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Gerhart Hauptmann

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Beschreibung

Gerhart Hauptmanns Vor Sonnenaufgang: Soziales Drama ist ein bedeutendes Werk des Naturalismus, das in der deutschen Literatur für seinen realistischen und ungeschönten Stil bekannt ist. Das Stück spielt in einem kleinen Dorf und beleuchtet die sozialen Probleme der Arbeiterklasse. Hauptmanns präzise Darstellung der Verhältnisse und Charaktere verleiht dem Werk eine eindringliche Wirkung und macht es zu einem einflussreichen Drama seiner Zeit. Vor Sonnenaufgang ist ein Meisterwerk des sozialen Realismus und zeigt Hauptmanns scharfen Blick für gesellschaftliche Ungerechtigkeiten und menschliche Tragödien.

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Gerhart Hauptmann

Vor Sonnenaufgang: Soziales Drama

 
EAN 8596547074076
DigiCat, 2022 Contact: [email protected]

Inhaltsverzeichnis

Handelnde Menschen.
Erster Akt.
Zweiter Akt.
Dritter Akt.
Vierter Akt.
Fünfter Akt.

Neunte Auflage

Berlin, S. Fischer, Verlag, 1902

Sowohl Aufführungs- als Nachdrucks- und Uebersetzungsrecht vorbehalten.

Den Bühnen gegenüber Manuskript.

Die Aufführung dieses Dramas fand am 20. Oktober statt in den Räumen des Lessing-Theaters, veranstaltet vom Verein „Freie Bühne“. Ich benutze den Anlaß der Herausgabe einer neuen Auflage, um aus vollem Herzen den Leitern dieses Vereins insgesammt, in Sonderheit aber den Herren Otto Brahm und Paul Schlenther zu danken. Möchte es die Zukunft erweisen, daß sie sich, indem sie, kleinlichen Bedenken zum Trotz, einem aus reinen Motiven heraus entstandenen Kunstwerk zum Leben verhalfen, um die deutsche Kunst verdient gemacht haben.

Charlottenburg, den 26. Oktober 1889.

Gerhart Hauptmann.

Handelnde Menschen.

Inhaltsverzeichnis
Besetzung bei der ersten Aufführung.Krause, BauerngutsbesitzerHans Pagay.Frau Krause, seine zweite FrauLouise v. Pöllnitz.Helene,}Krause’s Töchter erster EheElsa Lehmann.Martha,* * *Hoffmann, Ingenieur, verheirathet mit MarthaGustav Kadelburg.Wilhelm Kahl, Neffe der Frau KrauseCarl Stallmann.Frau Spiller, Gesellschafterin der Frau KrauseIda Stägemann.Alfred LothTheodor Brandt.Dr. SchimmelpfennigFranz Guthery.Beibst, Arbeitsmann auf Krause’s GutPaul Pauly.Guste,}Mägde auf Krause’s GutSophie Berg.Liese,Clara Hahn.Marie,Antonie Ziegler.Baer, genannt HopslabaerFerdinand Meyer.Eduard, Hoffmann’s DienerEdmund Schmasow.Miele, Hausmädchen bei Frau KrauseHelene Schüle.Die KuschenfrauMarie Gundra.Golisch, genannt Gosch. KuhjungeGeorg Baselt.Ein Packetträger* * *

Erster Akt.

Inhaltsverzeichnis

Das Zimmer ist niedrig; der Fußboden mit guten Teppichen belegt. Moderner Luxus auf bäuerische Dürftigkeit gepfropft. An der Wand hinter dem Eßtisch ein Gemälde, darstellend einen vierspännigen Frachtwagen, von einem Fuhrknecht in blauer Blouse geleitet.

Miele, eine robuste Bauernmagd mit rothem, etwas stumpfsinnigem Gesicht; sie öffnet die Mittelthür und läßt Alfred Loth eintreten. Loth ist mittelgroß, breitschultrig, untersetzt, in seinen Bewegungen bestimmt, doch ein wenig ungelenk; er hat blondes Haar, blaue Augen und ein dünnes, lichtblondes Schnurrbärtchen, sein ganzes Gesicht ist knochig und hat einen gleichmäßig ernsten Ausdruck. Er ist ordentlich, jedoch nichts weniger als modern gekleidet. Sommerpaletot, Umhängetäschchen, Stock.

Miele. Bitte! Ich werde den Herrn Inschinnär glei ruffen. Wolln Sie nich Platz nehmen?!

Die Glasthür zum Wintergarten wird heftig aufgestoßen; ein Bauernweib, im Gesicht blauroth vor Wuth, stürzt herein. Sie ist nicht viel besser als eine Waschfrau gekleidet. Nackte, rothe Arme, blauer Kattunrock und Mieder, rothes punktirtes Brusttuch. Alter: Anfang 40, Gesicht hart, sinnlich, bösartig. Die ganze Gestalt sonst gut conservirt.

Frau Krauseschreit. Ihr Madel!! ... Richtig! ... Doas Loster vu Froovulk! ... Naus! mir gahn nischt! ... Halb zu Miele, halb zu Loth. A koan orbeita, a hoot Oarme. Naus! hier gibbt’s nischt!

Loth. Aber Frau ... Sie werden doch ... ich ... ich heiße Loth, bin ... wünsche zu ... habe auch nicht die Ab....

Miele. A wull ock a Herr Inschinnär sprechen.

Frau Krause. Beim Schwiegersuhne batteln: doas kenn’ mer schunn. — A hoot au nischt, a hoot’s au ock vu ins, nischt iis seine! Die Thür rechts wird aufgemacht. Hoffmann steckt den Kopf heraus.

Hoffmann. Schwiegermama! — Ich muß doch bitten ... Er tritt heraus, wendet sich an Loth. Was steht zu ... Alfred! Kerl! Wahrhaftig ’n Gott, Du!? Das ist aber mal ... nein das is doch mal ’n Gedanke!

Hoffmann ist etwa dreiunddreißig alt, schlank, groß, hager. Er kleidet sich nach der neuesten Mode, ist elegant frisirt, trägt kostbare Ringe, Brillantknöpfe im Vorhemd und Berloques an der Uhrkette. Kopfhaar und Schnurrbart schwarz, der letztere sehr üppig, äußerst sorgfältig gepflegt. Gesicht spitz, vogelartig. Ausdruck verschwommen, Augen schwarz, lebhaft, zuweilen unruhig.

Loth. Ich bin nämlich ganz zufällig ....

Hoffmannaufgeregt. Etwas Lieberes ... nun aber zunächst leg ab! Er versucht ihm das Umhängetäschchen abzunehmen. — Etwas Lieberes und so Unerwartetes hätte mir jetzt — er hat ihm Hut und Stock abgenommen und legt beides auf einen Stuhl neben der Thür — hätte mir jetzt entschieden nicht passiren können, — indem er zurückkommt — entschieden nicht.

Lothsich selbst das Täschchen abnehmend. Ich bin nämlich — nur so per Zufall auf Dich — er legt das Täschchen auf den Tisch im Vordergrund.

Hoffmann. Setz’ Dich! Du mußt müde sein, setz’ Dich — bitte. Weißt De noch? wenn Du mich besuchtest, da hatt’st Du so ’ne Manier, Dich lang auf das Sopha hinfallen zu lassen, daß die Federn krachten; mitunter sprangen sie nämlich auch. Also Du, höre! mach’s wie damals.

Frau Krause hat ein sehr erstauntes Gesicht gemacht und sich dann zurückgezogen. Loth läßt sich auf einen der Sessel nieder, welche rings um den Tisch im Vordergrunde stehen.

Hoffmann. Trinkst Du was? Sag’! — Bier? Wein? Cognac? Kaffee? Thee? Es ist alles im Hause.

Helene kommt lesend aus dem Wintergarten; ihre große, ein wenig zu starke Gestalt, die Frisur ihres blonden, ganz ungewöhnlich reichen Haares, ihr Gesichtsausdruck, ihre moderne Kleidung, ihre Bewegungen, ihre ganze Erscheinung überhaupt verleugnen das Bauernmädchen nicht ganz.

Helene. Schwager, Du könntest ... Sie entdeckt Loth und zieht sich schnell zurück. Ach! ich bitte um Verzeihung. Ab.

Hoffmann. Bleib doch, bleib!

Loth. Deine Frau?

Hoffmann. Nein, ihre Schwester. Hörtest Du nicht, wie sie mich betitelte?

Loth. Nein.

Hoffmann. Hübsch! Wie? — Nu aber erklär’ Dich! Kaffee? Thee? Grog?

Loth. Danke, danke für alles.

Hoffmannpräsentirt ihm Cigarren. Aber das ist was für Dich — nicht?! ... Auch nicht?!

Loth. Nein, danke.

Hoffmann. Beneidenswerthe Bedürfnißlosigkeit! Er raucht sich selbst eine Cigarre an und spricht dabei. Die A.. Asche, wollte sagen der ... der Tabak ... ä! Rauch natürlich ... der Rauch belästigt Dich doch wohl nicht?

Loth. Nein.

Hoffmann. Wenn ich das nicht noch hätte ... ach Gott ja, das bischen Leben! — Nu aber thu mir den Gefallen, erzähle was. — Zehn Jahre — bist übrigens kaum sehr verändert — zehn Jahre, ’n ekliger Fetzen Zeit — was macht Schn... Schnurz nannten wir ihn ja wohl? Fips, — die ganze heitere Blase von damals? Hast du den einen oder anderen im Auge behalten?

Loth. Sach mal, solltest Du das nicht wissen?

Hoffmann. Was?

Loth. Daß er sich erschossen hat.

Hoffmann. Wer? — hat sich wieder mal erschossen.

Loth. Fips! Friedrich Hildebrandt.

Hoffmann. I warum nich gar!

Loth. Ja! er hat sich erschossen — im Grunewald, an einer sehr schönen Stelle der Havelseeufer. Ich war dort, man hat den Blick auf Spandau.

Hoffmann. Hm! — Hätt ihm das nicht zugetraut, war doch sonst keine Heldennatur.

Loth. Deswegen hat er sich eben erschossen. — Gewissenhaft war er, sehr gewissenhaft.

Hoffmann. Gewissenhaft? Woso?

Loth. Nun, darum eben ... sonst hätte er sich wohl nicht erschossen.

Hoffmann. Versteh nicht recht.

Loth. Na, die Farbe seiner politischen Anschauungen kennst Du doch?

Hoffmann. Ja, grün.

Loth. Du kannst sie gern so nennen. Er war, dies wirst Du ihm wohl lassen müssen, ein talentvoller Jung. — Fünf Jahre hat er als Stuccateur arbeiten müssen, andere fünf Jahre dann, so zu sagen, auf eigene Faust durchgehungert und dazu kleine Statuetten modellirt.

Hoffmann. Abstoßendes Zeug. Ich will von der Kunst erheitert sein .... Nee! diese Sorte Kunst war durchaus nicht mein Geschmack.

Loth. Meiner war es auch nicht, aber er hatte sich nun doch einmal drauf versteift. Voriges Frühjahr schrieben sie da ein Denkmal aus; irgend ein Duodezfürstchen, glaub ich, sollte verewigt werden. Fips hatte sich betheiligt und gewonnen; kurz darauf schoß er sich todt.

Hoffmann. Wo da die Gewissenhaftigkeit stecken soll, ist mir völlig schleierhaft. — Für so was habe ich nur eine Benennung: Spahn — auch Wurm — Spleen — so was.

Loth. Das ist ja das allgemeine Urtheil.

Hoffmann. Thut mir leid, kann aber nicht umhin mich ihm anzuschließen.

Loth. Es ist ja für ihn auch ganz gleichgültig, was ...

Hoffmann. Ach überhaupt, lassen wir das. Ich bedauere ihn im Grunde ganz ebenso sehr wie Du, aber — nun ist er doch einmal todt, der gute Kerl; — erzähle mir lieber etwas von Dir, was Du getrieben hast, wie’s Dir ergangen ist.

Loth. Es ist mir so ergangen, wie ich’s erwarten mußte. — Hast Du gar nichts von mir gehört? — durch die Zeitungen mein ich.

Hoffmannein wenig befangen. Wüßte nicht.

Loth. Nichts von der Leipziger Geschichte?

Hoffmann. Ach so, das! — Ja! — Ich glaube .... nichts Genaues.

Loth. Also, die Sache war folgende:

Hoffmannseine Hand auf Loth’s Arm legend. Ehe Du anfängst: willst Du denn gar nichts zu Dir nehmen?

Loth. Später vielleicht.

Hoffmann. Auch nicht ein Gläschen Cognac?

Loth. Nein. Das am allerwenigsten.

Hoffmann. Nun, dann werde ich ein Gläschen .... Nichts besser für den Magen. Holt Flasche und zwei Gläschen vom Buffet, setzt alles auf den Tisch vor Loth.Grand Champagne, feinste Nummer; ich kann ihn empfehlen. — Möchtest Du nicht ....?

Loth. Danke.

Hoffmannkippt das Gläschen in den Mund. Oah! — na, nu bin ich ganz Ohr.

Loth. Kurz und gut: da bin ich eben sehr stark hineingefallen.

Hoffmann. Mit zwei Jahren, glaub ich?!

Loth. Ganz recht! Du scheinst es ja doch also zu wissen. Zwei Jahre Gefängniß bekam ich, und nach dem haben sie mich noch von der Universität relegirt. Damals war ich — einundzwanzig. Nun! in diesen zwei Gefängnißjahren habe ich mein erstes volkswirthschaftliches Buch geschrieben. Daß es gerade ein Vergnügen gewesen, zu brummen, müßte ich allerdings lügen.

Hoffmann. Wie man doch einmal so sein konnte! Merkwürdig! So was hat man sich nun allen Ernstes in den Kopf gesetzt. Baare Kindereien sind es gewesen, kann mir nicht helfen, Du! — nach Amerika auswandern ’n Dutzend Gelbschnäbel wie wir! — wir und Musterstaat gründen! Köstliche Vorstellung!

Loth. Kindereien?! — tjaa! In gewisser Beziehung sind es auch wirklich Kindereien gewesen! Wir unterschätzten die Schwierigkeiten eines solchen Unternehmens.

Hoffmann. Und daß Du nun wirk—lich hinaus gingst — nach Amerika — all—len Ernstes mit leeren Händen .... Denk’ doch mal an, was es heißt, Grund und Boden für einen Musterstaat mit leeren Händen erwerben zu wollen: das ist ja beinahe ver.... jedenfalls ist es einzig naiv.

Loth. Ach, gerade mit dem Ergebniß meiner Amerikafahrt bin ich ganz zufrieden.

Hoffmannlaut auflachend. Kaltwasserkur, vorzügliche Resultate, wenn Du es so meinst ...

Loth. Kann sein, ich bin etwas abgekühlt worden; damit ist mir aber gar nichts Besonderes geschehen. Jeder Mensch macht seinen Abkühlungsprozeß durch. Ich bin jedoch weit davon entfernt, den Werth der .... nun, sagen wir hitzigen Zeit zu verkennen. Sie war auch gar nicht so furchtbar naiv, wie Du sie hinstellst.

Hoffmann. Na, ich weiß nicht?!

Loth. Du brauchst nur an die Durchschnittskindereien unserer Tage denken: das Couleurwesen auf den Universitäten, das Saufen, das Pauken. Warum all der Lärm? Wie Fips zu sagen pflegte: um Hekuba!

Um Hekuba drehte es sich bei uns doch wohl nicht; wir hatten die allerhöchsten menschheitlichen Ziele im Auge. Und abgesehen davon, diese naive Zeit hat bei mir gründlich mit Vorurtheilen aufgeräumt. Ich bin mit der Scheinreligion und Scheinmoral und mit noch manchem Anderen ....