sie neben ein paar Zuckerwürfeln auf den Tisch.

»Du kommst mir irgendwie bekannt vor.« Begga rührte gelassen in ihrem Tee und sah sie prüfend an. »Warst du in Grundaskóli in der Schule?«

Elma nickte. Sie hatte die Grundschule im Süden von Akranes besucht.

»Ich meine, mich an dich zu erinnern. Du warst wahrscheinlich in der zehnten Klasse, als ich in der achten war. Bist du nicht Jahrgang 1985?«

»Ja, das stimmt«, antwortete Elma und trank von dem kochend heißen Tee. Begga war deutlich älter, als sie geschätzt hatte, fast so alt wie sie.

»Ich erinnere mich an dich«, sagte Begga und lächelte, sodass die Grübchen noch deutlicher wurden. »Ich habe mich total gefreut, als ich erfahren hab, dass die Station weibliche Verstärkung bekommt. Wie du vielleicht gemerkt hast, ist es sonst eine ziemliche Männerwelt hier.«

»Das ist mir schon aufgefallen. Aber ich kann ganz gut mit den Männern«, sagte Elma. »Die meisten sind sehr nett.«

»Ja, das stimmt. Ich fühle mich jedenfalls sehr wohl hier«, sagte Begga. Selbst wenn sie nicht lächelte, sah sie fröhlich aus. Das musste daran liegen, wie ihr Gesicht geschnitten war.

»Hast du dein ganzes Leben hier gewohnt?«, fragte Elma.

»Ja, schon immer«, antwortete Begga. »Ich liebe es hier. Die Leute sind großartig, der Verkehr ist ruhig, und man hat es nie weit von A nach B. Was will ich mehr? Außerdem bin ich mir sicher, dass alle meine Freunde, die im Laufe der Jahre weggezogen sind, irgendwann wiederkommen. Fast alle, die Akranes verlassen, kommen irgendwann zurück«, sagte sie überzeugt. »Du ja auch.«

»Ich ja auch«, wiederholte Elma und blickte runter auf ihre Tasse.

»Warum hast du beschlossen wiederzukommen?«, fragte Begga.

Elma fragte sich, wie oft man ihr die Frage noch stellen würde, und war kurz davor, die gleiche Standardantwort zu geben, überlegte es sich dann aber doch anders. Begga hatte eine angenehme Ausstrahlung. »Ich habe die Familie vermisst, und natürlich ist es ganz schön, dem Verkehr zu entkommen. Aber …« Sie zögerte. »Meine Beziehung ging zu Ende.«

»Verstehe.« Begga schob ihr eine Schale mit Keksen zu und nahm sich selbst auch einen. »Wart ihr lange zusammen?«

»Ja, schon. Neun Jahre.«

»Wow, ich hab es gerade mal ein halbes Jahr durchgehalten«, sagte Begga und lachte auf. »Obwohl ich ein sehr enges Verhältnis mit einem richtigen Hingucker habe. Er ist dicht behaart und liebt es, abends mit mir zu kuscheln.

»Ein Hund?«, vermutete Elma.

»Fast«, antwortete Begga und grinste. »Eine Katze.«

Elma lächelte. Sie mochte Begga auf Anhieb. Ihr schien egal zu sein, was andere von ihr hielten, und obwohl sie es nicht darauf anlegte, war sie anders als alle anderen.

»Und was ist passiert?«

»Wann?«

»Bei dir und dem Typen, mit dem du neun Jahre zusammen warst.« Begga kicherte.

Elma seufzte. Eigentlich wollte sie jetzt nicht an Davíð denken. »Er hat sich verändert«, sagte sie. »Oder vielleicht hab ich mich auch verändert. Ich weiß es nicht.«

»Hat er dich betrogen? Der Typ, mit dem ich sechs Monate zusammen war, hat mich betrogen. Nicht körperlich, aber ich habe ihn auf Dating-Seiten und bei Tinder gefunden, als ich mich da mal umgesehen hab.«

Elma sah sie an. »Also warst du selber auch da?«

»Ja, aber nur zur Recherche. Ganz akademisch«, sagte sie nachdrücklich. »Du solltest es ausprobieren. Es ist genial. Ich war schon auf zwei Tinder-Dates.«

»Und wie war’s?«

»Beim zweiten Mal hat’s geklappt – wenn du verstehst, was ich meine«, sagte Begga mit einem Augenzwinkern. Elma musste lachen. »Aber eigentlich bin ich gar nicht auf der Suche. Ich will frei und unabhängig sein. Im Moment zumindest. Und mein Herz schlägt ohnehin nur für Kríli.«

»Kríli?«

»Na, mein Kätzchen«, sagte Begga und lachte schallend auf. Elma verdrehte die Augen und lächelte. Jemanden wie Begga traf man nicht alle Tage.

 

Als Sævar nach Hause kam, schlief Telma auf dem Sofa. Ihr Haar breitete sich auf dem weißen Kissen aus, und der Brustkorb hob und senkte sich ruhig unter der Wolldecke. Auf dem Wohnzimmertisch lagen die Lehrbücher, und der Laptop stand halb zugeklappt neben ihr.

Er schloss die Haustür hinter sich. Die Hündin kam ihm entgegen, und er kraulte sie geistesabwesend hinterm Ohr. In der Wohnung stand die Luft, und es roch nach dem Essen vom Vorabend, das noch niemand weggeräumt hatte. Er riss das Küchenfenster auf und begann stillschweigend mit dem Saubermachen. Die Prüfungen Anfang Dezember rückten näher, und Telma wollte den Tag zum Lernen nutzen. Sie hatte nach langem Hin und Her endlich ihre Vollzeitstelle im Aluminiumwerk in Grundartangi gekündigt und sich wieder an der Uni eingeschrieben, während sie nebenbei im Laden um die Ecke jobbte. Abends und an den Wochenenden lernte sie meistens, und wenn er frei hatte, musste sie arbeiten, also verbrachten sie eigentlich nur die Nächte zusammen.

Sie waren schon seit sieben Jahren ein Paar. Im Sommer 2009 hatten sie sich bei einem Dorffest in der Nähe von Borgarnes kennengelernt. Ihr Lächeln hatte ihn umgehauen, und komischerweise gefiel ihm ganz besonders, wie klein sie war. Mit ihren eins sechzig war sie mit Abstand die Kleinste in ihrem Freundeskreis, ganz anders als er, der mit seinen eins neunzig die Kumpels meist überragte. Sie scherzten oft, dass sie sich im wahrsten Sinne des Wortes ergänzten und deshalb perfekt zueinander passten.

Er öffnete den Kühlschrank und holte Eier, etwas Frühstücksspeck, der schon kurz vor dem Ablaufdatum stand, ein paar bräunliche Pilze und Zwiebeln raus. Die Beziehung war schon lange nicht mehr wie früher, dachte er sich, während das Gemüse in der Pfanne brutzelte. Vielleicht war das auch nicht weiter schlimm, sie stritten sich nie, aber ein besonders gutes Zeichen konnte es auch nicht sein. Er hatte sich lange eingeredet, dass seine Erwartungen zu hoch waren. Nach so vielen Jahren würde in den meisten Beziehungen Ruhe einkehren, der Wind sich legen und das Meer spiegelglatt werden. Es klang gemein, aber in Wahrheit würde er eigentlich lieber nach der Arbeit in ein leeres Haus kommen. Wo niemand auf dem Sofa lag, niemand sich im Bett herumwälzte und durch lautes Schnarchen seinen Schlaf störte. Das bedeutete vermutlich, dass es mit der Liebe vorbei war. Wenn noch Liebe da wäre, würde er doch voller Freude zu ihr nach Hause kommen, sich neben sie aufs Sofa legen und es genießen, ihren warmen Körper zu berühren.

Stattdessen war sie ihm im Weg. Wie eine Mitbewohnerin, die nur Platz wegnahm. Natürlich verstanden sie sich ganz gut, aber am Ende des Tages waren sie auch keine besonders guten Freunde. Sie redeten nicht viel miteinander, unternahmen nur äußerst selten etwas zusammen und hatten keine Erwartungen aneinander. Seit Telma wieder studierte und sie sich noch weniger sahen, war ihm aufgefallen, dass er sie auch nicht vermisste. Eigentlich war er froh darüber, endlich hatte er Zeit für sich und konnte sein Leben so gestalten, wie er wollte. Er musste auf niemanden Rücksicht nehmen, sich um niemand anderes kümmern. Darum sah er keinen Grund, an etwas festzuhalten, das nicht mehr da war. Keine Freundschaft, keine Liebe. Was blieb dann noch? Die Berührungen, die früher einmal schön waren, aber jetzt irgendwie unangenehm. Er war relativ sicher, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis einer von ihnen es ansprechen würde.

Er zuckte kurz zusammen, als er ihre Hand auf seinem Rücken spürte.

»Wie geht’s dir, mein Schatz?«, fragte Telma und lehnte sich an ihn.

»Gut«, antwortete er. War jetzt der Moment, etwas zu sagen? Die Worte lagen ihm auf den Lippen. Sollte er heute Abend etwas ansprechen? Wahrscheinlich wäre sie sogar dankbar, wenn er es zuerst machte. Er würde ihr damit einen Gefallen tun.

»Hast du für mich mitgekocht?«, fragte sie und setzte sich an den Küchentisch.

Er hatte nicht mit ihr zum Essen gerechnet, sagte aber nichts, teilte das Omelett und legte eine Hälfte für sie auf einen Teller.

»Du bist vielleicht kein Meisterkoch, aber Omeletts machen kannst du«, sagte sie mit einem Lächeln. Dieses Lächeln, das ihm früher so gefallen hatte, jetzt aber nicht mehr dieselbe Wirkung auf ihn hatte. Sie war gealtert, hatte deutliche Falten um die Augen und eine blasse Haut. Er fragte sich, ob er wirklich so oberflächlich war und sie nicht mehr liebte, weil er sie nicht mehr so schön fand. Oder fand er sie nur deshalb nicht mehr schön, weil er sie nicht mehr liebte? Machte die Liebe nicht alles schöner?

Sie aß das Omelett und schaute dabei auf ihr Handy, völlig ahnungslos, was in seinem Kopf vorging. Bevor er etwas sagen konnte, blickte sie auf.

»Nach den Prüfungen fahre ich vielleicht für ein paar Tage in ein Sommerhaus«, sagte sie und bewegte den Daumen weiter über das Handy. »Die Fachschaft organisiert das.«

»Ja, kein Problem.«

Sie blickte vom Handy auf und sah ihn an, als hätte sie eine ausführlichere Antwort erwartet.

»Ich gehe mit Birta raus«, sagte er und tat, als würde er den prüfenden Blick nicht sehen, der ihm zur Tür hinaus folgte. Vielleicht blieben ihr auch die Worte im Hals stecken. Bevor sie mehr sagen konnte, eilte er hinaus in die frische, kalte Abendluft.

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Akranes 1989

Das Kind kam im Mai. An dem Tag war schönes Wetter; klarer Himmel und nur ganz wenige Wolken. Am Abend zuvor hatte es geregnet, also war die Luft feucht, und überall roch es nach frischem Grün, sodass es in der Nase kitzelte, als sie in den Garten hinausging. Das Meer wiegte sich ruhig hin und her, und in der Ferne sah sie die Berge auf der anderen Seite der großen Bucht. Ab und zu tauchten kleine Inseln aus dem Meer hervor. Sie trug helle Jeans und ein gelbes T-Shirt mit einem Regenbogen-Aufdruck. Das Haar hatte sie in einem losen Pferdeschwanz, aber ein paar wellige Strähnen hingen raus, die sie sich ständig aus dem Gesicht strich.

Es war Samstag, und sie waren früh aufgestanden, hatten Marmeladentoasts zum Frühstück gegessen und Radio gehört. Das Wetter war so schön, dass sie zum Strand gehen wollten. Am Meer entlangspazieren und Muscheln sammeln. Sie fanden eine leere Eisbox für die Muscheln, und während Mama noch die Wäsche aufhängte, schaukelte sie ein wenig und streckte die Zehen zum Himmel hinauf. Sie unterhielten sich. Mama lächelte ihr zu und war gerade dabei, ein weißes Laken aufzuhängen, als sie plötzlich die Hand auf den Bauch legte und sich runterbeugte. Da stoppte sie die Schaukel und sah Mama an.

»Keine Sorge, es tut nur ein bisschen weh«, sagte Mama und versuchte zu lächeln. Sie stand von der Schaukel auf, da bekam Mama wieder Schmerzen und setzte sich ins nasse Gras.

»Mama?«, sagte sie besorgt und ging zu ihr.

»Lauf rüber zu Solla nebenan und hol Hilfe.« Mama atmete tief ein und verzog das Gesicht. Schweißperlen rannen über ihre Stirn. »Beeil dich.«

Das ließ sie sich nicht zweimal sagen und rannte so schnell sie konnte über die Straße zu Solla. Sie klopfte an die Tür und wartete aber nicht auf Antwort, sondern ging gleich rein.

»Hallo? Solla!«, rief sie laut. Erst hörte sie nur das Radio, doch dann tauchte Solla in der Tür zur Küche auf.

»Was ist los?«, fragte Solla und sah sie verwundert an.

»Das Kind …«, sagte sie außer Atem. »Es kommt.«

 

Ein paar Tage später kam Mama mit einem kleinen Bündel in einer blauen Decke nach Hause. Er war das Schönste, was sie je gesehen hatte. Mit dunklen Haaren und unglaublich weichen, dicken Backen. Sie strich vorsichtig über die winzigen Finger und fragte sich, wie etwas nur so klein sein konnte. Aber das Beste war der Geruch. Er roch nach Milch und irgendwie süßlich, sie konnte es nicht beschreiben. Sogar die kleinen weißen Pickelchen auf seinen Wangen waren so winzig, so fein, dass es sich gut anfühlte, mit dem Zeigefinger darüberzustreichen. Er sollte Arnar heißen, genau wie Papa.

Aber der schöne kleine Bruder blieb nur zwei Wochen bei ihnen im Haus am Meer. Eines Tages wachte er nicht mehr auf, egal wie sehr Mama versuchte, ihn zu wecken.

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Im Haus waren nur das Ticken der Uhr im Wohnzimmer zu hören und die Stricknadeln, die unaufhaltsam klackerten und lose glatte Maschen bildeten. Der kleine Pulli war fast fertig. Als Ása die letzten Enden vernäht hatte, breitete sie ihn auf dem Sofa aus und strich mit der Hand darüber. Die Wolle war eine Mischung aus Alpaka und Seide, glatt und weich, wie Daunen. Sie hielt ein paar unterschiedliche Knöpfe an den Pulli und entschied sich am Ende für die glänzenden, die gut zur hellen Wolle passten. Die würde sie anbringen, wenn der Pulli einmal gewaschen war. Nachdem sie ihn in die Waschmaschine gesteckt hatte, machte sie den Wasserkocher an. Sie nahm ein wenig Tee mit dem Sieb auf, goss heißes Wasser darüber und gab ein bisschen Milch und Zucker dazu. Dann setzte sie sich an den Küchentisch. Die Wochenendausgabe der Zeitung lag ungelesen vor ihr. Aber statt darin zu blättern, hielt sie mit beiden Händen die heiße Tasse fest und sah gedankenverloren aus dem Fenster.

Ihre Hände waren ganz kalt vom Stricken. Sie wickelte den Faden immer so fest um den Zeigefinger, dass er kaum durchblutet wurde und völlig taub war, wenn sie die Nadeln endlich weglegte. Aber sie strickte gerne, und kalte Finger waren ein kleiner Preis für die Freude, die es ihr machte, wenn aus einem einzigen Faden schöne Kleidungsstücke entstanden. Schöne Kleidungsstücke, die sich im Schrank stapelten. Hendrik war wenig begeistert von ihrem hohen Wollverbrauch. Wolle war teuer, vor allem ihre Lieblingswolle, diese weiche mit Seide. Aber sie ließ sich von Hendriks Gemecker nicht abhalten. Es war ja nicht so, als könnten sie es sich nicht leisten. Sie war schon immer sparsam gewesen und hatte gut auf ihr Geld aufgepasst. So war sie erzogen worden. Aber jetzt hatten sie genug Geld, viel mehr, als sie brauchten, und sie wusste nicht, wofür sie es sonst ausgeben sollte. Also kaufte sie Wolle. Hin und wieder überlegte sie, ob sie die Stücke verkaufen oder verschenken sollte, aber irgendetwas hielt sie davon ab.

Draußen im Garten hüpften die Drosseln in den Bäumen herum. Manchmal schien die Zeit stillzustehen. Seit sie nicht mehr arbeitete, waren die Tage alle so lang geworden und wollten scheinbar nie enden.

Ása hörte die Haustür auf- und zugehen. Ohne zu grüßen, betrat Hendrik die Küche. Er war noch nicht in Rente, und Ása bezweifelte, dass er je ganz aufhören würde zu arbeiten, aber jetzt, wo Bjarni übernahm, wollte er ein wenig zurücktreten. Wenn er nicht gerade arbeitete, ging er auf den Golfplatz. Sie selbst hatte sich noch nie für Golf interessiert.

»Was ist los?« Hendrik setzte sich mit der Zeitung an den Tisch und blickte beim Reden nicht auf.

Ása antwortete nicht, sondern starrte weiter aus dem Fenster. Die Drosseln hatten einen Zahn zugelegt, kreischten schrill in den Bäumen. Immer lauter und lauter.

Hendrik schüttelte den Kopf und schnaubte, wie um ihr mitzuteilen, dass es keine Rolle spielte, wie es ihr ging und was sie fühlte.

Ohne ein Wort zu sagen, stellte sie die Tasse fest auf den Tisch, was den Tee überschwappen ließ. Dann stand sie auf, ging mit schnellen Schritten ins Schlafzimmer und ignorierte dabei Hendriks erschrockenen Blick. Sie setzte sich aufs Bett und konzentrierte sich darauf, ruhig zu atmen. Eigentlich war sie ein gelassener Mensch und verlor nicht so leicht die Fassung; sie war schon immer sehr zurückhaltend gewesen, als kleines Mädchen auf dem Land in Ostisland und auch als junge Erwachsene, während sie im Kühlhaus in Akranes gearbeitet hatte. Wie so viele Mädchen vom Land war sie bereits in jungen Jahren nach Reykjavík gezogen und in die Hauswirtschaftsschule gegangen. Sie hatte im Internat gelebt und die Vorzüge des Stadtlebens entdeckt, die ländliche Gegenden ihr nicht bieten konnten. In der Stadt gab es Menschen, Arbeit und Feste. Dort befanden sich Geschäfte, Schulen und Straßen, auf denen fast immer etwas los war. Nachts leuchteten Lichter, und im Hafen legten viele verschiedene Schiffe an. Nach Akranes war sie erst gekommen, nachdem sie Hendrik kennengelernt hatte. In einer Sommernacht im August landete das Fischerboot, auf dem er damals arbeitete, im Hafen von Reykjavík an, und die Mannschaft zog in die Stadt. Dort war Ása gerade mit ihren Schulfreundinnen unterwegs und kam ihm entgegen, als er ein Lokal betrat.

Ása sagte immer, ihr wäre sofort klar gewesen, dass sie in dem Moment ihren Mann gefunden hatte. Den Mann fürs Leben. Den einen. Er hatte dunkle Haare, war groß gewachsen, und die anderen Mädchen sahen sie voller Neid in den Augen an. Sie verstanden nicht, warum er ausgerechnet sie auswählte. Mit ihren roten Haaren und dem sommersprossigen Gesicht hatte sie eigentlich nie als besonders hübsch gegolten.