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Vincent ist 14. Still, schlau, zerrissen. Als er auf eine vermeintlich harmlose Nachricht im Netz reagiert, beginnt eine Kette digitaler Entscheidungen – mit realen Folgen: für ihn, für seine Familie, für Menschen, die ihm einst nahestanden. Aus Klicks werden Anschuldigungen, aus Missverständnissen werden Abstürze. Und aus Stille wird ein Abgrund. "Vincent" ist ein Cyber-Bildungsroman, der aufrüttelt. Ein Roman über Vertrauen, Verrat und die stillen Gefahren der vernetzten Welt – erzählt aus der Mitte des Familienlebens, zwischen WhatsApp-Nachrichten, Verhören, forensischen Laboren und flackernden Bildschirmen. Realistisch. Intensiv. Und verstörend nah. Genre: Cyber-Bildungsroman – ein emotionaler Roman mit gesellschaftlicher Relevanz. Für Jugendliche, Eltern, Jungunternehmer und alle, die Cybersicherheit für ein IT-Problem halten.
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Seitenzahl: 234
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Michael Bätscher
VINCENT
Cyber-Bildungsroman
Aus der Reihe „IT für nicht IT-ler“
Donnerstagabende waren bei Vincent immer gleich. Die Woche neigte sich dem Ende zu, die Schule war geschafft, und er konnte endlich ohne schlechtes Gewissen an die Xbox. Heute war es nicht anders. Vincent lag quer auf der Couch in seinem Zimmer, der Controller in den Händen, die Kopfhörer fest auf den Ohren. Auf dem Bildschirm flimmerte Fortnite. Der Battle-Bus flog über die Karte, und Vincent war bereit, sein Bestes zu geben. Doch eine Sache ließ ihn immer wieder nervös werden: EpicGirl11. Sie war eine Legende in der Fortnite-Community. Schnell, geschickt, gnadenlos – und immer mit einem coolen Spruch auf den Lippen.
Heute Abend war sie wieder in seiner Lobby. Vincent wusste das, weil er bereits zwei Runden gegen sie verloren hatte. Er hörte ihre Stimme in der Runde, selbstbewusst und ein wenig frech. „Nicht schlecht, Kleiner, aber probier's nochmal“, hatte sie gesagt, als sie ihn zuletzt mit einem perfekt gezielten Schuss aus dem Spiel geworfen hatte.
Plötzlich poppte eine Benachrichtigung auf dem Bildschirm auf:
„EpicGirl11 hat dir eine Freundschaftsanfrage gesendet.“
Vincent stockte der Atem. Eine Freundschaftsanfrage? Von IHR? Das konnte nicht wahr sein! Mit leicht zittrigen Händen klickte er auf die Anfrage und nahm sie an.
„Hey Vincent, nice to meet you,“ schrieb EpicGirl11 sofort im Chat. Vincent konnte es kaum glauben. Sie wusste seinen Namen!
Im Wohnzimmer saß sein Vater, Robert, auf der Couch. Der Fernseher lief, ein Fußballspiel flimmerte über den Bildschirm, aber Robert schaute nur gelegentlich hoch. Die meiste Zeit scrollte er durch sein Handy.
Er murmelte genervt. „Schon wieder dieser Mist mit der Zwei-Faktor-Authentifizierung. Ich will doch nur kurz was bestellen, aber nein, erst kommt die SMS, dann der Code … als ob jemand mein Konto hacken würde. Diese Banker, die denken wohl, ich hätte nichts Besseres zu tun.“
Vincent hörte ihn nicht. Er war zu vertieft in den Chat mit EpicGirl11. Sie fragte ihn nach seinen Lieblingsspielen, seinen Highscores, seinen Taktiken. Es war, als würde er mit einem Superstar reden.
Es war fast 21 Uhr, als Simones Auto in die Einfahrt rollte. Sie war müde, wie immer nach einem langen Arbeitstag in der Apotheke. Simone betrat das Haus, grüßte Robert, der ihr nur kurz zunickte, und ging in die Küche, um sich einen Tee zu machen.
„Ist alles ruhig hier?“ fragte sie, während sie den Wasserkocher einschaltete. „Wie immer,“ antwortete Robert, ohne den Blick von seinem Handy zu nehmen.
Vincent war in seinem Zimmer und bemerkte nicht einmal, dass seine Mutter nach Hause gekommen war. EpicGirl11 hatte ihm gerade ein Angebot gemacht:
„Hast du Lust, Samstagabend mit mir im Duo zu spielen? Ich zeig dir ein paar Tricks.“
Das war der Moment, in dem Vincent seine Eltern hätte Fragen sollen. Doch er entschied sich dagegen. Es war ja nur ein Spiel. Harmlos. Oder?
Vincent hatte schon gehört, dass man keine Freundschaftsanfragen von Fremden annehmen sollte. Aber EpicGirl11 war doch keine Fremde, oder? Sie war eine Legende. Und sie hatte ihn ausgewählt. Auch in der Schule wurde das Thema von der Klassenlehrerin einmal thematisiert. Daran mochte sich Vincent aber nur noch vage erinnern. Warum auch, schließlich war er mit Technik aufgewachsen – er kannte sich doch aus.
An diesem Abend schlief Vincent später ein als üblich. Die Gedanken an EpicGirl11 und ihre Einladung ließen ihn nicht los. Währenddessen saß sein Vater noch immer auf der Couch, scrollte durch Social Media und klickte auf einen Link zu einem Gewinnspiel.
Eine normale Familie, „keine Cyberhelden“.
Simone saß in der Küche, ihre Gedanken bei den Kunden der Apotheke und den Lieferengpässen, mit denen sie jeden Tag zu kämpfen hatte. Keiner von ihnen ahnte, dass dieser harmlose Donnerstagabend eine Verkettung von Ereignissen auslösen würde, die ihre Familie für immer verändern sollte.
Der Schulhof war laut wie immer. Gruppen von Schülern standen beisammen, lachten, tauschten Neuigkeiten aus oder rannten lärmend über die grauen Pflastersteine. Vincent hielt sich an seinem gewohnten Platz auf, nahe der Tischtennisplatten, wo er und seine Freunde sich regelmäßig versammelten. Heute war etwas anders. Heute hatte Vincent etwas zu verkünden.
„Also, Leute,“ begann er und zog die Aufmerksamkeit seiner Freunde auf sich. Sein Herz schlug schneller, aber er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. „Ihr werdet es nicht glauben, aber ich habe gestern eine Freundschaftsanfrage von EpicGirl11 bekommen. Und wisst ihr was? Wir zocken morgen Abend im Duo zusammen!“
Ein erstauntes Murmeln ging durch die Runde. Marco, der selbst ernannte Fortnite-Experte der Gruppe, starrte ihn mit offenem Mund an. „Von DER EpicGirl11? Die echte? Kein Fake-Account?“
„Die echte,“ sagte Vincent stolz. „Wir haben gestern schon gechattet. Sie hat sogar Tricks angeboten.“
Plötzlich wollte jeder etwas sagen. Luca fragte, ob er mitspielen dürfe, und Jonas wollte wissen, wie EpicGirl11 im Chat so drauf sei. „Total cool,“ sagte Vincent. „Und echt nett. Nicht so arrogant, wie manche denken.“
In diesem Moment fühlte sich Vincent wie ein Held. Endlich hatte er etwas, das ihn von den anderen abhob. Doch inmitten des Jubels seiner Freunde schlich sich ein Gedanke ein: Würde EpicGirl11 tatsächlich mit ihm Duo spielen? Oder war das alles zu schön, um wahr zu sein?
Und dann noch der Kommentar von Luis. „Alter, von der wirst du bestimmt nur abgezogen! Als nächstes erwartet sie von dir ein Geschenk, tausend V-Bucks um weiterhin mit ihr spiele zu dürfen oder so.“ Was, wenn EpicGirl11 nicht das war, was sie zu sein schien? Was, wenn hinter ihrem coolen Auftreten etwas anderes steckte? Vincent schüttelte den Gedanken ab. War es nur der Neid von Luis?
Als die Schulglocke läutete und die Klasse in den Unterricht zurückkehrte, hatte Vincent kaum noch Augen für den Lehrer. Seine Gedanken kreisten nur um das Duo-Match. Doch in einer ruhigen Minute – während Herr Behrendt an der Tafel eine Rechenaufgabe erklärte – drifteten Vincents Gedanken zu Hause ab. Zu seinen Eltern.
Sein Vater verstand nichts vom Zocken. Wenn überhaupt, dann beschwerte er sich darüber, dass die Technik „immer komplizierter“ werde. Für Robert war alles, was mit Technik zu tun hatte, ein notwendiges Übel. Smartphones, Laptops, sogar die Kaffeemaschine – alles war zu kompliziert und nervte ihn. „Früher hat man einfach den Stecker reingesteckt, und es hat funktioniert. Heute braucht man einen Hochschulabschluss, nur um den Fernseher einzuschalten,“ hatte er einmal gesagt.
Und seine Mutter? Simone war freundlich und interessiert, aber sie stellte immer die falschen Fragen. „Hast du deine Hausaufgaben gemacht?“ oder „Bist du sicher, dass du das so lange spielen solltest?“ Sie verstand einfach nicht, dass Gaming mehr war als nur Zeitvertreib. Es war eine Welt für sich, mit Freunden, Strategien und Erfolgen, die nichts mit Schule oder Hausaufgaben zu tun hatten.
Manchmal wünschte sich Vincent, dass sie alle einfach aufhören würden, ihn zu kontrollieren. Warum mussten Erwachsene alles hinterfragen? War es nicht genug, dass er in der Schule brav war und gute Noten schrieb? Mussten sie ihm wirklich auch noch vorschreiben, wie er seine Freizeit verbrachte?
Als Vincent an diesem Nachmittag nach Hause kam, lag die gleiche Distanz in der Luft. Sein Vater saß im Wohnzimmer, wieder einmal mit dem Handy in der Hand. „Na, wie war die Schule?“ fragte er, ohne aufzusehen.
„Ganz okay,“ antwortete Vincent knapp und verschwand in seinem Zimmer. Dort war er wenigstens ungestört. Hier konnte er der Held seiner eigenen Welt sein. Er war nicht der schüchterne Junge aus der 8b, nicht der Sohn, der den Müll rausbringen musste, sondern Vincent, der Gamer. Und morgen Abend würde er endlich beweisen, dass er mehr war als nur irgendein Spieler. Morgen Abend würde er an der Seite von EpicGirl11 stehen.
Er setzte sich an die Xbox und startete das Spiel. Der Battle-Bus wartete. Doch tief in seinem Inneren wusste er, dass es nicht nur um das Spiel ging. Es ging darum, jemand zu sein – jemand Besonderes – in einer Welt, die ihn oft einfach übersah.
Er lehnte sich in seinen Gaming-Stuhl zurück und ließ seinen Blick über das Zimmer schweifen. Sein Reich. Poster an den Wänden, die Konsole, der Bildschirm, der schwach im Dunkeln leuchtete. Hier war alles so, wie er es wollte. Hier hatte niemand Erwartungen an ihn. Draußen, in der echten Welt, war das anders.
In der Schule musste er gute Noten schreiben. Zu Hause sollte er helfen. Freunde hatten ihre eigenen Vorstellungen davon, wie man cool sein musste.
Und dann gab es noch seine Eltern. Sie wollten immer das Beste für ihn – aber was war das Beste? Sein Vater verstand ihn nicht, das war klar. „Mach doch mal was Richtiges.“ Das bedeutete für ihn: Sport, Fußball, Bewegung. Doch Vincent war kein Sportler. Er war auch kein Klassenclown, kein Draufgänger. Er war einfach er. Seine Mutter sah ihn schon eher, versuchte ihn zu verstehen. Aber es fühlte sich oft so an, als wäre er für sie eine Checkliste. „Hausaufgaben gemacht?“ – „Wie war die Schule?“ – „Geh doch mal raus.“
Vincent wusste, dass sie es gut meinte. Aber gut gemeint ist nicht immer gut verstanden. Er drehte die Musik lauter und dachte nur: „Du verstehst mich nicht“.
Denn manchmal war es, als würde niemand wirklich nachfragen, wer er war.
In der Welt seiner Eltern war es einfach: Man hatte Pflichten, man tat, was getan werden musste. Aber in seiner Welt? In seiner Welt war alles kompliziert. Wer sollte er sein? Wer wollte er sein?
Vincent zog die Knie an die Brust und starrte in den dunklen Bildschirm. Vielleicht war er nur dann wirklich jemand, wenn er spielte. Wenn er kämpfte, gewann, sich bewies. Vielleicht war das der einzige Ort, an dem er wirklich gesehen wurde.
Er ging in sein Bett, die Kopfhörer noch auf den Ohren, und starrte an die Decke. Er wusste, dass seine Eltern ihn liebten. Aber manchmal, in den stillen Momenten, fragte er sich, ob sie ihn wirklich kannten.
Er drehte sich auf die Seite, zog die Decke über sich und schloss die Augen. Morgen würde alles anders sein.
Oder vielleicht auch nicht?
Der Samstagmorgen begann wie gewohnt. Robert und Simone hatten beschlossen, gemeinsam auf den Wochenmarkt in der Innenstadt zu gehen, um frisches Obst, Gemüse und Fleisch für das Wochenende zu besorgen. Vincent war wie immer nicht interessiert und hatte sich in sein Zimmer zurückgezogen, wo er seinen Tag mit einer Runde Fortnite beginnen wollte.
Die Sonne schien schwach durch die Wolken, und der Markt war bereits gut besucht. Zwischen den Ständen mit bunten Auslagen drängten sich die Menschen, ein geschäftig-munteres Stimmengewirr lag in der Luft. Robert zog seine Jacke enger zu, während Simone sich freundlich bei einem Gemüsehändler nach der Qualität der Karotten erkundigte.
Am Stand des Metzgers, ihrem nächsten Ziel, standen sie in einer kleinen Schlange. Robert nahm sein Handy aus der Tasche, während er wartete, und scrollte durch die Nachrichten. „Schon wieder ein Artikel darüber, wie man Passwörter sicherer macht,“ murmelte er, als Simone ihm einen Blick zuwarf. „Was kommt als Nächstes? Einen Fingerabdruckscanner für den Toaster?“
Simone verdrehte die Augen. „Das wäre immerhin praktisch. Du vergisst ja sowieso immer deine Passwörter.“
Als sie an der Reihe waren, bestellte Robert mehrere Scheiben Rinderfilet. Der Metzger packte das Fleisch sorgfältig ein, und Robert zog seine EC-Karte hervor. Er hielt sie an das Kartenlesegerät, doch nichts geschah.
„Muss das Ding jetzt auch schon gestreichelt werden?“ brummte er und versuchte es erneut. Der Metzger warf ihm einen nachsichtigen Blick zu. „Vielleicht die PIN eingeben?“, schlug Simone vor.
„PIN? Ich habe doch keine PIN gebraucht beim letzten Mal,“ sagte Robert, während er in seiner Brieftasche nach der kleinen Notiz suchte, auf der er seine Zugangsdaten notiert hatte. Nach einigen Momenten des peinlichen Schweigens – die Schlange hinter ihnen wuchs stetig – klappte er seine Geldbörse wieder zu und zählte Barzahlung ab.
Als sie sich vom Stand entfernten, war Roberts Laune merklich gesunken. „Diese ganze Technik macht alles nur komplizierter. Früher hat man einfach bezahlt, ohne dass man ständig etwas eingeben oder scannen musste. Warum muss alles so umständlich sein?“
Simone seufzte leise. „Weil es um Sicherheit geht, Robert. Wenn jeder einfach so zahlen könnte, wäre das Chaos.“
„Ja, ja, Sicherheit,“ knurrte Robert. „Das sagen sie immer. Aber wer soll da noch durchsteigen? Ich bin Elektriker, kein IT-Fuzzi. Wenn das alles so toll ist, warum funktioniert es dann nicht einfach?“
Simone wusste, dass es keinen Sinn hatte, zu argumentieren. Robert war in solchen Dingen beratungsresistent. Für ihn war alles, was nach dem Jahr 2000 erfunden worden war, kompliziert und unnötig.
Während sie weiter über den Markt schlenderten, wanderte Simones Blick zu den Ständen. Sie dachte an Vincent. Wie oft hatte sie ihn mit seinem Handy oder am PC gesehen, tief versunken in irgendeinem Spiel oder Chat. Sie wusste, dass die digitale Welt für ihn genauso wichtig war wie die echte. Aber sie verstand sie nicht wirklich.
„Denkst du, Vincent weiß eigentlich, wie er sich online schützen kann?“ fragte sie plötzlich.
Robert lachte trocken. „Der weiß mehr über diese Spiele als ich über Stromkreise. Glaub mir, der kommt schon klar.“
Simone war sich nicht so sicher. Sie hatte einmal einen Bericht gelesen, in dem stand, dass Jugendliche oft wenig Ahnung von Datenschutz oder Sicherheitsvorkehrungen hätten. Sie klickten auf Links, akzeptierten Freundschaftsanfragen von Fremden und gaben mehr Informationen preis, als sie sollten.
„Vielleicht sollten wir mal mit ihm darüber reden,“ meinte sie zögerlich. „Nur um sicherzugehen, dass er weiß, worauf er achten muss.“
„Mit ihm reden, ja klar, lass uns ihm 'ne Vorlesung halten, das wird sicher super funktionieren...?“ Robert schnaubte. „Du weißt doch, wie er ist. Sobald wir anfangen, ihm etwas zu erklären, macht er die Augen zu und stellt auf Durchzug. Lass ihn doch einfach machen. Die lernen das schon in der Schule, oder nicht?“
Simone sagte nichts mehr. Als sie auf dem Heimweg waren, spürte sie ein leises Gefühl der Resignation. Sie wollte mehr für Vincent tun, wollte ihn besser verstehen. Doch sie wusste auch, dass sie alleine gegen Roberts Haltung und ihre eigene Unsicherheit ankämpfen musste. Und in diesem Moment fühlte sich das einfach zu groß an.
Vincent schob die Hausaufgaben beiseite, warf einen kurzen Blick auf die Uhr – 20:45. Perfekt. Noch fünfzehn Minuten, dann würde EpicGirl11 online sein. Die Anspannung wuchs. Bis jetzt hatte er sich auf die typischen Spielrunden in Fortnite konzentriert, in denen er entweder solo oder in zufälligen Teams spielte. Aber heute? Heute würde alles anders sein.
Er setzte das Headset auf und loggte sich ein. Seine Hände zitterten leicht, als er den Ladebildschirm abwartete. Ein kurzer Piepton signalisierte eine neue Einladung. "EpicGirl11 lädt dich in ein Duo ein." Die Nachricht blinkte auf, als wäre sie ein Signal für ein Abenteuer, das seinesgleichen suchte.
„Bereit?“ Ihre Stimme klang klar und selbstsicher über das Headset.
„Ja, klar,“ stotterte Vincent, während er sich gleichzeitig fragte, ob er wirklich bereit war.
Das Match startete, und sie sprangen über Tilted Towers ab – ein Ort, der berüchtigt für chaotische Gefechte war. Kaum gelandet, flogen die ersten Kugeln. EpicGirl11 war wie ein Wirbelwind, markierte Gegner, rief Strategien ins Mikro und navigierte Vincent durch das Labyrinth der Gebäude.
„Deck mich, ich hole die Kiste im Obergeschoss!“ rief sie. Vincent spähte durch die Fenster und schoss präzise auf zwei Gegner, die sich ihnen näherten.
„Nice, Vincent! Genau so macht man das!“ lobte sie.
Mit jedem Moment fühlte Vincent, wie seine Nervosität schwand und sein Selbstbewusstsein wuchs. Er und EpicGirl11 waren ein unschlagbares Team. Sie überlebten den Sturm in Lazy Lagoon, sammelten wertvolle Beute in Shattered Slabs, und bauten sich eine sichere Festung in den letzten Zonen der Karte.
Die Endrunde kam schneller, als Vincent erwartet hatte. Nur noch drei Teams waren übrig. Der Kreis zog sich enger, und sie waren in einer soliden Position. EpicGirl11 rief Kommandos wie ein General: „Links einbauen! Gegner auf 75 Grad! Ich flankiere!“
Vincent gehorchte, doch seine Finger waren schweißnass. Seine Baustruktur war wackeliger als er wollte, und als er eine Wand setzen wollte, drehte er sie versehentlich falsch herum.
„Vincent, was machst du?!“ rief EpicGirl11.
Zu spät. Ein Schuss peitschte durch die Öffnung, die er versehentlich geschaffen hatte, und riss ihm fast den gesamten Schild herunter. Panik stieg in ihm auf.
„Deckung, Deckung, Deckung!“ brüllte EpicGirl11. Doch Vincent erstarrte. Seine Hände wollten sich nicht mehr bewegen.
Plötzlich krachte ein Raketenwerfer in ihre Festung, und der Bildschirm flimmerte. War es das?
„Bleib ruhig! Ich habe dich!“ rief EpicGirl11, während sie einen Schutzwall um ihn baute und eine Heilgranate warf. Innerhalb von Sekunden hatte sie die Kontrolle über die Situation zurückgewonnen. Vincent atmete tief durch. Okay, Fokus. Mit einem wilden Manöver sprang EpicGirl11 aus der Deckung, landete einen Treffer auf den Gegner und schrie: „Letzter Gegner, auf 12 Uhr!“
Vincent wollte bauen, aber sein Material war aufgebraucht. Verdammt! Keine Zeit zum Nachdenken. Er riss die Waffe hoch und drückte ab. Kugeln fraßen sich in die feindliche Konstruktion, der Gegner fiel – und dann erschien es:
„Victory Royale!“
Für einen Moment konnte Vincent nicht glauben, dass es wirklich vorbei war. Sein Herz raste, seine Finger zitterten.
„Das war episch, Vincent!“ jubelte EpicGirl11. „Okay, fast ein Herzinfarkt zwischendurch, die Zone hätte uns fast erwischt – aber hey, so spielt man wie ein Profi!“
Und Sie summt „Zone Closing“ vor sich hin.
Vincent grinste verlegen. Er hatte es geschafft. Aber er wusste auch: Ohne sie hätte er das Ding niemals geholt.
„Danke,“ murmelte er, unfähig, seine Freude in Worte zu fassen. Für einen Moment fühlte er sich wie ein Held.
„Das war erst der Anfang,“ sagte sie mit einem leichten Lachen. „Morgen zeige ich dir ein paar Tricks, wie du noch besser wirst.“
Vincent loggte sich aus, legte das Headset zur Seite und lächelte. Zum ersten Mal seit Langem fühlte er sich, als hätte er etwas wirklich Bedeutendes geleistet. EpicGirl11 war nicht nur eine Spielerin – sie war die erste, die wirklich an ihn glaubte.
Während Vincent in der Schule war, begann für seine Mutter, Simone, ein ganz normaler Arbeitstag in der kleinen Apotheke am Marktplatz. Doch ein normaler Tag bedeutete hier nie Routine. Die Apotheke war seit Jahren ihr Lebensmittelpunkt – als Leiterin trug sie die Verantwortung für das Wohl ihrer Kunden, das reibungslose Funktionieren der Abläufe und das Wohlergehen ihres Teams.
Der Vormittag begann hektisch: Ein Software-Update für das E-Rezept hatte dazu geführt, dass die Kasse ständig abstürzte. Simone hatte bereits drei Gespräche mit dem externen IT-Support geführt, aber die Lösung ließ auf sich warten. "Wie sollen wir denn ohne funktionierende Systeme arbeiten?" fragte ihre Kollegin Sarah genervt, während sie versuchte, Rezepte manuell zu erfassen.
"Wir müssen improvisieren," sagte Simone entschlossen. "Ich kümmere mich um die Technik, und du konzentrierst dich auf die Kunden. Wir schaffen das."
Es war nicht das erste Mal, dass sie improvisieren musste. Als kleine Apotheke konnte sie sich keinen internen IT-Experten leisten. Stattdessen landeten all diese Probleme auf ihrem Schreibtisch, neben den Bestellungen, Dienstplänen und Personalgesprächen.
Doch die Technik war nur der Anfang. Gegen Mittag klingelte ihr Telefon fast ununterbrochen. Zwei Mitarbeiterinnen hatten sich krankgemeldet, und Simone musste schnell umdisponieren. Sie rief eine Aushilfe an, die glücklicherweise einspringen konnte, und übernahm selbst die Aufgaben am Beratungstresen.
Während sie einem älteren Herrn die Einnahme eines neuen Blutdruckmittels erklärte, musste sie gleichzeitig die Ankunft der wöchentlichen Medikamentenlieferung organisieren. "Simone, die Lieferung ist da, aber die Lieferanten haben die falschen Kartons geschickt!" rief jemand aus dem Lager.
"Ich komme gleich," antwortete Simone, während sie ruhig die Fragen des Kunden beantwortete. Ihre Fähigkeit, unter Druck ruhig zu bleiben, war eine ihrer größten Stärken. Doch innerlich fühlte sie die Anspannung.
Der Nachmittag brachte neue Herausforderungen. Eine Stammkundin kam mit einem schwierigen Rezept für ein Spezialpräparat, das nur in einer anderen Apotheke vorrätig war. Simone nahm sich die Zeit, die Kundin zu beruhigen und die Bestellung zu organisieren. Es war nicht nur ihr Beruf, sondern auch ihr persönlicher Anspruch, dass niemand unversorgt blieb.
Trotz allem spürte sie immer wieder die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Die Verantwortung als Leiterin war oft überwältigend. Es ging nicht nur um die fachliche Kompetenz, die sie auszeichnete, sondern um ihre Rolle als Allrounderin: Sie musste Managerin, Seelsorgerin und Problemlöserin in einem sein.
Ein besonders schwieriger Moment kam am späten Nachmittag, als eine junge Mutter mit ihrem fiebernden Baby in die Apotheke stürmte. Das verschriebene Medikament war ausverkauft, und Simone wusste, dass die nächste Lieferung erst in zwei Tagen eintreffen würde. Sie telefonierte mit anderen Apotheken in der Umgebung und organisierte schließlich eine Notfallabholung.
Als die Mutter erleichtert mit dem Medikament ging, fiel Simone auf, wie leer der Verkaufsraum plötzlich war. Sie lehnte sich kurz gegen den Tresen und atmete tief durch. Es war still, aber nur für einen Moment.
"Simone," rief ihre Kollegin aus dem Hinterzimmer, "die Versicherung braucht noch die Unterlagen für die Abrechnung vom letzten Monat!"
"Ich komme gleich," antwortete sie und rieb sich die Schläfen. Die Aufgaben hörten nie auf.
Am Abend zog sich Vincent in sein Zimmer zurück, um eine Runde Fortnite mit EpicGirl11 zu spielen. Der hektische Alltag seiner Mutter ging für ihn in eine andere Richtung über. Im Gegensatz zu Simone, die immer für andere da war, zog sich Vincent in die digitale Welt zurück, wo er selbst das Steuer in der Hand hatte. Vincent konnte sein Herz schneller schlagen hören, als er sich in Fortnite einloggte. Das Gaming-Setup war perfekt: Controller griffbereit, die Snacks akkurat neben ihm platziert, und das Headset saß bequem auf seinem Kopf. Das Licht seines Bildschirms war das einzige, das sein Zimmer erhellte, während er sich in die Lobby klickte und wartete.
"Hey, EpicGirl11, bist du da?" Vincents Stimme klang aufgeregt..
"Klar bin ich da! Bereit, ein paar Runden zu gewinnen?" antwortete sie. Die beiden stürzten sich ins Spiel.
Die ersten Matches liefen holprig, doch dann fanden sie ihren Rhythmus.
Der Countdown begann, und sie landeten auf der Insel. Vincent bewunderte, wie schnell EpicGirl11 Waffen und Ressourcen sammelte. "Geh’ Richtung Magic Mosses, ich hole uns einen Scharfschützen," sagte sie souverän. Vincent folgte ihrem Plan und staunte, wie effizient sie sich durch die Karte bewegte.
"Wie machst du das alles so schnell?" fragte er bewundernd, während er eine goldene Waffe aus einer Kiste zog.
"Das ist Übung," antwortete sie lachend. "Und vielleicht ein bisschen Talent."
Sie spielten sich synchron durch die erste Runde, schalteten Gegner aus und bauten gemeinsam Schutzwände. Während einer ruhigen Phase zwischen zwei Stürmen begann ihr Chat tiefere Themen zu berühren.
"Du bist echt gut," sagte Vincent, während er ein Medikit einsetzte. "Spielst du jeden Tag?"
"Fast," antwortete EpicGirl11. "Zocken ist irgendwie meine Art, die Zeit rumzukriegen."
"Wie meinst du das?" fragte Vincent neugierig.
Sie blieb kurz still, während sie einen Feind im Visier hatte und ihn mit einem gezielten Schuss ausschaltete. "Mein Dad ist oft wochenlang weg. Er arbeitet in Norwegen, irgendwas mit Ölplattformen. Meine Mom… naja, sie ist noch jung. Manchmal feiert sie die ganze Nacht."
Vincent wusste nicht genau, was er sagen sollte. "Das klingt… hart."
"Es ist okay," meinte sie. "Das Zocken hilft. Hier ist man nie allein, weißt du? Und die Leute hier… manche sind echt cool." Ihre Stimme klang einen Moment lang weich, dann wechselte sie abrupt das Thema: "Pass auf, da ist jemand bei der Brücke!
Vincent konzentrierte sich wieder auf das Spiel, doch ihre Worte ließen ihn nicht los. Sie spielten weiter, arbeiteten sich in die Top 10 vor. Währenddessen erzählte EpicGirl11 mehr von ihrem Leben. Sie sprach von der Schule, wo sie sich oft allein fühlte, weil die meisten Mädchen keine Gamer waren. "Die denken, ich bin seltsam, weil ich lieber Fortnite spiele, als auf TikTok Videos zu machen," sagte sie mit einem Hauch von Trotz.
Vincent konnte sich das nicht vorstellen. Für ihn war EpicGirl11 die coolste Person, die er kannte. "Ich finde das überhaupt nicht seltsam. Du bist krass."
"Danke," sagte sie leise. "Und du? Erklärst du deinen Freunden, warum du so schlecht im Bauen bist?"
Vincent lachte verlegen. "Die denken, ich bin der Beste, weil ich mit dir spiele."
"Oh, also bist du jetzt berühmt?" scherzte sie.
"Naja, ich hab's ihnen heute in der Schule erzählt, und sie waren total neidisch."
EpicGirl11 lachte. "Pass auf, dass du nicht angeberisch wirst."
"Definitiv! Wir reden ständig über Fortnite. Mein Kumpel Tom von der Realschule flexte sogar, dass du wahrscheinlich auf einem anderen Level bist als alle anderen. Ich komme übrigens aus Wehr. Kennst du das?"
EpicGirl11 reagierte einen Moment lang nicht. "Äh, nee, nie gehört," sagte sie schließlich. "Aber cool, dass ihr so eine aktive Zocker-Truppe seid."
Doch dann wurde sie wieder ernster. "Aber erzähl online nicht zu viel. Ich meine… lass sie einfach denken, du bist cool, ohne dass sie wissen, wer du wirklich bist."
Vincent zögerte. "Warum nicht?"
"Weil es besser ist, wenn nicht jeder alles über dich weiß," sagte sie. "Glaub mir, das habe ich gelernt."
EpicGirl11 schwieg eine Sekunde zu lang, dann sagte sie: "Es ist nicht schlau. Du weißt nie, wer wirklich am anderen Ende sitzt."
Vincent nickte, obwohl sie es nicht sehen konnte.
EpicGirl11 führte Vincent zu einem weniger umkämpften Gebiet – einem Ort, den sie als "Lucky Lagoon" bezeichnete. "Hier gibt es immer gute Loots, und wir können uns erst mal aufrüsten, bevor wir ins Getümmel gehen." erklärte sie.
Als sie schließlich ihren dritten Sieg des Abends einfuhren, sagte Vincent: "Das war mega! Du bist echt krass, Epic. Ich hoffe, wir machen das bald wieder."
"GG, Vincent!" schrieb sie in den Chat.“
"GG! Du bist echt die Beste!"
"Klar, warum nicht," antwortete sie. "Aber Vincent, pass auf dich auf, okay? Und erzähl nicht jedem alles über dich. Es gibt Leute, die nicht so nett sind wie ich."
Vincent lachte unsicher. "Ach, ich glaube, ich kann schon auf mich aufpassen."
EpicGirl11 sagte nichts mehr dazu, aber ihr Schweigen sprach Bände. Während Vincent an diesem Abend ins Bett ging, war er voller Begeisterung über die gemeinsame Zeit mit seinem Idol. Doch in einem anderen Zimmer, irgendwo weit entfernt, dachte EpicGirl11 nach. Sie mochte Vincent – er war nett und ein bisschen naiv. Aber genau das machte sie auch ein wenig besorgt.
Der Abend hatte Vincent mehr als nur ein Erfolgserlebnis im Spiel gebracht. Es war der Beginn eines Nachdenkens über Freundschaft, Vertrauen und das, was man online von sich preisgibt.
Vincent saß am Abend vor seiner Xbox, das Headset auf den Ohren. Er war online mit EpicGirl11 verbunden, und sie unterhielten sich über die nächste Runde. "Bist du bereit?" fragte sie mit ihrer typischen Mischung aus Ernst und Begeisterung.
"Natürlich!" antwortete Vincent und versuchte, genauso cool zu klingen. Doch innerlich war er nervös. Vincent staunte immer wieder über EpicGirl11s präzise Spielweise. "Wie machst du das nur? Dein Aim ist immer so perfekt!"
EpicGirl11 lachte. "Übung, Vincent. Übung und... vielleicht ein kleines Geheimnis."
Neugierig hakte Vincent nach: "Was für ein Geheimnis?"
Zögernd antwortete sie: "Na gut, ich erzähle es dir. Aber nur dir, okay? Ich benutze einen kleinen Cheat. Es ist nichts Großes, eher eine Hilfe. Der Hersteller weiß nicht mal, dass es das gibt, und es macht dich auch nicht automatisch zum Gewinner. Aber es gibt dir einen kleinen Vorteil."
Vincent war sprachlos. "Du cheatest? Ist das nicht... unfair? Warum machst du das?"
"Es ist nicht so, wie du denkst. Es macht nur Dinge wie das Zielen etwas einfacher. Niemand bemerkt es, und es schadet keinem," erklärte sie. "Und weißt du was? Ich könnte es dir besorgen, wenn du möchtest."
Vincent wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Ein Teil von ihm war fasziniert, ein anderer skeptisch. "Ich... ich weiß nicht. Lass mich darüber nachdenken. Cheaten, das ist doch risky!"
EpicGirl11 lachte. „Ach komm, Vincent. Du willst doch der Beste sein, oder?“ Vincent spürte, wie sein Herz schneller schlug, aber er blieb standhaft. „Ja, aber doch nicht so. Gibt es keinen anderen Weg?“
„Vincent, willst du weiterhin der kleine Junge von Nebenan sein oder endlich mit den Großen mitspielen?“ Erwiderte EpicGirl11 amüsiert.