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Darf ich Paracetamol einnehmen, wenn ich Kopfschmerzen von zu viel Alkohol habe? Hilft mir Melatoninspray wirklich bei Schlafproblemen? Welche Rolle spielen sekundäre Pflanzenstoffe für die Gesundheit, und warum sollte man sie nicht in Form von Nahrungsergänzungsmitteln zu sich nehmen? Diese und viele weitere Alltagsfragen rund um die Themen Arzneimittel und Gesundheit bekommt #DerApotheker immer wieder gestellt. Hier gibt er die Antworten – kurz und knapp, versiert und verständlich: Warum Kinder keine Aspirin schlucken sollten; welche Vorteile Naproxen gegenüber Ibuprofen bei Periodenschmerzen bietet oder ob Nahrungsergänzungsmittel aus der Drogerie genauso gut sind wie aus der Apotheke. Anhand kurzer, alltagstauglicher Texte erfahren wir alles Wichtige über Nebenwirkungen, Wechselwirkungen und die richtige Einnahme unserer Medikamente – und wann die teuren Mittel Geldverschwendung sind. »#DerApotheker macht in seinem neuen Buch das, was er am besten kann: schreibend aufklären. Ich habe selten so gelacht beim Dazuzulernen. Nur eines fehlt: der Tee.« Dr. Natalie Grams, Autorin von ›Was wirklich wirkt‹ »Erstaunlich, dass wir so wenig über Medikamente wissen, sind sie doch längst ein fester Bestandteil unseres Lebens geworden. Aber zum Glück gibt es #DerApotheker. Seine Bücher klären nicht nur auf, sie wirken sogar.« Dr. Peter Spork, Autor von ›Gesundheit ist kein Zufall‹ und ›Der zweite Code‹
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 319
Veröffentlichungsjahr: 2025
»#DerApotheker macht in seinem neuen Buch das, was er am besten kann: schreibend aufklären. Ich habe selten so gelacht beim Dazulernen.«
Dr. Natalie Grams, Autorin von ›Was wirklich wirkt‹
Wussten Sie, dass 800 Milligramm Ibuprofen nicht stärker gegen Schmerzen wirken als 400 Milligramm? Dass Sie Kindern besser keine Aspirin geben, weil bei ihnen sonst das Reye-Syndrom droht? Und dass Sie ein Eisenpräparat mit Orangensaft einnehmen, ein aluminiumhaltiges Antazidum gegen Sodbrennen aber nie mit Fruchtsäften kombinieren sollten? Hier finden Sie die wichtigsten Fakten rund um die Bestseller aus der Apotheke in kurzen und unterhaltsamen Texten zusammengefasst.
#DerApotheker hat Pharmazie studiert und arbeitet seit über einem Jahrzehnt als approbierter Apotheker. Er verschickt täglich seinen beliebten Infoletter und ist als@ApothekerDer auf X sowie als @derapothekeraufinsta auf Instagram aktiv. Sein Buch ›Die Wahrheit über unsere Medikamente‹ wurde 2021 zum SPIEGEL-Bestseller.
»Wir leben in einer Zeit, in der Falschinformationen über Medikamente beängstigend weit verbreitet sind. #DerApotheker hat es sich zur Aufgabe gemacht, diesem Phänomen mit leicht verständlicher, evidenzbasierter Aufklärung entgegenzuwirken. Sein neues Buch ist ein lobenswerter Versuch, wichtiges pharmazeutisches Wissen interessierten Laien in unterhaltsamer Weise zu vermitteln.«
Prof. Dr. Edzard Ernst, Mitglied der Academia Europaea
#DerApotheker
Von Aspirin bis Zink
Was nicht im Beipackzettel steht
Die Wahrheit überunsere Arzneimittel
Da Sachbücher ein besonders hohes Maß an Übersichtlichkeit und Lesbarkeit beanspruchen, wurde beim Verfassen des vorliegenden Buches auf geschlechtsneutrale Formulierungen verzichtet.
Sofern es aus dem Kontext nicht anders hervorgeht, sind stets alle Geschlechter gleichermaßen gemeint und angesprochen.
E-Book 2025
© 2025 DuMont Buchverlag GmbH & Co. KG, Amsterdamer Straße 192, 50735 Köln, [email protected]
Alle Rechte vorbehalten.
Die Nutzung dieses Werks für Text- und Data-Mining im Sinne von § 44b UrhG behalten wir uns explizit vor.
Umschlaggestaltung: Lübbeke Naumann Thoben, Köln
Umschlagabbildung: © depositphotos/[email protected]
Satz: Fagott, Ffm
E-Book Konvertierung: CPI books GmbH, Leck
ISBN E-Book 978-3-7558-1143-5
www.dumont-buchverlag.de
Inhalt
#DesApothekers Vorwort
Teil 1 | Schmerzen, Blut und HustenVon Aspirin bis Rimegepant
Teil 2 | Allergien und AntihistaminikaVon Histamin bis Hydrocortison
Teil 3 | Neurotransmitter, Hormone und ihr UngleichgewichtVon Serotonin bis Dimenhydrinat
Teil 4 | Magen und DarmVon Antazida bis zum CO2-Zäpfchen
Teil 5 | Bakterien und AntibiotikaVon der Blasenentzündung bis zur Akne
Teil 6 | Kinderkrankheiten und ImpfungenVon Viren bis Euphrasia
Teil 7 | Pilzinfektionen und AntimykotikaVon Fußpilz bis zum Ketoconazol-Shampoo
Teil 8 | Desinfektion von Haut und WundenVon Alkohol bis Silber
Teil 9 | Übergewicht und DiabetesVon BMI bis Liraglutid
Teil 10 | Vitamine, Mineralstoffe und ihr UngleichgewichtVon Vitamin A bis Zink
Arzneimittel, Vitamine und Mineralstoffe von A bis Z
Krankheiten von A bis Z
#DesApothekers Vorwort
Nach Die Wahrheit über unsere Medikamente, #DerApotheker für alle Fälle und Die Wahrheit über unsere Drogen erscheint nach einem Jahr Pause mein nunmehr viertes Buch: Von Aspirin bis Zink.
Wie der Name bereits andeutet, bietet es einen umfassenden Überblick über Arzneimittel sowie über Vitamine, Mineralstoffe und Krankheiten.
Auch wenn ich diesen Anspruch hatte, war es nicht möglich, all das in dem Buch unterzubringen, was ich gern drin gehabt hätte. Schließlich sollt ihr es auch unterwegs lesen können, ohne eine zusätzliche Tasche mitnehmen zu müssen. Ich habe mich allerdings bemüht, alle gängigen Arzneimittel zu beschreiben. Ihr werdet also zu dem Großteil der Wirkstoffe, die ihr in der Apotheke für euch selbst, eure Kinder oder die Großeltern erwerben könnt, die wichtigsten Fakten präsentiert bekommen.
Warum braucht ihr dieses Buch? Nun, Arzneimittel sind keine Bonbons, und es ist wichtig, sie korrekt einzunehmen. Leider haben Ärzte oder Apotheker, selbst wenn sie es wollten, oft nicht die Zeit, euch über alle wichtigen Neben- und Wechselwirkungen zu informieren. Etwa, dass ihr ASS 100 nur mit Ibuprofen kombinieren dürft, wenn ihr ein paar wichtige Dinge beachtet. Oder dass ihr bei der Einnahme bestimmter Wirkstoffe auf Grapefruits verzichten müsst. Es gibt viel zu beachten und viel falsch zu machen. Dieses Buch hilft euch dabei, gesund zu bleiben, es anhand der hier beschriebenen Mittel schnell wieder zu werden oder Arzneimittel richtig einzunehmen. Eine alphabetische Übersicht zu allen behandelten Wirkstoffen und Krankheiten findet ihr hinten im Anhang.
Ich habe auch versucht, eure Kritik, die ich für die ersten drei Bücher erhielt, einzuarbeiten. Zum Beispiel trinke ich in diesem Buch nicht ständig Tee, also nur während des Schreibens. Außerdem habe ich dieses Mal auch auf eine Rahmenerzählung verzichtet. Manche liebten sie, manche hassten sie. Ohne sie ist zumindest die Dichte an Informationen größer. Beim ersten Buch gefielen euch die kurzen Texte, was ich dann leider weder beim zweiten noch beim dritten Buch so umgesetzt habe. Dafür bekommt ihr jetzt richtig viele kurze Kapitel. Ganze 180.
Es gab auch Kritik, dass es an manchen Stellen zu kompliziert wurde. Auch das habe ich dieses Mal berücksichtigt. Zum Teil sogar freiwillig. Der eine möchte tiefergehende Informationen, dem anderen ist es zu detailliert. Man kann es nie allen recht machen.
Eine Kritik, die mir in der Vergangenheit allerdings viele Ein-Stern-Bewertungen eingebracht hat, habe ich natürlich nicht beachtet: Auch dieses Buch ist evidenzbasiert und betont, dass die Homöopathie keine Wirkung besitzt, die über den Placeboeffekt hinausgeht. Solche Ein-Stern-Bewertungen sind für mich genauso wertvoll wie jede einzelne Fünf-Sterne-Bewertung, die ihr mir für meine Bücher gegeben habt. Danke dafür!
So, dann wünsche ich euch nun viel Spaß beim Dazulernen.
Wenn euch das Buch gefällt, empfehlt es weiter und bewertet es gern. Das hilft enorm. Und wenn ihr nach dem Lesen noch mehr wollt: Holt euch meinen Infoletter auf https://steady.page/de/derapotheker/. Jede fünfte Ausgabe ist kostenlos. Wer dort Mitglied im #DerApothekerClub wird, bekommt außerdem den Zugang zum Archiv mit inzwischen über 1300 Ausgaben.
August 2025
#erApotheker
Teil 1
Schmerzen, Blut und Husten
Von Aspirin bis Rimegepant
1
Aspirin – wie es zu diesem Meilenstein kam
Am 6. März 1899 ließen die Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co. den Markennamen Aspirin in die Warenzeichenrolle des Kaiserlichen Patentamtes eintragen. Hinter dem Markennamen verbirgt sich die Acetylsalicylsäure, kurz ASS, einer der bekanntesten Arzneistoffe der Welt.
Die Substanz wurde erstmals am 10. August 1897 von Felix Hoffmann, einem deutschen Apotheker und Chemiker, in reiner und stabiler Form hergestellt. Er suchte nach einer Möglichkeit, die Nebenwirkungen der damals schon als Schmerzmittel eingesetzten Salicylsäure zu verringern, da sie bei vielen Menschen Magenprobleme verursachte.
Hoffmann wollte die Salicylsäure so verändern, dass sie verträglicher wurde. Das gelang ihm schließlich mit Essigsäureanhydrid, einer hochreaktiven Flüssigkeit, die grob gesagt aus zwei miteinander verbundenen Essigsäuremolekülen besteht.
Bei dieser Reaktion, Acetylierung genannt, wird eine Acetylgruppe auf die Salicylsäure übertragen. Es entsteht die Acetylsalicylsäure. Der Markenname Aspirin besteht aus dem »A-« für die Acetylgruppe und dem »-spirin« für die sogenannte Spirsäure, wie man die Salicylsäure früher nannte.
Aspirin wurde zu einem großen Erfolg und zu einem Meilenstein in der Geschichte der Medizin. Auch heute noch ist es weltweit erhältlich. In Deutschland darf nur die Bayer AG, Nachfolgerin der Farbenfabriken, den Namen Aspirin verwenden. In vielen anderen Ländern, darunter auch den USA, ist das anders. In den USA verlor Bayer während des Ersten Weltkriegs die Markenrechte – offiziell entzogen durch die US-Regierung. Der Versailler Vertrag bestätigte später den dauerhaften Verlust.
Hoffmann stellte auf diese Art aber nicht nur Aspirin her, sondern ebenso eine weitere Substanz, die ein großer Erfolg werden sollte – zumindest vorübergehend. Mehr dazu später.
2
Was kann die Acetylsalicylsäure?
Acetylsalicylsäure, kurz ASS, gehört wie Ibuprofen oder Diclofenac zu den nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) und kann bei Schmerzen und Fieber eingenommen werden.
NSAR wirken, indem sie die Cyclooxygenasen (COX) hemmen, Enzyme, von denen es zwei Varianten gibt: COX-1 und COX-2. COX wandeln Arachidonsäure in kleinere Moleküle wie Prostaglandine und Thromboxane um, Gewebshormone mit unterschiedlichen Aufgaben im Körper.
Prostaglandine spielen unter anderem bei der Schmerzwahrnehmung, der Fieberregulation sowie bei Entzündungsprozessen eine Rolle. Thromboxane hingegen fördern die Verklumpung von Blutplättchen (Thrombozytenaggregation) und verengen die Blutgefäße, weshalb sie eine wichtige Rolle bei der Blutgerinnung spielen.
Welche Prostaglandine am Ende entstehen, hängt nicht unbedingt davon ab, ob COX-1 oder COX-2 am Werk ist, sondern eher davon, wann und wo die beiden aktiv sind. COX-1 ist im Körper ständig aktiv, während COX-2 vor allem dann aktiv ist, wenn der Körper auf eine Entzündung reagiert. Zum Beispiel bei einer Verletzung oder einer Infektion.
Hat man auf diese Symptome keine Lust, hemmt man einfach die Bildung der entsprechenden Prostaglandine. Zum Beispiel mit einem NSAR wie ASS. ASS hemmt sowohl COX-1 als auch COX-2. Die COX-1 allerdings bevorzugt.
Prostaglandine, die durch COX-1 gebildet werden, reduzieren die Bildung der Salzsäure, die in den Magen gepumpt wird, und fördern gleichzeitig die Bildung von Magenschleim, der die Magenschleimhaut vor dieser aggressiven Säure schützen soll.
Nimmt man also ASS ein, erhält man neben den gewünschten Wirkungen durch die COX-2-Hemmung auch die unerwünschten durch die COX-1-Hemmung. Das heißt, mehr Magensäure und weniger Magenschleim.
Das ist ein Problem, denn dadurch kann es zu Blutungen im Magen und letztendlich zu einem Magengeschwür kommen. Je länger und je höher dosiert man ASS einnimmt, desto größer das Risiko. Deshalb wird ASS heute kaum noch gegen Entzündungen eingesetzt, denn dafür wären täglich hohe Dosen (ab drei Gramm) nötig.
ASS sollte immer nach dem Essen eingenommen werden. Das reduziert die direkte Reizung der Magenschleimhaut und macht es etwas besser verträglich.
Ab 16 Jahren können ein bis zwei Tabletten mit je 500 Milligramm ASS auf einmal geschluckt werden. Um das Risiko für Nebenwirkungen zu reduzieren, sollte man höchstens drei Gramm pro Tag einnehmen. Mit einem Abstand von mindestens vier Stunden. Ab dem 65. Lebensjahr sollte man pro Einnahme höchstens eine Tablette und insgesamt maximal vier pro Tag einnehmen.
Für Jugendliche zwischen 12 und 15 Jahren gilt dieselbe Einzeldosis wie für Menschen ab 65. Sie dürfen aber nicht nur vier, sondern bis zu sechs Tabletten am Tag einnehmen – vorausgesetzt, sie wiegen über 40 Kilogramm.
Achtung: Für Kinder unter zwölf Jahren kann ASS gefährlich werden. Es kann zum Reye-Syndrom kommen.
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Wann bei ASS das Reye-Syndrom droht
Nehmen Kinder unter zwölf Jahren ASS ein, besteht die Gefahr, dass es zum lebensgefährlichen Reye-Syndrom kommt.
Was diese seltene Erkrankung genau auslöst, ist nicht vollständig geklärt. Vermutet wird eine Kombination aus viraler Infektion und ASS-Einnahme. Dabei werden vermutlich die Mitochondrien, die »Kraftwerke« unserer Zellen, geschädigt, was den Energiestoffwechsel des Kindes erheblich beeinträchtigt.
Typisch ist, dass die ersten Symptome erst einige Tage nach dem Abklingen der Virusinfektion auftreten.
Das Kind leidet dann plötzlich unter starkem Erbrechen, Fieber und Kopfschmerzen, wird ungewöhnlich schläfrig, teilnahmslos und desorientiert. In schweren Fällen können auch Krampfanfälle, Atemstörungen und eine vergrößerte Leber mit eingeschränkter Funktion auftreten. Bei einem vollständigen Leberversagen ist die Entgiftungsfunktion stark eingeschränkt. Ammoniak, eine giftige gasförmige Verbindung, kann dann nicht mehr ausreichend abgebaut werden. Gelangt es ins Gehirn, kann es dort Nervenzellen schädigen. Auch eine Flüssigkeitsansammlung im Gehirn ist möglich. Sie erhöht den Hirndruck und kann zu Verwirrung und Krampfanfällen führen. Im schlimmsten Fall fällt das Kind ins Koma.
Im Frühstadium ist eine Heilung zwar noch möglich, bei einem schweren Verlauf liegt die Sterblichkeit heute bei unter 20 Prozent. Rund 30 Prozent der Überlebenden tragen aber dauerhafte neurologische Schäden davon.
Als man in den 1980er-Jahren den Zusammenhang zwischen ASS und viralen Infekten, meist durch Influenzaviren (Grippe – siehe Kapitel 131) oder Varizellen (Windpocken – siehe Kapitel 126), bei Kindern unter zwölf Jahren erkannte, wurde eine Altersbeschränkung eingeführt. Seitdem ist das Reye-Syndrom bei Kindern deutlich seltener geworden.
Läge keine virale Infektion vor, könnte ASS theoretisch bei Kindern verwendet werden. Da es mit Ibuprofen und Paracetamol aber gute Alternativen gibt, nutzt man diese. Virale Infektionen bleiben außerdem oft unerkannt und können sich auch erst während der Behandlung mit ASS entwickeln. Sicher ist sicher.
Leidet das Kind unter Fieber oder Schmerzen, kann aber weder Ibuprofen noch Paracetamol einnehmen, gibt man es nicht einfach auf und überlasst es sich selbst, sondern verabreicht, auf ärztliche Anweisung und in einer altersgerechten Dosierung, ASS.
4
Warum ASS 100 dein Leben retten kann
In einer Dosierung von in der Regel 100 Milligramm wird ASS auch zur Thrombozytenaggregationshemmung eingesetzt.
Das klingt erst mal kompliziert, ist aber eigentlich ganz einfach: Wenn sich Thrombozyten, das sind die Blutplättchen, in unseren Venen oder Arterien anlagern, bilden sie mit Fibrin und roten Blutkörperchen einen Thrombus. Dessen Aufgabe besteht darin, in einem ersten Schritt verletzte Gefäße zu reparieren.
Manchmal bildet sich so ein Thrombus allerdings auch in einem Blutgefäß. Das ist schlecht, denn das behindert den Blutfluss oder blockiert ihn sogar vollständig. In solchen Fällen spricht man dann von einer Thrombose.
Je nach Lage unterscheidet man arterielle Thrombosen von venösen.
Venöse Thrombosen treten vor allem in den tiefen Bein- und Beckenvenen auf. Der Thrombus entsteht dabei meistens im Unterschenkel und kann sich dann bis zum Oberschenkel oder gar bis zum Becken hin ausbreiten. Löst sich ein solcher Thrombus und wandert bis in die Lunge, droht eine lebensgefährliche Lungenembolie.
Arterielle Thrombosen hingegen erhöhen unter anderem das Risiko eines Herzinfarkts und eines Schlaganfalls. Sie können ebenfalls tödlich enden.
Verursacht werden Thrombosen häufig durch Bewegungsmangel nach Operationen, durch längeres Sitzen, Rauchen, Übergewicht und Tumorerkrankungen.
Auch Frauen, die die Pille mit Östrogenanteil, ein sogenanntes Kombinationspräparat (Kapitel 5), einnehmen, sowie Schwangere haben ein erhöhtes Risiko. Das Risiko einer Thrombose steigt auch mit dem Alter, da sich die Fließeigenschaften des Blutes und die Elastizität der Gefäße verändern.
Je mehr Risikofaktoren zusammenkommen, desto größer ist die Gefahr. Hier passt ein stoischer Gedanke: Manche Dinge liegen in unserer Macht, andere nicht.
Um arteriellen Thrombosen vorzubeugen, muss also die Bildung der Thromboxane durch die Hemmung der COX-1 reduziert werden.
Das kann zwar jedes NSAR, aber alle bis auf eines nur vorübergehend. ASS ist das einzige dieser Gruppe, das sich nicht nach kurzer Zeit wieder ablöst, sondern die COX mithilfe seiner Acetylgruppe dauerhaft hemmen kann.
Da der Thrombozyt keinen Zellkern besitzt, kann er keine neue COX bilden. Die Hemmung bleibt bestehen, bis ein neuer Thrombozyt gebildet wird. Damit auch die COX der neuen Thrombozyten gehemmt werden kann, müssen Menschen mit erhöhtem Risiko für Thrombosen ASS 100 daher täglich einnehmen – oft ein Leben lang.
Man unterscheidet normale ASS-100-Tabletten von magensaftresistenten. Die normalen nimmt man nach dem Frühstück ein, damit sie den Magen etwas weniger direkt reizen. Die magensaftresistenten sollen sich erst im Dünndarm auflösen, weshalb sie eine halbe Stunde vor dem Frühstück eingenommen werden müssen. Bei beiden Varianten kommt es zur Reizung der Magenschleimhaut, da diese ja vor allem durch die COX-Hemmung zustande kommt. Ob magensaftresistente Tabletten wirklich etwas besser verträglich sind, ist bislang nicht eindeutig geklärt.
Einen Unterschied gibt es zwischen den beiden ASS-Varianten allerdings noch, und der kommt zum Tragen, wenn zusätzlich Ibuprofen eingenommen werden muss. Mehr dazu in Kapitel 7. Wir müssen nämlich kurz auf ein weiteres Thema zu sprechen kommen, das gut zur Thrombose passt.
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Welche Antibabypille Thrombosen auslösen kann
Die Antibabypille wird eingenommen, wenn man zwar Sex, aber kein Baby haben möchte. Es gibt allerdings nicht nur eine einzige Pille, sondern verschiedene Varianten, die alle dasselbe Ziel verfolgen, aber unterschiedliche Wege gehen.
Man unterscheidet Kombinationspräparate mit Östrogen und Gestagen von reinen Gestagenpräparaten, den sogenannten Minipillen. Beide enthalten künstlich hergestellte Formen weiblicher Sexualhormone.
Die Kombinationspille unterdrückt den Eisprung und verändert den Zervixschleim so, dass Spermien schlechter zur Eizelle gelangen können. Außerdem verändert sie die Gebärmutterschleimhaut, sodass sich eine befruchtete Eizelle, falls es überhaupt zum Eisprung käme, nicht einnisten kann. Doppelt hält besser. Die Befruchtung ist nur im sogenannten fertilen Fenster möglich. Das Fenster öffnet fünf Tage vor dem Eisprung und schließt einen Tag danach. Während dieser Zeit ist der Schleim für Spermien durchlässig. Möchte man sie aber nicht willkommen heißen, verdickt das Gestagen den Schleim und versiegelt damit den Eingang zur Gebärmutter.
Frühere Minipillen wirkten vor allem über den Schleimpfropf. Moderne Minipillen wie Desogestrel unterdrücken hingegen bei den meisten Frauen zusätzlich den Eisprung. Anders als ältere Minipillen darf man sie sogar bis zu zwölf Stunden später einnehmen – genau wie bei Kombinationspräparaten. Ihre Wirksamkeit ist bei korrekter Anwendung daher vergleichbar.
Die sogenannte Mikropille gehört ebenfalls zu den Kombinationspräparaten. Sie enthält weniger Östrogen als ältere Pillen. Also Mikrodosen an Östrogen. Daher der Name. Die Gestagendosis kann je nach Präparat ähnlich hoch sein wie bei anderen Kombinationspräparaten.
Egal welche Form, die Pille kann Übelkeit, Brustspannen, Stimmungsschwankungen oder Kopfschmerzen auslösen.
Und sie kann eben das Thromboserisiko erhöhen. Allerdings gilt das nur für die Kombinationspräparate, da das enthaltene Östrogen dafür verantwortlich ist. Es regt in der Leber die Bildung bestimmter Gerinnungsfaktoren an, wodurch das Risiko steigt, dass sich in den Venen Blutgerinnsel bilden.
Mikropillen sind aufgrund des geringeren Östrogenanteils sicherer als klassische Kombipräparate. Reine Gestagenpräparate erhöhen das Thromboserisiko nicht. Eine Ausnahme gibt es allerdings: die Dreimonatsspritze, die Medroxyprogesteronacetat in Depotform enthält. Sie steigert das Risiko geringfügig.
Achtung: Arzneimittel, die das Enzym CYP3A4 beeinflussen, wie zum Beispiel Johanniskraut oder bestimmte Antiepileptika, können die Wirkung der Pille verringern. Das betrifft vor allem Kombinationspräparate, aber die Minipillen mit Desogestrel sind davon nicht ausgenommen.
CYP3A4 gehört zu einer Enzymfamilie, die hauptsächlich in der Leber vorkommt und eine wichtige Rolle bei der Umwandlung von Substanzen spielt. Diese CYP-Enzyme sorgen in der Regel dafür, dass Substanzen wasserlöslicher werden, damit sie leichter ausgeschieden werden können. Auf diese Weise werden über 75 Prozent aller Arzneimittel abgebaut. Manche Arzneimittel, sogenannte Prodrugs, werden durch CYP-Enzyme erst in ihre eigentliche Wirkform umgewandelt.
Wichtig: Was für die Pille gilt, gilt natürlich auch für den Verhütungsring und das Verhütungspflaster. Auch sie können Thrombosen auslösen.
6
Warum die Pille danach so schnell wie möglich eingenommen werden muss
Wenn wir über die Pille sprechen, müssen wir auch kurz auf die Pille danach eingehen. Kam es zum ungeschützten Geschlechtsverkehr, ohne die Absicht, schwanger zu werden, sollte schnellstmöglich die Pille danach eingenommen werden. Es gibt sie ohne Rezept in der Apotheke. Sie verschiebt den Eisprung, sodass die Spermien, die bis zu fünf Tage überleben können, die Eizelle nicht erreichen und absterben.
Es werden zwei Wirkstoffe eingesetzt: Ulipristalacetat und Levonorgestrel.
Ulipristalacetat verschiebt den Eisprung, indem es an den Progesteron-Rezeptor bindet und dadurch die Wirkung von Progesteron unterbindet. Progesteron steuert den Anstieg des luteinisierenden Hormons (LH), das den Eisprung auslöst, und bereitet die Gebärmutterschleimhaut auf eine mögliche Einnistung vor. Wird der LH-Anstieg durch Ulipristalacetat gehemmt, bleibt der Eisprung aus. Ganz einfach.
Nimmt man Ulipristalacetat erst ein, wenn der LH-Anstieg bereits begonnen hat, verzögert es den Eisprung immerhin noch. Die Spermien sterben daher ab, bevor sie die Eizelle erreichen. Eine Schwangerschaft wird dadurch verhindert.
Levonorgestrel hingegen wirkt kurz vor dem Eisprung nicht mehr zuverlässig. Da die meisten Frauen, die in der Apotheke die Pille danach bei mir kaufen wollen, erfahrungsgemäß kurz vor dem errechneten Eisprung stehen, ist Ulipristalacetat meist die bessere Wahl.
Auch wenn Ulipristalacetat bis zu 120 Stunden, also fünf Tage, nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr eingenommen werden kann, sollte man das sofort tun. Denn kam es in der Zwischenzeit zum Eisprung, kann er logischerweise nicht mehr verschoben werden.
Falls man Levonorgestrel einnehmen muss, weil Ulipristalacetat nicht infrage kommt, etwa wegen der Stillzeit oder wegen Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, hat man nur 72 Stunden Zeit. Das sind drei Tage.
Die Pille danach, egal mit welchem Wirkstoff, kann zudem die nächste Menstruation verschieben. Sie kann bis zu sieben Tage früher oder später als gewohnt eintreten, in seltenen Fällen auch um mehr als zwanzig Tage verzögert sein. Das ist wichtig zu wissen, weil man sich dadurch womöglich die ein oder andere Sorge erspart.
Die Nebenwirkungen der Pille danach sind meist mild. Es kann zu Kopfschmerzen, Schwindel, Bauchschmerzen, Übelkeit und Müdigkeit kommen. Wer sich innerhalb von drei Stunden nach der Einnahme erbricht, muss allerdings eine weitere Tablette schlucken. Arzneimittel, die das CYP3A4 beeinflussen, können zudem die Wirkung der Pille danach verringern.
Für Frauen mit einem höheren Körpergewicht ist Ulipristalacetat die bessere Wahl. Die Wirksamkeit leidet zwar in beiden Fällen, bei Levonorgestrel allerdings deutlich mehr.
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Warum die Kombination von ASS 100 und Ibuprofen manchmal tödlich endet
So, wir sind zurück bei ASS. Was ist nun das Problem, wenn zusätzlich Ibuprofen eingenommen wird – das wir in Kapitel 11 noch genauer anschauen werden?
Mit Ibuprofen kann man keiner arteriellen Thrombose vorbeugen, da es, wie erwähnt, nur vorübergehend wirkt. Man könnte annehmen, dass Ibuprofen die Wirkung von ASS 100 verstärken würde – doch das Gegenteil ist richtig. Ibuprofen versperrt dem ASS den Zugang zur COX, weshalb seine Acetylgruppe nicht mehr daran binden kann und dann Blutgerinnsel entstehen können.
Damit ASS 100 also wirken kann, sollte man bei der ASS-Einnahme kein Ibuprofen im Blut haben. Ist das doch der Fall, droht eine Thrombose – und die kann, wie wir wissen, tödlich enden.
ASS sollte daher mindestens zwei Stunden vor Ibuprofen eingenommen werden, damit es ausreichend Zeit hat, die COX-1 der Thrombozyten unwiderruflich zu blockieren, bevor das Ibuprofen dort auftaucht. Studien deuten zwar darauf hin, dass bereits ein Abstand von etwa 30 Minuten ausreichen könnte, zwei Stunden sind jedoch besser, um die Wirkung auch wirklich sicherzustellen.
Da der Körper, wie erwähnt, ständig neue Thrombozyten mit neuen COX-1-Enzymen bildet, müssen Menschen mit einem Risiko für Thrombosen ASS 100 regelmäßig einmal am Tag einnehmen. Hat man in der Zwischenzeit aber Ibuprofen geschluckt, ist die Wirkung von ASS davon abhängig, ob und wie viel Ibuprofen noch im Blut vorhanden ist.
Ibuprofen hat eine Halbwertszeit von zwei bis drei Stunden. Das heißt: Nach zwei bis drei Stunden ist noch die Hälfte im Blut, nach 10 bis 15 Stunden (fünf Halbwertszeiten) ist das Ibuprofen praktisch vollständig abgebaut.
Damit die nächste ASS-Dosis sicher wirkt, sollte Ibuprofen spätestens acht Stunden vorher genommen worden sein. Dann ist zwar noch etwas Ibuprofen im Blut, aber das ASS kann seinen Job dennoch erledigen.
Schluckt man an diesem Tag allerdings eine zweite Ibuprofen, auch wenn man das in diesem erlaubten Zeitfenster macht, kann das ASS nicht mehr wirken. Dasselbe gilt, wenn man mehr als 400 Milligramm Ibuprofen eingenommen hat.
Für höhere Dosen Ibuprofen gibt es keine offiziellen Empfehlungen, wie lange man warten soll. Geht man allerdings logisch an die Sache ran, sollte es ausreichen, wenn man bei der doppelten Dosis, also 800 Milligramm Ibuprofen, eine Halbwertszeit draufschlägt und etwa zehn bis elf Stunden wartet. Das ist aber reine Spekulation.
Schluckt man eine magensaftresistente ASS-100-Tablette, gibt es Hinweise darauf, dass man den Abstand zu Ibuprofen sogar noch etwas vergrößern muss, da die Tablette sich ja auch erst später auflöst. Wie lange? Unklar.
Möchte man mit ASS 100 eine Thrombose auf einem Langstreckenflug verhindern, spielt es übrigens keine Rolle, ob man Ibuprofen im Blut hat oder nicht.
8
Warum ASS 100 keine Reisethrombose verhindert
Wie erwähnt, erhöht sich die Gefahr einer venösen Thrombose, wenn man lange Zeit im Sitzen verbringt. Weil das auf Reisen häufig vorkommt, spricht man dann von einer Reisethrombose. Typisch sind ein ziehender Schmerz, eine Schwellung und ein Wärmegefühl im betroffenen Bein.
Der Grund für das erhöhte Risiko ist, dass beim Sitzen die Muskelpumpen in den Beinen nicht aktiviert werden. Ist man in Bewegung, ziehen sich die Wadenmuskeln zusammen, was die Venen in den Beinen immer wieder zusammendrückt. Dadurch wird das Blut in Richtung Herz gepumpt. Das Herz braucht diese Muskelpumpen als Unterstützung auf den letzten Metern. Damit das Blut aber nicht in die andere Richtung gepumpt wird, gibt es die Venenklappen. Vor allem in den Beinvenen. Sie verhindern das Zurückfließen eines Großteils des Blutes, indem sie es in kleinen Taschen auffangen, von wo aus es bei der nächsten Kontraktion der Muskeln wieder Richtung Herz gepumpt wird. Wenn man also lange sitzt, staut sich das Blut in den Venen, was das Risiko einer venösen Thrombose erhöht.
Im Flugzeug verstärkt der geringe Luftdruck das Problem. Die Venen weiten sich, das Blut fließt langsamer. Wer zusätzlich zu wenig trinkt oder Alkohol konsumiert, erhöht das Risiko noch weiter.
Und da kommen manche Menschen auf die naheliegende Idee, mit ASS 100 das Risiko reduzieren zu wollen. Allerdings ist dessen Wirksamkeit zur Vorbeugung einer Reisethrombose begrenzt und wird nicht empfohlen. Da venöse Thromben fibrinreich sind, hat ASS 100 auf ihre Entstehung kaum Einfluss. Obwohl einige Studien auf eine leichte Reduktion des Risikos für tiefe Venenthrombosen durch ASS 100 hindeuten, gibt es keine ausreichenden Belege dafür, dass es tatsächlich hilft, einer Reisethrombose vorzubeugen. Ob man nun also Ibuprofen im Blut hat oder nicht, spielt nicht wirklich eine Rolle, wenn man ASS 100 gegen eine Reisethrombose einnehmen möchte.
Zur Vorbeugung einer Reisethrombose empfiehlt es sich, regelmäßig aufzustehen, um die Muskelpumpe zu aktivieren, ausreichend Wasser zu trinken und auf Alkohol zu verzichten. Stütz- oder Kompressionsstrümpfe fördern zusätzlich den Rückfluss des Bluts zum Herzen, da sie die Venen zusammendrücken. Dadurch wird die Fließgeschwindigkeit des Blutes erhöht und der Blutstau in den Beinvenen verringert, was wiederum das Risiko einer Thrombose senkt.
Medikamentös lässt sich das Risiko eines fibrinreichen Thrombus in den Venen durch das Spritzen von Heparin reduzieren.
9
Warum Heparin hilft, wenn ASS 100 versagt
Besteht also ein hohes Thromboserisiko und man muss längere Zeit in einem Flugzeug verbringen, sollte man Heparin spritzen.
Heparin ist eine gerinnungshemmende Substanz, die auch vom Körper selbst gebildet und gespeichert werden kann. Das in der Medizin eingesetzte Heparin wird in der Regel aus der Darmschleimhaut von Schweinen gewonnen.
Muss man sich Heparin verabreichen, dann spritzt man es sich in das Unterhautfettgewebe, von wo aus es ins Blut gelangt und dort Antithrombin III aktiviert. Dieses Protein wiederum hemmt zentrale Gerinnungsfaktoren wie Thrombin.
Thrombin wandelt Fibrinogen in Fibrin um, das Gerüst eines Thrombus. Dank Heparin funktioniert das nun nicht mehr. Auch nicht auf einem Langstreckenflug.
Die Wirkung hängt von der Dosis ab – gemessen in Internationalen Einheiten (I.E.), die den Grad der Hemmung angeben. Zur Thromboseprophylaxe wird nur eine niedrige Dosis gespritzt, meist einmal täglich.
Heparin gilt als gut verträglich, kann aber Blutungen verursachen und in seltenen Fällen zu einer Heparin-induzierten Thrombozytopenie führen, also einem gefährlichen Absinken der Thrombozytenkonzentration. Paradoxerweise kann diese sogar Thrombosen auslösen. Heparin verhindert Thrombosen also nicht nur, sondern kann sie in seltenen Fällen sogar auslösen. Ist das ein Grund, auf Heparin zu verzichten, wenn es angebracht ist? Nein.
10
Hilft Heparin auch gegen blaue Flecken?
Heparin wird auch gern in Tuben gekauft. In Form eines Gels oder einer Salbe soll es dafür sorgen, dass blaue Flecken und Schwellungen schneller verschwinden.
Vor allem ältere Menschen nutzen gern Heparin zum »Schmieren«. Wie genau es wirken soll, ist nicht ganz klar, denn trotz großer Beliebtheit gibt es ein kleines Problem: Das Heparin-Molekül ist ziemlich groß und stark negativ geladen. In anderen Worten: Es kommt also kaum durch die Haut. Eine lokale Wirkung im Gewebe ist daher umstritten und wenn überhaupt, dann nur bei sehr hoch dosierten Präparaten möglich.
Auf dem Markt sind Heparin-Gele und -Salben erhältlich, die zwischen 10.000 und 180.000 I.E. pro 100 Gramm enthalten.
Trägt man voller Überzeugung seine Heparin-Salbe zwei- bis dreimal täglich auf den blauen Fleck auf und er verschwindet nach einer Weile tatsächlich, ja, dann könnte man natürlich von der Wirkung dieses Produkts überzeugt sein.
Der blaue Fleck könnte aber auch von ganz allein verschwunden sein – das tut er nämlich mit der Zeit, sonst sähen wir alle irgendwann aus wie Schlümpfe. Wer allerdings genau das möchte, bekommt in Kapitel 146 eine, nicht empfehlenswerte, Anleitung.
Möglicherweise verschwand der Fleck durch das Einmassieren der Salbe auch etwas schneller – dann lag das aber vermutlich nur an der Massage.
11
Warum 800 Milligramm Ibuprofen in der Regel nicht stärker gegen Schmerzen wirken als 400 Milligramm
So, genug von Thrombosen und blauen Flecken, jetzt kommen wir zu dem Schmerzmittel Nummer eins: Ibuprofen.
Kein Arzneimittel geht in deutschen Apotheken öfter über den Handverkaufstisch als dieser Dauerbrenner. Es kann gegen Schmerzen, Fieber und Entzündungen eingesetzt werden. Erwachsene nehmen Ibuprofen meistens in Form von Tabletten gegen Schmerzen ein, während kleine Kinder in der Regel den Saft oder die Zäpfchen gegen Fieber erhalten.
Während die Dosierung bei Kindern von ihrem Körpergewicht abhängt, nehmen Erwachsene bis zu dreimal täglich 400 Milligramm nach dem Essen ein.
Sowohl die Einzel- als auch die Tagesgesamtdosis verdoppelt sich für Erwachsene, wenn das Ibuprofen ärztlich verordnet wurde. Aber auch ohne ärztliche Verordnung nehmen manche Menschen 800 Milligramm ein, da sie glauben, so ihre Schmerzen besser bekämpfen zu können.
Aber das ist ein Trugschluss. Während das Risiko für Nebenwirkungen ansteigt, nimmt die schmerzhemmende Wirkung nicht zu, wenn man die Dosis erhöht. Ibuprofen hat einen Ceiling-Effekt. Das heißt, dass die schmerzhemmende Wirkung gedeckelt ist – und zwar bei 400 Milligramm.
Warum also verordnen Ärzte mehr als 400 Milligramm? In den meisten Fällen, weil höhere Dosen eine stärkere Entzündungshemmung aufweisen.
Dabei wirken zwei 400-Milligramm-Tabletten genauso effektiv gegen Entzündungen wie eine 800-Milligramm-Tablette. Es sei denn, die 800-Milligramm-Tablette ist retardiert, denn dann wird der Wirkstoff nicht auf einmal, sondern nach und nach freigesetzt. Diese Tabletten werden aber eher selten verordnet.
Glaubt man trotzdem, dass 800 Milligramm effektiver gegen Schmerzen sind als 400, dann könnte das auch am Placeboeffekt liegen. Die Erwartung einer stärkeren Schmerzlinderung könnte dazu beitragen, dass der Körper vermehrt schmerzlindernde Endorphine ausschüttet. Es könnte aber auch daran liegen, dass man zu klein für sein Gewicht ist.
Bei übergewichtigen Personen sind möglicherweise höhere Dosen Ibuprofen erforderlich, da ihr erhöhtes Körpergewicht die Pharmakokinetik, also wie der Körper das Arzneimittel verarbeitet, und die Pharmakodynamik, wie das Arzneimittel wirkt, beeinflusst.
Das heißt aber nicht, dass Ibuprofen bei ihnen keinen Ceiling-Effekt hat. Sie brauchen lediglich mehr davon, weil es bei ihnen schwächer wirkt als bei Normalgewichtigen.
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Wie man mit Koffein den Ceiling-Effekt von Ibuprofen durchbricht
Um den Ceiling-Effekt von Ibuprofen zu durchbrechen, damit es stärker wirkt, hat man zwei Möglichkeiten.
Möglichkeit Nummer eins ist die Kombination mit Koffein.
Koffein wirkt, indem es im Gehirn die Adenosinrezeptoren A1 und A2A blockiert, durch die der körpereigene Botenstoff Adenosin normalerweise seine Wirkung entfaltet. Eine verminderte Adenosinwirkung hat viele Effekte: Man fühlt sich wacher, die Konzentration steigt, das Reaktionsvermögen verbessert sich und vieles mehr. Was uns aber interessiert, ist die Wirkung von Koffein auf die Schmerzempfindlichkeit. Da Adenosin über die genannten Rezeptoren die Schmerzwahrnehmung beeinflusst, kann Koffein durch deren Blockierung manche Schmerzmittel verstärken. Kombiniert man Ibuprofen mit Koffein, kommt diese schmerzhemmende Wirkung also noch obendrauf. Die Schmerzen werden effektiver gehemmt.
In Studien wurde dieser Effekt für die Kombination von Ibuprofen mit 100 Milligramm Koffein bestätigt. Bleibt die zusätzliche Schmerzlinderung allerdings aus, könnte sich der Körper bereits an Koffein gewöhnt haben, indem er die Zahl der Adenosinrezeptoren erhöht hat. Koffein hat nämlich einen Gewöhnungseffekt: Um das gebildete Adenosin weiterhin wirken zu lassen, bildet der Körper einfach mehr Adenosinrezeptoren, wodurch Koffein schlechter wirkt – bis man die Dosis erhöht.
Dass Adenosin die Schmerzempfindlichkeit steigert, wird auch auf anderem Wege deutlich. Trinkt man üblicherweise viel Kaffee und macht dann plötzlich einen Koffeinentzug, stehen dem Adenosin auf einmal viel mehr Rezeptoren zur Verfügung. Es kommt zu Entzugskopfschmerzen.
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Warum sich die teuren Schmerzmittel Ibuprofenlysinat und Dexibuprofen selten lohnen
Bevor wir im nächsten Kapitel auf die zweite Möglichkeit eingehen, wie Ibuprofen stärker wirkt, schauen wir uns kurz noch die Bedeutung von Ibuprofenlysinat und Dexibuprofen an. Besonders Ibuprofenlysinat verkaufe ich recht häufig, weil die Kunden denken, dass es schneller wirkt als Ibuprofen. Doch stimmt das?
Tabletten mit 684 Milligramm Ibuprofenlysinat enthalten nicht mehr Ibuprofen als die normalen Ibu-400-Tabletten. Die 684 Milligramm setzen sich aus 400 Milligramm Ibuprofen und 284 Milligramm Lysin zusammen.
In Kombination mit der Aminosäure Lysin löst sich das relativ schlecht wasserlösliche Ibuprofen besser auf. Es soll dadurch schneller ins Blut gelangen und in der Folge auch schneller wirken.
Überraschenderweise tut es das aber nicht. Eine größere doppelblinde, randomisierte Studie konnte diesen Vorteil nicht bestätigen. Die Zeit bis zur ersten spürbaren Schmerzlinderung beträgt bei Ibuprofen wie auch bei Ibuprofenlysinat rund 30 bis 40 Minuten.
Ein Aufpreis für Ibuprofenlysinat lohnt sich also nicht.
Das ebenfalls teurere Dexibuprofen ist seit Anfang 2025 in einer Dosierung von 200 Milligramm rezeptfrei in den Apotheken erhältlich. Zugelassen ist es bisher nur für Erwachsene mit einer Einzeldosis von 200 Milligramm und einer Tagesgesamtdosis von 600 Milligramm.
Ibuprofen ist ein Racemat, das heißt, es besteht aus zwei spiegelbildlichen Molekülen, sogenannten Enantiomeren. Dexibuprofen ist das wirksame S-Enantiomer, Levibuprofen hingegen das weitgehend unwirksame R-Enantiomer. 400 Milligramm Ibuprofen bestehen dementsprechend aus jeweils 200 Milligramm Dexibuprofen und Levibuprofen. 200 Milligramm Dexibuprofen wirken etwa so stark wie 400 Milligramm Ibuprofen. Ein schnellerer Wirkeintritt ist nicht ausreichend belegt, auch wenn die Werbung das gern behauptet. Lohnt sich also der Aufpreis? Bei Migräne, wenn jede Minute zählt und man ansonsten immer normales Ibuprofen einnimmt, könnte die Einnahme von Dexibuprofen Sinn ergeben. Sonst eher nicht.
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Warum Paracetamol völlig ungefährlich ist, dich aber dennoch umbringen kann
Paracetamol gehört neben Ibuprofen und ASS zu den beliebtesten Schmerzmitteln. Sein Name leitet sich von seiner chemischen Bezeichnung para-(Acetylamino)phenol ab. Andere Länder, wie die USA und Kanada, verwenden die Bezeichnung Acetaminophen, die sich ebenfalls daraus ergibt.
Paracetamol wirkt effektiv gegen Fieber. Im Vergleich zu NSAR hilft es aber nur schwach gegen Schmerzen und besitzt auch keine nennenswerte entzündungshemmende Wirkung.
Für Erwachsene sind Tabletten und Zäpfchen auf dem Markt, für Kinder Zäpfchen und Saft.
Bei Kindern wird nach dem Körpergewicht dosiert: 10 bis 15 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht als Einzeldosis und maximal 60 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag. Erwachsene nehmen 500 bis 1000 Milligramm pro Einnahme, mit einer maximalen Tagesdosis von 4000 Milligramm.
Während die Wirkung nach oraler Einnahme innerhalb von 30 bis 60 Minuten eintritt, muss man bei den Zäpfchen 45 bis 90 Minuten warten. Die Wirkung hält dann etwa vier bis sechs Stunden an.
Obwohl Paracetamol seit den 1950er-Jahren eingesetzt wird, ist sein genauer Wirkmechanismus bis heute nicht vollständig geklärt. Man hat mittlerweile aber herausgefunden, dass es hauptsächlich die COX-Enzyme im zentralen Nervensystem (ZNS) hemmt, also im Gehirn und im Rückenmark, und so Schmerzen lindern und Fieber senken kann.
Paracetamol hemmt COX-Enzyme außerhalb des ZNS nur schwach und hat daher kaum entzündungshemmende Wirkung. Im Vergleich zu NSAR gilt es deswegen als magenschonend, das Risiko für Magenblutungen wird durch die Einnahme des Wirkstoffs also nicht erhöht.
Von Paracetamol sollte man dennoch nicht mehr als die Höchstdosis nehmen, da das sonst tödlich enden kann. Der Grund? Beim Abbau von Paracetamol entsteht in der Leber das giftige N-Acetyl-p-benzochinonimin (NAPQI), das unter normalen Bedingungen kein Problem darstellt, da es der Körper mithilfe von Glutathion, einem Tripeptid aus den drei Aminosäuren Glutaminsäure, Cystein und Glycin, problemlos entgiften kann.
Die Höchstdosis stellt die Menge NAPQI dar, die der Körper gerade noch abbauen kann. Wird sie jedoch überschritten, ist kein weiteres Glutathion mehr vorhanden. Das nicht unschädlich gemachte NAPQI bindet nun an die Leberzellen, woraufhin diese absterben, was zu Leberversagen oder sogar zum Tod führen kann.
Reicht die Höchstdosis zur Behandlung nicht aus, kann mit Ibuprofen kombiniert werden. Dabei ist Paracetamol sogar in der Lage, den Ceiling-Effekt des Ibuprofens zu durchbrechen. Ihre schmerzhemmenden Wirkungen ergänzen sich, da Paracetamol vor allem im ZNS und Ibuprofen auch außerhalb des ZNS schmerzhemmend wirken kann.
Bei Kindern mit hohem Fieber können die beiden Wirkstoffe auch zeitversetzt in ihren jeweiligen altersgemäßen Höchstdosen verabreicht werden, falls einer allein nicht ausreichen sollte.
Wer auf die Idee kommt, nach einer durchzechten Nacht Paracetamol gegen die Kopfschmerzen einzunehmen, dem sei gesagt: Das ist keine gute Idee, denn auch Alkohol sorgt dafür, dass NAPQI gebildet wird. In anderen Worten: Durch den Alkohol können schon normale Dosen Paracetamol gefährlich werden.
Glücklicherweise gibt es ein Gegengift: Acetylcystein.
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Wie ein Schleimlöser gegen eine Paracetamolvergiftung helfen kann
N-Acetylcystein, kurz ACC oder NAC, kennen viele als Schleimlöser. Es soll bei schleimigem Husten den Auswurf fördern und den Bronchialschleim verflüssigen.
Ein Erwachsener nimmt in der Regel bei einem schleimigen Husten 600 Milligramm ACC pro Tag ein. Entweder alles auf einmal oder dreimal am Tag 200 Milligramm. Am häufigsten wird es in Form von Brausetabletten verwendet, die man in ein Glas Wasser wirft.
Man sagt: Dreimal täglich 200 Milligramm ist die bessere Option, weil man so mehr Wasser zu sich nimmt, das den Schleim vermutlich mehr verflüssigt als das ACC selbst.
Während ACC als Schleimlöser bei Erkältungshusten nicht sinnvoll ist, wirkt es effektiv bei Paracetamolvergiftungen. Es stellt dem Körper Cystein zur Verfügung, das dieser für die Bildung von weiterem Glutathion nutzt – so kann mehr NAPQI entgiftet werden. Und das senkt das Risiko schwerer Leberschäden. ACC ist hierbei besonders wirksam, wenn man es innerhalb von acht bis zehn Stunden nach der Paracetamolvergiftung verabreicht.
Was auch zu Vergiftungen führt, ist Diclofenac – und zwar zu Fischvergiftungen.
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Wie das Schmerzmittel Diclofenac die Umwelt belastet
Diclofenac ist ein weiteres NSAR. Im Vergleich zu Ibuprofen hat es eine schlechtere Magenverträglichkeit und ein größeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall.
Letzteres hängt unter anderem mit einer stärkeren COX-2-Hemmung zusammen. Diclofenac erhöht zudem bei manchen Menschen die Leberenzymwerte, was bei längerer Anwendung zu Leberschäden führen kann. Man setzt Diclofenac bei vielen verschiedenen Arten von Schmerzen, wie zum Beispiel bei Rücken- oder Gelenkschmerzen, ein.
Rezeptfrei gibt es Kapseln oder Tabletten mit jeweils 25 Milligramm Wirkstoff, die man bis zu dreimal am Tag einnehmen darf. Wird es verordnet, beträgt die Tageshöchstdosis sogar 150 Milligramm Diclofenac: zweimal 75 Milligramm oder dreimal 50 Milligramm täglich.
Wenn jemand Diclofenac rezeptfrei in der Apotheke kauft, dann meistens als Gel. Dabei nehmen die Kunden an, dass sie die schmerzende Stelle mit dem Gel gezielt behandeln können, ohne den gesamten Körper mit dem Wirkstoff belasten zu müssen. Und sie haben recht. Es gibt tatsächlich gute Belege dafür, dass Diclofenac-Gel bei akuten Muskel- und Gelenkschmerzen sowie bei Arthrose hilft. Bei äußerlicher Anwendung ist die Wirkstoffmenge im Blut deutlich geringer als nach Tabletten. Das ist für viele Menschen von Vorteil.
Ob Tabletten oder Gel – es gibt bei diesem Wirkstoff allerdings ein Problem: Diclofenac hat eine schädliche Wirkung auf die Umwelt. Gelangt Diclofenac nämlich ins Abwasser, landet es schließlich in Flüssen und Seen, da es in Kläranlagen oft nicht vollständig entfernt werden kann. Bei Fischen führt das dann zu Nierenschäden und im Extremfall sogar zum Tod. Für den Alltag gilt also: so viel wie nötig und so wenig wie möglich. Weil ein kleiner Teil des eingenommenen Diclofenacs unverändert mit dem Urin ausgeschieden wird, lässt sich die umweltschädliche Wirkung mindern, indem man, wann immer möglich, auf andere Wirkstoffe ausweicht.
Wer das Gel verwenden und trotzdem die Umwelt so gut es geht schonen möchte, sollte nach dem Auftragen seine Hände mit einem Tuch abreiben, es wegwerfen und dann erst seine Hände waschen.
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Warum Naproxen bei Regelschmerzen besser ist als Ibuprofen
Naproxen gehört ebenfalls zu den NSAR mit den für diese Wirkstoffgruppe typischen Wirkungen und Einsatzgebieten. Es wird häufig bei krampfartigen Menstruationsbeschwerden eingesetzt – wenn auch seltener als das bekanntere Ibuprofen.
Regelschmerzen werden vor allem durch Prostaglandine ausgelöst, die in der Gebärmutter krampfartige Kontraktionen verursachen.
Naproxen ist da die bessere Wahl, weil seine Wirkung bis zu zwölf Stunden anhält, während Ibuprofen in der Regel und auch sonst nur vier bis sechs Stunden lang wirkt.
