Waldgeheimnisse - Wohllebens Waldakademie - E-Book

Waldgeheimnisse E-Book

Wohllebens Waldakademie

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Beschreibung

Wie funktioniert ein Baum? Wem gehört der Wald? Können Bäume kommunizieren?

»Waldgeheimnisse« nimmt seine Leser*innen mit auf eine Entdeckungsreise durch den Wald, bei der mit gängigen Mythen aufgeräumt wird und man aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommt. Neben den unglaublichen Fähigkeiten eines einzelnen Baumes erzählt es vom Zusammenleben einer Baumfamilie, geht auf tierische und menschliche Spurensuche und weckt durch interaktive Aufgaben den Entdeckergeist.

Mit zahlreichen Abbildungen, Fotos und Steckbriefen wird anschaulich alles erklärt, was wir schon immer über den Wald wissen wollten.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 283

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WOHLLEBENS

WALDAKADEMIE

WALD

GEHEIMNISSE

Der Waldführer für Entdecker

Impressum

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Mit diesem Buch wird das UrwaldProjekt von Wohllebens Waldakademie in der Eifel unterstützt. Von Natur aus wäre Deutschland zu über 90 Prozent von Wald bedeckt, der größte Teil davon Buchen- oder Buche/Eichen-Mischwälder.

Alte Buchenwälder sind die Regenwälder Europas, und ähnlich wie in den Tropen ist es auch um sie sehr schlecht bestellt. Buchenwälder ab Alter 180 haben nur noch einen Anteil von 0,16 Prozent an der Landfläche. Die alten Laubwälder des UrwaldProjekts werden konsequent geschützt und für kommende Generationen erhalten.

In den Wald-Schutzgebieten des UrwaldProjekts wird auf natürliche Weise CO2 in alten Wäldern gespeichert und somit das Klima entlastet. Gleichzeitig übernimmt das Projekt auch eine wichtige Rolle im Erhalt der Biodiversität.

Durch das Einscannen dieses QR-Codes gelangen Sie auf die Website von Wohllebens Waldakademie und können die alten Laubwälder, die Sie mit dem Kauf dieses Buches schützen helfen, live erleben und sogar vor Ort besuchen.

Alle Aussagen und Informationen zu giftigen Wildkräutern wurden gründlich geprüft. Sollten Sie sich nicht sicher sein, dass es sich tatsächlich um die im Buch beschriebene, essbare Pflanze handelt, sehen Sie vom Verzehr ab. Für eventuelle Schäden übernimmt der Verlag keine Haftung.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Originalausgabe 2024

Copyright © 2024 by Ludwig Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Angelika Lieke

Mitarbeit: Johanna Wohlleben, Patrick Esser, Jonas Weinand, Peter Wohlleben,

Maura Beusch, Laura von Witzenhausen und Tobias Wohlleben

Covergestaltung: Eisele Grafik·Design, München,

unter Verwendung eines Fotos von © Adobe Stock/Nhan, Robsonphoto (vorne)

und © Wohllebens Waldakademie (hinten)

Layout und Gestaltung: Eisele Grafik·Design, München

Illustrationen: Mascha Greune, München

Bildredaktion: Tanja Zielezniak

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

978-3-641-30181-1

www.Ludwig-Verlag.de

INHALT

Vorwort

Einleitung

Kapitel 1

WIE FUNKTIONIERT EIN BAUM?

Gefährliche Kinderstube

Die Schichten des Baumes

Wie wächst ein Baum?

Die Wurzeln – das Gehirn des Baumes

Wie ernähren sich Bäume?

Wie trinken Bäume?

Abwehrstrategien und Todesursachen

Kapitel 2

BÄUME AUF DER WIESE UND IM GARTEN

Pionierbaumarten

Die Zitterpappel

Die Birke

Überlebensstrategien von Apfel- und Walnussbaum

Kapitel 3

HERAUSFORDERUNGEN DES LEBENS

Strategien bei Trockenheit

Lerneffekt und Epigenetik

Klimaanlage und Regenmacher

Kapitel 4

IM WALD

Licht und Schatten

Bäume als soziale Lebewesen

Langsam zum Ziel

Pilze – die unterirdischen Helfer

Die Sprache der Bäume

Die Sprache der Pilze

Duftkommunikation

Totholz als Lebensraum und Klimaanlage

Wenn Bäume schlafen

Flechten und Moose

Kapitel 5

FASZINATION WALDBODEN

Woraus besteht Waldboden?

Unsichtbare Artenvielfalt

Wie speichert der Boden Wasser?

Kapitel 6

AUF DEN SPUREN DER WALDTIERE

Die richtigen Fragen stellen

Steckbrief Fuchs

Wildwechsel

Rabenvögel

Eichelhäher

Elster

Kolkrabe

Spechte

Schwarzspecht

Mittelspecht

Buntspecht

Das Vertrauen der Vögel gewinnen

Kapitel 7

ESSBARES AUS WALD UND WIESE

Warum Wildkräuter sammeln?

Die Angst vor dem Fuchsbandwurm

Ist das giftig?

Kapitel 8

DIE JAHRESZEITEN IM WALD

Frühling

Sommer

Herbst

Winter

Kapitel 9

WALD UND MENSCH

Wem gehört der Wald?

Was ist im Wald erlaubt?

Was darf im Wald gesammelt werden?

Warum brauchen wir überhaupt Wald?

Wodurch schaden wir dem Wald?

Das Drama der Bodenverdichtung

Kapitel 10

ZUKUNFTSVISIONEN FÜR DEN WALD

Klimafaktoren

Durchschnittstemperatur und Hitzetage

Niederschlag

Waldbrand

Wie gehen wir aktuell mit dem Wald um?

Holzeinschlag in Deutschland

Lücken im Kronendach

Monokulturen

Zukunftsbaumarten

Holzverbrauch in Deutschland

Waldvision: Gedankenspiel für die Zukunft

Forstwirtschaft neu gedacht?

Sinnvolle Subventionen

Waldbesitzende als Waldguides

Was können wir selbst für den Wald tun?

Ernährung

Bewusster Konsum

Engagement

Kapitel 11

ABENTEUER WALD

Die Kunst des Feuermachens

Zunder

Richtig Feuerholz sammeln

Die Feuerstelle

Der richtige Feueraufbau

Übernachten im Wald

Komfortzone langsam erweitern

Der richtige Untergrund

Wetterschutz

Tipps gegen Kälte

Nahrung für das Waldabenteuer

Notfallset

Apotheke und Lifehacks aus der Natur

Outdoor-Körperpflege

Ideen für dein Mikroabenteuer

Kleine Outdoor-Challenges für zwischendurch

 

Schlusswort

Antworten auf die Quizfragen

Endnoten

Bildnachweis

Impressum

Vorwort

Ein Buch, welches all das zusammenfasst, was man bei einem Waldspaziergang oder gar Abenteuer braucht – das wär’ es doch! Nein, das ist es, denn du hältst es gerade in der Hand. Es ist, wie viele andere Bücher aus dem Hause Wohlleben, auf vielfache Nachfrage von Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Führungen und Seminare der Waldakademie hin entstanden, die das Erlebte im Anschluss noch einmal nachlesen wollten. Eine zunächst schwierige Aufgabe, denn der Wald ist ein ganzes Universum, das sich nicht so einfach zwischen zwei Buchdeckel pressen lässt. Will man es dennoch wagen, muss man sich auf die Aspekte konzentrieren, die wirklich relevant sind. Und da ist in diesem Buch ein wirklich bunter Strauß für jede Jahreszeit zusammengekommen.

Zunächst nimmt die Waldakademie dich mit hinaus zu den Bäumen. Keine Sorge, dabei geht es nicht um trockene Bestimmungsübungen, sondern darum, was diese Geschöpfe da draußen eigentlich treiben. Und das ist eine ganze Menge! Wusstest du, dass die Zitterpappel zittert, um ihre Blätter zu trocknen? Oder dass Apfelbäume ihre Verwandtschaft vergiften, um in Ruhe ihr eigenbrötlerisches Leben führen zu können?

Wald besteht aber nicht nur aus Bäumen, und deshalb kommen auch Pilze und Tiere nicht zu kurz. Hier geht es ebenfalls mehr um das Entdecken: Wie versetzt du dich am besten in ein Tier, um herauszufinden, wo du besonders erfolgreich seine Spuren finden kannst? Dazu brauchst du ein paar Daten und Fakten, um à la Sherlock Holmes ermitteln zu können, und diese werden natürlich geliefert. Das macht unglaublich viel Spaß, übrigens ganz besonders Kindern. Und falls dir der Wald so gut gefällt, dass du gleich draußen übernachten möchtest: Bitte schön, auch hierzu findest du jede Menge Tipps und Tricks, die das Leben draußen erleichtern. Vom Errichten eines Lagers über das Feuermachen und grüne Snacks, die an jeder Ecke von der Natur angeboten werden, bieten sich viele neue Erfahrungen und kulinarische Erlebnisse. Selbst ungeliebte Pflanzen wie die Brennnessel werden spätestens nach der Zubereitung als Chips der Renner bei deiner nächsten Outdoor-Party sein – versprochen!

Doch Moment – darf man das denn überhaupt alles im doch recht intensiv regulierten Deutschland? Auch hier klärt die Waldakademie auf und ordnet verlässlich ein, damit du dein Abenteuer ohne Sorgen auf amtliche Zurechtweisung genießen kannst.

Leider ist nicht nur alles eitel Sonnenschein, und deshalb darf ein Streifzug durch Forstwirtschaft und Klimawandel nicht fehlen. Täglich erreichen uns düstere Nachrichten über Themen wie das keineswegs umweltfreundliche Heizen mit Holz, über Kahlschläge und Waldbrände. Doch die Waldakademie ist optimistisch, dass wir den Wald retten können. Und es handelt sich dabei nicht etwa um Zweckoptimismus, sondern um echte Zuversicht, die sich aus einer Reihe von Lösungsmöglichkeiten speist. Etliche davon kannst vielleicht sogar du in deinen Alltag integrieren.

Kurz und gut: Das Buch »Waldgeheimnisse« soll die Lust in dir wecken, gleich nach dem Lesen die Wanderschuhe zu schnüren und hinaus zu den Bäumen zu gehen. »Wir lieben den Wald«, so lautet das Motto der Waldakademie, und dieser Liebe wurde hier Ausdruck verliehen.

Nur was wir lieben, werden wir auch schützen – in diesem Sinne wünsche ich dir viel Spaß mit diesem Handbuch und anschließend draußen im Wald!

 

Peter Wohlleben

Einleitung

Der Wald – es gibt kaum einen Ort, mit dem wir so viele Kindheitserinnerungen, mystische Fantasien und ein Gefühl von Entschleunigung verbinden. Er scheint oft die letzte Möglichkeit in unserer ansonsten so aufgeräumten Landschaft zu sein, in der wir einen Hauch von Abenteuer und Wildheit erleben können, ein Ort, an dem es noch ungelüftete Geheimnisse und Unvorhersehbares gibt. Auf der anderen Seite machen sich zunehmend viele Menschen – zu Recht – Sorgen um unsere Wälder: An vielen Stellen muss der Wald weichen, um Platz zu machen für Industriestandorte oder Windkraftanlagen oder um unseren anscheinend nie endenden Holzhunger zu stillen. Haben wir überhaupt noch richtigen Wald?

Mit unserem Buch möchten wir die Geheimnisse des Waldes wieder zugänglich machen und das eine oder andere Rätsel lüften. Wir möchten dazu anregen, wieder auf Streifzüge zu gehen, sich auf Spurensuche zu begeben oder Wildkräuter zu sammeln. Wir werden uns das Lebewesen Baum anschauen, die Lebensräume dieses Giganten und seine Vorlieben und Besonderheiten, das dunkle Reich des Waldbodens erforschen und die verschiedenen Jahreszeiten im Wald erleben. Vor allem räumen wir aber auch mit gängigen Mythen auf, die sich rund um das Thema Wald etabliert haben, einem genaueren Blick meist jedoch nicht standhalten können.

Wie geht es zukünftig mit dem Wald weiter? Welche Veränderungen hält der Klimawandel bereit, und was können wir als Einzelpersonen tun, um die Entwicklungsrichtung zu beeinflussen? Was muss passieren, damit wir auch zukünftig einen gesunden Wald haben, der auch den folgenden Generationen noch Raum für Abenteuer und Erholung bietet?

Mit diesem Buch versuchen wir als Team von Wohllebens Waldakademie, Antworten zu geben auf die vielfältigen Fragen zu diesem umfassenden Thema, aber vor allem möchten wir Hoffnung machen und die Lust wecken, den Wald wieder als das zu sehen, was er eigentlich ist: ein Wunderwerk der Natur.

Kapitel 1

WIE FUNKTIONIERT EIN BAUM?

Bäume sind hochkomplexe Lebewesen. Selbst grundlegende Funktionen wie den Wassertransport innerhalb eines Baumes hat man bis heute nicht abschließend geklärt. Und dennoch schreitet die Wissenschaft in großen Schritten voran – mittlerweile wird sogar am Schmerzempfinden von Pflanzen geforscht. In diesem Kapitel lüften wir einige Geheimnisse dieser wundervollen Lebewesen.

Gefährliche Kinderstube

Bäume sind Lebewesen. Genau wie Tiere und Menschen haben sie einen Stoffwechsel, nehmen ihre Umwelt wahr und interagieren mit ihr. Sie haben keinen Blutkreislauf und kein pumpendes Herz, und doch sind sie lebendig – anders zwar als Tiere und Menschen, aber ihnen dennoch überraschend ähnlich. Bäume müssen ihr Leben lang am selben Fleck stehen, anders als wir Menschen können sie weder bei Gefahr weglaufen, noch können sie sich ihre Nachbarn aussuchen. Gerade deshalb sind sie in der Lage, ihr Leben lang auf Umwelteinflüsse zu reagieren und sich gegen Feinde zu verteidigen – vorausgesetzt, sie sind gesund.

Werfen wir doch einmal einen genaueren Blick auf die langsamen Giganten und schauen uns an, wie ihr Körper aufgebaut ist.

Das Leben eines Baumes beginnt mit der Befruchtung der Blüten seiner Eltern. In den anschließend gebildeten Samen liegt zusammengefaltet der Embryo. In seinen Genen ist der komplette Bauplan für den Baum enthalten – inklusive gehaltvoller Nährstoffe und reichlich Stärke, damit das Baumkind Wegzehrung für den Start hat. Ist es feucht und mild genug, beginnt ein Samen oft schon nach wenigen Wochen zu keimen. Zunächst bildet sich eine Wurzel, mit der sich der kleine Baum an Ort und Stelle in den Boden vortastet und dort verankert. Erst danach bildet er einen Spross, der seine ersten Keimblättchen Richtung Licht streckt. Die Keimblätter haben häufig eine andere Form als die nachfolgenden Blättchen. Bei Buchenkeimlingen erinnern sie an fleischig dunkelgrüne Schmetterlingsflügel. Die Keimblätter beginnen nach ihrer Entfaltung direkt mit der Fotosynthese und stellen für den kleinen Baum den ersten Zucker her, den er nutzen kann, um die nachfolgenden Zweige und Blätter zu entwickeln.

Keimende Eiche

Nun hat der kleine Baum einen langen Weg vor sich – er wächst unermüdlich Richtung Licht, sofern er nicht zu stark von seinen Familienmitgliedern beschattet wird. Die Mutterbäume bremsen den Nachwuchs, denn nur ein langsamer Jugendstart garantiert ein langes Leben. Je natürlicher seine Umgebung, desto dunkler ist der Wald und desto länger wird es dauern, bis der Tag kommt, an dem mehr Licht für ein rasches Wachstum zur Verfügung steht. Bis dahin kann viel passieren: Ein Wildschwein verspeist den Keimling, ein Reh stutzt den zarten Trieb herunter, oder es ist einfach zu dunkel und der Keimling stirbt irgendwann wieder ab. Von den knapp zwei Millionen Bucheckern, die eine Buche in ihrem Leben hervorbringt, wird nur ein einziges Baumkind zu einem Riesen heranwachsen, der genauso groß und alt wird wie der Mutterbaum – wenn es gut läuft.1 Alle anderen Geschwister werden entweder bereits als Buchecker verspeist oder zersetzt, die übrigen sterben als Jungspunde in der Kinderstube ab.

Wenn im Keimlingsstadium alles gut gegangen ist, wächst der kleine Baum ganz langsam und gemächlich weiter in Richtung Licht. Dafür bildet er jedes Frühjahr neue Triebe aus.

Hat er viel Licht zur Verfügung, sind diese Triebe Dutzende Zentimeter lang, bekommt er jedoch kaum Licht, kann es sein, dass er in einem Jahr nur wenig mehr als einen Millimeter wächst. Solche wartenden Jungbäume erkennt man daran, dass ihre Seitentriebe länger sind als ihre Höhentriebe.

Die Schichten des Baumes

Stehen wir vor einem Baum, schauen wir nur auf die Haut und die äußeren Körperteile wie Zweige, Blätter und Wurzeln. Die inneren Schichten bleiben unseren Blicken in der Regel verborgen.

Die Borke, als Teil der Baumrinde, ist die äußerste Hülle, die genau wie unsere Haut den Baum vor Sonnenlicht, Nässe, Trockenheit und Krankheitserregern wie beispielsweise Pilzen schützt. Genau wie unsere Haut stößt auch der Baum hier regelmäßig alte, abgestorbene Zellen ab – er schuppt sich. Je nach Baumart sind diese abgestoßenen Teile unterschiedlich groß: Bei Platanen platzen riesige Borkenstücke von den Bäumen, und auch bei älteren Kiefern kann man diese um den Stamm herum am Boden liegen sehen. Bei anderen Arten wie der Buche oder der Hainbuche sind die kleinen Schuppen für unsere Augen kaum sichtbar. Manchmal kann man an bestimmten Baumarten auch besondere Phänomene beobachten. Bei den sogenannten »Kragenkiefern« stehen einzelne Bereiche der Borke in kreisförmig angeordneten Schuppen von den Kiefernstämmen ab. Ein ungewöhnlicher Anblick, der sicher schon so manchen Waldspaziergänger verwundert hat. Wie genau dieses Phänomen zustande kommt, ist wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt.2

Glattrindige jüngere Laubbäume weisen manchmal waagerechte punktförmige Reihen kleiner Narben auf. Hier waren im Frühjahr Spechte zugange, die an süßes Baumwasser gelangen wollten. Kurz bevor die Blätter austreiben, herrscht im Baum ein hoher Wasserdruck, und Löcher in der Rinde lassen dieses Wasser austreten. Das lassen sich die Spechte schmecken, aber auch Ameisen, die manchmal kreisförmig um die nassen Flecken herumsitzen, genießen das süße Wasser.

Spechtringelung in einem glattrindigen Laubbaum

Je älter der Baum wird, desto langsamer verliert er Schuppen. Dadurch halten sich ältere Lagen der Rinde außen am Baum, und da diese alten Schichten zum neuen, größeren Durchmesser nicht mehr passen, reißen sie ein. Auch die Bäume sind also vor Falten im Alter nicht gefeit – ebenso wie unsere Haut wird die schützende Hülle mit den Jahrzehnten (und Jahrhunderten) immer faltiger und rissiger. Das kann dazu führen, dass eine mehrere Hundert Jahre alte Buche von der Rinde her irgendwann einer Eiche ähnelt – man sieht ihr die Jahre einfach schon von außen an.

Wird ein Nadelbaum an der Rinde verletzt, versucht er, die Wunde mit Harz gegen Eindringlinge zu schützen. Denn das, was unter der äußersten Schicht liegt, ist kostbar und sehr verletzlich. Borkenkäferattacken gegen gesunde Fichten bewirken, dass der ganze Baumstamm mit glitzernden, klebrigen Tröpfchen übersät ist. Grundsätzlich ist das ein Zeichen dafür, dass die Fichte die Attacke gut abwehren konnte.

Unter der Borke befindet sich das Bastgewebe. Es besteht aus den Zuckerleitungen des Baumes. Dort transportiert der Baum frisch produzierten süßen Saft aus der Krone in die unteren Teile des Baumes, bis hinab in die Wurzeln.

Unter dem Bast liegt die dünnste, empfindlichste, aber auch wichtigste Schicht: das Kambium. Es ist die Lebensgarantie für den Baum, weil es die einzige Schicht des Stammes ist, die zu Wachstum und Erneuerung fähig ist. Nach außen zur Borke gibt sie stetig neue Rindenzellen ab, aber auch nach innen Richtung Holz werden immer wieder neue Zellen hinzugefügt: So entsteht das Dickenwachstum des Baumes mit den Jahresringen. Das Kambium ist sehr nährstoffreich und daher ein Leckerbissen etwa für Borkenkäfer-Kinder. Hat ein Schädling es jedoch erst einmal unter die Borke geschafft, wird es gefährlich, denn ist das Kambium ringsherum großflächig beschädigt, verliert der Baum die Möglichkeit, weiter zu wachsen – er stirbt.

Unter dem Kambium liegt das Splintholz. Es enthält das Xylem, ein Leitgewebe, das dem Transport von Wasser dient – also die Wasserleitungen des Baumes. Man kann sie oft sogar schon mit bloßem Auge erkennen, wenn man sich einen quer aufgeschnittenen Stamm anschaut – ein feiner Ring aus kleinen Poren. Diese Wasserleitungen kann man sich wie feine, durchgehende Röhrchen vorstellen, die sich von den Wurzeln durch die ganze Länge des Stammes bis in die Zweige erstrecken.

Im Inneren des Stammes liegt das Kernholz. Es ist inaktiv und nicht mehr an der Wasserleitung beteiligt. Mit zunehmendem Alter wird das Kernholz immer umfangreicher – die jeweils neu gebildeten Jahresringe bewirken, dass die ältesten Splintholzringe stillgelegt und zum Kernholz werden. Der Baum verstopft diese nicht mehr benötigten Zellen und verfüllt sie bei manchen Baumarten, wie etwa Eiche, Kiefer oder Lärche, mit pilzhemmenden Stoffen. Deshalb ist das Kernholz oft dunkler und je nach Baumart brauner oder rötlicher als die übrigen Schichten des Baumes. Das lässt sich sogar im verarbeiteten Zustand gut erkennen, etwa an Balken oder Möbeln.

Wie wächst ein Baum?

Wenn man bedenkt, dass das Kambium stetig neue, aktive Zellen Richtung Rinde und Richtung Splintholz abgibt, erklärt sich auch der ringartige Aufbau eines Baumes. Mit jedem Jahr nimmt er an Umfang zu – man spricht hier vom sogenannten Dickenwachstum. Diesen Prozess müssen Bäume lebenslang machen – wer nicht dicker wird, stirbt. Bei Palmen verhält es sich anders – hier bleibt der einmal angelegte Stamm im Durchmesser immer gleich. Deshalb werden sie auch nicht zu den Bäumen gezählt.

Das Wachstum können wir bei gefällten Bäumen an den Jahresringen ablesen. Bei dem noch kleinen, im Schatten langsam wachsenden Nachwuchs kann das allerdings bedeuten, dass man eine Lupe benötigt, um die Ringe ablesen zu können.

Die Jahresringe bestehen aus einem hellen und einem dunkleren Teil. Der helle Teil entsteht beim Wachstum im Frühjahr, weil die Zellen dann größer und luftreicher sind. Der dunklere Teil bildet sich im Sommer, wenn das Wachstum bereits verlangsamt ist und die Zellen kleiner sind. In einem Jahr entsteht also immer ein Ring, bestehend aus einem hellen und einem dunklen Teil.

Bäume überdauern uns Menschen um ein Vielfaches. Der älteste bekannte Baum der Welt ist eine unscheinbare Fichte in Nordschweden, deren Alter Wissenschaftler auf knapp zehntausend Jahre bestimmt haben. Bedenkt man, dass viele Waldbäume erst im Alter von 40–60 Jahren geschlechtsreif werden und mit der Samenbildung beginnen, liegt auf der Hand, dass das natürliche Baumalter weit über die Lebensdauer von forstlich genutzten Bäumen hinausgehen muss, die bereits im Alter zwischen 25 und 140 Jahren gefällt werden. Urwaldbäume, wie Buchen und Eichen, können viele Hundert Jahre alt werden. Bei den Offenland- und Pionierbaumarten ist die Altersspanne kürzer – diese Bäume wachsen im satten Sonnenlicht schneller und verausgaben sich dadurch früher. Birken werden zum Beispiel nicht viel mehr als 120 Jahre alt – und das auch nur, wenn die Standortbedingungen günstig sind.

Bezüglich des Baumwachstums gibt es neuere wissenschaftliche Erkenntnisse: Ein Schweizer Wissenschaftlerteam rund um Dr. Roman Zweifel hat herausgefunden, dass ein Baum pro Nacht einige Zehntelmillimeter an Radius zunehmen kann. Auf die Stunde gerechnet sind das etwa ein bis fünf Mikrometer Wachstum. Klagen also manche Kinder nachts über Wachstumsschmerzen in den Beinen – es ist nachgewiesen, dass Knochen vor allem nachts wachsen –, so geht es den Bäumen ähnlich. Anders als bislang angenommen, wachsen auch sie vor allem in den Nachtstunden, wenn es dunkel ist und der Baum keine Fotosynthese betreiben kann.3

Probier’s aus:

Wenn du an einem gefällten Baumstamm vorbeikommst, kannst du das Alter des Baumes anhand der Ringe zählen. Zu einem Ring gehört immer ein heller und ein dunkler Teil. Am einfachsten ist es, wenn du einfach nur die hellen oder nur die dunklen Ringe zählst.

Die Wurzeln – das Gehirn des Baumes

Flachwurzler, Herzwurzler, Pfahlwurzler – Bäume scheinen schnell in Kategorien eingeteilt zu sein, wenn es um die Form und Größe des Wurzelraums geht. Viele Menschen haben die Fichte als klassischen »Flachwurzler« abgespeichert. Sieht man umgestürzte Fichten, die der Sturm erwischt hat, legt der klägliche Wurzelteller oft nahe, dass der unterirdische Teil des Baumes grundsätzlich bescheiden aussehen muss. Das liegt allerdings daran, dass die weit nach den Seiten ausstreichenden Ausläufer beim Umstürzen in ein bis zwei Meter Entfernung vom Stamm abreißen.

Dass sich die Wurzeln der Bäume in simple Kategorien einteilen lassen, ist ein Irrglaube. Zunächst einmal sind viele unterschiedliche Faktoren dafür verantwortlich, wie die Wurzeln eines Baumes aussehen. Stammt er vielleicht aus einer Baumschule und wurde im Jugendstadium im Wurzelraum beschnitten? Ein solcher Eingriff kann weitreichende Folgen haben und sich lebenslang auf die Fähigkeit des Baumes auswirken, tiefe Wurzeln auszubilden. Zum Flachwurzler werden Bäume also oft schon durch den Wurzelschnitt.

An welchem Standort wird er angepflanzt? Ist er überhaupt heimisch?

Die Universität Wageningen stellt online einen Wurzelatlas zur Einsicht zur Verfügung. Ein Blick auf unterschiedliche Baumarten lässt hier schnell einige Gemeinsamkeiten erkennen: Die meisten Bäume wurzeln in unseren Breiten nicht tiefer als ein bis zwei Meter. In der Breite sieht das Ganze jedoch schon anders aus: Hält sich in vielen Köpfen noch immer das Bild vom Wurzelraum, der in seiner Größe der Krone des Baumes entspricht, so ist es in der Realität oft das Doppelte des Kronendurchmessers, in vielen Fällen sogar deutlich mehr.4

Probier’s aus:

Stell dich beim nächsten Waldspaziergang einmal unter einen gut zugänglichen Waldbaum und wirf einen Blick in die Krone: Wie weit dehnt sie sich aus? Wo begegnet sie den Nachbarbäumen?

Dann gehe direkt vom Fuß des Stammes aus zum äußersten Rand der Krone und zähle währenddessen deine Schritte. Wenn du am Rand der Krone angekommen bist, gehe die gleiche Anzahl Schritte in dieselbe Richtung weiter. Nun hast du einen ungefähren Anhaltspunkt, wie weit die Wurzeln des Baumes mindestens reichen. Dann wird auch schnell klar, warum in einem natürlichen Wald Bäume einer Art im Wurzelraum miteinander vernetzt sind. Das ist übrigens ein Experiment, das wir mit unseren lieben Gästen im Rahmen einer »Wanderung zum geheimen Leben der Bäume« häufig ausprobieren, und es löst immer großes Erstaunen und Begeisterung aus!

Die Wurzeln des Baumes sind jedoch nicht nur dafür zuständig, den Baum an seinem Standort im Boden zu verankern. Sie sind ebenfalls entscheidend für die Fähigkeit des Baumes, Wasser und Nährstoffe aufzunehmen und sich mit den Artgenossen und Familienmitgliedern im Wald zu vernetzen. Die Wurzeln, die vom Stamm aus in den Boden reichen, können so dick wie Äste werden, weil auch sie Jahresringe bilden. Genau wie die Krone des Baumes – und hier stimmt die Parallele – verzweigen sie sich nach außen hin immer weiter, bis am Rand des Wurzelraums nur noch feine Haarwurzeln zu finden sind. Diese tasten sich langsam und beständig durch das dunkle Erdreich und erforschen die Umgebung. Sind hier ausreichend Platz und Luft zum Wachsen verfügbar? Gibt es Feuchtigkeit und Nährstoffe? Oder ist etwas im Weg, was der Baum meiden sollte?

Die Wurzeln der Fichte (nach dem Wurzelatlas der Universität Wageningen)

Wenn Bäume in eine neue Richtung wachsen: Fico al contrario

Im Gegensatz zu Tieren und Menschen können Bäume bis zu ihrem letzten Tag ihre Form verändern. Wir Menschen sind irgendwann ausgewachsen und werden im Laufe unseres Lebens nur noch etwas dicker oder dünner. Ein Baum kann jedoch bis zu seinem Tod immer wieder neue Körperteile bilden, sollte es notwendig sein. So sind Bäume in der Lage, in plötzlich entstandene Lichtlücken hineinzuwachsen, also völlig neue Äste zu bilden und Teilen ihrer Krone eine ganz neue Form zu geben. Es kann passieren, dass ein Baum, der auf einem Tunnel wurzelt und dessen Wurzeln irgendwann das Mauerwerk durchdrungen haben, dort unten wieder grüne Blätter bildet, wo die Wurzeln an Licht und Luft gelangen. Das ist absolut sinnvoll – schließlich können Wurzeln, auf der anderen Seite des Mauerwerks in der Luft hängend, ihre normale Funktion nicht mehr erfüllen.

Stehen Bäume auf dem Kopf?

Bei einem Waldspaziergang sehen wir nur einen Teil der dort existierenden Lebewesen. Stamm und Krone eines Baumes sind in ihrer Ausdehnung häufig kleiner als der Wurzelraum. Ein Baum kann unter Umständen ohne Krone und Stamm weiterleben, wenn er von seinen Artgenossen über Wurzelverwachsungen versorgt wird. Ohne Verbindung zu den Wurzeln würde er jedoch innerhalb kurzer Zeit sterben.

Wir können uns also vorstellen, dass die entscheidenden Körperteile des Baumes im Erdreich stecken – hier werden die Nährstoffe aufgenommen und die Kommunikation mit den Nachbarbäumen abgewickelt. Das, was wir als »Baum« oberirdisch sehen, ist im Wesentlichen ein Ständer für die grünen »Solarzellen«, die möglichst günstig in Richtung Sonne positioniert werden müssen, damit der Baum sich ernähren kann.

Inzwischen vermuten Wissenschaftler, dass in den Wurzeln die Kommandozentrale des Baumes steckt. František Baluška von der Universität Bonn und Stefano Mancuso von der Universität Florenz haben gehirnähnliche Funktionen in den Zellen von Pflanzenwurzeln entdeckt. In den Wurzelspitzen werden Informationen über die Umgebung im Erdreich registriert und verarbeitet. Anschließend erfolgt eine Weiterleitung in die Region hinter der Wurzelspitze und dort an die Wachstumszonen. Auf diese Weise kann die Wurzel innerhalb weniger Stunden ihre Wuchsrichtung verändern.5

Diese Arbeitsweise ist der Funktionsweise eines Gehirns in der Tierwelt sehr ähnlich. Dennoch werden Begriffe wie »Gehirn« oder »Neurobiologie der Pflanzen« in der Wissenschaft kritisch diskutiert. Die Pflanzenforschung steht in diesen Fragen bisher noch relativ am Anfang.

Wie ernähren sich Bäume?

Als imposante Vertreter des Pflanzenreichs sind Bäume in der Lage, den Löwenanteil ihrer Nahrung selbst herzustellen – ein Vorteil, der sie klar vom Tierreich und den Pilzen unterscheidet. Die Kraftwerke der Bäume befinden sich in den Blättern – hier wird der überlebensnotwendige Zucker produziert, den der Baum braucht, um sich zu ernähren.

Betrachten wir den Aufbau eines Laubblattes, so können wir hier unterschiedliche Schichten feststellen.

Die oberste Schicht des Blattes ist wie eine schützende Haut, die verhindert, dass das Blatt austrocknet – man kann sie bei einem fertig entwickelten Blatt an der wachsartigen Oberfläche erfühlen. Die darunter liegenden Zellen haben eine elliptische Form – man spricht hier vom Palisadengewebe – und enthalten die meisten Chloroplasten. Chloroplasten sehen unter dem Mikroskop wie kleine grüne Kügelchen aus – in diesen Kügelchen findet die Fotosynthese statt. Das Palisadengewebe bündelt das Sonnenlicht, das als Energie in den Chloroplasten benötigt wird. In den unteren Blattschichten befindet sich das Schwammgewebe – dort findet der Gasaustausch statt. Zusätzlich haben Blätter an der Unterseite Spaltöffnungen, mit denen sie den Stoffaustausch regulieren. Mit dem bloßen Auge sind sie nicht sichtbar, unter dem Mikroskop jedoch sehen sie aus wie kleine Münder, die der Baum aktiv öffnen und schließen kann, um CO2 einzuatmen und Sauerstoff auszuatmen.

Wie atmet ein Baum?

Über seine Spaltöffnungen kann der Baum CO2 einatmen und Sauerstoff ausatmen. Nachts, wenn kein Sonnenlicht zur Verfügung steht, schließt der Baum die vielen kleinen Münder.

Im Winter hingegen produziert der Baum nichts, sondern verbraucht bei seinen Stoffwechselvorgängen den eingespeicherten Zucker und veratmet dafür, genau wie wir Menschen, Sauerstoff. Deshalb geben schlafende Bäume zu dieser Jahreszeit nur CO2 an die Umgebungsluft ab.

Die Fotosynthese an sich ist ein chemisch komplexer Vorgang. Vereinfacht können wir uns die Chloroplasten wie eine kleine Fabrik vorstellen. Der Baum kann Fotosynthese nur betreiben, wenn er ausreichend Wasser getrunken hat. Zusätzlich atmet der Baum CO2 aus der Umgebungsluft über die Spaltöffnungen ein. Um aus diesen beiden Zutaten Zucker herstellen zu können, wird viel Energie benötigt – hier kommt nun das Sonnenlicht ins Spiel: In den Chloroplasten wird die geballte Sonnenenergie umgewandelt und dient als Energielieferant, damit der Baum Wasser und CO2 chemisch auseinandernehmen und zu etwas völlig Neuem zusammensetzen kann: dem Zucker. Bei diesem Prozess bleibt ein Abfallprodukt übrig, das der Baum nicht gebrauchen kann und über die Spaltöffnungen ausatmet: der Sauerstoff.

Der frisch produzierte Zucker wird von den Blattzellen über die Leitbündel des Baumes in die Zweige, Äste, den Stamm und die Wurzeln transportiert. Der Baum benötigt ihn zur Herstellung von Stärke, die wiederum die Energie liefert, um Fette und Eiweiße herzustellen. Die Blätter sind nur vorübergehender Aufenthaltsort für die Stärke. Sie wird in der Regel in den im Erdreich geschützten Wurzeln gespeichert, um für die Zeiten zur Verfügung zu stehen, in denen der Baum keine Fotosynthese betreiben kann, also nachts und im Winter.

Lebt ein Baum nur von Zucker?

Der Zucker, den der Baum produziert, ist ein wesentlicher Bestandteil seiner Ernährung. Doch Zucker allein reicht nicht – um zu überleben, braucht der Baum noch andere Nährstoffe und Mineralien, wie beispielsweise Stickstoff und Phosphor, die er über die Wurzeln aufnimmt und über die Wasserleitungen nach oben in Stamm und Krone transportiert.

Wenn wir uns vor Augen halten, dass ein Baum für die Zuckerproduktion auf Wasser, Luft und Sonnenlicht angewiesen ist, wird auch klar, warum ein sehr trockener Sommer für die Bäume so viel Stress bedeuten kann: Sie haben zwar sehr viel Sonnenenergie zur Verfügung, doch wenn die Komponente Wasser knapp wird, kann der Baum keine Fotosynthese betreiben. Das führt oft dazu, dass die Bäume dann die Regenfälle im Spätsommer und Herbst ausnutzen müssen, um ihren Zuckervorrat für den Winter aufzufüllen. Doch das birgt ein Risiko: Schließlich muss sich der Baum in dieser Zeit eigentlich schon vor dem nahenden Frost schützen, indem er rechtzeitig den Prozess des Laubabwurfs einläutet. Von außen betrachtet sehen wir jedoch meistens nur eines: Die Herbstfärbung der Bäume findet später statt als in Jahren mit nicht so trockenen Sommern.

Wie trinken Bäume?

Wir haben den Prozess der Zuckerherstellung von den Blättern bis zur Stärkeeinspeicherung in den Wurzeln verfolgt und festgehalten, dass der Baum für die Fotosynthese Wasser benötigt, das er mit den Wurzeln aus dem umgebenden Erdreich aufsaugt. Wie der Baum diese großen Mengen Wasser (eine ausgewachsene Buche kann an einem heißen Sommertag bis zu 500 Liter verbrauchen)6 von den Wurzeln in die Blätter pumpt, um sie dort für die Fotosynthese zur Verfügung zu stellen, ist jedoch nach wie vor ein ungeklärtes Phänomen. Zieht man Schulbücher oder das Internet zu Rate, findet man hier scheinbar schnelle Erklärungen, die häufig aus einer Kombination aus den Prozessen Osmose, Kapillarität und Transpirationskraft bestehen.

Osmose werden die meisten aus dem Biologieunterricht kennen: Zwei benachbarte Zellen sind durch eine Membran getrennt. Liegt in einer Zelle eine höhere Zuckerkonzentration vor als in der anderen, dann diffundiert Flüssigkeit durch die Membran, um die Konzentration wieder auszugleichen. Wenn wir jedoch einen Blick auf die Wasserleitungen des Baumes werfen, stellen wir fest, dass wir kleine, durchgehende Röhrchen vor uns haben.

Rätselhafter Wassertransport

Obwohl es in den Schulbüchern anders dargestellt wird, ist der Wassertransport im Baum bisher nicht komplett erforscht. Die Erklärung passt meistens nur dann, wenn der Baum voll entwickelte Blätter hat. Doch wie erklärt sich der hohe Wasserdruck im zeitigen Frühjahr, wenn eine Transpiration gar nicht stattfinden kann, weil die Laubbäume noch gar nicht ausgetrieben sind?

Osmose kann folglich gar nicht stattfinden, da hier keine Membranen vorhanden sind, die dies ermöglichen würden.

Auch die Kapillarkraft kommt als Erklärung für den Wassertransport schnell an ihre Grenzen: Es handelt sich dabei um ein physikalisches Phänomen, das Flüssigkeiten in einer dünnen Röhre nach oben steigen lässt. Beobachten kann man dieses Phänomen im Strohhalm, wenn wir ihn in ein Wasserglas stellen. Je dünner die Röhre ist, desto höher steigt die Wassersäule.

Diese Kraft reicht jedoch selbst in den allerdünnsten Leitbahnen der Bäume nur in wenige Meter Höhe – dann ist Schluss. Da Bäume jedoch über 115 Meter hoch werden können, lässt sich der Wassertransport nach oben damit leider nicht erklären.

Ähnliches gilt für die Transpirationskraft: Die Theorie sagt, dass Bäume Wasser über die Blätter verdunsten und dadurch ein Unterdruck entsteht, der automatisch Wasser von unten nachzieht. Der höchste Wasserdruck im Stamm herrscht jedoch im zeitigen Frühjahr vor dem Laubaustrieb, wenn die Knospen kurz davor sind, sich zu öffnen und die Blätter zu entrollen. Hier ist also noch kein einziges Blatt in der Krone, das Wasser verdunsten und damit »ansaugen« könnte.

Wir können festhalten, dass es irgendeine Form der Pumpfunktion im Baum geben muss – wie der Prozess genau funktioniert, muss jedoch erst noch geklärt werden.

Probier’s aus:

Wenn du ein Stück von einem Birkenstämmchen zur Verfügung hast, kannst du zu den Wasserleitungen des Baumes ein einfaches Experiment durchführen:

Schmiere etwas Seife oder Spülmittel auf die eine Seite des Stämmchens und puste dann am anderen Ende mit viel Kraft hinein. Da der Luftstrom ungehindert durch die Wasserleitungen strömt, kannst du auf diese Weise Schaumblasen erzeugen und die Wasserleitungen dadurch sichtbar werden lassen!

Abwehrstrategien und Todesursachen

Bäume sterben in der Regel langsam, wenn sie nicht von einer Orkanböe abrupt umgeworfen werden oder abbrechen. Selbst in diesem Fall kann es zuweilen noch Jahre dauern, bis der Baum wirklich kein einziges grünes Blatt mehr produziert – denn manchmal reißen die Wurzeln nicht komplett ab und sind auf der Seite, zu der der Stamm gefallen ist, noch mit dem Boden verbunden. Der Baum versucht, sich mit diesem Restsystem am Leben zu erhalten. Bricht die Krone ab, so bildet sich oft eine Ersatzkrone aus neu austreibenden Zweigen. Das dauert Jahre und ist nicht immer von Erfolg gekrönt.

In der Regel stirbt ein Waldbaum jedoch an einer Pilzinfektion. Pilzsporen sind überall in der Atemluft vorhanden und können sich innerhalb weniger Minuten auf eine offene Wunde setzen. Und eine solche Wunde kann leicht entstehen: Vielleicht fliegt ein baulustiger Schwarzspecht vorbei und hackt ein Loch in den Stamm. Dazu nutzt er sogar gezielt Pilze als Helfer, denn die begonnene Baustelle lässt der Vogel oft lange unbearbeitet. Die Pilze zersetzen das Holz am geplanten Eingang und machen es dadurch weicher und leichter bearbeitbar.

Es kann aber auch ein Ast sein, der abbricht und dem Pilz das Eindringen in den Stamm ermöglicht. Wir Menschen sägen ebenfalls gerne an Bäume herum, um sie zu beschneiden. In jedem Fall beginnt jetzt ein Wettrennen: Der Pilz versucht, schneller zu sein als der Baum und sich zielstrebig ins Holz hineinzufressen. Das feine Röhrensystem im Holz ist für die mikroskopisch feinen Pilzfäden wie eine breitspurige Autobahn, die es ihnen erleichtert, in das Bauminnere vorzudringen. Genau dies versucht der Baum zu verhindern, indem er das befallene Gewebe abschottet und die Wunde schließt – allerdings so langsam, dass es Jahre dauern kann, bis der Stamm wieder verschlossen ist. Eine gesunde Fichte verfügt noch über eine weitere Waffe: Sie pumpt eine Ladung Harz in die offene Stelle, um den Eindringling abzuwehren.

Gewinnt der Pilz jedoch das Rennen und kommt im stillgelegten Kernholz an, ist der Baum machtlos: Hier kann er nicht mehr aktiv reagieren, und nun beginnt ein manchmal jahrzehntelanger Zersetzungsprozess.