Vom öffentlichen Besingen ankommender Fernverkehrszüge in der Nach-Franco-Zeit - Andreas Wolf - E-Book

Vom öffentlichen Besingen ankommender Fernverkehrszüge in der Nach-Franco-Zeit E-Book

Andreas Wolf

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Beschreibung

André Breton hat einmal gesagt: „Ich hasse die Realität. Sie besteht aus Mittelmäßigkeit und langweiliger Einbildung“. Richtig. Wie aber steht es dann um die „Einbildung“ selbst? Welche Realitäten bildet sie aus? Eine Art von magischem Realismus? Eine höhere Wirklichkeit? Einen Möglichkeitssinn? Surrealistische Novellen und eine philosophische Theorie des Traums. „Ich glaube an die künftige Auflösung dieser scheinbar so gegensätzlichen Zustände von Traum und Wirklichkeit in einer Art absoluter Realität“. So nochmals Breton. Mal sehen.

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Inhalt

Große Fahrt

Karl Marx unter Bauern.

Tiervergleiche

„Quatsch mich nicht beim Essen voll!“

Zur Kritik des Gothaer Programms

„Das Erste steht euch frei“ (Goethe, Faust, anzitiert)

Im Sommercamp

Marx wird grundsätzlich

Z 2

So we’ve gotta say goodbye for the summer

Gespenster

Die Heilige Familie

„Das Erste steht euch frei, beim Zweiten seid ihr Knechte“ (Goethe, Faust, zu Ende zitiert)

Die hohe Zeit

Der dunkle Gast

Richtigstellung.

Wassermusik.

Tätige Liebe

Googeln oder Nicht-Googeln

Das Erhabene

Gesetz und Erlösung

Man sieht nur das, was man braucht. Klar. Aber warumbraucht man überhaupt das, was man nun sieht? Das ist doch die Frage!

Wagalaweia

Spieltheoretische Erwägungen

Der Sprung

Spieltheoretische Erwägungen, zweiter Teil

Wish me luck as you wave me goodbye

Der magische Mittwoch.

Hohe Tannen

Der Hinterkopfdenker

Faszinosum Zinseszins

Pacelliplatz

„Meine Damen, ich verlasse mich auf Sie!“

Der ferne Spiegel

Kleine Fahrt

Der Ehrenpraktikant.

Späte Einsicht.

Ole Pedersen, Hirschpark in Kopenhagen (1885).

Ein ganz einfacher Trick.

Die goldene Ente.

Cape Fear.

Mein Vater, der Held.

Höhfröschen-Pirmasens

München-Höhfröschen

Eine Mittsommernacht in Suhl.

Unter Tage

Über Tage

Die kurze Fahrt durch eine lange Nacht.

Vorrede.

Exposition

Komplikation

Peripetie (Höhepunkt)

Retardation (Verlangsamung)

Katastrophe

Kathartisches Nachwort

Der Herr des Verkehrs.

Der orangefarbene Campingstuhl.

Vom öffentlichen Besingen ankommender Fernverkehrszüge in der Nach-Franco-Zeit.

Am Nullpunkt

Nullkommaneun.

Nullkommaacht.

Nullkommasieben.

Nullkommasechs.

Nullkommafünf.

Nullkommavier.

Nullkommadrei.

Nullkommazwei.

Nullkommaeins.

Große Fahrt

Karl Marx unter Bauern.

1. Tiervergleiche

In der Omsker Gemäldegalerie, die sich im prächtigen Gouverneurspalast der südsibirischen Millionenstadt befindet, lagerte, für sehr lange Zeit schamhaft im Magazin versteckt, ein mehrmetergroßes Ölgemälde, das Karl Marx zeigt, wie er im Sommer des Jahres 1875 zu niedersächsischen Bauern spricht. Das Gemälde bietet bildmittig den Denker in einem schwarzen, allerdings stark verstaubten Maßanzug, wie er, von vorne gemalt, pathetisch drohend und mit erhobenem Zeigefinger auf die Bauern des Dorfes Dollbergen einredet. Marx selbst steht im hüfthohen und sonnengelben Weizenfeld, während die Bauern, seitlich oder von hinten gemalt, auf dem bereits abgemähten Teil des Ackers lagern, offenbar ihre Mittagspause machen, essen und trinken, wobei einige von ihnen so durstig zu sein scheinen, dass sie ihren Kopf nach hinten geklappt haben und die Flasche nahezu senkrecht an ihrem Mund halten, was dem Gemälde, ganz im dramatischen Stil des sozialistischen Realismus gehalten, eine unklare, man kann sogar sagen: doppeldeutige Note gibt. Da zudem ein anderer Teil der etwa zwanzigköpfigen Bauernschaft, sei es tief ergriffen, sei es nachdenklich, sei es geistesabwesend, sei es sogar dösend, um nicht zu sagen: schlafend, abgebildet ist, wurde diese Arbeit – noch unter Stalin in Auftrag gegeben – nicht, wie geplant, der DDR als Brudergeschenk übereignet, sondern verschwand, nachdem man zunächst den Künstler erschossen hatte, im dunklen Keller der Omsker Gemäldegalerie, die viele Meisterwerke wie etwa von Ilja Repin, Iwan Aiwasowski oder dem unvergesslichen Wassili Surikow stolz ihr Eigen nennen kann.

Dass also Karl Marx im Juli 1875 für einige Wochen in Dollbergen war, ist historisch völlig unumstritten. Kaum einer seiner unzähligen Biografen verzichtet darauf, kurz auf diese kuriose Episode einzugehen,strittig hingegen, ja sogar hochumstritten ist allein die Frage, was Marx in Dollbergen bewegt hat und ob er überhaupt etwas bewegt hat. Nicht jedem wird geläufig sein, dass die marxistische Denkungsart in der Arbeiterschaft viele Freunde und vor allem in ihrer weichgespülten Variante als Sozialdemokratie große Sympathie genoss, in der Bauernschaft hingegen auf erbitterte Feindschaft stieß, weil die Bauern, sicherlich in völliger Unkenntnis seiner Theorien, schlankweg meinten, Marxisten wollten ihnen vor allem ihre Kuh klauen, und wenn sie überhaupt keine Kühe hatten, dann irgendetwas anderes: ihre Egge, die Hühner, die Frau oder Tochter, keine Ahnung, was letztlich auch immer, vaterlandslose Gesellen also, die den Staat, die Kirche, die Kneipe, den Schützenverein, kurz, wie es im Kommunistischen Manifest heißt: alles Ständische und Stehende zu vernichten getrachteten, und da jeder Bauer ein ausgesprochener Freund alles Ständischen und Stehenden ist, dazu schollentreu bis in den Tod und vaterlandsliebend bis zur letzten Kugel, folgte daraus ein schwerer Grundwertestreit und Antagonismus – wie Marx sagen würde –, also der reine Gegensatz selbst, und man darf somit von einem echten Konflikt beider Weltanschauungen reden, so dass jeder Bauer einen Marxisten als rote Sau bezeichnen würde, während jeder Marxist einen Bauern als reaktionäres Schwein ansah. Dadurch ergibt sich, wie leicht ersichtlich, eine gewisse Spannung, die wir im Folgenden etwas ausführlicher schildern wollen.

Nun wird man sich natürlich fragen müssen, was mich überhaupt dazu befähigen sollte, diesen in der Tat kuriosen Aspekt im Leben des Karl Marx einer näheren Erläuterung zu unterziehen, eine gute Frage, gewiss, aber auch enorm leicht zu beantworten. Denn niemand anderes als meine Vorfahren waren es, die dem Philosophen und politischen Denker in Dollbergen Logis geboten haben, und das in einem schönen geräumigen Backsteinhaus mit weißgerahmten Fenstern und Spitzdach, das, in den letzten 170 Jahren nur behutsam saniert, heute noch steht, nie anders als im Familienbesitz war, und das meine Eltern, quicklebendige Leute Anfang 80, immer noch bewohnen.

Es war ein gewisser Hinnerk Brandes, der im Jahre 1848, als in Paris, Berlin und Wien wilde Revolutionswochen herrschten und halb Europa brannte, seelenruhig sein Haus aufrichten ließ, ein, wie gesagt, großes Haus, das er schon in jungen Jahren dank einer schönen Erbschaft und vieler krummer Spargelschäfte freihändig finanzieren konnte. Dieses Haus, damals An der großen Aabe gelegen, einer Bezeichnung, von der kein Mensch wusste, was sie zu bedeuten hatte, blieb immer im Besitz der Familie Brandes, mochte sie jeweils auch heißen, wie immer sie hieß, denn das Haus wurde, seltsam genug, stets der erstgeborenen Tochter vermacht, so dass ihre Bewohner auch als Ploetz, Lampe oder Klüsenschmied irgendwie immer Brandes blieben, und meine Großmutter namens Dorothea Klüsenschmied mir bis ins hohe Alter Geschichten über Karl Marx erzählen konnte, Geschichten freilich, die sie von ihren Eltern und Großeltern berichtet bekam, die mir, wäre ich nicht seit 25 Jahren Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Sozialgeschichte an der renommierten Universität Osnabrück, für zumindest ungewöhnlich gegolten hätten. Ich habe sie aber gewissenhaft, wie ich zumindest meine, überprüft und mit dem Zeitgeist jener Jahre verglichen, so dass sie mir, cum grano salis natürlich, durchaus stimmen, stimmen könnten oder zumindest nicht direkt wider die Natur gezeichnet scheinen.

2. „Quatsch mich nicht beim Essen voll!“

Wenn ich als Kind meine Großmutter nach dem weltberühmten Gast fragte, antwortete sie, er sei ein basiger Bengel gewesen wie ich, ein dötscher Kerl, wobei ich noch nicht einmal sagen könnte, was diese Beschreibungen eigentlich genau meinen, sicherlich nichts Gutes, denn meine Oma, und das wiederum weiß ich genau, hielt mich zeitlebens für ein nur trübe flackerndes Licht. Die Meinungen über Karl Marx schienen in diesem Haus allerdings auseinander zu gehen, ihre Großmutter etwa, die ihn als Laberkopp zwar, aber auch als Breker, also als stattlichen, kräftigen Mann in Erinnerung hielt, muss wohl anerkennend gesagt haben, er sei ein ziemlich fescher Hund gewesen und sie habe sich zeitlebens daran erinnern können, wie er die lange Straße entlangkam, schwarzer Anzug, schwarzer Staubmantel, kleinere schwarze Reisetasche, graumelierter Wuschelkopf, wilder Vollbart und wie der Leibhaftige, ja, der Gehörnte selbst an einem schönen Sommernachmittag vor dem Haus stand und um Unterkunft nachsuchte. Hinnerk Brandes, der in ihm den Feuerkopf, Stunkmaker und geborenen Revolutionär auf den ersten Blick bereits sah, war schlau genug, ihn nicht gleich des Hofes zu verweisen, sondern forderte geschäftstüchtig und verschlagen, wie es nur niedersächsische Bauern sein können, dreist den fünffachen Logissatz, und Marx, der zwar erst vor wenigen Jahren sein tausendseitiges Jahrhundertwerk Das Kapital beendet hatte, also vom Geld – der Hure und Kupplerin – theoretisch alles, aber praktisch rein gar nichts verstand, war naiv genug, dieses hanebüchene Angebot auch noch zu akzeptieren. So kam Marx für einige Wochen zu den Brandes’, eine für beide Seiten wechselvolle Zeit.

Unschön für Karl Marx war es, dass er stets durch das Schlafzimmer der Eheleute gehen musste, um ins eigene Bett zu gelangen, denn das einzig freie Zimmer des Hauses hatte keinen eigenen Zugang. Wer aber denkt, nun müssten schlüpfrige Geschichten zur Erwähnung kommen, irrt sich sehr, denn das Paar hatte in schneller Folge drei Kinder bekommen, zwei Söhne und eine Tochter, die alle in ihren frühen Zwanzigern standen, und da die Dame des Hauses eine echte Trulla und Tranfunzel war – die ihr letztes Kind allerdings eigenhändig mit einer Schere entbinden musste, während Hinnerk einmal mehr dem geselligen Umtrunk nachging –, hatte sie kurzerhand jede weitere erotische Begegnung mit Nachdruck abgelehnt, und so machten die beiden hart arbeitenden Bauern das, was man von hart arbeitenden Bauern zwischen ein Uhr und zwei Uhr nachts auch erwarten würde: Sie schliefen.

Marx, der selten sein Bett übertrieben vorzeitig verließ, kam also immer dann herunter, wenn er das Mittagessen roch, setzte sich an den langen Küchentisch, der nun immer für neun Leute eingedeckt war, denn neben Hinnerks Mutter und den Schwiegereltern – zwei Trantüten vor dem Herren – gab es jetzt auch Karl Marx, so dass sich die zumeist reich gedeckte Tafel vor Bergen von Kartoffeln, Fleisch und Gemüse bog, und da Hinnerk ein enormer Esser war, der erstaunlicherweise nicht zunahm, durften auch Eierstichsuppen und üppige Nachspeisen keineswegs fehlen. Nervig an dieser durchaus launigen Familientafel war, dass Marx sie dominierte. Noch heute ist es ein Problem des geselligen Zusammenseins, dass immer dann, wenn ein Ausweg praktisch unmöglich ist, im Auto etwa oder zu Tisch, irgendwer die Chance nutzt, um die anderen ins Koma zu reden. Marx war so jemand. Natürlich waren seine Ausführungen zum tendenziellen Fall der Profitrate – und nicht der Pommes-Frites-Rate, wie immer wieder fälschlicherweise in der Familie behauptet wird – hochinteressante Darlegungen. Auch die ursprüngliche Akkumulation des Kapitals darf als spannende Beobachtung gelten, denn diese ursprüngliche Basis allen persönlichen Reichtums, die Akkumulation, also der Erwerb, war nichts anderes als schlichter Landraub. Irgendwer war mächtig genug gewesen, das Land, die Forsten, Seen, Gewässer der Gemeinschaft zu rauben, einen Zaun darum zu schlagen, um fortan kackfrech zu behaupten, es sei nun einmal sein Eigentum, und die anderen buckeln oder zahlen zu lassen. Eigentum ist immer Raub!, nämlich an den anderen, und Hinnerk und seine Kinder, freisinnig denkende Menschen, wären fast schon für diese Ideen gewonnen worden. Doch Karl Marx hatte bei seinen Darlegungen die lästige Angewohnheit, vom Hundertsten ins Tausendste zu gehen und vor allem dabei über einen gewissen Hegel – der wohl das ganze Gescheitgeschwätze überhaupt erst erfunden hatte und offenbar so etwas wie der finstere Fürst der Faselei war – nachdrücklich und mäandernd zu reden, so dass Hinnerk Brandes irgendwann einmal polternd auf den Ausziehtisch schlug und dem Jahrhundertdenker direkt ins Gesicht sagte: „Quatsch mich nicht beim Essen voll!“

Karl Marx und Hinnerk Brandes waren übrigens gleichaltrig, Brandes am 1. Mai 1818 geboren, Marx ebenfalls im Mai 1818 und somit – wir müssten nun umständlich nachschauen – ein paar Tage später. Beide Männer waren also zu dieser Zeit 57 Jahre alt, nun nicht mehr taufrisch, aber auch keine alten Leute, so dass es kaum Wunder nahm, dass sich beide gut verstanden. Abends im Wohnzimmer tauschten sie Erinnerungen aus. Brandes sprach vor allem von seinen Ruhmestaten im kürzlich beendeten Deutsch-Französischen Krieg, der zur deutschen Einheit führte, die sich Brandes zum Teil selbst gutschrieb – eine Ansicht, die nicht völlig falsch ist –, denn als Unteroffizier im 7. Kürassier-Regiment griff er mit seiner Eskadron, einer Reitereinheit, frontal die Stellungen der namentlich sogenannten Franzacken bei Mars-la-Tour an, eine vorentscheidende Schlacht, so dass er fortan in der Überzeugung lebte, er selbst habe das Deutsche Reich aus der Taufe gehoben, etwas eitel zwar, aber zumindest teilweise richtig, wie Marx bestätigte, denn die Könige, Präsidenten und Minister könnten nur das protokollieren und ratifizieren und feiern und hochleben lassen, was der einfache Mann erkämpft habe. Aber natürlich grundfalsch in politischer Hinsicht, da es nun einmal nicht darum gehe, dem einfachen Soldaten des Gegners, wahrscheinlich einem Bauern wie ihm selbst, den Kopf einzuschlagen, was Hinnerk zwar grundsätzlich für gut und schön und richtig ansah, aber nun in besonderer Betrachtung des westlichen Nachbarn zu der Bemerkung veranlasste, mit Nachdruck zu meinen: „Wenn es gegen den Franzmann geht, schultere ich noch heute mein Gewehr!“, ein Satz, der, leicht verfremdet, August Bebel später in die Schuhe geschoben wurde, und der bei den Sozialdemokraten für viel Ärger sorgen sollte.

„Falsch!“, sagte Marx, „in jeder Hinsicht: Falsch! Dialektisch falsch, historisch falsch, politisch falsch! Es geht darum, den Herrschenden einzuheizen, den Hohenzollern etwa“, was Brandes erstaunlicherweisesofort einsehen konnte, da er den „Preußenpinsel“, gemeint war immerhin der Deutsche Kaiser, nicht ausstehen konnte, eine alte Feindschaft zwischen den niedersächsischen Welfen und den preußischen Hohenzollern, die in der Region nicht die freundlichsten Gefühle für das herrschende Haus auslösten, so dass beide den sogenannten Preußenpinsel schmähten, der eine aus niederen lokalpatriotischen Gründen, der andere aus einem tiefergehenden geschichtlichen Verständnis heraus. Und hätte Marx bei solchen abendlichen Unterredungen zweier gleichaltriger Männer nicht Rotwein und Cognac als geistige Getränke gefordert, worauf Brandes nur mit einem „Geht’s noch?“ konterte, wären beide sogar Freunde geworden. Allein das Bier, ein niedersächsischer Teufelssud, der, wir dürfen den Namen leider nicht sagen, hier fassweise eingelagert wurde, das Lieblingsgetränk eines jedes Dollbergers, fand Karl Marx derart miserabel, das er auch vor kräftigen Worten wie Plörre oder Hundepisse nicht zurückschreckte, was den Gastgeber stark verärgerte, zumal ihm Marx, faute de mieux, enorm kräftig zusprach, da er ein so starker Trinker war, dass er sogar Hundepisse getrunken hätte, wäre sie nur irgendwie vergoren gewesen.

3. Zur Kritik des Gothaer Programms

Wir haben uns ein wenig mit Hinnerk Brandes und seinem vollbärtigen Logiergast verplaudert, und deshalb müssen wir jetzt unbedingt einige historische Daten und Fakten nachliefern. Denn warum, wird man sich fragen müssen, kam Karl Marx überhaupt nach Dollbergen? 1871 hatte, wie wir sahen, der Unteroffizier Brandes das Vaterland aus der Taufe gehoben, der Preußenpinsel Friedrich Wilhelm I. wurde ausgerechnet im Spiegelsaal zu Versailles – eine Schmach, die uns der sogenannte Franzacke nie vergeben sollte – zum Deutschen Kaiser ernannt, das Reich war geboren, getauft und gesund wie ein enorm dickes Baby, alle somit glücklich und zufrieden, Bismarck sagte: Nun, meine Herren, Deutschland ist in den Sattel gesetzt, reiten wird es wohl von alleine, und in dieser allgemeinen Jubel- und Hochstimmung erließ der Eiserne Kanzler – den Hinnerk Brandes über alle vernünftigen Maße hinweg verehrte – eine Generalamnestie für alle politischen Verfolgten, für alle Bullerjane, Stinkstiefel und Nölköppe, und Karl Marx, der schon seit Jahrzehnten im Londoner Exil saß, konnte sich auf den Weg machen, um seinen sozialistischen Freunden in Berlin so richtig den Kopf zu waschen.

Die nämlich hatten sich auf dem Gothaer Parteitag Ende Mai 1875, was gemeinhin als Gründungsdatum der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands angesehen wird, ein, man kann sagen: reformorientiertes, man kann auch sagen: windelweiches, ein, wenn man will: praxisnahes, wenn man nicht will: klassenverräterisches Grundsatzprogramm gegeben, und Marx, der Vordenker einer jeden Arbeiter- und Bauernbewegung, der Meisterdenker des gesamten linken Diskurses, war dermaßen sauer, über- und stinksauer, dass er Wilhelm Liebknecht und August Bebel, die neuen Führer dieser sozialdemokratischen Ponyhofpartei, auf das Allerkräftigste in den Arsch zu treten gedachte. Das Treffen fand in einem Hotel statt. Liebknecht und Bebel, die Marx als absolute Autorität ansahen, scharwenzelten zunächst um den hohen Gast aus London liebedienerisch herum, lobten hier seinen gesunden Bartwuchs, dort seine mannhafte Gesamterscheinung, kurz, sie speichelten ihn in der Hoffnung ein, dass er dieses Gothaer Programm, das in der Tat ein Kompromisspapier war, würde abnicken mögen, was er aber, wie jeder einigermaßen historisch Interessierte weiß, gerade nicht machte. Erst kaufte er sich August Bebel, den er als tatfeigen, kriechenden Kleinbürger bezeichnete, dann das Biederrindvieh Liebknecht selbst mit seinen läppischen, wohlfeilen Allerweltsgedanken. Er erregte sich immer mehr, lief aufgebracht und wie ein wütender Lehrer durch das Zimmer – es war ein eigens separierter Raum in einem Hotel –, während seine Schüler totenbleich auf ihren Stühlen verharrten. „Liebknecht“, sagte er in einem Anfall von geschauspielerter Verzweiflung:

„Liebknecht hat das Talent, die dümmsten Leute von Deutschland um sich zu gruppieren.“

„Stimmt“, sagte Bebel.

Und dann gab es für Marx kein Halten mehr. Er sagte also mehr oder weniger wörtlich: Da ihr dauerduzenden Debattierdrohnen, Ponylecker und wirbellosen Bismarckbeschäler offensichtlich nicht den Mut habt, direkt eine echte Republik zu verlangen, so hättet ihr auch nicht zu der weder ‚ehrlichen‘ noch würdigen Finte flüchten sollen, Dinge, die nur in einer demokratischen Republik Sinn haben, von einem Staat zu verlangen, der nichts andres als ein mit parlamentarischen Formen verbrämter, mit feudalem Besatz vermischter und zugleich schon von der Bourgeoisie beeinflusster, bürokratisch gezimmerter, polizeilich gehüteter Militärdespotismus ist. Dann sagte er noch, Ezechiel 3,19 zitierend: Elende Eierkrauler!, und beendete die Brandrede mit dem Lateinischen: „Dixi et salvavi animam meam“, was auf Deutsch so viel heißt wie: Ich habe gesprochen und meine Seele gerettet. Schon im Hinausgehen rief er den beiden noch einmal nach, sie seien Schwuchteln, Warmduscher, Klappspaten und wechselwarme Breitmaulfrösche, und da ihm auf die Schnelle kein weiteres Schimpfwort einfiel, sagte er nur noch: Ach!

Nun wurde Wilhelm Liebknecht, der eigentlich Karl Marx hündisch anbetete, enorm böse, er stellte sich in die Türe, ließ den Zauselbärtigen nicht weiter durch, so dass sich Liebknecht und Marx, Bart an Bart, hart gegenüberstanden und der Sozialdemokrat dem Kommunisten praktische Kenntnislosigkeit in nahezu allen Dingen des täglichen Lebens vorwarf, so, dass dieser vermutlich noch nicht einmal im Entferntesten wisse, was ein Liter Milch koste, worauf Marx den Sozen ratlos anschaute und meinte: „Milch, was ist das?“, was Liebknecht zu einer Schimpfkanonade biblischen Ausmaßes ermutigte, und er ihn nun seinerseits als Hirnwichser! Einhornreiter! Feenlandzauberer! Sesselpuper! und, da den beiden die Schimpfwörter allmählich ausgingen, als Freund des Fabelhaften, nämlich als Einhornflüsterer bezeichnete, worauf Marx, ziemlich trocken, sagte: „Das Einhorn kann ich nicht gelten lassen, es ist doppelt genannt!“

Kurz, es ging in der Sache um die einfache Frage, ob es denn sinnvoll sei, auf dem hohen Ross der Theorie zu sitzen, da von den Arbeitern immerhin einige, von den Bauern aber überhaupt keiner die Linken wähle, was man an den Stimmen für den neugewählten Reichstag auch problemlos sehen könne, da die Stimmen für Sozis in den rein ländlichen Gebieten bei der schönen Zahl Null lägen. Erst dann, mein lieber Genosse Marx, wenn du den Nachweis führen kannst, dass irgendeiner dieser elenden Ziegenficker deinen Ideen folgt, sagte der hocherregte Wilhelm Liebknecht, erst dann und nur dann gehen wir wieder zusammen. Bis dahin heißt es zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten: Tschö mit ö, Tschau mit au, Ceausescu, Tschüssikowski, Sayonara und Leck mich!!!“

Karl Marx, der die neugebaute Eisenbahnlinie Berlin-Stendal- Hannover nutzte, um von Rheinland zurück nach London zu reisen, dachte in der Bahn sitzend über diesen Pfaffenfredi – Liebknecht hatte Theologie anstudiert –, den Dachlattendepp – er war auch als Zimmermann tätig –, das fiese Frettchen – Liebknecht war recht schlank und schmalgesichtig –, nach und kam zu dem Schluss, es dem Büchsenluder – Büchsenmacher war Liebknecht eine Zeit lang auch – zu zeigen, und stieg an einer beliebigen Station auf der Stecke Berlin-Hannover aus, und diese Station war keine andere als die von Dollbergen. So schritt er mit flottem, federndem Gang die Bahnhofstraße hinunter, die jetzt glücklicherweise nicht mehr An der großen Aabe heißen musste, schwarzer Anzug, schwarzer Staubmantel, eine schwarze Reisetasche, kurz, ein gutaussehender Mann in seinen besten Jahren, und da er ja letztlich irgendwo anhalten musste, hielt er am Haus vom Hinnerk Brandes an, eine gute Wahl, wie wir ja sahen. Wer sich übrigens ein Bild des Marx jener Jahre machen möchte, hat es jetzt leicht. Seit Mai 2018 steht in Trier sein überlebensgroßes Standbild. Es ist der Zeit in Dollbergen bis ins Detail nachempfunden, nur, dass der Marx, so wie er jetzt in Trier zu sehen ist, ein Buch in der Hand hält, was in einer dörflichen Umgebung sehr ungewöhnlich wäre. Nein, er trug, vom Bahnhof her kommend, eine kleinere Reisetasche in seiner Hand, einen schwarzen, leichten schweinsledernen Arztkoffer, in dem er seine Leibwäsche aufbewahrte und mitunter sogar wechselte, was schon affig genug war, denn auf dem Land wechselt man Leibwäsche nicht, man dreht sie auf rechts, um sie nach einigen Zeit wieder auf links zu ziehen, alles andere machen nur Pinkel. So gesehen war Marx ein echter Pinkel.

4. Das Erste steht euch frei (Goethe, Faust, anzitiert)

An einem Sommertag des Jahres 1970 kam, den Triebwagen Hannover-Wolfsburg in Dollbergen verlassend, ein mittelalter Ministerialsekretär der niedersächsischen Landesregierung, adrett gekleidet, Hornbrille auf seinem etwas biederen Schafsgesicht, die Bahnhofstraße herunter, blieb vor einem roten Backsteinhaus mit seinen weißgerahmten Fenstern stehen, sah in der milchigen Sonne eines frühen Nachmittags zwei ältere Leute enorme Mengen Blumenkohl marktfähig machen, schritt auf die beiden zu und sagte verbindlich: „Jon Christian und Dorothea Klüsenschmied?“ „Jau“, sagte Jon Christian Klüsenschmied, der im Dorf nicht gerade als Labertasche bekannt war. „Dann“, sagte der Beamte, „darf ich Ihnen eine gute Nachricht bringen.“ „Und?“, fragte Krischan fordernd.

„Die neue sozialliberale Bundesregierung“ – diese Volks- und Vaterlandsverräter, ergänzte der Angesprochene –

„die Regierung unter Willy Brandt“ – Herbert Frahm, wusste mein Großvater richtigzustellen –

„jedenfalls die führenden Sozialdemokraten um Herbert Wehner“ – ich sage nur: Hotel Lux! –

„und Egon Bahr“ – der bekannte Moskauer Meisterspion –

„würden sich glücklich schätzen, hier an Ihrem wunderschönen Hause eine Gedenktafel zur Erinnerung an den mehrwöchigen Besuch von Karl Marx im Sommer 1875 anbringen zu lassen.“

„Interessant“, sagte mein Opa scheinheilig, „nicht wahr“, sagte der Beamte scheinheilig zurück, „interessant“, sagte Jon Christian Klüsenschmied, „vor allem dann, wenn ich tot bin. Ich will damit sagen: nur über meine Leiche! Und Sie werden auch eine sein, wenn Sie nicht sofort diesen Hof verlassen!“

„Schade“, meinte der Mann vom niedersächsischen Ministerium für Kultur listig, „dann sind Sie auch nicht an einer Aufwandsentschädigung von 400 D-Mark pro Monat interessiert.“ Nun machte Krischan wiederum ein langes, den Schafen nicht unähnliches Gesicht und meinte, nur um Zeit zu gewinnen, „setzen Sie sich erst einmal und essen Sie in aller Ruhe einen schönen Blumenkohl.“ „Roh?“, fragte der Beamte, „roh schmeckt er am besten“, meinte der Großvater, nur um irgendetwas zu sagen. Dann zündete er sich eine ihm ärztlich eigentlich strikt verbotene Zigarre der Marke Jägerstolz an, paffte nachdenklich in den lauen niedersächsischen Nachmittagshimmel hinein und sagte zum schwer kauenden Ministerialbeamten aus Hannover, er sei, bei Licht betrachtet, schon immer ein Freund dieser ganzen Kommunistenkacke gewesen und würde das Andenken von Karl Marx umso lieber in Ehren halten, wenn der Eingang, an den die Gedenktafel ja wohl kommen solle, neu gefugt wäre, und wenn man schon dabei sei, könne man eigentlich auch das ganze Haus neu spachteln, wobei etliche Ziegelsteine ausbesserungswürdig seien, was das Andenken des von uns gegangenen Riesendenkers und Menschheitsbeglückers sicherlich bedeutend zu erheben vermöchte. Der Beamte, froh, nicht länger den stockharten Blumenkohl essen müssen, stellte Nachfrage und Bescheid in Aussicht, der Bescheid kam mitsamt eines 30-seitigen teilkulturellen Nutzungsvertrages des Hauses über genau 50 Jahre, den natürlich kein Mensch mehr lesen wollte und den man nur mit Blablabla flüchtig überflog, das Haus endlich wurde von außen totalsaniert, was meinen Opa nur umso stärker in der nun felsenfesten Ansicht bestätigte, dass die Sozis nicht mit Geld umgehen können. Die Gedenktafel störte letztlich keinen, und wenn sich in diesen studentenbewegten Tagenirgendwelche Spinner, Penner, Gammler, Hippies und Haschbrüder vor dem Haus einfanden, was nicht allzu häufig vorkam, scheuchte sie Dorothea Klüsenschmied in Nylonschürze und mit grobem Hofbesen schnell genug wieder weg.

5. Im Sommercamp

Karl Marx ist natürlich ein überragender Fußballer. Nun bildlich gesprochen. Gäbe es eine Tabelle der achtzehn bedeutendsten deutschen Philosophen, hätte Marx einen Platz im erweiterten Favoritenkreis sicher, ohne indes an die drei Großen, an Heidegger, Hegel und Kant heranzukommen. Kant ist eine Maschine, fast unmöglich zu knacken, Hegel der spielfreudigere Typ, auch für den Zuschauer gefälliger anzusehen als dieser immer etwas bieder wirkende Kant-Kick. Hegels Fußball ist echtes Spektakel und hätte er nicht die Angewohnheit, einmal in Fahrt gekommen, sich selbst zu umdribbeln, wäre ihm die Meisterschaft kaum zu nehmen. Heidegger wiederum hat die Taktik, mitunter ganz ohne Tore zu spielen, was den Gegner natürlich stark überrascht. Nietzsche, um nun noch die anderen Spitzenphilosophen zu benennen, erfreut die Massen durch sein erfrischendes Angriffsspiel, wodurch er aber oft genug die Abwehr vernachlässigt, und Schopenhauer, damit zumindest das führende Sextett auch benannt ist, pflegt einen etwas altbackenen Stil, bei dem vor allem hinten die Null stehen muss.

Wir sprachen – wie man sieht – bildlich und würden uns der billigen Pointenhauerei schuldig machen, wenn wir nicht zumindest sachlich erläutern würden, was an Marx nun so toll sein soll. Marx hat – kompakt gesagt – die Bewegungsgesetze der Welt, nämlich die des Kapitals, völlig lupenrein gesehen, analysiert und ausgesprochen. Die gesamte Dialektik der Dinge, die reale und durchaus abgefuckte Doppelsinnigkeit des Tausches, oszillierend zwischen Austausch und Betrug, der Ware im Hin und Her zwischen Tausch- und Gebrauchswert, des Geldes als Mittel und Zweck, des Kapitals in seiner „geldheckenden“ Funktion, die etwa im – heutigen – Derivatehandel mit seinen Wetten auf Wetten von Wetten „sinnlich-übersinnlich“ wird, übersinnlich, weil sie keinen wirtschaftlichen Nutzen hat, sinnlich, weil sie die Wirtschaft durchaus zu zerstören vermag, „Massenvernichtungswaffen“ (Warren Buffett), also kurz: den ganzen falschen Zauber von hundsschlichter Ausbeutung bis hin zum Kapitalfetisch als Gottheit, die alles und jeden, nicht zuletzt den Kapitalisten selbst als reine Mehrwertmaschine die Knie beugen lässt, hat Marx natürlich völlig richtig gesehen und beschrieben. Dafür gebührt ihm ewiger Dank.

Dies allerdings der Dollberger Bauernschaft im Jahre 1875 auch nur annährend erklärlich zu machen, ist eine Aufgabe für sich, und Marx, der charakterlich ein forscher Typ war, machte sich jetzt anheischig, genau das zu unternehmen. Am Ende der ersten Woche und noch am Mittagstisch, die Götterspeise war gerade abgeräumt, sagte Marx zu seinem Gastgeber: „Hinnerk, ich muss zu den Bauern sprechen!“ Hinnerk Brandes, der mitten in der Ernte stand und keinen unmittelbaren Nutzen darin sah, dass ein Londoner Gelehrter beim Dreschen und Heumachen über die einfache sowie die erweiterte Reproduktion Vortrag hielt, kratzte sich im Nacken, sagte erst einmal nichts und meinte dann: „Jau“, und dieses Jau, so führte Hinnerk Brandes wohlmeinend aus, gelte, allerdings einzig und allein unter der Voraussetzung, dass Marx, wenn er denn zu den Bauern sprechen wolle, zunächst einmal selbst Bauer werde, ein hospitierender Bauer freilich, ein Schnupperkursbauer, aber immerhin ein Bauer, der einzig den Vorteil für sich herauszuschinden wusste, erst nach dem Mittagessen tätig werden zu müssen, was gerade im Hochsommer völlig unbäuerlich war, aber in dieser Sache war mit ihm nicht zu handeln und es galt somit als abgemacht. So kam Karl Marx unter Bauern.

Als erstes ward dem Praktikanten die einfache Aufgabe zuteil, die Rabatten zu harken, eine durchaus minderwertige Aufgabe, die Karl Marx übernahm, der von einem kommunistischen Schneider in der hocheleganten Savile Row, im Londoner Stadtteil Mayfair gelegen, mit maßgeschneiderten Anzügen für lau und stickum, wie man in Niedersachsen sagt, nämlich hintenherum, versorgt wurde, eine Handlangertätigkeit also, die er mit einigem Widerwillen zu verrichten begann. Und so konnte man, bizarr genug, Mitte Juli 1875 einen piekfein gekleideten Mann in einem Dollberger Garten stehen sehen, der mit schwarzem Anzug und Bollen, also groben Feldstiefeln an den Füßen, die Blumenbeete des Hinnerk Brandes harkte.

Da es Hinnerk Brandes nun durchaus als seine Pflicht und heilige Aufgabe ansah, den Bauernpraktikanten schonend, aber auch mit Energie höheren Aufgaben zuzuführen, durfte dieser schon am nächsten Tag in die Schattenmorellen gehen, in Bäume also, die diese nicht überragend wohlschmeckende Kirschart trugen, von denen – wir sagen es offen heraus – in etwa 40 Bäume auf seinem dem Wohnhaus angrenzenden Grundstück zu zählen waren, und zu dieser Zeit in hoher Reife standen. Brandes also drückte dem Autor so bedeutender Werke wie Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, den Thesen über Feuerbach oder Zur Kritik der Politischen Ökonomie mehr oder weniger kommentarlos ein Körbchen in die Hand, zeigte nur kopfwendend auf seine Fruchtbäume und bedeutete ihm, dem Langschläfer, nun mal hinne zu machen und gab ihm, da Bauer Brandes kein Unmensch war, einen rostigen Fleischerhaken bei, mit dem er das Körbchen, eigentlich eher einen fünf Kilo fassenden Bastkorb, an den vollen Zweigen befestigen konnte. Marx gedachte sich dabei allerdings eine schlanke Hand zu machen und rupfte die Kirschen so, wie sie ihm vor die Finger kamen, also einigermaßen lieblos von den Zweigen ab, wurde aber, als er dem Bauern stolz seinen ersten Fang übergab, regelrecht zusammengeschissen, da Kirschen, ohne Stiele gepflückt, schnell dätsch und dömelig werden und überhaupt nicht mehr zu verkaufen sind. Immerhin hatte Marx bei den nun folgenden 200 Fuhren Gelegenheit genug, seinen Fehler wiedergutzumachen; er stand also eine geschlagene Woche in den Bäumen, vom hohen Mittag bis zum Sonnenuntergang, und pflückte – jetzt fachgerecht, allerdings wesentlich umständlicher – die schwer säuerliche Baumfrucht, bis es ihm rot vor Augen wurde. Ja, er konnte, wenn er gelenkschwer und steif wie ein Gelähmter endlich ins Bett ging, minutenlang nichts anderes als ein riesiges, reines und überwältigendes Rot hinter seinen geschlossenen Lidern sehen.

Wir sagten eingangs etwas frech, dass Karl Marx ein enorm bedeutender Denker war, aber eben nicht der bedeutendste Denker. Warum, könnte man nun fragen, wenn er doch das Gesetz der Welt völlig zutreffend zu beschreiben wusste? Die Sache verhält sich ganz einfach. Marx hat die Welt erklärt, aber keineswegs die wesentlich bedeutendere Frage, weshalb es eine Welt überhaupt gibt. Das aber – und nichts anderes – ist eigentlich Philosophie. Denn es könnte ja auch überhaupt keine Welt geben, was die bei weitem einfachere Struktur wäre, und da es eine Welt – womit wir immer das Universum mit seinem ganzen Klimbim meinen – gibt „und nicht vielmehr nichts“, wie etwa Heidegger treffend bemerkt hat, kann Marx, der zu dieser philosophischen Frage rein gar nichts beizutragen weiß, nicht zu dem Kreis der Titelkandidaten gerechnet werden. Ja, ja – das Kapital, schön und gut und richtig. Gleichwohl bleibt es so, dass dieser Gedanke philosophisch irrelevant ist, und wäre er nicht irrelevant, dann ist er zumindest falsch. Denn würden kommunistische Verhältnisse in ihrer lieblichen und lummerlandliken Form irgendwann einmal technisch Wirklichkeit, ein Gedanke, den Marx im „Maschinenfragment“ vorgedacht hat und der heute durch die stürmische Entwicklung der Produktivkräfte keine blasse Utopie bleiben muss, käme es also zu diesem Reich der Freiheit, dann wäre die eigentlich philosophische Frage, nämlich die nach dem Sinn von Sein und Existenz, kein Jota weiterbewegt worden und bliebe, ontologisch gesehen, so dunkel wie der Hintern eines schwarzen Stieres, sprichwörtlich gesagt.

Glücklicherweise sprach ihn Hinnerk Brandes auf diesen wunden Punkt, höflich, wie er im Grund seines Herzens war, nicht direktan, sondern meinte nach einer Woche, in der er ihn immer wieder in Bäume scheuchte, wenn nur irgendetwas Rotes in ihnen zu sehen war, jetzt käme bald der gesellige Teil seiner Ausbildung, nämlich das Schlachten. Man wolle mit einfachen Hühnern anfangen, Hühnern also, die Marx oft genug lecker im Kaminfang der Brandes’ lustig vor sich hinbrutzeln sah und denen er am Tisch gut genug zusprach.

Wenn ich – freilich ein Jahrhundert später – diese Dinge kritisch kommentierte, denn immerhin könnte man direkt von Ausbeutung sprechen, sagte meine Großmutter mit wegwerfender Hand: „Ach was, der Marx ist hier nicht übernommen worden“, eine Redewendung, die mir heute noch im Ohr klingt, weil sie – passiv genutzt – unüblich und veraltet ist und so viel sagen will, wie man mit dem aktivischen Ich habe mich nicht übernommen heute noch sagt, und damit keineswegs, wie ich Kind dachte, in Rede stand, Karl Marx habe hier als Bauer etwa selbst anfangen wollen. „Nee, nee“, sagte meine Großmutter, „der Marx hat hier eine schöne Zeit gehabt.“ So sei er von der Frau des Hauses einmal wöchentlich zu Bier und Kuchen mitgenommen worden – Kaffee war um diese Zeit auf dem Lande noch nicht so üblich –, eine größere Angelegenheit unter dem weiblichen und ausschließlich reif-weiblichen Teil des Dorfes, bei denen reihum längere Einkehr gehalten wurde und wo es neben dem Hannoveraner Bier auch enorm viele, zumeist fetthaltige Torten zu genießen galt. Marx soll kein Freund dieser geselligen Stunden gewesen sein. Weniger der Torten wegen, von denen er rein anstandshalber vier, fünf Stücke essen musste, sondern wegen des Getratsches, des Durchgehechelten, sagen wir es deutlicher: der üblen Nachrede wegen, die selbst ein Lästermaul wie er nicht völlig korrekt, nämlich schlangenzüngig, bösartig und schlicht ehrabschneidend fand – und jeder, der auch nur wenig von ihm kennt, weiß, dass er sich seiner grundgemeinen Gehässigkeit wegen mit allen seinen alten Mitkämpfern, Engels ausgenommen, der ihn lebenslang finanzieren musste, überwarf –, dass also selbst einem so üblen Schandmaul wie ihm diese hochinteressanten Dorfgesprächelästig, leidig und mit der allgemeinen Menschenwürde schwer zu vereinbaren schienen.

Dafür ging er gerne mit der Jugend des Hauses baden, und zwar in der Fuhse, einem schönen und windungsreichen Flüsschen, das irgendwo entsprang und auch irgendwo enden mochte, und da Badesachen im ländlichen Raum ebenso wenig üblich waren wie Kaffee zu Kuchen, badete man kurzerhand nackt, wobei das starke Genital des Denkers vorteilhaft zur Geltung kam, ein körperliches Detail, das man in dörflichen Kreisen nachdrücklich zu schätzen weiß. Noch heute ist es üblich, einem neugeborenen Jungen sofort nach der Entnabelung den Penis mit spitzen Fingern sanft vom Leib zu ziehen, um zu sehen, ob er ein Breker oder ein Dötter wird. Marx war ein Breker. Was eindeutig für ihn sprach.

Auch fuhr man gerne sonntags en famille im Pferdewagen und mit Baumgrün geschmückt zu leicht erreichbaren Zielen in der Natur, etwa dem Heiligen Berg, einer lächerlich niedrigen Anhöhe inmitten der norddeutschen Tiefebene, die den Ehrennamen heilig nur allein deshalb verdiente, weil sie die einzige Erhebung zwischen Harz und den Rocky Mountains war, sofern man den Blick überhaupt so weit westlich richten möchte. Dort spielte man Akkordeon, sang landestypische Lieder, in denen es zumeist um Heidschnucken ging, trank Bier zu Kuchen oder Blutwurst, wenn man der fettigen Dinge überdrüssig war, kurz, ich möchte gerne glauben, dass Karl Marx in Dollbergen eine rundum schöne Zeit hatte.

Wer uns bis hierhin gefolgt ist und dabei noch immer zum Nachdenken neigt, wird das Problem ungelöst im Kopf mit sich herumtragen, weshalb die Philosophie des Marx entweder irrelevant ist, und wenn nicht irrelevant wäre, dann zumindest falsch sein muss. Das ist sehr einfach. Denn können wir die Frage nach dem Sein, sprich: danach, warum etwas überhaupt etwas da ist und nicht vielmehr nichts, derzeit nicht klären und müssen sie somit der innerweltlichen Geschichte überantworten, dann könnten wir überhaupt keinen kraftvolleren Motor als den Kapitalismus gebaut haben, der in seiner ungeheuren Dynamik alles Ständische und Stehende und Gewohnheitsfaule verdampfen lässt, ein antriebsstarkes System eben: verrückt und richtig und richtig verrückt, hochweise und enorm dumm in einem, das sich in der Verwandlung der Welt gleichsam lokomotivenartig durch die ungeheure Macht des Negativen schiebt und somit nicht nur wie der Weltgeist erscheint und funktioniert, sondern, und das wäre der Clou und die eigentliche List der Geschichte, der Weltgeist tatsächlich ist.

6. Marx wird grundsätzlich

Man wird es als Produktenttäuschung ansehen müssen, wenn permanent der politische und philosophische Teil seines dörflichen Wirkens angekündigt wird, aber nicht zur Darstellung gelangt. Wir haben uns lange davor gescheut. Nicht, weil wir dabei schmachvoll scheitern müssten, sondern weil die Dinge anders liegen und wir als Freunde des Marxistischen Gedankenguts auch eine gewisse historische Verantwortung übernommen haben. Ja, Marx sprach vor Bauern! Er sprach mehrfach vor Bauern, zumindest einmal sprach er sogar mit Nachdruck vor Bauern, um dann zu und mit Bauern zu sprechen, vor und zu und mit Bauern, die sich einmal die Woche im Schmalen Handtuch trafen. Das Schmale Handtuch war eine schwere Kaschemme, direkt gegenüber dem Bahnhof gelegen, die zumindest Hinnerk Brandes nur einmal die Woche aufzusuchen pflegte. Er hatte seine Gründe. Einmal, und zwar immer freitags, traf sich dort eine zwanzigköpfige Runde von Bauern – und hier hat das Omsker Gemälde tatsächlich recht, das mit seinem weizenblonden Feld und einem Marx, der ihm mosesgleich oder zumindest irgendwie magisch zu entsteigen scheint, natürlich holden Blödsinn erzählt –, um die Belange des Dorfes zu besprechen. Hinnerk Brandes nahm seinen, man weiß es gar nicht mehr genau: Lehrling oder Gast in diese Runde mit, nicht ohne ihn gewarnt zu haben, dass der niedersächsische Bauer gemeinhin kein Freund großer Worte ist.

Hinnerk Brandes trat mit Marx ins dunkle Loch, klatschte, um der Palaverei ein jähes Ende zu geben, mehrmals in die Hände, eine wichtigtuerische, ja angeberische Geste, denn Brandes war ein Bauer wie die anderen Bauern hier auch, keinesfalls also eine Art Chefbauer, Obertraktorist oder gar LPG-Vorsitzender, und sagte mit lauter Stimme: „Leute, das ist Doktor Karl Marx!“ – und allein schon das Doktor stimmte die Anwesenden nicht milder, ein, wenn man so will: alter klassenkämpferischer Impuls –, „und Doktor Marx wird zu euch reden“, wozu ihn bislang noch keiner aufgefordert hatte. Marx sammelt sich kurz, neue Bestellungen wurden aufgenommen, er stand vor einem Stuhl, dessen Rücken hier als Katheder dienen musste, und sagte:

„Freunde, Werktätige, Bauern, Ritter der Ähre und Hüter des Halms. Ich bin heute zu euch gekommen, um –“

„Wer kriegt das Spezi?“, fragte der Wirt, taktlos genug, in die Rede hinein, die Getränke verteilend.

„– um euch die Grundzüge des Dialektischen Materialismus zu erläutern –“, wobei schon die wenigen Silben des Hauptbegriffs jeder kommunistischen Weltdeutung genügten, um eine neue Runde zu ordern, „den Dialektischen Materialismus also. Was ist Materialismus?, werdet ihr euch fragen. Materialismus heißt, die Dinge zu sehen, wie sie sind“, was allgemein auf breite Zustimmung traf.

„Aber was ist daran dialektisch? Gute Frage. Dialektisch heißt, dass die Dinge ineinander verwoben sind, thetisch-antithetisch verwoben sind und einer Synthese zustreben. Das ist Dialektik! Es würde uns hier nicht weiterführen, Hegels Phänomenologie des Geistes zu erläutern“ – wobei schon der längere Titel dieses offenbar hochwichtigen Werkes einen unbezähmbaren Bierdurst aller Anwesenden nach sich zog, „aber, um gleich auf den Punkt zu kommen“, was nun aber auch Zeit werde, wie einige Anwesenden meinten, „besteht materialistisch, und ich betone:materialistisch, das Problem darin, dass die Produktivverhältnisse nicht mehr den Produktionskräften entsprechen, dass also –“

„– hast du schon gehört, dass Gastens Mariechen einen Jungen zur Welt gebracht hat – „schischsch!“, machte jetzt Hinnerk Brandes, der sich heute besonders wichtig vorzukommen schien,

„– dass also die dialektische Spannung dieser beiden Begriffe von sich aus bereits zu einer Synthese –“

„Und“, fragte einer der Anwesenden,

„Die Synthese?“, fragte Marx,

„Nee, der Junge“, sagte der Bauer,

„Na – ein Dötter!“, was eine allgemeine Vollbelustigung zur Folge hatte. „Ein Dötter!“, riefen alle Anwesenden mit hoher Häme, „die Gastens kriegen immer nur Dötter, da kann der Hermann frickeln, wie er will.“ „Weil er ja“, der Redner wieherte schon einmal vorsichtig den Witz an: „selber ein Dötter ist!“, womit prustende Lachsalven über Herrmann Gast ausgeschüttet wurden, der zufälligerweise nicht anwesend war. „Ach, Doktorchen, trinken wir ein paar kleine Schnäpse auf die Familie Gast, vor allem auf das Herrmännchen selbst, der es als Dötter schon schwer genug hat.“ Neue Getränke wurden aufgetragen. „Ich wollte“, sagte Karl Marx, „nur noch in wenigen Worten“, doch ein besonders rabiater Zecher, der sich als Puschen Lahmann herausstellen sollte, unterbrach ihn und sagte:

„Nicht lange schnacken, Kopf in den Nacken!“, und so nahm eines der vielen Jahrhundertbesäufnisse im Dorf seinen Anfang, das Karl Marx, der selber ein ordentlicher Trinker war, stark mitnehmen sollte.

Wir wollen es kurz machen. Karl Marx, untergehakt von Hinnerk Brandes und Puschen Lahmann, wurde gegen zehn Uhr abends mit schleifenden Hacken durch die Bahnhofstraße gezogen, sie öffneten die Waschküche des roten Backsteinhauses, und da er stramm wie ein Amtmann war, fragte Puschen Lahmann, auch nicht mehr völlig nüchtern, den Brandes Hinnerk, wohin er seinen Logiergast jetzt zu betten gedächte, er sagte also:

„Wu kömmt hei hi?“, und Brandes, gleichfalls schon mehr als angetrunken, zeigte auf den langen Schlachtertisch und sagte: „Do schäll hei hi“, und so hob man den schwarzgekleideten Herren aus London mitten auf den langen Tisch, wobei es keine große Sache mehr war, dass ausgerechnet hier der jetzt stark zum Tiefschlaf Neigende abgelegt wurde, wo erst am Nachmittag eine Sau ihr Ende fand. Dorfleben ist halt nichts für Pingelige.

7. Z 2

Hinnerk Brandes hatte Wort gehalten. Schon in der fünften Woche als Hilfsbauer durfte Marx Hühner schlachten, eine Arbeit, die ihm flüssig von der Hand ging. Er lockte die arglosen Tiere mit Körnern heran, schnappte sich das jeweils blödeste Geflügel mit einem beherzten Griff, hielt es fest und verbrachte das Tier zur Vorderseite des Hauses, wo bereits Hackklotz und Beil warteten. Ein schmutziges Geschäft. So dass man sagen kann, ja sagen muss: Das leckere Huhn auf dem Teller ist allein der Warenfetisch eines echten Huhns, ein rein abstraktes und sauber sich gebendes Ding, an dem das Blut seiner Herstellung nicht länger mehr klebt, das sich nun lieschenmüllermäßig gibt und wie vom Himmel gefallen und dabei knusprig gebraten erscheint. Deshalb auch: Fetisch!

Hinnerk Brandes mochte das alles nicht. Und daher war es nicht mehr als ein reiner Bauerntrick, dass er Karl Marx Vortritt und Ehre ließ. Er selbst habe schon so viele Hühner geschlachtet, dass er ein wenig auf die Bahnhofstraße zu treten gedächte, mal sehen, was es Neues gibt. Da es aber auf der Bahnhofstraße nie etwas Neues gibt, kam er schon bald zurück, eine Zigarre der Marke Jägerstolz im Mund, und sah Karl Marx das tote Tier jetzt rupfen. Das stimmte ihn stark herab und geradezu melancholisch. Und so sagte er:

„Was passiert mit dem Huhn?“

„Dod, einfach dod“, meinte Marx kennerisch. Das sah Hinnerk Brandes selber. Nein, meinte er deshalb, die Frage sei, wie es mit dem Huhn jetzt weiterginge. Marx, der zu der Überzeugung gelangen musste, dass eine Jägerstolz offenbar stark sedierend wirke und somit als eine Art Opium für das Volk betrachtet werden müsse, guckte rupfend hoch und sagte: „Na, es wird gegessen. Das passiert mit dem Huhn!“ Nun wurde Brandes ziemlich brastig, denn dass man tote Hühner gemeinhin isst und nicht mit Holzwolle ausstopft und an die Wand hängt, versteht sich von selbst. Nein, meinte Brandes spitz – was passiere seelisch jetzt mit dem Huhn, also nun nicht von außen betrachtet, das sehe ja jeder Idiot, sondern von innen, aus der Sicht des Huhnes selbst? Eben noch sei es in der Fülle des Wirklichen gestanden und jetzt?

„Nichts“, meinte Marx, „jetzt ist es im Nichts.“

„Gibt es das Nichts?“, fragte Brandes vorsichtig nach.

„Nein“, meinte Marx jetzt vollverarschend, „natürlich ist das Huhn zu den Vätern gegangen, direkt in den Geflügelhimmel, zu Chicken-Wing, dem großen Hühnergott.“

„Wodurch kam das Huhn überhaupt in die Welt?“

„Na, ich schätze mal, weil seine Eltern gevögelt haben“, sagte Marx, der immer kräftige Vergleiche bereithielt.

„Aber davon abgesehen und rein philosophisch betrachtet“, meinte Brandes, tief an der Jägerstolz ziehend, „kann man sagen: Das Huhn kam aus dem Nichts, um wieder ins Nichts zu gehen.“

„Korrekt! Ab-so-lut korrekt!“

„Kamen auch wir aus dem Nichts, um wieder ins Nichts zu gehen?“

„Ab-so-lut!“

„Ja, aber dann ist doch das ganze Leben und Sterben und Vergehen ein reines Kasperletheater, ein völlig sinnloser Zug der Gestalten!“

„Nein, nein“, meinte Marx: „ein dialektisch-materialistischer Prozess, der dialektisch, also umwegig und im Zickzack und Hin und