Spontan sein - Improvisation als Lebenskunst - Andreas Wolf - E-Book

Spontan sein - Improvisation als Lebenskunst E-Book

Andreas Wolf

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Beschreibung

Woher kommt Spontaneität? Wie funktioniert sie? Und wie kann man sie erlernen? In schwierigen Situationen in Beruf und Alltag hilft Improvisation als Lebenskunst. Der Weg von der Spontaneität zur kunstvollen Improvisation zeigt im ersten Teil informativ und mit den wichtigsten aktuellen Fakten, wie sehr Spontaneität in uns schon sinnvoll angelegt ist. Im zweiten Teil werden diese Erkenntnisse in Übungen praktisch umgesetzt. Die Übungen entsprechen einem Grundkurs für Improvisationstheater und führen den Leser spielerisch in die wichtigsten Grundlagen ein. Die eigene Spontaneität kann sofort selbst ausprobiert werden, Veränderungen im eigenen Verhalten, Erkenntnisse über die eigene Persönlichkeit können humorvoll erfahren werden. Beide Teile sind im e-Book miteinander verlinkt, so dass man zu jedem theoretischen Thema sofort die passende Übung findet und umgekehrt. So können die Lesenden spontan ihren Impulsen folgen. Über 30 Jahre Erfahrung mit Improvisation bringt Andreas Wolf, Gründer des fastfood theaters, in sein stark überarbeitetes Buch mit ein. Endlich eine umfassende Darstellung, die das Phänomen Improvisation auch tiefergehend beschreibt.

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Andreas Wolf

IMPROVISATION

ALS LEBENSKUNST

für Mare und die Schauspieler des fastfood theaters

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb-d-nb.de abrufbar.

4. Auflage 2020

Spontan sein. Improvisation als Lebenskunst.

Mit einem Grundkurs Improvisation

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werks darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

comteammedia.de

© 2013 comteammedia – eine Marke der ComTeam AG, Gmund

Umschlaggestaltung, Satz: Mel Brunner, ComTeam AG, mit Verwendung eines istock-Fotos

Lektorat: Jutta Friedrich

E-Book Konvertierung: mach-mir-ein-ebook.de

ISBN 9 783 981 566 482

Alle Rechte vorbehalten.

Inhalt

VORWORTEINLEITUNGGEBRAUCHSANLEITUNGTRAMPELPFADDER FLUSSDAS HIER UND JETZTIM MINUSBEREICH: ANGSTSIMULATIONLEERER RAUMICH ASSOZIIEREDAS GEGENÜBERSCHEITERNKONTROLLEKÖRPER – GEFÜHLE – WELTIM PLUSBEREICH – DER KERN„DO SOMETHING!“DAS VERSPRECHENINSPIRATIONCHAOSSPIELRÜCKSCHAUFLOWGROSSMUTGRUNDKURS IMPROVISATIONSTHEATERGarderobeWahrnehmung Körperscan | AtemübungImpulse und Assoziationen Impulsgehen | Geräuscheball | WortballEntscheidungen Das Und-Spiel | StatutenSpiel- und Simulationssituation Ich bin ein …Das große JA Geschenke | Ja, genau, und dann …Gefühle Gefühlskörper | Ist da noch mehr? | 10 EmotionenBühnen- und Spielraum Was machst du?Kommunizieren mit dem Gegenüber Zeigen, nicken, gehen | Szenensituation erfinden | Begegnung mit dem BallIrgendwie anfangen Geste Zug um ZugLust am Scheitern Fangen spielen | Neues AngebotKeine Ahnung Gesten assoziierenReaktion und Rechtfertigung Ja, genau, weil … | SpitfireEinstellung Jaaa-Übung | Charakter-Pingpong-SzeneDas Ziel Das Wort-für-Wort-SpielKopf freimachen Gleichzeitig assoziierenAngebote Angebote vertiefenChaos und Ordnung Jo-ha-kyu | Jo-ha-kyu-Geste | Jo-ha-kyu-SzeneSpielstrukturen In Mustern assoziierenSpiele erfinden Plötzliches SpielBlick zurück Rückwärts durch die Geschichte gehen | Satz für Satz rückwärtsTransformation TransformationsmaschineStandpunkt FigurenreigenANHANGÜBER DEN AUTORFASTFOOD THEATER – BEST OF IMPROLITERATURVERZEICHNIS

Landmarks

Copyright-PageCoverTitle Page

Täglich erleben wir, dass es uns bremst.

Warum wir nicht handeln?

Da gibt es eine Angst, eine Vorsicht.

Handeln ist eine Sache der Übung.

Vorwort

Wer lacht, hat keine Angst.

DIE ZEIT Überschrift, 27.7.2017

Ich kann jemanden spontan töten und ich kann jemandem spontan über die Straße helfen. Improvisation kann mir helfen, etwas Schlechtes zu tun oder etwas Gutes. Deshalb hat Spontaneität immer auch einen ethischen Hintergrund, wenn wir sie anwenden. „Improvisation als Lebenskunst“ bedeutet: die Kunst, im Alltag Glück zu erfahren. Improvisation als Mittel, wie wir sie verstehen, geht ohne die Achtung des anderen nicht. Das Gegenüber ist dasjenige, an dem sich ein Ich orientiert. Freiheit und Glück sind nur in und mit dem anderen erfahrbar.1

Viele von uns entwickeln sich zum Homo oeconomicus, dessen Ethik in großem Maße durch die Macht von modernen, global operierenden Konzernen bestimmt wird. Das Du wird geschickt kommerzialisiert und virtualisiert und zwar durch die Idee der selbstbestimmten Konsumentenentscheidung, die rational begründet ist.2 Hier wird uns suggeriert, dass ein Du käuflich ist. Zusätzlich erschweren viele unserer modernen Lebensumstände das Erlernen und Erleben von „echten“ Beziehungen.3 So wird Lebenswirklichkeit mehr ein Nebeneinander als Zugewandtheit. Das Gegenüber wird zum Unsicherheitsfaktor und damit zum Angstauslöser. Diesem Trend wollen wir eine Lebenskunst entgegenstellen, die zu ihrem Ausdruck nichts weiter braucht als Menschen, die wir als Gegenüber achten und wahrnehmen.

Seit dem ersten Erscheinen des Buchs wird Improvisation nicht nur in Unternehmen eingesetzt, die darin die Möglichkeiten sehen, notwendige Veränderungsprozesse noch besser zu implementieren, sondern zunehmend auch in therapeutischen Kontexten. Improvisationstheater regt zum Lachen an, weil unvorhergesehene Dinge passieren. Wer lacht, hat keine Angst. Wer mit seiner Angst umgehen kann, kann leichter geheilt werden.

Wer gesund ist, kann mutig und couragiert handeln. Wer handeln kann, kann sich leicht mit einem Gegenüber in Beziehung setzen. Deshalb ist Improvisationstheater als Möglichkeit persönlicher Weiterentwicklung über die Bühne hinaus nicht nur in den pädagogischen, sondern auch in den therapeutischen und wirtschaftlichen Bereich unserer Gesellschaft vorgedrungen. Und: Es kann gefährlich werden, weil es subversiv gefestigte Strukturen infrage stellt.

Dies ist eine stark überarbeitete Auflage, in der ich das Erklärungsfeld „Spontaneität“ erweitert und um aktuelle Forschungserkenntnissen sowie einige Kapitel ergänzt habe.

Andreas Wolf, 2020

Einleitung

Improv is the only art form I know, where the artistic principles are identical with the ethical principles.

DEL CLOSE 4

„Sharing“, „Caring“, „Cooperation“ – das sind in diesen Tagen Schlagwörter, mit denen ein neues Lebens- und Wirtschaftsmodell entworfen wird. Diese Modelle versuchen, nachhaltig mit menschlichen und materiellen Ressourcen umzugehen. Die Ideen beruhen auf einem Menschenbild, bei dem die Fähigkeit, von einem festgesetzten Plan abzuweichen, existenziell wichtig ist. Dagegen erzeugt das Beharren auf Anspruch und Besitz gewöhnlich eine hohe physische und psychische Anstrengung. Ohne den bewussten Einsatz von Spontaneität, der Fähigkeit, sich optimal neuen Situationen anzupassen, ist die Realisierung neuer Modelle allerdings nur schwer möglich. Doch einfach nur „Sei doch mal spontan!“ zu sagen, reicht nicht aus, um diese Fähigkeit auch zu erlangen. Wenn Sie diesen Ausruf in Ihrem Leben zu hören bekommen, ist es mit der Spontaneität bereits vorbei, weil dazu aufgefordert werden muss. Spontaneität impliziert, dass Sie vorher nicht nachdenken, sondern intuitiv handeln. Es ist also nicht möglich, zur Spontaneität aufzufordern, sie zu planen oder nach einem Rezept durchzuführen. Man kann nur spontan sein und hinterher in der Rückschau mit einer gewissen Überraschung feststellen, dass man ja spontan gewesen ist. Das heißt, Sie müssen trainieren, immer wieder bewusst spontan zu sein, um diesen ungewohnten Prozess dann unbewusst abrufen zu können. Die Vielfalt und Unschärfe, die dieses Thema umgibt, zeigt, dass nur aus einer subjektiven Perspektive und Erfahrung Licht auf das Thema geworfen werden kann.

Spontaneität selbst ist eingebettet in eine ganze Reihe von Eigenschaften. Eine davon ist Vertrauen. „Das Vertrauen zeigt sich dem Betrachter, (…) aber damit es leisten kann, was es leisten soll, dürfen die Akteure nicht darüber nachdenken, ob sie einander vertrauen oder nicht.“5 Auch hier treffen wir genau wie bei der Spontaneität auf das Paradox der Erwähnung. So ist Vertrauen selbstverständlich und kann genau wie die Spontaneität nicht nachgefragt werden.

Muss man jedoch darüber reden und sich des Vertrauens versichern, ist bereits Misstrauen im Spiel. Vertrauen ist einfach da – oder nicht. Dass man Vertrauen jedoch lernen und entwickeln kann, teilt es mit der Spontaneität. Aber nicht nur das: Vertrauen ist die Grundlage für Spontaneität.

Ohne Vertrauen in Ihr Selbst und Ihre Umwelt gibt es keine Spontaneität. Deshalb gehören beide Phänomene untrennbar zusammen. Wer spontan ist, vertraut, teilt, kümmert sich und kooperiert. Er muss dies tun, denn ansonsten kann er nur für sich allein spontan sein. Spontaneität wird in diesem Buch immer im Kontext einer Beziehung zu anderen gesehen.6

Jeder Mensch ist spontan.7 Wer eine Situation spontan löst und dazu mehrere spontane Impulse einsetzt, improvisiert. Um Spontaneität zu erlernen, ist das Improvisationstheater als Methode und Werkzeug hervorragend geeignet. Es ist ohne Vorkenntnisse einfach anzuwenden, macht Spaß und bezieht sich immer auf den handelnden Menschen. Für Kenner des Improvisationstheaters kann es in diesem Buch, gerade im ersten Teil, interessante theoretische Anregungen geben. Es lohnt sich deshalb, auch einen Blick in die Anmerkungen zu werfen. Wer mit Improvisationstheater schon in Berührung gekommen ist und eine Ahnung von dem Potenzial erhalten hat, das darin steckt, der bekommt hier ein umfassendes Bild vom Wesen der Spontaneität und kann sein Wissen durch die ausführlich beschriebenen Übungen vertiefen. Wenn Sie sich zum ersten Mal damit beschäftigen, dann sollten Sie Spontaneität vor allem einfach mal ausprobieren.

Es spielt keine Rolle, ob Sie nun Künstler sind, für den Improvisation zum grundlegenden Handwerkszeug gehört, ob Sie sich im Alltag die Geheimnisse des schnellen Reagierens aneignen möchten oder beruflich mehr Flexibilität erreichen wollen. Wenn Sie diesen Weg einschlagen, werden Sie den Weg der Veränderungen gehen. Dafür ist es keine Voraussetzung, das Buch von vorn zu lesen. Sie können einfach spontan irgendwo einsteigen.

Gebrauchsanleitung

Dieses E-Book besteht aus zwei Teilen: Einem erläuternden Textteil und dem Grundkurs Improvisation mit praktischen Übungen. Zwischen diesen kann man, wenn man will, spontan querlesen. Klicken Sie einfach im Fließtext auf eine der Erläuterungen und Sie landen sofort an der Stelle im jeweils anderen Teil des Buches, auf die verwiesen wird. So kann man auch gleich etwas zu den Hintergründen der Übungen oder Übungen zu theoretischen Erkenntnissen bekommen.

Viel Spaß beim sprunghaftem Lesen.

Trampelpfad

Sommerfluss. Da ist eine Brücke, doch das Pferd geht durchs Wasser.

MASAOKA SHIKI

Als Kind sind Sie jahrelang denselben Weg, beispielsweise auf einem ausgetretenen Trampelpfad, quer über die Felder nach Hause gegangen. Jahre später kommen Sie an dieselbe Stelle. Und ohne zu zögern, können Sie fast blind denselben Weg gehen, obwohl Sie sehr lange nicht dort waren. Sie gehen dann diesen Weg entlang, erkennen ihn wieder und es erfüllt Sie mit einem schönen und angenehmen Gefühl, auch wenn sich in der Umgebung einiges verändert hat.

Nun stellen Sie sich vor, es hat sich hingegen sehr viel verändert, womöglich ist jenes Feld bebaut worden. Es entsteht in Ihnen einerseits der spontane Wunsch, diesen Weg gehen zu wollen, und die neugierige Frage, was es denn Neues gibt. Andererseits mag Enttäuschung eintreten, weil die Umgebung sich so stark verändert hat. Sowohl die positive wie auch die negative Reaktion beruhen auf einem Abgleich mit dem vorhandenen Wissen, der Erinnerung.

Zwei Dinge kann man hier schon feststellen: Wir reagieren so, wie wir es gewohnt sind, und unsere Reaktionen sind mit Gefühlen verbunden. Und: Ob Sie sich für Neugier oder Enttäuschung entscheiden, steht bereits fest, bevor Sie darüber nachdenken.

Wenn Sie eine spontane Entscheidung treffen und in diesem Moment in Ihr eigenes Gehirn schauen könnten, würden Sie sehr gut verstehen, warum Sie eine bestimmte Entscheidung getroffen haben. Doch so nehmen wir uns nicht wahr, sondern für uns ist dies eine einfache spontane Reaktion. Ob positiv oder negativ. Es sind Ihre Denkmuster, die das Ergebnis von Prägungen sind, die Ihre spontanen Entscheidungen von Anfang an beeinflussen. Dies zu verstehen, bedeutet, die eigene Spontaneität richtig einzuschätzen. Schon im Mutterleib machen Sie aufgrund des individuellen Stoffwechsels erste unverwechselbare Erfahrungen. Und auch nach der Geburt ist die menschliche Ausgangsposition in der Natur eine Besondere: „Keine andere Spezies kommt mit einem derart unreifen und deshalb offenen, lernfähigen und durch eigene Erfahrungen in seiner weiteren Entwicklung und strukturellen Ausreifung gestaltbaren Gehirn zur Welt wie der Mensch“, schreibt Gerald Hüther.8 Und weil es diese grandiose Möglichkeit zur Offenheit gibt, sind wir alle innerhalb unserer Kultur individuell und unterschiedlich geprägt. Die Funktionsweise ist die gleiche wie beim Trampelpfad, den wir jahrelang gegangen sind. Im Laufe unserer Entwicklung werden Eindrücke zur Gewissheit und diese schließlich zu Wissen gebahnt, dadurch dass durch die Eindrücke über die Sinne immer wieder dieselben Muster an Nervenzellen aktiviert werden. Immer wieder wird derselbe gewohnte „Weg gegangen“ und immer tiefer und stärker beeinflusst uns diese Prägung.

Probieren Sie einmal die Übung „Wortball“ aus und stoßen Sie auf Ihre Prägungen, die Sie auch mit Ihren Spielpartnern teilen. Lassen Sie sich von Ihren Gemeinsam­keiten überraschen!

Sie gibt uns Sicherheit, weil wir eine (vielleicht nicht immer gute, aber wohlbekannte) Erfahrung gemacht haben. Während sich unser Denk- und Reaktionssystem entwickelt und gleichzeitig eine unglaubliche Komplexität erreicht, handelt es beständig und fällt bis zu 20.000 Mal am Tag Entscheidungen:9 bewusst und willentlich und in der Mehrzahl spontan, intuitiv und unbewusst. Stark vereinfacht, durchlaufen diese Entscheidungen eine Art hierarchisches System, das vier Ebenen unserer persönlichen Prägung repräsentiert. Gerhard Roth beschreibt diese Ebenen in seinem Buch „Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten“ aus der Perspektive der neuronalen Abläufe im Gehirn. Er zeigt, dass in der untersten Ebene bereits die Entscheidung getroffen wird, ob ein Impuls als positiv (Hinbewegung) oder negativ (Wegbewegung) wahrgenommen wird.10 Auf dieser Ebene wird mit der Reaktion immer eine Antwort auf die Überlebensfrage gegeben, so wie es bei fast allen Wirbeltieren der Fall ist: „Verhaltensweisen und Empfindungen wie Angriffs- und Verteidigungsverhalten, Dominanz- und Paarungsverhalten, Flucht und Erstarren, Aggressivität, Wut usw.“

Die zweite Ebene,11 die sich daran anschließt, stellt für den eigenen Organismus die Frage: „Was habe ich davon, wie kann ich davon profitieren?“ Gibt es eine Übereinstimmung zur ersten Ebene, dann findet das Gehirn dazu die passende Motivation: „Da will ich hin, weil …!“(Motivation) oder „Da will ich weg, weil …!“ (Furcht). Diese Ebene ist direkt mit den entsprechenden Nervenbahnen verbunden, sodass man hier oft die entsprechenden Impulse bereits im Körper sehen kann: Einem Spieler zuckt es in den Beinen und er will in eine Szene gehen oder er steht eher skeptisch zurück­gezogen da. Gibt es in der Einschätzung einen Widerspruch, so erkennt man die Hemmung durch Hin- und Hergerissen-Sein. Diese beiden Ebenen leiten unser spontan-intuitives Verhalten, im Alltag wie auch in improvisierten Szenen. In der Sprache der Improvisateure wird eine Hinbewegung „ein Angebot machen/annehmen“ genannt; eine Abwehr oder Wegbewegung „blockieren“. Dies wird gewöhnlich als sehr hinderlich angesehen und passiert auch den erfahrensten Spielern immer wieder.12

Wenn Sie die Übung „Charakter-Pingpong-Szene“ probieren, werden Sie sehen, wie schwierig es ist, den Partner nicht zu blockieren.

In der dritten, nächsthöheren Ebene werden die Impulse auf ihre Bewertung hin abgeklopft.13 Es geht um Belohnung oder Schmerz, verbunden mit ethischen Normen, dem Sozialverhalten und allgemeiner Risikoabschätzung. Diese Ebene ist durch Training beeinflussbar. Hier können wir lernen, Impulse des Gegenübers anzunehmen, anstatt sie zu blockieren und damit abzuwehren. Spontaneität wird in eine für uns nutzbare Bahn gelenkt. Wenn Sie die Erfahrung gemacht haben, dass das in der sozialen Gruppe als positiv angesehen ist, löst dies Belohnungseffekte aus, die dieses neue Verhalten unterstützen. Da aber die unteren beiden Ebenen auf ihre „alte“ Weise immer mitwirken, ist das Zurückfallen in alte Muster – und das ist eben oft die Blockierung – leider ebenso Teil der Normalität, was den Lernprozess verlängert.

Die vierte Ebene ist die „kognitiv-kommunikative Ebene“.14 Sie umfasst das Arbeitsgedächtnis, das Sprachzentrum, Verstand, Intelligenz und Wahrnehmung komplexer sozialer Signale. In dieser Ebene befinden wir uns, wenn wir aktiv während einer Szene darüber nachdenken, wie wir zum Beispiel unterstützend eingreifen können. Dieser Denkvorgang ist uns bewusst und kann auch anschließend wiedergegeben werden.

Neben dieser Hierarchie gibt es auch noch die Instanz „daneben“: das „Vorbewusstsein“.15 Hier scheint sich einiges abzuspielen, was für das Improvisationstheater von Bedeutung ist, da es sich vor allem auf Bereiche des sprachlichen Systems bezieht. Das Vorbewusstsein ist Teil des Bewusstseins und umfasst Informationen, die nur in bestimmten Momenten und Situationen abrufbar und sprachlich wiedergegeben werden können. Zum Beispiel der PIN-Code der Bankkarte: Das Vorbewusstsein ist dafür zuständig, wenn Sie an Ihrem gewohnten Bankautomaten stehen und der PIN-Code Ihnen genau dann einfällt, in einer anderen Situation aber möglicherweise nicht. Es gibt zahlreiche Erfahrungen von Improspielern auf der Bühne, bei denen diese intuitiv auf bereits Gespeichertes zurückgreifen konnten, was ihnen bei einer Reflexion neben der Bühne nie eingefallen wäre.

Wenn man Improvisation in seiner ganzen Breite erfassen will, ist es gut, die unterschiedliche Qualität spontaner Impulse zu verstehen. Angefangen bei der durch unsere evolutionäre Entwicklung geprägten untersten Ebenen und endend bei den durch einen bewusst kognitiven Vorgang erzeugten Impulsen. Auf diese Weise verstehen Sie Ihre Trampelpfade und können auch einmal neue Wege gehen.16 Und wenn Sie um Ihre angeborenen Impulse wissen, gehen Sie – auch wenn es mal nicht so klappt – nicht so hart mit sich ins Gericht, da Sie ja wissen, wie tief bestimmte Muster verankert sein können.

Der Fluss

Großartige Improvisierer schwimmen mit dem Strom.

Keith Johnstone

Ein Paradox: Wer die felsige und zerklüftete Küste Kroatiens kennt, weiß, dass es dort eigentlich gar keinen richtigen Sandstrand gibt. Es gibt Abertausende Buchten mit zerklüfteten und zum Teil scharfkantigen Felsen, in denen man sich verstecken, sonnen und auch baden kann: Doch Sandstrand gibt es kaum. Mit kleinen Kindern ausgestattet, waren wir froh, bei unserem jährlichen Kroatienbesuch auf der Insel Lošinj einen solchen zwei Meter breiten „Strand“ gefunden zu haben, an dem die Kinder, die noch nicht schwimmen konnten, mit Sandspielzeug Kanäle und Burgen in den Sand bauen konnten.

Die Kinder schaufelten Sand und schöpften Wasser in einen Eimer, um ihn am Strand auszukippen und dem Wasser zuzuschauen, wie es seinen Weg zurück ins Meer suchte.

Ich sah den Kindern zu und betrachtete selbst mit Staunen, wie es dem Wasser gelang, immer wieder – elegant die Steine umkurvend und sich dann verzweigend – ins Meer zu fließen. Und irgendwann in diesen zwei Wochen ging mir ein Licht auf: Wenn hier jemand spontan ist, wenn hier jemand improvisiert, dann das Wasser mit seinen Eigenschaften.

Einmal ausgeschüttet, hat das Wasser ein Ziel. Nämlich nach unten. Und unten ist ja der große Rest des Wassers auch: auf Höhe des „Meeresspiegels“, im Grundwasser, in Höhlen usw. Die Zielgerichtetheit gibt dem Wasser immer klar die Richtung vor, ohne dass man weiß, welchen Weg es nun genau dorthin nimmt. Es gibt zu viele Hindernisse und Unsicherheitsfaktoren wie Wassermenge oder Bodenbeschaffenheit, als dass man den Weg des Wassers vorherbestimmen könnte. Erst hinterher weiß man, welchen Abzweig es gewählt hat und wo es tatsächlich ins Meer fließt. So wurde dieses Kinderspiel plötzlich sehr spannend. Was macht das Wasser jetzt? Welchen Weg nimmt es? Rechts am Stein vorbei oder links? Wie geht es mit dem jeweiligen Hindernis um? Offensichtlich gab es kleine, aber klare Entscheidungen, die dafür sprachen, einen ganz bestimmten Weg zu nehmen.

Und so, wie man den Verlauf des Wassers am Strand beobachten kann, verfolgen kann, wie es in verschiedenen Situationen reagiert, kann man auch Menschen beim Improvisieren beobachten. Auch die Improvisation hat immer ein Ziel: eine Aufgabe oder ein Problem spontan zu lösen. In welchen Bahnen sie dann anschließend verläuft, kann man nur schwer vorhersagen. Unvorhersehbares Verhalten kann aber gefährlich werden, weil es nicht kontrollierbar ist. Deshalb haben wir dem Wasser Grenzen gesetzt: Wir haben die Flüsse kanalisiert und am Meer Dämme gebaut, um die Spontaneität des Wassers zu beherrschen.

In unserem Alltag haben wir Gesetze, Regeln und Konventionen für das alltägliche Leben entwickelt, an die wir uns halten, damit wir nicht spontan gefährlichen Übergriffen unserer Nachbarn ausgesetzt sind. Interessanterweise kann all das Katastrophen nicht verhindern. Überschwemmungen kleiner Bäche, die zu reißenden Strömen anwachsen, zeigen, dass das Wasser doch immer wieder einen Weg findet, an den Menschen zuvor nicht gedacht haben. Auch menschliches Verhalten ist trotz aller Gesetze nicht kontrollierbar. Auf der einen Seite kann spontanes menschliches Verhalten zu Katastrophen führen, wenn wir aus dem Affekt heraus Dinge tun, die anderen schaden. Auf der anderen Seite gibt es viele Beispiele dafür, wie sich Menschen spontan gegenseitig geholfen haben, weil es gerade notwendig war.

Wenn wir uns den spontanen Verlauf des Wassers ansehen, so wird an jeder Stelle neu entschieden, wo es entlangfließt. Einzige Voraussetzung: Raum und Gefälle. Das Meer ist das Ziel.

Improvisation ist also eine Reihe spontaner Handlungen in eine vorgegebene Richtung. Das Wasser reagiert nach physikalischen Gesetzen auf Hindernisse und die Gegebenheiten bestimmen jedes Mal neu, in welcher Bahn das Wasser verläuft.

Schauen Sie sich um: Ob Sie im Zimmer eine Fliege, eine Pflanze oder die Bewegungen eines Vorhangs im Windzug beobachten – überall können Sie Ungeplantes entdecken. Lassen Sie sich von der Spontaneität der Natur überraschen.

Doch im Gegensatz zum Menschen kennt das Wasser keinen Willen, keine Gefühle und deshalb auch keine Angst vor einem möglichen Hindernis. Angst hindert uns Menschen oft an positiven spontanen Reaktionen. Je schneller es geht, desto weniger ist der Weg in seinem Verlauf vorherzusehen.

Wenn Sie lernen, dass Ihre spontanen Impulse richtig sind, dass Ihr Bauchgefühl in bestimmten Situationen doch recht hat, dann können Sie mit dem Vertrauen in sich selbst und in Ihre Spontaneität einen Verbündeten für ein freieres Leben finden und haben weniger Angst vor der Zukunft. Wenn Sie nun auf Knopfdruck sozusagen selbst spontan sein wollen, müssen Sie sich in eine entsprechende Situation bringen.

Stellen Sie sich also vor, Sie springen in ein fließendes Gewässer. Sie betrachten es nicht nur staunend von außen, wie es den Strand hinunterfließt, sondern begeben sich selbst hinein. Improvisation bedeutet, mit den Folgen spontaner Entscheidungen klarzukommen.

Diese Folgen ziehen eine Reihe neuer spontaner Entscheidungen und Handlungen nach sich, weil sich die Situation immer wieder ändert. Sie müssen schwimmen, über Wasser bleiben, das Ufer erreichen, sich abtrocknen usw. In einer vorgeplanten Situation würden Sie den Flussverlauf untersuchen, die Strömung beobachten, Gefahren lokalisieren und eine Schwimmroute erstellen.

Im Gehirn würden Sie gleichzeitig sehen, dass die Neuronen getaktet arbeiten und in bestimmtem Rhythmen miteinander oszillieren. Auf diese Weise kommunizieren die verschiedenen Areale des Gehirns miteinander und sind aufeinander abgestimmt. Durch die gemeinsamen Frequenzen entsteht so etwas wie ein interner Kommunikationsstrom, der verhindert, dass in den Netzwerken der Nervenzellen Chaos ausbricht.

Durch die Rhythmisierung können die einzeln wahrgenommenen und verarbeiteten Faktoren eines Vorgangs zu einem Strom verbunden werden, sodass wir das Ganze erkennen und nicht an den einzelnen Impulsen hängen bleiben. So wie Sie das Wort s – p – o – n – t – a – n als Ganzes lesen und nicht jeden einzelnen Buchstaben.

Deshalb hilft es uns, im Sinne der Spontaneität auch so sehr im Fluss zu bleiben, mit den Dingen zu gehen, um das Ganze schneller zu erkennen, und dadurch besser handeln zu können. Ein Beispiel für unseren Umgang, mit der Idee im Fluss zu bleiben, ist folgendes Gedankenexperiment. Lesen Sie folgendes Wort: s-p-a-n-t-a-n. Reflektieren Sie kurz darüber, wie lange Sie sich damit aufgehalten haben, ob oder warum hier ein Fehler vorliegt.

Oder haben Sie den „Druckfehler“ einfach zur Kenntnis genommen und lesen den Text nun weiter, weil Sie an das „große Ganze“ denken? Hängen bleiben, stocken, aus dem Takt kommen, nicht mehr im Prozess oder Fluss sein, heißt reflektieren, nachdenken, sich vor allem auf den kognitiven Bereich konzentrieren und damit weg vom spontanen Impuls kommen.

Probieren Sie die Übung „Was machst du?“ unter dem Aspekt, im Fluss zu bleiben, aus. Spielen Sie nur so schnell, dass Sie in einem gleichmäßigen Rhythmus hindurchkommen. Mit der Zeit werden Sie immer schneller.

Für mich ist in den letzten Jahren die Idee, in einer Improvisation im Fluss zu bleiben, zu einem zentralen Punkt geworden. Das Erlernen der Improvisation geht so viel einfacher. Das Bild eines Flusses eignet sich also sehr gut als Metapher und das Improvisationstheater als Methode, um Spontaneität auszuprobieren.

Alle diese Gedanken werden Sie im Angesichts Ihrer Situation vor dem Fluss nicht haben und – insofern Sie jetzt nicht schon frieren oder zweifeln, was Sie zum Nachdenken und damit aus der Spontaneität bringt – letztendlich springen Sie doch in den Fluss und schwimmen mit dem Strom, ohne zu wissen, was hinter der nächsten Biegung des Flusses passiert. Kommt da vielleicht ein Strudel, eine Stromschnelle oder der berühmte Wasserfall?17

Der Blick nach vorn ist also geprägt von Unwissenheit und das erzeugt zunächst einmal Furcht, Misstrauen und Angst. Das Kommende und Unbekannte liegt außerhalb der Kontrolle des eigenen Einflussbereichs. Wenn Sie sich jedoch einen Moment treiben lassen und zurückschauen, dann sehen Sie, dass Sie den Fluss bis hierhin gut überstanden haben; Sie haben die Klippen genommen und den richtigen Weg gewählt. Erst die Rückschau erlaubt es Ihnen, die Logik innerhalb Ihrer Improvisation zu erkennen. Wenn Sie Angst vor der Zukunft haben, werden Sie so schnell wie möglich aus dem Fluss steigen.

Probieren Sie doch mal einfach die Übung „Ich bin ein …“. Und springen Sie! Spontaneität erlernen heißt, ungeplante und unkontrollierbare Situationen zu schaffen, in denen Probleme gelöst werden müssen.

Wenn Sie aber hindurchschwimmen wollen, müssen Sie mit dem Unbekannten hinter der nächsten Biegung rechnen. Deshalb bringen Sie mit der Spontaneität Vertrauen in die Zukunft mit.

Bereiten Sie sich in der „Garderobe“ darauf vor.

Ich erinnere mich gut an die Anfänge, als wir voll Unwissenheit 1991 mit einer Gruppe Studenten auf der Studiobühne der Uni München die ersten Improvisationsszenen ausprobierten. Dieses Probieren, diese ersten Erfahrungen, dass Improvisation funktionieren kann, bereitete so viel Freude, dass ich das Gefühl hatte, jemand hätte ein Fenster in meinem Kopf geöffnet und einmal ordentlich durchgelüftet.

Und diese Frische hielt gut eine Woche bis zum nächsten Treffen und zum nächsten Ausprobieren an. Auf diese Weise wurde Improvisation für mich zu einer Art Droge und ich gewann Stück für Stück Vertrauen in meine Spontaneität. Dass daraus eine professionelle Theatergruppe wurde, war kein Plan für die Zukunft. Es passierte einfach, weil wir immer „weiterschwammen“. In der Rückschau ganz logisch.

Der spontane Moment: Das Hier und Jetzt

Weitere Experimente auch von anderen Wissenschaftlern zeigten, dass wir, ohne es zu merken, in der kurzen Zeitspanne dieser „Zwischenzeit“ sogar Änderungen in einem bereits laufenden Entscheidungsprozess vornehmen können. Und erst recht datieren und deuten wir dann in der Rückschau alles in unsere Wahrheit um. Wir konstruieren in unserer eigenen Wahrnehmung eine für uns logische Reihenfolge der Ereignisse, obwohl diese gar nicht den Tatsachen entsprechen muss.

Libet schreibt: „Viele unserer Gedankenprozesse sind anscheinend unbewusst und insbesondere mit der Lösung eines Problems verknüpft.“ Probleme, die auftauchen, werden jederzeit spontan in die Entscheidungsprozesse mit integriert. Mögliche Problemstellungen werden ständig mitbedacht. Wir lösen also Probleme! Sie denken bei einer spontanen Handlung zwar nicht bewusst voraus, doch ordnet das Unterbewusstsein das Geschehen in Ihr Wissen und Ihr Bild der Welt ein. Libet wies nach, dass möglicherweise spontane Impulse von Ihnen aufgrund eines in diesem Gedankengang aufgetauchten Fehlers korrigiert werden können. Eine solche Korrektur erkennt man oft an einem „Zucken“: Sie wollten losgehen, doch sind Sie schließlich stehen geblieben. Etwas hielt Sie zurück.

Wenn Sie in einer Gruppe die Übung: „Zeigen, nicken, gehen“ zum ersten Mal und genau nach den Anweisungen spielen, merken Sie, wie „falsch eingeordnete“ Impulse korrigiert werden oder in chaotischen Zuständen enden können.

Das Sprechen einer Muttersprache ist ein gutes Beispiel für einen Prozess, der zeigt, dass es ohne unbewusste Mitarbeit des Gehirns nicht geht. Der gesprochene Satz wird unbewusst bereits vorbereitet, bevor er bewusst ausgesprochen wird. Wir können uns selbst aber nicht an diesen Vorbereitungsprozess erinnern, sondern formulieren – nicht einfach wild, sondern flüssig – nach einer ganzen Reihe von Regeln und Gesichtspunkten: der Grammatik. Innerhalb des Drei-Sekunden-Gegenwartsfensters können Sie Sätze über diese Distanz vorplanen und mit der Fähigkeit des Gehirns Einzelteile zu einem Ganzen verbinden und Verständnis schaffen. Ihr Wissen über Satz- und Wortgrammatik hilft Ihnen, einen Dialog zu führen und zu kommunizieren, weil Sie und Ihr Gegenüber sich verstehen. Sie synchronisieren sich mit Ihrem Partner. Es bleibt aber nicht nur dabei: Genau wie es auf der nächsthöheren Stufe eine „Textgrammatik“22 gibt, gibt es im Improvisationstheater auch eine Grammatik für Geschichten! Geschichten sind die Basis, auf der spontan agiert wird. Die typische und erfolgreiche Struktur ist tief in unseren Denkstrukturen verankert und findet sich in vielen Facetten unserer Wahrnehmung wieder. Auch deshalb ist Improvisationstheater ein universelles Werkzeug, um Spontaneität und Improvisation in den verschiedensten Situationen zu erproben.

Nehmen Sie auch Ihr Fachwissen hinzu. Beschränken Sie den Begriff der Spontaneität nicht nur auf alltägliche Ereignisse. Besitzen Sie eine tiefere Kenntnis über bestimmte Zusammenhänge, können Sie innerhalb dieses Fachgebiets gut improvisieren. Genau wie bei Sprachen gibt es Formen, Genres für Geschichten, damit diese eingeordnet und erkannt werden können. Ein Western hat zum Beispiel eine bestimmte Form mit immer wiederkehrenden Regeln. Ein Gesellschaftsroman des 19. Jahrhunderts dagegen hat andere Regeln.

Nicht ganz einfach, aber an dieser Stelle lohnenswert auszuprobieren: „Das Wort-für-Wort-Spiel“. Bilden Sie gemeinsam Sätze. Sie kennen ja die Grammatik.

Es gibt unzählige Veröffentlichungen darüber, welche Regeln beim Schreiben von Märchen zu beachten sind. Diese Regeln oder besser Typologien können Sie lernen. Wenn Sie viele Märchen gelesen haben, wissen Sie bereits unbewusst, worauf es beispielsweise bei einem Märchen ankommt. Sie können dann Märchen erkennen und wenn Sie das beherrschen, dann können Sie mit dem Gelernten spontan umgehen und selbst Märchen erzählen, die als solche erkannt werden. Dazu brauchen Sie dann keine speziellen Regeln mehr zu lernen. Es ist wie bei einem Musiker oder Sportler, der komplexe Bewegungsabläufe mühsam erlernt, um sie dann unbewusst einzusetzen. Eine plötzliche Akkordveränderung innerhalb einer Improvisation zwingt den Solisten, die Phrase neu zu interpretieren. Ein Ball kommt einfach zu schnell, als dass der Sportler darüber nachdenken könnte, wie er ihn am besten zurückschlägt.