Verzeichnis der Ein- und Ausgemeindungen in Thüringen 1920-1945 - Andreas Schulz - E-Book

Verzeichnis der Ein- und Ausgemeindungen in Thüringen 1920-1945 E-Book

Andreas Schulz

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Beschreibung

Die Weimarer Republik brachte Thüringen nicht nur eine umfangreiche, das Land bis heute prägende Kreisgebietsreform. Auch viele Gemeinden wurden (vor allem unter der sozialistischen Regierung Frölich) fusioniert und (vor allem als Reaktion darauf unter der Regierung Leutheußer) wieder aufgeteilt. Die Geschwindigkeit, mit der diese Änderungen vorgenommen wurden, kann die Erforschung des damaligen Thüringens erheblich erschweren, zumal bislang keine entsprechende Übersicht vorlag. Nur zu wenigen Orten sind in jüngerer Zeit Materialsammlungen entstanden. Dieses Desiderat wird mit dem vorliegenden Verzeichnis für die Zeit von 1920 bis 1945 geschlossen, das damit eine Art Ergänzung zur im Thüringen-Handbuch zu findenden Übersicht über die Zusammensetzung der auf dem Gebiet Thüringens bestehenden Kreise nach Gemeinden von 1918 bis 1999 darstellt. Das Büchlein bietet nach einer Einführung in die rechtlichen Grundlagen und die politische Diskussion zur thüringischen Gemeindegebietsreform in den 1920er Jahren eine Übersicht über sämtliche in amtlichen Druckschriften veröffentlichten Ein- und Ausgemeindungen sowie Wechsel von einzelnen Flurstücken zwischen Gemeinden. Jeder Eintrag verweist auf die entsprechende amtliche Bekanntmachung, die Zugehörigkeit der betroffenen Gemeinden zu einem Staat vor 1920 sowie ihre heutige kommunale Zugehörigkeit. Geographisch werden der kleinthüringische Freistaat sowie die von Preußen regierten Teile Thüringens abgedeckt.

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Ähnliche


Inhaltsverzeichnis

Einleitung und Benutzungshinweise

Gemeindegebietsreformen im Freistaat Thüringen

Rechtsgrundlagen für Gemeindegebietsreformen in Preußen

Eingemeindungen während des Dritten Reiches

Kreisgliederung des Freistaats Thüringen ab 1922

Kreiseinteilung des preußischen Thüringens

Reuß (Volksstaat)

Sachsen-Gotha

Schwarzburg-Rudolstadt

Schwarzburg-Sondershausen

Vereinigung Ruhlas

Altenburg (Stadt und Land)

Arnstadt (Stadt und Land)

Camburg (Kreisabteilung)

Eckartsberga (Land)

Eisenach (Stadt und Land)

Erfurt (Stadt und Land)

Gera (Stadt und Land)

Gotha (Stadt und Land)

Grafschaft Hohenstein (Land) und Nordhausen (Stadt)

Greiz (Stadt und Land)

Heiligenstadt (Land)

Hildburghausen (Land)

Ilfeld (Land)

Langensalza (Land)

Meiningen (Land) und Zella-Mehlis (Stadt)

Mühlhausen (Stadt und Land)

Naumburg (Stadt und Land)

Querfurt (Land)

Rudolstadt (Land)

Saalfeld (Land)

Sangerhausen (Land)

Schleiz (Land)

Schleusingen (Land)

Schmalkalden (Land)

Sondershausen (Land)

Sonneberg (Land)

Stadtroda (Land) und Jena (Stadt)

Weimar (Stadt und Land) und Apolda (Stadt)

Weißenfels (Stadt und Land)

Weißensee (Land)

Worbis (Land)

Zeitz (Stadt und Land)

Ziegenrück (Land)

Abkürzungsverzeichnis

Übersicht über Gesetze und Ausführungsverordnungen

Ortsregister

Einleitung und Benutzungshinweise

Die Weimarer Republik brachte Thüringen nicht nur eine umfangreiche, das Land bis heute prägende Kreisgebietsreform.1 Auch viele Gemeinden wurden – vor allem unter der sozialistischen Regierung Frölich – fusioniert und – vor allem als Reaktion darauf unter der Regierung Leutheußer – wieder aufgeteilt. Die Geschwindigkeit, mit der diese Änderungen vorgenommen wurden, kann die Erforschung des damaligen Thüringens erheblich erschweren, zumal bislang keine entsprechende Übersicht vorlag.2 Nur zu wenigen Orten sind in jüngerer Zeit Materialsammlungen entstanden, so beispielsweise zum 100. Jubiläum der Vereinigung Dörrbergs und Gräfenrodas 2019.3 Dieses Desiderat wird mit dem vorliegenden Büchlein für die Zeit von 1920 bis 1945 geschlossen, das damit eine Art Ergänzung zur im Thüringen-Handbuch zu findenden Übersicht über die Zusammensetzung der auf dem Gebiet Thüringens bestehenden Kreise nach Gemeinden von 1918 bis 19994 darstellt. Anders als dort werden aber auch die von Preußen regierten Landesteile berücksichtigt.

Die Kapitel dieses Buches orientieren sich an den Verwaltungseinheiten der mittleren Zwanzigerjahre. Da die Stadtkreise (entsprachen den heutigen kreisfreien Städten) in der Regel zugleich Kreissitze eines Landkreises waren und verschiedentlich Gemeinden zwischen Stadt- und Landkreis wechselten, werden sie jeweils in einem Kapitel zusammengefasst. Nur vier Stadtkreise fallen nicht in diese Kategorie, waren aber jeweils mit einem Landkreis eng verbunden oder zeitweise sogar diesem angehörig. So war der Stadtkreis Jena ursprünglich als Kreissitz für den späteren Landkreis Stadtroda im Gespräch, die Verwaltung des Landkreises Grafschaft Hohenstein hatte ihren Sitz im Stadtkreis Nordhausen. Der Stadtkreis Apolda war völlig vom Landkreis Weimar umgeben, der Stadtkreis Zella-Mehlis wurde erst später aus dem Landkreis Meiningen herausgelöst. Diese Stadtkreise wurden im vorliegenden Verzeichnis den Kapiteln der entsprechenden Landkreise zugeordnet. Infolgedessen finden sich beispielsweise die Eingemeindungen für den Landkreis Weimar wie die Stadtkreise Weimar und Apolda im Kapitel „Weimar (Stadt und Land) und Apolda (Stadt)“.

Eine Abweichung von diesem Prinzip wurde in den Kapiteln „Reuß (Volksstaat)“, „Sachsen-Gotha“, „Schwarzburg-Rudolstadt“, „Schwarzburg-Sondershausen“ und „Vereinigung Ruhlas“ vorgenommen. Die ersten vier enthalten rechtliche Regelungen, die noch von den kleinstaatlichen Landesregierungen vorgenommen wurden und sind vor allem beim Volksstaat Reuß, der praktisch eine Art Urgebietsreform durchführte, besonders umfangreich. Für die Vorteile bei der zeitlichen Übersicht wurde in Kauf genommen, dass sich die Angaben zu den Städten Gera, Greiz, Triebes und Zeulenroda jeweils in zwei Kapiteln (jenem zum Volksstaat und jenem zum Landkreis der mittleren Zwanziger Jahre) finden. Dasselbe gilt im Falle Sachsen-Gothas für Gräfenroda. Der „Vereinigung Ruhlas“ wurde ein eigenes Kapitel zugedacht, da diese ungewöhnlich kleinteilig durchgeführt wurde – es gab sogar eine Volksabstimmung – und auch ungewöhnlich viel Niederschlag in den Gesetzessammlungen fand.

Innerhalb eines jeden Kapitels sind die Orte alphabetisch nach den neu geschaffenen Gemeinden sortiert. Jeder Eintrag enthält dabei folgende Informationen: Die an der Fusion beteiligten Orte, ihre Zugehörigkeit zu einem Einzelstaat vor 1923 (nicht in den Kapiteln zu preußischen Kreisen, da die dort behandelten Gemeinden stets zu Preußen gehörten), die heutige Kreiszugehörigkeit der Gemeinden, die Kommune, welcher die Gemeinde heute angehört (sofern durch spätere Gemeindefusionen hier ein Namenswechsel stattfand) sowie die Ausführungsverordnung, Bekanntmachung oder das Gesetz, in dem die Fusion festgelegt wurde. Gegebenenfalls folgen die entsprechenden Angaben zur Ausgemeindung.

Um diese Informationen leichter zu finden und die Einträge übersichtlicher zu machen, wurden am Ende des Buches ein Abkürzungsverzeichnis sowie eine Übersicht über die einzelnen Ausführungsverordnungen eingefügt. Ferner bietet ein Gemeinderegister die Möglichkeit, jede Gemeinde auch ohne genauere Kenntnisse über historische Grenzen zu finden. Die Verwendung dieses Registers wird empfohlen, denn um die Seitenzahl nicht ins Unendliche ausufern zu lassen – und, weil das Verzeichnis anfangs nur die Ein- und Ausgemeindung kompletter Ortschaften umfassen sollte –, sind die Einträge nur bei den Orten zu finden, welche seinerzeit andere Kommunen eingemeindeten, nicht aber auch unter jenen, welche eingemeindet wurden.

Die Zuordnung der Gemeinden zu einem Einzelstaat folgt der unter www.gemeindeverzeichnis.de zu findenden Übersicht. Nicht in dieses Verzeichnis aufgenommen wurden Änderungen zwischen den Grenzen von Forstbezirken, sofern hieran keine Gemeinden beteiligt waren.

Die Bezeichnung „Ortsteil“ wird generell benutzt, um zu kennzeichnen, dass ein Ort heute einen eigenständigen Teil einer Gemeinde bildet. Die offizielle Bezeichnung (z. B. Stadtteil, Ortslage) kann hiervon abweichen oder sich inzwischen geändert haben.

Verweise auf andere Einträge beziehen sich immer, sofern nicht anders angegeben, auf Einträge im selben Kapitel.

Kursivdruck in Zitaten gibt Sperrdruck im Original wieder.

Römische Zahlen verweisen auf Ausführungsverordnungen zum Kreiseinteilungsgesetz, das Kürzel NGV + römische Zahl auf Ausführungsverordnungen zum Notgesetz über die Verschmelzungen von Gemeinden. Sie können über die Einträge unter B und C in der Übersicht über Gesetze und Ausführungsverordnungen aufgelöst werden.

1 Vgl. SCHULZ, Andreas: Thüringer Kreisgebietsreformen im 19. und 20. Jahrhundert – Historische Einflüsse in den Neugliederungsdiskussionen, in: Zeitschrift für Thüringische Geschichte 71 (2017), S. 189-224, hier: S. 194-203.

2 Auch die Gesamtzahl der damals betroffenen Ortschaften ist nie genau ermittelt worden. Ein „Verzeichnis der auf Grund des Kreiseinteilungsgesetzes vom 16. Juni 1922 von Verschmelzungsmaßnahmen berührten Orte innerhalb der Landkreise“ listet aber allein 670 Kommunen auf. Das „Verzeichnis der aufgrund des Notgesetzes über die Verschmelzungen von Gemeinden vom 18. März 1924 in den Landkreisen vorgenommenen Ausgemeindungen“ kommt auf Vgl. LATh – HStA Weimar, Thüringisches Ministerium des Innern D Nr. 176, unpgag.

3 EHRHARDT, Jochen; GRAN, Karl-Heinz; GRESSLER, Rotraut: Gräfenroda und Dörrberg 1919 – Zwei werden eins, 2., limitierte, gering veränderte Aufl. 2019.

4 BOBLENZ, Frank: Stadt- und Landkreise in Thüringen 1920 bis 1998, in: POST, Bernhard; WAHL, Volker (Hrsg.): Thüringen-Handbuch – Territorium, Verfassung, Parlament, Regierung und Verwaltung in Thüringen 1920 bis 1995 (= Veröffentlichungen aus thüringischen Staatsarchiven 1), Weimar 1999, S. 474-539.

Gemeindegebietsreformen im Freistaat Thüringen

Dass das Land Thüringen während der Weimarer Republik zahlreiche Gemeindereformen erlebte, war das Ergebnis des Zusammenschlusses der thüringischen Einzelstaaten (mit Ausnahme Sachsen-Coburgs) zu einem kleinthüringischen Freistaat. Dieser verlangte nach einer inneren Neuordnung, welche nicht nur die Einteilung des Landes in Kreise, sondern auch eine Neuordnung der Kommunen bedeutete. Die Landtagswahl von 1921 wies diese Aufgabe einer von der KPD tolerierten SPD-USPD-Regierung zu; die entsprechenden rechtlichen Grundlagen finden sich im Kreiseinteilungsgesetz vom 16. Juni 1922.5 Für die Kommunalreformen sind hierbei vor allem die folgenden Punkte relevant:

In Kleinthüringen sollte es fortan unterhalb der Kreisebene nur noch Gemeinde- und Forstbezirke geben (§ 1 I), eine andere Rechtsstellung war für Grundstücke nicht mehr erlaubt (§ 1 II). Auch Einwohner von Forstbezirken waren einer politischen Gemeinde zuzuweisen (§ 3 I). In der Praxis bedeutet das, dass die bis dato möglichen gemeindefreien Gebiete verschwinden und Kammer- und Rittergutsbezirke ihre Eigenständigkeit verlieren sollten. Das finale Datum hierfür wurde auf den 31. März 1923 festgesetzt und etwaige Regelungen, die eine frühere Eingliederung verlangt hatten, bis zu diesem Zeitpunkt verlängert (§ 5).

Vergleichsweise ausdrücklich waren die Regeln formuliert, nach denen Gemeindezusammenschlüsse zu erfolgen hatten. Zwar oblag es dem Ermessen des Innenministerium, ob „dauernd der Forstwirtschaft zu dienen“ bestimmte „Flächen“ zu Forstbezirken erhoben werden sollten oder nicht und hatte es für die „Zuteilung von Grundstücken zu einem Forstbezirk und die Abtrennung von Grundstücken von einem Forstbezirk“ zuvor die betroffenen Gemeinde- und Kreisräte zu hören (§ 3); drei weitere Regelungen ließen jedoch kaum Spielraum. Es handelt sich hierbei um:

§ 1 III: „Einem Gemeindebezirk bisher nicht zugehörige Grundstücke sind dem Gebiete desjenigen Gemeinde- oder Forstbezirks einzugliedern, mit den sie räumlich und wirtschaftlich im Zusammenhang stehen.“

§ 4: „Sind Ortschaften, die räumlich und wirtschaftlich untereinander in engem Zusammenhang stehen, in mehrere Gemeinden zerteilt, so sind sie zu einer Gemeinde zu verschmelzen, sofern nicht Zweckmäßigkeitsgründe dagegen sprechen.“

§ 6 I: „Im Gemenge liegende Gemeindeteile sind möglichst zu beseitigen und nach Flurstücken den Bezirken der beteiligten Gemeinden zweckmäßig einzugliedern.“

§ 6 II: „Mit dem Gemeindebezirk räumlich nicht verbundene Flurteile der Gemeinde sind, falls nicht wichtige wirtschaftliche Gründe dagegen sprechen, mit demjenigen Gemeindebezirk zu verschmelzen, mit dem sie räumlich im Zusammenhang stehen.“

Die Rigorosität dieser Vorgaben erscheint angesichts der damals angestrebten Flurbereinigung mit der Beseitigung zahlreicher En- und Exklaven zwar verständlich, erfuhr im Landtag aber den heftigsten Widerstand aus den Reihen der Opposition. Grundsätzlich wurde bemängelt, dass in einem nirgendwo sonst zu findenden Ausmaß das Innenministerium in der Lage sei, per „ministrielle[m] Willkürspruch unter Ausschluß jeden Rechtsmittels“6 (Abschlusserklärung DNVP) Gemeinden gegen deren Willen zusammenzulegen. Eduard Rosenthal (DDP) sah die Demokratie selbst untergraben, denn er könne es „nicht begreifen, wie man in einem demokratischen Staate […] es wagen kann, die Gemeinden zu vergewaltigen. Denn jede Gemeinde wird es als eine Vergewaltigung empfinden, wenn sie gegen ihren Willen eingemeindet wird und nicht Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann.“7 Albert Gottschalk (ThLB) sprach schließlich von „Freiheitsbeschränkung, und Freiheit wollen Sie alle haben. Es wird an brutale Gewalt grenzen, wenn man verschiedene Gemeinden gegen ihren Willen zusammenlegt.“8 Dass die Regierung einige der schärfsten Regelungen sogar erst vor Abschluss der Ausschussberatungen eingebracht und damit ein Versprechen gebrochen hatte, den ursprünglichen Gesetzentwurf nicht mehr ändern zu wollen, sorgte für zusätzlichen Missmut.9

Auf sozialistischer Seite hingegen konnten die Ministerialbeschlüsse gar nicht schnell genug erlassen werden; Richard Kahnt (USPD) verpasste die Gelegenheit nicht, „der Regierung den Rat mit auf den Weg zu geben, davon reichlichen Gebrauch zu machen. Überall dort, wo die Möglichkeit besteht, Gemeinden zusammenzulegen sollte dies geschehen!“10

Die offizielle Position der Landesregierung war weniger radikal. Innenminister Karl Hermann (USPD) verteidigte das „abgekürzte Verfahren“ mit der besonderen Situation Kleinthüringens, dass hier nicht nur die von der Revolution geforderten demokratischen Grundlagen eingesetzt, sondern zugleich ein neues Land geschaffen werden müsse: „Wenn wir ein abgeschlossenes Staatswesen hätten, würden wir das nicht brauchen. Nachdem wir aber aus ehemaligen Staatsverwaltungsorganisationsgebilden ein Selbstverwaltungsorganisationsgebilde geschaffen haben, muß von vornherein klar sein: wer gehört zu der Selbstverwaltungsorganisation? Wer hat zu diesem Gebilde mit beizutragen? Deshalb müssen wir, dieses abgekürzte Verfahren einführen.“11 Der demokratische Staat könne also nur von unten wachsen, wenn von Beginn an feststeht, wer sich mit wem zusammenfinden muss.

Die Schärfe der Diskussion rührte aber nicht daher, dass solche Debatten stets mit besonderer Leidenschaftlichkeit geführt werden, oder aus der grundsätzlichen Neugliederung Kleinthüringens infolge des Länderzusammenschlusses. In der Debatte wurde auch deutlich, in welchem Ausmaß die lange in die Opposition gedrängten Sozialisten endlich ihre Möglichkeiten ausnutzen und ihre Gegner, die Anhänger des nationalen Lagers, dies verhindern wollten. So erklärte der schon erwähnte Richard Kahnt: „Es liegt das im Interesse unserer Wirtschaft, damit nicht kleine Gemeinden, die oftmals ganz rückständig sind in ihren Einrichtungen, weit mehr leisten könnten, wenn sie zu einer Gemeinde zusammengelegt würden. Nur ein Beispiel: Ich hatte vor kurzem Gelegenheit, in drei Gemeinden zu sein, die dicht bei einander liegen. Jede der drei Gemeinden hat für sich eine Schule. Es ist aber keine Möglichkeit vorhanden, diese Gemeinden soweit zu bringen, daß sie ein gemeinsames Schulhaus bauen. Sie möchten am liebsten jede für sich ein neues Schulhaus errichten. Daraus ersieht man, wie rückständig die Auffassungen sind. Sie können nicht zusammenkommen aus kleinlichen Gründen. Es muß den Gemeinden klargemacht werden, daß sie zusammengelegt werden müssen, um auf dem Gebiete der Wohlfahrt und des Bildungswesens mehr leisten zu können als bisher.“12

Wie sehr auch die Verteilung der Kommunalfinanzen eine Rolle spielte, wird beim heftig diskutierten Fall der Grenzen des Stadtkreises (und damit der Stadt) Greiz deutlich. Hermann Gründler (USPD) stellte hierbei fest, „daß 10 Gemeinden, die um Greiz herum liegen, mit überwiegender Mehrheit vor längerer Zeit den Anschluß an Greiz beschlossen und gefordert haben. Aber rückschrittlich ist in diesem Falle die Stadt Greiz, die die Eingemeindung der Gemeinden nicht will. Die Dörfer, die mit Greiz verbunden sein wollen, sind Arbeiterdörfer; die Arbeiter sind alle als Textilarbeiter in der Stadt Greiz beschäftigt und verdienen den Textilunternehmern von Greiz das Geld. Die Steuerzahler, die Textilunternehmer sitzen in Greiz und die Steuereinnahme hat Greiz. Aber die Arbeiterdörfer, die teilweise gar keine Landwirtschaft haben, haben diese Steuereinnahme nicht und sind nicht in der Lage, den Aufgaben zu genügen, die heute eine Gemeinde zu erfüllen hat. […] Wir verlangen daher, daß die Regierung hier eingreift und nachholt, was die reaktionäre Mehrheit des dortigen [= des greizischen] Gemeinderates versäumt hat.“13 Als Erich Burchardt (DNVP) einwandt, der Widerwillen Greiz‘ sei nur auf die große Entfernung dieser Dörfer zur Stadt zurückzuführen und näher gelegene Arbeiterkommunen eingemeindet worden, setzte Gründler hinzu: „Die Eingemeindungen der Ortschaften hat stattgefunden, nachdem ein jahrelanger Kampf dort getobt, nachdem die Arbeiterschaft einen starken Druck ausgeübt hat. […] Das Bestreben von Greiz geht dahin, drei weitere Ortschaften einzugemeinden, weil diese noch etwas Industrie haben. Aber Greiz hat es bisher abgelehnt, reine Arbeiterdörfer einzugemeinden. Das ist das Unsoziale, das bekämpft werden muß. Mit dieser rückständlichen Politik muß aufgeräumt werden.“14

Neben dem Kreiseinteilungsgesetz wurde am 20. Juli 1922 auch eine Gemeinde- und Kreisordnung verabschiedet.15 Diese sah in den §§ 6-9 ein alternatives Verfahren zur Gemeindegebietsreform vor. Demnach konnten sich Gemeinden auch freiwillig zusammenschließen. Entsprechende Verhandlungen konnten vom Kreisrat und vom Innenministerium angeordnet werden, sofern „ein dringendes öffentliches Bedürfnis“ die Vereinigung erheischte. War auf diesem Wege keine Gemeindefusion zu erreichen, konnte sie vom Landtag angeordnet werden. In jedem Fall war zwischen den betroffenen Kommunen ein Vertrag abzuschließen. Verweigerten die Gemeinden die Unterzeichnung eines solchen, so konnte ihn das Innenministerium verfügen. Die Kommunen konnten hiergegen Rechtsmittel einlegen, indem sie ein „Verwaltungsstreitverfahren“ anstrengten. Das war insofern relevant, als Streitigkeiten eigentlich vom zuständigen Kreisrat respektive, bei kreisübergreifenden Fusionen, vom Innenministerium zu schlichten waren. Einzig für das „Verwaltungsstreitverfahren“ war, wie § 120 ausführt, die Einrichtung von Verwaltungsgerichten vorgesehen.

Dass dieses aufwendigere, aber eigentlich ordentliche Fusionsverfahren in der Praxis nicht angewandt wurde, war einer der Gründe, weshalb nach der Abwahl der sozialistischen Regierung ein „Notgesetz über die Verschmelzungen von Gemeinden“ erlassen wurde.16 So jedenfalls verteidigte der neue Innen- und Wirtschaftsminister Georg Sattler (DNVP) später im Landtag das Vorgehen;17 tatsächlich waren von der Landtagswahl bis zum Erlass des Notgesetzes lediglich 36 Tage verstrichen. Es enthält im Grunde nur einen Paragraphen (der zweite bestimmt sein sofortiges Inkrafttreten) und sei, seiner Kürze halber, hier vollständig wiedergegeben:

„I. Das Ministerium für Inneres und Wirtschaft wird ermächtigt, die auf Grund des Kreiseinteilungsgesetzes vom 16. Juni 1922 (Ges.-S. S. 297) vorgenommenen Verschmelzungen von Gemeinden nachzuprüfen und im Falle der Aufhebung alle Anordnungen zu treffen, die zur Wiederherstellung der Selbstständigkeit der verschmolzenen Gemeinden, insbesondere zur Wiedereinrichtung ihrer selbständigen Verwaltung und zur Regelung der Auseinandersetzung, sowie zur Regelung der durch die Wiederherstellung der Selbstständigkeit berührten Rechtsverhältnisse erforderlich sind.

II. Vor der Aufhebung ist der Gemeinderat der neuen Gemeinde, die durch die Verschmelzung gebildet worden war, zu hören.

III. Diese Vorschriften gelten entsprechend für die auf Grund des Kreiseinteilungsgesetzes vorgenommenen Verschmelzungen von Gemeinden mit Stadtkreisen.

IV. Die Entscheidung des Ministeriums für Inneres und Wirtschaft ist endgültig.“

Von „Endgültigkeit“ wollte aber auch die neue Opposition nichts wissen. Über Gemeindefusionen und -auflösungen ist während der Weimarer Republik noch mehrere Male diskutiert worden; für diese Einführung soll aber der Blick auf die Stellungnahmen der einzelnen Parteien in der Debatte über das Notgesetz vom 9. Mai 1924 genügen.

Sattler hatte als amtierender Innenminister das erste Wort.18 Er warf der sozialistischen Regierung vor, bei den Eingemeindungen weit über das Ziel hinausgeschossen zu sein. Zwar sei das verkürzte Verfahren im Kreiseinteilungsgesetz nicht unberechtigt gewesen, um drängende und sinnvolle Zusammenschlüsse rasch durchzuführen. Auch seien nicht alle Entscheidungen von Innenminister Karl Hermann falsch und blieben daher mehrere Zusammenschlüsse auch von Sattler gegen den Willen der betroffenen Kommunen aufrecht erhalten. Allerdings habe „die Regierung rund 600 Ortschaften verschmolzen, sie hat dabei alle die Fälle, die für ganz später einmal in Frage kommen könnten, auch gleich mit herangezogen, ohne erst einmal abzuwarten, ob wirklich im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte, möchte ich beinahe sagen, die Entwicklung eine solche Verschmelzung notwendig machen würde.“19 Im Grunde seien derart viele Fusionen durchgeführt worden, dass für die Anwendung des in der Gemeindeordnung vorgesehenen ordentlichen Verfahrens gar keine Gelegenheit mehr bestünde, was nicht im Sinne des Gesetzgebers gewesen sein könne. Vor allem seien dadurch und, weil man sich nicht ausreichend mit den örtlichen Begebenheiten beschäftigt habe, zahlreiche Fehler entstanden, da häufig der geforderte enge räumliche und wirtschaftliche Zusammenhang zwischen den zu vereinenden Kommunen missachtet worden sei.

Problematisch seien die Entscheidungen aber nicht nur in rechtlicher Hinsicht, sondern auch mit Blick auf die Reaktion im Lande. Dort hätten sich vielfach Gemeinden geweigert, die mit der Fusion notwendigen Neuwahlen durchzuführen. Zwar hätte die Landesregierung deren Durchführung auch von sich aus anordnen können; allerdings hätte das infolge der Vorgaben der Gemeinde- und Kreisordnung derart lange gedauert, dass die neuen Gemeinderäte nicht vor der notwendigen Verabschiedung der neuen Haushalte hätten zusammentreten können. Vor allem für die fusionswilligen Kommunen dürfte die folgende Aussage Sattlers gegolten haben, welche das sich androhende Chaos im Land auf dem Punkt bringt: „Die Gemeinden wußten nicht, sollten sie für sich wirtschaften, oder mit den Gemeinden, mit denen sie verschmolzen sind, einen gemeinsamen wirtschaftlichen Haushaltsplan aufstellen.“20

Schließlich sei durch die großen neuen Gemeinden nicht nur die kommunale Selbstverwaltung vielfach zerstört worden. In zahlreichen Fällen habe die Heirat auch die Freundschaft zerstört: „Ich verweise auf Orte, de zu früheren Zeiten sich durchaus vertragen haben, die gemeinschaftliche Einrichtungen, gemeinschaftliche Vereine hatten, in denen ein Verkehr herüber und hinüber stattfand und die in denselben [!] Moment, wo die Verschmelzung vor sich gegangen ist, mit einer Feindschaft sich gegenübertraten, alle Vereinigungen, alle Verbände, die sie bisher hatten, auflösten, so daß man tatsächlich aus der Summe von Haß, die sich aus dieser zwangsweisen Eingemeindung ergeben hatten, unbedingt zu der Schlußfolgerung kommen mußte, hier bestehen Zustände, die nicht auf die Spitze getrieben werden können.“21 Dieser „Haß“ habe sich schließlich auch darin Luft gemacht, dass die Sozialisten bei der Landtagswahl insbesondere in den fusionierten Gemeinden deutlich an Stimmen verloren hätten.

Karl Hermann (inzwischen SPD) beantwortete dies, indem er historisch weit ausholte.22 Die kleinen Gemeinden in Thüringen seien Teil der bisherigen Kleinstaaterei und territorialen Zerrissenheit des Landes respektive mit dieser gleichzusetzen. Entsprechend groß sei der Handlungsbedarf gewesen, zumal auch andere Länder wie Bayern Fusionen ihrer kleinsten Kommunen vorgenommen hätten.

Das Problem sei noch durch einen zweiten historischen Aspekt verschärft worden. Bis ins 18. Jahrhundert habe die Verwaltung mit der Wirtschaftsentwicklung Schritt halten und sogar vielfach zukünftige ökonomische Entwicklungen initiieren können. Dies habe sich mit der Industrialisierung geändert und die sozialistische Regierung Wirtschaft und Verwaltung wieder in Einklang bringen müssen und entsprechend auch zukünftige Entwicklungen antizipieren müssen. So gesehen habe man nichts anderes getan als schon die preußischen Reformer im frühen 19. Jahrhundert.

An dieser Stelle wird deutlich, dass Sozialisten und die Anhänger des nationalen Lagers von völlig unterschiedlichen Zielen bei einer Gemeindegebietsreform ausgingen. Letztere beriefen sich auf das „Selbstbestimmungsrecht“ der Kommunen. Mit diesem von mehreren Rednern gebrauchten, den damaligen Debatten über die völkerrechtlichen Grenzen Deutschlands entlehnten und entsprechend dramatisch zu verstehenden Begriff wollten sie ausdrücken, dass nur jene Personen in einer Gemeinde zusammenleben sollten, die dies auch tatsächlich wollten.

Die Sozialisten gingen demgegenüber von der Wirtschaftsstruktur aus. Hermanns Argumentation lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass sich die thüringische Kommunalstruktur während der vergangenen hundert Jahre vielfach in Gewerbezentren und Pendlergemeinden aufgegliedert habe. Die finanziellen Folgen sind bekannt: In den Gewerbezentren lebten überdurchschnittlich viele wohlhabende Arbeitgeber und wurde vor allem die Gewerbesteuer gezahlt, in den Pendlergemeinden wohnten die Arbeitnehmer, die finanziellen Möglichkeiten waren aufgrund der fehlenden Gewerbesteuereinnahmen begrenzt. Da administrative Techniken wie Kreisumlagen und Landesfinanzausgleich erst am Beginn ihrer Entwicklung standen, erschienen Fusionen als ein probates Mittel, um die unterschiedlichen Möglichkeiten von Gewerbezentren und Pendlergemeinden auszugleichen und den von ihnen gebildeten Wirtschaftsraum in eine staatliche Handlungseinheit zu verhandeln.

Die Idee einer staatlichen Handlungseinheit darf in ihrer Bedeutung nicht unterschätzt werden. Zwar bemühte Hermann auch klassische Argumente wie jenes, dass kleine daher und finanziell schwache Gemeinden nicht die Mittel hätten, um die staatlichen Aufgaben der Zeit ihren Einwohnern gegenüber wirklich erfüllen zu können. Doch spielte für die Sozialisten der gegnerische Kapitalist eine ganz besondere Rolle. Immer wieder behaupteten ihre Abgeordneten daher in Zwischenrufe, eine Ausgemeindung sei von Sattler nur vorgenommen worden, weil ein reicher Unternehmer oder Grundbesitzer sie gefordert habe. Die großen Gemeinden seien daher geschaffen worden, um „den außerordentlich mächtig gewordenen Wirtschaftsinteressen einigermaßen ein Gegengewicht und eine Gegenparole bieten zu können. […] Es ist durchaus nicht gleichgültig, ob in irgend einer größeren Gemeinden ein großes Industriewerk liegt, das der Gemeinde seinen Willen diktiert oder ob die Gemeinde nicht durch eine gewisse Beteiligung an diesem Industriewerk mindestens eine gewisse Mitbestimmung über die Wirtschaftspolitik dieses Industriewerkes erhalten kann.“23 Sollte eine Kommune nicht einmal dazu finanziell in der Lage sein, so sei sie auch zur Wahrnehmung aller anderen staatlichen Aufgaben nicht in der Lage. Entsprechend nahm Hermann für die sozialistische Regierung in Anspruch, die Selbständigkeit vieler Gemeinden überhaupt erst wieder hergestellt zu haben, da ihre finanziellen Spielräume zuvor zu klein gewesen seien, um selbständige Entscheidungen treffen zu können.

Hermanns Hinweis auf das ortsbeherrschende Werk verdeutlicht uns dabei, wie sehr die Gemeindegebietsreformen in einer Lebenswelt vorgenommen wurden, die sich erheblich von unserer unterschieden. Das ist nicht nur an dieser Stelle zu berücksichtigen. Auch die Kommunikation zwischen den verschiedenen Verwaltungseinheiten erfolgte natürlich per Brief(umschlag) und Post(porto). Infolgedessen rechnete Hermann vor, dass fusionierte Kommunen ihre Belange in einem Brief zusammenfassen könnten statt mehrere zu verfassen und ihre Gemeindekasse entsprechend weniger Porto bezahlen müsste. Das gelte natürlich auch für die Landesregierung in Weimar, wenn sie diese Briefe empfange und daher deutlich weniger Zeit zum Öffnen der Umschläge und auch für die Versendung von Antworten verbrauche.

Es versteht sich von selbst, dass Hermann das Notgesetz rundweg ablehnte. Der Unmut unter den Anhänger der Sozialisten beweise nur deren unparteiisches Vorgehen bei der Gemeindegebietsreform; umgekehrt befriedige Sattler lediglich ein „Gefühlsmoment“, das auch noch gezielt „aufgepeitscht“24 worden sei. Dass er dazu die frisch geschaffene Verwaltungsstruktur Kleinthüringens gleich wieder über den Haufen werfe, könne dem Land nur schaden und sei ein Notgesetz dazu ohnehin das falsche Mittel. Mit einigen Beispielen, in denen nun Sattler bei den Ausgemeindungen unsauber gearbeitet habe, schloss Hermann seine ausgesprochen lange Rede.

Für den Thüringer Landbund, die stärkste Partei des konservativen Teils der Landbevölkerung, sprach Hermann Focke.25 Seinen Ausführungen lag der dörfliche Blick auf die industriezentrierte Argumentation der Sozialisten zugrunde. Focke wies darauf hin, dass man Stadt-Umland-Beziehungen nicht auf das Verhältnis von Gewerbezentren und Pendlergemeinden reduzieren könne. Vielmehr hätten Städte schon immer als ein Ort des Austauschs fungiert, wo die bäuerliche Bevölkerung die Städte mit landwirtschaftlichen und sich selbst mit handwerklichen Produkten. Stadt und Land seien daher schon immer wirtschaftlich verflochten gewesen, und beide Seiten aufeinander angewiesen. Ferner sei es in der Gegenwart nicht mehr möglich, sämtliche Produkte über die nächste Kreisstadt zu beziehen, weshalb auch stets Beziehungen zwischen Land und Kleinstädten auf der einen sowie Großstädten auf der anderen Seite bestünden. Entsprechend schwammig sei die Vorgabe, es müsse zwischen den zu fusionierenden Gemeinden ein „räumlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang“ bestehen. Nicht rein ironisch meint er daher, „die einfachste Lösung der Frage wäre gewesen, wenn man ganz Thüringen zu einem großen Dorfe zusammengeschlossen hätte.“26 Selbst der ehemalige Ministerpräsident August Frölich (SPD) konnte Focke in einem Zwischenruf nur vorwerfen, dass seine Argumentation „Übertreibung“ sei, nicht aber „Unsinn“.27

Erneut müssen wir uns dabei vor Augen halten, dass sich die Menschen in einer anderen Lebenswelt bewegten als wir. An eine auf Bussen und Privatautos basierte Mobilität war noch nicht zu denken, jenseits der Eisenbahnschienen blieb die Geschwindigkeit der Fortbewegung weitgehend im Rahmen des Vormodernen. Der Gang ins und vom Nachbardorf nahm mehrere Stunden in Anspruch, ein Besuch in der Kreisstadt konnte einem Tagesausflug gleich kommen. Entsprechend wurde im Laufe der Debatte auch darüber diskutiert, ob beispielsweise Bad Liebenstein und Schweina ein „Berg“ oder nur ein „Hügel“ trenne – denn dieser musste ja zu Fuß umgangen oder überschritten werden, um in den anderen Teil der neuen Gemeinde zu gelangen. Daher weigerte auch Focke sich, einen räumlichen Zusammenhang bereits anzunehmen, „wenn eine Flur an die andere“ grenzt. „Der räumliche Zusammenhang ist gegeben, wenn die Orte gewissermaßen hineinwachsen. Aber durchaus nicht, wenn eine Flur an die andere angrenzt.“28

Auch ein anderes Argument des Landbund-Redners war nicht ganz von der Hand zu weisen. Einsparen kann man durch Zusammenlegung nur dort, wo Kosten bestehen. Focke wies darauf hin, dass gerade in den vielen kleinen Gemeinden zahlreiche kommunale Aufgaben ehrenamtlich gelöst worden waren, was in den fusionierten Kommunen aber nicht möglich sei. Durch die Gebietsreform würde daher nicht Geld gespart, sondern im Gegenteil das kostengünstige Ehrenamt durch teureres, da hauptberuflich tätiges Personal ersetzt. Das Argument mit den verminderten Portokosten ließ er nicht gelten.

Insgesamt fällt Fockes Argumentation durch eine im Vergleich zu den anderen Rednern größere Sachlichkeit auf. So schlug er auch vor, statt Gemeindefusionen weitere Zweckverbände zwischen verschiedenen Kommunen einzurichten; eine Idee, die im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts in Form von Verwaltungsgemeinschaften und Kreisumlagen Realität werden sollte. Wie schwierig eine Lösung sein musste, wird daran deutlich, dass auch in unserer Zeit die Frage zwischen Zweckverband und Gemeindefusion ausgiebig diskutiert und von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, mitunter auch in Form von Zwischenlösungen, entschieden wird.

In einem Punkt allerdings ließ sich Focke von ländlichen Vorbehalten leiten; so, wie die Sozialisten den Dörfern vorwarfen, für Kompromisse mit städtischen Interessen nicht bereit zu sein, behauptete er umgekehrt, die Städte würde zwar auf Kosten der eingemeindeten Dörfer leben, diese aber veröden lassen.

Der für die DDP sprechende Eduard Rosenthal haderte als Politiker noch immer mit der Demokratie; dass ein Landtag ein Gesetz verabschieden konnte, welches nach dem nächsten Urnengang keine Mehrheit mehr haben könnte, blieb ihm auch nach über einem Jahrzehnt Parlamentserfahrung unverständlich.29

Als Jurist war seine Kritik hingegen fundiert. Wie Karl Hermann betrachtete er es als ein Problem, wenn in derart schneller Folge die Verwaltung immer neu reformiert würde. Allerdings wandte sich Rosenthal gegen die Vorstellung, die kleinen Gemeinden seien mit der Kleinstaaterei vergleichbar gewesen. Ferner beklagte er eine geradezu inflationäre Zunahme der Not- und Ermächtigungsgesetzgebung in Deutschland, durch welche die Parlamente zunehmend von der Gesetzgebung abgeschnitten würden. Dies traf natürlich auch auf die Entscheidung der Regierung Leutheußer zu, die Gemeindegebietsreform durch ein Notgesetz zu korrigieren.

In der Sache blieb Rosenthal gleichwohl ein Gegner ebendieser Gemeindegebietsreform. Schließlich leitete sich „Selbstbestimmungsrecht“30 leitete sich bei ihm direkt aus dem demokratischen Grundsatz ab, dass die Verwaltungseinheiten selbst über ihr Schicksal bestimmen sollten; insofern erschienen die Beschlüsse aus dem Innenministerium für ihn geradezu als ein Verstoß gegen die Demokratie. Des Weiteren forderte Rosenthal erneut, in der Frage der Gemeindegebietsreform endlich ein effizientes Rechtsmittel zur Beilegung von Streitfällen zu schaffen. Im Übrigen sei die Problematik derart kompliziert, dass man sie nicht im Plenum, sondern erst im Ausschuss erörtern sollte.

An Rosenthals Rede ist abschließend interessant, dass auch er die Unmengen an Bittschriften erwähnt, welche sämtliche Fraktionen wegen der Gemeindefusionen erhielten. Der DDP-Politiker ist in solchen Dingen eine seriöse Quelle und auch seitens der Sozialisten wurde die Existenz dieser Eingaben nicht infrage gestellt, sodass es sich hierbei nicht um eine propagandistische Behauptung der Opposition gehandelt haben kann.

Theodor Bauer (DVP) schloss sich in seiner Rede weitgehend den Argumenten Sattlers und Rosenthals an, allerdings mit kleinen Abweichungen.31 So stellte auch er den Erlass eines Notgesetzes infrage, aber nicht nur wegen der grundsätzlichen Bedenken des Juristen. Es sei nämlich zudem der vom Gesetz geforderte „räumliche und wirtschaftliche Zusammenhang“ in vielen Fällen nicht gegeben. Ferner ermögliche der fragliche § 4, bei „Zweckmäßigkeiten“ auf eine Eingemeindung zu verzichten. Dies habe die sozialistische Regierung vielfach nicht geprüft, die Regelung selbst aber anerkannt, denn Oelze und Katzhütte seien, obwohl beide Orte wirtschaftlich wie als besiedelte Räume miteinander verwachsen seien, nicht fusioniert worden. Im Gegensatz zu Rosenthal unterstützte Bauer letztlich aber doch den Griff zum Notgesetz. Schließlich weigerten sich derart viele Gemeinden, die angeordnete Vereinigung auch umzusetzen, dass praktische Politik vielerorts nicht mehr möglich sei und deshalb rasch klare Verhältnisse geschaffen werden müssten. Der vom Juristen vorgeschlagene Weg, die Fälle jeweils vom Oberverwaltungsgericht entscheiden zu lassen, sei dafür zu träge.

Im Gegensatz zu den übrigen Rednern – einzig Sattler hatte das Problem kurz gestreift – legte Bauer besonderen Wert auf die Ausgemeindungen. Hierfür fehlten in der Kreis- und Gemeindeordnung rechtliche Grundlagen. Er schlug deshalb vor, nach eine Volksabstimmung durchführen zu lassen, sollte ein Gemeindeteil die Ausgemeindung wünschen, welche aber nicht durch das Notgesetz gedeckt wäre. Das entspreche auch dem sächsischen Weg, wo im Falle einer Eingemeindung eine Volksabstimmung zwingend vorgeschrieben sei. Allerdings konnte auch Bauer das Problem nicht aus der Welt schaffen, dass solch einem Wunsch nicht immer entsprochen werden könne. Die sozialistische Reaktion kam prompt: Der DVP-Abgeordnete habe der Regierung Frölich wegen der Zwangseingemeindungen einen Bruch mit der Demokratie vorgeworfen, wolle diese aber selbst nicht bis zur letzten Konsequenz umsetzen.

Friedrich von Eichel-Streiber warf Hermann seitens der DNVP schließlich Wortbruch vor.32 Der ehemalige Innenminister habe bei der Begründung des Gesetzes den Wert der kommunalen Selbstverwaltung hervorgehoben, diese nun aber für das Einsparen „einige[r] Portokosten“ abgeschafft. Dabei stünde fest, „daß gerade die Gemeindeselbstverwaltung es ist, die eine gewisse Schule zur Bildung von Persönlichkeiten darstellt; die unterste Stufe zur Bildung von Persönlichkeiten im öffentlichen Leben“, die deshalb „ganz besonderer Pflege bedarf“33. Damit stelle er sich auch in den größten Gegensatz zu den von ihn angerufenen Reformen Karl Freiherr vom und zum Stein sowie Karl August von Hardenberg. Ferner sei es unstatthaft, die Gemeindefusionen mit dem Zusammenschluss der thüringischen Staaten gleichzusetzen, denn „Staats- und Gemeindeverwaltung sind etwas Verschiedenes“34. So würde die Gemeindegebietsreform die Kosten teilweise sogar erhöhen, weil nun ehrenamtliches durch hauptamtliches Personal ersetzt würde.

Die Vorstellung, dass reiche Gemeinden zur Unterstützung armer herangezogen werden sollten, hielt von Eichel-Streiber nicht für falsch. Allerdings gab er einige Beispiele, in denen die fusionierten Kommunen den von den Sozialisten einem Zusammenschluss zugrunde gelegten „Wirtschaftsorganismus“35 gar nicht bilden würden. Vor allem aber fragte er, ob dies unbedingt über eine Gemeindefusion geschehen müsse. Der DNVP-Politiker verwies hierzu auf die ersten Experimente mit Instrumenten, die in Form von Verwaltungsgemeinschaften und Finanzausgleichen schließlich die deutsche Kommunalverwaltung der folgenden 100 Jahre vielfach prägen sollten. Konkret nannte er den „Weg eines Zweckverbandes, der für diese oder jene gemeinsame Veranstaltung eingeschlagen werden kann. In Preußen ist da der Weg eines gewissen Lastenausgleichs und steuerlicher Zuweisungen von der Sitzgemeinde des Betriebs an die umliegenden Gemeinden, wo die Arbeiter wohnen, eingeschlagen worden, und derartige Mittel mehr.“36 Ferner fehlten den Gemeinden Rechtsmittel oder Garantien, welche gegen willkürliche Fusionen schützten.

Freilich schloss auch von Eichel-Streiber nicht aus, dass in einigen Fällen Eingemeindungen sogar gegen den Willen der Betroffenen durchgesetzt werden sollten; jene Volkstedts nach Rudolstadt oder die von Lichtenhain nach Jena nannte er als Beispiele. Allerdings betreffe dies nur einen winzigen Bruchteil der unter den Sozialisten vorgenommenen Zusammenschlüsse. Auch der Hinweis, man habe Strukturen für die Zukunft schaffen wollen, ließ er nicht gelten. So habe man Eisenach Territorium zur Industrieansiedlung gegeben, obwohl dieses aus geographischen Gründen nach einer Seite hin gar nicht bebaut werden könne und nach einer anderen in der eisenachischen Flur noch genügend Platz gewesen sei.

Schließlich verwies der DNVP-Politiker noch auf den Unmut, welchen er in verschiedenen Gemeinden gehört habe. So gebe es vielfach Gerüchte, man werde nur zusammengelegt, um fortan von der roten Mehrheit im Nachbarort regiert zu werden. In anderen Fällen wurde gemutmaßt, man solle lediglich einer Gemeinde aushelfen, die im Gegensatz zu einem selbst nicht mit Geld umzugehen wisse.

Die Sprecher der KPD (Richard Zimmermann),37 NSDAP (Walter Wünsche)38 und der Deutschvölkischen (Erwin Röhrig)39 beschränkten ihre Reden weitgehend auf die Auflistung von Einzelfällen. So warf Wünsche den „bürgerlichen“ Abgeordneten des Jenaer Stadtrat eine verfehlte Politik vor, weil diese Eingemeindungen zustimmten, die nur dazu gedient hätten, die Kreditwürdigkeit der Universitätsstadt zu erhöhen. Zimmermann hingegen betonte – ähnliche wie Karl Hermann –, dass die betroffenen Orte und Jena eine Wirtschaftseinheit bildeten. Ferner versuchte er unter anderem am Beispiel Volkstedts und Rudolstadts nachzuweisen, dass auch bei miteinander verwachsenen Gemeinden eine freiwillige Fusion oft kaum zu erreichen und entsprechend die Vorstellung, eine kommunale Gebietsreform ohne Zwang vorzunehmen, illusorisch sei.

Hat sich die Reform gelohnt? Die folgenden Zahlen mögen verdeutlichen, inwieweit die Gemeindegebietsreform der Regierung Frölich berechtigt war. Ein seinerzeit angelegtes „Verzeichnis der auf Grund des Kreiseinteilungsgesetzes vom 16. Juni 1922 von Verschmelzungsmaßnahmen berührten Orte innerhalb der Landkreise“ listet 670 Kommunen auf, worunter allerdings auch bislang durch eine Staatsgrenze getrennte Gemeinden fielen. Von diesen wurden laut „Verzeichnis der aufgrund des Notgesetzes über die Verschmelzungen von Gemeinden vom 18. März 1924 in den Landkreisen vorgenommenen Ausgemeindungen“ 358 unter der Regierung Leutheußer wieder rückgängig gemacht. Demnach hielten sich die Eingemeindungen, welche aus Sicht der Zeitgenossen berechtigt oder unberechtigt waren, in etwa die Waage.40

5 Gesetzsammlung für Thüringen 1922, Nr. 29, S. 297-305.

6 Stenographische Berichte über die Sitzungen des II. Landtags von Thüringen, Bd. II. Von der 41. bis zur 85. Sitzung (3. Februar bis 16. Juni 1922), S. 2451.

7 Ebd., S. 2436.

8 Ebd., S. 2435.

9 Vgl. ebd., S. 2431. So hatte die Möglichkeit, Gemeinden per Ministerialbeschluss zusammenzulegen, ursprünglich nur für Kommunen gelten sollten, die durch Staats- oder Kreisgrenzen geteilt waren. Vgl. ebd., S. 2434.

10 Ebd., S. 2435.

11 Ebd., S. 2437.

12 Ebd., S. 2435.

13 Ebd., S. 2436.

14 Ebd., S. 2437.

15 Gesetzsammlung für Thüringen 1922, Nr. 29, S. 305-322.

16 Gesetzsammlung für Thüringen 1924, Nr. 18, S. 179.

17 Stenographische Berichte über die Sitzungen des III. Landtags von Thüringen, Bd. I. Von der 1. bis zur 40. Sitzung (21. Februar bis 3. Juni 1924), S. 676.

18 Vgl. ebd., S. 675-679.

19 Ebd., S. 676.

20 Ebd., S. 677.

21 Ebd., S. 677.

22 Vgl. ebd., S. 680-691.

23 Ebd., S. 682 f.

24 Ebd., S. 686.

25 Vgl. ebd., S. 691-694.

26 Ebd., 692.

27 Ebd., S. 692.

28 Ebd., S. 692.

29 Ebd., S. 694-696.

30 Ebd., S. 695.

31 Ebd., S. 697-700.

32 Ebd., S. 700-704.

33 Ebd., S. 700.

34 Ebd., S. 701.

35 Ebd., S. 701.

36 Ebd., S. 702.

37 Ebd., S. 696 f.

38 Ebd., S. 679 f.

39 Ebd., S. 704 f.

40 Vgl. LATh – HStA Weimar, Thüringisches Ministerium des Innern D Nr. 176, unpgag.

Rechtsgrundlagen für Gemeindegebietsreformen in Preußen

Im zu Preußen gehörigen Teil Thüringens blieb auch nach 1918 die „Landgemeindeordnung für die sieben östlichen Provinzen der Monarchie. Vom 3. Juli 1891“41 für Gemeindefusionen und den Austausch von Flurstücken zwischen verschiedenen Kommunen maßgebend. Demnach gab es grundsätzlich zwei Verfahren, die Anwendung finden konnten:

§ 2.2 lautete: „Landgemeinden und Gutsbezirke, welche ihre öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen außer Stande sind, können durch Königliche Anordnung aufgelöst werden.“42 Bei Zusammenschluss mit einer Nachbargemeinde oder -gutsbezirk sollten die Betroffenen gehört werden.

§. 2.3 regelte: „Landgemeinden und Gutsbezirke können mit anderen Gemeinde- oder Gutsbezirken nach Anhörung der betheiligten Gemeinden und Gutsbesitzer sowie des Kreisausschusses mit Königlicher Genehmigung vereinigt werden, wenn die Betheiligten damit einverstanden sind. Wenn ein Einverständniß der Betheiligten nicht zu erzielen ist, so ist die Zustimmung derselben, sofern das öffentliche Interesse dies erheischt, im Beschlußverfahren durch den Kreisausschuß zu ersetzen.“43 Allerdings stand den betroffenen Gemeinden und Gutsbesitzern ein Rechtsmittel offen, denn sie durften sich an den Bezirksausschuss werden. Der konnte zwar in der Sache nichts entscheiden, aber die Angelegenheit an den Provinzialrat weiterleiten, damit dieser einen Beschluss fällt. Damit lag der Ball beim Oberpräsidenten der Provinz. War dieser mit dem Beschluss des Provinzialrates nicht einverstanden, konnte er das Staatsministerium zur endgültigen Entscheidung anrufen. Dasselbe Prozedere war vorgesehen, wenn eine Landgemeinde in einen Gutsbezirk oder ein Gutsbezirk in eine Landgemeinde umgewandelt werden sollte oder wenn, das regelte § 2.4, nur Teile von Gemeinden und Gutsbezirken in eine andere Gemeinde oder einen anderen Gutsbezirk wechseln sollten. War einer der betroffenen Partner eine Stadt und keine Landgemeinde, so übernahm der Bezirksausschuss die Rolle des Kreistags (§ 2.6).

Dabei wurde in § 2.5 klar geregelt, in welchen Fällen ein kommunaler Gebietsaustausch oder eine Fusion gegen den Willen der Betroffenen durchgeführt werden durften:

„Ein öffentliches Interesse im Sinne der Nr. 3 und 4 ist nur dann als vorliegend anzusehen,

a) wenn Landgemeinden oder Gutsbezirke ihre öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen außer Stande sind.

Bei Beurteilung dieser Frage sind Zuwendungen, welche Gemeinden und Gutsbesitzern vom Staate oder größeren Kommunalverbänden zustehen, nicht als bestimmend zu erachten,

b) wenn die Zersplitterung eines Gutsbezirks oder die Bildung von Kolonien in einem Gutsbezirke die Abtrennung einzelner Theile desselben oder dessen Umwandlung in eine Landgemeinde oder dessen Zuschlagung zu einer oder mehreren Landgemeinden nothwendig macht,

c) wenn in Folge örtlich verbundener Lage mehrerer Landgemeinden oder von Gutsbezirken oder Theilen derselben mit Landgemeinden ein erheblicher Widerstreit der kommunalen Interessen entstanden ist, dessen Ausgleichung auch durch Bildung von Verbänden im Sinne der §§. 128 ff. nicht zu erreichen ist.“44

Diese Regelungen wurden erst neun Jahre nach der Revolution abgeändert. Das „Gesetz über die Regelung verschiedener Punkte des Gemeindeverfassungsrechts. Vom 27. Dezember 1927.“45 führte dabei zwei wichtige Neuerungen ein, von denen die erste in § 1 geregelt ist: Fortan gab es drei Möglichkeiten, wie eine Gemeindefusion erfolgen konnte. War sie mit der Änderung von Grenzen von Stadt- oder Landkreisen oder der möglichen Erhebung einer kreisangehörigen Stadt zu einem Stadtkreis verbunden, so war die Zustimmung des Landtags per Gesetzesbeschluss für den Zusammenschluss notwendig. Bei Gemeindefusionen, die keine Stadt- oder Landkreisgrenzen änderten, hatte das Staatsministerium zu entscheiden. Ansonsten – also wohl hauptsächlich bei der Abtretung von Flur- oder Grundstücken – konnte die zuständige „Beschlußbehörde“ allein entscheiden.

In jedem Fall mussten die betroffenen Stadt- und Gemeinderäte sowie Kreistage und, wenn sich Grenzen zwischen Provinzen ändern würden, auch Provinzialausschüsse gehört und in den Prozess eingebunden werden. Fusionen zwischen Gemeinden innerhalb eines Kreises durften nicht mehr ohne Stellungnahme des betroffenen Kreistags erfolgen. Was erhalten, blieb, war die Möglichkeit, innerhalb der Verwaltung Beschwerde einzulegen, wobei die Zeit dafür aber auf zwei Wochen begrenzt wurde. § 1.3 lautet entsprechend: „Im Falle des Abs. 1 Nr. 3 steht binnen zwei Wochen aus Gründen des gemeinen Wohles nach Maßgabe des § 123 des Landesverwaltungsgesetzes gegen den Beschluß der Beschlußbehörde auch ihrem Vorsitzenden die Beschwerde an die Beschlußbehörde zweiter Instanz und gegen den Beschluß der Beschlußbehörde zweiter Instanz dem Vorsitzenden dieser Behörde die weitere Beschwerde an das Staatsministerium zu.“46 Dies galt natürlich nicht in den Fällen, in denen per Gesetz schon der Landtag oder das Staatsministerium zu entscheiden hatten.

Für die zweite Neuerung war vor allem § 11 maßgebend. Er umfasste die vollständige Auflösung aller noch bestehenden Gutsbezirke, welche entweder in Gemeinden umzuwandeln oder an benachbarte Gemeinden anszuschließen waren. „Über die Art der Auflösung (Art. 2) beschließt das Staatsministerium. In jedem Kreise ist binnen einer vom Staatsministerium zu bestimmenden Frist durch den Kreisausschuß nach Anhörung der beteiligten Gemeinden und Gutsbesitzer ein Plan aufzustellen. Wird der Plan innerhalb dieser Frist nicht aufgestellt, so entscheidet das Staatsministerium vom Amts wegen.“47

Diese Zuständigkeit war durchaus korrekt, schließlich hatte das Staatsministerium grundsätzlich über jede Gemeindefusion zu entscheiden. Bei der Auflösung der Gutsbezirke hatte es allerdings zwei Vorgaben zu beachten. Es war nämlich „in erster Linie auf die Schaffung leistungsfähiger Gemeinden sowie darauf Rücksicht zu nehmen, daß einheitlich bewirtschafteter Grundbesitz einer und derselben Gemeinde zugelegt wird.“ Und: Besonders abgelegene und einwohnerarme Gutsbezirke durften als solche bestehen bleiben, „weil sich ein eigenes Gemeindeleben wegen geringer Einwohnerzahl oder räumlicher Trennung der Wohnstätten nicht entwickeln kann.“48

Die Aufhebung der Gutsbezirke machte denn während der Weimarer Republik den größten Teil der Gemeindefusionen im von Preußen verwalteten Teil Thüringens aus.

41 Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1891, Nr. 23, S. 233-278.

42 Ebd., S. 234.

43 Ebd., S. 234.

44 Ebd., S. 235.

45 Preußische Gesetzsammlung 1927, Nr. 43, S. 211-214.

46 Ebd., S. 211.

47 Ebd., S. 213.

48 Ebd., S. 213.

Eingemeindungen während des Dritten Reiches

Während des Dritten Reiches erfolgte in allen Teilen Thüringens eine große Welle an Änderungen in den Gemeindegrenzen, wobei vor allem Flurstücke zwischen verschiedenen Kommunen wechselten. Ihre Grundlage bildete die Deutsche Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935, insbesondere die §§ 10, 15 Abs. 1 und 117.49

§ 10 regelte, dass der Reichsstatthalter auf Antrag Gemeindenamen ändern konnte und vor allem die Namen neugebildeter Kommunen festlegte.

§ 15 Abs. 1 lautete: „Der Reichsstatthalter spricht nach Anhörung der Gemeinde die Änderung des Gemeindegebiets aus. Gleichzeitig bestimmt er den Tag der Rechtswirksamkeit und regelt, soweit erforderlich, die Rechtsnachfolge, das Ortsrecht und die neue Verwaltung.“50

Begrenzt wurde die Willkür des Reichsstatthalters durch § 117. Dieser wandelte das bisher in Preußen geltende Prinzip des Protestes im Instanzenzug mit Letztentscheid des Staatsministeriums in einen Gnadenakt des Innenministers um. Dieser durfte im Einzelfall anordnen, dass statt des Reichsstatthalters die von §§ 9, 10, 11 und 15 geforderten Regelungen „auf nachgeordnete Behörden übertragen“51 werden, die Entscheidung also den Bezirken, Kreisen oder Gemeinden selbst zustand. Ferner hatte der Reichsstatthalter bei seinem Vorgehen die Genehmigung des jeweiligen Gauleiters – sofern er diese Funktion nicht selbst ausfüllte – einzuholen. Konnten sich beide nicht einigen, übernahm erneut der Innenminister die Funktion des Staatsministeriums und entschied endgültig.

49 Reichsgesetzblatt 1935, Nr. 6, S. 49-64.

50 Ebd., S. 50.

51 Ebd., S. 64.

Kreisgliederung des Freistaats Thüringen ab 1922

Die mit dem Kreiseinteilungsgesetz 1922 geschaffene Kreisstruktur Kleinthüringens erinnert bereits vielfach an die heutige. Insgesamt bestanden 15 Landkreise und eine Kreisabteilung, die jeweils nach ihrem Kreissitz benannt waren, wobei acht Kreisstädte eigene Stadtkreise bildeten. Hinzu traten das vom Landkreis Weimar umgebende Apolda sowie, ab dem 5. April 1924, das bis dato im Landkreis Meiningen gelegene Zella-Mehlis. Einen Sonderfall bildete Jena, das vom Landkreis Stadtroda umgeben war, der aber ursprünglich Jena-Roda hieß.52

Die Verteilung der weimarzeitlichen Landkreise auf die heutigen Landkreise entspricht als grobe Merkhilfe, nicht als komplette Aufzählung (Landkreise, deren Kreisstädte zugleich Stadtkreise waren, sind unterstrichen):

Altenburg → Altenburger Land

Arnstadt → Ilm-Kreis

Camburg (Kreisabteilung) → Saale-Holzland-Kreis, Weimarer Land, Burgenlandkreis

Eisenach → Wartburgkreis, teilw. Schmalkalden-Meiningen

Gera → Gera, Greiz, Saale-Orla-Kreis, teilw. Altenburger Land, Zwickau

Gotha → Gotha, teilw. Erfurt, Schmalkalden-Meiningen, Unstrut-Hainich-Kreis, Wartburgkreis

Greiz → Greiz

Hildburghausen → Hildburghausen

Meiningen → Schmalkalden-Meiningen, teilw. Wartburgkreis, Rhön-Grabfeld

Rudolstadt → Saalfeld-Rudolstadt, teilw. Sonneberg

Saalfeld → Saalfeld-Rudolstadt, teilw. Saale-Orla-Kreis, Sonneberg Schleiz → Saale-Orla-Kreis

Sondershausen → Kyffhäuserkreis, teilw. Unstrut-Hainich-Kreis Sonneberg → Sonneberg

Stadtroda → Saale-Holzland-Kreis, teilw. Jena

Weimar → Weimarer Land, Sömmerda, teilw. Erfurt, Kyffhäuserkreis, Weimar, Mansfeld-Südharz

52 Die beste Übersicht über die territoriale Entwicklung der thüringischen Kreise und Stadtkreise/kreisfreien Städte von 1922 bis 1998 bietet BOBLENZ: Stadt- und Landkreise 1920 bis 1998.

Kreiseinteilung des preußischen Thüringens

Anders als in Kleinthüringen war im zum preußischen Staat gehörenden Teil Thüringens eine grundlegende Kreisgebietsreform zunächst unnötig. Dafür stellt sich hier stets die Frage, wie weit Thüringen nach Preußen hineinreicht. Für das vorliegende Verzeichnis wurde die in der Schriftenreihe zur Geschichte des Parlamentarismus in Thüringen benutzte Definition verwendet. Demnach zählten zum preußischen Thüringen:53

Regierungsbezirk Erfurt, Provinz Sachsen:

Erfurt → Sömmerda, Erfurt, teilw. Gotha, Ilm-Kreis

Grafschaft Hohenstein (mit Stadtkreis Nordhausen) → Nordhausen, teilw. Eichsfeld, Kyffhäuserkreis, Göttingen, Harz

Heiligenstadt → Eichsfeld

Langensalza → Unstrut-Hainich-Kreis

Mühlhausen → Unstrut-Hainich-Kreis, Eichsfeld, teilw. Wartburgkreis Schleusingen → Hildburghausen, Schmalkalden-Meiningen, Suhl

Weißensee → Sömmerda, teilw. Kyffhäuserkreis, Unstrut-Hainich-Kreis

Worbis → Eichsfeld

Ziegenrück → Saale-Orla-Kreis, teilw. Saalfeld-Rudolstadt

Regierungsbezirk Kassel, Provinz Hessen-Nassau:

Herrschaft Schmalkalden → Schmalkalden-Meiningen

Regierungsbezirk Hildesheim, Provinz Hannover:

Ilfeld → Nordhausen, Harz

Regierungsbezirk Merseburg, Provinz Sachsen:

Eckartsberga → Kyffhäuserkreis, Sömmerda, Burgenlandkreis

Naumburg → Burgenlandkreis

Querfurt → Burgenlandkreis, Saalekreis

Sangerhausen → Kyffhäuserkreis, Nordhausen, Mansfeld-Südharz

Weißenfels → Burgenlandkreis, teilw. Saale-Holzland-Kreis

Zeitz → Burgenlandkreis, teilw. Altenburger Land, Saale-Holzland-Kreis

Gleichwohl nahm auch Preußen zum 1. Oktober 1932 eine größere Kreisgebietsreform vor, die Thüringen in den folgenden Punkten betraf:54

Der Landkreis Erfurt wurde in den Landkreis Weißensee eingegliedert.

Der Landkreis Naumburg wurde in den Landkreis Weißenfels eingegliedert.

Der Landkreis Ilfeld wurde auf die Landkreise Grafschaft Hohenstein und Wernigerode (Letzterer im Regierungsbezirk Magdeburg) aufgeteilt.

Der Landkreis Schmalkalden wurde dem Regierungsbezirk Erfurt zugeordnet und dort mit dem Landkreis Schleusingen zum Landkreis Suhl zusammengefasst.

Es fand eine Grenzkorrektur zwischen den Landkreisen Grafschaft Hohenstein und Worbis statt, wobei Hohenstein den „Gebietsausschluß […] Epschenrode“ erhielt.

53 Vgl. BOBLENZ, Frank: Abriß der Territorialgeschichte des preußischen Thüringen, in: THÜRINGER LANDTAG (Hrsg.): Das preußische Thüringen – Abhandlungen zur Geschichte seiner Volksvertretungen (= Schriften zur Geschichte des Parlamentarismus in Thüringen, 17), Rudolstadt, Jena 2001, S. 9-46, bes. S. 45.

54 Preußische Gesetzsammlung 1932, Nr. 43, S. 255-273, hier: S. 258 f.

Reuß (Volksstaat)

Gera

Gera gehörte zu Reuß jüngerer Linie und bildet heute eine kreisfreie Stadt.

Leumnitz (RjL) wurde zum 1. Januar 1919 nach Gera eingemeindet (Gbl. RjL 1916/19, Nr. 894, S. 117). Zu Leumnitz siehe auch den Eintrag zu Gera im Kapitel Gera (Stadt und Land).

Lusan (RjL) wurde zum 1. Januar 1919 nach Gera eingemeindet (Gbl. RjL 1916/19, Nr. 894, S. 117). Zum 1. April 1939 erhielt der Ortsteil Lusan ein Flurstückteil von Oberröppisch (RjL) (ANTh I 1939, Nr. 15, S. 54), ebenso zum 1. April 1942 (ANTh I 1942, Nr. 7, S. 39). Oberröppisch gehört heute zum Stadtteil Röppisch von Gera.

Milbitz (RjL) wurde zum 1. Januar 1919 nach Gera eingemeindet (Gbl. RjL 1916/19, Nr. 894, S. 117).

Oberröppisch (RjL) wurde zum 1. Januar 1919 nach Gera eingemeindet (Gbl. RjL 1916/19, Nr. 894, S. 117) und zum 1. April 1925 wieder ausgemeindet, womit eine Umordnung in den Landkreis Gera verbunden war (Gbl. Thüringen 1925, Nr. 8, S. 27). Zur Gebietsabtretung an den geraischen Ortsteil Lusan vom 1. April 1939 und 1 April 1942 sowie an den geraischen Ortsteil Unterröppisch vom 1. April 1942 siehe die dortigen Einträge. Zum 1. Oktober 1940 trat Oberröppisch 4,98 a an einen unbestimmten Teil von Gera ab (ANTh I 1940, Nr. 44, S. 24). Oberröppisch gehört heute zum Ortsteil Röppisch von Gera.

Pforten (RjL) wurde zum 1. Januar 1919 nach Gera eingemeindet (Gbl. RjL 1916/19, Nr. 894, S. 117).

Rubitz (RjL) wurde zum 1. Januar 1919 nach Gera eingemeindet (Gbl. RjL 1916/19, Nr. 894, S. 117).

Thieschitz (RjL) wurde zum 1. Januar 1919 nach Gera eingemeindet (Gbl. RjL 1916/19, Nr. 894, S. 117).

Tinz (RjL) wurde zum 1. Januar 1919 nach Gera eingemeindet (Gbl. RjL 1916/19, Nr. 894, S. 117). Zu Tinz siehe auch den Eintrag zu Gera im Kapitel Gera (Stadt und Land).

Untermhaus (RjL) wurde zum 1. Januar 1919 nach Gera eingemeindet (Gbl. RjL 1916/19, Nr. 894, S. 117).

Zwötzen (RjL) wurde zum 1. Januar 1919 nach Gera eingemeindet (Gbl. RjL 1916/19, Nr. 894, S. 117). Zum 1. April 1941 trat es Territorium an Taubenpreskeln (Sachsen) ab, wofür Gera im Gegenzug Gebiet von Taubenpreskeln erhielt, von dem allerdings nicht klar ist, ob es an Zwötzen kam (ANTh I 1940, Nr. 56, S. 316). Taubenpreskeln bildet heute einen Stadtteil von Gera.

Greiz

Greiz gehörte zu Reuß älterer Linie und ist heute Kreisstadt des Landkreises Greiz.

Mit Wirkung zum 18. Januar 1919 (in steuerlicher Hinsicht zum 1. April 1919) erging für die eben noch fürstlichen Hauptstadt die Verordnung: „Folgende bisher einem Gemeindebezirk nicht überwiesene Grundbesitzungen: Die neue Burg, das Lyzeum, das Obergreizer Schloß nebst Schloßberg, der Obergreizer Lustgarten mit Palais, Küchengebäude und Gewächshaus, der Marstall und Untergreizer Lustgarten werden mit ihren Bewohnern dem Bezirk der Stadtgemeinde Greiz überwiesen.“ (Gbl. RäL 1919, Nr. 3, S. 43).

Triebes

Triebes gehörte zu Reuß jüngerer Linie und bildet heute einen Ortsteil von Zeulenroda-Triebes im Landkreis Greiz.

Weißendorf (RjL) wurde im Rahmen des „Gesetzes über die Vereinigung der beiden Freistaaten Reuß zu einem Volksstaat Reuß, sowie über die vorläufige Verfassung und Verwaltung“ nach Triebes eingemeindet und zum 1. April 1925 wieder ausgemeindet (Gbl. Thüringen 1925, Nr. 8, S. 27). Weißendorf liegt heute im Landkreis Greiz.

Ebenfalls im Rahmen des Reußischen Vereinigungsgesetzes wurde die Aufteilung Niederböhmersdorfs (RjL) auf Triebes und Zeulenroda bestimmt: „Der Stadt Triebes werden die Orte Weißendorf und Niederböhmersdorf zugeteilt. Zuvor werden von Niederböhmersdorf abgetrennt und nach Zeulenroda zugeteilt diejenigen Flurteile, die im engsten und industriellen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit Zeulenroda stehen, namentlich ist gemeint der Teil der Flur Niederböhmersdorf, der von Zeulenroda rechts der Staatsstraße Zeulenroda-Greiz gelegen ist. Die genaue Festlegung wird dem Staatsrat übertragen. Das vorhandene bare Gemeindevermögen ist je zur Hälfte der Stadt Zeulenroda und der Stadt Triebes zu überweisen.“ Bei der Ausgemeindung Niederböhmersdorfs zum 1. April 1925 (Gbl. Thüringen 1925, Nr. 8, S. 27) gab Triebes sein komplettes Teilstück ab, Zeulenroda dagegen nur jene „mit Zeulenroda vereinigten Teile der Flur Niederböhmersdorf, soweit sie rechts der Staatsstraße von Zeulenroda nach Greiz liegen und mit der Flur Niederböhmersdorf zusammenhängen“. Niederböhmersdorf bildet heute einen Ortsteil von Zeulenroda-Triebes.

Zeulenroda

Zeulenroda gehörte zu Reuß älterer Linie und liegt als Zeulenroda-Triebes heute im Landkreis Greiz.

Kleinwolschendorf (RjL) wurde zum 1. August 1919 nach Zeulenroda eingemeindet (Gbl. Reuß 1919, Nr. 26) und zum 1. April 1925 wieder ausgemeindet (Gbl. Thüringen 1925, Nr. 8, S. 27). Kleinwolschendorf bildet heute einen Ortsteil von Zeulenroda-Triebes.

Langenwolschendorf (RjL) wurde zum 1. August 1919 nach Zeulenroda eingemeindet (Gbl. Reuß 1919, Nr. 26) und zum 1. April 1925 wieder ausgemeindet (Gbl. Thüringen 1925, Nr. 8, S. 27). Langenwolschendorf liegt heute im Landkreis Greiz.

Leitlitz wurde zum 1. August 1919 nach Zeulenroda eingemeindet (Gbl. Reuß 1919, Nr. 26) und zum 1. April 1925 wieder ausgemeindet (Gbl. Thüringen 1925, Nr. 8, S. 27). Leitlitz bildet heute einen Ortsteil von Zeulenroda-Triebes.

Pahren (RjL) wurde zum 1. August 1919 nach Zeulenroda eingemeindet (Gbl. Reuß 1919, Nr. 26) und zum 1. April 1925 wieder ausgemeindet (Gbl. Thüringen 1925, Nr. 8, S. 27). Pahren bildet heute einen Ortsteil von Zeulenroda-Triebes.

Weckersdorf (RjL) wurde zum 1. August 1919 nach Zeulenroda eingemeindet (Gbl. Reuß 1919, Nr. 26) und zum 1. April 1925 wieder ausgemeindet (Gbl. Thüringen 1925, Nr. 8, S. 27). Weckersdorf bildet heute einen Ortsteil von Zeulenroda-Triebes.

Die Eingemeindung dieser Orte wurde im „Gesetz über die Vereinigung der beiden Freistaaten Reuß zu einem Volksstaat Reuß, sowie über die vorläufige Verfassung und Verwaltung“ angeordnet und in einer entsprechenden Verordnung weiter ausgeführt. Durch das Vereinigungsgesetz sollten auch Teile Niederböhmersdorfs an Zeulenroda kommen. Siehe dazu sowie den dauerhaft bei Zeulenroda verbliebenen niederböhmersdorf‘schen Flurstücken Triebes.

Sachsen-Gotha

Gräfenroda

Zum 15. März 1919 wurde Dörrberg (SG) nach Gräfenroda (SG) eingemeindet.55 Gräfenroda ist heute ein Ortsteil der Landgemeinde Geratal im Im-Kreis.

Zella-Mehlis

Zum 1. April 1919 wurden die Städte Zella St. Blasii und Mehlis (beide SG) zur Stadt Zella-Mehlis vereinigt, welche damit den Rang einer kreisfreien Stadt erhielt (Gbl. Gotha 1919, Nr. 9).

55 Die Eingemeindung hat keinen Niederschlag in der Gesetzsammlung des Staates Gotha gefunden. Der entsprechende, vom Rat der Volksbeauftragten wie vom Staatsministerium unterzeichnete Beschluss mit den entsprechenden Daten, ist jedoch als Photokopie abgedruckt in EHRHARDT; GRAN; GRESSLER: Gräfenroda und Dörrberg, S. 105-107.

Schwarzburg-Rudolstadt

Am 7. März 1919 wurde das Gesetz betreffend die Gutsbezirke beschlossen, demzufolge die Gutsbezirke bis spätestens zum 31. März 1921 einer benachbarten Gemeinde anzugliedern waren. Gegebenenfalls durfte ein Gutsbezirk auch in eine eigene Gemeinde umgewandelt werden (Gbl. Schwarzburg-Rudolstadt 1919, 4. Stück, S. 39). Am 20. Januar 1921 wurde diese Frist auf den 31. März 1922 verlängert (Gbl. Schwarzburg-Rudolstadt 1921, 3. Stück, S. 23).

Schwarzburg-Sondershausen

Am 3. April 1919 beschloss Schwarzburg-Sondershausen ebenfalls ein Gesetz über Aufhebung der Gutsbezirke. Demnach wurden die Schlossbezirke unmittelbar der sie jeweils umgebenden Gemeinde zugeordnet. Die Gutsbezirke hatten einer benachbarten Gemeinde beizutreten, wozu sie bis zu drei Jahre Zeit erhielten (Gbl. Schwarzburg-Sondershausen 1919, 8. Stück, S. 77).

Vereinigung Ruhlas

Mit der Verschmelzung der acht Einzelstaaten zu einem Land Thüringen konnte auch mehrere bislang geteilte Orte vereint werden. Der größte unter ihnen war Ruhla, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus einer Stadt gothaischen und einer Stadt weimarischen Anteils gehörte.

Die Vereinigung Ruhlas hat in besonderem Maße Niederschlag in den Gesetzsammlungen gefunden, weil der Bevölkerung die Wahl gelassen wurde, ob sie künftig zum III. Verwaltungsbezirk Eisenach (SWE) oder zum Landratsamtsbezirk Waltershausen (SG) gehören wollte. Eine entsprechende Volksabstimmung wurde am 29. Juli 1920 für den 3. Oktober 1920 festgesetzt (Gbl. Thüringen 1920, Nr. 19, S. 176) und endete mit 1587 gegen 834 Stimmen (65,6 % gegen 34,4 %) für Eisenach (Gbl. Thüringen 1920, Nr. 27, S. 242). Die tatsächliche Vereinigung erfolgte zum 1. April 1921 (Gbl. Thüringen 1921, Nr. 13, S. 80).

Der Entscheidung vom 3. Oktober 1920 verdankt Ruhla seine heutige Zugehörigkeit zum Wartburgkreis.

Altenburg (Stadt und Land)

Altenburg

Die Stadt Altenburg gehörte zu Sachsen-Altenburg und ist heute Kreisstadt des Landkreises Altenburger Land.

Altendorf (S-A) wurde zum 1. Oktober 1922 dem Stadtkreis Altenburg zugeordnet (II) und zum 1. August 1924 wieder ausgemeindet, was mit einer Umordnung in den Landkreis Altenburg verbunden war (NGV V). Zur weiteren Entwicklung siehe Kosma.

Drescha (S-A) wurde zum 1. Oktober 1922 dem Stadtkreis Altenburg zugeordnet (II).

Kauerndorf (S-A) wurde zum 1. Oktober 1922 dem Stadtkreis Altenburg zugeordnet (II).

Knau (S-A) wurde zum 1. Oktober 1922 dem Stadtkreis Altenburg zugeordnet (II) und zum 1. August 1924 wieder ausgemeindet, was mit einer Umordnung in den Landkreis Altenburg verbunden war (NGV V). Zur weiteren Entwicklung siehe Knau.

Kosma (S-A) wurde zum 1. Oktober 1922 dem Stadtkreis Altenburg zugeordnet (II) und zum 1. August 1924 wieder ausgemeindet, was mit einer Umordnung in den Landkreis Altenburg verbunden war (NGV V). Kosma gehört heute zum Ortsteil Kosma von Altenburg.

Poschwitz (S-A) wurde, einem undatierten Befehl des Reichsstatthalters in Thüringen folgend, zum 1. Oktober 1938 nach Altenburg eingemeindet (ANTh I 1938, Nr. 67, S. 309).

Rasephas (S-A) wurde zum 1. Oktober 1922 dem Stadtkreis Altenburg zugeordnet (II).

Steinwitz (S-A) wurde zum 1. Oktober 1922 dem Stadtkreis Altenburg zugeordnet (II) und zum 1. August 1924 wieder ausgemeindet, was mit einer Umordnung in den Landkreis Altenburg verbunden war (NGV V). Steinwitz bildet heute wieder einen Ortsteil von Altenburg.

Zschernitzsch56 (S-A) wurde zum 1. Oktober 1922 dem Stadtkreis Altenburg zugeordnet (II).

Flurstücke:

Zum 1. Oktober 1938 traten, einem undatierten Befehl des Reichsstatthalters in Thüringen folgend, Knau, Remsa und Windischleuba (alle S-A) Flurstücke an Altenburg ab, die damit vom Land- in den Stadtkreis wechselten (ANTh I 1938, Nr. 67, S. 309). Knau gehört heute zum Ortsteil Zetzscha von Altenburg, Remsa bildet einen Ortsteil von Windischleuba, das als selbständige Gemeinde im Landkreis Altenburger Land liegt.

Bocka-Pöppschen

Die Gemeinde Bocka-Pöppschen entstand zum 1. Oktober 1923 durch Zusammenschluss von Bocka und Pöppschen (beide S-A) (XIII). Sie wurde zum 1. August 1924 wieder in die beiden Ursprungsgemeinden aufgelöst (NGV VI). Zum 1. April 1928 wurde der bis dahin sächsische Teil Bockas mit dem sachsen-altenburgischen Teil vereinigt (Gbl. Thüringen 1928, Nr. 6, S. 33; Reichsgesetzblatt 1928 I, Nr. 14, S. 116). Bocka liegt heute im Landkreis Greiz, Pöppschen bildet einen Ortsteil von Windischleuba im Landkreis Altenburger Land.

Brandrübel

Brandrübel (S-A) bildet heute einen Ortsteil von Schmölln im Landkreis Altenburger Land.

Zum 1. April 1928 trat Heyersdorf (Sachsen) Gebiete an Brandrübel ab (Gbl. Thüringen 1928, Nr. 6, S. 33; Reichsgesetzblatt 1928 I, Nr. 14, S. 116). Heyersdorf liegt heute im Landkreis Altenburger Land.

Ebenfalls zum 1. April 1928 trat Obergrünberg (Sachsen) Gebiete an Brandrübel ab (Gbl. Thüringen 1928, Nr. 6, S. 33; Reichsgesetzblatt 1928 I, Nr. 14, S. 116). Obergrünberg bildet heute zusammen mit Niedergrünberg (Sachsen) den Ortsteil Grünberg von Ponitz im Landkreis Altenburger Land.

Burkersdorf

Zum 1. Oktober 1923 wurde Löpitz nach Burkersdorf (beide S-A) eingemeindet (XIII). Burkersdorf bildet heute einen Ortsteil von Nobitz im Landkreis Altenburger Land.

Dobitschen

Dobitschen gehörte zu Sachsen-Altenburg und liegt heute im Landkreis Altenburger Land.

Pontewitz (S-A) wurde zum 1. Oktober 1923 nach Dobitschen eingemeindet (XIII) und zum 1. August 1924 wieder ausgemeindet (NGV IV). Pontewitz bildet heute wieder einen Ortsteil von Dobitschen.

Rolika (S-A) wurde zum 1. Oktober 1923 nach Dobitschen eingemeindet (XIII) und zum 1. August 1924 wieder ausgemeindet (NGV IV). Rolika bildet heute wieder einen Ortsteil von Dobitschen.

Dobra

Dobra gehörte zu Sachsen-Altenburg und bildet heute einen Ortsteil von Schmölln im Landkreis Altenburger Land.

Hartroda (S-A) wurde zum 1. Oktober 1923 nach Dobra eingemeindet (XIII) und zum 16. Juni 1924 wieder ausgemeindet (NGV III). Hartroda bildet heute einen Ortsteil von Schmölln im Landkreis Altenburger Land.