Von Drachen und Feenanteilen - Meghan Maslow - E-Book

Von Drachen und Feenanteilen E-Book

Meghan Maslow

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Beschreibung

"Warum passiert das immer uns?" (Quinn Broomsparkle, außergewöhnlicher Zauberer) Sechs Monate sind vergangen, seit der Zauberer Quinn Broomsparkle die Fesseln seiner Knechtschaft hinter sich gelassen hat. Er ist verliebt in seinen Halbdrachen/Halbfeen-Vertrauten Twig Starfig. Er hat ein Zuhause. Freunde. Einen Job. Und einen Schwiegervater, auf den er gut verzichten könnte. Ein nahezu perfektes Leben. Aber wie Quinn auf die harte Tour gelernt hat, bleiben die Dinge selten lange friedlich. Vor allem, wenn ein Starfig im Spiel ist. Quinn und Twig werden in sein Heimatreich und in eine Vergangenheit gerufen, die er lieber hinter sich gelassen hätte, und finden sich inmitten böser Machenschaften wieder – ohne einen klaren Feind. Als Quinns jüngerer Bruder Zak verschwindet, wird der Fall von Starfig Investigations übernommen. Der erste Zauberer seit tausend Jahren zu sein, ist nicht so einfach, wie es scheint. Neben einem vermissten Bruder, einem Red Fury mit gebrochenem Herzen, einer Archivarin mit einem Geheimnis und einem Geister-Piratenpapagei, der unbedingt zu seinem Kapitän zurückkehren will, wird die Beziehung von Quinn und Twig auf eine harte Probe gestellt, als Fragen – und unerfreuliche Antworten – über ihr Paarungsdilemma in den Vordergrund treten. Alles, was Quinn will, ist sein Anteil am Glück. Ist das zu viel verlangt?

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Seitenzahl: 607

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Meghan Maslow

Von Drachen und Feenanteilen

Starfig Investigations Band 3

Aus dem Englischen von

Florentina Hellmas und André Schneider

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen

http://www.deadsoft.de

Email: [email protected]

Querenbergstr. 26, D-49497 Mettingen

© the author

Titel der Originalausgabe: His Fairy Share

Starfig Investigations 3

Übersetzung: Florentina Hellmas, André Schneider

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Bildrechte:

© Deztinie – stock.adobe.com

© Olek Phoenix – stock.adobe.com

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-744-6

ISBN 978-3-96089-745-3 (ebook)

Inhalt:

„Warum passiert das immer uns?“

(Quinn Broomsparkle, außergewöhnlicher Zauberer)

Sechs Monate sind vergangen, seit der Zauberer Quinn Broomsparkle die Fesseln seiner Knechtschaft hinter sich gelassen hat. Er ist verliebt in seinen Halbdrachen/Halbfeen-Vertrauten Twig Starfig. Er hat ein Zuhause. Freunde. Einen Job. Und einen Schwiegervater, auf den er gut verzichten könnte. Ein nahezu perfektes Leben. Aber wie Quinn auf die harte Tour gelernt hat, bleiben die Dinge selten lange friedlich. Vor allem, wenn ein Starfig im Spiel ist.

Quinn und Twig werden in sein Heimatreich und in eine Vergangenheit gerufen, die er lieber hinter sich gelassen hätte, und finden sich inmitten böser Machenschaften wieder …  ohne einen klaren Feind. Als Quinns jüngerer Bruder Zak verschwindet, wird der Fall von Starfig Investigations übernommen.

Der erste Zauberer seit tausend Jahren zu sein, ist nicht so einfach, wie es scheint. Neben einem vermissten Bruder, einem Red Fury mit gebrochenem Herzen, einer Archivarin mit einem Geheimnis und einem Geister-Piratenpapagei, der unbedingt zu seinem Kapitän zurückkehren will, wird die Beziehung von Quinn und Twig auf eine harte Probe gestellt, als Fragen – und unerfreuliche Antworten –- über ihr Paarungsdilemma in den Vordergrund treten.

Alles, was Quinn will, ist sein Anteil am Glück. Ist das zu viel verlangt?

KAPITEL 1

„Das ist nicht Principal Turtlebottom“, flüsterte Twig eindringlich in mein Ohr, wobei unser Atem in der eisigen Luft Wölkchen bildete.

„Pssst.“ Nein, nein, nein. Das passierte nicht. Lalala … Ein normaler Tag. Kein Drama. Ich zog meinen Mantel fester um mich und kämpfte gegen einen Schauer an. Ob es an der Kälte lag oder an seiner Feststellung, konnte ich nicht sagen.

Turtlebottom, ein älterer Brownie und Rektor der bald zu eröffnenden Effin Zuk United Academy, kurz Zuk U, redete auf die Menge ein, anscheinend ohne sich um Twigs Gezappel am Bühnenrand oder das Publikum zu kümmern, das mangels Wärmelampen im Raum auf seinen Plätzen kauerte.

Turtlebottoms Rede kam mir endlos vor. Meine Zehen fühlten sich wie Eiszapfen an, weil ich zu lange auf einer Stelle gestanden hatte. Twig schien nicht das einzige Stadtratsmitglied zu sein, das sich zu Tode langweilte. Die anderen drei Nicht-Alphae-Mitglieder des Stadtrats von Lighthelm standen in der Nähe des neu errichteten Auditoriums und taten so, als würden sie sich für das Geschehen interessieren, während sie ihre Hände zum Wärmen aneinanderrieben. Der ortsansässige Zentaur und Mitglied der Hufträger-Gilde im Rat stützte sich mit dem Oberkörper auf den Griff einer übergroßen Schere, die wie ein Stab wirkte. Wahrscheinlich, damit er nicht einschlief.

Die mit Juwelen besetzte Schere musste drei Meter groß sein. Eine maßlose Übertreibung, wie ich fand, aber damit sollte es allen vier Stadtratsmitgliedern (kurz CCM für City Council Member) leicht fallen, das Band gemeinsam zu zerschneiden. Das Elderreich zeichnete sich durch Kleinlichkeit und die Überlegenheit der Mächtigen aus. Twig natürlich ausgenommen.

„Quinn, ich sage dir, er ist es nicht.“ Twig stupste mich an.

„Du kommst aus der Zeremonie zum Durchschneiden des Bandes nicht raus“, flüsterte ich zurück. „Denk nicht einmal daran.“

Die neue Zuk U bedeutete einen großen Schritt nach vorn für die armen Familien von Effin Zuk, am Rande des Rotlichtviertels. Die Akademie, ein gewaltiges Monstrum aus Stein und Eisen, befand sich auf dem Gelände des ehemaligen Joyville-Gefängnisses für magisch Geisteskranke. Das Design der Akademie hatte zwar viel von der ursprünglichen Struktur übernommen, aber man hatte neue Komponenten hinzugefügt und die Gefängnisgitter entfernt, um sie ‚kinderfreundlich‘ zu machen. Natürlich hatten nur Twig und die Mitglieder des Rates, die nicht zu den Alphae gehörten, in ihrem vollen Terminkalender die Zeit gefunden, in die Lower East Side zu reisen.

„Zauberer, ich meine es ernst.“ Twig nickte in Richtung der kleinen, eilig errichteten Bühne und des älteren Brownies, der praktisch in seinen feierlichen Roben schwamm. „Der Typ ist nicht Turtlebottom.“

Ich blinzelte. „Wer ist er dann, und warum hält er eine Rede vor den versammelten Eltern, Kindern und Gemeindemitgliedern?“

„Ich weiß es nicht.“ Twig beugte sich vor, um Turtlebottom besser sehen zu können, und sein langes Haar strich mir über die Wange.

Ich verzichtete darauf, die Hand auszustrecken, um die seidigen Locken durch meine Finger gleiten zu lassen. In seiner Menschengestalt war Twigs Haar tief nachtblau, genau wie die Farbe der Schuppen in seiner Drachengestalt. Doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um über meinen Vertrauten zu schwärmen. Ich musste eine Krise abwenden.

„Ich dachte, du kennst Turtlebottom.“

„Das ist es ja gerade, das tue ich.“ Er rieb sich das Kinn und runzelte so offensichtlich die Stirn, dass ich ihn mit dem Ellbogen in die Seite stieß. Mit einer Größe von über zwei Metern und jeder Menge Muskeln war Twig selbst an seinen besten Tagen einschüchternd.

„Er wird deinen finsteren Blick bemerken.“

„Das wäre normal. Ich verabscheue ihn. Und er fühlt dasselbe.“

Laut Twig hatte sein Vater Oliver Turtlebottom als einen von mehreren Nachhilfelehrern eingestellt, als Twig als Teenager zum ersten Mal ins Elderreich gekommen war. Turtlebottom hatte es nicht lange ausgehalten. Aber was auch immer geschehen war, Twig hatte ihn nicht vergessen. Mein halb Drache/halb Fee, aber voll abgebrühter Partner hatte ein sehr gutes Gedächtnis.

„Als wir ankamen, ist dir da aufgefallen, dass er sich ein Zing-Pop-Mint in den Mund gesteckt hat?“, fragte Twig.

„Ein Pfefferminz? Ja.“ Ich spürte, wie ich Kopfschmerzen bekam. Wir zogen Ärger an, wie Blut Vampire anzog. Es musste etwas mit der Kombination von Zauberer und Drache zu tun haben. Doch für Dramen hatten wir heute einfach keine Zeit.

Nach der Zeremonie mussten wir für unsere bevorstehende Reise fertig packen. Wir mussten nach unserem Mitbewohner Bill sehen, da er entschlossen schien, sich selbst zu zerstören. Keine Zeit und keine Energie, um uns in einen bizarren Vermisstenfall verwickeln zu lassen. Das konnte doch nicht wahr sein.

„Aber der Turtlebottom, den ich kenne, hielte das Lutschen von Pfefferminzbonbons in der Öffentlichkeit für den Gipfel der Vulgarität.“ Twig tippte nachdenklich auf seine Lippe.

Verdammt, es passierte schon wieder.

Ich nahm mir einen Moment Zeit, um tief einzuatmen und langsam wieder auszuatmen. „Daraus schließt du also, dass Turtlebottom was ist? Bewusstseinskontrolliert? Tot? Gekidnappt?“

„Ich bin mir nicht sicher. Hast du bemerkt, dass er uns angelächelt hat, als wir unseren Platz eingenommen haben?“ Twigs heißer Atem an meinem Ohr jagte mir einen Schauer über den Rücken.

Ich stöhnte auf. „Gelächelt?“

„Mmhm. Der alte Bock würde das nie tun. In den zwei Monaten, in denen er mich unterrichtet hat“, schnaubte Twig, „hat er kein einziges Mal gelächelt. Und selbst wenn er jeden Morgen vor meinem Vater einen Kniefall gemacht hat, wäre er nie auf die Idee gekommen, einen Witz zu machen. Der Kerl ist so angenehm wie ein Gargoyle mit Zahnschmerzen.“

„Vielleicht hat er sich verändert? Es ist doch mehr als ein Jahrzehnt her, oder? Leute ändern sich.“ Selbst ich glaubte meinen Worten nicht.

„Die eigentliche Frage ist, was dieser Typ will.“

„Komm. Die CCMs werden auf die Bühne gerufen, um das Band zu zerschneiden.“ Ich machte mich mit Twig auf den Weg zum Podium, aber er schüttelte den Kopf. Der verdammte Drache versuchte immer, mich zu beschützen.

Ich schnaubte, blieb aber am Rand stehen. Ich hasste es sowieso, in den Zeitungen aufzutauchen. Ich hätte schwören können, die Medien bestanden zu 99% aus Klatsch und Tratsch, zu 0,3% aus Nachrichten und zu 0,7% aus Leserbriefen, in denen man sich über eine der beiden anderen Kategorien beschwerte.

„Nach Ihnen, meine Damen“, sagte Twig zu den CCMs der Ikarus- und Neptun-Gilde. Der CCM der Hufträger-Gilde folgte Twig dann zum Podium und kämpfte sich mit der übergroßen Schere die wackeligen Stufen hinauf. Ah, das glamouröse Leben eines Staatsdieners.

Das Publikum applaudierte höflich, die dick eingepackten Kinder saßen in der ersten Reihe auf der Tribüne, gefolgt von den ebenfalls eingepackten Eltern und Mitarbeitern. Ein paar Reporter drängten sich vorne neben die Kinder und ernteten böse Blicke von den Eltern.

Diese Akademie war schon lange geplant gewesen, auch wenn sie nicht ideal war. Ein Lieblingsprojekt der Nicht-Alphae-Mitglieder im Rat, weshalb sie die letzten zwei Wahlperioden damit verbracht hatten, Unterstützung und Gelder zu sammeln, um das Gefängnis in eine Schule umzuwandeln. Doch erst seit Twig dem neunköpfigen Rat beigetreten war, floss Geld aus der Stadtkasse, um die Akademie einzurichten und mit Personal auszustatten, damit sie eröffnet werden konnte.

Ich hätte Turtlebottoms leichte Versteifung nicht bemerkt, als sich die Ratsmitglieder näherten, wenn ich nicht darauf geachtet hätte.

Alle Nicht-Alphae-Mitglieder. Zusammen. Auf einer Bühne.

Oh, verflucht! Das war wirklich nicht gut.

„Twig!“ Gleichzeitig rief ich meine Magie herbei, die mich mit einer Energie füllte, die dafür sorgte, dass sich die Haare an meinen Armen aufstellten.

Zur gleichen Zeit warf Turtlebottom seine Robe zurück und enthüllte ein Nekrolicht-Amulett. Nekrolichter waren sehr selten und sehr illegal. Sie zerstörten die Kräfte des Lebens. Es war eine Waffe, die man nur einmal benutzen konnte und die jeden in einem Umkreis von drei Metern auslöschte. Das bedeutete: alle anwesenden Mitglieder des Stadtrats und vielleicht ein paar Kinder in der ersten Reihe.

Ich konnte sie nicht alle beschützen. Ich musste darauf vertrauen, dass mein Drache klarkam.

„Nekrolicht-Amulett, lauft!“, rief ich, als ich auf die Kinder zustürzte. Ich warf einen magischen Schild hoch und hoffte, dass das Amulett nicht die Kraft hätte, ihn zu durchschlagen.

„Zu spät“, krähte Turtlebottom, der mit seinen Händen das Amulett aktivieren wollte.

Die Ratsmitglieder erstarrten.

Alle außer Twig.

Er schnappte sich die zeremonielle Schere aus den Händen des Zentauren und schnitt Turtlebottom ohne zu zögern den Kopf ab. Blut spritzte. Das Knirschen der Knochen war über dem Geschrei der Zuschauer zu hören. Als Turtlebottoms Kopf mit einem hörbaren Rumps auf der Bühne aufschlug und über die Kante rollte, verstummten die Geräusche für ein paar angespannte Sekunden.

Dann brachen mehrere Kinder in Tränen aus und ein Tumult entstand.

Twig grinste, gab mir einen Daumen hoch und schnitt das Band entzwei.

Warum nur? Warum musste uns das immer passieren?

„Warum passiert das immer Ihnen?“ Hatharal Leotoris, Agent des Elder Bureau of Investigation, kurz EBI, stampfte sich den Schnee von seinen hochglanzpolierten Stiefeln. Er kam auf uns zu wie eine halbverhungerte Harpyie, die ihre nächste Mahlzeit gefunden hatte.

Twig drehte sich zu Leotoris um. „Ah, Leo, was führt das EBI nach Effin Zuk? Ein bisschen abhängen?“ Er grinste den gertenschlanken Elfen an, der von Kopf bis Fuß in marineblaue EBI-Winterkleidung gehüllt war.

Hatte ich schon erwähnt, dass mein Drache gerne bestimmte Knöpfe drückte?

Leo schien sich von Twig nicht beirren zu lassen. Er hatte bereits mehrere Begegnungen mit uns gehabt, als wir vor ein paar Monaten Verdächtige in ein paar grausamen Drachenmorden gewesen waren.

„CCM Starfig, ich würde ja sagen, es ist eine Freude, Sie wiederzusehen, aber da Sie gerade vor einem Haufen Kindern einen Brownie geköpft haben, fühlt sich das nicht richtig an.“ Leo lächelte nicht, obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass er sich bemühte, eine neutrale Miene zu bewahren. Für einen EBI-Agenten war er ein netter Kerl. „Nicht die Einweihung, die man erwartet hatte, das ist sicher.“

„Ich vermisse Ihren Lava Java, Leo. Kein anderer kriegt das gute Zeug, außer Ihnen. Wollen Sie mir wirklich nicht sagen, wo Sie es kaufen? Mein Zauberer könnte jetzt eine heiße Tasse Ihres Kaffees gebrauchen.“ Twig klopfte dem elfischen Detektiv auf die Schulter. Leo musste damit gerechnet haben, denn er stolperte nicht einmal unter Twigs Kraft. Beeindruckend.

„Führen wir überhaupt dasselbe Gespräch?“ Leo schaute zu mir. „Schön, Sie wiederzusehen, Quinn. Sie sollten diesen Kerl doch aus Schwierigkeiten heraushalten.“

Ich hob eine Augenbraue. „Sind wir in Schwierigkeiten, Agent?“

„Haben Sie den Teil mit dem Typen, der vor einer Schar von Zeugen geköpft wurde, nicht mitbekommen?“ Er deutete über seine Schulter auf die EBI-Beweismitteltechniker, die sich auf der Bühne um die Leiche tummelten.

„Das habe ich“, bestätigte ich. „Das erklärt aber nicht, warum Sie der verantwortliche Agent sind. Zufall? Hm, ich denke nicht.“

„Es sollte nicht überraschen, dass alles, was mit dem Namen Starfig zu tun hat, an mich herangetragen wird. Dafür hat Twigs Vater gesorgt.“ Wenn er verärgert war, ließ er es sich nicht anmerken, obwohl er seine EBI-Schärpe über seinem schweren Wollmantel zurechtrückte, als ob sie ihn vor allen Dingen, die mit den Starfigs zu tun hatten, schützen könnte. Viel Glück dabei.

„Haben Sie herausgefunden, wer er ist? Der Typ war nämlich nicht Turtlebottom“, sagte Twig.

Leos Blick schärfte sich und er zog eine Tafel und einen Federkiel hervor. „Erklären Sie das.“

Twig erzählte ihm von den Minzbonbons und dem Lächeln.

„Ein Lächeln, wirklich?“ Er schüttelte den Kopf, fuhr aber fort, Notizen zu machen, wobei ein hauchdünnes Paar Handschuhe seine schlanken Finger bedeckte.

„Das habe ich auch gesagt. Aber wie sich herausstellte, hatte er recht.“ Ich zuckte mit den Schultern, steckte meine Hände in die pelzgefütterten Taschen meines neuen waldgrünen Wollmantels und stampfte mit den Füßen auf, um meinen Kreislauf in Schwung zu halten. So sehr mich Twigs Intuition auch in den Wahnsinn trieb, so oft lag sie doch goldrichtig. Sie hatte uns schon mehr als einmal das Leben gerettet.

„Ich schicke Agenten zu seinem Haus. Warten Sie.“ Leo wandte sich an einen anderen EBI-Agenten, und sie steckten ihre Köpfe zusammen. Er war nicht Leos üblicher Partner. Der Mann nickte und rief dann zwei Agentinnen herbei. Natürlich alles Elfen. Warum die EBI hauptsächlich Elfen einstellte, war mir immer noch nicht klar. Vielleicht würde ich Twig irgendwann mal danach fragen.

Der Agent zückte ein verzaubertes Abzeichen, wedelte mit der Hand darüber, und die drei verschwanden mit einem lauten Pop. Andere Agenten befragten die Menge, während Special Wards and Tactics – SWAT – die Umgebung bereits gesichert hatten. Ich vermutete, dass das eine große Geschichte war. Was auch bedeutete, dass die Zeitungen sich darauf stürzen würden. Und das hieß, dass wir eine wütende Standpauke von Twigs Vater erwarten konnten.

In der Zwischenzeit weigerten Twig und ich uns, mit den anderen CCMs herumzuhocken, die unter Bewachung gestellt worden waren. Es war traurig, aber ein Nekrolicht war bei Weitem nicht das furchterregendste Artefakt, mit dem wir es bisher zu tun gehabt hatten.

Nachdem Leo mit den Technikern der Spurensicherung gesprochen hatte, kam er zurück.

„Sie hatten recht.“ Leo senkte die Stimme. „Es war ein Doppelgänger.“

„Ein Doppelgänger?“ Wow, die gab es nicht oft. Im Elderreich wurden sie aufgrund ihrer schlechten Angewohnheit, zu töten und die Identität und das Aussehen ihrer Opfer zu übernehmen, massiv reguliert. Im Hominusreich, in dem ich aufgewachsen war, hätte man sie sofort hingerichtet. Nicht, dass sie leicht zu erkennen waren, denn, nun ja … Doppelgänger eben.

„Diese SEAD-Freaks laufen aus dem Ruder“, brummte Twig.

„Sie hatten nicht erwähnt, dass er ein SEAD-Anhänger ist.“ Leo kritzelte auf seine Tafel.

Oh Mann, diese ‚Sichert die Elder Alphae auf Dauer‘-Leute waren so bedauernswert.

„Er schrie es, als er nach dem Amulett griff.“ Twig rollte mit den Augen. „Noch eine Gruppe, die mit Akronymen nicht umgehen kann. Sie hätten sich auch 'Macht die Elder wieder groß‘ nennen können. MEG hätte ein bisschen wie Mega geklungen, findest du nicht?“

Ich kicherte. „Bring sie bloß nicht auf dumme Gedanken, Drache. Sie werden dich noch anheuern wollen, um ihre Slogans zu schreiben.“

„Das bezweifle ich. Sie scheinen ziemlich sauer darüber zu sein, dass ich dazu beigetragen habe, den Einfluss der Alphae auf den Stadtrat zu schwächen und die Ressourcen an andere Gruppen zu verteilen, vor allem an die Armen.“ Twigs Stimme strahlte den Stolz aus, den er über diese Leistung empfand.

Auch ich war stolz auf ihn. In den drei Monaten, in denen er dem Rat angehörte, hatte er ein Bündnis mit den Nicht-Alphae-Mitgliedern geschlossen und einen gemäßigten Alphae davon überzeugt, sich in mehreren wichtigen Fragen auf ihre Seite zu stellen. In Lighthelm war ein echter Wandel im Gange.

Hätte Twigs Vater doch nur im hohen Rat des Elderreichs dasselbe getan, aber … Auric Starfig war der Inbegriff aller Alphae.

„Ich hasse diese Typen.“ Leos Stimme blieb leise. „Nicht so sehr wie die dunkle Bruderschaft. Aber die SEADs werden langsam lästig.“

„Sie neigen zu Untertreibungen, Agent“, merkte ich an.

KAPITEL 2

Später am Abend, ich hatte es mir gerade mit unseren Seidenkissen bequem gemacht und zwei Schüsseln mit selbstgemachtem Sonnenkrabbeneintopf auf unseren niedrigen Esstisch gestellt, hallte ein deutliches Pop durch den Raum.

„Musstest du ihn vor Schulkindern enthaupten?“, schimpfte Twigs Vater, als er mit seinen beiden Gargoyle-Leibwächtern in unsere Zweisamkeit platzte. Twig und ich erschraken beide, aber wir erholten uns schnell und kehrten zu unserer Mahlzeit zurück, nachdem wir den Gargoyles zugewinkt hatten.

So viel zu einem gemütlichen Abendessen zu zweit. Nicht, dass Auric die Andeutung verstehen würde.

„Wäre es dir lieber gewesen, ich hätte den SEAD die Lebenskraft aus ihnen heraussaugen lassen? Ich hatte bisher immer den Eindruck, tote Kinder wären eine schlechte PR“, sagte Twig, während er kaute. Das schwache Licht des knisternden Feuers ließ seine Gesichtszüge ernst erscheinen, obwohl seine Stimme unverändert tief und gleichmäßig klang. Wir hatten den Besuch erwartet, und Auric Starfigs Missbilligung war vorhersehbar gewesen. Twig wischte die Enttäuschung seines Vaters beiseite, als wäre sie nicht von Belang.

Ich hätte mir gewünscht, das Gleiche sagen zu können. Aurics Kritik war mir ein ständiger Dorn im Auge. Aber das brauchte mein Drache nicht zu wissen.

„Mir wäre es lieber gewesen, du hättest es diskret gehandhabt.“ Auric war nur etwas über 24 Zentimeter groß, doch jeder dieser Zentimeter war schlecht gelaunt. Seine dunkelviolette Toga fiel in perfekt gebügelten Wellen herab, eine große Anstecknadel des hohen Rates hielt den Stoff über seiner Schulter an Ort und Stelle. Ein hautenger Rock unter der Toga war der einzige Hinweis auf die vorherrschende Kälte. Er hatte sein langes silbernes Haar kunstvoll geflochten und seine Feenflügel mit Edelsteinen verziert, was bedeutete, dass er von einer gesellschaftlichen Veranstaltung des hohen Rates kam.

Er flatterte anmutig mit seinen Flügeln und landete neben Twigs Teller. Als er die ganze Länge unseres Tisches abschritt, strömte seine Enttäuschung aus jeder Pore.

Ich blendete die Predigt aus und tunkte frisches Brot in meinen Eintopf. Die herzhafte Kombination war perfekt für einen kalten Winterabend. Wenn ich zuhörte, würde ich nur an Twigs Stelle wütend werden.

„… und macht mit der Paarungszeremonie Tempo“, sagte Auric und erregte damit meine Aufmerksamkeit.

„Dad, wir haben das doch besprochen.“

Das hatten sie. Unzählige Male. Auric war sehr hartnäckig. Aber das war Twig auch. Ich griff nach meinem Becher heißem Tee mit Rum und nahm einen großen Schluck, wobei sich die Wärme sofort in meinem Körper ausbreitete. Zwar gab es im Elderreich nicht genug Alkohol, um Aurics lästige Existenz auszublenden, aber ich konnte es zumindest versuchen.

„Du musst deinen Drachen besser kontrollieren, mein Sohn. Wenn du dich offiziell gepaart hättest, hättest du deine Handlungen gründlicher durchdacht.“

„Hätte ich erst nachgedacht, wären mehrere Mitglieder des Stadtrats, Quinn und eine Handvoll Kinder jetzt nicht hier. Ich würde sagen, mein schnelles Handeln hat den Tag gerettet. Außerdem, halt dich da einfach raus. Es wird passieren, wenn wir bereit sind.“

Unsere offizielle Paarung, oder das Fehlen einer solchen, war zu einer Obsession von Twigs Vater geworden.

„Twig, wenn nicht für dich, dann solltest du es für deinen … Partner tun.“ Auric rümpfte die Nase. „Damit verschaffst du ihm die dringend benötigte Anerkennung.“

Eine nette Anspielung auf meinen früheren Status als Bettsklave. Ich zuckte kaum noch zusammen und setzte stattdessen ein falsches Lächeln auf. Das tat ich oft in Gegenwart von Twigs Vater. „Du hast Twig gehört. Irgendwann kommen wir schon noch dazu.“

Ich leerte den Rest meines Bechers in einem Zug und überlegte, ob ich nach Twigs Becher greifen sollte, der noch fast unberührt war.

Twigs Augen verengten sich, als er seinen Vater anblickte, und ein leises Knurren stieg in seiner Brust auf. Ich griff hinüber und tätschelte seinen Arm. Er brauchte mich nicht zu verteidigen. Außerdem waren wir schon zu sehr an den Kreislauf von Missbilligung, Beleidigung und Vermeidung gewöhnt. Es war einfach immer das Gleiche.

Ich hatte gehofft, dass Novus Greyclover, Aurics Quasi-Freund, Twigs Vater besänftigen würde, aber mir kam es eher vor, als würde Auric mit jedem Tag schlimmer werden.

„Wie auch immer, ich habe für euch beide Lesestoff organisiert. Ihr müsst verstehen, wie der Rat für göttliche Magie organisiert ist, um ihre Schwächen zu eurem Vorteil auszunutzen.“

„Was lässt dich annehmen, dass wir das nicht schon wissen?“ Schließlich war ich im Hominusreich aufgewachsen, und der Rat regierte dort seit Jahrhunderten. Es war ja nicht so, als ob ich in der Schule nichts darüber gelernt hätte.

Auric sah mich von oben herab an. Niemand hätte gedacht, dass ein Kerl, der nur 32 Zentimeter groß war, das bei jemandem, der ungefähr 1,80 Meter maß, so effektiv hinbekam. Aber so war es.

Er schnippte mit den Fingern und mehrere Schriftrollen erschienen. „Wie ich schon sagte, der Rat ist primitiv. Es gibt elf Mitglieder, Rei genannt, und eine hohe Rei. Dass sie sich mit einem Rat herumplagen, wenn die hohe Rei ohnehin für alle spricht, ist ineffizient und sehr, sehr menschlich.“ Er verzog die Lippen.

„Der Rat hat ein Vetorecht, wenn die Gesetzgebung der hohen Rei unerwünscht ist.“ Allerdings war dafür eine Zweidrittelmehrheit unter den anderen Mitgliedern erforderlich. Er hatte also vermutlich recht, aber ich würde ihn nicht wissen lassen, dass ich ihm zustimmte. Normalerweise spielte ich den Friedensstifter. Leider hatte er mich an einem schlechten Tag erwischt.

Er schnaubte. Ein Geräusch, das er hervorragend beherrschte. „Man sollte sie einfach Königin nennen und den Rat ihre Berater. Primitiv.“

Ich knirschte mit den Zähnen, bevor ich sagte: „Die hohe Rei ist kein Amt, das vererbt wird. Sie wurde aus den Reihen des Rates gewählt.“

Auric winkte abweisend. Auch eine Geste, die wir von ihm gewohnt waren. „Was heißt das schon? Wie viele Hexenfamilien haben das Potenzial, Mitglieder in den Rat zu befördern? Höchstens 15.“

14, soweit ich wusste. Aber vielleicht waren Aurics Informationen aktueller als meine.

Ich hustete in meine Faust. Vielleicht klang es wie „Alphae“. Twig gab über den Tisch hinweg Würgegeräusche von sich. Twigs Vater hatte keinen Anlass, um sich über herrschende Familien auszulassen. Die Mitglieder der Alphae-Gilde besetzten die meisten politischen Ämter des Elderreichs in fast jeder Position.

Auric ignorierte mich, woran ich gewöhnt war, aber da ich mich heute besonders schnippisch fühlte, fügte ich hinzu: „Das Hominus-System erscheint mir effizienter, als keinen erkennbaren Anführer zu haben.“

Kaum hatte ich das gesagt, hätte ich mir auf die Zunge beißen können. Im Elderrat regierte zwar eine Fraktion, aber ohne die ausdrückliche Zustimmung von Auric Starfig wurde durch den hohen Rat kein einziges Gesetz verabschiedet. Er beherrschte diese Welt in jeder Hinsicht. Verglichen mit seiner Rücksichtslosigkeit wirkte jede hohe Rei wie ein Kätzchen.

„Wie du meinst.“ Twigs Vater grinste. „Ich verneige mich vor deinem größeren politischen Wissen.“

„Wir sehen uns das mal an.“ Twig rauschte dazwischen, bevor die Situation weiter eskalierte. „Es schadet nie, mehr Informationen zu haben.“

Auric tätschelte Twigs Finger. „Jetzt sprichst du wie ein Starfig. Vielleicht solltest du die Verhandlungen mit dem Rat führen. Du willst schließlich einen guten Eindruck machen. Einen, der zu deinem Stand passt.“

„Quinn kann auf sich selbst achtgeben, Dad.“ In Twigs Stimme schwang Gereiztheit mit. Ich gab ihm höchstens zwei Minuten, bevor die Dinge zwischen ihnen explodierten und der Kreislauf wieder von vorne begann.

„Das bezweifle ich. Du weißt, dass sie seine Magie nicht testen dürfen, oder? Es gibt keinen Grund, dem Rat irgendwelche Vorteile zu verschaffen. Außerdem sollte er so wenig Magie wie möglich einsetzen. Sie werden sicher nach Hinweisen auf seine Fähigkeiten suchen, wie sie nun einmal sind.“

„Ich bin anwesend.“ Ich klopfte mit meiner leeren Tasse auf den Tisch, um meinen Standpunkt deutlich zu machen. „Ich kann für mich selbst sprechen, danke.“

„Ich bezweifle nicht, dass du deinen Mund aufmachen kannst. Wie auch immer, ich hoffe, du hast nicht vor, das zu tragen?“ Er deutete auf meine einfache Wolltunika und die enganliegenden Hosen.

Ich presste meine Lippen zusammen. Von dem ganzen Zähneknirschen heute würde ich später wahrscheinlich Kopfschmerzen haben.

Meine Garderobe war nach wie vor ein beliebter Anlass für Kommentare. Er wusste, dass wir erst morgen abreisen würden, und er wusste auch, dass ich bei einem Treffen mit dem Rat für göttliche Magie formellere Kleidung tragen würde. Er wollte mich damit nur provozieren. Oder, wahrscheinlicher, Twig.

„Dad …“

„Wir haben unsere Sachen bereits gepackt …“

Er schnippte wieder mit den Fingern und schnitt uns beiden damit das Wort ab. Zwei Stapel mit ordentlich gefalteter Kleidung erschienen auf dem Tisch. Er schnaubte. „Ich kann nicht zulassen, dass ihr den Namen Starfig in Verruf bringt, also habe ich mir die Freiheit genommen, euch beide mit einer passenden Garderobe auszustatten. Da es dort Sommer sein wird, ist die Kleidung entsprechend leicht, aber dennoch eurem Stand angemessen.“

„Oh, wie fürsorglich, Dad.“ In Twigs Stimme klang Sarkasmus mit. Doch in Wirklichkeit war es Aurics gefühlsarme Art zu zeigen, dass er sich um uns sorgte. Natürlich war es gleichzeitig eigennützig. Also, doppelter Nutzen. Eine Win-Win-Situation, wie Twig sagen würde.

Ich brauchte mir den Stapel nicht anzusehen, um zu wissen, dass die Kleidung sicher exquisit war. Twigs Vater würde dafür sorgen, dass wir gut dastanden.

Ich hätte dankbar sein müssen, oder?

KAPITEL 3

„Sieh mal, wer nach Hause gefunden hat.“ Ich beäugte Bill am nächsten Morgen kritisch und rümpfte die Nase, als er das Wohnzimmer betrat und sich den frisch gefallenen Schnee von den Schultern wischte. Ich zündete ein Räucherstäbchen mit Citrin-Duft an und steckte es in einen Steinhalter. „Du riechst wie eine Orgie.“

Bills gelb getupfte Fliege saß schief, seine Brille war beschlagen, und sein dazu passender Pullunder hing an seinem breiten Körper. Schlimmer noch, seine rotgesprenkelte Haut wies einen deutlichen Rosaton auf. Der Red-Fury-Dämon, der bei uns wohnte, war ein Wrack. Das war er schon seit ein paar Monaten. Seit sein Freund Dyknor ihn verraten und versucht hatte, Twig, mich und Twigs Vater zu töten. Wäre ich gemein gewesen, hätte ich gesagt, dass ich den Wunsch, Letzteres zu tun, verstand. Zu sagen, Auric sei schwierig, war so, als würde man den Ozean als ein paar Wassertropfen beschreiben.

„Ein neuer Bekannter hat mich zu einer Afterparty mit einer Herde Selkies eingeladen. Glaubt nicht, was man über sie erzählt. Das sind Tiere.“ Bill grinste, und seine drei Zahnreihen traten deutlich hervor.

Twig blickte von seinem Platz auf, wo er auf einem Haufen rubinroter und goldener Bodenkissen und üppiger Teppiche lümmelte, die er Sitzmöbeln vorzog. In den letzten Stunden hatte er sich mit Gesetzen beschäftigt, die er für den Stadtrat von Lighthelm abzeichnen musste. Ein CCM zu sein, bedeutete eine ganze Menge Arbeit. Vor allem, wenn er vorhatte, die nächsten Wochen mit mir im Hominusreich zu verbringen.

„Sie sind Robbenwandler. Also ja, ich würde sagen, sie sind Tiere.“ Twig machte sich über Bill lustig, doch ich wusste, dass er sich wegen Bills neuer Angewohnheiten genauso viele Sorgen machte wie ich. Abwesend streichelte er Cookie und die vielen anderen Fellkugeln, die sich in unser Zuhause einquartiert hatten. Es sah aus, als säße er in einem riesigen Haufen von Wollmäusen, deren Fell weich und glänzend ihre runden Körper umhüllte.

„Oh, wie witzig, Boss.“ Bill sah nicht amüsiert aus. Den großen Kerl amüsierte in diesen Tage selten etwas.

Twig legte seine Schriftrolle beiseite und lehnte sich in sein Nest aus Kissen zurück, sodass mehrere Fellbällchen, die vor Empörung quietschten, von seinem Schoß kullerten. „Darf ich fragen, wo Pie ist?“

Pirat McPiratestein, kurz Pie, hatte sich freiwillig bereit erklärt, Bills unglückselige Abenteuer zu begleiten. Konnte man sich das vorstellen? Ein Geisterpiratenpapagei, der gerne trank, vögelte und sich durch Lighthelm kämpfte. Wow, eine echte Überraschung.

Bill blinzelte einige Male, bevor ihm einfiel, seine beschlagene Brille abzunehmen und sauberzuwischen. Er benutzte das Ende seines Pullunders, bevor er sich das Gestell wieder auf die Nase setzte. „Oh, so ist es besser.“

„Bill, hast du Pie schon wieder verloren?“, fragte ich. Pie war kein guter Anstandswauwau, und genau den brauchte unser Red Fury derzeit. Bill wurde immer leichtsinniger. Doch da Twigs Vater nichts lieber wollte, als ihn für immer aus dem Elderreich zu verbannen, musste er sich in Acht nehmen.

„Pie?“ Seine breite Stirn legte sich in Falten, als er verstand. „Ah ja, Pie. Er, ähm, hat ein paar Gefährten gefunden, die eine hübsche Summe Dyparis gewettet haben, dass sie, ähm, wie sagt man so schön? Ihn unter den Tisch trinken können. Nachdem der achte besoffen umgekippt war, wurde mir langweilig. Ein Dämon kann sich nur eine bestimmte Zeit damit amüsieren, zuzusehen, wie betrunkene Kerle umfallen. Vor allem, wenn ein paar Selkies so begierig auf eine vergnügliche Zeit sind.“

„Du hast also keine Ahnung, wohin er unterwegs ist?“ Da Pie mit uns ins Hominusreich reisen sollte, bereitete mir das Sorgen.

„Ich bin nicht sein Aufpasser“, schniefte Bill.

Selbst nach all den Monaten hatte ich mich noch nicht daran gewöhnt, einen 2,40 Meter großen Dämon schmollen zu sehen. Bill war, um es freundlich auszudrücken, ein kleiner Drama-Dämon. Er fühlte alles sehr intensiv. Vielleicht zu intensiv. Ich verstand das. Dennoch planten Twig und ich, nach unserer Rückkehr aus dem Hominusreich ein ‚reinigendes Gespräch‘ zu führen, wie meine Großmutter zu sagen pflegte. Genug war genug.

Er musste sich bis zu unserer Rückkehr einfach aus jedem Ärger heraushalten. Was leichter gesagt war als getan.

„Weshalb schläfst du nicht einfach deinen Rausch aus?“ Twig widmete sich wieder seiner Schriftrolle, aber ich merkte, dass Bills Mätzchen ihn ärgerten.

„Was für eine prächtige Idee, Boss. Wirst du weg sein, wenn ich aufwache? Du weißt schon, da du mir nicht erlaubst, dich zu begleiten.“

Er schmollte eindeutig immer noch.

„Das haben wir doch schon besprochen, Bill“, schimpfte Twig, den Blick auf die Schriftrolle gerichtet. „Im Hominusreich sind keine Dämonen erlaubt. Sie würden dich sofort angreifen. Ich denke, wenn man von mehreren Hundert Hexen umgeben ist, die einen zurück nach Notocrypta verbannen wollen, ist das Grund genug, zu Hause zu bleiben.“

„Drachen sind dort auch nicht erlaubt, aber du gehst trotzdem mit.“

Mit dem bockigen Bill war nicht leicht umzugehen. Und das war noch eine Untertreibung. Die verteilte ich heute mit vollen Händen.

„Bill, komm schon. Twig ist mein Vertrauter. Er ist an mich gebunden. Deshalb kann er mitkommen. Willst du etwa an eine Hexe gebunden sein? Denn nur so kann ich mir vorstellen, dass dir der Zutritt gewährt würde.“

Er schniefte. „Nein, danke. Emotionale und magische Bindungen sind Zeitverschwendung.“

Ich knirschte mit den Zähnen. Man sollte meinen, das Töten und anschließende Verspeisen seines Ex sei eine gute Möglichkeit gewesen, seine Wut zu verarbeiten. Bei Bill schien das nicht der Fall zu sein.

Verflucht, ich klang schon wie mein blutrünstiger Drache. Da ich mir nicht die Mühe gemacht hatte, meine Gedanken zu verbergen, verzogen sich Twigs Lippen zu einem leichten Lächeln, obwohl seine Aufmerksamkeit weiterhin der Schriftrolle galt.

Mein blutdürstiger Zauberer, hallte sein Gedanke in meinem Kopf wider, fast ein zufriedenes Schnurren.

„Bäh, ihr zwei macht es schon wieder, nicht wahr? Eure liebestollen Zwiegespräche sind nicht erwünscht.“ Bill drehte sich weg und taumelte in Richtung seines Zimmers, wobei er gegen die Wände stieß.

Cookie, die Anführerin unserer Fellkugeln, zirpte einmal. Mehrere Fellknäuel rollten sich von den Kissen und folgten Bill. Wenigstens würde er Kuschelkameraden haben.

„Danke, Cookie.“ Ich seufzte. „Twig, was sollen wir mit ihm machen?“

Twig zuckte mit den Schultern, legte die Schriftrolle beiseite und sah zu, wie ich weiter im Zimmer hin und her lief und unsere Koffer immer wieder überprüfte.

Es war eine weitere Untertreibung zu behaupten, ich sei etwas nervös, nach Hause zurückzukehren … nein, nicht nach Hause, nicht mehr. Dorthin zurückzukehren, wo ich geboren und aufgewachsen war – das klang schon besser. Ohne Twig wäre ich wohl nicht in der Lage gewesen, mich dieser Aussicht zu stellen. Immerhin hatten mich die Hexen an ein durchgeknalltes Einhorn verkauft, das mich zu einem Sexsklaven gemacht hatte. Und meine liebende Familie hatte das zugelassen.

Nein, das Hominusreich war nicht mehr mein Zuhause. Twig hatte sich diese Ehre verdient. Mein Vertrauter, halb Drache/halb Fee, hielt jetzt mein Herz, meine Seele und war damit mein Zuhause.

„Komm her, Zauberer.“ Twig klopfte auf die Kissen neben sich. „Hör auf zu zappeln. Wir haben gepackt. Du musst es jetzt loslassen.“

„Du hast leicht reden“, murmelte ich. Trotzdem folgte ich seinem Vorschlag und ließ mich auf die Kissen sinken, wobei ich die restlichen Fellkugeln weckte. Twig zog mich an sich und schloss mich in seine Arme. Sein großer Körper und sein vertrauter Geruch beruhigten mich wie nichts anderes. Die Fellkugeln drängten sich auf seinem und meinem Schoß wie eine Art kuschelige Decke. Ich hätte schwören können, dass es ein paar mehr geworden waren, seit ich das letzte Mal gezählt hatte.

Nach einem Moment ließ Twig mich los und widmete sich wieder seinen Schriftrollen. Meine Nervosität kehrte mit Macht zurück. Also ging ich in Gedanken noch einmal die Packliste durch. Fast alles eingepackt. Ich versteifte mich. „Verflucht! Ich weiß nicht mehr, wo ich meinen Schlangen-Rubin hingelegt habe. Er ist nicht in meinem Beutel.“

Twig hatte den Ring gekauft, nachdem er bei seiner ersten Verwandlung in seine Drachenform versehentlich ein ähnliches Stück zertrümmert hatte. Da Zombies im Begriff gewesen waren, uns zu verschlingen, hatte ich ihm verziehen. Er hatte ohnehin darauf bestanden, ihn zu ersetzen. Dieser hatte nur eine einzige magische Ladung, aber er machte den Träger für eine kurze Zeit unsichtbar. Ich hatte ihn noch nicht benutzt und hatte auch nicht vor, es zu tun, aber es war besser, auf alles vorbereitet zu sein.

Twig schloss die Augen und atmete tief ein. „Er ist in Bills Zimmer. In der geschnitzten Truhe neben seinem Bett.“

Es musste schön sein, auf magische Weise Schätze zu finden. Drachen und ihre Horte. Das machte ihn ja auch zu einem so erfolgreichen Privatdetektiv. Etwas Wertvolles verloren? Ein Drache fand es verlässlich … für einen Preis.

„Also, wegen Bill. Ich weiß nicht, was wir tun können. Ich habe es satt, ihm Vorträge über seine Leichtsinnigkeit zu halten. Ich habe Tim gebeten, ab und zu nach ihm zu sehen, während wir weg sind.“

„Tim mag Bill nicht besonders.“ Meine Worte klangen gedämpft an Twigs Brust, aber ich richtete mich nicht auf.

„Das stimmt nicht. Er lässt Bills Annäherungsversuche einfach nicht gelten. Er ist der ideale Greif, um auf einen Red Fury aufzupassen, der sich aufspielt.“

„Vielleicht sollten wir absagen …“

„Netter Versuch, Quinn.“ Twig hob mein Kinn an, und seine Augen waren sanft. Er brauchte mich nur so anzusehen, und Wärme breitete sich in meiner Brust und meinem Bauch aus. „Ich weiß, dass du Angst hast, aber wir werden das gemeinsam durchstehen. Bill wird es gut gehen. Wir werden uns mit dem Hexenrat treffen, und du kannst deine Familie sehen. Oder auch nicht. Ich werde dich so oder so unterstützen. Gib niemandem die Macht, die dir zusteht, Zauberer. Du musst sie kontrollieren. Nicht sie dich. Egal, was in ihren Briefen steht.“

Ich runzelte die Stirn. Ihre Briefe. Nicht wirklich Drohungen, aber nahe genug dran. Warum sie glaubten, dass es mir etwas ausmachen würde, wenn sie meiner Familie etwas antaten, konnte ich mir nicht vorstellen. Diese Leute mochten biologisch mit mir verwandt sein, aber meine Familie waren sie nicht.

Jedenfalls nicht mehr.

„Hey, hör auf. Dir wird gleich Dampf aus den Ohren kommen.“ Twig straffte seine Arme. „Außerdem dachte ich, du wolltest erforschen, ob eine Paarung deine Magie zerstört?“

„Das ist wahr“, murmelte ich. Bill war wohl nicht der Einzige, der Theater machte.

Und ich wollte die Auswirkungen einer Paarung wirklich erforschen.

Vor Monaten waren Bill und ich in einem alten Wälzer auf eine einzige Erwähnung eines Falls gestoßen, in dem eine Hexe – deren Vertrauter eher wie Twig aussah und nicht wie eines der fünf einfachen Tiere, die die meisten Hexen wählten – sich mit ihrem Vertrauten gepaart hatte. Dadurch war ihre Magie zerstört worden.

Das Buch ging nicht ins Detail, aber es hatte offenbar kein Happy End gegeben. Da sowohl Twig als auch ich die Paarungsverbindung irgendwann besiegeln wollten, mussten wir vorher so viel wie möglich wissen.

Es war mir nicht gelungen, im Elderreich andere Bücher oder Schriftrollen zu finden, die sich auf diesen Fall bezogen. Die riesige Bibliothek des Hexenrats, die passenderweise den Namen Offenbarungsarchiv trug, würde wahrscheinlich die Antworten enthalten, die wir suchten.

„Wir gehen hin, bringen es hinter uns, und wenn du nicht zurückkehren willst, tun wir es auch nicht. Ganz einfach.“ Twig drückte seine Lippen sanft auf meine, bevor er sich wieder zurücklehnte.

Ich erschauderte. Wir lebten jetzt seit etwas mehr als sechs Monaten zusammen, und seine Küsse zwangen mich immer noch in die Knie. Er machte mich auf so viele Arten verrückt. Sein Grinsen verriet, dass er das auch wusste.

Verdammter eingebildeter Halbdrache.

„Hast du gerade gesagt, dass diese Reise einfach sein wird?“ Ich hob eine Augenbraue. Wir hatten das schon zu oft erlebt. Agent Leotoris nannte uns wandelnden Ärger, und er hatte nicht Unrecht. Nichts war jemals einfach, wenn Twig und ich involviert waren.

Twig kicherte, und sein Grinsen war geradezu böse. „Komm schon, Quinn. Was kann denn schon schiefgehen?“

KAPITEL 4

„Alles in Ordnung?“, fragte Twig und drückte meine Hand fester, als wir durch das Portal in einen großen, runden Raum traten. Nur ein leichter Schimmer an einer Kristallwand verriet die Lage des Portals.

Mehrere große Kältestäbe hingen an verschiedenen Halterungen und verliehen dem Raum eine frostige Atmosphäre. Der leichte Duft von wilder Honigdistel lag in der Luft. Von den durchsichtigen Kristallwänden ging ein sanftes violettes Leuchten aus, das den Raum auch ohne Fenster natürlich hell erscheinen ließ. Ich stützte mich mit einer Hand an der nächstgelegenen Wand ab, die unter meinen Fingerspitzen vor Wärme zu pulsieren schien.

Twig nahm eine defensive, aber dennoch aggressive Haltung ein. Er blieb einen Schritt vor mir, und sein Körper war bereit, alles abzublocken, was in meine Richtung kam. Normalerweise ärgerte mich dieses Verhalten, denn ich konnte sehr gut auf mich selbst aufpassen.

Heute fühlte ich mich dagegen angreifbar. Aber einen Drachen an meiner Seite zu haben, der bereit wäre, sein Leben zu opfern, um mich zu beschützen, gab mir den zusätzlichen Mut, den ich brauchte, um mich meiner Vergangenheit zu stellen.

„Pie wird traurig sein, dass er das verpasst hat.“ Wir hatten so lange gewartet, wie wir konnten, aber er war nicht aufgetaucht. Und dabei hatte er sich so darauf gefreut, nach Piraten zu suchen. Im Elderreich hielten sie sich nie lange auf. Am Holyfail-Meer gab es sie aber immer noch in Hülle und Fülle, sehr zum Leidwesen des Rates der göttlichen Magie.

Ich bemühte mich, mir keine Gedanken über unseren verirrten Papagei zu machen, und untersuchte die karge Kammer, in der wir gelandet waren. Es war ein seltsames Gefühl, durch ein legales Portal zwischen den Welten zu treten. Für uns war es das erste Mal. Vielleicht gab es ja einen Grund dafür, dass wir das Drama immer mitbrachten, wohin wir auch gingen.

„Was ist das für ein Material?“ Twig strich mit einem Finger seiner freien Hand über die kristalline Wand. „Mein Drache erkennt es nicht als Edelstein an.“

Ich zuckte mit den Schultern. „Man nennt es Gedodrit. Soweit ich weiß, gibt es ihn nicht nur ausschließlich in diesem Reich, sondern sogar nur auf dieser Insel. Ich habe ihn noch nie an einem anderen Gebäude gesehen, nur an der Zitadelle.“

„Gedodrit? Noch nie davon gehört.“ Er schnupperte. „Es ist … seltsam.“

Der violette Kristall bildete die gesamte Zitadelle. Was würde Twig erst sagen, wenn er die Statuen gesehen hatte?

Bevor ich ihm mehr erzählen konnte, ertönte ein Quietschen in dem höhlenartigen Raum. Twig zuckte zusammen, als eine dunkelhaarige Hexe auf uns zustürmte. Er ließ meine Hand los, und seine Finger ragten mit bösartig aussehenden Krallen in die Höhe.

„Nein, Twig! Sie ist eine Freundin!“ Ich wich ihm aus, als sie sich auf mich stürzte. Ich taumelte zurück und hielt mich an Coraline Ebony fest, eine der wenigen Personen, die mir in diesem Reich noch etwas bedeuteten.

„Du bist hier! Gepriesen seien die Göttinnen für deine Rückkehr!“ Cora stellte sich auf die Zehenspitzen und gab mir einen Kuss auf jede Wange. „Du hast keine Ahnung, was ich tun musste, um an diesem Wiedersehen teilhaben zu dürfen.“

„Du hast dich kein bisschen verändert, Cora. Und ich bin froh darüber.“ Immer noch dasselbe wilde, lockige Haar, das ein Zopf niemals bändigen konnte, und dasselbe verschmitzte Lächeln, das uns in alle möglichen Schwierigkeiten gebracht hatte. Es war seltsam, sie in etwas anderem als einer unförmigen Schultracht zu sehen, obwohl ihr ärmelloses lilafarbenes Etuikleid zu ihrem Teint passte und ihre zierliche Figur betonte. Ein durchsichtiger goldener Halbmantel mit passenden Schuhen und einem Gürtel aus Kettengliedern sorgte für zusätzlichen Aufputz. Sie umklammerte mich, und ihr zierlicher Körper schmiegte sich an mich. Genau wie in alten Zeiten.

Ein Räuspern, das verdächtig nach einem Knurren klang, trennte uns. Mein Vertrauter mochte es nicht, wenn mich jemand berührte. Das war dieses Gefährten-Ding.

„Twig, ich möchte dir meine sehr gute Freundin Coraline Ebony vorstellen. Wir haben uns im ersten Schuljahr kennengelernt, in der Einführungsklasse für magische Artefakte. Sie hat mich einfach nicht in Ruhe gelassen. So nervig“, sagte ich zwinkernd.

Cora schubste mich. „Das hättest du wohl gern. Du bist mir gefolgt wie ein Hündchen. Und zwar ein dürres, knorrig-knochiges. Du hast mir so leidgetan, dass ich mich mit dir angefreundet habe.“

„So habe ich es nicht in Erinnerung …“

„Deshalb habe ich auch eine Eins im Abrufen von Zaubersprüchen bekommen, du aber nicht.“

„Das hatte eher damit zu tun, dass Frau Professor Shackleton mich dabei erwischt hat, wie ich mir den Pokal der Zauberer aus dem Pokalschrank der Schule ausgeliehen habe. Wenn ich mich recht erinnere, hat dich ein wunderbarer Freund hinter eine Statue geschubst und die ganze Schuld auf sich genommen.“

„Schon wieder ein Gedächtnisfehler.“ Sie tätschelte mir die Wange und strich dann mit der Hand über meinen aufwendig bestickten Ärmel. „Du hast dich aber nett herausgeputzt. Hübsches Outfit. Muss dich einige Dyparis gekostet haben. Wer hätte gedacht, dass aus so einem mickrigen kleinen Zauberer so etwas werden würde?“

„So armselig war ich auch wieder nicht.“ Ich verschluckte mich an meinem Lachen. „Twig, hör nicht auf sie. Ich war immer glorreich.“

„Natürlich warst du das, Zauberer“, erwiderte Twig. Zuneigung floss durch unsere Verbindung. Und Humor.

Coras Augen weiteten sich. Sie strahlte Twig an und verrenkte sich fast den Hals. „Wow, du bist vielleicht ein großer Kerl. Meine Vertraute ist klein, aber Mink, die Gnadenlose, ist mächtig.“ Ein winziges weißes Frettchen lugte aus dem Beutel an Coras Taille hervor. Als es uns, oder eher Twig, sah, zirpte das kleine Tierchen und tauchte wieder in Sicherheit. „Nun, vielleicht nicht so mächtig wie dein Vertrauter, Quinn.“

„Mink, die Gnadenlose?“ Ich stieß gegen ihre Schulter. Ich hatte mich schon gefragt, was für einen Vertrauten sie hatte. Als meine Bindung nicht funktioniert hatte, war ich sofort ins Elderreich gebracht worden. Wir hatten nicht einmal die Chance gehabt, uns zu verabschieden.

Sie schubste mich zurück. „Halt die Klappe. Das ist ihr Name. Außerdem ist dein Vertrauter riesig. Und hinreißend. Ich wusste gar nicht, dass Drachen in ihrer Menschengestalt so schön sind. Ist er sehr gehorsam?“

Es war keine Überraschung, dass Twig Cora anfauchte, bevor ich sie zurechtweisen konnte. „Gehorsam? Ein Drache? Kein Wunder, dass die meisten von euch Menschen nur als Snacks taugen.“

Cora wurde blass und umklammerte meinen Arm. Ich funkelte ihn an.

„Twig …“

„Na schön. Du hast Glück, dass ich so nachsichtig bin, Zauberer“, seufzte er und streckte Cora die Hand entgegen. „Schön, dich kennenzulernen, Coraline Ebony. Twig Starfig, Quinns nicht ganz so gehorsamer Vertrauter.“

Cora blickte mich an und legte dann vorsichtig ihre Hand in seine viel größere. Ihre Augen waren in ihrem herzförmigen Gesicht so groß wie Dracheneier geworden. „I-ich entschuldige mich. D-die meisten Vertrauten sind nur … ähm, Tiere.“

„Nun, wie du sehen kannst, bin ich keins. Ich kann sprechen und so.“ Er streckte seine Arme aus, damit sie seine Pracht bewundern konnte. Seine Muskeln spielten unter seinem Gewand. Er trug eine besonders gut sitzende silberne Tunika, die seine massive Brust umspannte, und eine dunkle marineblaue Hose, die sich wie eine zweite Haut an seine Oberschenkel schmiegte. Wahrlich atemberaubend.

Außerdem war er ein Arsch.

Cora ließ ihren Blick vorsichtig, aber anerkennend über ihn gleiten. Dann wurde sie wieder blass.

„Was ist los?“ Ich griff nach ihrem Ellbogen, um ihre Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.

„Ich glaube, dem Rat ist nicht klar, dass dein Vertrauter, ich meine, Twig“ – sie schenkte ihm ein zaghaftes Lächeln – „etwas Besonderes ist.“

„Was soll das denn heißen?“ Twigs Augen verengten sich, aber seine Stimme blieb neutral. „Sie wissen doch, dass ich ein Drache bin, oder?“

Cora drehte sich zu mir um. „Bitte töte nicht den Boten.“

„Okaaay …“ Ich sah zwischen ihr und Twig hin und her.

Sie griff in eine andere Tasche, die an ihrem Gürtel befestigt war, und zog ein dickes, metallisches Halsband heraus … und war das eine Leine? Ich legte beruhigend eine Hand auf Twigs Arm.

Dieser Tag fing nicht so an, wie ich es erwartet hatte. Aber bei unserem Glück war wohl jede Erwartung töricht. Es war ein Wunder, dass das Gebäude überhaupt noch stand, wenn man von der Wut ausging, die durch unsere Verbindung strömte. Und diese Wut kam nicht nur von Twig.

„Erkläre es, Cora. Bitte.“

„Ich … ich soll dich begrüßen und dich dann zu einem Treffen mit dem größeren Rat bringen. Ich arbeite jetzt für die hohe Rei Helena Hallewell. Hast du das gewusst?“

„Konzentriere dich, Cora. Warum das Halsband und die Leine?“

„Nun, Twig ist ein Drache, und der Rat wollte sicherstellen, dass er sich nicht verwandeln kann, da er nicht in diesem Reich sein sollte. Du weißt schon, wegen des Abkommens von Cairnsdaught und so.“

„Ja, wir sind uns des Abkommens sehr wohl bewusst“, sagte Twig. Ich legte eine schützende Hand auf seinen Arm. Seine Wut durchzuckte unsere Verbindung wie ein Blitz. Es tat fast körperlich weh.

„Richtig. Also, das Halsband hält ihn …“ – ihr Kopf schwenkte in Twigs Richtung – „ich meine, dich, davon ab, dich zu verwandeln.“

Twig knurrte.

„Nein.“ Ich schüttelte nachdrücklich den Kopf. „Kein Halsband. Und schon gar keine Leine. Er ist kein Haustier. Er ist mein Vertrauter, aber er ist mir auch gleichgestellt.“

„Ich fürchte, er muss es tragen.“ Coras Stimme klang tief und flehend.

„Sagt wer? Der allmächtige Rat der göttlichen Magie?“, spottete ich. „Das glaube ich nicht. Sie haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, uns angemessen zu begrüßen.“

„Quinn!“ Cora klang entrüstet. „Du musst tun, was sie sagen.“

Ich ergriff ihre Hand und zog sie ein paar Meter weg. Mein Drache hatte es nicht nötig, sich diesen Mist anzuhören. Er hob eine Augenbraue, blieb aber stehen.

„Was denn? Glaubst du, es interessiert mich, was die wollen?“ Ich senkte meine Stimme, obwohl ich sie kämpferisch hielt. „Sie haben mich verkauft, Cora. Seitdem haben sie kein Mitspracherecht mehr in meinem Leben. Ich bin ein Bewohner des Elderreichs, nicht des Hominusreichs. Und wenn sie glauben, sie könnten meinem Vertrauten, meinem Gefährten, ein Halsband anlegen, dann sollten sie die Finger davon lassen.“

Cora schluckte schwer und sah ein wenig grün aus. „Hast du gesagt, dein Gefährte? Du hast dich mit deinem Vertrauten gepaart?“

Ihr Tonfall hätte kaum schockierter oder verurteilender sein können.

Ich hatte vergessen, wie kleinkariert mein früheres Leben gewesen war. Die Menschen waren nicht an eine Vielfalt von Lebensformen gewöhnt, also sollte mich das nicht überraschen. Aber es von meiner besten Freundin aus Kindertagen zu hören, war wie ein Schlag in die Magengrube.

„Cora, bitte. Du hast Twig kennengelernt. Er ist kaum dasselbe wie deine Mink. Er ist so empfindungsfähig wie du oder ich.“

„Ich … ich …“ Sie tastete mein Gesicht ab, als würde sie etwas suchen. Keine Ahnung, was, aber was auch immer sie suchte, sie schien es zu finden. Eine einzelne Träne lief ihr über die Wange. „Es tut mir wahnsinnig leid, Quinn. Ich bin einfach so … Ich habe monatelang geflennt, nachdem sie dich verkauft hatten. Ich habe sogar einen Passierschein beantragt, um das Elderreich zu besuchen. Sie haben meinen Antrag abgelehnt. Sie sagten mir, dein neuer Besitzer würde das nicht erlauben. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Und dann tauchst du hier auf, in einem feinen Gewand, mit einem Drachen als Vertrauten und mit Magie, die auf ungewohnte Weise auf meiner Haut prickelt. Das ist eine Menge, was ich verarbeiten muss.“

Ich drückte ihre Hand, bevor ich sie losließ und mit meinem Daumen die Träne von ihrer Wange wischte. „Es sei dir verziehen, Cora. Ich hatte es nicht aus deiner Perspektive betrachtet.“

„Wenn du denkst, dass meine Sichtweise, ähm, ungewöhnlich ist, warte, bis der Rat einen Blick auf deinen Vertrauten wirft. Sie werden es nicht verstehen. Sie werden verlangen, dass er das Halsband trägt.“

„Das würde ich gerne sehen. Wollen sie einen Zwischenfall zwischen den Reichen provozieren?“ Ich presste die Lippen zusammen, denn ich wollte vor Wut über die Unverschämtheit des Rates schreien.

„Aber …“

„Weißt du was, Twig?“, sagte ich. „Wir verschwinden von hier. Cora, du kannst ihnen ausrichten, sie sollen sich von einem Höllenhund fressen lassen.“

„Warte! Deine Eltern und deine Geschwister wollen dich sehen! Und der Rat. Sie haben einen Empfang vorbereitet.“

„Soll das etwa eine Entschädigung für drei Jahre Elend sein? Drei Jahre Sklaverei? Drei Jahre, in denen ich nichts in meinem Leben zu sagen hatte? Nimm dir ein paar schicke Hors d'oeuvres, Quinn. Oh, tut uns leid, dass wir dich verkauft haben. Unser Fehler. Oh nein. Wir sind raus.“ Ich beeilte mich, zum Portal zu kommen. Ich hatte so genug. Twig machte keine Anstalten, mir zu folgen. „Komm schon, Twig, lass uns gehen.“

„Wir sollten bleiben.“

Das war doch nicht zu fassen. Ich drehte mich wieder um. „Du willst das Halsband tragen?“

Er lachte, so richtig aus dem Bauch heraus. „Nein, verdammt noch mal. Wer soll mich denn dazu zwingen?“

Das war ein gutes Argument. Trotzdem traute ich ihnen nicht. Allein, dass sie Twig so schwer beleidigten, ohne ihn vorher getroffen zu haben. Wie konnten sie nur denken, dass ich mir das gefallen lassen würde?

Er verringerte den Abstand zwischen uns und zog mich in seine Arme. Ich ignorierte Coras Schnauben. Sie würde sich an uns gewöhnen. Das musste sie, wenn wir Freunde bleiben wollten. Twig war mein Leben. Punkt.

„Wir sollten uns auf den Weg machen.“ Twig strich mir beruhigend über den Rücken. Das war normalerweise meine Sache, aber ich musste zugeben, dass es wirkte. „Du gehörst nicht mehr zu ihnen. Wie ich schon sagte, hast du deine eigene Macht. Sie würden dich nicht ständig bitten, hier herzukommen, wenn sie nicht etwas von dir wollten. Wir wollen doch mal sehen, was das ist, nicht?“

Ich brummte und fluchte vielleicht sogar leise. Twig war normalerweise nicht der Vernünftige von uns beiden. Ich fühlte, wie mir die Wut unter die Haut kroch. Seine hatte sich zwar etwas gelegt, aber ich spürte, wie nahe an der Oberfläche sie lauerte.

„Ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute Idee ist.“

„Seit wann kümmert uns das?“ Er drückte mich an sich. „Wenn wir nicht gehen, werden ihre Drohungen gegen deine Familie“, er nickte in Richtung Cora, „und deine Freunde noch schlimmer werden. Sie missverstehen ihre Position in diesem Austausch. Wir sollten sie aufklären.“

„Du spielst mit meinem Wunsch nach Rache. Das ist nicht sehr nett von dir.“ Ich strich ihm mit der Hand über die Brust, und meine Wut verflog mit der beruhigenden Berührung.

„Ich habe es dir doch gesagt, Zauberer, Drachen sind nicht nett.“ Er stupste mich an. „Aber wir setzen uns sehr, sehr gut durch.“

Ich kicherte. „Du bist unverbesserlich.“

Er leugnete es nicht. „Lass uns das durchziehen. Was kann schlimmstenfalls passieren?“

Ich stöhnte auf. „Warum sagst du so etwas? Es ist, als ob du das Schicksal herausforderst.“

„Pfeif auf das Schicksal. Wir machen unser Schicksal selbst. Vergiss das nicht.“

KAPITEL 5

„Ich weiß nicht, ob ich das tun soll.“ Cora schlug die Hände zusammen, als wir durch einen hohen, dreieckigen Torbogen gingen und unsere Stiefelabsätze auf dem polierten Stein klapperten. „Ich meine, die hohe Rei wird wahrscheinlich sehr wütend sein. Und wenn nicht sie, dann bestimmt Rei Le Torneau und vielleicht sogar Rei Vosen.“

„Ich will dich nicht in Schwierigkeiten bringen, Cora. Aber denkst du nicht, dass sie sich über meine Abreise mehr ärgern würden als darüber, dass ich meinem Vertrauten kein Halsband angelegt habe?“ Wir bogen um eine Ecke und traten durch einen weiteren dreieckigen Torbogen in einen langen, schmalen Gang.

Sie schluckte. „Ich glaube, ich bin so oder so in Schwierigkeiten.“

„Tut mir leid.“ Ich wollte Cora nicht zwischen einen Wasserspeier und einen Golem stellen, aber der Rat hatte keinerlei Befugnisse über mich, schon gar nicht, wenn es um Twig ging.

Sie griff nach mir und drückte meinen Ellbogen. „Ich bin so froh, dass du zu Hause bist.“

„Wir sind hier nicht zu Hause.“

Sie schnaubte. „Du weißt, was ich meine, Quinn. Es ist einfach so schön, dich zu sehen.“

Ich entspannte bewusst meinen Kiefer. „Es ist auch schön, dich zu sehen. Ich habe dich vermisst und mir das Beste für dich erhofft. Du warst die einzige wahre Freundin, die ich hier je hatte.“

„Du hast doch Freunde im Elderreich, oder?“

„Und Familie.“ Ich nickte in Twigs Richtung. Er schenkte mir sein strahlendstes Lächeln. Wäre ich über dieses Debakel nicht immer noch so wütend gewesen, hätte ich ihn abgeschleppt, um mit ihm allein zu sein.

„Stimmt es, dass du auch mit einem …“ Sie schaute sich um, als ob jemand anderes sie hören könnte. „Einem Dämon zusammenlebst?“

Twig schnaubte. „Ja, mit Bill. Er ist ein Red Fury.“

Sie quietschte. „Also ist es wahr? Oh, bei allen Göttinnen. Wir dachten alle, das wären nur Geschichten, um dein Image aufzupolieren.“

„Du würdest ihn mögen“, fügte ich hinzu. „Es ist kaum zu glauben, aber er ist eines der besten Geschöpfe, die ich kenne.“ Zumindest, wenn er sich nicht gerade quer durch Lighthelm schlief. Nicht, dass ich damit ein Problem gehabt hätte, aber er benutzte es als Ablenkung. Aber ich würde Cora keinen Dämon erklären, der ein gebrochenes Herz hatte. Ich hatte sie heute schon genug verblüfft.

Wir bogen um eine weitere Ecke und dann noch eine. Wir hatten den Turm hinter uns gelassen und bewegten uns auf das Zentrum der Zitadelle der Insel Islingwall zu, wo der Hexenrat tagte.

Ich hatte die Zitadelle während meiner Schulzeit gelegentlich besucht. Meistens auf Exkursionen. Die Zauberakademie von Befsarry befand sich eine Insel weiter, also waren Schulausflüge mit einer Übernachtung auf der unteren Insel üblich gewesen.

„Was zur Hölle ist das denn?“ Twig wurde langsamer, um einen besseren Blick in eine Nische zu werfen, in der eine groteske Statue stand, die ebenso aus Gedodrit gefertigt war wie der Rest der Zitadelle. Nicht einmal annähernd die hässlichste von allen.

„Die Göttin der Ernte.“ Ich starrte auf die scharfen Details und das verzerrte Grinsen.

„Statuen wie diese findest du überall im Gebäude.“ Cora senkte ihre Stimme. „Sie sind alle so abscheulich. Aber das habe ich nicht gesagt.“

Twig legte den Kopf schief, als ob ein anderer Blickwinkel den Anblick ansprechender machen würde. Er schmunzelte. „Ich hatte nicht vor, es zu sagen.“

Cora grinste. „Sieh zu, dass Quinn dir die äußeren zeigt. Die sind noch schlimmer.“

„Gargoyles?“

„Nicht aus Stein. Und nicht lebendig. Gedodrit, aber besonders gruselig“, fügte ich hinzu. „Auch wenn alle so tun, als wären sie es nicht.“

Als wir uns unserem Ziel näherten, spannten sich meine Schultern an. Ich wollte nicht hier sein. Twigs Schritte blieben gleichmäßig und er schenkte mir ein freches Grinsen. Cora sah besorgt aus, als wir von dem Gang abbogen, der zu den Ratskammern führte, und stattdessen einen anderen Weg einschlugen.

Am Ende des Korridors kamen wir an großen Doppeltüren mit üppigen Schnörkeln vorbei, die sowohl dekorativ als auch schützend waren. Zwei ganz in Purpur gekleidete Wachen standen wie erstarrt neben den riesigen Türen. Sie waren einen halben Kopf kleiner als Twig, und obwohl sie mindestens genauso breit waren, hatten sie nicht die ausgeprägten Muskeln, die mein Vertrauter besaß. Er würde kurzen Prozess mit ihnen machen, wenn wir uns den Weg nach draußen freikämpfen müssten. Nicht, dass ich das für wahrscheinlich hielt, aber bei uns konnte man nie wissen. Besser, man erwartete das Unerwartete.

„Das kann ja heiter werden“, sagte ich, mit etwas zittriger Stimme, die meinen Worten Nachdruck verlieh. Ich schob eine Hand in den Ärmel meiner Tunika und griff nach meinem Armschutz. Er enthielt die Essenz von Scrodbuns Kriegshammer. Die Magie des Hammers pulsierte auf meiner Haut. Solange der Hammer in seinem Besitz gewesen war, hatte Scrodbun, ein siegreicher Troll aus der Demi-Undine-Epoche, nie eine Schlacht verloren. Das magische Artefakt enthüllte die Schwächen der Gegner. Ich benutzte es nur selten, obwohl es sich schon als nützlich erwiesen hatte. Die magischen Ranken des Artefakts schlangen sich streichelnd um meine Finger, bevor sie sich wieder zur Ruhe setzten.

„Zeit, sich ins Getümmel zu stürzen“, scherzte Twig. Zumindest dachte ich, dass er scherzte. Bei einem Drachen konnte man sich nie sicher sein.

Die Wachen bewegten sich erst, als wir nur noch wenige Schritte von ihnen entfernt waren. Sie umklammerten die Türgriffe aus eisenbeschlagenem Holz und rissen die Türen auf, wobei ihre Blicke auf Twig gerichtet waren, als wäre er die einzige Bedrohung im Gang. Noch mehr Narren.

Eine Hexe mittleren Alters mit einem faltigen Gesicht stand in der Eingangshalle, ihr Gewand wehte in der stillen Luft um sie herum. Es schien, als hätte sie Spaß an ein wenig Drama in ihrem Job.

„Zauberer Quinn aus dem Hause Broomsparkle“, verkündete sie mit kräftiger Stimme. Sie machte sich nicht die Mühe, Twig oder Cora anzukündigen. Offenbar war nur ich für den Hexenrat von Bedeutung. Das hätte mich nicht überraschen sollen, aber es machte mich noch wütender.

Im Saal war es schon laut gewesen, bevor wir eintraten, und der Lärm nahm zu, bis wir einander kaum noch denken hören konnten. Doch genauso schnell wurde es plötzlich still.

Wir hatten einen Ballsaal betreten, der direkt einem der geliebten Märchen meiner Großmutter hätte entstammen können. Einst hatte ich von einem Raum wie diesem geträumt – schimmernde lavendelfarbene Gedodrit-Kronleuchter, samtige lila Wände und eine formelle Tanzfläche, die auf Hochglanz poliert und mit goldenen Fäden durchzogen war – und davon, meine Prinzessin zu finden, oder noch öfter, meinen Prinzen. Gelegentlich waren in diesen Tagträumen vielleicht auch heftige Kämpfe gegen hungrige Drachen vorgekommen.

Weder mir noch meiner Großmutter war es je in den Sinn gekommen, dass ich mit dem hübschen Drachen durchbrennen würde, wenn ich die Gelegenheit dazu hätte. Deshalb waren Märchen auch so lächerlich.

Und dieser Raum noch viel mehr. Das Elderreich hatte mich gelehrt, dass der Schein trog. Dieser Raum konnte genauso gut als Kolosseum dienen. Das wäre viel passender gewesen. Dazu noch Waffen und ein wütender Mantikor oder zwei. Selbst in der Stille konnte ich den Ruf nach Blut praktisch hören. Vorzugsweise nach unserem.

Wir standen auf einem Podest, das den großen Raum überblickte, sodass jeder seinen Blick schweifen lassen konnte. Ich hätte mich wie ein König fühlen sollen, aber die Verärgerung gewann die Oberhand. Sie hatten uns nicht einmal Zeit gegeben, uns in unserem Quartier einzurichten oder uns frisch zu machen. Noch mehr Beleidigungen. Als ob sie sich nicht um unseren Komfort scheren würden.

Ein plüschiger goldener Läufer bedeckte den Treppenabsatz und führte zu einer Nische, die für den Rat und sein Gefolge reserviert war.

Twig legte mir eine Hand auf den Rücken und sprach mir Mut zu. Ich lächelte zu ihm hoch und streckte meine Hand aus, um ihn einzuladen, seine Finger mit meinen zu verschränken. Seine Augen funkelten verschmitzt, als er mein Handgelenk ergriff und es für einen Kuss zu seinem Mund führte.

Ein kollektives Raunen ging durch die Menge. Wir hatten sie mit Sicherheit in Aufregung versetzt.

Ich hielt mein Lachen zurück. Gerade noch so.

Twig schenkte mir ein schiefes Lächeln, während ich Wärme durch unsere Verbindung schickte, damit er wusste, wie sehr ich seinen Sinn für Humor schätzte. Und seine Nachsicht.

Cora räusperte sich und winkte in Richtung der Nische. Sie begegnete meinem Blick nicht, obwohl ihre Mundwinkel hochgezogen waren. Ich war so erleichtert, dass das Erwachsensein sie nicht ihrer schelmischen Natur beraubt hatte.