Von Singapur ins Goldene Dreieck - Rüdiger Schneider - E-Book

Von Singapur ins Goldene Dreieck E-Book

Rüdiger Schneider

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Beschreibung

Ausgewählte Reisereportagen aus den Jahren 1991-1995, als es mit dem Motorrad, einer bordeauxroten Yamaha, auf mehr als 100 000 Kilometern durch Südostasien ging. Meistens durch alle Winkel Thailands, aber auch nach Malaysia, Singapur und Burma. - Mit Farbfotos

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Seitenzahl: 69

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Inhalt

Vorwort

Am Fluss der Zwei Farben

Eine Geschichte aus Isaan

Die 1148 nach Nan

Vom Kwai zum Dreipagodenpass

Literarische Robinsonade

Von Singapur ins Goldene Dreieck

Suan Mokh – Garten der Befreiung

Vorwort

Bisher konnte man die Reisereportagen aus den Jahren 1991-1995 auf meiner Website lesen. Das ist vorbei. Da ich dem digitalen Wesen oder meinetwegen auch Unwesen mehr und mehr misstraue (andauernd wird man gezwungen, sich neuen Systemen anzupassen), ist mir ein Büchlein lieber. Ich habe den digitalen Stress einfach satt. Ich lege mir auch kein Smartphone zu, bin auch nicht bei facebook, sondern würde viel lieber, wenn ich etwas mitzuteilen habe, wie ein Indianer mein Pferd satteln. Hier also, auf gutem alten Papier, die Reisereportagen zu den Motorradtouren durch Südostasien.

Bad Breisig im März 2017

Am Fluss der zwei Farben

Es war die zweite Reise den Mekong entlang. Entlang des asiatischen Stromes, der im Norden Thailands für eine kurze Strecke Grenze zu Laos ist, sich dann in einer großen Schleife nach Osten wendet, nur durch Laos fließt, um schließlich ab dem thailändischen Tha Li auf etwa achthundert Kilometern Länge wieder Grenze zu sein zwischen beiden Ländern. Danach durchquert der Mekong Kambodscha, erreicht Vietnam, bildet südlich von Saigon- offiziell Ho Tschi Minh City - das Mekongdelta, und mündet im Südchinesischen Meer.

Die erste Fahrt fand im Monsun statt und endete in einer Sintflut in Nakon Phanom. Die Zündkerzen soffen ab. Tagelang schüttete es aus schwarzem Himmel, und dort, wo die Straße nicht asphaltiert war, hätte ein Boot bessere Dienste getan als ein Motorrad.

Die zweite Reise war in der Trockenzeit. Dieses Mal mußte es leicht möglich sein, entlang der Mekongstrecke jenen äußersten südöstlichen Punkt zu erreichen, wo sich der Strom endgültig von Thailand verabschiedet. Welch unterschiedliche Impressionen! Strömte der Mekong im Monsun noch breit und lehmbraun dahin, so war er im April, zum Ende der Trockenzeit, zu einem harmlosen, gleichwohl noch breiten Fluß geworden, in dessen Bett immer wieder felsige Inseln auftauchten. Und wie unterschiedlich zu jeder Zeit auch die beiden Ufer! Still, zurückgezogen, scheinbar unbewohnt das laotische. Quirlig, lebendig, lebhaft das der Thais. In Chiang Khan, in der Nähe des Dorfes Tha Li begann ich die Tour den Mekong entlang, saß am Abend in einer der Restaurantsalas auf einer Holzterrasse, die in den Strom hineingebaut war und konnte diesen Kontrast wie noch so oft danach beobachten. Dunkel das Ufer von Laos. Lichterkaskaden auf der Thaiseite. Bei Tage jedoch entwickelte sich immer ein kleiner Grenzverkehr.

Landschaft am Mekong

Mekong bei Kong-Chiam

Mekong im Mündungsdelta

im Mündungsdelta

Fischer am Mekong

Wo Markt war, kamen von der laotischen Seite Frauen in schmalen Longtailbooten, brachten Fische, Hühner, Säcke mit Chilli und Knoblauch, selbst gebrannten Reisschnaps, den Khao Lao. Und sie brachten oft auch jene Schüsseln, die aus dem Aluminium abgeschossener US-Flugzeuge gefertigt waren.

Nicht immer führte die Straße den Mekong entlang. Manchmal lief sie ein Stück ins Landesinnere, um dann aber wieder zum Strom zurückzukehren. Einsam, wenig befahren war sie stets, und der Blick konnte sich in der Weite der ausgetrockneten Reisfelder und der Wälder verlieren. Eine neue Gefahr kam jetzt hinzu. Die Wasserbüffel lagen nicht mehr träge in den sonst zahlreichen Schlammtümpeln, sondern durchstreiften die Gegend. In aller Regel überquerten sie bedächtig die Straße, aber hin und wieder geschah es, daß ein Nachzügler, mit dem man nicht rechnete, in Panik folgte, unvermittelt aus den Büschen brach und in einem nie vermuteten Tempo über die Straße fegte.

Nach drei Tagen hatte ich den äußersten südöstlichen Punkt erreicht: Kong Chiam, eine kleine Stadt, eher doch ein gemütliches Dorf, die meisten Häuser aus Holz. Ich kam in den Ort am Abend, fand ein freundliches Guesthouse, in dem das Zimmer mit Ventilator und Moskitonetz drei Mark kostete. Kaffee und Tee in dem dazugehörenden Restaurant waren zu jeder Zeit frei.

Zwei oder drei Tage hatte ich bleiben wollen. Ich blieb einen ganzen Monat. Der Grund ist schwer zu beschreiben. Immer wieder versuchte ich es mit verschiedenen Formulierungen, die jedoch alle eins gemeinsam hatten: die Zeit und das Zeitgefühl. Ich erlebte den Stillstand der Zeit, das Ruhen der Zeit, ein archaisches Zeitgefühl. Am frühen Morgen zogen gemächlich Wasserbüffel die Straße entlang. Sie hatten Glocken umgebunden. Ein stetes melodisches Läuten begleitete sie. Die Sonne stieg höher. Das Land begann in hellen, warmen Farben zu leuchten.

Höhlenbuddhas

Abend am Mekong

prähistorische Höhlenzeichnung

Auf dem Mekong trieben ein paar Boote, langsam, als hätten sie alle Zeit der Welt. Nichts und gar nichts verlief mit irgendeiner Geschwindigkeit, einem nervösen Hasten, wie es zumeist das Tempo der westlichen Welt bestimmt und fordert. Und dann war da vor allem jener Punkt des Ortes, wo zwei Flüsse zusammentrafen: der Mekong mit seinem braunen, dunklen Wasser und der Moon mit dem helleren, grünen. Sah man genauer hin, so konnte man im Mündungsdelta ein kreiselndes Zweifarbenspiel wahrnehmen, das dem Ort auch seinen Namen gegeben hatte: Maenam Song Si – Fluß der Zwei Farben.

Direkt an diesem Delta lag ein einfaches Bambusrestaurant, das Pak Moon. Hier konnte ich stundenlang sitzen, die Zeit vergessen, den Booten zusehen, den Wasserbüffeln, den gemächlichen Geschäftigkeiten, wenn ein Boot am Ufer festmachte und in einer fast schon provozierenden Gemütlichkeit die Waren ausgeräumt wurden. Zum Mittag hin lag das Mündungsdelta immer in einem gleißenden Licht, so als sei der Himmel von brennendem Magnesium illuminiert. Und ab Mittag spielten sie dann im Pak Moon die typische Musik Isarns, des Ostens Thailands, eine Musik, die sich mit ihren hohen Klängen und den steten Variationen des ‚Children of the Fields’ ins Blut drängt wie griechische Sirtakis. Und etwa so, wie man sich in ein Mädchen verlieben kann, verliebte ich mich in diese Musik und in den Fluß der Zwei Farben. Am Abend dann flammten Lichter auf im Pak Moon, Sängerinnen kamen in glitzernden Kostümen, betraten eine einfache Holzbühne, verzauberten mit romantischen Thaisongs die beginnende Nacht und beschenkten einen mit dem freundlichsten Lächeln der Welt, wenn man ihnen nach dem Lied einen Malikranz umhängte.

Natürlich saß ich nicht nur im Pak Moon. Kong Chiams Umgebung war für viele Überraschungen gut. Am Rande des Dorfes entdeckte ich eine Höhle mit goldenen Buddhas, ein paar Kilometer weiter nur lag das Plateau von Pa Thaem, hoch über dem Mekong gelegen und faszinierende Ausblicke auf Laos gebend. Neunzehn Millionen Jahre war dieses Plateau alt, und hier gab es prähistorische Felszeichnungen.

In rotbrauner Farbe stellten sie Krüge dar, Eßgeräte, Hände, Werkzeuge, Menschensilhouetten, Schildkröten und einen riesigen Fisch aus dem Mekong, den Pla Mük.

Oft wartete ich dort auch den Einbruch der Dämmerung ab, wenn das Band des Stromes sich zu dunklem Gold verfärbte. Im Pak Moon bekam ich allerdings auch mit, daß die schöne, ruhige Welt gefährdet war.

Fünf Kilometer von Kong Chiam entfernt, den Moon aufwärts, liegt das wilde, ursprüngliche Kaeng Tha Na. Hier stürzt sich der Moon über felsige Stromschnellen dem Mekong entgegen. Dumpfe Detonationen waren von dort zu hören. Der Moon sollte gezähmt, ein riesiges Staubecken gebaut werden, die Turbinen später Strom bis Laos liefern. Felsen und Stromschnellen wurden gesprengt, ein riesiges Areal eingeebnet. Im Pak Moon lernte ich eines Abends auch einen der amerikanischen Ingenieure kennen, einen Sprengmeister aus Nevada. Er zählte mir die technischen Segnungen auf, die das Land bald zu erwarten habe und schimpfte über die Proteste der Farmer, die das Projekt immer wieder verzögerten. Sie wollten ihre Felder und Hütten, die bald unter Wasser liegen würden, nicht verlassen.

„Verliert sich dann auch das Zweifarbenspiel im Mündungsdelta?" fragte ich ihn.

„Wahrscheinlich schon. Aber dafür ist Laos ganz hell erleuchtet."

Die Dämmerung kam, der Mekong glühte, die Berge am gegenüberliegenden Ufer standen wie Silhouetten gegen den Himmel. Der Ingenieur hatte seit zwei Stunden Singha-Bier getrunken, wurde stiller, begann zu grübeln, wurde vielleicht sentimental. Auch er sah jetzt zu dem sich abdunkelnden Laos hinüber. Eine Zeit lang schwieg er, bestellte sich ein neues Bier und sagte dann:

„Ach, Junge, weißt du, manchmal frage ich mich auch, was das mit dem Fortschritt soll. Aber irgendwie bist du ja immer gezwungen, dem Teufel zu dienen und Kohle zu machen. Du drehst das Rad nicht zurück."

Eine Geschichte aus Isaan