Vom wahren Geist der Humanität - Hubertus Mynarek - E-Book

Vom wahren Geist der Humanität E-Book

Hubertus Mynarek

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Beschreibung

Auf dem weiten Feld der Konfessionen, Religionen und Weltanschauungen gibt es gegenwärtig in Deutschland keine Organisation, die derart intensiv, exklusiv und dezidiert einem geistlosen Naturalismus, einem Humanismus ohne Geist und geistige Werte das Wort redet wie die Giordano-Bruno-Stiftung, die zudem noch einen Etikettenschwindel begeht, indem sie die idealistisch-pantheistische Naturphilosophie Brunos für ihre Zwecke umdeutet. Anhänger findet diese Organisation aber gerade dadurch, dass sie die theoretische Rechtfertigung des degenerativen Zeitgeistes liefert, der nur noch auf Sinnlichkeit, Amüsement und Spaß setzt und den Verlust des Denkens, der Reflexion, des Differenzierens, Vergleichens und einer anspruchsvollen Moral nicht nur in Kauf nimmt, sondern als höchste Errungenschaft enthusiastisch feiert. Das neue Ideal heißt Rückkehr zum Tiersein. Die Menschen mit all ihren Aggressionen und Grausamkeiten sollen sich zu sanften Tieren zurückentwickeln, der Mensch könne ja doch unter positiven Umweltbedingungen wenigstens ein freundlicher Affe werden.Mynarek zeigt anschaulich, verständlich und logisch überzeugend die Unhaltbarkeit, Aporien und Widersprüche dieses Konzepts auf und weist den Lesern auf dieser Grundlage den Weg zum wahren Humanismus.

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Hubertus Mynarek

Vom wahren Geist der Humanität

Der evolutionäre Naturalismus ist kein Humanismus

Die Giordano-Bruno-Stiftung in der Kritik

Impressum

©NIBE Media ©Hubertus Mynarek

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags und des Autors reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Created by NIBE Media

Covergestaltung: Nikolaus Bettinger

Layout: Manfred Greifzu

NIBE Media

Broicher Straße 130

52146 Würselen

Telefon: +49 (0) 2405 4064447

E-Mail: [email protected]

www.nibe-media.de

„Menschen sind das Wunder und der Ruhm des Weltalls.“

Charles Darwin

„In der menschlichen Entwicklung werden gänzlich neue Phänomene hervorgebracht wie zum Beispiel Kunstwerke, Moralgesetze, wissenschaftliche Vorstellungen, Gesetzessysteme, Religionen. Wir Menschen sind befähigt, weit komplexere Konstellationen und Situationen zu erfassen als irgendein anderer Organismus. Wir können Dinge vollbringen, zu denen kein anderes Lebewesen fähig ist: bewusste Überlegungen, Vorstellungen vom Ich, vom Tod, von der Zukunft im Allgemeinen. Wir haben die Möglichkeit, zweck-dienliche Pläne zu fassen und diese in die Tat umzusetzen, wir können Wertnormen für unser Verhalten aufstellen“. Daher „ist der Mensch von unermesslicher Bedeutung“, er ist „die zum Bewusstsein ihrer selbst gelangte Evolution … Er ist die Speerspitze der Evolution“.

Julian Huxley,

der wahre Begründer des Evolutionären Humanismus

„Die Hochschätzung der Forschungsstrategie, Gemeinsamkeiten mit den Tieren zu (unter-) suchen, mag mit der atheistischen Stoßrichtung vieler Naturalisten begründet sein: In ihrem Bemühen, die Sonderstellung des Menschen in der Natur unplausibel erscheinen zu lassen, richten sie ihre Aufmerksamkeit methodisch auf das, was uns mit den Tieren verbindet … Wer daher aus kulturkämpferischer Absicht die Gemeinsamkeiten des Menschen mit den Affen betont, vertritt einen halbierten Darwinismus … Wir nehmen bei näherem Hinsehen eine geradezu unglaubliche Sonderstellung in der Natur ein … und selbstverständlich bilden wir auch den Mittelpunkt der Welt, schon weil wir nach heutigem Wissen immer noch die einzigen Wesen sind, die sie beobachten, erkennen und dem Begriff ›Geist‹ bzw. Poppers ›Welt 3‹ einen hervorragenden Platz einräumen“.

Gerhard Engel,

Präsident der Humanistischen Akademie Bayern

Dagegen Michael Schmidt-Salomon, Chefideologe der Giordano-Bruno-Stiftung:

„Ich bin bloß ein mäßig begabter Trockennasenaffe mit Haarausfall, Schweißfüßen und Tendenzen zum Doppelkinn, habe weder ewige Wahrheiten zu verkünden noch wurde ich von einer Jungfrau geboren. Ich hatte in meinem Leben vielleicht das Glück, ein paar kluge Leute zu treffen, und auch die Zeit, ein paar kluge Bücher zu lesen. Mehr habe ich jedoch kaum zu bieten! Meine eigenen Bücher sind voll von Fehlern – nur ist mein eigener Denkhorizont leider so arg begrenzt, dass ich sie selbst nicht zu erkennen vermag. Wer auf solchem Fundament tatsächlich eine Sekte oder Religion begründen möchte, der ist, Mensch sei’s geklagt, nichts weiter als ein veritabler Vollidiot! … Und wenn Sie klüger sind als ich und in diesem Buch Fehler entdecken, die ich in meiner Borniertheit übersehen habe, so tun Sie sich keinen Zwang an: Belehren Sie mich eines Besseren!“

Nach Schmidt-Salomon müssen wir den Menschen systematisch und „konsequent als Naturwesen begreifen, d.h. als ein zufälliges Produkt der biologischen Evolution“. Somit könne das Ideal, das Ziel, die Zukunft unserer weiteren Entwicklung nur darin bestehen, „dass sich der Mensch unter günstigen Umständen zu einem ungewöhnlich sanften, freundlichen und kreativen Tier entwickelt“, also zu einem freundlichen Affen. Aber, so tröstet uns MSS, „der Affe in uns ist, bei genauerer Betrachtung, gar kein unfreundlicher Geselle“.

Nach MSS ist „die beste Eigenschaft, die höchste Leistung“, ja geradezu „die Wurzel der menschlichen Kultur“ das Nachäffen:

„Der Mensch ist der Affe, der am besten nachäffen kann… ausgerechnet unsere besondere Eignung zum ›Nachäffen‹ ist die ›Grundvoraussetzung aller menschlichen Kulturleistungen‹“.

Inhaltsverzeichnis:

Vorbemerkung

Warum ein kritisches Buch über den Naturalismus sich auch engagiert mit der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) befasst

Einleitung

Die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) als Zentrale deutscher Atheisten, Materialisten, Naturalisten. Entstehung, Charakter, Motive, Gründer.

Erster Teil

Vorstufen, Vorläufer, Leit- und Vorbilder des Evolutionären Humanismus

1. Wäre Giordano Bruno mit der gbs einverstanden?

2. Julian Huxley – der eigentliche Erfinder, Begründer und Ideengeber des Evolutionären Humanismus

3. Charles Darwin – Urvater der gbs?

4. Richard Dawkins – zu Unrecht von der gbs in Beschlag genommen?

5. Moral bei Einstein und der gbs

6. Friedrich Nietzsche und der Hedonismus des evolutionären Naturalismus

7. Wolf Singer, Hirnforschung, Naturalismus und Materialismus

8. Michael Schmidt-Salomon, der Chef-Ideologe der gbs: Eine Selbst- und Fremdcharakteristik

Zweiter Teil

Widersprüche, Ungereimtheiten, Verirrungen und Verwirrungen des Chefdenkers des Naturalismus in Deutschland

Widerspruch I: Der Mensch nichts als ein Affe?

Widerspruch II: Der Gegensatz von Ich-Bewusstsein als Illusion und als Realität

Widerspruch III: Doch eine Sonderrolle des Menschen?

Widerspruch IV: Willensfreiheit oder Determination?

Widerspruch V: Glaubende als Dummies. Religiöse als Idioten (Religioten)

Widerspruch VI: Schmidt-Salomons falsche Behauptung einer Irreligiosität Einsteins

Widerspruch VII: Eklatante Fehlinterpretation Albert Schweitzers durch MSS

Widerspruch VIII: Auch Heinrich Heine wurde von MSS einseitig und inadäquat benutzt

Widerspruch IX: Selbst Sigmund Freud von MSS nicht gerecht beurteilt

Dritter Teil

Denker – Dichter – Forscher für den wahren Geist der Humanität gegen Naturalismus und Materialismus

Cusanus (Nicolaus von Cues)

Daniel C. Dennett

Hoimar von Ditfurth

Viktor E. Frankl

Bill Gates

David Gelernter

Sam Harris

Stephen Hawking

Fred Hoyle

Joachim Illies

Hans Jonas

C. G. Jung

Immanuel Kant

Wolfgang Kuhn

Konrad Lorenz

Jacques Monod

Hubertus Mynarek

Sir Karl Popper

Richard David Precht

Friedrich Schiller

Rupert Sheldrake

Arthur Schopenhauer

G. G. Simpson

Ken Wilber

Weitere Kurzsaussagen prominenter Wissenschaftler zur Problematik der neodarwinistischen Variante der Evolution

Anmerkungen

Schriften des Verfassers zum weiteren Umfeld der Thematik dieses Buches

Kurzbiografie des Verfassers

Vorbemerkung

Warum ein kritisches Buch über den Naturalismus sich auch engagiert mit der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) befasst

Was sind Naturalisten? Die Begriffe Naturalist und Naturalismus klingen völlig harmlos, jedenfalls nicht unsympathisch. Sie scheinen ja etwas mit natura, mit der Natur zu tun zu haben, ohne die wir gar nicht leben können. Und sie klingen auch sympathischer als die Begriffe Materialist und Materialismus. Der praktische Materialist interessiert sich nur für Geld, Immobilien, Kleidung, Schmuck, teure Speisen und Getränke, Limousinen, Jachten, Bodenschätze und dergleichen mehr. Der theoretische Materialist liefert die Rechtfertigung für diese Haltung des praktischen Materialisten, indem er begründet, dass der Mensch eben ein total sinnliches, exklusiv körperliches Wesen sei, dass Geist, Geistiges, Geistigkeit, spirituelle Energie gar nicht existiere oder lediglich ein Neben-, Abfall- oder Zufallsprodukt des Materiellen, des Entwicklungsprozesses der Materie und des materiellen Gehirns darstelle.

Genau das ist auch die Meinung der Naturalisten, aber sie bevorzugen für sich den Begriff Naturalist, weil kaum einer/eine als Materialist/Materialistin gelten möchte. Naturalismus ist also sozusagen auch ein Verschleierungsbegriff, der selbst in der Wissenschaft den negativen Begriff Materialist/Materialismus ersetzt hat.

Der Materialismus/Naturalismus wird in Folge des Zerfalls höherer Werte und geistgeprägter Kultur in der heutigen Gesellschaft immer mehr Anhänger gewinnen. Die meisten Naturalisten sind unorganisiert, aber sie besitzen seit ein paar Jahren einen neuen, interessanten und verlockenden ideologischen Anziehungs-, Kristallisations- und Konzentrationspunkt: Die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) mit heutigem Hauptsitz im rheinland-pfälzischen Oberwesel.

Ein millionenschwerer, strammer Katholik der Trierer Diözese, der zu einem ebenso strammen Naturalisten, Materialisten, Atheisten konvertierte, ermöglichte diese Stiftung und erhält ihre materielle Existenzgrundlage am Leben. Ohne ihn gäbe es diese Stiftung gar nicht. Für die naturalistisch-materialistisch-atheistische Ideologie dieser Stiftung ist er aber nicht zuständig, die fabriziert ein anderer, der glücklicherweise den reichen Konvertiten gefunden hat und ihn überzeugen konnte, dass eine organisierte „Kirche“ des Naturalismus-Materialismus-Atheismus in Deutschland und möglichst auch für Europa dringend notwendig ist, und zwar mit so etwas wie einem regelrechten „Vatikan“ als oberster Zentrale.

Selbstverständlich gibt es neben der gbs alle möglichen kleinen Splittergruppen von Freidenkern, Freigeistern, Freireligiösen, Konfessionslosen, A- und Antireligiösen, die aber im Hinblick auf ihre Präsenz und Effektivität in der Gesellschaft kaum mit der gbs Schritt halten können, auch bei weitem nicht so wichtig genommen werden wie diese.

Fazit: Die Speerspitze bei der Verbreitung des Naturalismus – Materialismus – Atheismus in der deutschen Gesellschaft von heute stellt die gbs dar, sie ist am aktivsten, engagiertesten und medial effektivsten in der Agitation und Propaganda ihrer Weltanschauung. Das ist der Grund dafür, dass das vorliegende Buch in seiner kritischen Analyse des Naturalismus, in seiner Beweisführung, dass der Naturalismus kein Humanismus ist, sich auch dezidiert mit der Theorie der gbs und ihrem Vordenker befasst. Die gbs ist nun mal das wichtigste Organ und Instrument für die Durchsetzung der naturalistischen Ideologie im deutschsprachigen Raum und künftig vielleicht sogar in ganz Europa.

Einleitung

Die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) als Zentrale deutscher Atheisten, Materialisten, Naturalisten. Entstehung, Charakter, Motive, Gründer.

Die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) entstand im Jahr 2004. Als Gründer, Vorsitzender und Geschäftsführer der Stiftung wird Herbert Steffen genannt und geführt. Tatsächlich ermöglichte der Multimillionär Steffen mit seinem enormen finanziellen Einsatz die Entstehung der gbs. Deren ideologischer Initiator, Motivator und ständiger Vorantreiber aber ist eine anderer, nämlich Michael Schmidt-Salomon (MSS), der umtriebigste unter den deutschsprachigen Naturalisten und Säkularisten, der Chefideologe dieser Stiftung, der auch ihr Programm in seiner Schrift „Das Manifest des Evolutionären Humanismus“ („Manifest“) verfasst hat.

Ohne die bedeutenden Dotationen Steffens gäbe es die gbs, diesen „Think-Tank der deutschen Atheisten“, wie sie „Der Spiegel“ genannt hat, überhaupt nicht. Man kann es noch deutlicher sagen: Ohne die Bekehrung des finanzkräftigen Katholiken Herbert Steffen zum Atheisten könnte MSS genau so eilig wie einst der Wojtyla-Papst und jetzt Papst Franziskus in der Welt herumreisen und seine Vorträge halten – eine organisierte Gegenkirche wie die gbs gäbe es trotzdem nicht!

Das ist ja das bezeichnende Merkmal vieler Konvertiten: Sie bringen den Enthusiasmus bzw. (je nach Gemütslage) Fanatismus, den sie vorher hatten, in ihre neue Religion oder Weltanschauung hinüber, oft sogar noch in intensiverer Form, und sind dann auch zu großen materiellen Opfern für die Unterstützung der neuen Glaubensgemeinschaft bereit.

Herbert Steffen war keineswegs einer der zahlreichen katholischen Mitläufer, die aus Karrieregründen oder wegen der Vorteile, die man als Mitglied der Kirche in unserer Gesellschaft immer noch erreichen kann, der Kirche „treu“ bleiben. Er war ein überzeugter, aktiver Katholik. Unter anderem Mitglied des Diözesanrates des Bistums Trier, und um das zu werden, muss man schon ein strammer, hundertprozentiger Katholik sein. Selbstredend hat jeder Bischof einer Diözese auch eine besondere Hochachtung für erfolgreiche Unternehmer, die ihm von Zeit zu Zeit einen ansehnlichen Geldbetrag zukommen lassen. Ob letzteres auch im Fall des Herbert Steffen zutraf, vermag ich nicht zu sagen. Sicher ist, dass er nach seiner Bekehrung zum Atheisten große Geldsummen spendete, nicht bloß für die gbs, sondern z.B. auch für den inzwischen verstorbenen Kirchenkritiker Karlheinz Deschner. Er bezeichnet sich als seinen „Förderer“ (in Wikipedia), betont, dass er „seit vielen Jahren ein von den Zwängen des Lebensunterhaltes befreites Arbeiten… Deschners“ ermöglicht habe und immer wieder „neue Projekte im Interesse konfessionsloser Menschen unterstütze“ ( Humanistischer Pressedienst hpd, 17.08.2006, Nr. 50). In „Über K. H. Deschner, Leben, Werke, Resonanz“ (Rowohlt 1999) betont Steffen, es sei sein größtes Bestreben, Deschner und dessen Werke „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu fördern“. „Wer ist der Mann, der so großzügig gibt?“, fragt der hpd, und die Antwort auf diese Frage soll uns jetzt auch beschäftigen.

Von Beginn seines Lebens an wird er katholisch geprägt: streng katholisches Elternhaus, danach neun Jahre lang Besuch des Bischöflichen Internats in Gerolstein/Eifel, Hochschulstudium in Köln, wobei er auch sofort einer katholischen Studentenverbindung beitritt. Sein Studium der Betriebswirtschaft schließt er als Diplom-Kaufmann ab. Er übernimmt nun die kleine Möbelfabrik in Mastershausen im Hunsrück von seinem Vater, der sogar so katholisch ist, dass er ihm den Ratschlag auf den Weg als Jungunternehmer mitgibt: „Stelle niemals einen Evangelischen ein!“ Die Evangelischen sind beim Vater noch das Feindbild, Atheisten liegen offenbar schon jenseits seines Denkhorizonts. Das Wort Atheisten „existiert bereits im Sprachschatz des katholischen Dorfes gar nicht“, sagt auch der hpd in seiner Charakterisierung des Dorfes Mastershausen (dem ehemaligen Hauptwohnsitz Herbert Steffens), das auch längere Zeit das Zentrum der gbs bildete (ein noch weit größeres Projekt derselben, jenseits von Mastershausen, ist inzwischen in Oberwesel realisiert worden).

Es ist das Jahr 1969, als Herbert Steffen die Geschäftsführung der Firma »Steffen Möbel« übernimmt und sie im Laufe der Jahre „zu einem der leistungsfähigsten Anbieter von Schlafraummöbeln in Deutschland ausbaut“ (laut Wikipedia). Auf ihrem Höhepunkt hat die Steffen-Gruppe 2000 Mitarbeiter. Der Unternehmer Steffen engagiert sich auch als Vorsitzender des Verbandes der Holz und Kunststoff verarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz und Mitglied in diversen Ausschüssen des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie sowie des Messebeirats der Kölnmesse.

1995 aber hat er von all dem Business genug und verkauft die Firma. Er wollte, sagt er nachträglich, die Verantwortung für 2000 Menschen nicht länger tragen und seine vier Töchter hätten ohnehin kein Interesse an Vaters Markenmöbeln gezeigt. Seine Freizeit verbringt er nun in seiner Villa in Spanien, auf Reisen in seinem Wohnmobil oder in seiner neuen Residenz in Oberwesel, fördert aber auch immer noch Initiativen von Jungunternehmern, auch in der früheren DDR.

Sein eigentliches Bekehrungserlebnis zum Atheismus aber schenkt ihm die Lektüre von Deschners „Kriminalgeschichte des Christentums“. Bei Deschner liest er zum ersten Mal von den Verbrechen der Kirche. „Nie hatte er davon auch nur in Ansätzen gehört“ (hpd, a. a. O.).

Schon bezeichnend für einen Katholiken im Erwachsenenalter, nie etwas von Vergehen der Kirche erfahren zu haben! Die Umstände von Steffens Bekehrung haben es auch in sich, denn das Ehepaar Steffen macht Urlaub auf Tahiti und dort überkommt Steffen die Deschner-Offenbarung in Gestalt von dessen Buch „Abermals krähte der Hahn“. Bezeichnend auch wieder, wie Steffen an dieses Buch kam, denn sein Schwager, Ministerialdirigent im Mainzer Justizministerium und als solcher bestimmt kein Atheist bzw. keiner, der sich als solcher outen würde, gibt ihm auf Empfehlung eines wahrscheinlich ebenso gearteten Oberstaatsanwaltes dieses Buch zum Lesen mit auf die Reise. Geradezu ekstatisch entzückt von der Lektüre, beauftragt Steffen seinen Schwager telefonisch, sofort alle Deschner-Bücher zu erwerben und nach Tahiti zu schicken.

Gerade wieder in Deutschland, macht sich Herbert Steffen auf ins Frankenland nach Haßfurt, wo Deschner wohnte. Die Geschichte, die jetzt folgt, hat Steffen schon des Öfteren erzählt, auch in Anwesenheit des Autors des vorliegenden Buches. Er steht also vor der Tür von Deschners Haus, der will ihn nicht rein lassen, er habe zu viel zu tun und immer Sorgen um seinen Lebensunterhalt, außerdem sei kürzlich ein großer Sponsor, der Schweizer Multimillionär Alfred Schwarz, gestorben. Steffen reagiert sofort, er könne, sagt er, die Rolle dieses Sponsors übernehmen. Das wirkt Wunder, Deschner öffnet die Tür, und es entsteht eine große Freundschaft zwischen Steffen und dem nunmehr üppig Unterstützten.

Am Anfang fast jedes Bandes der „Kriminalgeschichte des Christentums“ von Karlheinz Deschner steht nun eine Dankesliste von etwa 50 bis 60 Personen, die beachtliche Summen für Deschner gespendet haben. Über dieser Dankesliste aber stehen jeweils die Namen der zwei größten Geldgeber, eben der beiden Multimillionäre Schwarz und Steffen.

Es sind übrigens nicht nur Atheisten und Konfessionslose, die Deschner finanziell unterstützten, sondern auch durchaus überzeugte und engagierte Katholiken, darunter beispielsweise der frühere bayerische Kultusminister und Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Hans Maier. Lange Zeit glaubten ja manche gebildete Katholiken und Protestanten gegen allen Augenschein, dass Deschner seine „furchtbare“ »Kriminalgeschichte des Christentums« nur deshalb schreibe, weil er so stark unter dem verunstalteten Antlitz der Kirche leide und sich lediglich nach einer reineren Gestalt derselben sehne.

In ihrem Glauben wurden sie noch dadurch bestärkt, dass Deschner immer noch, auch nachdem er längst viele giftige Publikationen gegen die Kirche vom Stapel gelassen hatte, nicht aus der Kirche ausgetreten war. In einem persönlichen Gespräch unter vier Augen antwortete er mir auf die Frage, ob er denn aus der Kirche ausgetreten sei: „Viel schlimmer, Hubertus, ich bin doch exkommuniziert, weil ich eine geschiedene Frau geheiratet habe.“

Das sei doch gravierender als der Kirchenaustritt, den er noch nicht vollzogen habe. Als ich ihm sagte, dass es derartig Exkommunizierte haufenweise in der Kirche gebe, die gar nicht daran dächten, aus ihr auszutreten, wusste er keine Antwort. Aber er schien sich zu schämen, denn als ich längere Zeit später bei ihm zu Besuch war, erklärte er mir freudestrahlend, er sei inzwischen offiziell aus der Kirche ausgetreten.

Aber das hat man ja öfter bei Prominenten. Ein scharfer Kritiker der Kirche wie Eugen Drewermann brauchte 65 Lebensjahre, bis er sich zum Kirchenaustritt entschloss. Vorher hatte er wahrscheinlich immer noch gehofft, die Kirche werde es honorieren, dass er als glänzender Rhetoriker und Theologe die Kirche bei vielen Gläubigen so populär mache, und ihm deshalb noch eine Professur an einer theologischen Hochschule zuteilen. Mit 65 aber wusste er definitiv, dass es dafür zu spät ist. Und so sagte er „konsequenterweise“ der Kirche Adieu.

Auch Herbert Steffen verließ erst nach dem Tod seines Vaters die Kirche. „Vorher wäre das nicht gegangen“, sagt er. Wahrscheinlich hätte ihn der streng kirchliche Vater enterbt – und alle die schönen atheistischen Einrichtungen, die gbs, der hpd usw. und wichtige Kritiker bzw. Ideologen wie Karlheinz Deschner und MSS wären leer ausgegangen, weil Herbert Steffen selber für sie kein Geld gehabt hätte. Nicht auszudenken! Welch ein gütiges Schicksal, dass es nicht so kam! Auch „Familie und Kinder“, sagt Steffen (laut hpd), wollte er lange Zeit „in seine Zweifel nicht hineinziehen“: Wie viele Katholiken sagten auch mir schon persönlich, sie wären längst aus der Kirche ausgetreten, „aber die Familie, wissen Sie…“

In den großzügig angelegten Wohnsitzen Herbert Steffens in Mastershausen und Oberwesel fanden bzw. finden noch immer wieder gesellschafts- und kirchenkritische Veranstaltungen statt.

Einen Vortrag im Rahmen dieser Veranstaltungen hält im November 2003 Carsten Frerk, der Experte, wenn es um kritische Bestandsaufnahmen des Vermögens der Kirchen in Deutschland geht. Es entsteht eine Freundschaft zwischen Steffen und Frerk, zu der sehr bald auch MSS hinzustößt. Letzterer hat schon längst die Vision einer Organisation, die ein säkularistisch-atheistisch-evolutionäres Menschenbild missionarisch in die Gesellschaft tragen soll, und zwar als aufklärerische Gegenströmung zu allen Religionen und Kirchen, aber auch zu jeder Transzendenzphilosophie und zu jedem zur Metphysik hin geöffneten Humanismus und Idealismus.

Die Vision hat nur einen Fehler: Ihr fehlt das Geld. Das bereitzustellen verpflichtet sich Herbert Steffen, und das ist dann auch die Geburtsstunde der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs), die gleich bei ihrem urersten Start einen Etikettenschwindel begeht. Denn Giordano Bruno war genau das, wogegen die gbs ankämpft. Er war kein Atheist, sondern ein Pantheist, pantheistischer Metaphysiker, der Kosmos war ihm ein unerhört erhabenes und Ehrfurcht gebietendes Sanktuarium, er war tief religiös, lehrte auch die Unsterblichkeit aller Wesen, auch die der Tiere, wiewohl er gerade aus diesem Grund antikirchlich war und für seine konsequent vorgetragene und gelebte Überzeugung vom Papsttum auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde (dazu mehr im nächsten Kapitel).

Der Name Giordano-Bruno-Stiftung ist also zwar faszinierend und attraktiv, aber er tritt Namen und Anliegen dieses Genies mit Füßen. Das ist die erste Usurpation, derer sich die neugegründete Organisation schuldig macht. Die zweite ist, dass die gbs in ihrer Programmschrift „Aufklärung im 21. Jahrhundert“ und in diversen anderen Schriften, ebenso wie in dem von ihrem Chefideologen herausgegebenen „Manifest“ behauptet, die Position des „Evolutionären Humanismus“ zu vertreten, während doch Julian Huxley, der wirkliche Erfinder und Begründer des wahren »evolutionären Humanismus«, in allen wesentlichen Punkten einen anderen Standpunkt vertrat als die gbs (auch dazu mehr im vorliegenden Buch im Kapitel über Huxley).

Die gbs ist also gleich mit einem doppelten Etikettenschwindel gestartet. Ein dritter liegt zwar nicht mehr im Namen der Stiftung, wohl aber in ihrem Programm. Heißt es doch in ihrer Programmschrift und in zahlreichen weiteren Publikationen und Prospekten, dass die gbs „entschieden für die Werte der Aufklärung, für kritische Rationalität, Selbstbestimmung, Freiheit und soziale Gerechtigkeit eintritt“, womit sie natürlich auch für Nicht-Atheisten interessant und attraktiv ist, während das in Wirklichkeit Bauernfängerei ist, weil doch die Stiftung als ihre grundlegende Doktrin, nieder- und festgelegt in der Grundlagenschrift der gbs, dem „Manifest des Evolutionären Humanismus“ ihres Chefideologen MSS, den Determinismus, die Negation der Willensfreiheit und ethischen Selbstbestimmung proklamiert und die Vernunft als ein zufälliges Artefakt und Produkt der Materie unseres Gehirns darstellt (auch dazu später mehr in fast allen folgenden Kapiteln).

Zum Aufbau der gbs: Er besteht aus drei Gremien, dem Vorstand, dem Kuratorium und dem Beirat. Den Vorstand bilden natürlich Steffen und Schmidt-Salomon. Zum Kuratorium gehören Ingrid Binot, Dr. Carsten Frerk und Prof. Dr. Hermann Josef Schmidt. Der Beirat umfasst eine fluktuierende Anzahl von 50 bis 80 Mitgliedern aus unterschiedlichen Berufen, Gesellschaftsschichten und Wissenschaftsdisziplinen mit auch recht divergierenden Intelligenz- und Bildungsgraden.

Wenn also die Süddeutsche Zeitung in ihrem Magazin Wissen (im November 2008) voller Bewunderung behauptet, dass sich im Beirat dieser Stiftung „Wissenschaftler zusammengeschlossen haben, die zu den Besten ihres Faches in Deutschland gehören“, dann ist das eine maßlose Übertreibung. Denn weder besteht dieser Beirat nur oder vornehmlich aus Wissenschaftlern, noch gehören alle diese Wissenschaftler ausnahmslos zu den Besten ihres Faches. Einige von ihnen sind sogar ziemlich bzw. sogar gänzlich unbekannt. Was sie eint, ist ihr Naturalismus, ihr Glaube an eine geistlose Natur bzw. an eine Natur, in der der Geist nur ein zufälliges Derivat der materiellen Prozesse darstellt, sowie der Glaube an eine Evolution als eine Kette von Billionen ununterbrochen zufälliger Ereignisse im Rahmen eines totalen mechanistischen Weltbildes. Da aber Naturalisten im allgemeinen einen sehr engen Begriff von Wissenschaft haben, meist sogar die Geisteswissenschaften und die Philosophie nicht zum ernstzunehmenden Kanon der Wissenschaften zählen, fällt die Gruppe der Wissenschaftler, die zum Beirat der gbs gehören, noch kleiner aus.

Ebenso wie die Süddeutsche behauptet auch Der Spiegel zu viel, wenn er den Beirat der gbs nebst ihrem Chefideologen Schmidt-Salomon zum „Think-Tank der deutschen Atheisten“ hochjubelt, der „das theoretische Rüstzeug“ für diese liefere. Die Stiftung sei „das geistige Oberhaupt all derjenigen, die geistigen Oberhäuptern nicht trauen“. Es wäre schlimm und schlecht für die gesamte Philosophie und Tradition des Atheismus, wenn seine Hauptquelle die Ideologie der gbs wäre, denn diese Ideologie ist im großen und ganzen nur ein auf niedrigem Niveau formuliertes, popularistisches Konglomerat der Thesen des im Moment erfolgreichsten Agitators und Missionars des Atheismus: Richard Dawkins, eines Übervaters der gbs.

Außerdem wäre eine ganze Reihe respektabler und veritabler Atheisten der Vergangenheit und Gegenwart nicht mit dem von MSS vorgegebenen „humanistischen“ Ziel der gbs einverstanden, das lediglich darin besteht, den Menschen zu einem „sanften, freundlichen … Affen zu entwickeln“, ihn in ein besseres (als bisher) Verhältnis zu „Bruder Schimpanse und Schwester Bonobo“ zu bringen. Optimalerweise könnte man dieses Zerrbild, diese Karikatur eines Humanismus höchstens als „Apismus“, Pongidismus oder Hominidismus bezeichnen.

Und noch etwas: Von wegen die Mitglieder der gbs trauten keinen geistigen Oberhäuptern. »Geistig« vielleicht nicht, denn Geist gehört ja zu den von ihnen meistgehassten Worten und Begriffen der deutschen Sprache. Aber »Oberhaupt« schon, denn Schmidt-Salomon wird von den meisten Mitgliedern der gbs schon wieder wie ein Gott verehrt, der ihnen das eigene Denken erspart. Es reicht doch, dass man einen Vordenker hat! Obwohl MSS in Wirklichkeit nur ein Eklektiker ohne eigene originäre Ideen ist!

Denn selbst eine seiner Hauptthesen, dass der Mensch nur durch Nachäffen, das er besser beherrsche als Schimpansen und Bonobos, zum Menschen geworden sei, ist nicht seinem eigenen Kopf entsprungen (mehr zu alledem im Fortgang dieses Buches).

So eignet sich der Beirat der gbs auch deshalb nicht zum „Think-Tank der deutschen Atheisten“ ( Der Spiegel) oder zur „maßgebenden Denkfabrik für Humanismus und Aufklärung“, einer „Denkfabrik, die Produkte und Projekte erzeugt“ (Schweizer Tages-Anzeiger, Februar 2009), weil nicht nur die Wissenschaftler in diesem Beirat, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht zu den Spitzen ihrer Fachrichtung gehören, sondern zahlreiche Beiratsmitglieder bei bestem Willen gar nicht als Wissenschaftler bezeichnet werden können.

Mit Sicherheit wollen das auch gar nicht Beiratsmitglieder wie die Malerin und Dokumentarfilmerin Ricarda Hinz, der Unterwasserfotograf Debelius, der Karikaturist, Zeichner und Kindermärchenautor Janosch, der Aktionskünstler Wolfram Kastner, der Comic-Zeichner Ralf König, der Schriftsteller Max Kruse, der Bildhauer und Kommunikationstrainer Jacques Tilly, die Schriftstellerin Esther Vilar, die Schauspielerin Lilly Walden, der Dirigent Gerhard Wimberger, um nur einige aus dem Beirat zu nennen.

Ganz besonders fühlt sich die Stiftung auch „dem Werk des Streitschriftstellers Karlheinz Deschner verpflichtet“ (Programmschrift, S. 27), der ebenfalls einen hohen Verehrungsstatus bei den meisten Mitgliedern der gbs auch noch nach seinem Tode genießt. Es gibt in einigen Kreisen deutscher Atheisten, insbesondere bei der gbs und dem IBdK, dem Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten, einen regelrechten Deschner-Kult, und es ist ja auch ein interessantes Phänomen, dass manche Atheisten, kaum dass sie den Gottesglauben abgelegt haben, einen neuen, eben irdischen Gott bzw. Götzen verehren müssen.

Bei Herbert Steffen könnte das auch der Fall sein: Der Mann war als erfolgreicher Unternehmer kein Theoretiker, kein Denker, sondern ein Macher. Differenzierendes Denken aber ist nicht Sache von Machern. Ihr Lebensimpetus liegt vorwiegend im Schwarz-Weiß-Denken: »Vorher Gott – jetzt kein Gott oder Anti-Gott«.

»Vorher Kirche – jetzt keine Kirche oder Anti-Kirche« . Die meisten Macher würden die Hälfte ihrer Vitalenergie verlieren, wenn sie Zweifel an der Richtigkeit ihrer Vorhaben hegten. Die ideologische Arbeit müssen andere besorgen, wie in diesem Fall Karlheinz Deschner mit seiner Kirchenkritik und MSS mit seiner Grundlegung der gbs-Doktrin. Ein ähnliches Verhältnis wie das von Steffen zu Deschner hatte ja ein paar Jahrzehnte vorher der vermögende Nürnberger Textilkaufmann Otto Bickel, der nicht nur Deschner, sondern auch Gerhard Szczesny („Die Zukunft des Unglaubens“) finanziell unterstützte, letzterem sogar die Errichtung eines Verlags ermöglichte, der allerdings bald pleite ging.

Im Jahr 2004, bei einem Festakt zu Ehren von Deschners 80. Geburtstag, wurde durch Herbert Steffen die Auslobung eines besonderen Preises, des Deschner-Preises, bekannt gegeben. Erster Preisträger war 2007 Richard Dawkins.

Inzwischen haben sich auch schon diverse Regionalgruppen der gbs gebildet, z.B. in Frankfurt/Main, Mannheim, Köln, Bonn, Düsseldorf, Hamburg, Berlin-Brandenburg usw.

Vorträge werden in größeren deutschen, aber auch schweizerischen und österreichischen Städten gehalten, am meisten vom Chefideologen der gbs, Michael Schmidt-Salomon, selbst, der auch praktisch in keiner Talkshow mit weltanschaulicher Thematik fehlen darf. Wegen der geschickten, diplomatischen Kunst seiner Gesprächsführung haben bei diesen Shows auch seine kirchlichen Gesprächspartner meist nichts gegen seine Teilnahme. Ist er doch auch klug genug, seine Verachtung aller Religionen, alles Religiösen und Metaphysischen nicht vor ihnen auszubreiten.

Selbstverständlich gibt es auch wie bei jedem sich organisierenden Novum erste Risse in der Stiftung. Der prominente und angesehene Rechtsphilosoph Prof. Norbert Hörster trat mit einem Aufsehen erregenden Protest, den er auch in der FAZ veröffentlichte, aus dem Beirat der Stiftung aus. Der ebenso bekannte Kirchenrechtler und Soziologe Prof. Horst Herrmann hält inzwischen trotz persönlicher Freundschaft mit Jochen Steffen eine deutliche Distanz zur gbs, und der berühmte Hirnforscher Wolf Singer, über dessen Eintritt aufgrund ihrer Einladung die Stiftung ganz besonders stolz war, erklärte sich mit deren dominierendem atheistischen Kurs nicht einverstanden, da er eine agnostische Position einnehme. „Die schütten das Kind mit dem Bade aus“, erklärte er in einem Interview mit dem „Zeit“-Redakteur Ulrich Schnabel, indem er auf die in Jahrtausenden angesammelten Weisheitsschätze der Religion und Meditation verwies (mehr dazu in dem ihm gewidmeten Kapitel dieses Buches).

Auch der Wirtschaftsethiker Gerhard Engel, Präsident der Humanistischen Akademie Bayern e.V., sieht das Programm der gbs nicht in Übereinstimmung und Kontinuität mit dem von Julian Huxley begründeten Evolutionären Humanismus. Die „atheistische Stoßrichtung vieler Naturalisten“, von denen sich bekanntlich ein großer Teil im Beirat der gbs wiederfindet, gehe dahin, „die Sonderstellung des Menschen in der Natur unplausibel erscheinen zu lassen“. Dagegen habe Huxley (und dies, wie Engel betont, „im Gegensatz zu manchen heutigen Humanisten“), immer darauf bestanden, „dass der Mensch eine Sonderstellung in der Natur einnimmt. Er sei zwar nicht die Krone der Schöpfung, aber doch die Speer spitze der Evolution“. Der Mensch, so Huxley, sei längst „in das psycho-soziale Stadium der Evolution eingetreten“, habe die naturalistisch-biotische Evolution hinter sich gelassen. „Kein Tier tue es ihm darin gleich“, der Mensch sei daher „von unermesslicher Bedeutung“.

Engel ergänzt noch: „Mit dem System ›Mensch‹ und vor allem mit dem System ›Moderne Gesellschaft‹ sind im Kosmos grundlegend neue Eigenschaften entstanden, die uns zum höchstentwickelten, komplexesten und (daher) leistungsfähigsten natürlichen Wesen werden lassen. ›Evolutionärer Humanismus‹ in diesem Sinne bedeutet dann die systematische Betonung und Erfahrung dessen, was uns nach Kant ‚von der tierischen Eingeschränktheit unterscheidet‘. Der Evolutionäre Humanismus wäre dann eine systematische Theorie der Alleinstellungsmerkmale des Menschen in der Natur und damit eine ‚ Theorie der anthropologischen Differenz‘“.

Engel wirft den naturalistischen Humanisten einen „halbierten Darwinismus“ vor: „Wer daher aus kulturkämpferischer Absicht die Gemeinsamkeiten des Menschen mit ‚den Affen‘ betont, vertritt einen halbierten Darwinismus“. (Wir werden im Haupttext dieses Buches noch wiederholt sehen, dass gerade MSS mit einem Gleichmachungsfanatismus ohnegleichen das Fehlen jedes prinzipiellen Unterschiedes zwischen Affe und Mensch immer wieder betont.)

Auch Darwin selbst haben MSS und seine Anhänger in der gbs gegen sich, denn der betonte in seinem Werk „Die Abstammung des Menschen“ und seiner Autobiographie „Ein Leben“, dass Menschen eben gerade keine Affen seien, sondern „das Wunder und der Ruhm des Weltalls.“

Engels Schlussakkord zu dem gerade behandelten Punkt: „Wir sind Akteure und Zeugen eines nun schon 12.000 Jahre währenden intellektuellen und institutionellen Lernprozesses; wir nehmen bei näherem Hinsehen eine geradezu unglaubliche Sonderstellung in der Natur ein; wir sind, wie schon Jacques Monod wusste, natürlich auch ein Produkt der Notwendigkeit; und selbstverständlich bilden wir auch den Mittelpunkt der Welt, schon weil wir nach heutigem Wissen immer noch die einzigen Wesen sind, die sie beobachten, erkennen und dem Begriff Welt einen Sinn geben können“. Erst „eine solche Konzeption“ könne man Evolutionären Humanismus nennen (und nicht die der gbs), „denn sie schreibt mit Darwin die Evolution des Menschen groß und geht damit entscheidend über einen halbierten Darwinismus hinaus“.

Deshalb hatte ja auch Huxley betont: „Der Mensch ist die zum Bewusstsein ihrer selbst gelangte Evolution“. Aber das ist ein Satz, bei dem MSS in tiefste Verzweiflung verfällt. Er muss sich dann jedoch auch sagen lassen, dass er keinen Humanismus, sondern, wie gesagt, höchstens einen Pongidismus oder Animalismus vertritt. Was ebenfalls zu kritisieren wäre, ist der radikale Wille der sich „Humanisten“ nennenden Naturalisten, alle Religionen, jegliche Religion und jede Art von Religiosität auszulöschen. Dazu auch Engel: „In der gleichen Weise, wie die Wissenschaften zwar nicht bei allen, aber doch wenigstens bei einigen Lebensproblemen hilfreich sein können, können die Wissenschaften von metaphysischen Ideen und die Gesellschaften von tradierten Schätzen der Lebensbewältigungskunst lernen, wie sie sich in den Religionen sedimentiert haben. Ein Evolutionärer Humanismus, der auf die Realisierung intellektueller Kooperationsgewinne im Dienste der Praxis ausgerichtet ist, orientiert sich an dieser Möglichkeit1“.

Erster Teil

Vorstufen, Vorläufer, Leit- und Vorbilder des Evolutionären Humanismus

Es wird bei diesen Säulen, Stützpfeilern, Autoritäten, auf die sich die gbs beruft, hauptsächlich danach zu fragen sein, ob dieses ständige Berufen zu Recht stattfindet, ob die im Folgenden angeführten Persönlichkeiten mit der Inanspruchnahme durch diese Stiftung einverstanden wären bzw. gewesen wären und ob sie oder die gbs dem Anspruch genügen, Vertreter eines echten Humanismus zu sein.

1. Wäre Giordano Bruno mit der gbs einverstanden?

Im Hinblick auf ihn müssten eigentlich auch Mitglieder der gbs selbst bei relativ geringer Kenntnis dieses Mannes zu dem Schluss gelangen: Unsere Stiftung, die sich doch primär und schwerpunktmäßig als Atheismus und Naturalismus versteht (dem Spiegel-Magazin zufolge: „Think-Tank der deutschen Atheisten“), führt ihren Namen zu Unrecht. Giordano Bruno wäre mit dieser Gesellschaft nie einverstanden gewesen, hätte seinen Namen nie für sie hergegeben. Hauptgrund: Bruno war Pantheist, glühender, zutiefst überzeugter Pantheist. Die meisten Mitglieder der gbs aber fürchten den Pantheismus wie der Teufel das Weihwasser, fürchten ihn mehr als den Monotheismus, einige von ihnen betrachten sogar jede Variante des Pantheismus als faschistoid oder direkt faschistisch.

Dass Bruno einen echten Pantheismus vertrat, keine „höfliche Form des Atheismus“ (Schopenhauer), keinen „metaphorischen oder poetischen oder aufgepeppten Atheismus“ (Dawkins), geht aus Hunderten von Aussagen Brunos hervor, so dass einer der bedeutendsten Physiker des 20. Jahrhunderts, Sir James Jeans, mit Recht markant und lapidar konstatierte: „In seiner Philosophie war Bruno ein Pantheist“. Er habe die Natur als eine Welt voll Leben, Schönheit, Erhabenheit und Göttlichkeit gesehen. Bruno habe die Identität von Schöpfer und Schöpfung gelehrt, womit er gegen ihre von der Kirche gepredigte wesentliche Differenz verstieß. Aber trotz zermürbender Verhöre, schwerer Folter, Verbrennung auf dem Scheiterhaufen der Inquisition sei er bei seiner Überzeugung von der „göttlichen Harmonie unseres Weltganzen“ geblieben. Er fühlte sich „wie ein Stäubchen im Angesicht der Unendlichkeit und dennoch größer als die Gewalt der Himmelskräfte, da ich sie begreife und teilhabe an der ewigen Weltseele“.

Die „Gleichhaftigkeit und Göttlichkeit aller Wesen“ stand für Bruno zweifelsfrei fest, so dass dem Vorwurf, sein Pantheismus stehe für einen elitären Faschismus und Rassismus, jeglicher Boden entzogen ist. Nein, so Bruno, in jedem Lebewesen, nicht nur im Menschen spiegle sich das Universum. Der Weltgeist lebe in allem und jedem und daher habe jedes Lebewesen seine unveränderlichen, unzerstörbaren Rechte.2

Eines geht jedenfalls aus allen Aussagen, die Giordano Bruno gemacht hat, ganz klar hervor: Ein atheistisches, entgöttlichtes, entzaubertes, rein materielles Universum hätte er nie akzeptiert, und deshalb sollten sich die Atheisten von der Giordano-Bruno-Stiftung nicht auf ihn berufen, seinen Namen nicht für ihre Zwecke usurpieren. Auch Denker wie Spinoza, Leibniz, Goethe, Schelling und einige andere, die die gbs gelegentlich für ihre Zwecke heranzieht, ließen sich von Brunos Pantheismus wesentlich beeinflussen und hätten auf seiner Seite und nicht der der gbs gestanden.

Zwar gibt die gbs in ihrer Propagandaschrift „Aufklärung im 21. Jahrhundert“ zu, dass Giordano Bruno „kein Atheist, sondern Pantheist war“ (S. 41), zugleich kritisiert sie aber, dass „Brunos Methodik nicht der Herangehensweise der heutigen Naturwissenschaft entsprach und einige seiner mystischen Konzepte sich im Lichte moderner Erkenntnisse kaum noch nachvollziehen lassen“ (S. 8).

Somit widerlegt sich die gbs selbst, wenn sie ein paar Zeilen weiter Giordano Bruno attestiert, „Grundzüge … einer naturalistischen Welterkenntnis“ gefunden zu haben. Mit einer solchen lassen sich Brunos »Weltgeist« und »Weltseele« sicher nicht vereinbaren.

Mein Vorschlag zur Güte: Die gbs ändere doch bitte bei derart gravierenden Differenzen einfach ihren Stiftungsnamen!

Dass Bruno laut gbs ein „großer tragischer Held der Wissenschafts- und Emanzipationsgeschichte“ (S. 8) ist, reicht doch als Legitimationsbeweis nicht aus, um ein sich derart von seiner Überzeugung unterscheidendes naturalistisches, materialistisches und atheistisches System wie das der gbs mit seinem Namen zu schmücken.

Würdigen wir noch einmal umfassender Charakter und Werk dieses Mannes, dessen Namen sich die gbs zu Unrecht angeeignet hat. Der 1548 Geborene erscheint als der erste Vorreiter und Wegbereiter einer neuen Spiritualität, maßgeschneidert für Neuzeit und Moderne. Keinen der nachfolgenden Pioniere dieser Spiritualität wüsste man zu nennen, der sich von den sprühenden Ideen Brunos nicht hätte inspirieren lassen. „Das biogenetische Grundgesetz Ernst Haeckels – er skizzierte es bereits in groben Zügen. Darwins Evolutionstheorie mit dem Kampf ums Dasein und der Selektion mit der Ausbildung des Instinkts als einer Vorstufe des Intellektes usw. – Bruno hatte auch schon dazu klare und eindeutige Gedankengänge entwickelt. Aber auch einem Kant und Berkeley war Bruno voraus mit seiner Kritik der Sinne und Sinneswahrnehmung, desgleichen einem Albert Einstein durch die Hervorhebung eines allgemeinen Relativitätsprinzips. Ebenso bahnbrechende Gedanken hatte er zu einer Atomlehre und atomphysikalischen Forschung. Und selbst die Luftfahrt sagte er voraus …

Spinoza war es, der seine Ethik dem Lehrgebäude Giordano Brunos entnahm. Und Leibniz war es, der … seine Lehre von der ‚Prästabilierten Harmonie‘, den Begriff Monade und das Gleichnis vom Spiegel dem ‚Goldbergwerk‘ Giordano Brunos entlieh“.3

Große Denker und Dichter der Aufklärung und der Romantik beriefen sich auf ihn. Es gibt nicht wenige Wissenschaftshistoriker, die in ihm den „Begründer der modernen Naturphilosophie und wissenschaftlichen Denkweise“ sowie den ersten „Verkünder einer astronomisch fundierten Kosmogonie“ sehen.4

Das Staunen über das Genie Giordano Bruno wird noch größer, wenn man seinen Werdegang bedenkt. Denn mit Fünfzehn tritt er freiwillig in den mittelalterlichen Orden der Dominikaner ein, und dreizehn lange Jahre lässt er deren strenge Dressur über sich ergehen. Dann aber hält es seinen schöpferischen Geist nicht mehr in den Mauern des Klosters und der Kirche. Ruhelos durchwandert er zunächst sein Heimatland Italien, dann die Schweiz, Frankreich, England, Deutschland, Tschechien. Überall konfrontiert er die Menschen mit seinem neuen Weltbild. Die Reaktion bleibt nicht aus. An der Sorbonne, damals Hochburg der Scholastik, darf er nicht mehr weiter lehren, an der Universität Oxford wird ihm die Lehrerlaubnis entzogen und – ironische Pointe des Schicksals! – in Deutschland waren es nicht die Katholiken, sondern die Reformierten, die ihn wegen seiner Lehren exkommunizierten und ihn von seinem Lehrstuhl an der neugegründeten Hochschule zu Helmstedt verjagten.

Wer hätte angesichts der Tatsache, dass es ihm nicht vergönnt war, irgendwo dauerhaft bleiben zu können, ein größeres Recht gehabt, in seine (italienische) Heimat zurück zu kehren als Giordano Bruno? Aber schon in Venedig, wo er sich zunächst niederlassen wollte, erwartete ihn die Inquisition, warf ihn ins Gefängnis und lieferte ihn ein knappes Jahr später als „Fürsten der Ketzer“ an die oberste Inquisitionsbehörde in Rom aus. Sieben lange Jahre verbrachte er dort in den Kellern des Heiligen Offiziums. Nichts wurde ihm erspart, keine Folter, keine quälenden Verhöre, keine demütigenden Hassausbrüche seiner Peiniger. Denn man wollte ja den Triumph seines Widerrufs erzwingen.

Aber dieser Heros und Märtyrer eines spirituellen Pantheismus blieb standhaft. Als er das Todesurteil der Inquisition vernahm, reagierte er mit den Worten: „Mit größerer Furcht vielleicht verkündet ihr das Urteil, als ich es empfange!“ Und so fand am 17. Februar 1600 auf dem Campo dei fiori ein großes Fest statt, in dessen Mittelpunkt die Verbrennung Giordano Brunos auf dem Scheiterhaufen stand.

Bruno hat die Echtheit und Wahrhaftigkeit seiner neuen Art von Spiritualität mit seinem Leben bezahlt und besiegelt. Diese Spiritualität hat er noch während eines der vielen Verhöre gegenüber den Inquisitoren in genialer Kürze formuliert: „Auch ich habe einen Glauben, nicht unedler, als es der christliche ist! Ich bin erfüllt von der göttlichen Harmonie unseres Weltganzen, wie sie – die Märtyrer – es waren von dem göttlichen Schmerz ihres gekreuzigten Messias. Ich fühle mich wie ein Stäubchen im Angesicht der Unendlichkeit und dennoch größer als die Gewalt der Himmelskräfte, da ich sie begreife und teilhabe an der ewigen Weltseele. Ihr habt einen Glauben, der mir geringer erscheint als der meine!“5

Auch moderne Wissenschaftler verneigen sich bewundernd vor der Größe des Bruno’schen Genies. So weist z.B. Sir James Jeans, einer der Mitbegründer der modernen Physik, darauf hin, dass „jede Welt ihre eigene Sonne hat, um die sie kreist. Auf diese Weise übertrug Bruno die Astronomie über das Sonnensystem hinaus und begründete die moderne Ansicht des Sternensystems.

Er ging auf dem Weg, den Nikolaus von Cusa und Kopernikus eröffnet hatten, aber er war unvergleichlich revolutionärer als beide. Er rückte nicht nur die Erde, sondern auch die Sonne aus dem Mittelpunkt des Weltalls – ja es gab für ihn überhaupt keinen Mittelpunkt mehr … Die Kirche war über die revolutionären Lehren des Kopernikus hinweggegangen, ohne ihre Missbilligung derselben offen zu zeigen, aber diese neue Revolution berührte ihre Interessen viel näher. Die Religion bedeutete nur etwas, wenn der Schöpfer von seiner Schöpfung verschieden war – Bruno predigte, beide seien identisch. – Es war wesentlich für die Kirche, dass sie Raum für Himmel und Hölle hatte. Bis jetzt hatte sie die Hölle in das Innere der Erde versetzt und den Himmel über die ‚Sternensphäre‘. Brunos neuer Kosmos ließ keinen Platz für einen materiellen Himmel. Des Kopernikus Lehre hatte keine Umgestaltung der Religion erfordert. Nach der neuen Lehre Brunos war diese aber in vielen Teilen nicht mehr gesichert, wenn Gott nicht bloß ein Stammesgott des Planeten Erde werden sollte“.6

Einige Bestandteile von Brunos Welt- und Menschensicht scheinen wichtig, gültig und wesentlich auch für eine Spiritualität der Gegenwart zu bleiben, wohlgemerkt: für eine einen personalen Gott negierende Spiritualität, die sich gleichzeitig aber auch nicht als atheistische versteht.

Derartige Bestandteile sind:

1. Die nicht personal aufgefasste „universelle Gestaltungskraft“ in der gesamten Natur. Bruno nennt sie auch „unendliche Ursache“, „unendliche Kraft“. Diese Ursache, so gewaltig sie auch ist, ist aber ihm zufolge „im gewissen Sinne immanent, wohnt den natürlichen Dingen inne, ist die Natur selber“. Das scheint mir ein günstiger Anknüpfungspunkt an die heute in der Evolutionsbiologie gelehrte »Selbstorganisation der Lebewesen« zu sein.

2. Wie gesagt, diese universelle Gestaltungskraft ist nicht als göttliche Personalität aufzufassen, aber sie ist nach Bruno auch nicht blind, sondern intelligent, nicht materiell und gefühllos, sondern empfindend, beseelt. Es ist die „Weltseele“ im innersten Kern der Natur, alles durchdringend, sozusagen durchatmend und stärkend.

„Jenes Wesen, das wir Gott nennen“ (aber jetzt in einem anderen Sinn als der christliche Gott), „ist innerlicher in allem, als man sich die Form des Ganzen denken kann … man schließt daraus, dass Jegliches in Jeglichem ist und dass also alles Eins ist … in der Vielheit Einheit und Einheit in der Vielheit“.

3. Somit ist das Göttliche in uns, unserem Innersten, und dieses Göttliche in einem jeden von uns ist die Basis aller Humanität, die Grundlage und Garantie unveräußerlicher menschlicher Würde.

„Wir brauchen“, sagt Bruno, „die Gottheit nicht in der Ferne zu suchen, sondern wir haben sie in unmittelbarer Nähe, ja in uns selber, wir leben und wohnen in ihr.“ In Versform sagt es Bruno noch einmal: „Was sucht Ihr das Paradies in der Ferne? In der eigenen Brust sind Eure Sterne!“

4. Wer aber daraus einen Speziesismus, Elementarismus, Rassismus gegenüber den nichtmenschlichen Lebewesen herauslesen möchte, der sei daran erinnert, dass Bruno ganz entschieden die „Gleichhaftigkeit und Göttlichkeit aller Wesen“ betont. In jedem Lebewesen, nicht nur im Menschen, so Bruno, spiegle sich das Universum. Der Weltgeist lebe in allem und jedem und daher habe jedes Lebewesen seine unaufgebbaren Rechte. Den vielfachen Arten und Methoden heutiger Tierverwertung und -ausbeutung, -vernichtung und deren brutalen Verursachern und Organisatoren sei Brunos Diktum entgegengehalten: „Ein Ding, sei es so klein und winzig, wie es wolle, es hat in sich einen Teil der seelischen Substanz, die, sobald sie einen geeigneten Träger findet, sich entwickelt, sei es zu einer Pflanze, sei es zu einem Tier, und Glied eines beliebigen Körpers bildet, der gemeinhin beseelt genannt wird; denn Seele (als Empfinden) findet sich in allen Dingen, und es ist auch nicht das kleinste Körperchen, das nicht einen solchen Anteil davon hätte, dass es sich nicht belegen könnte.“

In dieser Beseeltheit und Gleichhaftigkeit allen Lebens trifft sich der grenzenlos offene Geist Brunos mit ostasiatischen Spiritualitätsformen, von denen der Philosoph der Phänomenologie Max Scheler mit Recht sagte, sie sähen alle Wesen in einer „Großen Demokratie alles Seienden vereint“. Alles Hierarchische, Hierokratische sei ihnen zutiefst zuwider.

5. Albert Einstein hat die kürzeste und einfachste Formel für Religion gefunden: Religion sei dort, wo man an Sinn glaube.

Brunos Spiritualität bliebe bruchstückhaft, inkonsequent, letztlich sinnlos und im Endeffekt niederdrückend, wenn sie dem Tod das letzte Wort überließe. Zwar grenzt er sich vom christlichen Unsterblichkeitsglauben ab, aber das letzte Wort hat auch bei ihm nicht der Tod, sondern die permanente Verwandlung, die ewige Umwandlung: „Nachdem der Weltgeist in allem lebt, ist es unmöglich, dass irgendein wahres Wesen der Vernichtung anheimfallen oder einen endgültigen Tod erleiden kann, mag auch jegliches Ding unter gewissen Umständen seine Erscheinungsform ändern und sich, sei es in dieser oder jener Anlage, verändern; indem es eine Daseinsform aufgibt, nimmt es nur eine andere an … Völlig ausgetilgt wird in der Tat die eitle und kindische Todesfurcht; man überzeugt sich von der Glückseligkeit, die eine Betrachtung der Grundlagen unserer Philosophie mit sich bringt, da sie die finsteren Schleier der törichten Schrecken des Orkus und des unseligen Charon zerreißt, jene Phantasien, die unserem Leben jede Süßigkeit rauben und unsere Daseinsfreude vergiften.“ Eine „weise Seele“ fürchtet also den Tod nicht, „ja sie geht ihm sogar zeitweise freiwillig entgegen. Es erwartet also alle Substanz hinsichtlich der Dauer: die Ewigkeit; hinsichtlich des Raumes: die Unendlichkeit; hinsichtlich der Existenz: die Fülle der Daseinsformen!“7

So stehen wir auch jetzt wieder, ja gerade besonders bei diesem Schlussakkord der Ideen Brunos, vor einem enormen Gegensatz derselben zur gbs, denn diese lehnt alles über das Diesseits in irgendeiner Form Hinausgehende kategorisch ab.

2. Julian Huxley – der eigentliche Erfinder, Begründer und Ideengeber des Evolutionären Humanismus

Julian Huxley, der berühmte Evolutionsbiologe und erste Generaldirektor der UNESCO, ist der einzige echte und eigentliche Begründer des »Evolutionären Humanismus«, und es wird daher im Folgenden die Frage zu prüfen sein, ob die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) das Recht habe, ihre Ideologie als »evolutionären Humanismus« anzupreisen und als die legitime Fortsetzerin und Korrektorin der Ideen Huxleys zu fungieren. Etwas unbescheiden heißt es in der Programmbroschüre der gbs mit dem Titel „Aufklärung im 21. Jahrhundert“: „lm Auftrag der Stiftung wurden Huxleys Ideen u.a. im ‚Manifest des evolutionären Humanismus‘ wieder aufgegriffen und auf den Stand der heutigen Forschung gebracht.“8

Da fragt man sich doch etwas befremdet, welche „genialen Geister“ bei der gbs das Genie Huxley verbessern und auf den Stand der heutigen Forschung bringen wollen. Auch im gesamten Fortgang der Broschüre, aber auch in anderen Publikationen der gbs ist nichts von einer Fortführung der Ideen Huxleys, geschweige denn von einem »auf den neuesten Stand bringen« zu finden.

Das wäre auch deshalb schwierig, wenn nicht unmöglich, weil grundlegende Anliegen Huxleys in einem echten Gegensatz zu einigen Hauptthesen der gbs stehen. Huxley z.B. verstand sich als religiös, tief religiös, als Begründer und offizieller, im Namen der UNESCO agierender Vorreiter und Verbreiter einer neuen Religiosität, die Modell und Muster für alle Völker werden sollte. Die Mitglieder der gbs dagegen sind areligiös, irreligiös bis antireligiös.

Zwar heißt es an einer Stelle der Programmbroschüre: „Die Stiftung ist religionskritisch, nicht religionsfeindlich.“9 Aber nicht ganz eine Seite später wird schon „die prinzipielle Unvereinbarkeit von wissenschaftlichem Wissen und religiösem Glauben“10 betont.

Ständig beruft sich die gbs in ihren Publikationen auf die These ihres Großmeisters Dawkins, dass Religion keine notwendige und natürliche Mitgift des Menschen sei, vielmehr ein völlig zufälliges und marginales, im Grunde unnützes Nebenprodukt eines anderen, aber natürlichen Nebenprodukts der Evolution darstelle, sozusagen das 5. Rad am Wagen bilde.

Dawkins selbst übrigens hat diese These des Neben-Neben-Effekts der Religion nicht erfunden, sondern von anderen Religionskritikern übernommen, die er in „Der Gotteswahn“ auch dankend erwähnt11, was aber seine Jünger in Deutschland geflissentlich weglassen, wohl um ihren Meister nicht zu verkleinern.

Dieser hat aber auch seine These, die seine Anhänger als Faktum preisen, überhaupt nicht beweisen können. lm Buch „Der Gotteswahn“ analysiert er eine ganze Reihe von Theorien über den Ursprung der Religion unter dem Gesichtspunkt der Frage, ob sie etwas für die Hypothese der zufälligen Entstehung von Religion als Nebenprodukt eines nützlichen Novums im Entwicklungsgang der Natur hergeben, verwirft jedoch alle diese Theorien, weil sie für die Beantwortung dieser Frage partout nichts hergeben. Schließlich erklärt er resigniert, man könne die Hypothese der Religion als zufälliges Nebenprodukt der Evolution zwar nicht beweisen, nicht belegen, nicht bestätigen, müsse aber am Postulat der Richtigkeit und Wahrheit dieser Hypothese festhalten, um nicht bei einem intelligenten Planer zu landen.12 Überhaupt ist Dawkins in seinen Büchern viel offener, ehrlicher, lockerer als seine Jünger von der gbs. lm Unterschied zu diesen gibt er häufig Lücken, Defizite, enorme Unwahrscheinlichkeiten einiger seiner wichtigsten Behauptungen durchaus zu. Allerdings beschränkt er wie nach ihm die gbs die Religion im Großen und Ganzen auf den Glauben an Gott oder Götter, also auf Monotheismus und Polytheismus, wobei letzterer dann in den weiteren Überlegungen und Ausführungen Dawkins‘ und der gbs kaum mehr eine Rolle spielt.

Hier zeigt sich bereits, wie unberechtigt es ist, dass sich diese Stiftung auf Julian Huxley als ihren großen Vorläufer beruft. Denn dieser hatte einen anderen, viel breiteren und umfassenderen Begriff von Religion, den er in seinem diesbezüglich grundlegenden Werk Der Evolutionäre Humanismus13 ausführlich charakterisiert und begründet hat. Der britische Biologe und Philosoph lehnt zwar Gott ab, hält aber Religion für das Kernstück seiner Weltanschauung. Religion fasst er auf als „spirituelle Ökologie“. Sie hat dementsprechend die Aufgabe, den Menschen in seiner Begegnung und Auseinandersetzung mit Natur, Gesellschaft und eigenem Ich in einem nicht statisch-starren, sondern dynamisch-wandlungsfähigen, seelisch-geistigen Gleichgewicht zu halten. „Die sich entwickelnde Religion muss also lernen, ein ebenso offenes und sich selbst berichtigendes System zu sein wie die Wissenschaft“. Die biologische Art Mensch betrachtet Huxley als einen „neuen Typ von Organismen“, die aufgrund ihres höher entwickelten Bewusstseins in Wechselwirkung mit einem überindividuellen System von Ideen und Glaubensüberzeugungen leben. Die Bestimmung dieses neuen Typs von Organismen sei es, im Laufe weiterer Entwicklung ihre Möglichkeiten immer weitgehender zu verwirklichen, um so ein reicher erfülltes Dasein zu erlangen. „Und die Religion wäre ein Organ des Menschen, das sich hauptsächlich mit dem befasst, was in der Bestimmung des Menschen als heilig empfunden und angesehen wird. Vom rein religiösen Gesichtspunkt aus ließe sich die erwünschte Richtung der Evolution als die Vergöttlichung der Existenz definieren.“ Denn mit einem reinen Rationalismus sei nichts zu bewältigen. „Was die Welt heute braucht, ist nicht nur eine rationalistische Verneinung des Alten, sondern eine religiöse Bejahung von etwas Neuem. Eines der wichtigsten Dinge, deren die Welt heute bedarf, ist ein einziges neues religiöses System, um die Vielfalt der miteinander im Streit liegenden und unvereinbaren religiösen Systeme zu ersetzen, die um die Seele des Menschen ringen.“

Worin besteht nun aber die neue Religiosität im Sinne Huxleys?

Sie besteht in einer neuen Schau des Universums und der Rolle des Menschen in ihm, wobei beide Sichtweisen – und das ist das besondere Religiöse daran - „das Gefühl für ein heiliges Mysterium einschließen.“

Ein besonderes religiöses Mysterium innerhalb des grundlegenden Mysteriums des Universums stelle der Mensch dar. Die Hauptaufgabe, die sich ihm heute stelle und die zugleich „die erwünschte Richtung der Evolution“ sei, ließe sich als „die Vergöttlichung der Existenz“ bezeichnen. Demgemäß „müssen im Glaubenssystem jeder sich neu entwickelnden Religion Achtung und Ehrfurcht den Hintergrund bilden. Eine solche Religion muss den Sinn des Menschen für das Wunderbare und Ungewöhnliche, für alles, was hohe Anforderungen an ihn stellt, besonders dann stets lebendig zu erhalten suchen, wenn er sich mit dem allgemeinen Problem der Existenz befasst.“ Religion lässt sich Huxley zufolge „am besten als angewandte spirituelle Ökologie“ verstehen. Sie müsse ein umfassendes Leitsystem schaffen für die Beziehungen der Menschheit zur umgebenden Natur, des individuellen Ich zu den Kräften seines Innenlebens und des einzelnen zu den anderen und der Gesellschaft. „Heiligung des Lebens“ bleibe eine ständige Aufgabe, auch in moderner Religion.14 Und dann kommt ein ganz entscheidender Satz Huxleys, der seinen Evolutionären Humanismus in einen krassen Gegensatz zur naturalistischen Ideologie der gbs setzt. Der Satz lautet: „Eine rein materialistische Anschauung kann keine angemessene Grundlage für das menschliche Leben bieten.“15

Man ersieht aus alledem: Die überaus positive Religionskonzeption Huxleys steht in diametralem Gegensatz zur religionsablehnenden Haltung der gbs, die keine Antenne, kein Sensorium für die religiösen Kategorien des Heiligen und der Ehrfurcht im Sinne Huxleys hat, keinerlei Verständnis für immaterielle Werte überhaupt. Auch nicht für das Geheimnis unserer Existenz und des Beginns des kosmischen Prozesses. Sätze wie die folgenden aus dem Mund Huxleys kämen einem „Aufgeklärten“ aus dem Bannkreis der gbs nie über die Lippen. Huxley betont nämlich: „Dem klaren Licht der Wissenschaft, so sagt man uns oft, hat das Mysterium nicht standgehalten, und nur Logik und Vernunft sind übriggeblieben. Das ist völlig falsch. Die Wissenschaft hat den verhüllenden Schleier des Geheimnisses von vielen Phänomenen gelüftet, aber sie konfrontiert uns mit einem grundlegenden und universalen Geheimnis - dem Mysterium der Existenz überhaupt, und der Existenz des Geistes im Besonderen. Warum existiert die Welt? Warum ist die Welt so und nicht anders beschaffen? Warum weist sie geistige oder subjektive Aspekte ebenso auf wie materielle und objektive? Wir wissen es nicht. Wir können diese Tatsachen nicht deuten, wir können sie nur feststellen. Das heißt, dass wir das Universum als gegeben hinnehmen. Wir müssen lernen, es richtig zu verstehen und seine sowie unsere eigene Existenz als das eine grundlegende Mysterium hinzunehmen. Zwar vermögen wir hinsichtlich des Universums in seiner Gesamtexistenz nur eines: zu entdecken, dass es ein unantastbares Geheimnis ist, doch die Einzelheiten dessen, was sich in diesem Universum abspielt und zur Welt der Erscheinungen gehört, sowie die Beziehungen der mitwirkenden Teile untereinander lassen sich mit Verstand und Phantasie vom Menschen gewinnbringend aufklären“.16

Zwar versuchen atheistische Denker immer wieder an diesem »unantastbaren Geheimnis« zu rütteln, es aufzulösen, aber sie müssen immer wieder scheitern, weil sie bei diesen Versuchen stets eine letzte Voraussetzung, eine allerletzte Annahme machen, die sie nicht mehr begründen können. Bekanntlich hat der englische Astrophysiker Stephen Hawking in seinem Buch „Der großeEntwurf“17 Gott für unnötig erklärt, weil es ja das Gravitationsgesetz gebe, das ihn überflüssig mache. Weil es ein Gesetz wie das der Schwerkraft gebe, könne sich ein Universum aus dem Nichts erschaffen. Die Hand Gottes sei zur Erklärung nicht nötig.

Abgesehen davon, dass die Ableitung des Universums und all seiner Gesetze und Entwicklungen allein aus dem Gravitationsgesetz durchaus umstritten ist, ist hier doch zu fragen: Aber woher kommt denn das Gesetz der Schwerkraft? Ist es ohne Grund entstanden oder einfach immer da(gewesen)? In beiden Fällen wäre das die Erhebung des irrationalen, nicht mehr zu hinterfragenden Zufalls auf den Thron des Ur-Seins, des allerersten Seins, aus dem dann alles entstanden wäre. Alles nachher entstandene und sich entwickelnde Rationale gründete dann auf einer gänzlich irrationalen Ur-Basis. Hawking macht eine Urannahme, das grundlose, ursachlose Dasein des Schwerkraftgesetzes, und begnügt sich damit, fragt nicht nach dem »Warum« und »Woher« dieses Gesetzes. Wenn er im methodologischen Rahmen der Physik verbleibt, mag das gestattet sein. Die bis auf den Grund der Dinge und Fakten vorstoßen wollende philosophische Vernunft aber kann bei der bloßen Faktizität des Vorhandenseins des Schwerkraftgesetzes nicht stehenbleiben, oder sie muss zumindest die Hawkingsche Annahme als lediglich halbe Lösung, als letztlich hilflose Berufung auf den Zufall entlarven.