Vulpes Lupus Canis - Chenerah "Kecar" Gajaze - E-Book

Vulpes Lupus Canis E-Book

Chenerah "Kecar" Gajaze

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Beschreibung

Um einer Welt zu entkommen, in der er glaubt, keine Liebe und Anerkennung zu finden, flüchtet sich ein junger Mann in seine Fantasien. Im Laufe seiner Entwicklung erschafft er sich in Gedanken fiktive Freunde, die in einer zugrunde gehenden Welt leben und ebenfalls nach Erfüllung streben. Um diesen Wesen nahe zu sein und ihnen seine tiefen Gefühle zu zeigen, vertraut sich der Mann jemandem an und es entsteht seine letzte Offenbarung vor dem Abschied, in welcher er Joliyad auf eine Reise zur Wahrheit ihrer beider Leben schickt. Ohne es zu wollen, stürzt der Sterbende den Geist und die Heimat Joliyads damit ins Chaos und ringt um die Kontrolle über die Geschehnisse, welche er mit dem Erzählen seiner Geschichte entstehen lässt. Sein Protagonist erlebt gesellschaftliche und emotionale Umbrüche und entdeckt seine Zuneigung zu seinem Jugendfreund Amarok. Dieser ist Angehöriger der Rasse, mit der Joliyads Volk Krieg führt. Gemeinsam wollen sie die Situation in ihrer Welt ändern, denn ihre Liebe zueinander ist stärker als der schier unendliche Hass, der ihre beiden Arten entzweit.

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Seitenzahl: 391

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Chenerah »Kecar« Gajaze

Vulpes

Lupus

Canis

Vulpes Lupus Canis

Roman

Impressum:

Text: © 2019 Copyright by Chenerah Gajaze

Umschlag: © 2021 Copyright by Marion Morgenroth

www.marion-morgenroth.de

Verlag:

Chenerah Gajaze

Vogelsbergstraße 25

36399 Freiensteinau

[email protected]

Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

ISBN Hardcover: 978-3-748573-32-6

ISBN Softcover: 978-3-752943-87-0

ISBN E-Book: 978-3-748574-64-4

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Für die Welt, die mich

vom Anbeginn meiner Zeit

bis zu deren Ende begleitet

hat.

An Hund und Freund,

Schmerz und Freude.

In innigem Dank für die

Lehre des Sehens, die ihr

mir in Liebe und Hass ge-

schenkt habt.

»Zu leben bedeutet nicht

ein Anpassen an die derzeitige

Situation, sondern das immer

neue Schaffen seiner eigenen

Realität.«

Chenerah »Kecar« Gajaze

Inhalt:

Vorwort

I. Geburt einer Idee

II. Aram und Eria

III. Nonplusultra

IV. Verständnis der Liebe

V. Mut zur Wahrheit

VI. Schmerzen ertragen

VII. Chaos im Geiste der Ordnung

VIII. Wirren des Krieges

IX. Wolfsdenken

X. Messers Schneide

Vorwort

Anthro-Geschichten, also Geschichten, in denen zweibeinige Tiere eine Rolle spielen, gibt es genug. Zumindest weiß ich, dass viele Menschen solche Storys schreiben. Manche von ihnen sind mit größter Sorgfalt und Ernsthaftigkeit verfasst, haben viele kreative Stunden verschlungen.

Warum Sie gerade diese hier lesen sollten?

Sollten Sie nicht, aber Sie dürfen natürlich!

Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, ob all das hier irgendwann jemand lesen wird. Schließlich wollte ich auch kein Geld damit verdienen oder mich rühmen, ein Buch geschrieben zu haben. Ich war früher recht bescheiden, wenn es darum ging, meine Qualitäten und Fähigkeiten beim Namen zu nennen.

Dieses Buch sollte es ursprünglich nicht zu kaufen geben.

So, wie auch nicht die Wahrheit.

Wir glauben an sie, oder eben nicht. Sie ist gratis, jedem zugänglich und spannend – manchmal aber eben etwas unkonventionell und verwirrend.

Wenn Sie erkannt haben, was ich damit sagen will, dann haben Sie den Kern dieser Geschichte bereits verstanden und werden möglicherweise Spaß daran haben, sie zu lesen.

Wie auch immer dieses Werk in Ihre ›Pfoten‹ gelangt ist, offensichtlich haben Sie mindestens eine der Voraussetzungen erfüllt, um dieser Geschichte würdig zu sein: Entweder ich selbst habe sie Ihnen zukommen lassen, oder Sie haben sie sich angeeignet, was wiederum Neugier bedeuten würde.

Das Thema dieser Geschichte wird sich sicher von dem vieler anderer ihrer Art unterscheiden, denn es geht hier nicht nur schlicht um die Erzählung eines Traums. Hier werden keine Geschichten erzählt, die sich so oder so ähnlich auch auf der Erde hätten zutragen können. Dies ist auch keine Fan-Fiction – obwohl ich gewissermaßen auch ›Fan‹ einer Idee geworden bin. Wenn Sie wissen, dass ›Fan‹ die Kurzform für Fanatismus ist, können Sie erahnen, dass ich sehr vernarrt in meine Ideen dazu war.

Dazu aber später mehr.

Dieses Werk dient meiner ganz persönlichen Aussprache mit der Welt: Das, was ich schon immer sagen wollte, sage ich hier drin. Ich habe nicht wenig zu erzählen, weshalb diese Geschichte sehr umfangreich ist.

Besonders ist auch, dass ich selbst (als Mensch und menschenähnliches Wesen) hier meine Handlung habe und meinen Protagonisten ein Begleiter durch die Geschichte bin. Ich gebe ihnen damit nach und nach das Bewusstsein, dass sie selbst auch nichts weiter sind, als das, was Sie hier im Begriff sind zu lesen: Einfach nur die Geschichte einer Idee davon, was meine eigene Wahrheit ist.

I. Geburt einer Idee

A

lles hat einen Anfang, wird geboren.

Alles hat ein Ende, stirbt irgendwann.

Selbst ein Mensch ist manchmal die Geburtsstätte einer Idee – nennen wir sie Fiktion oder Geschichte. Sie beginnt und endet irgendwann. Der Beginn einer Idee setzt ihr Ende bereits voraus. Doch all das, was dazwischenliegt, ist eine Zeit, welche wir mit guten und schlechten Dingen zu erfüllen wissen müssen.

Auch ich verlebe gerade die letzten Tage meiner Zeit, worüber ich aber nicht wütend bin.

Ich bin in Sorge.

Werde ich die Zeit haben, etwas zu hinterlassen?

Ich weiß es nicht, aber versuche es.

Du bist bei mir, wer immer Du auch bist. Ich weiß, dass Du da bist und jedes Wort verstehst, welches meinen Gedanken entflieht und zu Schrift wird.

Mein unsichtbarer Zuhörer – männlich, weiblich, alt oder jung. Wer immer Du sein magst, es ist schön, dass Du jetzt hier bei mir bist, freiwillig, vielleicht etwas scheu und neugierig.

Dir möchte ich von dem erzählen, was ich in einer langen Zeit des totalen Niedergangs in scheinbar ewigem Schweigen erlebt habe.

Ein Teil von mir war stets unabhängig, autonom – doch auch rachsüchtig, ignorant, zuweilen depressiv und verstimmt. Ein anderer war stets sensibel, ängstlich und zurückhaltend. Am ehesten gefiel mir letzterer, doch leider war das auch der, der immer genau wusste, wie man sich vor ›all den bösen Menschen‹ verstecken konnte.

Um verstehen zu können, wie mein Herz schlug, wer ich war und was ich empfunden habe, ist es wichtig, dass ein interessierterMensch wie Du meine Worte liest. Von all dem, was ich je erlebte, was mich ausmachte und was aus mir geworden war – oder hätte werden sollen – werde ich Dir nun erzählen, verpackt in dieser Geschichte.

Sie spielt in verschiedenen Genres, die wunderbar zusammen funktionieren und miteinander verschmelzen. Doch egal, welcher Gattung dieses Werk am Ende am ehesten angehören mag: Entscheidend ist nur zu wissen, dass alles, was ich Dir jetzt sagen werde, die Wahrheitist – nämlich meine Wahrheit. All das hat sich tatsächlich so zugetragen. Natürlich nicht in Deiner Welt, sondern in meiner.

Ich kann mir vorstellen, dass das ein wenig verrückt klingt, denn es ist sehr schwierig zu erklären. Deshalb erzählt meine Lebensgeschichte davon: Man kann seine Umwelt je nach Eignung und Anlage anders erleben als andere Menschen. Während andere Menschen sich eben Gedanken darüber machten, ob parallele Welten tatsächlich existieren oder nicht, wusste ich irgendwann, dass es einfach so sein musste.

Zwar konnte ich diese Ideen nicht beweisen, hatte auch nie ›die andere Seite‹ mit eigenen Augen gesehen, aber ich fühlte, dass in meinem Leben mehr existieren musste, als das, was ich imstande war mit meinen beschränkten Sinnen zu erfassen. Mehr, als es mir möglich war, mit meinem unterentwickelten, menschlichen Geist zu begreifen.

Ich hatte für dieses Wissen auch eine ebenso plausible, wie auch für mich bedeutsame Erklärung: Schon zu Beginn meiner Zeit war ich ein Kind (vornehmlich psychischer) Gewalt und einer grundlosen, mir unverständlichen Ablehnung. Ich konnte nie behaupten, die Liebe meiner Mitmenschen je wirklich gespürt zu haben.

Eine lange Zeit dachte ich, sie wollten mir nie Wärme und Geborgenheit entgegenbringen, aus welchen Gründen auch immer. Irgendwann fiel mir jedoch ein, dass ich vielleicht in jungen Jahren einfach noch nicht dazu in der Lage gewesen sein konnte, ihre zweifelhafte Art der Liebe richtig zu deuten und zu verstehen. Aus diesem Mangel entwickelte sich schließlich ein Geist, der stets hochsensibel, gutherzig, freundlich und sehr wissbegierig war.

Meine Mitmenschen zu trösten erschien mir selbstverständlich. Sie alle gleichermaßen zu mögen und gleich zu behandeln war normal für mich. Obwohl ich dabei stets uneigennützig handelte, kam mir die Idee damals noch gar nicht, dass ein Gott existieren könnte, der mich beobachtete und meine Taten am Ende meines Lebens bewerten würde.

Fairerweise muss ich aber zugeben, dass ich in jungen Jahren oft Anlass für Ablehnung gegeben habe, doch davon zu erzählen wäre eintönig und ginge am Thema meiner Geschichte etwas vorbei.

Ich hatte jedoch zu keiner Zeit einem Menschen bewusst etwas Schlechtes gewünscht, geschweige denn getan. Ich besaß genug sensible Liebe und Großzügigkeit für sie alle, wann immer es mir möglich war, half ich ihnen, wo ich nur konnte. Sicher war es damals für mich noch nicht vorauszusehen, dass dieses Verhalten dazu führen würde, dass man mich ausnutzte. Die anderen würden vergessen, dass ich ein Wesen war, das nicht nur Gefühle hatte, sondern sogar so empfindsam war, dass es mir irgendwann ein Leichtes wurde, schnell zu erkennen, wann ein Mensch mich belog oder ob er es wirklich wert war, geliebt zu werden.

Im Laufe der Zeit hatte ich jedoch vergessen, was Liebe bedeutet, was sie ausmacht und auch, dass jeder Mensch sie faktisch brauchte, um zu existieren. Auch ich hungerte, lechzte nach ihr, ohne es wirklich wahrzunehmen. Ehrlich gesagt, hatte ich nie das Gefühl, einen anderen Menschen wirklich zu lieben – also rein emotional. Ich konnte es nicht.

Bis ans Ende meiner Zeit hatte ich viele Dinge gelernt: Manches hatte ich mir selbst angeeignet. Anderes lernte ich in der Schule. Doch die meisten Dinge hatte ich nicht beigebracht bekommen oder selbst erkannt, sondern sie waren einfach da.

Das mag unglaubwürdig klingen, aber die Fähigkeit zu kommunizieren brachte mir niemand bei. Wie ich etwas zu sagen oder zu schreiben hatte, dieses Wissen kam von ganz allein. Irgendwann war es da, entwickelte sich und reifte. Das Werkzeug der Kommunikation auf verbaler Ebene, gepaart mit der Sensibilität für das Erkennen und Diagnostizieren menschlichen Verhaltens, mutete an, eine sehr mächtige und nützliche Waffe zu werden. Doch diese schien schwach im Vergleich zu dem, was ich nicht imstande war zu erlernen, zu verstehen oder zu geben: Da ich nie das Gefühl hatte, wirklich geliebt worden zu sein, wusste ich nicht, wie es sich anfühlte und konnte diese Empfindung demnach auch nicht erzeugen oder an andere weitergeben – so gerne ich mir dies manchmal auch gewünscht hätte.

Dennoch gab ich meinen Mitmenschen nicht wirklich die Schuld dafür, denn vielleicht wurde ich geliebt und konnte dieses Gefühl nur nicht verstehen und reflektieren.

Trotzdem soll meine Geschichte kein Klagewerk werden, obgleich die wahre Liebe, nach welcher ich mich so sehr sehnte, in ihr ein sehr großes Thema ist. An vielen Stellen wird sie nicht nur randläufig erwähnt, sondern gipfelt auch hin und wieder in Erotik, weshalb Du als Teilhaber schon eine gewisse Reife mitbringen solltest.

Ich hoffe, Du bist schon volljährig!?

Ach, was überlege ich, ich kann Dich ohnehin nicht sehen. Wenn es Dir also zu viel wird, ruf laut »Stopp« und lege das Buch beiseite.

Reife ist aber auch nötig, um die Zusammenhänge zwischen Handlung und meinen Gefühlen als Mensch zu verstehen, denn nicht immer wird es mir gelingen, den Schleier dessen weit genug zu lüften, was ich dachte, empfand und ursprünglich sagen wollte. Vieles wird im ersten Moment verwirrend, im nächsten aber auch wieder glasklar erscheinen.

Alles in allem hast Du dich also dazu entschlossen, mir zuzuhören, indem du dieses Buch liest.

Warum eigentlich? Neugier?

Gut so! Neugier ist das, was viele Wesen zur Entwicklung von Ideen antreibt. Wo wir wieder bei den Ideen sind: Als Mensch, der sensibel und sehr fantasievoll war, erdachte ich mir schon als Kleinkind fiktive Freunde. Das an sich war nichts Ungewöhnliches. Ich meine, wir alle kennen solche Phasen. Irgendwann aber begann ich, mich nach einem Gefühl zu sehnen, was man durchaus als Liebe bezeichnen kann. Nennen wir es noch Zugehörigkeit, Achtung und das Gefühl der Schätzung. Mit anderen Worten: Für all die Großherzigkeit, die ich meinen Mitmenschen hatte zuteilwerden lassen (wofür ich fast nie einen Lohn verlangte), wollte ich irgendwann etwas zurückhaben. Und da die Menschen mir nicht das geben konnten, woran ich am meisten interessiert war (Liebe und Wertschätzung), fand ich einen Weg, mir diese Dinge woanders zu holen.

Ich betrachtete meine Fantasie, ihre Farben, Wendungen, ihre Entstehungsgeschichte und begann langsam, mich emotional an sie zu binden. Es kam immer häufiger der Moment, in dem ich mich in meine Traumwelt zurückzog – zuerst rein gedanklich. Als ich in die Pubertät kam, war es für mich nur natürlich, mich auch körperlich zu meiner Fantasie hingezogen zu fühlen. Irgendwann empfand ich sie nicht mehr nur als Möglichkeit abzuschalten, sondern entwickelte sehr starke Gefühle für sie.

Um zu verstehen, wie man für etwas Fiktives überhaupt Gefühle haben kann, ohne, dass hierbei ein physisch greifbares Gegenüber existiert, musst Du wissen, dass es sich bei diesen Fantastereien um Tier-Mensch-Hybriden, Anthros, handelte.

Das waren Geschöpfe, Tieren ähnlich, die auf zwei Beinen laufen und sprechen konnten. Wesen, die mein Leben vom Anbeginn meiner Zeit bis zu deren Ende begleiteten. Ich hatte viel mit ihnen erlebt, schwere Zeiten mit ihrer Hilfe überwunden und wurde so irgendwann ein Teil ihrer Welt.

Wer oder was diese Kreaturen waren, woher sie kamen, wo sie lebten und was sie ausmachte: Die Antworten darauf werden Dich nicht immer erfreuen, soviel sei vorab gesagt. Wenn Du aber den Mut hast weiterzulesen, manchmal vielleicht die Zähne zusammenzubeißen, dann verspreche ich Dir, wirst Du eine sehr lehrreiche, fantastische und ehrliche Geschichte lesen, wie Du sie noch nie vernommen hast …

Einst war ich Chenerah Gajaze.

Doch eigentlich war ich es nicht. Das war nur der Name, den ich mir einst selbst gegeben hatte. Ein Name, den die Welt um mich herum nie akzeptierte. Ich gab ihn mir aus Liebe und Leidenschaft und er war bezeichnend für meine Ehrerbietung, die ich meiner Welt zuteilwerden ließ. Er war auferstanden aus den Wirren eines Krieges, den mein Geist mit sich selbst führte, einem Kampf dreier Persönlichkeiten. Es ging keiner von ihnen um die Vorherrschaft in meinen Gedanken, jedoch wollte jede von ihnen Teil der anderen sein, ewig miteinander verbunden, geordnet und klar.

Der Weg dorthin fiel mir nicht leicht und es kostete unendlich viel Kraft zu begreifen, dass dieser Kampf meine Persönlichkeit ausmachte.

Meinen drei Geistern zu helfen, sich miteinander zu vereinen, war das schwierigste Unterfangen, welches ich je erstreiten wollte. Es fiel mir schwer, all ihren Gesprächen und Argumenten zuzuhören, ohne einem von ihnen recht zu geben und die anderen damit zu verletzen.

Ich war ein Kind des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung. So blieb ich auch immer (gefühlt) für mich allein, bis ich irgendwann erkannte, dass es mein inneres Bestreben war, meinen Träumen und Wünschen zu begegnen. Es dauerte viele Jahre, bis ich herausfand, wie einsam ich war, auf der Suche nach diesen Wesen, die ich unter all den Menschen, die mich umgaben, niemals hätte finden können.

Sieben Jahre Einsamkeit. Im Anschluss dann ein Ende mit Schrecken. Das Ende meiner Zeit. Es war ganz nah, das fühlte ich. Hätte ich nicht in diesem Krankenzimmer gelegen, hätte ich es auch so gewusst: Die Zeit rann mir durch meine Hände wie Sand. Unaufhaltsam bahnte sich mein Schicksal seinen Weg, denn meine letzten Tage waren angebrochen.

So lag ich nun da, in diesem Zimmer, an diesem sterilen, trostlosen und einsamen Ort und blickte bewegungsmüde aus dem großen Fenster. Man war meinem Wunsch gefolgt und hatte das Bett Richtung Osten gedreht, dorthin, wo die Sonne aufging.

Konzentriert blickte ich zum Horizont, den der offene Hinterhof des Hospizes freigab. Ich dachte über den anstehenden Termin nach: Mein Psychologe wollte mich besuchen, um mich wieder zu interviewen. Er war sehr aufgeschlossen, was mir sehr wichtig war. Schließlich sollte ich bald an diesem bescheuerten Magenkrebs sterben; und da war es mir schon recht, wenn jemand Neutrales sich anhörte, was ich abschließend zum Leben noch zu sagen hatte.

Ich wollte keine großen Reden schwingen oder irgendwelche Weisheiten zum Besten geben, die ich eh nicht zu meinen Erkenntnissen zählte, sondern einfach nur reden. Über mein Leben, meine Ideen, das alles hier. Über Glaube, Liebe, Hoffnung – nicht über die Traurigkeit, die ich logischerweise empfand. Ich meine, nicht jeden Tag bekommt man die erschütternde Diagnose ›Krebs im Endstadium‹. Sie war unumstößlich, sollte mich aber nicht davon abhalten, jemandem meine Geschichte zu erzählen – im Gegenteil: Jetzt hatte ich das drängende Gefühl, es sei an der Zeit; und ich hoffte, es bliebe genug von ihr übrig um all das zu sagen, was ich glaubte loswerden zu wollen.

Immer wenn ich aus diesem Fenster starrte und die Leute beobachtete, die im Innenhof Angehörige in Rollstühlen durch die Gegend fuhren, schienen manche von ihnen verschwunden, andere hinzugekommen zu sein.

Alle, die sie dasaßen, mussten sterben.

Die Alten und Jungen.

Dazu waren sie schließlich hier.

Merkwürdigerweise konnte ich in den Augen ihrer schiebenden Genossen nie einen Ausdruck wahrhaftiger Trauer entdecken. Still und langsam rollten sie diese Karren vor sich her, in Gedanken wohl gar nicht realisierend, dass es stets das letzte Mal sein könnte, dass sie ihre Lieben sehen würden.

Mein Sinnieren wurde harsch unterbrochen, als plötzlich die Zimmertür aufging und ich erschrak. Mein Psychologe war gekommen und klopfte wieder einmal nicht an. Manieren hatte er nicht, aber vielleicht gefiel er mir deswegen auch so.

Er war Mitte vierzig, trug einen Vollbart und hatte grau meliertes Haar. Manchmal wirkte er schusselig und irgendwie so, als würde er sein Äußeres vernachlässigen. Obwohl ich der Meinung war, er hätte mehr aus sich machen können, schien er jedoch nicht ungepflegt zu sein.

»Hallo und guten Tag, Herr Gajaze! Wie geht es Ihnen heute?«, fragte er und ging auf mein Bett zu.

»Sie haben mich ganz schön erschreckt«, schmetterte ich dieser Floskel entgegen.

»Tut mir leid.«

»Alles in allem ist es schon ganz nett hier, sobald meine Drogen anfangen zu wirken. Sie machen die Sache hier deutlich bunter.«

Der Psychologe grinste und holte sich einen Stuhl, den er neben mein Bett stellte und sich setzte.

»Haben Sie heute Ihr Diktiergerät dabei?«, fragte ich.

»Ja, habe ich«, bestätigte er und holte besagten Gegenstand aus der Tasche seines langen, braunen Mantels.

»Das ist schön«, lächelte ich und fragte ihn nach seinen Vorstellungen vom Ablauf des heutigen Interviews.

»Nun«, seufzte er und legte den Apparat auf den Nachttisch, »ich würde sagen, wir machen es so wie immer. Sie wollten mir heute ja etwas mehr erzählen. Legen Sie los, wann immer Ihnen danach ist. Ich und das Diktiergerät sprechen nicht und hören nur zu. Solange Sie möchten und sich fit genug fühlen, versteht sich. Ich jedenfalls habe viel Zeit mitgebracht.«

Ich nickte.

»Sie können auch jederzeit aufhören oder pausieren. Alles wird auf der Speicherkarte aufgezeichnet. Ich kann die Datei dann im Nachhinein bearbeiten.«

Ich dachte kurz nach und sagte dann: »Sie sollten wissen, dass ich Ihnen die volle Wahrheit sagen werde.«

»Das setze ich voraus, Herr Gajaze. Das ist schließlich in Ihrem Interesse«, bestätigte der Psychologe. »Lügen würde ja keinen Sinn ergeben.«

Ich blickte einen Moment lang erneut zum Fenster und mahnte: »Sie werden Dinge hören, die keiner von denen jemals verstanden hat. Manches wird sehr böse, anderes sehr abscheulich wirken. Also sagen Sie nachher nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt.«

»Herr Gajaze …«, entgegnete er, worauf ich den Kopf wieder in seine Richtung drehte, »Sie können hier sagen, was immer Sie wollen. Niemand wird Sie für irgendwas je zur Rechenschaft ziehen.«

»Ja, schließlich sterbe ich. Was will man mir noch vorhalten?«, meinte ich abwertend.

»Es ist schade, dass Sie sich nicht rechtzeitig haben helfen lassen, aber das war eben Ihre Entscheidung, Herr Gajaze. Ich respektiere das, wie Sie wissen. Es hat durchaus seine Vorteile: Sie sind jetzt quasi unantastbar«, bestätigte mein Zuhörer.

»So ist es. Dann erzähle ich Ihnen jetzt, wer ich bin, wer ich sein wollte und woran ich dabei gescheitert bin. Läuft das Gerät?«

Der Mann erschrak leicht und schaltete den Rekorder ein, was er mir mit einem »So, jetzt« klarmachte.

Mein Herz klopfte stark. Ich war sehr aufgeregt, denn zum ersten Mal würde ich einem Menschen die ganzeGeschichte meiner eigenen Welt erzählen. Vollkommen ungeschminkt, manchmal hart, peinlich, aber auch sehr schön, lustig und euphorisch.

Ich entspannte meinen Körper und atmete tief ein. Es fiel mir leichter, zu sprechen, wenn ich dabei niemanden ansah. Also schaute ich zur Decke, sodass ich in meinen Augenwinkeln nichts mehr erkennen konnte. So wirkte es, als blickte ich in eine reine, weiße Unendlichkeit, die ich fast schon hätte anfassen können.

Ich dachte einen Moment nach, beobachtet von meinem Zuhörer, sinnierte dann: »Die einzige Wahrheit der Welt liegt in ihrer Stille.«

Der Psychologe und ich lachten kurz, denn diese Phrase hatte er in unseren Sitzungen öfter von mir gehört. Er wollte von allem wissen, was ich als wahr empfand, selbst wenn es nie wirklich stattgefunden hatte. Ich schloss meine Augen und holte mir eine meiner Visionen hervor, die ich zeit meines Lebens nie vergessen hatte.

»Meine fiktiven Wesen sind Tiere, die aber wie Menschen auf zwei Beinen laufen. Sie haben Fell, tragen aber Kleidung und können sprechen. Wenn man so will, sind sie eine Art Hybriden-Wesen, Tier-Menschen, Anthros, die ebenso Bedürfnisse haben wie wir. Ich habe irgendwann damit angefangen, mir in solchen Geschöpfen meine Vorbilder zu suchen. Das ging so weit, dass ich mich in eines von ihnen verliebte.«

Der Psychologe schaute mich gespannt an, als ich wieder die Augen öffnete.

»In ein männliches oder weibliches?«, fragte er, obwohl er es eigentlich hätte besser wissen müssen.

Ich antwortete nicht, was in seinem Kopf ein lautes Klingeln hervorzurufen schien.

»Verstehe. Wer war er?«, fragte er weiter.

»Nein, wer ist er?«, korrigierte ich und erzählte weiter, nachdem ich mich räusperte. »Sein Name ist Fox McCloud.«

Als ich diesen Namen nannte, drohte mein Herz förmlich zu zerspringen. Sofort stellte ich mir eine bewegte Szene von ihm vor und grinste. Ein tolles Gefühl!

»Ich habe ihn nicht selbst erfunden. Er ist eine Figur aus einem Videospiel. Wie soll ich sagen? Jemand anderes hat ihn gemacht.« Ich pausierte und suchte nach den passenden Worten, die auch er verstehen würde.

»Was fühlen Sie, wenn Sie an ihn denken?«, fragte mein Zuhörer, offenbar sehr interessiert.

»Tiefe, unendliche Liebe. Eine Art Wärme, Geborgenheit. Ich weiß nicht, woher sie kommt, aber dennoch ist sie da. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass Liebe so stark sein kann, dass man eine ganze fiktive Welt für jemanden entwickelt«, bemerkte ich und drehte meinen Kopf nach links, sodass mein Blick auf das an der Wand hängende Bild Fox McClouds fiel. Sofort erblickte ich vor meinem inneren Auge kurze Bildsequenzen, in denen meine Hand über den pelzigen Körper dieses Fuchses strich.

Mein Gegenüber folgte meinem Blick und schien schlagartig zu verstehen. »Er ist offenbar sehr maskulin«, merkte er an und unterbrach meine Gedanken.

»Allerdings«, grinste ich süffisant. Ich seufzte und sprach weiter, ohne den Psychologen anzusehen: »Nun, wie auch immer … Ich habe mich in ihn verliebt, in ihm einen Ersatz gefunden. Nur deswegen gibt es die Geschichte, die ich Ihnen erzählen will. Und das will ich abschließen, ehe meine Zeit zu Ende geht.«

Nachdenklich fragte mein Zuhörer mich: »Okay, das verstehe ich irgendwie. Was aber soll ich eigentlich mit dem Text anfangen, den Sie hier draufsprechen?«

»Damit können Sie tun und lassen, was immer Sie wollen«, meinte ich. »Sie können daraus ja ein Buch machen. Vielleicht liest es ja jemand. Wichtig ist mir nur, dass ich Ihnen alles erzählt habe.«

»Also gut. Was wir damit machen, können wir später noch besprechen. Ich würde sagen, ich verhalte mich jetzt still und Sie legen einfach los. Sagen Sie, wenn Sie eine Pause brauchen, Herr Gajaze.«

»Okay, also los«, sagte ich und ein weiterer, tiefer Seufzer folgte.

»Die Geschichte besagter Wesen und meiner Liebe zu ihnen beginnt mit der Theorie, dass es immer einen Ursprungspunkt geben muss – vielleicht jemand Göttlichen, der die Ideehatte, etwas zu erschaffen. Dies ist die Entstehungsgeschichte aus der Sicht meiner Freunde, meiner geliebten Wesen, welche ebenfalls auf der immerwährenden Suche nach einer Antwort auf die drei größten aller Fragen waren: »Wer sind wir, woher kommen wir, wo gehen wir hin?«

II. Aram und Eria

R

esidierend am Anfang einer dunklen Stunde schufen sieben Götter die Welt. Sie war nicht die, wie wir sie heute kennen: Dort gab es zuerst nichts als Wasser und die Lande, die unsere Arten heute so zahlreich bevölkern. Als die Schöpfer feststellten, dass die neue Welt farb- und leblos erschien, langweilten sie sich und beschlossen, sie mit vielen verschiedenen Lebewesen zu besiedeln. Dabei ließen sie ihren Ideen freien Lauf: So entwickelte die junge Natur schnell eine Vielzahl von Lebensformen. Jede Art war mit ganz eigenen Fähigkeiten ausgestattet.

Den Göttern gefiel es, dabei zuzusehen, welche Kämpfe sie ausfochten, um den jeweils anderen Rassen überlegen zu sein und das Überleben der eigenen zu sichern. Abermillionen Gattungen bewohnten den Planeten AlphaVul und ähnlich den Tieren auf Gaja, dem Heimatort der Menschen, gab es Säugetiere, Vögel, Reptilien, Amphibien, Fische und einige mehr. Wie auf Gaja waren die Säugetiere keiner komplexen Sprache mächtig. Die vielen Arten verstanden sich auch nicht untereinander und so waren sie gefangen in einem sich stets wiederholenden Wettstreit um die Vorherrschaft auf AlphaVul. Einige von ihnen starben schließlich aus, worüber sich ihre Götter jedoch keine Gedanken machten. Sie amüsierten sich darüber, wenn eine Gattung eine andere mithilfe von Trieben bezwungen und ausgelöscht hatte. Ohne, dass es hier schlichtweg um das Töten des Hungers wegen ging, metzelten sie sich gegenseitig nieder.

Doch einem der Götter gefiel bald nicht mehr, wessen er mitverantwortlich war und er beschloss, dem ein Ende zu setzen. Man wollte einen besseren Planeten schaffen, als es Gaja geworden war. Auf ihr gab es nun, dank der Menschen, keine anderen Tiere mehr außer ihnen selbst. Dieses Schicksal sollte der neuen Schöpfung erspart bleiben und so übertrug der einsichtige Gott den Tieren die Fähigkeit miteinander zu sprechen. Jede Art, die es auf AlphaVul gab, sollte ihre eigene Sprache erlernen und erweitern können. So könnte sie ihre Individualität behalten, würde aber dazu angehalten sein, mit anderen Arten zu kommunizieren und durch das Erlernen ihren Geist zu weiten.

Was ihr Bruder tat, gefiel den anderen sechs Göttern gar nicht, woraufhin sie beschlossen, den Widersacher zu verbannen: Er sollte als einziger Humanoide, als Mensch, auf AlphaVul leben – nackt, blind und stumm. Seine göttlichen Fähigkeiten würden sie ihm nehmen, bis auf die Macht der Unsterblichkeit. Ihr Verwandter sollte nicht einsam und verlassen altern und schließlich verenden, sondern in alle Ewigkeit einen barbarischen Kampf ums Überleben führen. Sie nahmen ihm die Sprache und das Sehen und als Strafe für seine eigenmächtigen, unabänderlichen Taten sollte er aber alle ihn umgebenden Geräusche hören können, wie auch die schmähenden Worte seiner ehemaligen Brüder, der Götter.

Der Abtrünnige lag nackt und stumm auf einer Wiese, und nun würde er von irgendwelchen Tieren getötet und gefressen werden. Zum ersten Mal fühlte er den kühlen Hauch von Wind auf seiner Haut, die er nun besaß. Es kribbelte und er bekam auf seinen Armen eine Gänsehaut.

Er zitterte und versuchte zu schreien, doch es ertönte kein Laut. Der Mensch setzte sich auf und das Gras wog sich, doch sah er nichts davon, hörte es nur. Wo er sich nun befand, konnte er lediglich mit seinen Händen ertasten.

›Euch schwöre ich Rache!‹, dachte er bei sich und blieb still und regungslos lauschend im Gras sitzen, bereit zu sterben, wann immer die anderen ihn lassen würden.

Nach einiger Zeit hörte er, wie sich etwas näherte, und streckte seine Hand danach aus. Das hohe Gras direkt vor ihm raschelte und er hatte sehr viel Angst. Nie zuvor hatte er Geräusche wie diese wahrgenommen und sein Atem wurde immer schneller, als sein Herz ihm bis in die Kehle zu klopfen schien.

Plötzlich spürte er weiches, langes Fell auf seiner Handfläche. Ein warmer Atem schlug ihm entgegen und ein Schnuppern war zu hören.

Als der Mann schon glaubte, sein Ende sei gekommen, erklang plötzlich eine gutmütig klingende, weibliche Stimme: »Fürchte dich nicht.«

›Bitte, hilf mir, wer immer du bist. Bitte friss mich nicht!‹, dachte sich der einstige Gott. Gerne hätte er etwas gesagt, aber so sehr er es auch versuchte: Sein Mund öffnete sich, doch nichts kam dabei heraus.

»Ich bin Eria, eine Wölfin. Du musst der sein, der unseren Völkern ihre Stimmen gegeben hat. Dafür möchte ich dir danken. Deine Brüder haben dich sehr hart dafür bestraft. Armer Freund, lass mich dir helfen und habe bitte keine Angst vor mir. Ich tue dir nichts.«

Die Wölfin leckte sanft über die Hand des Mannes, der dabei anfing zu weinen, zuerst lautlos, dann plötzlich mit einem Schluchzen, welches immer lauter wurde. Er erschrak und zitterte, doch verstand, dass es ihm wieder möglich war, zu sprechen.

»Danke, danke!«, wimmerte er vor Freude und konnte nicht aufhören zu weinen, so glücklich war er darüber.

Zum ersten Mal hörte er seine eigene Stimme und seine Freude darüber konnte er schwer im Zaum halten.

»Gern geschehen«, sprach Eria sanft und versprach, bei ihm zu bleiben, um auf ihn zu achten, sodass kein anderes Tier ihm schaden könnte. »Lege dich schlafen«, sagte sie. »Ich wärme deinen fast haarlosen Körper, damit du die Nacht überstehst. Es wird später sehr kalt werden.«

»Ich danke dir, Eria«, flüsterte der Mann und legte sich eingerollt auf die Seite, denn er wurde plötzlich sehr müde.

Die Wölfin war viel größer als der Ausgestoßene und hatte keine Mühe, seinen Körper mit ihrem zu umschließen. So war der Mensch durch ihr warmes, silbernes Fell geschützt und Eria blieb die ganze Nacht wach. Sie bemerkte bald, dass er schlecht träumte, sich dabei heftig bewegte und zu kämpfen schien. Die Wölfin leckte sanft über sein blondes Haar und beruhigte ihn so.

Als der Mann aufwachte, schien die gutmütige Eria verschwunden zu sein. Verzweifelt tastete er nach ihr und wurde sehr unruhig.

»Eria! Eria, wo bist du?«, rief er und bekam Angst.

»Ich bin hier!«, erklang die Stimme, die er kannte. Schnell lief seine Beschützerin zu ihm und kuschelte sich mit ihrem mächtigen Kopf an seine Hand, damit er ihn ertasten konnte.

»Ich dachte, du hättest mich verlassen«, sagte der Mensch.

»Nein«, flüsterte Eria, »ich verlasse dich nicht. Ich habe dir etwas zu essen mitgebracht.«

»Was ist es?«

»Sagen wir mal, es ist gut, dass du es nicht sehen kannst. Habe es übel zugerichtet«, grinste sie dann.

»Du bist so gut zu mir. Habe ich das denn verdient?«, fragte der Mann sie dann und begann, das rohe Fleisch zu essen. Es war warm, glitschig und schmeckte seltsam, doch hatte der ehemalige Gott nie zuvor das quälende Gefühl von Hunger verspürt und war froh, dass dies Abhilfe versprach.

»Nun, da du uns die Sprache gegeben hast, können wir endlich miteinander reden, statt uns sinnlos zu bekämpfen, weil keiner den anderen versteht. Sicher hast auch du es verdient, gut behandelt zu werden. Deine Brüder verstehen offenbar nicht, dass Liebe und Vergebung allen zustehen.«

Eine kleine Pause entstand, in der auch Eria etwas aß. Sie riss ab und zu ein Stück Fleisch in kleinere Teile und legte sie vor ihrem Freund nieder, der sie dann mit den Händen aufspüren konnte.

»Du warst doch einer von ihnen. Das muss schlimm sein mit den ganzen neuen Eindrücken und Empfindungen. Habt ihr auch Namen? Ich weiß gar nicht, wie mein neuer Freund heißt.«

»Oh verzeih«, begann der Mensch, »ich bin Ephraim. Und ja, es ist schon sehr merkwürdig. Nie zuvor hatte ich Angst, habe Kälte und Wärme gefühlt oder Hunger verspürt. Aber nochmals vielen Dank, dass du mir hilfst.«

»Ah, Ephraim«, sagte Eria sanft, »es freut mich, dich kennenzulernen. Ich helfe dir gern. Du wirst dich an alles hier gewöhnen. Ganz sicher.«

Nach einer Weile schlug sie dann vor, er solle sich auf ihrem Rücken zu einem Fluss tragen lassen, um zu trinken. Er willigte ein und stieg tastend auf die Wölfin. Ihr Fell war sehr weich und der Mann bemerkte, dass sie eine sehr kräftige Fähe sein musste. Jeden einzelnen Muskel spürte er.

Eria brachte ihren Gefährten bis an das Ufer eines Flusses, in den er sich sofort hineinstürzte und zugleich badete und trank, während sie ihm zusah und lächelte. Wieder am Ufer, bedauerte Ephraim, dass es ihm nicht möglich war, Eria und seine neue Heimat zu sehen.

»Gerne hätte ich all die Farben und Lichter, die wir einst geschaffen haben, mit eigenen Augen gesehen. Wenigstens kann ich nun wieder sprechen. Wie hast du das gemacht?«, wollte er wissen.

»Jedes Wesen trägt einen göttlichen Funken in sich und manche von uns lernen, ihn auch zu nutzen und damit Gutes zu tun. Es sind leider nur mit der Zeit immer weniger geworden, die ihre Gaben einzusetzen wissen«, erklärte sie, hob dann plötzlich den Kopf und schnüffelte konzentriert im Wind.

»Ist etwas? Was ist los?«, fragte Ephraim, der ihre Atemgeräusche hörte.

»Ephraim«, sagte die Wölfin und ihre Stimme klang freudig, »wir bekommen Besuch!«

Doch der Mensch befürchtete Schlimmes: »Sag nicht, es kommt jemand, der mich fressen will?!«

»Ach, Blödsinn«, lachte Eria. »Aram, der Fuchs, ist auf dem Weg hierher. Vielleicht kann er uns dabei helfen, eine Bleibe für dich zu finden.« Sie sah kurz auf den Penis des nackten Menschen und sagte dann hämisch: »Außerdem solltest du vielleicht deine nackte Haut einhüllen.«

»Ja«, sagte der dann, »ich habe ja nicht ein so weiches Fell wie du.«

Wenige Augenblicke später kam Aram und setzte sich vor die beiden. Er war ein stattlicher Fuchsrüde und etwas größer als Eria. Er hatte langes, goldenes Fell, das die Sonne reflektierte. Ephraim konnte die beiden stolzen Tiere nicht sehen, sehr wohl aber eine tiefe, männliche Stimme wahrnehmen.

»Hallo, Eria, hallo, äh … Primat«, sagte Aram und musterte den Mann für einen Moment.

»Hallo Aram«, freute sich die Wölfin, »das ist Ephraim. Er ist der Ausgestoßene, von dem man sich erzählt. Ich dachte, du könntest ihm vielleicht helfen. Er weiß noch nicht, wo er bleiben kann, und braucht Schutz vor den kalten Nächten.«

»Ja, das sehe ich«, meinte der Fuchs, »und blind ist er obendrein. Aber ich glaube, da lässt sich was machen. Wäre doch gelacht, wenn wir den Gottheiten nicht ein Schnippchen schlagen könnten! Wir werden sehen.«

Aram überlegte kurz und sagte dann: »Komm näher, Ephraim.«

Der Mensch tat einen Schritt nach vorn und fragte ängstlich: »Was hast du vor?«

»Psst! Lass ihn helfen!«, mahnte Eria.

»Ich werde dir einen Kuss geben, Ephraim«, meinte der Fuchs.

»Was?«, fragte der Mann ungläubig.

Doch ehe er reagieren konnte, gab Aram ihm einen innigen Kuss und schob seine Zunge in Ephraims Mund. Der Rüde schloss die Augen und es machte auf Eria den Eindruck, als genoss er das, was er da tat. Ephraim, der völlig überfordert war, konnte sich nicht dagegen wehren, denn sein Körper erstarrte, als er im Geiste die Stimme Arams hörte: »Dies ist der Kuss, der dich sehend macht.«

Dann ließ der Fuchs plötzlich von ihm ab und Ephraim fiel zu Boden.

»Was ist passiert?«, fragte Eria, sichtlich besorgt um ihren Freund.

»Keine Angst. Das war sicher etwas unangenehm für ihn, aber es musste sein.«

Schnell stand der Mann wieder auf und war völlig außer sich: »Was sollte das? Du verflohtes, stinkendes … Oh, ich kann sehen!« Ephraim betrachtete seine Hände von beiden Seiten, blickte auf und drehte seinen Kopf. Plötzlich konnte er die vielen Farben der Welt mit menschlichen Augen sehen. Der ehemalige Gott sperrte den Mund auf und bewunderte die sich im Wind wiegenden grünen Blätter und rosa Blüten der Bäume, an denen Früchte hingen, die ähnlich den Pfirsichen auf Gaja waren. Er erkannte, wie farbenfroh diese Welt leuchtete und es war viel schöner, sie so zu sehen als aus der Ferne, in der er sich zuvor befand. Erst jetzt bemerkte er auch den Duft, den die Blumen und das grüne Gras verströmten, und war überwältigt von der Schönheit des Planeten, den auch er einst miterschaffen hatte.

»Ich hatte ja keine Ahnung, wie schön er ist!«, staunte er und blickte in Arams Augen. »Vielen Dank, guter Fuchs! Ich danke dir vielmals! Ich entschuldige mich für das, was ich im Begriff war zu sagen. Verzeih mir bitte.« Die Erscheinung der beiden Tiere gefiel dem Mann sehr und er gab zu: »Ich hatte auch keine Ahnung, welch Schönheiten wir einst erschaffen haben. Wie konnten wir nur so dumm sein und euch gegeneinander kämpfen lassen? Was haben wir uns nur dabei gedacht? Ihr seid wunderschön!«

»Ja, ist ja schon gut, kein Problem«, beschwichtigte der Rüde. »Ich freue mich, wenn ich dir helfen konnte. Nun lasst uns aber überlegen, wie wir eine dauerhafte Bleibe für dich finden.«

»Vorerst könnte er bei uns wohnen«, schlug Eria vor.

»Bei uns?«, fragte Ephraim erstaunt.

»Ja, bei uns«, begann der Fuchs dann. »Du solltest wissen, dass Eria und ich ein Paar sind. Ich weiß, es ist ungewöhnlich.«

Dann sah er die Wölfin lächelnd an und sie fügte hinzu: »Aber es war Liebe auf den ersten Blick.«

»Ja, ich verstehe. Ihr seid beide auch sehr schöne Tiere«, lobte der Mensch. »Es tut mir leid, dass wir Götter euch so behandelt und ignoriert haben. Ich wünschte, ich könnte das ungeschehen machen.«

»Das muss dir nicht leidtun. Wäre es anders gelaufen, hätten Aram und ich uns vielleicht nie getroffen, denn wir hätten einander nicht verstehen können«, sagte Eria.

»Ich werde einen Teil davon wiedergutmachen, indem ich euch die Freiheit vor den Göttern schenke«, rief der Mensch aus, erhob seine Hand und ein kleines Leuchten erschien in seinem Körper. Der Schein teilte sich entzwei und jeweils eine Hälfte flog einem der Tiere zu, bis das Licht plötzlich in Arams und Erias Fell verschwand.

»Was war das?«, fragte die silberne Wölfin irritiert.

»Das«, begann Ephraim, »ist die Freiheit, alles zu tun und zu lassen, was ihr wollt, ohne, dass die Götter irgendeinen Einfluss auf euch haben. Sie haben nun keinerlei Macht mehr über euch. Ich habe meine Eigenschaft, ein Gott zu sein, aufgegeben und sie euch geschenkt.«

»Welch großes Geschenk! Das können wir unmöglich annehmen«, meinte Eria.

»Ihr könnt. Und ich glaube, dass euch das eines Tages nützen wird«, entgegnete Ephraim.

»Aber ich dachte, sie hätten dir deine göttlichen Mächte genommen?«

»Nicht alle«, sprach der Mensch.

»Wie dem auch sei. Danke, Ephraim. Was auch immer dieses Geschenk bedeuten mag. Lasst uns nun aber zu uns nach Hause gehen. Bis wir dort sind, ist es fast dunkel«, mahnte Aram. »Außerdem solltest du dir so etwas wie ein Fell besorgen. Wir können nicht die ganze Nacht mit dir kuscheln«, befahl er Ephraim, »denn schließlich habe ich ja eine Fähe, mit der ich kuscheln kann.«

Ephraim stimmte lächelnd zu: »Du hast recht. Ich suche mir einen Fetzen Fell von einem Aas.«

Auf ihrem Weg erlegte Eria ein kleines Wildschwein und zog ihm mit ihren Fangzähnen die Haut ab.

»Ich hoffe doch, das ist kein Fuchsfell«, scherzte Aram, als sie wieder zu den anderen beiden stieß.

»Nein, das ist Wildschwein. Ich hoffe, das geht in Ordnung, Ephraim.«

Mit einem Nicken bestätigte dieser und Aram wunderte sich darüber, was zuvor passiert war: »Ephraim, dein Geschenk an uns … Ich sehe, du hast einige deiner Fähigkeiten behalten. Warum hast du dich denn dann nicht selbst sehend und sprechend gemacht?«

»Nun«, erklärte der Mann und wurde sichtlich traurig, »ich habe nicht viele Fähigkeiten behalten. Selbst heilen konnte ich mich offenbar nicht. Ich kann nur das mir innewohnende Licht, den Götterfunken, kontrollieren. Durch die Übertragung von Seelenanteilen an euch beide bin ich nun sterblich und werde als erster und letzter Mensch auf diesem Planeten allein zugrunde gehen.«

»Warum sagst du das?«, wollte die Wölfin wissen, als sie schon fast am Ziel waren.

»Du hast neue Freunde gefunden. Zugegeben, vermehren kannst du dich mit uns ja nicht, aber wir werden an deiner Seite und immer für dich da sein, wann immer du uns brauchst«, schwor Aram.

»Ich danke euch sehr. Ich bin froh, Freunde wie euch gefunden zu haben. Nun habe ich ein Gefühl, welches sich kaum beschreiben lässt: Geborgenheit trifft es wohl am ehesten.«

Nach einer Weile, es war schon dunkel geworden, kamen sie an dem Bau der beiden Tiere an, der eine steinerne Höhle war.

Der Rüde erklärte: »Hier leben wir. Das ist unser Zuhause.«

»Klein aber fein«, stimmte Eria zu.

Sie gingen hinein und während sich Wolf und Fuchs hinlegten, setzte sich der Mensch zu ihnen. Dann machte er eine Handbewegung über dem Boden und es erschien eine Art leuchtende Kugel, die über der Erde schwebte und den ganzen Bau in ein warmes Licht hüllte.

»Das ist wunderschön«, freute sich Eria.

»Ja, sehr romantisch«, stimmte ihr Mann zu.

Das helle Lichtspiel bestrahlte die steinernen Wände der Höhle, sodass der Fels glitzerte. Aram und Eria sahen einander sehr zufrieden und verliebt an. Ihr Freund bemerkte dies und schob vor, müde zu sein, um die Tiere für sich sein zu lassen – schließlich wollte er keine Belastung sein.

»Träum schön, Ephraim. Wenn wir uns schlafen legen, kommen wir zu dir«, raunte die Wölfin.

»Keine Sorge. Ich träume von meinen neuen Freunden in einer neuen Welt. Danke, dass ihr mich gerettet habt. Das werde ich euch nie vergessen. Das verspreche ich. Schlaft gut.«

Ephraim legte sich etwas abseits, während Aram und Eria sich darüber unterhielten, wie traurig es für den armen Menschen sein musste, als einziger seiner Art in einer ihm völlig neuen Umgebung leben zu müssen. Schließlich hatte Ephraim nur noch sie beide. Aber sie hofften, dass die anderen Götter irgendwann Gnade zeigen und ihn wieder bei sich aufnehmen würden.

»Weißt du, wie sehr ich dich liebe, mein Schatz?«, fragte Aram seine Frau nach einer Weile.

»Ja, ich denke, in etwa so, wie ich dich.«

»Und viel mehr.«

Sie begannen damit, einander zart zu küssen und Ephraim, der ihnen zum Schlafen den Rücken zugewandt hatte, hörte still zu.

»Schade, dass du mir keine Welpen schenken magst«, bedauerte Aram.

»Wir müssen es einfach weiter versuchen. Ich werde es jedenfalls nie aufgeben«, schwor Eria.

Ephraim dachte darüber nach: Leider schienen sie nicht zu wissen, dass sie niemals Welpen bekommen würden, denn schließlich war Aram ein Fuchs und Eria eine Wölfin. Eine Kreuzung zweier Arten untereinander war von ihren Erschaffern nie vorgesehen worden. Plötzlich kam dem ehemaligen Gott eine Idee, welche er aber vorerst für sich behalten wollte. Er dachte noch ein wenig nach und hörte unweigerlich mit an, dass die beiden Tiere sich immer wieder liebkosten und sich schließlich miteinander verpaarten. Als sie ihren unüberhörbaren Höhepunkt erlebten, schlief Ephraim ein und die Tiere schmusten noch eine ganze Weile miteinander.

Am nächsten Morgen wachte der Mann auf, drehte sich um und beobachtete den Fuchs und die Wölfin eine Zeit lang: Sie hatten sich sehr eng aneinandergelegt und es wirkte fast schon menschlich, wie innig sie sich allem Anschein nach liebten. Sie wirkten wie verschlungenes Silber und Gold, wie eine Einheit, etwas Untrennbares.

Zunächst wachte Aram auf und blinzelte Ephraim an. »Hallo, Ephraim«, sagte er leise.

»Guten Morgen, Aram.«

»Ich hoffe, du hast gut geschlafen«, gähnte der Fuchs und streckte langsam seine Glieder.

»Ja, das habe ich, nachdem ihr euch geliebt hattet.«

Der Rüde schaute überrascht und sagte beschämt: »Oh, tut mir leid. Ich wollte nicht, dass du das mitbekommst.«

»Na, warum denn nicht? Ist ganz natürlich und somit in Ordnung. Aber ich muss dir sagen, dass deine Frau auf normalem Wege keine Welpen von dir bekommen kann.«

»Was? Woher willst du das wissen?«, erschrak Aram.

»Nun, sie ist ein Wolf, du ein Fuchs. Wir Götter hatten festgelegt, dass das nicht möglich sein sollte, um die Rassen nicht zu vermischen. Die Natur ist bunt genug. Es sollte ja nichts entarten, wenn du verstehst, was ich meine.«

Aram bestätigte traurig: »Ich verstehe.«

Er blickte Eria an und hatte Tränen in den Augen, als Ephraim ihm plötzlich seine Idee offenbarte: Er hatte vor, ihr die Möglichkeit zu geben, Welpen zu bekommen, obwohl Aram und sie unterschiedlichen Gattungen angehörten.

»Ich werde einen Teil meines Lichtes einsetzen, um eine Ausnahme zu machen: Ich schenke euch Welpen. Ihr seid so gut und freundlich zu mir gewesen, dass ich gar nicht anders kann, als gegen bestimmte Gesetzmäßigkeiten zu verstoßen.«

Das Gesicht des Fuchses hellte sich wieder auf, als er davon hörte. »Das wäre das größte Geschenk, welches du uns machen kannst. Aber hast du uns nicht schon viel zu viel gegeben?«, fragte er, als der Mensch ihn mit einer Handbewegung anwies, still zu sein.

Ephraim schloss die rechte Hand und sagte dann: »Dies ist mein Samen, den ich deiner Eria geben werde.«

In seiner Faust erstrahlte ein Leuchten und er ging zu ihr, betrachtete die schlafende Wölfin. »Sie ist schön, stark und weise«, sagte er.

»Ja, das ist sie«, stimmte Aram zu und beobachtete den Menschen, der mit geöffneter Hand die Weiblichkeit Erias berührte: Es schien, als verteilte er das Licht auf ihrer Scham.

»Du musst nachher mit ihr schlafen, damit es funktionieren kann«, sagte er dann.

»Wenn du mich so darum bittest …«, lächelte der Rüde, »dann werde ich dem Wunsch gerne folgen.«

»Ha! Das sollte dir nicht allzu schwerfallen, wie ich die Sache so einschätze«, lachte der Mensch leise. »Lege dich wieder zu ihr. Sie wacht gleich auf. Ich lasse euch eine Weile allein. Habt Spaß miteinander. Ich sehe mich etwas in der Gegend um«, sprach er weiter.

Ephraim zog sich aus dem Bau zurück, um die beiden Tiere sein (und ihr) Werk vollenden zu lassen, als Eria die Augen öffnete und fragte: »Was ist los? Wo ist Ephraim?«

»Er will sich ein wenig in der Gegend umsehen. Er sagte, er würde wohl bis zur Mitte des Tages nicht wiederkommen.« Das war zwar eine kleine Lüge, die der ›Sache‹ jedoch durchaus dienlich sein würde. »Also wären wir eine ganze Weile allein, Eria.«

»Ich glaube, ich weiß, was du meinst. Würdest du denn schon wieder wollen?«, grinste sie.

»Oh ja!«, antwortete der Fuchs mit einer gewissen Erotik in seiner Stimme. »Es war gestern wieder so schön. Ist es denn ein Wunder, dass ich von dir nie genug bekommen kann?«

Die Tiere begannen, sich lange und zärtliche Zungenküsse zu geben. Eria stand kurz darauf auf und drehte ihrem Mann ihr Hinterteil zu, um ihm zu zeigen, dass sie für ihn bereit war. Sie drehte ihren Kopf leicht zur Seite und lächelte Aram süßlich an.

»Komm, mein starker Rüde!«, befahl sie und wackelte anregend mit dem Hintern.

Als sie ihre Paarung beendet hatten, legten sie sich wieder hin und sprachen liebevoll miteinander:

»Aram.«

»Ja, Schatz?«

»Ich fühle, dass es diesmal geklappt hat. Wir werden Welpen bekommen, das weiß ich einfach.«

»Nun«, seufzte der Fuchs, »ich hoffe es. Hab Geduld, es wird schon werden. Was denkst du, wie viele Welpen es werden könnten? Ich meine, wenn es denn diesmal funktioniert haben sollte. Was sagen deine weiblichen Instinkte?«

Eria grinste: »Wenn ich so in deine schönen, blauen Augen sehe, dann könnten es gar nicht genug Babys sein, die du mir schenkst«, und entlockte damit ihrem Gefährten ein sanftes Lächeln.

»Jetzt sollten wir aber langsam etwas zu Essen organisieren, ehe es spät wird«, schlug der vor.

Eria nickte und sagte: »Ich gehe nach der Jagd mal nach Ephraim suchen. Er wird dann sicher auch hungrig sein.«

»Gut. Pass auf dich auf, Süße.«

»Du auch, mein Herz.«

Nach ihrer Verabschiedung verließen sie ihr Heim und gingen jeweils in eine andere Richtung.

Eine halbe Ewigkeit schien vergangen zu sein, als die sanftmütige Wölfin die Suche nach ihrem Menschenfreund schon aufgeben wollte, doch plötzlich lautes Husten vernahm. Sie folgte dem Geräusch und erschnüffelte die Fährte Ephraims. Dann sah sie den Mann auf einer Lichtung liegen und rannte zu ihm, während sie immer wieder seinen Namen rief.

»Ephraim! Oh nein! Was ist passiert?«, schrie sie, als sie bei ihm war.

Ihr Freund lag blutüberströmt dort. Sein Bauch war aufgerissen und die Därme lagen zum Großteil neben ihm. Es grenzte an ein Wunder, dass er noch lebte. Ephraim atmete schwer und ruckartige Zuckungen am ganzen Körper machten ihm das Sprechen schwer. Seine Verletzungen waren tödlich, das erkannte die Wölfin sofort, versuchte aber, ihm einzureden, dass alles wieder gut werden würde.

»E-Eria!«, stotterte Ephraim.

»Nein, nicht sprechen!«, flehte sie mit Tränen in den Augen und begann, hastig das Blut von seinem Kopf zu lecken, während er nach Luft schnappte und röchelte.

»Du, du hast mich gefunden! Ein Bär … Ich wollte nur … T-tut mir leid!«

»Still, still! Alles wird wieder gut, Ephraim. Ich muss nur das Blut beseitigen, dann wird das wieder«, sprach sie hastig und leckte wirr des Menschen Körper.