Von der Nacht verzaubert (Revenant-Trilogie Band 1) - Amy Plum - E-Book

Von der Nacht verzaubert (Revenant-Trilogie Band 1) E-Book

Amy Plum

4,5

Beschreibung

Der Auftakt zur romantischen Revenant-Trilogie um Vincent und Kate. Eine Fantasy-Liebesgeschichte in Paris, die zu Herzen geht! Als Kate Merciers Eltern bei einem tragischen Unfall sterben, zieht sie zusammen mit ihrer Schwester Georgia zu den Großeltern nach Paris. Jede versucht auf ihre eigene Weise, ihr altes Leben und ihre schmerzvollen Erinnerungen hinter sich zu lassen. Während Georgia sich in das Nachtleben stürzt, sucht Kate Zuflucht in ihren Büchern - bis sie eines Tages Vincent trifft, der es schafft, ihren Schutzpanzer zu durchbrechen. Bei Spaziergängen entlang der Seine und durch die spätsommerlichen Gassen von Paris beginnt Kate, sich in ihn zu verlieben - nur um kurze Zeit später zu erfahren, dass Vincent ein Revenant ist. Die Liebe der beiden steht unter einem schlechten Stern: Vincent und seine Freunde sind in einen jahrhundertealten Kampf gegen eine Gruppe rachsüchtiger Revenants verstrickt. Schnell begreift Kate, dass ihr Leben niemals wieder sicher sein wird, wenn sie ihrem Herzen folgt. "Von der Nacht verzaubert" ist der erste Band einer Trilogie.

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Prolog

Als ich die Statue im Brunnen das erste Mal gesehen hatte, wusste ich noch nicht, wer – oder besser was – Vincent war. Während ich nun die himmlische Schönheit der beiden miteinander verbundenen Körper auf mich wirken ließ – der gut aussehende Engel, dessen harte, dunkle Züge auf die Frau gerichtet waren, die in seinen ausgestreckten Armen lag und aus purem Licht und Milde geschaffen schien –, entging mir die Symbolik nicht. Das Gesicht des Engels spiegelte Verzweiflung wider. Doch da war noch etwas anderes. Besessenheit. Aber auch Zärtlichkeit. Als würde er von ihr erwarten, dass sie ihn rettet, nicht umgekehrt. Plötzlich kam mir in den Sinn, wie Vincent mich nannte: mon ange. Mein Engel. Ein Schauer überlief mich, aber nicht, weil es kalt war.

Jeanne hatte gesagt, mich kennenzulernen hätte Vincent verwandelt. Ich hätte ihm »neues Leben« geschenkt. Aber erwartete er von mir, dass ich seine Seele rettete?

Die meisten Sechzehnjährigen träumen davon, in einer fremden Stadt im Ausland zu leben. Doch der Umzug von Brooklyn nach Paris nach dem Tod meiner Eltern war alles andere als ein Traum, der in Erfüllung ging. Das Wort Albtraum trifft es schon eher.

Ganz ehrlich: Ich hätte überall sein können und es wäre total egal gewesen – denn ich nahm meine Umgebung überhaupt nicht wahr. Ich lebte in der Vergangenheit, klammerte mich verzweifelt an jeden Erinnerungsfitzel meines früheren Lebens, von dem ich dachte, dass es immer so weitergehen würde.

Nur zehn Tage nachdem ich meine Führerscheinprüfung bestanden hatte, kamen meine Eltern bei einem Autounfall ums Leben. Eine Woche später, am ersten Weihnachtstag, entschied meine Schwester Georgia, dass wir beide Amerika verlassen würden, um bei den Eltern meines Vaters in Frankreich zu leben. Ich war noch viel zu erschüttert, als dass ich mich dagegen hätte auflehnen können.

Wir zogen im Januar um. Niemand erwartete von uns, dass wir sofort wieder zur Schule gingen und so brachten wir einfach einen Tag nach dem anderen hinter uns, jede auf ihre eigene verzweifelte Art. Meine Schwester unterdrückte ihre Trauer fieberhaft, indem sie jeden Abend mit ihren Freunden ausging, die sie schon während unserer jährlichen Sommerurlaube dort gefunden hatte. Ich hingegen verwandelte mich in ein menschenscheues Häufchen Elend.

An guten Tagen schaffte ich es, die Wohnung zu verlassen und ein Stückchen die Straße entlangzugehen, bis ich panisch zurückrannte, um in unserem neuen Zuhause Schutz vor dem Himmel zu suchen, der mich zu erdrücken drohte. An anderen Tagen wachte ich so kraftlos auf, dass ich es kaum schaffte, mich zum Frühstückstisch und zurück zu meinem Bett zu schleppen, wo ich dann den Rest des Tages verbrachte, völlig gelähmt von meiner Trauer.

Schließlich entschieden unsere Großeltern, dass wir für ein halbes Jahr in ihr Landhaus umziehen würden. »Ein Tapetenwechsel«, wie Mamie hinzufügte, woraufhin ich nur anmerkte, dass kein Tapetenwechsel so extrem sein könnte wie ein Umzug von New York nach Paris.

Doch Mamie behielt wie immer recht. Es tat uns unermesslich gut, den Frühling auf dem Land zu verbringen, und obwohl wir Ende Juni noch immer Schatten unserer früheren Selbst waren, funktionierten wir zumindest wieder insoweit, um nach Paris und ins wahre Leben zurückkehren zu können – sofern man das Leben jemals wieder »wahr« nennen konnte. Wenigstens fand mein Neuanfang an einem Ort statt, den ich liebte.

Nirgendwo sonst ist es schöner als im Juni in Paris. Obwohl ich jeden Sommer hier verbracht habe, seit ich ein kleines Kind war, wurde ich jedes Mal wieder high, wenn ich durch die sommerlichen Straßen ging. An keinem anderen Ort dieser Welt ist das Licht so wie hier. Es ist einfach märchenhaft. In diesem zauberhaften Glanz könnte jederzeit alles Mögliche passieren und man wäre nicht mal überrascht.

Doch diesmal war es anders. Die Stadt war zwar so wie immer, aber ich hatte mich verändert. Selbst die schillernde Atmosphäre von Paris konnte die Finsternis, die fest an mir klebte, nicht vertreiben. Paris hat einen wunderschönen Spitznamen: Stadt des Lichts. Nun, für mich war sie die Stadt des Nichts geworden.

Die meiste Zeit des Sommers verbrachte ich allein. Meine Tage folgten schnell dem immer gleichen Trott: Ich wachte in Papys und Mamies dunkler, mit Antiquitäten vollgestopfter Wohnung auf und verschanzte mich dann in einem dieser winzigen, dunklen Pariser Programmkinos, die rund um die Uhr Schwarz-Weiß-Klassiker zeigten, oder ich besuchte eins meiner Lieblingsmuseen. Dann ging ich nach Hause und las für den Rest des Tages, aß zu Abend, legte mich ins Bett und starrte an die Decke. Selten schlief ich, und wenn mir vor lauter Müdigkeit doch mal die Augen zufielen, dann folgten ein paar albtraumgeplagte Stunden Schlaf. Aufwachen. Von vorn.

Die einzige Unterbrechung dieser einsamen Routine erfolgte in E-Mail-Form. »Und, wie ist das Leben so in Frankreich?«, war immer die erste Frage meiner alten Freunde aus Brooklyn.

Was sollte ich denn darauf antworten? Deprimierend? Leer? Ich will meine Eltern zurück? Da erfand ich lieber was. Ich schrieb ihnen, dass ich richtig froh darüber war, in Paris zu wohnen. Wie praktisch es war, dass Georgia und ich fließend Französisch sprachen, weil wir so viele neue Leute kennenlernten. Dass ich es gar nicht erwarten konnte, endlich wieder in die Schule zu gehen.

Dabei war es nicht meine Absicht, sie mit diesen Geschichten zu beeindrucken. Ich wusste, dass sie sich Sorgen um mich machten, deshalb wollte ich ihnen nur versichern, dass es mir gut ging. Doch immer, wenn ich so eine Mail abgeschickt hatte und sie danach noch einmal las, merkte ich, wie unendlich breit die Kluft zwischen diesem für sie erfundenen und meinem wirklichen Leben war. Und das deprimierte mich dann nur noch mehr.

Schließlich wurde mir bewusst, dass ich keine Lust mehr hatte, überhaupt noch mit irgendjemandem zu reden. Eines Abends, nachdem meine Finger fünfzehn Minuten auf den Tasten geruht hatten, während ich verzweifelt überlegte, was ich meiner Freundin Claudia Tolles schreiben könnte, schloss ich das Nachrichtenfeld und löschte nach einem tiefen Atemzug für immer und ewig meine E-Mail-Adresse. Googlemail fragte, ob ich mir sicher sei. »Und wie«, sagte ich, als ich auf den roten Button klickte. Eine Last fiel von mir ab. Ich verstaute den Laptop in der Schreibtischschublade und holte ihn erst wieder hervor, als die Schule anfing.

Anfangs versuchten Mamie und Georgia noch, mich dazu zu bewegen, wenigstens hin und wieder mal vor die Tür zu gehen. Meine Schwester fragte, ob ich sie und ihre Freunde zu einer Strandbar am Fluss begleiten wolle. Oder zu Konzerten oder in Klubs, wo sie die Wochenenden durchtanzten. Aber irgendwann gaben sie auf.

»Wie kannst du nur tanzen gehen, nach allem, was passiert ist?«, fragte ich Georgia einmal, als sie auf dem Fußboden in ihrem Zimmer saß und sich vor einem vergoldeten Rokokospiegel schminkte, den sie von der Wand genommen und gegen ein Bücherregal gelehnt hatte.

Meine Schwester war furchtbar schön. Ihre rotblonden Haare waren zu einem kurzen Pixie-Cut geschnitten, den nur jemand mit ihren hohen Wangenknochen tragen konnte. Kleine Sommersprossen zierten ihre weiche Pfirsichhaut. Genau wie ich war sie groß gewachsen, aber im Gegensatz zu mir hatte sie eine fantastische Figur – für ihre Rundungen würde ich sterben. Sie sah nicht aus wie fast achtzehn, sondern wie einundzwanzig.

Georgia warf mir einen kurzen Blick zu. »Weil ich nur so vergessen kann«, sagte sie, während sie ihre Wimpern nachtuschte. »Weil ich mich nur dann lebendig fühle. Ich bin genauso traurig wie du, Katie-Bean. Aber anders werde ich damit nicht fertig.«

Ich wusste, dass das stimmte. In den Nächten, in denen sie nicht ausging, hörte ich sie in ihrem Zimmer schluchzen, als wäre ihr Herz gebrochen.

»Und dir tut es auch nicht gut, Trübsal zu blasen«, fuhr sie mit sanfter Stimme fort. »Du solltest unter Menschen gehen. Um dich abzulenken. Sieh dich mal an«, sagte sie, legte ihre Wimperntusche beiseite und zog mich zu sich. Sie drehte meinen Kopf so, dass mein Gesicht neben ihrem im Spiegel auftauchte.

Wer uns zusammen sieht, käme nie auf die Idee, dass wir Geschwister sind. Meine langen braunen Haare hingen an diesem Tag schlaff herunter. Meine Haut, die dank der Gene meiner Mutter niemals Farbe annimmt, war noch blasser als gewöhnlich. Meine graublauen Augen waren ganz anders als die sinnlichen »Schlafzimmeraugen« meiner Schwester. »Mandelaugen« hatte meine Mutter sie zu meinem großen Kummer immer genannt. Ich hätte lieber Augen, bei denen man an heiße Nächte denkt, als welche, die an eine Nuss erinnern.

»Du bist wunderhübsch«, stellte Georgia fest. Meine Schwester, mein einziger Fan.

»Sag das den Verehrern, die draußen Schlange stehen.« Ich verzog das Gesicht und setzte mich zurück aufs Bett.

»Na, wenn man die ganze Zeit allein unterwegs ist, findet man auch keinen Verehrer. Wenn du nicht mal was anderes machst, als ständig nur in Museen und Kinos rumzuhängen, siehst du bald aus wie eine deiner Romanheldinnen aus dem achtzehnten Jahrhundert, die von Tuberkulose oder Wassersucht oder so was dahingerafft worden sind.« Sie blickte mir in die Augen. »Hör zu, ich werde dich nie wieder fragen, ob du mit mir ausgehst, wenn du mir nur einen einzigen Wunsch erfüllst.«

»Man nennt mich ja bekanntlich auch ›Die gute Fee‹«, sagte ich und versuchte zu grinsen.

»Schnapp dir deine verdammten Bücher und setz dich damit in ein Café. Ins Sonnenlicht. Meinetwegen auch ins Mondlicht, mir egal. Hauptsache, du verlässt das Haus und es kommt mal wieder ein bisschen gute alte, schmutzige Stadtluft in deine schwindsüchtigen Lungen. Triff mal wieder ein paar Menschen, verdammt noch mal.«

»Aber ich treffe doch Menschen …«, fing ich an.

»Leonardo da Vinci und Quentin Tarantino zählen nicht«, unterbrach sie mich.

Ich sagte nichts mehr.

Georgia stand auf und hängte sich ihre kleine schicke Handtasche über die Schulter. »Nicht du bist tot«, sagte sie, »sondern Mama und Papa. Und sie würden sich wünschen, dass du lebst.«

»Wo gehst du denn hin?« Mamie streckte verwundert ihren Kopf aus der Küche, als sie hörte, wie ich die Wohnungstür öffnete.

»Georgia findet, meine Lungen brauchen mal wieder ein bisschen schmutzige Pariser Stadtluft«, antwortete ich und schnappte mir meine Tasche.

»Da hat sie völlig recht«, sagte sie und kam zu mir. Ihre Stirn reichte mir kaum bis ans Kinn, aber durch ihre perfekte Haltung und ihre sieben Zentimeter hohen Absätze wirkte sie viel größer. Obwohl sie in ein paar Jahren siebzig werden würde, ließ ihr jugendliches Auftreten sie mindestens zehn Jahre jünger aussehen.

Sie studierte Kunst, als sie meinen Großvater, einen erfolgreichen Antiquitätenhändler, kennenlernte, der von ihr so maßlos beeindruckt war, als wäre sie eine seiner kostbaren antiken Statuen. Noch heute restaurierte sie alte Gemälde in ihrem Atelier mit Glasdach, das ganz oben in unserem Apartmenthaus lag.

»Allez, fille!«, sagte sie, während sie in all ihrer Herrlichkeit vor mir stand. »Dann los. Die Stadt dürstet sicher nach einer Aufheiterung durch die kleine Katya.«

Ich gab meiner Großmutter einen Kuss auf ihre weiche, nach Rosen duftende Wange, nahm meinen Schlüssel vom Flurtisch und verließ die Wohnung durch die schwere Holztür. Die marmorne Wendeltreppe führte mich hinunter zur Straße.

Paris ist in zwanzig Stadtteile unterteilt, die Arrondissements, die von eins bis zwanzig durchnummeriert sind. Unseres, das siebte, ist ein altes Viertel, in dem die wohlhabenderen Einwohner von Paris leben. Wer im trendigsten Stadtteil wohnen will, würde nicht in das siebte ziehen. Aber weil die Wohnung meiner Großeltern in Fußnähe zum Boulevard Saint-Germain liegt, an dem sich Cafés und Geschäfte nur so drängen, und von wo aus man in nur fünfzehn Minuten am Ufer der Seine ist, hatte ich wirklich keinen Grund, mich zu beklagen.

Ich trat in den hellen Sonnenschein und umrundete den Park direkt gegenüber vom Haus. In diesem Park stehen viele steinalte Bäume und vereinzelt ein paar grüne Holzbänke. Wenn man daran vorbeigeht, hat man für ein paar Sekunden das Gefühl, dass Paris ein kleines Dorf ist und nicht Frankreichs Hauptstadt.

Mein Weg führte mich die Rue du Bac entlang, die rechts und links von Geschäften gesäumt wird, in denen man teure Klamotten, Wohnaccessoires oder Antiquitäten kaufen kann. Ich wurde nicht mal langsamer, als ich an Papys Café vorüberging. In dieses Café hatte er uns mitgenommen, seit wir kleine Kinder waren. Wir saßen dort und tranken Tee mit Pfefferminzgeschmack, während Papy mit allem plauderte, das sich bewegte. Das Letzte, was ich wollte, war, neben ein paar seiner Freunde oder gar gegenüber von ihm auf der Terrasse zu stranden. Ich musste mir ein eigenes Café suchen.

Mir schwebten zwei nahe gelegene Lokale vor. Das erste lag an einer Straßenecke, die Ausstattung war dunkel gehalten und eine Reihe von Tischen, die auf dem Bürgersteig standen, flankierte das Gebäude. Dort war es vermutlich ruhiger als in dem anderen Lokal. Ich betrat es und sofort fielen mir lauter alte Männer auf, die auf hohen Stühlen an der Bar saßen, jeder ein Glas Rotwein vor sich. Ihre Köpfe drehten sich langsam in meine Richtung, um den Neuankömmling zu mustern, doch mein Anblick erschreckte sie offensichtlich dermaßen, als hätte ich in einem gelben Hühnerkostüm gesteckt. Warum hängt draußen denn kein Schild mit der Aufschrift »Zutritt nur für alte Männer«, fragte ich mich und machte mich schleunigst auf den Weg zu Option zwei: Ein überquellendes Café ein Stückchen weiter die Rue hinunter.

Das Café Sainte-Lucie wirkte sehr geräumig, weil durch die großen Fenster viel Sonnenlicht hineinfallen konnte. Auf der sonnigen Terrasse standen sicher fünfundzwanzig Tische, die normalerweise alle belegt waren. Während ich auf einen freien Tisch in der äußersten Ecke zusteuerte, wusste ich, dies war mein Café. Ich hatte sofort das Gefühl, hierher zu gehören. Ich stellte meine Tasche unter den Tisch und setzte mich mit dem Rücken zum Gebäude, damit ich sowohl die gesamte Terrasse als auch die Straße und den Bürgersteig im Blick hatte.

Ich bestellte eine Limonade und kramte dann eine Taschenbuchausgabe von Zeit der Unschuld hervor. Es war eines der Bücher, die ich bis zum Schulanfang im September gelesen haben musste. Umgeben vom Geruch starken Kaffees, versank ich in der Welt des Romans.

»Noch eine Limonade?« Eine französische Stimme schwebte durch meine Gedanken und riss mich abrupt aus den Straßen eines New York des neunzehnten Jahrhunderts zurück in ein Pariser Café. Ein Kellner stand neben mir, hielt ein rundes Tablett über seiner Schulter und sah aus wie ein verstimmter Grashüpfer.

»Oh, natürlich. Ähm … Obwohl, diesmal lieber einen Tee«, sagte ich. Seine Nachfrage konnte nur bedeuten, dass ich schon eine Stunde lang gelesen haben musste. In französischen Cafés gilt eine unausgesprochene Regel: Man kann so lange an einem Tisch sitzen bleiben, wie man will, wenn man nur jede Stunde ein Getränk bestellt. Man mietet sozusagen seinen Tisch.

Ich ließ meinen Blick kurz über die Terrasse gleiten, bevor ich mich wieder meinem Buch widmete. Wenig später schaute ich aber noch einmal auf, weil ich das Gefühl hatte, beobachtet zu werden. Als ich den Kopf hob, sah ich einen jungen Typen, der mich anstarrte. Die Welt hörte auf sich zu drehen, als sich unsere Blicke trafen.

Mich beschlich das merkwürdige Gefühl, dass ich ihn kannte. Das ging mir manchmal bei Fremden so; dann fühlte es sich an, als hätte ich schon Stunden, Wochen oder sogar Jahre mit ihnen verbracht. Allerdings war das bisher immer ein sehr einseitiges Phänomen gewesen – in der Regel hatte mich mein Gegenüber noch nicht mal wahrgenommen.

Diesmal war es allerdings anders. Ich hätte schwören können, dass es ihm genauso ging wie mir.

So eindringlich, wie er mir in die Augen sah und meinen Blick festhielt, musste er mich schon eine ganze Weile angestarrt haben. Er sah atemberaubend aus, hatte ziemlich lange schwarze Haare, die sich von seiner breiten Stirn nach hinten wellten. Seine olivfarbene Haut legte die Schlussfolgerung nahe, dass er entweder viel Zeit in der Sonne verbrachte oder von einem sonnigen Ort stammte, der weiter südlich lag. Seine Augen waren so blau wie das Meer und von dichten schwarzen Wimpern umrandet. Mein Herz flatterte in meiner Brust und meine Lungen fühlten sich an, als hätte jemand sämtliche Luft herausgepresst. Ich konnte einfach nicht wegschauen.

Ein paar Sekunden vergingen, bevor er sich wieder an seine beiden Freunde wandte, die laut lachten. Alle drei waren jung, schön und hatten eine Wahnsinnsausstrahlung – kein Wunder also, dass die Besucherinnen im Café von ihnen fasziniert waren. Sofern den Jungs das bewusst war, ließen sie es sich nicht anmerken.

Der Typ, der neben ihm saß, war auffallend hübsch, groß wie ein Baum, hatte kurze Haare und schokoladenfarbene Haut. Während ich ihn musterte, sah er zu mir und grinste mich wissend an, so als würde er total verstehen, dass ich keine andere Wahl hatte, als ihn so anzustarren. Das riss mich aus meinem voyeuristischen Trancezustand und meine Augen fanden für ein paar Sekunden zurück zu meinem Buch. Als ich dann noch mal aufschaute, hatte er sich wieder abgewendet.

Der dritte saß mit dem Rücken zu mir. Er war drahtig, hatte einen leichten Sonnenbrand, Koteletten, lockige braune Haare und erzählte lebhaft etwas, über das seine beiden Begleiter sich offenbar wahnsinnig amüsierten.

Ich sah mir den ersten noch einmal genauer an. Obwohl er sicher ein paar Jahre älter war als ich, schätzte ich ihn auf unter zwanzig. Die Art, wie er lässig auf seinem Stuhl saß, war typisch französisch, doch etwas Kühles, Hartes umspielte seine Gesichtszüge und ließ eine Ahnung in mir aufsteigen, dass diese lässige Pose nur Fassade war. Er sah nicht bösartig aus. Er wirkte eher irgendwie … gefährlich.

Obwohl er mich sehr neugierig machte, strich ich das Bild dieses schwarzhaarigen Fremden gleich wieder aus meinen Gedanken, weil ich mir sicher war, dass die Kombination aus perfektem Aussehen und Gefahr sicher Schwierigkeiten bedeutete. Ich nahm mein Buch zur Hand und schenkte meine volle Aufmerksamkeit nun wieder den vertrauenswürdigeren Reizen eines Newland Archer. Als der Kellner mit meinem Tee kam, konnte ich es mir jedoch nicht verkneifen, noch einmal zu dem anderen Tisch hinüberzuschauen. Dummerweise konnte ich mich irgendwie nicht mehr auf den Text konzentrieren.

Als die drei eine halbe Stunde später das Café verließen, zogen sie unwillkürlich die Blicke aller Frauen auf sich. Die Wirkung wäre sicher nicht anders gewesen, wenn sich eine Gruppe von Armani-Unterwäschemodels vor der Terrasse die Klamotten vom Leib gerissen hätte.

Die ältere Frau vom Nebentisch lehnte sich zu ihrer Begleiterin hinüber und sagte: »Ist dir plötzlich auch so heiß?« Ihre Freundin kicherte zustimmend, fächelte sich mit der eingeschweißten Speisekarte Luft zu und blickte ungeniert den Jungs hinterher. Ich schüttelte angewidert den Kopf – unmöglich, dass diesen Typen nicht bewusst war, wie viele gierige Blicke sich ihnen wie Pfeile in den Rücken bohrten, während sie sich langsam entfernten.

Wie um meine Theorie zu bestätigen, drehte sich der hübsche Schwarzhaarige plötzlich zu mir um, und als er sah, dass ich ihm nachschaute, lächelte er eingebildet. Röte schoss mir ins Gesicht und ich versteckte mich schnell hinter meinem Buch, weil ich ihm nicht auch noch die Genugtuung gönnen wollte, mich rot werden zu sehen.

Ich versuchte noch ein paar Minuten lang, die nächsten Sätze des Romans zu verstehen, ehe ich aufgab. Meine Konzentration war dahin, also zahlte ich für meine Getränke, ließ ein Trinkgeld auf dem Tisch liegen und machte mich auf den Weg zurück in die Rue du Bac.

Ohne Eltern zu leben, wurde keineswegs leichter.

Ich hatte das Gefühl, von einer Eisschicht umhüllt zu sein. Auch innen drin war ich ganz kalt. Aber ich klammerte mich regelrecht an diese Kälte: Wer wusste denn, was passieren würde, wenn das Eis taute und ich tatsächlich wieder etwas fühlen konnte? Wahrscheinlich würde ich mich erneut in diese nichtsnutzige Heulsuse verwandeln, die ich in den ersten Monaten nach dem Tod meiner Eltern gewesen war.

Mein Vater fehlte mir ganz fürchterlich. Es war unerträglich, dass er aus meinem Leben verschwunden war. Dieser attraktive Franzose, den jeder sofort ins Herz geschlossen hatte, der auch nur einen kurzen Moment in seine lachenden grünen Augen sah. Wenn er mich betrachtete und unverhohlene Bewunderung auf seinem Gesicht glühte, wusste ich: Ich würde immer einen Fan auf dieser Welt haben, der mir vom Spielfeldrand zujubelte, egal, welche Dummheit ich auch anstellte.

Der Tod meiner Mutter tat so entsetzlich weh, als wäre sie eins meiner Organe gewesen, das man mir mit einem Skalpell entfernt hatte. Sie war meine Seelenverwandte, genau das Wort hatte sie stets benutzt. Natürlich haben wir uns nicht immer gut verstanden. Aber jetzt nach ihrem Tod musste ich lernen, mit diesem großen, brennenden Loch zu leben, das ihr Verlust in mich gerissen hatte.

Wenn ich mich wenigstens nachts für ein paar Stunden aus der Wirklichkeit hätte stehlen können, wäre die Zeit im wachen Zustand vielleicht erträglicher gewesen. Aber der Schlaf war mein ganz persönlicher Albtraum. Meist lag ich im Bett, bis mich seine samtig-weichen Finger langsam erfassten und ich nur noch Endlich! denken konnte. Aber schon eine halbe Stunde später war ich wieder wach.

Eines Nachts war ich mit meiner Weisheit am Ende, lag mit dem Kopf auf dem Kissen, die Augen offen und starrte an die Decke. Mein Wecker zeigte ein Uhr. Mit dem Gedanken an die lange Nacht, die noch vor mir lag, krabbelte ich aus dem Bett, fischte nach den Klamotten, die ich am Tag getragen hatte, und zog sie mir über. Als ich in den Flur trat, sah ich Licht unter Georgias Tür hindurchschimmern. Ich klopfte an und öffnete sie.

»Hallo«, flüsterte Georgia. Sie lag komplett angezogen auf dem Bett, mit dem Kopf am Fußende. »Bin gerade erst nach Hause gekommen«, fügte sie hinzu.

»Du kannst auch nicht schlafen«, sagte ich. Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Wir kannten einander einfach zu gut. »Hast du Lust, ein bisschen mit mir spazieren zu gehen?«, fragte ich. »Ich hab keine Lust, wieder stundenlang wach zu liegen. Es ist erst Juli und ich hab schon alle Bücher gelesen, die ich besitze. Zweimal sogar.«

»Bist du verrückt?«, fragte Georgia und drehte sich auf den Bauch. »Es ist mitten in der Nacht.«

»Genau genommen fängt die Nacht gerade an, es ist erst ein Uhr. Da sind noch immer jede Menge Leute unterwegs. Und außerdem ist Paris die sicherste …«

»… Stadt der Welt«, beendete Georgia den Satz. »Das ist Papys Lieblingsspruch. Er sollte beim Tourismusverband anheuern. Also gut, warum nicht? Ist ja nicht so, als würde ich in nächster Zeit einschlafen.«

Wir schlichen auf Zehenspitzen zur Wohnungstür, öffneten sie geräuschlos und schlossen sie mit einem leisen Klicken. Unten vor der Haustür blieben wir kurz stehen, zogen unsere Schuhe an und traten dann hinaus auf die Straße.

Der Vollmond stand am Pariser Nachthimmel und tauchte die Straßen in ein silbernes Licht. Ohne uns abzusprechen, schlugen wir beide den Weg zum Fluss ein. Seit wir als Kinder unsere Sommer hier verbrachten, hatte der Fluss im Mittelpunkt unserer Aktivitäten gestanden, und so fanden unsere Füße den Weg von selbst.

An der Seine angekommen, gingen wir die Steinstufen hinunter zur Uferpromenade, die Paris über mehrere Kilometer säumt, und schlenderten in östlicher Richtung über das grobe Kopfsteinpflaster. Am anderen Ufer thronte das massive Gebäude des Louvre.

Außer uns war niemand unterwegs, weder auf der Promenade noch oben auf der Straße. Abgesehen von kleinen Wellen, die gegen die Uferbefestigung plätscherten, und dem einen oder anderen vorbeifahrenden Auto war kein Geräusch zu hören. Wir waren eine Weile schweigend nebeneinander hergelaufen, als Georgia plötzlich stehen blieb und nach meinem Arm griff.

»Sieh mal«, flüsterte sie erschrocken und zeigte auf die Pont du Carrousel, die Brücke, die unseren Weg vielleicht fünfzehn Meter vor uns kreuzte. Ein Mädchen, vermutlich in unserem Alter, balancierte auf der breiten steinernen Brüstung, gefährlich nah am Rand. »Mein Gott, die will sich umbringen«, hauchte Georgia.

Meine Gedanken überschlugen sich, während ich überlegte, wie tief sie fallen würde. »Die Brücke ist nicht hoch genug, ein Sprung wird sie nicht umbringen.«

»Das kommt darauf an, wie tief das Wasser ist. Oder was darunterliegt. Sie steht noch ziemlich nah am Ufer.«

Wir waren zu weit weg, um ihren Gesichtsausdruck sehen zu können, aber sie hatte ihre Arme um sich geschlungen und blickte in die kalten, dunklen Wellen hinunter.

Noch während wir wie gebannt auf das Mädchen starrten, wurde unsere Aufmerksamkeit auf den Tunnel unter der Brücke gelenkt. Schon bei Tag war er total unheimlich und wenn es kalt war, schliefen dort oft Obdachlose. Bisher war ich noch nie jemandem begegnet, wenn ich so schnell ich konnte durch die faulig riechende Passage lief, um auf der anderen Seite wieder in die Sonne zu treten. Aber die dreckigen Matratzen und provisorischen Trennwände aus Karton ließen keinen Zweifel daran, dass dieser Tunnel für ein paar bedauernswerte Seelen zu den Topimmobilien von Paris zählte. Und heute drangen aus dieser fremdartigen Dunkelheit Geräusche von Handgreiflichkeiten.

In dem Moment lenkte eine Bewegung unseren Blick zurück zur Brücke. Das Mädchen stand noch immer unbeweglich dort, aber ein Mann näherte sich ihr. Er ging langsam und vorsichtig, als wolle er sie nicht erschrecken. Er hob einen Arm und bot dem Mädchen eine Hand an. Trotz der Entfernung drang seine Stimme leise an mein Ohr – er wollte sie überreden, von der Brüstung zu klettern.

Das Mädchen wirbelte herum, um ihn anzusehen. Der Mann hielt ihr jetzt auch noch seine andere Hand hin und, beide Arme nach ihr ausgestreckt, flehte er sie an, von der Brückenkante wegzutreten. Sie schüttelte den Kopf. Er machte noch einen Schritt auf sie zu. Sie schlang ihre Arme fester um sich und sprang.

Eigentlich war es kein Sprung, sie ließ sich eher fallen. Als würde sie ihren Körper der Schwerkraft opfern, damit diese damit anstellte, was sie wollte. Sie fiel vornüber, ihr Kopf traf wenige Sekunden später auf die Wasseroberfläche.

Etwas zog an meinem Arm, es war Georgia. Wir klammerten uns aneinander, während wir diesem gruseligen Szenario zusahen. »Oh, mein Gott. Oh, mein Gott. Oh, mein Gott«, skandierte Georgia atemlos.

Ich starrte auf die mondbeleuchtete Wasseroberfläche und wartete auf ein Zeichen des Mädchens, als ich aus den Augenwinkeln eine Bewegung auf der Brücke wahrnahm. Jetzt war der Mann auf die Brüstung geklettert, breitete seine Arme aus, sodass seine Silhouette an ein Kreuz erinnerte, und sprang kraftvoll ab. Die Zeit stand still, während er wie ein riesiger Greifvogel zwischen der Brücke und der schwarzen Wasseroberfläche schwebte.

Für den Bruchteil einer Sekunde fiel das Licht einer nahe gelegenen Straßenlaterne auf sein Gesicht. Ich kannte ihn. Es war der Schwarzhaarige aus dem Café Sainte-Lucie.

Was um alles in der Welt trieb ihn bloß dazu, auf ein Mädchen einzureden, um sie von ihrem Selbstmord abzubringen? Kannte er sie? Oder war er einfach nur ein Passant, der genügend Verantwortungsgefühl besaß?

Sein Körper tauchte elegant ins Wasser ein und verschwand.

Ein Schrei drang aus dem Tunnel unter der Brücke und plötzlich konnten wir die Umrisse von Personen ausmachen, die in der Finsternis kauerten. »Was zur …!«, rief Georgia, wurde jedoch von einem kurzen Aufblitzen, das von einem metallischen Klirren begleitet war, unterbrochen, während sich zwei Figuren aus der Dunkelheit lösten. Schwerter. Sie kämpften mit Schwertern.

Georgia und mir fiel im gleichen Moment ein, dass wir Beine hatten, also rannten wir zurück zu der Steintreppe, die wir vorhin heruntergekommen waren. Bevor wir sie erreichten, tauchte ein Mann aus der Dunkelheit auf. Ich kam nicht einmal dazu zu schreien, da hatte er mich schon bei den Schultern gefasst, um zu verhindern, dass ich ihn umrannte. Georgia blieb wie angewurzelt stehen.

»Guten Abend, meine Damen«, erklang eine sanfte Baritonstimme.

Meine Augen brauchten einen Moment, ehe sie sich von ihrem eigentlichen Ziel – der Treppe – auf die Person umgestellt hatten, die mir den Weg dorthin versperrte. »Loslassen«, brachte ich trotz aller Panik hervor und sofort folgte er dieser Aufforderung. Ich machte einen Schritt zurück und sah mich einem weiteren bekannten Gesicht gegenüber. Seine Haare waren unter einer schwarzen Mütze verborgen, trotzdem hätte ich ihn überall erkannt. Es war der muskulöse Freund des Jungen, der gerade in die Seine gesprungen war.

»Sie sollten sich um diese Uhrzeit besser nicht mehr allein hier aufhalten«, sagte er.

»Dahinten passiert irgendwas«, keuchte Georgia. »Sieht ganz nach einem Kampf aus oder so …«

»Ein Polizeieinsatz«, erklärte er, trat hinter uns und schob uns sanft, aber bestimmt vor sich her zur Treppe.

»Ein Polizeieinsatz mit Schwertern?«, fragte ich ungläubig, während wir die Stufen hinaufeilten.

»Verfeindete Banden«, sagte er knapp, schon wieder kehrtmachend. »An Ihrer Stelle würde ich mich so schnell und so weit wie möglich von hier entfernen«, rief er noch über die Schulter, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Er rannte zurück zum Tunnel und im gleichen Moment tauchten zwei Köpfe in Ufernähe aus dem Wasser auf. Erleichterung durchfuhr mich, als ich sah, dass beide lebten.

Der Typ, der uns weggeführt hatte, war gerade rechtzeitig bei ihnen, um dem Mädchen an Land zu helfen.

Ein Schmerzensschrei zerriss die Nacht und Georgia packte mich am Arm. »Komm, lass uns von hier verschwinden.«

»Warte.« Ich zögerte. »Sollten wir nicht irgendwas unternehmen?«

»Was denn?«

»Die Polizei rufen.«

»Das ist doch die Polizei«, sagte sie unsicher.

»Ja, ganz klar. Für mich sehen die nicht gerade wie Polizisten aus. Ich könnte schwören, dass ich zwei von ihnen aus unserem Viertel kenne.« Wir sahen uns einen Moment lang hilflos an und versuchten zu verstehen, was gerade geschehen war.

»Na, vielleicht wird unser Stadtteil von einem Spezialsondereinsatzkommando observiert«, meinte Georgia. »Du weißt doch, Catherine Deneuve wohnt bei uns in der Straße.«

»Klar. Catherine Deneuve hat ein eigenes SEK-Team, das aus lauter superattraktiven Typen besteht, die für sie das Viertel vor Promi-Stalkern schützen und die mit Schwertern bewaffnet sind.«

Wir konnten uns nicht beherrschen und brachen in schallendes Gelächter aus.

»Wir dürfen darüber nicht lachen. Das ist eine ziemlich ernste Sache!«, kicherte Georgia und wischte sich eine verirrte Träne von der Wange.

»Ich weiß«, schniefte ich und versuchte, mich zusammenzureißen.

Das Mädchen und ihr Retter waren verschwunden und die Kampfgeräusche klangen nun weiter entfernt. »Jetzt ist es eh vorbei«, sagte Georgia. »Wir könnten nichts mehr tun, selbst wenn wir wollten.«

Wir steuerten auf den Zebrastreifen zu, als zwei Personen hinter uns die Treppe heraufsprinteten. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sie direkt auf uns zustürmten und griff nach Georgias Arm, um sie aus dem Weg zu ziehen. Sie rannten an uns vorbei, streiften uns fast – zwei große, schwarz gekleidete Männer mit tief ins Gesicht gezogenen Mützen. Ein Stück Metall blitzte unter dem langen Mantel des einen hervor. Sie sprangen in ein Auto und starteten dröhnend den Motor. Bevor sie verschwanden, fuhren sie im Schneckentempo an meiner Schwester und mir vorbei. Ich spürte, wie sie uns durch die abgedunkelten Scheiben anstarrten.

»Was glotzt ihr so?«, schrie Georgia und dann endlich gaben sie Gas. Wir blieben kurz wie benommen stehen. Als die Ampel auf Grün wechselte, hakte sich Georgia bei mir unter und wir überquerten gemeinsam die Straße.

»Was für ein schräger Abend«, sagte sie irgendwann und brach damit unser Schweigen.

»Du untertreibst maßlos«, entgegnete ich. »Was meinst du, sollen wir Mamie und Papy davon erzählen?«

»Wie bitte?« Georgia lachte. »Willst du Papy die Illusion rauben, Paris sei sicher? Die beiden würden uns nie wieder vor die Tür lassen.«

Als ich am nächsten Morgen das Haus verließ, schien die Sonne. In der Sicherheit des Tageslichts wirkten die Geschehnisse der letzten Nacht völlig surreal. Nichts von dem, was wir gesehen hatten, wurde in den Nachrichten erwähnt, aber Georgia und mich ließ das Ganze so schnell nicht los.

Wir sprachen noch häufig darüber, doch uns fiel einfach keine vernünftige Erklärung ein. Unsere Lösungsansätze umfassten alle möglichen Szenarien. Alles – von einem sehr lebhaften Auftritt fanatischer Dungeons & Dragons-Rollenspieler bis hin zu einem dramatischen (und Lachanfall verursachenden) Zwischenfall unter zeitreisenden Rittern und Burgfräuleins – war mit dabei.

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