Waldo - Klaus D. Wagner - E-Book

Waldo E-Book

Klaus D. Wagner

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Beschreibung

Die Christianisierung der Heiden unter Karl dem Großen war oft brutal und gnadenlos. Ohne Waldo, einem gemäßigten Christen an seiner Seite, hätte es noch viel schlimmer werden können. Lassen Sie sich in das frühe Mittelalter entführen und erleben Sie die Intrigen zur Christianisierung der Alemannen vor 1250 Jahren.

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Der Autor

Klaus-Dieter Wagner wurde am 11. Juni 1952 in Esslingen bei Stuttgart geboren und verbrachte seine Jugend in Bad Urach, im Herzen der Schwäbischen Alb.

Nach dem Abitur studierte er Werbetechnik und Werbewirtschaft an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Seine erste Anstellung erhielt er bei einer internationalen Werbeagentur in Frankfurt am Main.

1982 wanderte Klaus D Wagner nach Sydney, Australien aus und gründete 1988 seine eigene, erfolgreiche Marketingagentur mit vornehmlich deutschen Großkunden.

2001 erhielt Klaus D Wagner das Bundesverdienstkreuz als Anerkennung für seine sozialen Engagements zur Verbesserung der deutsch-australischen Beziehungen.

Das Ehepaar Wagner hat zwei erwachsene Kinder und lebt in Sydney, Bad Urach und in Seeburg, wo dieser historische Roman seine Wurzeln hat.

Bisherige Bücher von diesem Autor:

Waldo - Der Priester Karls des Grossen

Gotzbert - Der Schreiber Karls des Grossen

Karolus - Das Leben Karls des Grossen

Soul - Thriller (mit Co-autor Roger McAuliffe)

Pater Franz - Polemisch-romantische Tragödie

Historischer Roman.

Dieser historische Roman ist ein fiktionales Prosawerk, dessen Handlung in der Zeit Karls des Grossen spielt. Trotz erheblicher Recherchen werden oft fiktive Ereignisse und Personen aufgeführt und Orten zugeteilt welche von historischen Fakten oft stark abweichen und der Fantasie des Autors zuzurechnen sind.

In Memoriam Waldo

“Niemals wird dein Gedächtnis an jenem Ort veralten, und so lang diese flüchtige Welt fortbesteht, wird dein Name unaufhörlich gerühmt werden, Waldo, oh du heiligster Mann!”

Die Mönche von Saint-Denis im Jahr 814

anlässlich Waldos Tod.

Widmung

Es ist mir ein großes Anliegen, Waldo nach 1250 Jahren in seiner alemannischen Umgebung wieder in Erinnerung zu bringen und ihm dieses Buch zu widmen.

Auch Gotsbert hoffte, durch die Spende seiner der Jungfrau Maria geweihten Kirche am 12. Oktober 777, in dem alemannischen Dorf Seeburg für immer in Erinnerung zu bleiben. Ihn möche ich daher in meine Widmung einschließen.

Eine besondere Anerkennung gebührt meinem Geschichtslehrer, Herrn Studiendirektor a. D. Frank Räth, für den letzten Feinschliff des Textes.

Natürlich danke ich auch meiner Familie und meinen Freunden für ihre Unterstützung während des Verfassens dieser historischen Erzählung.

Inhaltsverzeichnis

In Memoriam

Prolog

Historie

Schwert

Kreuz

Beichte

Ankunft

Taufe

Liebe

Tod

Zuflucht

Kindheit

Schulzeit

Vereint

Ravenna

Schmerz

Blutbad

Abschied

Verbannung

Konfrontation

Missionar

Glaubenssymbole

Abschlussprüfung

Erleuchtung

Priesterweihe

Norden

Ablehnung

Glauben

Hingabe

Beisetzung

Rettungsmission

Besuch

Schenkung

Süden

Sünde

Epilog

Postskriptum

Waldos Wege

Donatio Waldonis

Ich bin in Gottes Obhut in der Gemarkung Münsingen genannt Waldo und mache eine Schenkung für mein Seelenheil dem Heiligen Märtyrer Nazarius, der da rastet im Körper im Kloster Lorsch, wo der Abt Gundeland im Namen Roms verantwortlich ist, damit ich in der Alemannischen Gemarkung Münsingen und der Gemarkung Auingen immer präsent sein möge: eine Kirche, Land und Wiesen und eine Kirche im Dorf Trailfingen und eine weitere in Seeburg. Dokumentiert für das Kloster Lorsch am 11. Juni im zweiten Regierungsjahr König Karls. (770AD)

Prolog

Das zuvor abgebildete Dokument, welches im Jahre 770 auf Ziegenfell geschrieben wurde, befindet sich noch heute als Original im Bayerischen Staatsarchiv zu Würzburg unter Urkunden Nummer 3220 Reg. 510. B.

Ist es heute möglich, anhand der wenigen überlieferten Fakten, den Lebensweg dieses Waldo nachzuvollziehen?

Welcher Familie entstammt er? Warum kam er in die Gemarkung Münsingen? Was bewegte ihn dazu, Kirchen in den kleinen Flecken Trailfingen und Seeburg zu errichten? Was sind seine Verbindungen zu dem sehr weit entfernten Lorsch? Und, ist er jener Mönch, welcher im August des Jahres 770 im Kloster Sankt Gallen urkundlich in Erscheinung tritt?

Diese Fragen interessierten mich nicht nur deshalb so sehr, weil ich zu Seeburg eine besondere Beziehung habe, sondern auch aufgrund der Tatsache, daß ich am 11. Juni Geburtstag habe. Das war der Tag der Schenkung im Jahre 770.

Für Sie, liebe Leser, mag es interessant sein, daß ich seit über 30 Jahren in Sydney, Australien wohne und somit limitierten Zugang zu heimischen Archiven habe.

Dennoch ließ mich das Interesse, die Vergangenheit dieses Waldo zu erforschen nicht los und so verbrachte ich drei Jahre damit, das Rätsel: ‚Wer war Waldo?‘ zu lösen.

Das Internet erlaubt Einblicke in historische Bücher, welche im frühen Mittelalter zu Zeiten Waldos geschrieben wurden. Auch das obige Dokument kann man im Umfeld von anderen Stiftungen zu jener Zeit finden.

Selbst die Übersetzung vom Lateinischen ist heute fast ein Kinderspiel.

Waldo war im Mittelalter ein sehr geläufiger Name so wie Walter heutzutage; und gerade unseren Waldo zu finden, war höchst unwahrscheinlich und eine Beweiskette herzustellen, noch viel schwieriger.

Was wußten wir über Waldo aus dem Dokument?

Waldo war ein Christ, schließlich hatte er zwei Kirchen gestiftet.

Waldo lebte im Jahr 770 nach Christus zur Zeit Karls des Großen.

Er hatte eine Beziehung zum Kloster Lorsch, welches zu jener Zeit gerade gebaut wurde.

Ein Abt Gundeland und ein Märtyrer namens Nazarius finden Erwähnung.

Was geschah sonst noch zu jener Zeit in dieser alemannischen Umgebung?

Der Onkel Karls des Großen, Carloman, hielt im Jahre 746 das Blutgericht zu Cannstatt, wo hunderte von schwäbischen Edelmänner wegen ihrer Verweigerung, dem Christentum beizutreten, enthauptet wurden.

Auf dem Runden Berg bei Bad Urach entdeckten Archäologen um 1970 zerbrochene, römische Terrakotta-Schalen, die auf jene Zeit datiert wurden. Die einzige andere Gegend, wo man ähnliche Schalen vom selben römischen Künstler gefunden hat, liegt am Oberrhein.

Die Überquerung der Schwäbischen Alb mit Ochsenkarren war nur durch das Ermstal möglich - Radspuren mittelalterlicher Ochsenkarren sind in der Trailfinger Schlucht noch heute zu sehen.

Nach Ostern im Jahre 770 reiste Bertrada, die Mutter Karls des Großen, von Seltz am Rhein nach Passau. Dies war wegen der schlechten Straßen nur per Boot auf Neckar und Donau und mit einer Landreise entlang der Erms von Neckartailfingen über Seeburg, Trailfingen, Münsingen, entlang der Großen Lauter zur Donau bei Rechtenstein möglich.

Im Sommer des Jahres 770 wurde am Federsee ein Frauenkloster gegründet. Die erste Äbtissin war Adelinde, Schwester der Frau Karls des Großen, Hildegard, die er im Schwabenland kennenlernte und 771 heiratete.

Ende August 770 erscheint ein Mönch namens Waldo im Kloster Sankt Gallen. Dieser wird später Abt von den Klöstern Sankt Gallen und Reichenau, Bischof von Pavia und Basel und letztendlich Reichsabt unter Karl dem Großen in Saint-Denis bei Paris.

Diese und viele andere Begebenheiten erlaubten mir einen Einblick in jene Zeit, als die alemannischen Schwaben zum Christentum übertraten.

Natürlich entspringen einige der historischen Verflechtungen und viele der ideologischen Standpunkte in diesem historischen Roman meiner Fantasie. Der Mesmer und Touristenführer des Kloster Reichenau sagte im letzten Sommer zu mir: „Ich freue mich jedes Jahr über die neuen Theorien der Promotionsschriften zur Gründung des Klosters. Einmal was es Pirmin der die Schlangen und Kröten vertrieb und dann doch wieder jemand ganz anderes. So genau weiß man das nach so langer Zeit eben nicht.“

Auf meine gezielte Frage: „Warum erzählen Sie nichts von dem Abt Waldo?“ antwortete er: „Wir wissen einfach zu wenig über ihn.“

Da möchte ich Hilfestellung leisten. Lassen Sie sich nun in das frühe Mittelalter entführen und erleben Sie die Intrigen der mächtigen Herrscher zu jener Zeit.

DIE CHRISTIANISIERUNG DER HEIDNISCHEN ALEMANNEN.

Historie

Der Apostel Paulus war in Eile. Seitdem er auf dem Weg nach Damaskus eine Vision des von den Toten auferstandenen Jesus Christus hatte, fürchtete er, dass das Jüngste Gericht, das Ende der Welt, nah sei.

Seine Mission war, so viele Juden und Heiden wie möglich zum Christentum, seinem neuen Glauben, zu bekehren. Er predigte, dass nur diejenigen für den Himmel bestimmt seien, die wahrhaftig an Jesus, den Sohn Gottes und Nachfahren König Davids, glaubten. Alle anderen seien auf ewig den Feuern der Hölle geweiht.

Er und seine Gefährten unternahmen zahlreiche Missionsreisen und segelten schließlich nach Rom, Spanien und Britannien, bevor sie nach Jerusalem zurückkehrten, wo Paulus verhaftet wurde und den Märtyrertod starb.

Die aus der Furcht vor dem Ende der Welt geborene Eile bestand während der Dynastien der Merowinger und Karolinger in Europa im frühen Mittelalter fort.

Das königliche Geschlecht der Merowinger erhielt seinen Namen von dem berühmten und fast legendären König Merowech. Dessen Sohn Childerich trat seine Nachfolge an. Als Childerich um 481 nach Christi Geburt im belgischen Tournai verstarb, fiel der Thron an seinen Sohn Chlodwig, und die Franken tauchten auf der Bildfläche auf.

All dies wurde von Georg Florentius, einem gallo-römischen Aristokraten, besser bekannt unter seinem geistlichen Namen, Gregorius Bischof von Tours, aufgezeichnet. König Chlodwig erwies sich als blutrünstiger junger Herrscher, aber trotzdem bewunderte Gregorius seinen Mut und seine Beharrlichkeit und pries ihn als den ersten katholischen König der Franken.

Im siebten Jahrhundert nahmen Wohlstand und Einfluss der Merowingerdynastie dank der wachsenden Macht der Adelsfamilien zügig ab und waren im achten Jahrhundert bereits versiegt. Die merowingischen Könige waren nun nur noch dem Titel nach Herrscher.

Einhard, Freund und Biograf Karls des Großen, fasste die Position von Chlodwigs letzten Nachfahren in lebhaften Worten zusammen: „Dem König blieb nur, sich an seinem Titel und seinem Thron zu erfreuen und mit langem Haar und ungeschnittenem Bart den Herrscher zu spielen.“

Im frühen achten Jahrhundert, während Spanien den maurischen Heerscharen unterlag, trat Karl Martell, ‚Der Hammer‘, in Erscheinung. Als die Moslems in die fränkischen Länder einfielen, jagte Karl sie hinaus und beendete letztendlich die muslimische Machtergreifung in Westeuropa. Im Frankenreich herrschte nun die karolingische Dynastie, die nach Karl Martell ‚Karolus‘ benannt worden war.

Karl Martells Nachfolger waren seine Söhne Pippin und Carloman. Carloman zog sich eines Tages in das Benediktinerkloster Monte Cassino zurück und Pippin wurde zum alleinigen Herrscher von Francia. Sein Vater, Karl Martell, bezeichnete sich selbst nie als König, Pippin wiederum zögerte keinen Augenblick. 754 wurde er von Papst Stephan II zum König der Franken gesalbt.

Als Pippin 768 starb, wurde sein Königreich unter seinen beiden Söhnen, Karl dem Großen und Karlmann, aufgeteilt. Die zwei Brüder lagen ständig im Streit. 771 starb Karlmann im Alter von nur 21 Jahren nach langer Krankheit. Dies gereichte zum Vorteil Karls des Großen, der so zum Alleinherrscher des Frankenreichs wurde.

Karl der Große war erbarmungslos und häufig auch brutal in seinem Entschluss, Europa zum Christentum zu konvertieren und das Christentum um jeden Preis zu schützen. Wie der Apostel Paulus, war Karl der Große in Eile.

Die karolingische Dynastie betrachtete das Christentum nicht nur als ein Mittel zur Erlangung des Seelenheils und zur Vergebung der Sünden, sondern auch als Werkzeug, um die Menschen des unermesslich großen Reiches zu einigen und ihnen ein Gefühl nationaler Solidarität und Zugehörigkeit zu vermitteln.

So waren also zwei Mächte im Spiel, die römisch-katholische Kirche, welche die apostolische Konvertierung der Heiden unterstützte und die fränkischen Könige, die eine bei weitem schnellere Konvertierung anstrebten.

Die Kirche sandte Missionare aus, um die heidnischen Dorfbewohner durch die Macht des Kreuzes zu konvertieren. Sie predigten Jesu Christis Botschaft der Vergebung der Sünden und priesen ein Leben nach dem Tode in Gottes himmlischem Königreich.

Der apostolische Ansatz war den karolingischen Königen bei weitem zu langsam. So schickten sie ihre Truppen mit Schwertern und erteilten Befehl, alle örtlichen Edelmänner zu töten, die nicht zum Christentum übertraten, da diese der Einigung des Reichs im Wege standen.

Zwei grausame historische Ereignisse veranschaulichen die erbitterte Entschlossenheit der fränkischen Könige, die Heiden um jeden Preis zu bekehren:

Beim Blutgericht zu Cannstatt - 746 nach Christi - wurden Hunderte hilflose schwäbische Edelleute durch den Onkel Karls des Großen, König Carloman, getötet. 27 Jahre später, im Jahr 773, tötete Karl der Große Tausende von sächsischen Kriegsgefangenen, weil sie seinem Befehl, den christlichen Glauben anzunehmen, nicht nachgekommen waren.

Letztendlich jedoch war das gesamte Reich zum Christentum übergetreten und der Papst in Rom wurde mit Unterstützung der fränkischen Könige zum mächtigen Wächter des vereinten christlichkarolingischen Königreichs.

Die Handlung dieses Buches beginnt Mitte des achten Jahrhunderts mit Waldo, dem späteren Missionar, Priester, Mönch und Abt des Klosters Reichenau.

Erzogen und inspiriert von irisch-schottischen Mönchen bricht er - ausgestattet nur mit einem Kreuz, dem Glauben an Gott, seiner eigenen Stärke und seinem eigenen Mut - auf, um die letzte Bastion barbarischer Heiden des fränkischen Königreichs zum Christentum zu bekehren.

Sein Freund aus Kindertagen, Karl der Große, der König der Franken, drängte ihn zu einer weit weniger apostolischen und grausameren Vorgehensweise mit dem Hinweis, dass die einzige Macht des Kreuzes die Angst vor dem Schwerte sei.

Sie sahen sich als das christliche Kreuz und das königliche Schwert, von Gott auserkoren, das Christentum im mittelalterlichen Europa zu festigen.

Beide Männer unterschieden sich in ihrer Handlungsweise zur Bekehrung der Heiden.

Karl der Große, der Soldat, glaubte an eine schnelle Entscheidung, wie die Enthauptung der Unwilligen mit dem Schwert: „Mein Gott ist dein Gott! Mein Wille geschehe!”

Waldo, der Priester, glaubte an einen sanfteren Weg um das Seelenheil zu vermitteln; mit Brot, Wein und der Angst vor dem Unbekannten und dem Versprechen auf ein besseres Leben im Himmelreich: „Jesus starb für uns am Kreuz für unsere Erlösung. Sein Reich komme. Amen!“

Sie hatten aber auch ein schreckliches Geheimnis, das sie nur mit Gott in der Beichte teilten.

Es ist ein Geheimnis, das die Historiker bis heute noch nicht entschlüsselt haben.

Kloster Sankt Gallen, den 6. Dezember 770

I

Schwert

Das Mondlicht glitt als schimmernder Silberdunst zur Erde und erleuchtete die Winternacht. Es tauchte die Landschaft in ein blasses Licht und machte die in ihren Verstecken lauernden nachtaktiven Raubtiere sichtbar.

Ein großer Uhu ließ sich geräuschlos von seinem Hochsitz im Mondlicht fallen, um einen dunkleren Ort zum Jagen zu finden. Während er tief über dem Boden zum Wald glitt, erhaschten seine funkelnden blutorangefarbenen Augen vor dem Hintergrund des purpurnen Himmels flüchtig die Umrisse eines großen, stattlichen Mannes.

Die Eule hatte diesen majestätischen Mann schon vorher des Öfteren gesehen, jedoch niemals alleine wie jetzt. Da waren immer Beschützer. Wo waren sie jetzt? Mächtig wie er war, hatte er zu viele Feinde, um alleine in der Zeit der Schatten und der sich verdichtenden Dunkelheit umherzuwandern.

Sogar hier in seinem eigenen Land warteten wilde Barbaren auf die schwarze Nacht, um das Blut christlicher Eroberer, wie er einer war, zu vergießen. Schlimmer noch - es gab Verräter, deren Loyalität man mit Silber oder Gold kaufen konnte. Und dann waren da blutrünstige Mörder, welche die Kehle eines Kriegers einfach nur zu Ehren ihres Gottes aufschlitzten.

Er hatte immer Beschützer, die ihr Leben für ihn geben würden. Aber als er jetzt langsam mit gesenktem Kopf wie in innerer Einkehr … oder in Buße einherschritt, waren keine zu sehen. Er hielt an und schaute erst nach vorn und dann nach hinten zurück zu dem Weg, auf dem er gekommen war, als ob er umkehren und in den Beistand seiner Beschützer zurückkehren wollte. Aber er drehte sich wieder nach vorn und hob seine Schultern, während er seine Lungen mit kalter Nachtluft vollsog.

Seine scharfen Augen suchten die sich verdunkelnde Landschaft vor ihm ab, während er weiter schritt. Bisweilen starrte er tief in die Schatten hinein, die durch den Vollmond markanter und klarer umrissen und nun teilweise von den Glockentürmen in der Entfernung vor ihm verborgen wurden.

Der Pfad, dem er folgte, brachte ihn bergauf zum Klostertor. Er führte einen schmalen Höhenrücken entlang. Nahe unter ihm ragte der Wald von beiden Seiten aus hinein. Als er weiter vorwärts ging, wurde die Stille von einem markerschütterndem Schrei durchbohrt. Er kam aus der Nähe der Bäume zu seiner Rechten. Mit derselben fließenden Bewegung, mit der er sich dorthin drehte, um dem Geräusch Trotz zu bieten, zog er sein Schwert.

Das Mondlicht ließ die volle Länge der Klinge golden schimmern. Das Schwert vor die Brust haltend und mit der anderen Hand auf dem Degen stand er reglos und lauschte. Der Schrei erreichte ihn wieder, aber diesmal war er weniger heftig. Er erklang noch mehrere Male - nun nur noch ein Kreischen. Dann wurde er abrupt im Keim erstickt, und sein Echo verlor sich im Wind. Ein Bär, der ein Wildschwein tötet, entschied er.

Er lauschte der wiederhergestellten Stille noch einen Augenblick nach. Dann - zufrieden, dass keine unmittelbare Gefahr bestand - hüllte er sich in seinen goldbesetzten roten Umhang und setzte seinen Weg fort.

Er bewegte sich zügig, doch sein Blick blieb auf den linken Rand des Weges geheftet, als ob er etwas Wertvolles suchte, das er zuvor verloren hatte. Der gesuchte Gegenstand tauchte dann ganz plötzlich direkt vor ihm auf und konnte im hellen Mondlicht leicht gesehen werden. Es handelte sich um einen kleinen Haufen weißer Steine, die er schnell beiseite schob, um das darunter befindliche dunkle Bündel gewickelten Stoffs herauszunehmen. Er schüttelte es energisch, so dass es sich entfaltete, hielt es hoch und lächelte.

„Passt perfekt“, dachte er. Er zog das Gewand über seine eigene Kleidung und die Kapuze über den Kopf. Das prächtige Kloster zeichnete sich über ihm ab, eine Furcht einflößende Form vor dem Nachthimmel.

Er stand und bewunderte seine gewaltige Pracht für mehrere Augenblicke, ehe er wieder voranschritt, jetzt als Mönch und nicht mehr als König. Kurze Zeit darauf hielt er wieder an und blickte sich ein letztes Mal um, ehe er den Pfad verließ und von der Nacht verschlungen wurde, als der Schatten des Klosters ihn rief.

II

Kreuz

Auf der anderen Seite der Klostermauer tauchte ein zweiter Mann auf, der in die Schatten hinein- und aus ihnen wieder hinaushuschte, als er zielstrebig auf das gewaltige Gebäude zuhielt, das über ihm aufragte. Das schwarze Metallkreuz, das er um den Hals trug, war glanzlos und nicht dafür geschaffen, zu beeindrucken oder gar einzuschüchtern. Trotz seines einfachen Aufzugs waren die Versuchungen der Macht diesem Mann nicht fremd.

Er hatte den Schrei in der Nacht ebenfalls gehört, aber er war weit entfernt und darüberhinaus an solche Geräusche gewöhnt. Er kannte keine Angst vor wilden Tieren. Sein Herz war nur von Gottesfurcht erfüllt. Wollte der Herr, dass er von Wölfen verschlungen wurde, dann sollte es eben so sein!

Dieser Teil der nördlichen Alpen, überlegte er, war bei Tage unsagbar schön, aber jetzt in der Nacht, sogar mit hellem Vollmond, konnte er mit seinen umherstreifenden Raubtieren und gottlosen Barbaren wild und Furcht einflößend wirken. Aber das war nicht alles! Er war auch aus einem anderen Grund Ehrfurcht gebietend und beängstigend.

Er wusste, dass man an diesem Ort den Teufel treffen und riskieren konnte, seine Seele an ihn zu verlieren, aber ebenso gut konnte man dem Allmächtigen begegnen. Bei aller Hingabe zu seinem Schöpfer war er jedoch nicht dazu bereit, ihn zu treffen.

Jedenfalls noch nicht heute Nacht. Heute hatte er eine Pflicht gegenüber einem irdischen Herrn zu erfüllen, die er als einziger Mensch erfüllen konnte.

Während diese Gedanken ihn zu größerer Anstrengung antrieben, betrat er endlich das Kloster durch einen verborgenen Hintereingang. Minuten später erreichte er eine Seitentür zur Kirche. Die Tür öffnete sich zu drei steinernen Stufen, die ihn direkt zur Sakristei führten.

Er tauschte die ärmliche Mönchskutte gegen das feine Ornat eines Priesters und erklomm fünf weitere Steinstufen zum ersten Stock. Er eilte einen gewölbten Flur entlang, der an der Seite des Kirchenschiffs verlief, vorbei an einer Reihe Wappenschildern und auf Kopfhöhe angebrachter flackernder Kerzen.

Sobald er die Vorhalle erreichte, trat er direkt in die Kapelle. Das hohe, rechteckige Fenster wies nach Süden, weg von dem Vollmond im östlichen Himmel, weswegen nur der blasseste Lichtschein dorthin fiel und die Kapelle in eine weich-graue Düsternis hüllte.

Entlang einer Wand befanden sich drei mit Bronzegittern versehene Türen, die alle zu Beichtkammern führten. Jede Beichtkammer bestand aus zwei engen Kammern, die durch ein kleines Fenster mit einem Sprechgitter verbunden waren. Unter jedem Fenster befand sich eine enge Ablage, und in jeder Kammer stand eine Bank, auf der ein Gebetbuch lag.

Der Priester entzündete die Kerze, schloss die Gittertür hinter sich und ließ sich auf einer Seite der trübsinnigen Beichtkammer auf dem Stuhl nieder. Er saß bewegungslos im Halbdunkel, den Kopf zum Gebet gebeugt, und wartete darauf, dass der mächtigste und wichtigste Mann des Landes kommen und seine Sünden beichten würde. Es handelte sich nur um eine Sünde, von der er aber wusste, dass sie begangen werden würde. Eine schreckliche Sünde, die er zu vergeben und vergessen gezwungen war. Seine eigene Sünde, der Beteiligung am Brudermord zu vergessen, würde viel schwieriger sein.

III

Beichte

Der große Sünder kam durch den Vordereingang und eilte zum Tor, in die Kirchenhalle. Von dort konnte er den Altar ganz hinten im Kirchenschiff sehen. Zu seiner Linken sah er, dass die Tür zur Kapelle offen stand.

Er ließ sich auf ein Knie nieder, zog sein Schwert und legte es nachdrücklich auf den Steinboden vor sich. Er sah zum Altar, beugte seinen Kopf und verharrte so im stillen Gebet für mehrere Minuten.

In der nahe gelegenen Beichtkammer hörte der Priester nur das scharfe Klirren des Schwertes. Ein wenig später vernahm er, wie der Sünder seinen Platz auf der anderen Seite des Sprechgitters einnahm.

Der Beichtvater gab sich nicht die Mühe aufzublicken, da man in dem Schatten hinter dem Gitter nichts sehen konnte, aber er hatte ein klares Bild von dem stolzen, königlichen Kopf mit der weißen Mähne, der kräftigen Nase und den großen, durchdringenden Augen vor sich.

Die tiefe Stimme hallte in der engen Kammer wider. „Segne mich, Vater. Selbst ein König muss seine Sünden beichten.“

„Aber nicht jedem.“

„Nur Dir, mein getreuer christlicher Ratgeber, lieber Waldo.“

„Deine Sünden sind meine Sünden, Karl.“

„Ich plane, meinen Bruder zu töten. Gott vergebe mir!“

„Zuerst brauchst Du Bertradas Vergebung.“

„Das wird sie nicht tun. Sie ist auch seine Mutter.“

„Aber Gott soll Dir vergeben?“

„Gott ist barmherzig.“

„Und welche Barmherzigkeit wirst Du Deinem Bruder erweisen?“

„Ich muss ihn töten, um den christlichen Glauben zu schützen!“

„Selbst Deinen eigenen Bruder?“

„Es muss geschehen … bevor er mich tötet.“

Es kam keine Antwort aus der Dunkelheit auf der anderen Seite des Sprechgitters. Die anhaltende Stille legte sich wie Tau auf Karls Gewissen.

„Bist Du noch da? Waldo, mein Bruder.“

„Würdest Du dann auch mich töten, Karl … wenn es getan werden müsste?“

„Du bist mein Seelenbruder. Wir sind im Herzen verbunden, Du und ich, Waldo. Es wäre so, als wenn ich mir selbst ins Herz stäche. Es ist mein natürlicher irdischer Bruder, den ich töten werde.“

„Ich könnte Dir auch im Namen des Herrn vergeben. Aber ich kann das, was Du zu tun gedenkst, nicht gutheißen. Ich trage ein christliches Kreuz und kein kriegerisches Schwert.“

Karl lachte bitter: „Ein Kreuz ist ein Schwert, ein Schwert ist ein Kreuz. Wir sind Schwert und Kreuz zusammen.“

„Dann werden ‚wir‘ es sein, die ihn töten, Karl. - Du und ich, wir beide.“

„Meine Sünden sind Deine Sünden, Waldo“, antwortete Karl mit schwerem Herzen.

Etwa 30 Jahre zuvor...

Worms, den 1. Juli 741

1

Ankunft

„Es sind unsere Sünden, die uns von Gott unterscheiden“, sagte Chrodegang, der designierte Bischof von Metz.

„Amen“, kam die Antwort der Priester und Mönche, die um ihn versammelt waren.

„Unsere Empfängnis geschieht im Frevel der Sünde“, sagte einer der Mönche. Der Bischof hob seine Hände und schaute nach oben zur gewölbten Decke der Kirche, während die anderen ihre Köpfe senkten.

„Lasset uns beten“, sagte er. „Herr, Ihr habt Johannes den Täufer erhoben, um jeden von uns auf Christus vorzubereiten. Wir sollen Buße tun und – “

„Sie kommen! Sie kommen!“, rief eine unsichtbare, kindliche Stimme.

Sekunden später platzte ein kleiner Junge in die Kirche und rannte zum Bischof.

„Sie kommen!“, rief er wieder, unfähig seine Aufregung im Zaum zu halten.

Einer der Mönche hielt den Jungen fest und beruhigte ihn.

„Still Ruthard“, sagte er sanft, „Ihro Gnaden betet.“

Mit deutlich sichtbarer Willenskraft gehorchte der Junge, der die Augen weit aufgerissen hatte.

„Sie kommen!“, flüsterte er und schaute verzweifelt zu dem Mönch hoch, der seine Arme fest um die Schultern des Jungen hielt. Der Bischof schaute den Jungen streng an, dann wandte er sich mit breitem Lächeln ab und führte sein unterbrochenes Gebet fort.

„Wir sollen Buße tun und getauft werden für die Vergebung unserer Sünden durch den heiligen Glauben von Johannes dem Täufer, dem brennenden und leuchtenden Licht der Erde. Das ist Gottes Auftrag an uns.“

Er drehte sich um und lächelte den Jungen an.

„Morgen haben wir eine Taufe zu feiern, die Reinigung der Seele von der Erbsünde des Säuglings Waldo, Sohn des Richbold, Graf von der Wetterau … und Bruder des jungen Ruthards.“

Der Bischof zauste das Haar des Jungen.

„Sie kommen also!“, sagte er fröhlich. „Mein Dank, Ruthard, für diese erfreulichen Nachrichten. Und wir danken dem Herrn für ihre sichere Ankunft. Nun lasset uns gehen und unsere erhabenen Gäste willkommen heißen.“

Sie waren wahrlich erhaben. Dies war tatsächlich eine Zusammenkunft der Höchsten des Landes.

Adlige, Äbte und Bischöfe, die auf dem Rhein nach Worms und zum dortigen Dom gereist waren, um der Taufe von Richbolds zweitem Sohn, Waldo, beizuwohnen.

Die erlauchtesten Gäste waren der künftige König Pippin und sein Bruder Carloman, Söhne des legendären Herrschers Karl Martell, ‚Der Hammer‘.

An diesem Tag, dem 1. Juli 741, war Pippin nicht nur der künftige König sondern auch dazu bestimmt, am nächsten Tag Taufpate des Säuglings Waldo zu sein.

Die beiden Brüder waren gerade von der Hochzeit ihrer Schwester Hiltrud mit dem bayerischen Herzog Odilo in Passau zurückgekehrt, zwei Wochen Weges von Worms entfernt.

„Unsere geschätzte Schwester Hiltrud ist nun die Herzogin von Bayern!“, verkündete Pippin, als er seinen lieben Freund Richbold begrüßte.

„Es lebe die Herzogin von Bayern“, verkündete Richbold der versammelten Menge.

„Hoch lebe die Herzogin!“, riefen sie einstimmig. „Möge Gott ihr Herz mit Freude erfüllen!“

„Ich danke euch, meine Freunde“, gab Pippin mit strahlendem Lächeln zurück. Dann klopfte er Richbold energisch auf den Rücken und legte seinen Arm um dessen Schulter.

„Wein für unsere großen und ehrbaren Gäste!“, befahl Richbold. Er hätte sich nicht kümmern müssen, da der Wein bereits ausgeschenkt wurde.

„Jetzt soll jeder über unsere Reise von Passau erfahren“, sagte Pippin und nahm einen großen Weinpokal in beide Hände, als ob er ein Priester wäre, der einen Altarkelch hielt.

„Carloman und ich reisten die Donau stromauf bis nach Ulm, wo wir von Bord gingen. Wir wollten die Schwäbische Alb überqueren, da wir so viele seltsame und grausige Geschichten über die heidnischen Barbaren gehört hatten, die in dieser gottverlassenen Gegend am äußersten Ende unseres Reiches leben.“

„Sie seien unmenschlich und unzivilisiert, hatte man uns gesagt“, sagte Carloman, „und sie seien der abscheulichsten und unmenschlichsten Taten schuldig, die man sich nur vorstellen könne.“

Gespannt lauschten die versammelten Gäste in Erwartung schrecklicher Geschichten von blutrünstigen Teufelsanbetungen und schauerlichen Opferungen unschuldiger Kinder zu hören.

„Dem ist nicht so“, erklärte Carloman zur Enttäuschung aller. „Es stimmt zwar, dass sie primitiv aussehende Menschen sind, die sich in Tierhäute und grobes Leinen kleiden, aber sie sind nicht blutrünstiger als jeder andere. Sie sind einfach nur arm, unwissend und leben im Schmutz.“

„Sie sind nicht organisiert“, sagte Pippin. „Sie haben keine Vorschriften oder Regeln. Die Dörfer stinken. Aller Dreck und Müll wird in die Gassen geworfen und bleibt dort, bis zum Verfaulen liegen. Diese armseligen Menschen sind ständig krank.”

„Wir können es nicht zulassen, dass dies in unseren eigenen Ländern geschieht“, sagte Carloman. „Das Leben, das diese Barbaren führen, ist nicht lebenswert, und wir müssen dies ändern. Niemand in unserem Reich muss wie ein Barbar leben.“

Alle Versammelten fielen in gewaltigen Beifall ein und tranken auf Pippins und Carlomans Gesundheit und Wohlergehen.

„Freunde! Freunde!“, rief Pippin im Versuch, sie zu beruhigen. „Lasst uns meinem großartigen Freund Richbold für seine Gastfreundschaft danken. Und lasst uns heute nicht übertreiben, da wir morgen die heilige Taufe meines Patensohns, des Säuglings Waldo, feiern dürfen. Wir müssen dies mit großer Würde und Respekt unter den Augen des Herrn, unseres Gottes, tun.“

Die versammelten Gäste, die nun ruhig und gelassen waren, nickten zustimmend.

Dom zu Worms, den 2. Juli 741

2

Taufe

Rosarotes Leuchten überzog sanft den Himmel im Osten und kündigte den neuen Tag an. Die ersten Sonnenstrahlen berührten die Spitze des Glockenturms nur leicht und tauchten ihn in eine rosige Schattierung.

Die westliche Tür der Kathedrale lag noch im Dunkeln, aber ein ganzes Spektrum an Fackeln und Kerzen erleuchtete die Taufkapelle, in der bereits geschäftiges Treiben und Betriebsamkeit herrschten. Die Vorbereitungen zu Waldos Taufe begannen sehr zeitig.

Mit den Herrschern Pippin und Carloman auf der Gästeliste konnte nichts dem Zufall überlassen werden. Richbolds Anweisungen lauteten, dass alles zwei Stunden vor der Taufe, die für den Mittag angesetzt war, fertig sein musste.

Pünktlich zum mittäglichen Sextgebet läuteten die Kirchenglocken über das Land und kündigten allen davon, dass die Taufe Waldos, des zweiten Sohnes des Grafen von der Wetterau, begonnen hatte.

Richbold führte die Gäste in die Kirche und die Tür wurde hinter ihnen geschlossen.

Sie nahmen ihre Plätze auf den Bänken ein, während sich Chrodegang, der angehende Bischof von Metz, und sein Gefolge an Priestern und Mönchen vor ihnen auf einem erhöhten Bereich gegenüber dem Taufbecken versammelten.

Der Bischof führte die Männer bei den Gebeten zur Errettung der Seele des Säuglings Waldo an. Er endete mit einer Bitte an Gott, dass sich Waldos religiöses Schicksal erfüllen möge.

„Als zweiter Sohn wird es Waldos Pflicht sein, die Seelen seiner Familie zu retten, damit diese in das himmlische Königreich aufgenommen werden. Als Mitglied der Geistlichkeit in der Heiligen Christlichen Kirche wird er sein Leben in den Dienst des Herrn, unseres Gottes, stellen. Lasset uns unsere Köpfe neigen und schweigend und inbrünstig beten, dass dies der Wille Gottes ist, und dass er sich erfüllen möge.“

Der Bischof segnete die versammelten Männer und gab ein Zeichen, dass das Haupttor wieder geöffnet werden sollte.

Hoch über den Häuptern schien die Sonne mit wohliger Wärme direkt auf die Kirche. Als die Türen geöffnet wurden, erfüllte eine Explosion goldenen Lichts die Taufkapelle und brachte das Wasser im Taufbecken zum Leuchten.

Für die Menschen, die bereits drinnen waren, erschienen die Gestalten, welche die Kirche betraten, als Silhouetten, die von gigantischem Sonnenschein nach vorne getragen wurden. Als sie aus dem grellen Licht hinter sich in die Kirche hineinschritten, kamen ihre Formen und Merkmale klar ins Blickfeld.

Die Gruppe wurde von einem jungen Mädchen namens Bertrada von Laon angeführt, einem Familienmitglied Waldos mütterlicherseits, das den Säugling trug. Bertrada wurde von Waldos Taufvater Pippin und seiner Patin, der Herzogin Williswinda, begleitet.

Der Bischof von Metz wartete in der Eingangshalle, bereit, das Kind für die Taufe entgegenzunehmen. Bertrada überreichte den Säugling Waldo dem Bischof, der vor Freude darüber strahlte, seinen eigenen Neffen zu taufen. Doch mussten dieselben Rituale befolgt werden, wie wenn es sich um irgendein Neugeborenes handelte.

„Wurde dieses Kind schon einmal getauft?“, fragte er tiefsinnig.

„Nein, Ihro Gnaden“, entgegnete Bertrada sanft.

„Ist das Kind ein Junge oder ein Mädchen?“, fragte nun der Bischof.

„Er ist ein Junge“, antwortete Bertrada.

Der Bischof segnete daraufhin den Säugling Waldo und träufelte anschließend eine Prise Salz in den Mund des Kindes, um den Empfang der Weisheit zu repräsentieren und etwaige Dämonen auszutreiben.

Dann wandte er sich den Taufpaten zu.

„Kennt ihr die Gebete, die ihr das Kind lehren werdet?“

„Das tun wir, Ihro Gnaden“, antworteten Pippin und die Herzogin unisono.

Sodann führte der Bischof die Gruppe zum Taufbecken, wo er den Säugling salbte, ihn in das Becken tauchte und ihm den Namen Waldo gab.

Sein Taufpate, Pippin, hob ihn aus dem Wasser während seine Taufpatin ihn in ein Taufgewand aus feinem weißen Leinen mit glitzernden Saatperlen hüllte.

Der letzte Teil der Zeremonie sollte am Altar abgehalten werden. Bertrada nahm Waldo von seinen Taufpaten entgegen, ging vor den anderen her und trug das Baby zum Altar, wo sie dann darauf wartete, dass die anderen sich ihr anschlossen.

In diesem Augenblick fiel ein Sonnenstrahl durch ein Fenster hoch oben durch das Kirchenschiff direkt auf Bertrada und den Säugling Waldo, der in ihre Arme gebettet war.

Ein Murmeln erhob sich unter den Versammelten. Ist das ein Zeichen des Himmels? Das Gotteslicht erleuchtete Waldos vorbestimmtes Schicksal als großer heiliger Mann der Kirche.

Sie sahen den goldenen Lichtstrahl als eine Flamme der Ergebenheit zu Gott und beugten ihre Köpfe in stiller Andacht.

Nur Pippins Kopf war nicht gebeugt. In seinen Augen glühte die Flamme einer völlig anderen Art von Anbetung. Wie schon während der Taufzeremonie war sein Blick fest auf die junge Bertrada gerichtet.