Von Pirna bis Bad Schandau - Gunter Pirntke - E-Book

Von Pirna bis Bad Schandau E-Book

Gunter Pirntke

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Beschreibung

Begleiten Sie den Autor auf einer geschichtlichen Reise Von Pirna bis Bad Schandau entlang der Elbe und durch das Sandsteingebirge. "Eine uralte Trutzburg mit Mauern wie Felswände, winzigen Schießscharten als Fenster und einem riesigen Bergfried, der wie ein überdimensionaler Finger in den strahlend blauen Abendhimmel zeigte. Von seiner Höhe, umgeben von Zinnen wie von den Zähnen eines Monsterunterkiefers, hatte man einen Blick über die Berge des Pfaffensteins von Lilienstein bis Königstein und über die Ebene auf das Elbtal. Die Ansicht dort war »impressionnant«: Schroffe Wände, mit Fichten und Tannen bewaldet, Felsformationen wie von einem Riesen kreuz und quer aufgeschichtet. Träge ratterten die Räder der Kutsche den kurvigen Weg entlang, der den Maßgaben der Natur folgte, vorbei an einzeln aufragenden Steinspitzen, bizarren Felsüberhängen und kantigen Vorsprüngen. Kleine, bewaldete Seitentäler zweigten nach rechts und links ab; man erwartete fast, dass Raubgesindel aus dem Untergrund brach oder eine Wolfsmeute in die Schlucht preschte. Draußen flog die Maserung der Felswände vorbei, an- und absteigend wie ein Schichtkuchen, den man in Stücke gebrochen und die Stücke dann einer unbegreiflichen Logik folgend aufeinandergetürmt hatte. Und dann geschah es ..."

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Von Pirna bis Bad Schandau

Gunter Pirntke

VON PIRNA BIS BAD SCHANDAU

Eine geschichtliche Zeitreise

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2013

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar.

Copyright (2013) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

die Sächsische Schweiz und ihre Städte sind auch für jeden „Nicht- Sachsen“ Begriffe, die verbunden sind mit wundervollen Urlaubserlebnis- sen, herrlichen Bildern, unvergessenen Eindrücke, Klettertouren, Wande- rungen und Erlebnisse auf den Schiffen, die auf der Elbe stromauf- und stromab fahren. Wir nehmen alles mit heutigen Augen auf, denn wir sind ja aufgeklärte Menschen und leben bereits über zehn Jahre im 21. Jahrhun- dert. Doch wie war das alles vor langer, langer Zeit z.B. im Mittelalter? Diese Frage zu klären ist Anliegen dieses kleinen Buches. Begeben wir uns also auf eine Reise in die Vergangenheit und schlagen eine Brücke in unsere jetzige, nicht minder erlebnisreiche Epoche.

Dass Ihnen diese Zeitreise genau so viel Spaß macht wie mir, wünscht Ihnen Ihr

Gunter Pirntke

ISBN 9783954882519

Inhalt

Cover

Titel

Copyright

Einleitung

Die Sächsische Schweiz und das Elbsandsteingebirge

Geschichte der Gesteine und Felsen

Der Schwindel vom Elbsandsteingebirge

Pirna – Das Tor zur Sächsischen Schweiz

Die Geschichte

Die tapfere Jungfrau von Pirna

Schwarzkünstler zu Pirna

Das Bäckermädchen zu Pirna

Peter Bucher ein Barbier von Pirna wird Erzbischof von Mainz

Der Erlpeter zu Pirna

Der Mönch Antonius mit seinem Schweine

Wasserflut zu Pirna verschont das Weihwasser

Der Teufel holt eine Bürgersfrau zu Pirna

Reise durch die Luft gelingt nicht

Der Pesthändler bei Pirna

Pirna und sein „Dach“

Krieg und Reformation

Schmalkaldische Krieg

Der Dreißigjährige Krieg

Siebenjähriger Krieg

5. Koalitionskrieg

Reformation in Pirna

Stadt Wehlen und die Felslandschaft

Geschichtliche Entwicklung

Stadt und Dorf Wehlen

Wehlen als Ausgangspunkt der Felslandschaft

Bärensteine

Kleiner Bärenstein

Großer Bärenstein

Rauenstein

Nonnenstein

Lilienstein

Pfaffenstein

Wehlen und die Steinbrüche

Kurort Rathen und die Bastei

Die Geschichte von Rathen

Burgen und Raubrittertum

Woher die Birken von Duba ihren Namen haben (nach einer Sage)

Das Erdmännlein und der Schäferjunge

Steinschleuder

Die Bastei, die Schwedenlöcher und andere Auffälligkeiten

Schwedenlöcher

Basteiweiher

Tiedgestein

Amselsee, Amselgrund, Amselfall

Die Felsenbühne

Eine Stadt und ihre Festung

Am Fuße der Festung

Die Bielatalbahn

Festung Königstein

Geschichten um den Königstein

Nie erobert?

Die Eroberung durch einen Kaminkehrer

Gewichtszunahme

Der diebische Kommandant

Das Pagenbett

Das Riesenfass

Noch Fragen, Majestät?

Die Spukgeister auf dem Königstein

Wie Burggraf Jeschke um die Hauptmannsbestallung zu Königstein gekommen ist

Zwischenstation

Bad Schandau und seine Umgebung

Der feurige Hund zu Schandau

Raubritter und Dreißigjähriger Krieg

Der Ursprung der Stadt Schandau

Die Sage vom Kuhstalle bei Lichtenhayn

Schandauer Mineralbad

Kirnitzschtal

Die Elbe und Ihre Schifffahrt

Schlussbemerkungen

Anhang

Quellen

Initial

Bilderverzeichnis

Einleitung

evor wir unseren historischen Streifzug beginnen, sollten wir zuerst die Fragen klären, warum die Hauptstadt der Sachsen mit der italienischen Stadt Florenz in Verbindung gebracht wird und wieso die Felsenlandschaft von Pirna bis hin nach Tschechien nach dem Land der Eidgenossen benannt ist.

Es war ein heiliger Mann, der Bischof der römischen Kirche namens Giovanni Dolfin, aus der venezianischen Diözese Torcello, der bei seinem Besuch der sächsischen Residenzstadt im Mai 1577 Dresden als „das zweite Florenz“ bezeichnete. Das Florenz der Medici sollte sich namentlich mit Dresden integrieren? Heute kann man es sicherlich nicht mehr ungeteilt als Begriff hinnehmen. Ein Großteil von „Elbflorenz“ ist nämlich längst schon einen abstrakten Kunstgeschmack der Landes- und Stadtoberen, die seit 1920 bis heute das Sagen haben, zum Opfer gefallen. Selbst der Titel eines Weltkulturerbes wurde leichtfertig und borniert verspielt. Aber das ist eine andere Geschichte.

Durch Künstler italienischer Herkunft, die sich in der sächsischen Hauptstadt niederließen, begann eine „Italienisierung“ Dresdens, die nach Anfängen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu datieren ist. Einflussreiche und bekannte Bildhauer, Maler und Künstler bereicherten und bestimmten zunehmend das Leben in Dresden bis in das 18. Jahrhundert hinein. Der bekannteste sächsische Kurfürst Friedrich August II. (1696-1763), holte vor allem italienische Künstler nach Dresden, die in der sächsischen Residenzstadt eine starke Kolonie bildeten. Die meisten Schauspieler und Opernsänger waren Italiener, die Mitglieder der Hofkapelle waren zumindest italienisch geschult. Der Bildhauer Lorenzo Matielli (1687-1748), der Architekt Gaetano Chiaveri (1689-1770) und der Maler Stefano Torelli (1712-1784) haben an der Elbe bedeutende Spuren hinterlassen. Und nicht zuletzt trugen die sächsischen Kurfürsten, neben dem bereits genannten Friedrich August II., dann auch sein Sohn, Kurfürst Friedrich August III., in Dresden eine der größten Sammlungen italienischer Malerei zusammen. Der Anteil italienischer Maler, Musiker, Bildhauer und Architekten an Dresdens Kunstschaffen stärkte den Ruf der Stadt als „Florenz des Nordens“. Der Kunsthistoriker Carl Justi (1832-1912) vertrat die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts weit verbreitete kunsthistorische Auffassung, dass Kunstgeschichte im Wesentlichen Künstlergeschichte sei. Er schrieb voller Begeisterung, Dresden sei „die erste Kunststadt Deutschlands, ja scheinbar eine in den Norden vorgeschobene Kolonie des Südens, Italiens selbst und seiner Künste“.

Dieser Mythos gründet sich auf drei Faktoren. Zum einen sind es die Künste, von der Baukunst über die Musik bis zur Malerei, zum anderen ist es die Schönheit der Landschaft, in welche die Stadt Dresden eingebettet ist und zum dritten sind es die vielen Geschichten und Sagen, die mit unserem Buch einher gehen. Das schimmernde Bild von der einzigartigen Kunststadt bildete sich im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts heraus, etwa zwei Generationen, nachdem Dresden tatsächlich zu einer Residenzstadt von europäischer Bedeutung aufgerückt war.

In der Gemäldegalerie hängen die populärsten Bildzeichen dieses Mythos. Es sind die Stadtansichten des italienischen Malers Bernardo Bellotto (1721-1780) – oder kürzer: Canaletto, denn unter diesem Beinamen ist er in die Geschichte der Elbestadt eingegangen. Der in Venedig geborene Bellotto wurde 1747 nach Dresden geholt. Hier schuf er wunderbare Werke von Dresden, Pirna und Königstein.

Die Stadtansichten bestimmen noch heute das Bild Dresdens als Kunststadt. Canaletto malte wie im Traum das Bild vom Florenz an der Elbe.

Der zweite Bestandteil ist die Schönheit der Landschaft. Im späten 18. Jahrhundert vollzog sich die eigentliche Entdeckung des Naturraums dadurch, dass Schriftsteller und Maler den Reiz der Poesie des Elbtals und die Einheit von Stadt und Naturraum wahrnahmen. Der Schriftsteller Johann Paul Friedrich Richter – bekannter als Jean Paul – (1763-1825) schrieb im Mai 1798: „Betrittst Du die Dresdner Brücke, so liegen Paläste wie Städte vor Dir, und neben Dir eine Elbe, die aus einem weiten Reich in das andere flieget; ferne Berge, Ebenen, verlorne Schiffgen [...] und das Getümmel des Lebens ergreifen Dich.“

Abb. 1: Canaletto: Dresden, Neustädter Markt

Die Schwerpunkte der sächsischen Natur haben unterschiedliche Gestalt. Es sind Städte und Landschaften (Pirna, Wehlen, Rathen, Königstein und Bad Schandau; Elbe, Elbsandsteingebirge), Gebäude (Bastei, Festung Königstein und Sonnenstein, Burgen) und Denkmäler (Lutherdenkmal in Bad Schandau, Alte Fähre in Bad Schandau, Historische Raddampfer), also Orte, die man tatsächlich besuchen kann. Es sind historische Persönlichkeiten, die das Zugehörigkeitsgefühl prägen (August der Starke, Gräfin Cosel, Brühl, Böttger), aber auch Produkte und Erzeugnisse der Region. Man nimmt sich historischer Ereignisse an (Schwedenlöcher, Schlacht bei Pirna im Siebenjährigen Krieg), wuchert aber auch in Bildern und Begriffen, die auf den ersten Blick keinen historischen Bezug haben (Sächsischer Dialekt).

Was gibt es für Legenden um Elbflorenz und was ist Wahrheit? Sind es die 365 Kinder des starken August? Jeder normal denkende Mensch weiß, dass diese Behauptung wirklich in das Reich der Fabeln gehört. Aber andere Geschichten könnten wahr sein – oder auch nicht. In seiner weit über 1000-jährigen Geschichte hat Sachsen nicht nur Kriege, Phasen des wirtschaftlichen und künstlerischen Erblühens, erholsame Friedenszeiten oder bittere Hungersnöte durchlebt. Von den Menschen, denen sich das Schicksal dabei glücklich oder verderblich zeigte, erzählt man manchmal heute noch. Dabei hat jede Region ihren eigenen reichen Schatz an örtlichen Legenden.

Jenseits der Elbe – in der Altstadt, soll sich die Geliebte des Grafen Brühl über das Geländer der Brühlschen Terrasse in den Tod gestürzt haben – die Opernsängerin Teresa Albuzzi-Todeschini. Der Sturz der Diva der sächsischen Oper ist freilich nur Legende. Trotzdem soll an jener Stelle noch immer eine Weiße Frau erscheinen. Die Untote eilt aus dem Brühlschen Palast, um sich an Ort und Stelle immer wieder in die Tiefe zu stürzen.

Auf der Brühlschen Terrasse gibt es eine weitere Geschichte: Hier soll August der Starke einen Fingerabdruck im Geländer hinterlassen haben. Leider nur Fiktion, denn das erste Geländer wurde hier erst 1744 angebracht. Da war August der Starke aber schon elf Jahre tot.

Die nächste Sagengestalt ist ein kleiner Stein mit einer menschlichen Figur. Das Brückenmännchen soll den Erbauer der ersten steinernen Brücke darstellen – den Italiener Matten Ficcio, von den Dresdnern despektierlich nur Matz Votze genannt Die Plastik mit der wohl deshalb recht tief unter die Augen gezogenen Mütze prangte einst am fünften Pfeiler der Steinernen Brücke. Im Jahre 1813 sprengten sie Napoleons Truppen in die Luft. Der kleine Italiener versank dabei in den Elbfluten.

Heute hängt eine Kopie am ersten Pfeiler auf der Altstadtseite der Augustus-Brücke.

Dann geht es in die Neustadt. Ihrem Namen verdankt sie allerdings einer Tragödie. Am 6. August 1685 tobte hier ein verheerender Brand und August der Starke veranlasste, dass sie als Neue Königstadt wieder neu aufgebaut wurde. Am Gebäude gegenüber vom heutigen Blockhaus „blieb das Feuer einst abrupt stehen“. Hofbildhauer Balthasar Permoser schuf hier zur Mahnung den Teufel leibhaftig, den Todesengel mit Sense und Stundenglas als Fassadenfigur für die zweite Etage. Als Mieter in dem Haus wohnte damals auch Hofnarr Joseph Fröhlich. Doch weil er zu viel Lärm machte, setzte ihn sein Vermieter vor die Tür.

Fröhlich blieb seinen Hauswirt nichts schuldig und baute sein „Narrenhäusel“ frech mitten in die freie Aussicht seines vormaligen Vermieters. Der setzte daraufhin seinerseits den Teufel an Fröhlichs Haus, der darüber so erschrak, dass er tot umfiel. Auch das nur eine Sage, denn Fröhlich starb bekanntlich 1757 in Marienmont hei Warschau, nachdem er bei Ausbruch des Siebenjährigen Krieges aus Dresden geflüchtet war.

Viele Mythen ranken sich auch um die Mordgrundbrücke im Stadtteil Loschwitz. Namensgeber ist auch hier wieder eine Sage. Ende des 13. Jahrhunderts residierten genau am Hang die Geschlechter der Familien Clohmen und von Birken, ihre Grundstücke trennte nur der tiefe Grund des Hanges. Kein Hindernis für die schöne 19-jährige Elsbeth Clohmen und ihren Nachbarn, den gleichfalls schöne Benno von Birken, sich der Liebe hinzugeben. Benno hielt bei Elsbeths Vater um ihre Hand an und die Bitte wurde erfüllt. Doch der Verspruch wurde alsbald gebrochen. Aus Böhmen nährte sich Graf Lodomar Kinsky, der sich im Auftrag des böhmischen Königs Wenzel nach Dresden aufgemacht hat. Nach Landkäufen seines Herrn im Dresdner Umland sollte er auch die Herzen der Dresdner für den König der Böhmen gewinnen. Wie es sich so traf, begegnete er Elsbeth. Lodomar sprach mit EIsbeths Vater und diesem gefiel die Idee, durch eine Heirat mit einer Ortsansässigen König Wenzel populär zu machen. Er gab also schnell seine Zustimmung und auch der Heiratssegen wurde schnell gesprochen.

In einer stürmischen Nacht sahen sich der abgeschossene Liebhaber Benno und seine Elsbeth ein letztes Mal. Benno war den steilen Hang zum Haus seiner Liebsten empor geklettert. Elsbeth stürzte weiß gekleidet wie ein Engel in seine starken Arme. Beide flüchteten den Abgrund hinab. Da erschall ein lautes „Halt!“ und der gehörnte Lodomar stand vor dem fliehenden Pärchen. Benno ergriff sein Schwert und versenkte dessen Spitze in dem Böhmen.

Elsbeth ergriff den Geliebten und sie suchten gemeinsam den Freitod. Elsbeth erdolchte sie sich mit eben demselben Schwert, übergab es wankend an Benno, so dass er sich selbst richten konnte.

Vater Clohmen, der nun voller Reue war, ließ das unglückliche Paar genau an der Stelle begraben, wo es zu Tode kam.

Fortan hatte der Mordgrund seinen Namen weg. Und wer heutzutage genau sucht, der soll auch einen „Grabstein“ finden – einen Baum mit der eingeritzten Inschrift: „Vereint lasst uns sterben, es schließt ein Grab uns ein. Wir werden noch verbunden in bessern Welten sein.“

Und damit kommen wir zu der eingangs gestellten zweiten Frage: Wieso Sächsische Schweiz?

Die faszinierende Felsenlandschaft zwischen Tschechien und Pirna wurde im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts als romantisches Ausflugsziel entdeckt. Der erste, die die landschaftliche Schönheit des Felsengebirges bewunderten, war der aus der Schweiz stammenden Maler des Klassizismus Anton Graff (1736-1813), der an der am 6. Februar 1764 gegründeten Dresdner Kunstakademie lehrte. Er und sein Freund und Landsmann Adrian Zingg, der ebenfalls 1766 an die Kunstakademie Dresden berufen wurde, fühlten sich von der Landschaft an ihre Heimat, den Schweizer Jura, erinnert. Sie machten oft gemeinsame Ausflüge in diese Gegend. Zur Unterscheidung von ihrer Heimat berichteten sie in ihrem Briefwechsel von der „sächsischen Schweiz“, womit Graff und Zingg dem Gebiet seinen heutigen Namen gaben. Zuvor wurde der sächsische Teil des Elbsandsteingebirges lediglich als Meißner Hochland, Meißnisches Oberland oder Heide über Schandau bezeichnet. „Von ihrer neuen Wahlheimat aus sahen sie ostwärts, etwa einen Tagesmarsch entfernt, ein Gebirge liegen. Es zeigte ein merkwürdig abgeflachtes Panorama, ohne eigentliche Gipfel (...)“.

Einer der ersten gemeinsamen Ausflüge in die Sächsische Schweiz dürfte Anton Graff und Adrian Zingg noch etwas länger in Erinnerung geblieben sein. Die beiden Freunde machten Ende August 1766 einen Ausflug in die Umgebung von Dresden. Es war Adrian Zingg, der bei dieser Gelegenheit Prospekte von der Festung Königstein zeichnete. Dies kam einigen Ordnungshütern wohl verdächtig vor und sie verhafteten die beiden Schweizer. Das Missverständnis scheint sich dann aber schnell aufgeklärt zu haben, denn weitere Folgen blieben offenbar aus.

Wilhelm Leberecht Götzinger (1758-1818), ein deutscher lutherischer Theologe und Autor, gilt als Erschließer der Sächsischen Schweiz. Er griff den von Anton Graff und Adrian Zingg geprägten Namen auf und machte die Sächsische Schweiz durch seine Bücher europaweit bekannt.

Ihm kommt das Verdienst zu, die ersten umfassenden Beschreibungen über die Region und teils auch über ihre Randgebiete verfasst zu haben. Im Gegensatz zu einer Reihe weiterer Reiseführer und Reisebeschreibungen, zeichnen sich Götzingers Werke durch umfangreiche heimatkundliche und heimatgeschichtliche Darstellungen aus, die sowohl auf Archiv- und Quellenauswertungen als auch auf intensiven eigenen Beobachtungen basieren. Götzingers Werke wurden bereits zu Lebzeiten als beachtliche heimatkundliche Beiträge gewertet. Sie leisteten einen wesentlichen Beitrag zum Bekanntwerden der Sächsischen Schweiz legten somit den Grundstein für eine touristische Entwicklung der Region.

Die Besucher ergötzen sich an den bizarren Felsen, erschauderten vor den dunklen Abgründen und bewunderten die herrliche Aussicht ins Elbtal.

„Es wird Dich, lieber Naturfreund, ein unnennbares Wohlseyn ergreifen, sobald Du hierher trittst und schaust. [...] O wie gern und wie lange weilt das Auge an diesem herrlichen Gemälde“, notierte Götzinger 1804, als er die Basteiaussicht beschrieb. Nicht nur Reiseführer, auch Stiche und Gemälde verbreiteten das romantische Bild und davon können wir uns gleich im Ersten Kapitel überzeugen.

Nicht unerwähnt soll auch Carl Heinrich Nicolai (1739-1823) bleiben. Er war Lehrer, Theologe und Schriftsteller. Nicolai war einer der ersten Wanderführer in der Sächsischen Schweiz.

Die Sächsische Schweiz und das Elbsandsteingebirge

aben Sie schon einmal einen so sonderbaren Werbespruch „Wenn Sie Urlaub am Meer machen wollen, dann kommen Sie hundert Millionen Jahre zu spät“ gehört? Doch dieser Spruch trifft auf das Elbsandsteingebirge zu. Er ist unglaublich, aber wahr: Das Kreidemeer wurde zum Felsenmeer.

Hunderte von Felsentürmen und tiefe, wildromantische Schluchten inmitten eines unendlich erscheinenden Waldmeeres. Die Sächsische Schweiz ist eine der merkwürdigsten und faszinierendsten Landschaften Europas.

Das Gebirge besteht, wie es der Name bereits ausdrückt, aus Sandstein, der vor ungefähr hundert Millionen Jahren vom Wasser des Kreidemeeres hier abgelagert wurde. Die Wasser wälzten Steine, die Winde trieben Quarzsande und Ton vor sich her. Als das Meer abgeflossen war, wurde der vom Kreidemeer zurückgelassene Sandsteinblock zur Modelliermasse. Es entstand eine Landschaft mit freistehenden Felstürmen und schroffen Steilwänden, flachwellige Ebenheiten, die von Tafelbergen überragt werden und von Schluchten durchschnitten sind. Tafelberge wie der Lilienstein, der Königstein und der Pfaffenstein – Schluchten und schlanke Felsnadeln wie die Barbarine – bizarre Felsformationen wie die Schrammsteine und die Affensteine.

Das Erscheinungsbild prägen drei „Landschaftsstockwerke“. Zu ersten Stockwerk zählen wir die Täler und Schluchten, auf dem auch die Elbe fließt. Das zweite Stockwerk bilden die „Ebenheiten“, die vorwiegend aus einer leicht gewellten Ebene bestehen. Darüber erheben sich die Tafelberge und Felsenriffe aus Sandstein. Die Höhenunterschiede betragen dabei bis zu 450 Meter.

Das ausgeprägte Relief des Elbsandsteingebirges trägt die Verantwortung für eine klimatische Besonderheit, der Klimaumkehr: Unten ist es kalt, oben warm. Pflanzen und Tiere haben sich an dieses sogenannte Keller-Klima optimal angepasst.

Abb. 2: Die Sächsische Schweiz gehört zu den einzigartigsten und schönsten Landschaften in Europa. Blick auf die Schrammsteine von Kleinhennersdorf aus

So finden wir in den tiefsten Gründen gewaltige Fichten, die eigentlich in den Mittelgebirgslagen wachsen. Auch haben hier das Gelbe Veilchen oder der Sumpfporst überlebt, Relikte der Eiszeit. Bereits im zeitigen Frühjahr blühen auf dem Großen Winterberg der Hohle Lerchensporn, Frühlingsplatterbse, der Neunblättrige Zahnwurz oder das Gelbe Buschwindröschen.

Auch seltene Tierarten fühlen sich in der einmaligen Felsenlandschaft der Sächsischen Schweiz heimisch. Fischotter und Schwarzstörche, Gemsen und Uhus – und selbst der extrem scheue Luchs sowie der Wanderfalke, der Symbolvogel der Sächsischen Schweiz.

Der mannigfaltige Formenreichtum der Sandsteinlandschaft ist eine Folge chemisch-physikalischer Erosion und biologischer Prozesse von Gesteinen, die aus den in der Kreidezeit abgelagerten Sanden gebildet wurden. Wie bereits erwähnt transportierten die Zuflüsse eines kreidezeitlichen Meeres und mariner Strömungen über große Zeiträume hinweg in eine Flachmeerzone Sand, welcher über diagenetische Prozesse bei verschiedenen Druckregimen zur Ausbildung von Sandsteinschichten führte. Die erstmals von den sächsischer Landesmuseumspfleger Friedrich Lamprecht (1893-1941) – ein deutscher Geologe und Bergsteiger – vollständig beschriebene Schichtung des Elbsandsteins ist durch wechselnde horizontale Strukturunterschiede (Einlagerungen von Tonmineralen, Korngrößen des Quarzes, Unterschiede in der Kornbindung) sowie eine typische aber überwiegend geringe Fossilführung sowie mehr oder weniger Wasser führende Schichten charakterisiert.

Nachdem sich das kreidezeitliche Meer zurückgezogen (Regression) hatte, formten Verwitterungseinflüsse und Wasserläufe die Oberfläche, von denen die Elbe den stärksten Einschnitt erzeugte.

Geschichte der Menschen

Wenn wir von der Geschichte des Elbsandsteingebirges sprechen, verbindet sich das bei vielen vor allem mit den Felsenburgen oder der mittelalterlichen Kolonisation. Weitaus geringer aber und weniger bekannt, sind dagegen die Spuren von Menschen, die vor Tausenden von Jahren hier durchzogen, sich kürzer oder länger aufhielten, siedelten oder lebten. Das zerklüftete Felsengewirr belebt die Phantasie mit Geheimnissen.

Die Felsenwelt der heutigen Böhmisch-Sächsischen Schweiz haben schon in der Mittelsteinzeit (Mesolithikum) vor annähern achttausend Jahren kleine Gruppen von Jägern und Sammlern bewohnt. Es wird angenommen, dass ihre Lebensweise ähnlich war wie bei den Waldindianern Nordamerikas vor der Ankunft der Europäer. Ihre Werkzeuge und Waffen bestanden aus Holz, Knochen, Feuerstein oder Quarzitgestein. Es waren kleine Gruppen von Menschen, die in dieser Fels- und Waldwildnis gejagt haben und sich unter den Felsüberhängen Rastplätze errichteten. Die Funde aus dieser Zeit wie Knochensplitter, Feuersteinabschläge und verkohlten Holzreste sind zwar geringfügig, aber sie können für die Forscher bemerkenswerte Erkenntnisse bringen.

Auch von den ersten Landwirten wurden die Felsüberhänge der niedrigeren Lagen als Unterschlupf genutzt. Rund fünftausend Jahren sind die ältesten Funde im Elbsandsteingebirge alt. Als erstes wurde durch die jungsteinzeitlichen Landwirte das Landschaftsbild geändert. Auf abgeholzten Flächen legten sie Felder und Weideplätze an.

Anfänglich benutzten sie noch steinerne Werkzeuge und Waffen, später lernten sie Kupfer, Bronze und Eisen zu verarbeiten und erzeugten bereits Tongefäße.

Vor ca. 1000 Jahren dann war die Sächsisch-Böhmische Schweiz als Grenzgebiet dreier slawischer Gaue in Erscheinung getreten. Der Gau Nisane (ostelbisch von Dresden bis Pirna), der Gau Milzane (heutige Oberlausitz) und im Süden der Gau Dacine prägten die damalige politische und ökonomische Landschaft.

Seit dem 7. Jahrhundert u. Z. drangen Slawen (Sorben-Wenden) in das unwirtliche Waldgebirge ein. Ihre Zahl mag bescheiden gewesen sein. An sie erinnern noch verschiedene Orts- und Flur-, Berg- und Flussnamen; z. B. Kirnitzsch, Sebnitz, Pplenz, Wesenitz, Biela, Müglitz; Rathen, Wehlen, lähmen, Pirna, Olsen, – Weißig, Gohrisch, Postelwitz, Schmilka, Prossen, Wendischfähre, Wendische Aue (in Flur Heeselicht) und Wendisch-Heinersdorf, Wünschendorf („das Windische dorf“) usw. Auch in der Volkssprache der Sächsischen Schweiz sind manche wendische Reste erhalten geblieben. Die hauptsächlichste Nahrungsquelle der hier ansässigen Slawen dürfte der Fischfang und daneben die Zeidelweide (Waldbienenpflege) gewesen sein; Ackerbau und Viehzucht scheinen nur bescheidenen Umfang gehabt zu haben. Außerdem deuten Namen wie Lohnten (altslawisch lomu „Steinbruch“) und Kleppisch (slawisch klepafi „Hammer“) auf alte industrielle Tätigkeit. Man vergleiche auch Orts- und Flurnamen, wie Brausnitz, Bahra, Oatza. Die deutsche Kolonisation setzt hier frühestens im 12. Jahrhundert ein; ihren Höhepunkt erreicht sie offenbar erst um die Mitte des 13. Jahrhunderts. Ob zuerst Wiprecht v. Groitzsch deutsche Siedler nach dem Meißner Hochland gerufen hat, da ihm Judith (gestorben 1109), die Tochter des Bohmenherzogs, späteren Königs Wratislaus, die beiden Gaue Milsca (Budessin) und Nisani, zu denen der größte Teil der Sächsischen Schweiz gehörte, als Mitgift zugebracht hatte, muss noch dahingestellt bleiben. Auf dem linken Elbufer begegnet uns schon in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts der Johanniterorden, seit dem Anfang des 13. Jahrhunderts die böhmisch-mährische Ordensbailei der Herren vom Deutschen Hause. Vermutlich sind beide geistliche Ritterorden die Leiter der deutschen Kolonisation in dieser Gegend gewesen. Untergegangene Ortschaften (Erdmannsdorf, Nebelsehitz, vielleicht auch Stolzenhain, Reichenau und Altkunnersdorf) und Dörfer mit wohl verkümmerten Ansätzen zu städtischer Entwicklung (Krippen, Rosenthal, Struppen, Schöna, Reinhardtsdorf) scheinen aber darauf hinzudeuten, dass dem Deutschen Orden (besonders nach der Niederlage bei Tannenberg 1410) Kraft und Neigung fehlten, hier weiterzubauen.

Abb. 3: Darstellung der Schlacht bei Tannenberg in der Berner Chronik von Diebold Schilling dem Älteren um 1483

Ob und in welchem Umfange die Burggrafen v. Dohna in ihrem Gebiete zwischen Gottleuba und Lockwitz an der deutschen Kolonisation beteiligt waren, liegt noch ganz im Dunklen. Auf dem rechten Elbufer darf die Herbeiführung deutscher Siedler im 13. Jahrhundert, wenn sie nicht durch die böhmischen Könige unmittelbar erfolgte, vielleicht den Herren v. Michelsberg, die mit dem um die Einführung deutscher Kultur in Böhmen so außerordentlich verdienten Herrengeschlechte der Markwarte verwandt waren, zugeschrieben werden. Wahrscheinlich hat die im Besitz des Hauptteils der Sächsischen Schweiz östlich der Elbe nachweisbare Familie der Birken v. d. Duba dieses Gebiet erst von den Michelsbergen erworben; letztere besaßen noch bis 1406 die Herrschaft Rathen. Namentlich aus sprachlichen Gründen ist als Heimat der deutschen Kolonisten in unserem Gebiete das Frankenland (die Bamberger und Würzburger Gegend) anzusehen. Die Mundart der Sächsischen Schweiz auf dem linken Elbufer zeigt Anklänge an das Osterzgebirgische; vielleicht sind hier Franken und Thüringer gemischt angesiedelt worden. In der Hauptsache verdankt die Sächsische Schweiz ihre deutsche Kultur dem Pfluge.

Als im 13.Jahrhundert die deutsche Besiedelung begann, kam es zur systematischen Rückdrängung des böhmischen Einflusses und zahlreichen lokalen kriegerischen Auseinandersetzungen um die strategisch wichtigen Festungsanlagen, die in erster Linie der Grenzsicherung und der Sicherung der Verkehrswege diente. Aufgrund fehlender Zentralgewalt wurde diese „Schutzfunktion“ durch die ansässigen Rittergeschlechter wahrgenommen. Durch eine fortschreitende Zergliederung der Einflussbereiche aufgrund Erbteilung, war das wirtschaftliche Gleichgewicht in der Region nicht mehr gegeben. Zahlreiche Trutzanlagen verkamen zu Raubritterburgen. Erst die Machtübernahme zahlreicher Burgen durch die Wettiner Mitte des 16. Jahrhunderts machten diesem Treiben ein Ende.

Auch in späteren Zeiten dienten die Felsüberhänge nicht nur als Unterschlupf vor der Witterung, sondern auch vor Feinden. Wir werden noch darauf kommen. Die Menschen im Mittelalter hinterließen uns größere „schmutzige“ Schichten mit Knochensplittern, teilweise auch mit Keramikscherben. Durch die Gesetze der Natur ist die letzte neuzeitliche Schicht auch die stärkste. Sie durchdringt und zerstört die unteren älteren Schichten.

Geschichte der Gesteine und Felsen

Häufig trifft man im Elbsandsteingebirge Felsstrukturen an, die auf Brauneisenanreicherungen zurückzuführen sind. Eisenoxide wurden vom durchsickernden Wasser gelöst und lagerten sich in bestimmten Sandsteinschichten ab. Dort verfestigen sie den Sandstein und schützten ihn vor schneller Erosion. Über einen längeren Zeitraum entwickelten sich die charakteristischen Brauneisenbänder, -röhren und -schwarten.

Wenn sich zwei nahe beieinander liegende Felsöffnungen durch Erosion vergrößern, entstehen sogenannte Sanduhren. Dort wo der Sandstein am weichsten ist, kommt es zunächst zur Verbindung der hinteren Teile der Löcher. Die Felskruste im vorderen Teil ist widerstandsfähiger. Dies führt dazu, dass sich eine Säule herausbildet.

Abb. 4: Wabenverwitterung

Eine der typischen Verwitterungsform im Sandstein sind die Waben. Ihre Entstehung geschieht vorwiegend durch chemische Kräfte und nicht, wie man früher annahm, durch Winderosion. Salze werden an der Gesteinsoberfläche ausgeschieden. Dabei bilden sich Kristalle, die den Sandstein sprengen und damit die Verwitterung beschleunigen. Gleichzeitig kommt es unter dem Einfluss von Kieselsäure zu einer Verfestigung des Felsens. Diese beiden entgegengesetzten, in enger Nachbarschaft ablaufenden Vorgänge führen zu der charakteristischen Wabenstruktur.

An einigen Stellen der Felswände lassen sich auch sogenannte schiefe Schichtungen beobachten. Deren Ursprung liegt darin, dass sich Sand aus fließendem Wasser in Schwemmkegeln absetzte. Hier kann man als Schlussfolgerung ableiten, dass die Ablagerung der Sande in einem Flachmeer stattfand und dass der Sedimenteintrag durch zufließende Gewässer erfolgte.

Wie kommt es nun zu den Felsstürzen? Die Sandsteinmassive unterliegen einer ständigen Veränderung. Unter den Felswänden häufen sich kleinere herabgestürzte Steine und Blöcke bis zur Größe eines Einfamilienhauses. Um einen solchen Felssturz auszulösen genügt manchmal nur ein Dauerregen. Felsstürze gab es im Laufe der geologischen Geschichte immer wieder, die meisten sind auch heute unabwendbar. Es ist zu befürchten, dass die Gefahr durch den zunehmenden Klimawechsel in den kommenden Jahren immer häufiger auftreten wird. Wir wollen die Hauptmechanismen des Felsabtrags im Elbsandsteingebirge näher beschreiben.

Durch Prozesse der Verwitterung werden von der Felsoberfläche ständig einzelne Sandminerale bis hin zu kleineren, einige Kilogramm schweren Steinen abgelöst. Sie werden von Frost, Baumwurzeln oder durch Salze aufgelockert.

Detaillierte Messungen haben gezeigt, dass die Hänge der Sandsteinebenheiten sich in ständiger Abwärtsbewegung befinden, auch wenn es sich oft nur um Millimeter oder sogar Zehntel von Millimetern im Jahr handelt. Diese langsame Bewegung kann durch Regenwasser beschleunigt werden. Das Wasser weicht nicht nur das Grundgestein auf, sondern macht den Sandstein, der eine durchschnittliche Porosität von 20% aufweist, auch schwerer. Eine besonders gefährliche Jahreszeit ist der zeitige Frühling, wo die Blöcke noch dazu vom Frost gelockert werden.

Am 22. November 2000 kam es am Wartturm zu einem der spektakulärsten Felsstürze der vergangenen Jahrzehnte in der Sächsischen Schweiz. Dabei brach etwa ein Drittel des Felsens ab, etwa 450 m³ Sandstein mit einem geschätzten Gesamtgewicht von 800 Tonnen stürzten über 60 bis 75 m zu Tal. Das war die größte Felsmenge seit einem Felssturz im Jahr 1961 am Bienenkorb, der zudem keine so große Fallhöhe hatte.

Abb. 5: Wartturm im April 2001

Die Felsstürze sind oft dadurch bedingt, dass das Sandsteinmassiv unterhöhlt ist.

Die Sandsteinoberfläche verhält sich anders, als das tiefer gelagerte Gestein. Sie wird von der Sonne erwärmt und vom Wasser durchfeuchtet. Dadurch kommt es zu Volumenänderungen und Temperaturspannungen. Es sind zwar nur geringfügige Veränderungen, aber sie erfolgen regelmäßig zu jeder Jahreszeit und manchmal auch jeden Tag und jede Nacht. So kommt es zum ständigen Lostrennen und Abfallen der Oberfläche. Manchmal löst sich der Fels schalenartig. Diese Erscheinung ist z. B. an Felsüberhängen gut erkennbar.

Dennoch: „Ich habe auf meinen früheren Reisen durch das südliche Deutschland, die Schweiz, Salzburg, Österreich und Schlesien sehr viel Schönes dieser Art gesehen, doch solche herrlichen Felsengruppen sind mir dort nirgends aufgestoßen“, sagte Carl Merkel, Höhlen- und Naturforscher 1826.

Der Schwindel vom Elbsandsteingebirge

Fassen wir unser erstes Kapitel zusammen und klären gleich die Frage, ob die Bezeichnung Elbsandsteingebirge ein Schwindel ist. Es mag wie ein Gebirge erscheinen. In Wirklichkeit handelt es sich, wie wir nun wissen, um den Grund eines Kreidemeeres.

In der Kreidezeit vor 135 bis 65 Mio. Jahren wurden die wesentlichen Grundlagen für das heutige Erscheinungsbild der Sandsteinablagerung der Sächsischen Schweiz geschaffen. Zu Beginn der Oberkreide vor 95 Mio. Jahren begann sich die nahezu ebene Landoberfläche aus Erzgebirgsgneisen, Elbtalschiefer und dem Südlichen Lausitzer Granitmassiv in Richtung Nordost zu senken. Dadurch konnte das Kreidemeer vordringen und sich ausdehnen. Während der mittleren Oberkreide bestand eine Meeresverbindung zwischen dem Böhmischen und dem Nordwestdeutschen Kreidemeer, im Umfeld der Sächsischen Schweiz begrenzt vom Festland des Erzgebirgskristallins im Südwesten und im Nordosten von der Lausitzer Granitinsel. Die Sandablagerung auf dem Boden des Kreidemeeres dauerte etwa 8 Mio. Jahre – eine Zeit, während der sich die Elbzone weiter senkte. Dabei wurden Sandsteinmächtigkeiten gebietsweise von heute mindestens 600 m erreicht. Allgemein einsetzende Hebungsvorgänge in der Oberkreide drängten das Meer zurück, wodurch die Ablagerung der Sedimente, also von Schottern, Sand und Schlamm zum Erliegen kam. Eine weite ungegliederte Sandsteintafel blieb zurück.

Im Tertiär (als Tertiär bezeichnet man informell den geologischen Zeitabschnitt der Erdneuzeit vor Beginn des Quartärs – Das Quartär ist der jüngste Zeitabschnitt der Erdgeschichte einschließlich der „Jetztzeit“-). Das Tertiär begann vor 65 Millionen Jahren (Ende der Kreidezeit) und dauerte bis zum Beginn der Klimaveränderung vor rund 2,6 Millionen Jahren, in deren Folge das Eiszeitalter im Quartär einen Wechsel von Kalt- und Warmzeiten brachte. Das Klima auf der Erde war im Tertiär wesentlich wärmer als heute. Nach dem Massenaussterben der großen Saurier und vieler anderer Tierarten am Ende der Kreidezeit entwickelte sich hauptsächlich im Tertiär die Tier- und Pflanzenwelt, wie wir sie heute kennen. Klüfte und Brüche unterteilten das Gesteinspaket in Quader. Im Nordosten schob sich die Granitdecke des heutigen Lausitzer Berglands über den Sandstein, im Süden hob sich die Erzgebirgsscholle und stellte sich schräg. Die Flüsse bekamen dadurch ein viel größeres Gefälle und schufen Durchbruchstäler und die tiefen Schluchten an den Bruchstellen und senkrechten Spalten der einzigen Sandsteinplatte. An den Bruchstellen quollen zum Teil Basaltische Magmen hervor und bildeten Vulkankegel. Dieser Prozess wurde zum Ende der Eiszeit beschleunigt, denn das Abschmelzen des Eises führte zu einer stärkeren Wasserführung der Flüsse, insbesondere der Elbe. Diese grub sich insgesamt ca. 300 m in den Sandsteinsockel ein, Schluchten und Klammtäler, wie die Kirnitzschklam, entstanden.

Über Jahrmillionen wurde also diese Schichttafel stark zerklüftet. Die Elbe und ihre Nebenflüsse fraßen sich ein und „räumten“ sie aus. Es entstand eine bizarre Ruinenlandschaft aus Quadersandstein, die ganz allmählich weiter zu Sand zerfällt. Kegelförmige Basaltberge und angrenzende Hanglagen aus Granit ergänzen das Landschaftsbild.

Abb. 6: Sandstein-Felsbrücke Prebischtor

Diese Landschaft geht von eigenartigen Funktionen aus: Im Gegensatz zur Klimaabfolge eines richtigen Gebirges herrscht im Sommer in den Gründen und Schluchten ein feuchtkühles Kellerklima. In den höheren Lagen, auf den Felsriffen, ist es dagegen warm und trocken. Deshalb steht auch die Verbreitung der Pflanzen- und Tierarten praktisch auf dem Kopf: Gebirgsbewohner siedeln im Keller und Flachländer haben die Gipfel erobert. Wie sonst nur im Hochgebirge, markieren auf den Felsriffen geringwüchsige Kiefern, die an Bonsai erinnern, die Kampfzone zwischen Wald und Fels.

Eine typische Erscheinung im Elbsandstein ist die Wasserarmut. Die Schwammwirkung des porösen Steins lässt Fließgewässer schnell versickern. Die Bezeichnung „Dürre Bäche“ weist darauf hin.

Elbsandstein, das Material für die zerstörenden und zugleich formenden Kräfte der Natur, ist trotz seiner einfachen Zusammensetzung vielgestaltig und wandelbar. Die Farbe des Quarzsandsteines ist grauweiß bis gelblich. Im Süden des Gebietes ist er grob-, im Norden feinkörnig. Das hat großen Einfluss auf die Form der Felsen.

Die Quarzkörner werden durch verschiedenste Bindemittel zusammengehalten. Werden diese herausgelöst, entstehen beeindruckende Formen.

Sie reichen von bizarren Eisenröhren bis hin zu Felswänden volle Wabenstrukturen.

Aber nun soll unsere geschichtliche Zeitreise den ersten Ort passieren.