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Intim, explizit, echt – Sex in den Köpfen von Frauen Gillian Anderson präsentiert in WANT eine spektakuläre Bestandsaufnahme der weiblichen Sexualität – mit Stimmen von Frauen aus der ganzen Welt! Diese bahnbrechende und sensationelle Erkundung stellt Fragen – und liefert Antworten. - Was wollen Sie, wenn niemand zuschaut? - Was wollen Sie, wenn die Lichter aus sind? - Was wollen Sie, wenn Sie niemand verurteilt für das, was Sie sich wünschen? Viele Themen drängen sich auf, wenn wir über weiblichen Sex sprechen: Verantwortung und Mutterschaft, Untreue und Ausbeutung, Zustimmung und Respekt, Fairness und Gleichberechtigung, Liebe und Hass, Lust und Schmerz. Über die intimsten Wünsche, Sehnsüchte und Fantasien sprechen viele von uns aus verschiedenen Gründen nicht. Angst vor Veruteilung, Hemmungen oder schlicht der falsche Gesprächsrahmen können die Ursache sein. Dieses Buch ist anders: WANT gibt Frauen und weiblich gelesenen Personen den Raum, das zu erzählen, was sie sonst verschweigen – was sie vielleicht sogar sich selbst gegenüber nur mühevoll eingestehen. So schreibt eine Sikh-Frau über die heimliche Lust auf ihren Schwager. Eine Britin, die einfach nur ein letztes Mal richtig geküsst werden möchte, erzählt von ihrer tiefen Sehnsucht. Eine hispanisch-jüdische Frau, die in Bangladesch lebt, beschreibt einen Türknauf als Höhepunkt ihrer sexuellen Erregung. Es geht um konkrete Fantasien, sexuelles Verlangen, aber auch um Beziehungen und Macht. WANT zeigt eindrucksvoll, wie Frauen über Sex denken, wenn sie die Freiheit der Anonymität genießen. Die Schauspielerin und Aktivistin Gillian Anderson hat aus tausenden Zusendungen eine einzigartige Sammlung erstellt – und der weiblichen Sexualität damit viele Stimmen gegeben. Auch ihren eigenen Brief hat sie geschrieben, anonym, selbtverständlich. Und was wollen Sie?
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 486
Veröffentlichungsjahr: 2024
Und was wollen Sie?
Diese bahnbrechende Erkundung der weiblichen Sexualität gibt Frauen den längst überfälligen Raum, das zu erzählen, was sie sonst verschweigen – was sie vielleicht sogar sich selbst gegenüber nur zaghaft eingestehen: ihre intimsten Wünsche, Sehnsüchte und Fantasien.
WANT zeigt eindrucksvoll, wie Frauen über Sex denken, wenn sie die Freiheit der Anonymität genießen – und wird so zu einem vielstimmigen Manifest für Verbundenheit und ungezügeltes Verlangen.
Gillian Anderson
Sexuelle Fantasien der Frauen im 21. Jahrhundert
Aus dem Englischen von Kim Köstlin
Aufruf von Gillian Anderson zu want
vorwort
legende
über fantasien
hart und bereit
angebetet werden
über grenzen
die gefangene
kink
fremde
macht und unterwerfung
erkundungen
mehr, mehr, mehr
beobachtende und beobachtete
ich hatte schon immer ein faible für …
sicher und geborgen
»Als Frauen wissen wir, dass es beim Sex um mehr geht als nur um Sex. Aber so viele von uns sprechen nicht darüber. Unsere tiefsten, intimsten Ängste und Fantasien bleiben in uns verschlossen, bis jemand mit dem Schlüssel daherkommt. Hier ist der Schlüssel. Ich möchte von Ihnen hören. Dies wird ein anonymes, erhellendes Buch sein, das Ihre Briefe an mich sammelt. Es wird erkunden, wie Frauen über Sex denken. Denn wenn wir über Sex reden, reden wir über Weiblichkeit und Mutterschaft, Untreue und Ausbeutung, Zustimmung und Respekt, Fairness und Gleichberechtigung, Liebe und Hass, Lust und Schmerz. Gibt es eine Fantasie, von der Sie noch nie jemandem erzählt haben? Etwas, das Sie, wenn überhaupt, nur mit den engsten Vertrauten teilen würden? Wo auch immer Sie herkommen, mit wem Sie schlafen oder nicht schlafen, ob Sie achtzehn oder achtzig Jahre alt sind: Schreiben Sie mir.«
Aufruf von Gillian Anderson zu want
ich war gerade mal fünf Jahre alt, als Nancy Fridays Kultklassiker Die sexuellen Phantasien der Frauen1973 in den USA in den Bücherregalen und Handtaschen vieler Frauen landete. Es war der Beweis, dass Frauen über ein ebenso vielfältiges erotisches Innenleben verfügten wie Männer. Endlich gab es ein Buch, in dem junge wie alte Frauen – »Sie, ich und die Frau von nebenan« – offen und ehrlich über Erregung, Masturbation, sexuelle Träume und Sehnsüchte sprechen konnten. Und in ihren Fantasien war nichts tabu.
Friday legte mit ihrem Buch offen, dass für einige der Sex in Gedanken sehr viel stimulierender war als im echten Leben, wie heiß es dabei auch immer zugehen mochte. Befreit von der Last gesellschaftlicher Konventionen, körperlicher Unsicherheiten und der Angst, dem Partner oder der Partnerin wehzutun, konnten sie sich in der Fantasie ihren sehnlichsten und abwegigsten Wünschen hingeben. Zuerst als provokant, wenn nicht gar revolutionär wahrgenommen, galt das Buch bald als Pflichtlektüre und wurde zu einem millionenfach verkauften Weltbestseller.
Ich weiß nicht, ob meine Mutter, eine Computer-Analytikerin, das Buch von Friday besessen hat. Puritanisch ging es bei uns zu Hause ganz sicher nicht zu, und niemand hätte darüber die Stirn gerunzelt – doch so liberal meine Eltern auch eingestellt waren, auf dem Couchtisch hätte meine Mutter ein solches Buch dann doch nicht liegen lassen. Als Teenager habe ich bei den Nachbarn zwischen den Sofakissen den berühmt-berüchtigten Roman Geschichte der O von Anne Desclos gefunden und nicht nur eine Seite darin gelesen. Und als ich noch jünger war, kam ich mal in ein Wohnzimmer und blieb wie gebannt vor dem noch laufenden Fernseher stehen, weil auf dem Bildschirm ein Paar in zwar relativ keusche, aber eindeutig sittenwidrige Aktivitäten verstrickt war. Noch heute erinnere ich mich an meine glühenden Wangen, das wilde Herzklopfen und die aufsteigende Scham.
Zum ersten Mal gelesen habe ich Die sexuellen Phantasiender Frauen in Vorbereitung auf meine Rolle der Sexualtherapeutin Dr. Jean Milburn in der Netflix-Serie Sex Education. Ich fand die Briefe und Interviews in dem Buch überraschend intim und explizit. Ihre ungefilterte, teilweise schmerzhafte Ehrlichkeit hat mich erschüttert. Niemand hatte sie glattgebügelt oder literarisch verbrämt; sie schienen direkt aus den Herzen der Frauen zu stammen. Der menschlichen Fantasie sind so gut wie keine Grenzen gesetzt, und das gilt natürlich auch für Sexfantasien, trotzdem belegen wir Letztere bis heute mit einem Tabu. Die Idee zum Buch war Friday gekommen, nachdem ein männlicher Lektor eine erotische Szene in ihrem Romanmanuskript beanstandet hatte; in der Republik Irland wurde Fridays Reaktion als so gefährlich eingestuft, dass ihr Buch dort nicht erscheinen durfte. Das Offenlegen weiblicher Fantasien warf etliche Fragen auf – wollten die Frauen das alles etwa auch ausleben? Was bedeutete es, wenn sich einige nach ungewöhnlichen, verbotenen oder gar illegalen Dingen sehnten? Was sagten die Fantasien über die Geschlechterrolle aus, die man Frauen übergestülpt hatte?
In unseren gesellschaftlichen und sexuellen Beziehungen hat sich in den fünfzig Jahren seit der Veröffentlichung von Die sexuellen Phantasien der Frauen sehr vieles geändert. Haben sich die geheimen Sehnsüchte der Frauen seitdem ebenfalls gewandelt? Ich bin eine Frau mit eigenem Sexleben und eigenen Sexfantasien und war neugierig, ob sich die Fantasien anderer Frauen von meinen unterscheiden oder nicht.
Das Buch, das Sie in den Händen halten, begann als Einladung. Mit der Aktion »Dear Gillian« hatten die britische Tageszeitung The Guardian und ich Frauen auf der ganzen Welt dazu aufgerufen, uns in einem Brief von ihren sexuellen Fantasien und Wünschen zu erzählen, also den Sachen, an die wir zwar alle denken, die wir aber niemals laut aussprechen würden. Diese wollten wir in einem neuen Buch für eine neue Generation versammeln. Mein Verlag hatte extra ein Portal eingerichtet, das eine anonyme Einsendung ermöglichen sollte. Und dann haben wir gewartet … Es gab so viele Fragen: Würden Frauen es interessant oder gar erotisch finden, ihre geheimsten Wünsche und Sehnsüchte niederzuschreiben? Würde sich etwas ändern, wenn wir das Private öffentlich machten? Wie würden die Leute darauf reagieren? Nach Ablauf der Einreichungsfrist hatten wir Briefe von insgesamt knapp eintausend Seiten Umfang zusammen – genug Stoff, um mindestens acht Bände zu füllen. Das Bedürfnis der Frauen, ihre Fantasien zu teilen, war offenbar groß.
Die Aufforderung, mir einen Brief zu schreiben, trat eine Lawine aus freimütigen, unverblümten, herzzerreißenden, witzigen und expliziten Geständnissen los, die so vielfältig und vielschichtig waren wie die Verfasserinnen selbst. Und es waren etliche Briefe von Frauen darunter, die ihre geheimen Sexfantasien noch nie ausgesprochen hatten, wenn man von der einen oder anderen Andeutung einmal absah, die ihnen bei einem Glas Wein mit der besten Freundin oder in der Hitze des Augenblicks beim Partner oder der Partnerin rausgerutscht war. Die Teilnahme am »Dear Gillian«-Projekt hatte auf sie eine befreiende Wirkung, auch wenn viele wohl den Eindruck hatten, etwas »Unschickliches« zu tun. Es waren Briefe dabei von Teenagern ohne sexuelle Erfahrung, von Singles, gefangen im ewigen Kreislauf aus Onlinedating und One-Night-Stands, von erschöpften Frauen mit kleinen Kindern, von verheirateten oder in Langzeitbeziehung lebenden Frauen, frustriert vom ewig Gleichen, von Frauen über sechzig und siebzig, die deutlich machten, dass Sex auch nach den Wechseljahren nicht langweilig sein muss. Und die Briefe erreichten uns tatsächlich aus aller Welt – von China bis Costa Rica, von Irland bis Island, von Libyen bis Litauen, von Neuseeland bis Nigeria, von Rumänien bis Russland. Briefe von Transfrauen und Personen, die sich als non-binär, pansexuell, bisexuell, asexuell, aromantisch, lesbisch, heterosexuell oder queer definieren.
In unserer Gesellschaft werden Frauen oft in Schubladen gesteckt und auf bestimmte Identitäten und Rollen reduziert – die verführerische Sexpartnerin, die liebevolle Mutter, die smarte Karrierefrau –, aber die hier versammelten Fantasien belegen, dass keine Frau nur eine einzige Identität besitzt. Mit diesem Buch möchte ich Frauen aus solchen Schubladen holen, doch braucht man dafür nun einmal ein bisschen Ordnung und Struktur. Deshalb wurde die Zusammenstellung der Briefe zu einer spannenden Herausforderung: Mir hat es Spaß gemacht, sie zu lesen und auszuwählen, mir eine bestimmte Systematik zu überlegen und dann zu erleben, wie das Buch in einem beinahe poetischen Rhythmus allmählich Form annahm. Außerdem haben mir die Briefe die verschiedenen Seiten meiner eigenen Identität vor Augen geführt: die der Schauspielerin, Mutter, Partnerin, Aktivistin, Amerikanerin/Britin. Und ich habe beschlossen, selbst einen Brief zum Buch beizusteuern. Ich war neugierig, ob er sich nahtlos einfügen und den Vorstellungen entsprechen würde, die andere Menschen von mir haben – auch wenn wir das natürlich niemals erfahren werden.
Sex ist für mich nie etwas Statisches gewesen, sondern etwas, das sich wandelt und sich meiner Entwicklung in jeder neuen Lebensphase anpasst. Dabei geht es gar nicht so sehr um das, was man tut – ein Großteil spielt sich in unseren Gedanken und Gefühlen ab. In meinem Beruf als Schauspielerin wird von mir verlangt, über einen bestimmten Zeitraum in einer alternativen Realität zu leben, was im Grunde ja eine Definition von Fantasie sein könnte. Die Frauen, die ich verkörpere und in deren Welten ich mich begebe, haben natürlich auch ein Innenleben, eigene Wünsche und Fantasien. Wenn ich wissen will, wie diese Frauen ticken, muss ich mir ihr Innenleben anschauen und es begreifen. Und dabei habe ich so einiges über Sex und Sexualität gelernt.
Aber, und dieses ABER schreibe ich bewusst groß: Ich bin keine Expertin und besitze keinerlei berufliche Qualifikation als Psychologin oder dergleichen. Ich bin Schauspielerin von Beruf und werde die im Buch gesammelten Briefe weder analysieren, noch werde ich darüber aufklären, wie es sich mit Frauen und Sex denn nun verhält. Stattdessen präsentiere ich Ihnen, liebe Leserin, die außergewöhnlichen Briefe ohne jeden Filter, damit Sie sich unvoreingenommen hineinfallen lassen können. Erotische Fantasien haben mich schon immer interessiert, und ich sehe mich hier als Kuratorin, die die vielen faszinierenden Stimmen geordnet und in Buchform gebracht hat. Der Weg dahin war eine wunderbare Reise, und ich habe dabei erfahren, dass wir Frauen überall auf der Welt einerseits völlig verschieden, andererseits aber auch sehr ähnlich sind. Ich verstehe das Buch als eine Plattform, auf der wir andere in absoluter Anonymität an unseren Fantasien teilhaben lassen, und gerade dadurch, so paradox es klingen mag, selbst gehört und gesehen werden. Ich möchte unsere Fantasien von Tabus befreien und sie stattdessen durch Body-Positivity und den Spaß an der Sache bereichern und hoffe, dass die Briefe durch ihre Offenheit, Ehrlichkeit und Unverblümtheit auf uns alle inspirierend wirken.
Bei meiner ersten Lektüre von Die sexuellen Phantasien der Frauen fiel mir vor allem auf, wie sehr die meisten Frauen unter Schamgefühlen litten. Als Frauen 1973 ihre geheimen sexuellen Wünsche offenlegten, ging das oft mit einem inneren Unbehagen einher. Im 21. Jahrhundert musste sich das deutlich geändert haben, dachte ich zunächst. Wenn man bedenkt, dass die LGBTQIA+-Communitys heute größere Akzeptanz finden, die Pornoindustrie jährlich Milliarden von Dollar umsetzt und Serien wie Sex Education, Euphoria und Normal People Millionen von Zuschauer*innen anziehen, sollten Frauen inzwischen doch ganz offen über solche Sachen reden können, oder? Nun, das stimmte nur teilweise.
Überraschend fand ich, dass viele Frauen ihre Fantasien selbst heute noch für sich behalten. Einige sind stark, stolz und selbstbewusst und feiern ihre sexuelle Macht, etliche empfinden allerdings auch Scham und haben Schuldgefühle, weil sie sich beim Sex nach Befriedigung und Erfüllung sehnen. »Oft frage ich mich, warum ich mich für meine Lust schäme. Geht es uns allen so, und geben wir nur vor, uns nicht zu schämen?«, fragt sich zum Beispiel eine der Frauen. Viele berichten davon, dass sie ihre Sexfantasien geheim halten müssen. Über die Erfahrungen von Frauen aus Ländern zu lesen, in denen gesellschaftliche Normen oder gar Gesetze alles außer heterosexuellen Beziehungen und ehelichem Geschlechtsverkehr verbieten, war erschütternd. Aber selbst Beitragende aus »liberalen« Gesellschaften berichten von »Scham« oder »Schuldgefühlen«, von ihrer Angst und Befangenheit, ihrem Partner zu erzählen, woran sie wirklich denken, wenn sie mit ihm Sex haben oder sich selbst befriedigen.
Die Briefe haben mir nicht nur Einblicke in die imaginierten Sexwelten von Frauen gewährt, sie haben mir auch gezeigt, wann diese Fantasien überhaupt ins Spiel kommen. Für viele Frauen sind sie in erster Linie ein Mittel, um der Realität zu entfliehen und den Druck des Arbeitslebens, der Mutterschaft und der täglichen Sorgen kurzfristig hinter sich zu lassen. Wie eine Frau berichtet, spenden Sexfantasien ihr schon seit Jahren Trost in einer offenbar sehr einsamen Ehe: »Ich hätte am liebsten zweimal täglich Sex, während er sehr gut ohne auskommt. Er hat mir oft das Gefühl gegeben, mich schämen zu müssen, weil ich Sex wollte, weil ich zu viel Sex wollte und ihm gesagt habe, was ich mir wünsche. Danach wurden meine Fantasien meine besten Freunde. Viele handeln davon, vollkommen frei, spontan und wild zu sein.« Das Verstörende daran ist, dass dieser Brief auch schon vor fünfzig Jahren an Nancy Friday hätte geschrieben werden können – offenbar hat sich in einigen Lebensbereichen für Frauen seitdem nichts geändert.
Für manche Frauen stellen Sexfantasien gar eine Art Rettungsanker dar. »Ich habe das Gefühl, durch das Fantasieren erhalte ich mir den Lebenswillen«, schreibt eine. Andere wiederum benutzen ihre Fantasien lediglich als Hilfsmittel zur Steigerung der Lust und nicht als Ersatz für ein abenteuerlustiges Sexleben.
Das Wundervolle an Sexfantasien ist doch, dass wir diese Geschichten selbst schreiben. Wir sind am Drücker, haben die volle Kontrolle und können bis ins letzte Detail bestimmen, wer was mit wem macht, ohne Angst haben zu müssen, von der Gesellschaft verurteilt zu werden oder irgendwelche Konsequenzen zu tragen. Fantasien können dabei helfen, unsere Wünsche und unser Begehren konkreter werden zu lassen – das ist meiner Meinung nach entscheidend. Ohne die Gefahr, Schaden zu nehmen oder Kritik zu ernten, erringen wir durch sie die Freiheit, uns selbst und unsere geheimen Wünsche zu erkunden. Die Fantasie ist ein Safe Space und kein Abbild dessen, was wir uns im echten Leben wünschen. Vor allem aber brauchen wir in einer Fantasie von niemandem eine Erlaubnis: Sie ist absolut privat, das Abrufen und Weiterspinnen von Bildern und Geschichten stammt aus der eigenen Erinnerung und Vorstellungskraft.
Wer in der Realität etwas vermisst, greift gern auf die Fantasie zurück. In vielen Briefen sind die Lust und Erregung der Verfasserin davon abhängig, ob sie sich selbst sexy fühlt oder unsicher ist, ob andere sie sexy finden. Einigen gelingt es nicht, ihre sexuellen Vorstellungen um ihr wahres Ich kreisen zu lassen – sie sind der Mann im Zentrum der Aktivität oder eine unbekannte Frau oder eine makellose Version ihres Selbst, eine zum Beispiel verleiht ihrer Fantasie »jüngere, keckere Brüste«. Solche idealisierenden Szenarien dienen dazu, den Selbstzweifeln und Unsicherheiten im Hinblick auf den eigenen Körper und die eigene Leistungsfähigkeit für einen Moment zu entkommen. In der Fantasie können wir superscharf und sexy sein und müssen uns nicht um den »perfekten« Körper, die Gewichtszunahme nach einer Schwangerschaft oder unsere behaarten Beine sorgen. Oder wie es eine Frau formuliert: »Ich weiß kaum noch, ob mich etwas richtig anturnt oder ob ich nur das performe, was meiner Meinung nach von mir verlangt wird. In meiner Lieblingsfantasie geht es mir, glaube ich, vor allem darum, dass mir jemand das Gefühl gibt, ich wäre total begehrenswert. Nicht weil es irgendein nackter Körper ist, sondern weil ich es bin, weil es mein Körper ist.«
Worum also geht es in den Sexfantasien von Frauen, und was steckt dahinter? Wie Sie sehen werden, sind die hier versammelten Fantasien so vielfältig wie die Frauen, die unserem Aufruf gefolgt sind. Der Einfluss von erotischer Literatur wie Fifty Shades of Grey (2011) von E.L. James ist deutlich spürbar und ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu Die sexuellen Phantasien der Frauen; das zeigt sich nicht zuletzt darin, dass die Gesellschaft heute in erotischem Vokabular wesentlich bewanderter ist. Beschrieben werden Fantasien von einvernehmlichem BDSM-Sex zwischen erwachsenen Menschen in der dominanten oder unterwürfigen Rolle; in einigen geht es auch darum, diese Rollen zu tauschen. Zum Instrumentarium solcher Fantasien gehören Fesselspiele, Spanking, Peitschen, Augenbinden, Handschellen, Halsbänder, Analplugs, Dildos und Vibratoren in allen möglichen Größen und Formen. Interessanterweise schreiben viele Frauen, die davon träumen, dominiert zu werden, dass sie im echten Leben eine berufliche Machtposition mit großer Verantwortung innehaben und/oder dafür sorgen müssen, dass es im Haushalt und in der Familie rund läuft. Spannend fand ich auch, dass einige Frauen davon träumen, eine »hucow« zu sein; dieser Begriff war für mich neu, er steht für »human cow« und bedeutet im Grunde, »gemolken« zu werden. Etliche haben Fantasien von ungeschütztem Sex und würden es gern einmal erleben, dass ein Mann in ihnen kommt. Hier tut sich ein Generationsgraben auf, denn für die Post-Aids-Generation ist geschützter Geschlechtsverkehr die Norm. Jüngere Frauen sind außerdem im Zeitalter der technologischen und digitalen Revolution erwachsen geworden, was natürlich auch Auswirkungen auf ihr Sexleben hat, und damit meine ich nicht nur die Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit von Pornos. Einige Frauen finden die Idee eines lebensechten, männlichen Sexroboters, der ihnen jeden Wunsch erfüllt, extrem erregend – was früher in den Bereich der Science-Fiction gehörte, wirkt heute weit weniger fantastisch.
Doch auch viele archetypische Fantasien erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit. Ins Buch aufgenommen haben wir nur einen Bruchteil der bei uns eingegangenen imaginierten Dreier-, Vierer-, Fünfer- oder anderen Gruppensexszenarien, die nach neuestem Forschungsstand die am weitesten verbreiteten Sexfantasien darstellen. Es gab auch reichlich Einsendungen zu Themen wie Bürosex mit Kolleg*innen oder Chef*innen, Sex, bei dem man jederzeit erwischt werden könnte, voyeuristischem Sex als Beobachtete und Beobachtende, Sex vor Publikum, Sex mit Fremden, Sex im Freien. Eher unerwartet waren vielleicht die Fantasien von Sex mit Tentakel-Aliens oder halb menschlichen, halb tierischen Wesen – etwa mit Bigfoot oder einem Faun!
Wie schon in Die sexuellen Phantasien der Frauen beschrieben auch bei unserem Projekt etliche heterosexuelle Frauen Fantasien von sexuellen Begegnungen mit anderen Frauen, was bei vielen auch heute noch mit Scham oder Schuldgefühlen verbunden ist. Für andere wiederum ist Bisexualität ein integraler Bestandteil ihrer Fantasien, in einigen Briefen ging es um Sex mit Transmännern oder -frauen oder androgynen bis femininen Männern.
Während wir bemüht waren, keine Briefe in die Sammlung aufzunehmen, die traumatische Erfahrungen triggern können, hätten wir es als unaufrichtig empfunden zu verheimlichen, dass einige Frauen sich Situationen vorstellen, in denen sie für Sex »benutzt« oder entführt und von ihrem Kidnapper missbraucht werden. Betont werden muss in diesem Zusammenhang, dass es sich dabei um Fantasien handelt – auch wenn Frauen sich solche Dinge vorstellen, um sich erotisch zu stimulieren, wünschen sie sich vergleichbare Situationen im echten Leben weder für sich noch für andere Frauen. Vielleicht ist das eine weitere Funktion von Fantasien: im sicheren Umfeld des Schlafzimmers eine Möglichkeit zu bieten, im Kopf potenziell gefährliche und erniedrigende Situationen durchzuspielen.
Zuerst hatte ich Angst, meine eigene Fantasie aufzuschreiben, schließlich hätte sie jemand als meine identifizieren können (und mein Verlag so mehr über mich erfahren, als mir lieb gewesen wäre). Wie viele Frauen habe auch ich wohl zwei Seiten: Die eine hat keine Scheu, um das zu bitten, was sie will, während die andere auf die Wünsche ihres Partners eingeht und ihm gegenüber ihre geheimsten Sehnsüchte erst dann zugibt, wenn er das Gespräch darauf bringt (und auch dann nicht alles verrät). Heißt das, dass ich mich vor meinem Partner schäme? Oder dass ich generell keinem Menschen allzu intime Details anvertrauen möchte? Oder halte ich es für besser, bis zu einem gewissen Grad unergründlich zu bleiben? Kämpfen wir womöglich alle dagegen an, dass uns irgendein Mensch ganz und gar durchschaut?
Wie die von mir in Sex Education verkörperte Sexual- und Paartherapeutin Dr. Jean Milburn erklären würde, ist es für eine Beziehung ungemein förderlich, den Partner oder die Partnerin in die geheimsten Fantasien einzuweihen. Jean würde vermutlich argumentieren, dass solche Geständnisse ein Gefühl von Nähe schaffen, die sexuelle Lust steigern und das gegenseitige Vertrauen stärken, was sich am Ende wiederum positiv auf das gemeinsame Sexleben auswirkt. Allerdings leidet sie selbst unter Bindungsangst, weshalb ich ihr in Beziehungsfragen vielleicht nicht zu einhundert Prozent vertrauen würde, Doktortitel hin oder her. Aber sie existiert ohnehin nur in der Welt des Fernsehens, wo sie mit ihren zweifelhaften Moralvorstellungen für gute Unterhaltung sorgt!
In der echten Welt zeigte sich schon nach Ausstrahlung der ersten Folge auf Netflix, dass ein großes Publikum nur auf diese Offenheit in Bezug auf Sexthemen gewartet hatte.
Und die beeindruckende Anzahl von Zuschriften für dieses Buch, die Unverblümtheit in den Detailschilderungen sind für mich weitere Indizien, dass Frauen etwas zu erzählen haben, dass sie gehört, gesehen und gewürdigt werden wollen.
Schön fand ich auch, dass etliche Frauen in ihren Briefen schreiben, wie sehr es sie erregt hat, ihre erotischen Fantasien in Worte zu fassen. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viel Freude mir die Vorstellung bereitet, dass all diese wunderbaren Frauen an ihren Geräten sitzen und ihre intimsten Wünsche, Sehnsüchte und Geheimnisse hineintippen. Ich bin begeistert, weil so viele von ihnen die eigenen Vorstellungen von Erotik feiern und sich richtig daran berauschen können.
Zuletzt möchte ich noch etwas zur Auswahl der Briefe sagen. Mein Dank gilt allen Frauen, die sich die Zeit genommen und mir einen Brief geschrieben haben. Tatsächlich habe ich jeden einzelnen gelesen und sorgfältig geprüft. Doch so gern ich alle ins Buch mitaufgenommen hätte, ein Umfang von eintausend Seiten hätte den Rahmen dann doch gesprengt. Falls Ihr Brief also nicht dabei ist, möchte ich mich bei Ihnen entschuldigen – es lag nicht daran, dass mir Ihre Sexfantasie oder Ihr Schreibstil nicht gefallen hätte. Mein Ziel war es, eine möglichst vielfältige Auswahl zu präsentieren; von Frauen aus verschiedenen Ländern, mit unterschiedlichen sexuellen Identitäten, Glaubensrichtungen und gesellschaftlichen Hintergründen. Denn je mehr Stimmen wir einfangen, umso besser können wir das Sexleben heutiger Frauen verstehen. Das erste Kapitel haben wir »Über Fantasien« genannt – es dient als Einstieg in diese wunderbar abwechslungsreiche Sammlung weiblicher Stimmen.
In unseren kühnsten Träumen hätten meine Mitstreiter*innen und ich nicht damit gerechnet, dass dieses Projekt eine so reichhaltige Ernte einbringen würde – eine wahre Flut aus hemmungsloser Leidenschaft von Frauen aus aller Welt. Ich war richtig ergriffen von der Offenheit, dem Selbstbewusstsein und der Wortgewandtheit der beitragenden Frauen und von dem Vertrauen, das mir jede einzelne von ihnen entgegengebracht hat. Wenn ich mir etwas für das Buch wünschen dürfte, dann wäre es, einen Denkanstoß zu liefern, damit wir in einen neuen Dialog über die sexuelle Kraft von Frauen treten können. Wenn wir sexuell wirklich frei sein wollen, müssen wir Sex zu unseren Bedingungen genießen können und aussprechen dürfen, was wir wirklich wollen, statt nur das zu wiederholen, was andere unserer Meinung nach von uns hören wollen. Eine Sache steht jedenfalls fest: In unserem Leben als Frau spielen Sexfantasien eine wichtige Rolle für unser Wohlbefinden. Und jede von uns hat die Macht, das auszusprechen – und auch zu bekommen –, was sie wirklich will.
Gillian Anderson, April 2024
Nationalität • Ethnischer Hintergrund • Religion • Jahreseinkommen • Sexuelle Orientierung • Beziehungsstatus • Kinder
»Ich werde Ihr Geheimnis für mich behalten, wenn Sie auch meines für sich behalten.«
»Meine Fantasien, meine Regeln, oder?«
Ich würde mich selbst gern besser verstehen. Nicht als Person, sondern mein Menschsein. Oft frage ich mich, warum ich mich für meine Lust schäme. Geht es uns allen so, und geben wir nur vor, uns nicht zu schämen? Als Menschen – und Tiere – sind wir Individuen, die begehren. Trotzdem bilden wir uns ein, wir wären bedeutsamer als andere Säugetiere; intelligente Lebewesen, die Städte gegründet und Feuer fürs Kochen von Gemüse entdeckt haben, um die Ernte des gemeinschaftlich ausgelegten Saatguts zu feiern.
Ich suche nach Erklärungen für meine Sexualität. Als Teenager war ich lesbisch, aber definiere ich mich heute als lesbische Frau? Veränderungen machen mir Angst: Mich selbst in eine Schublade zu stecken und dort zu bleiben, wäre einfacher, aber dann wäre ich mit Sicherheit ziemlich traurig. Ich möchte berühren und berührt werden, lieben und geliebt werden. Ich kann mir Sex nicht als rein körperlichen Akt ohne Zuneigung vorstellen. Ich wünsche mir einen Menschen, der mir über die Haare und die Haut streicht, der mir sagt, dass er mich begehrt. Ich möchte verehrt werden und jemanden verehren – für mich ist Sex immer etwas Beidseitiges. Gleichzeitig möchte ich aber auch wissen, wie es ist, gefickt zu werden. Kann man sich von sanft und grob gleichermaßen angezogen fühlen? Von diesem tiefen, ursprünglichen Bedürfnis, beherrscht zu werden. Was mich erregt, ist wohl das Unbekannte.
Als Frauen unternehmen wir alles, um unabhängig zu sein. Doch umgeben von einem System, das alles unternimmt, um uns als das schwächere Geschlecht hinzustellen, steht mein Verlangen im Widerspruch zu meinem rationalen Denken. Ist das der Grund, warum ich mich für meine Fantasie, dominiert zu werden, so schäme? Ganz gleich, wie sehr wir uns als starke Individuen begreifen, wir Frauen werden vom Tag unserer Geburt darauf trainiert, uns für alles Mögliche zu schämen. Wie viele andere Frauen schäme ich mich für meinen Körper. Dort liegt die Wurzel meiner Unsicherheit: Ist mein Äußeres begehrenswert? Ich möchte nicht als Objekt wahrgenommen werden, aber begehrt werden möchte ich trotzdem. Vielleicht ziehen mich einfach nur die Widersprüche an.
Ich wünsche mir eine Beziehung und habe Angst davor. Und mehr oder weniger drehen sich alle meine Ängste um Sex. Ich wünsche mir einen Menschen, der mich berührt, der mich ausfüllt, der mich nach Berührungen verlangen lässt. Einen Menschen, der mir sagt, was ich tun und sagen soll, der mir zeigt, wie ich ihn verwöhnen und wann ich damit aufhören soll. Ich möchte von jemandem Grenzen aufgezeigt bekommen und selbst Grenzen ausloten. Ich möchte jemandem so sehr vertrauen, dass ich mich sicher fühle, wenn er mich kontrolliert. Ich möchte vor Wonne und vor Schmerz stöhnen. Möchte aufs Bett geworfen und gefickt werden – auch wenn es sich dabei um eine allgemeine, vage Fantasie handelt, fällt es mir nicht leicht, mir die Wahrheit einzugestehen: Ich bin ein Mensch und habe Triebe. Mein rationales Selbst setzt meiner Fantasie Grenzen – und schämt sich für mich. Das weiß ich mit Sicherheit. Ich lasse meiner Fantasie freien Lauf, aber das zu tun, fällt mir schwer, sehr schwer.
Aber ich will es versuchen, für Sie, aber vor allem für mich: Endlich weiß ich, dass ich gern tanze. Ich bin auf einer Party, bestens gelaunt. Ich sehe jemanden, die/der mir gefällt, weiß aber nicht, ob sie/er mich bemerkt hat, und tanze einfach weiter. Etwas später spüre ich, wie eine Hand mich sanft am Rücken berührt, und drehe mich um. Als ich ihr/sein Gesicht sehe, lächle ich und tanze mit ihr/ihm, während ich die kribbelnde Spannung unter meiner Haut spüre. Langsam wandern ihre/seine Hände zu meinen Hüften und meine zu ihrem/seinem Hals, den weichen Haaren. Wie es dazu gekommen ist, weiß ich nicht mehr, aber wir küssen uns bereits. Ein langsamer Kuss, und mit jeder Sekunde drücke ich mich fester an sie/ihn. Als mir die Hände auf meinem Körper nicht mehr reichen, schlage ich vor, uns einen Ort zu suchen, wo wir ungestörter sind. Wir gehen ins Badezimmer, wo wir uns weiter küssen und anfassen. Während sich unsere Hände nach unten bewegen, steigt das Adrenalin in die Höhe, und der Gedanke, jederzeit erwischt werden zu können, steigert meine Erregung noch. Mit dem Gesicht nach vorne werde ich gegen die harte, kalte Wand gedrückt. Von hinten schiebt sich eine Hand unter meinen langen Rock und fängt an, mich durch die Unterwäsche zu berühren. Das Reiben des Stoffes an meiner Klitoris macht mich scharf, aber als ich das Gefühl habe, bald kommen zu können, zieht sie/er die Hand weg. Ich bitte sie/ihn, nicht aufzuhören, aber sie/er sagt nur »pscht« und befiehlt mir, mich umzudrehen und sie/ihn anzuschauen. Als ich es tue, legt sie/er mir einen Finger an die Lippen und schiebt ihn mir dann in den Mund. Ich mag meinen Geschmack, er erinnert mich daran, dass ich am Leben bin. Während ein Finger in meinem Mund mit der Zunge spielt, wandert die andere Hand nach unten und streicht über die Innenseite meiner Schenkel. Das gefällt mir, ich will mehr und bitte darum. Doch sie/er berührt alles außer meiner Klitoris. Während ich darauf warte, gefickt zu werden, fühle ich mich schutzlos, weil ich weiß, die Tür kann jederzeit aufgehen und jemand hereinkommen. Als die Hand dann doch noch über meine Klitoris streicht, hängt meine Unterhose auf Kniehöhe, also ist es jetzt Haut auf Haut. Nicht nur die Finger streicheln mich, nein, die ganze Hand. Ich bin überempfindlich, und es brennt ein bisschen, allerdings nur so sehr, dass ich das Gefühl habe, demnächst kapitulieren zu müssen. Wir küssen uns, aber ich muss zwischendurch Luft holen. Als mich das Verlangen überkommt, ausgefüllt zu werden, werde ich ausgefüllt. Als könnte sie/er meine Gedanken lesen, sie/ihn in mir spüren zu wollen. Zwei Finger ficken mich, langsam, aber hart. Die Musik auf der Party vibriert in meiner Brust, der Bass streichelt mein Hirn, während ich wie zufällig Sex habe. Musik und Tanz, das Liebesritual.
Nicht zu wissen, ob ich komme, und mir nichts daraus zu machen, ist Teil dieser Fantasie. Ich erlebe die Lust im Kopf. Werde ich sie irgendwann auch mit meinem Körper erleben? Berührt zu werden, geliebt zu werden. Eine Frau zu sein, verliebt in die selbst geschaffene Welt.
Argentinisch • < EUR 20000 • Lesbisch • Single • Nein
Ich hätte gern einen Penis. Das ist meine Fantasie. Ich liebe meine Brüste und meine Weiblichkeit. Trotzdem hätte ich gern einen Penis, damit ich eine Frau oder viele Frauen ficken kann, mit Hingabe und Vorsicht, aber auch voller Lust, und dabei empfinden darf, was Männer beim Sex mit Frauen empfinden. Aber vor allem, um die Lust mit jemandem zu teilen. Das muss ein unglaubliches Gefühl sein. Es ist noch nicht lange her, da wollte ich ein Mann sein, wenigstens habe ich das geglaubt, denn in Wahrheit wollte ich dieselben Privilegien genießen wie Männer. Damit meine ich nicht nur ihre Rechte und ihr Gefühl von Sicherheit, sondern vor allem ihren Penis.
Ich sehne mich nach Technologien, die mir das Gefühl geben können, einen Penis zu haben, und es mir ermöglichen, einer Frau richtig viel Lust zu bereiten. Einer Frau, die sexy, witzig und liebenswert ist. »Schick mir doch eine«, habe ich in den Raum hinein gesagt oder eigentlich zu meiner Fantasie und jetzt auch zu Ihnen. Komisch, oder? Ich bin leicht verzweifelt, versuche aber, nicht so oft daran zu denken. Fürs Erste werde ich mir einen Gummipenis besorgen und eine Frau suchen, die mich küssen und Sex mit mir haben will. Das ist nicht einfach. Ich weiß nicht, wer mir Tipps geben oder mir witzige, sexy, feminine Frauen vorstellen könnte. Das nervt. Hässlich finde ich mich eigentlich nicht, weshalb ich noch weniger begreife, warum ich keine finde, die mit mir zusammen sein möchte. Noch nie hat mich eine Frau oder jemand, an dem ich romantisch interessiert gewesen wäre, geliebt. Diese stille Zurückweisung tut mir im Herzen weh. Ich fühle mich einsam, weil ich auf Tinder oder Bumble – oder im echten Leben – keine passende Frau finde. Früher lief es für mich mit den Apps ziemlich gut. Inzwischen läuft da nichts mehr. Manchmal habe ich das Gefühl, am falschen Ort und in der falschen Zeit zu sein.
Ich würde gern in ein anderes Land auswandern, weil ich mir vorstelle, dort einer Frau zu begegnen, die mich schätzt und begehrt. Und mich liebt. Das würde ich gern einmal erleben. Eine gesunde, liebevolle, tröstende Beziehung. Ich will nicht bloß Sex. Ich möchte eine echte, ehrliche, liebevolle Verbindung, auch wenn es nur eine Zeit lang hält. Einen winzigen Augenblick. Etwas, das mir guttut. Einen Penis will ich trotzdem, aber in meiner schönsten Fantasie finde ich eine Frau, die ich lieben darf. Die ich aufrichtig liebe und die mich liebt. Danke, dass Sie mir diesen Platz hier geschenkt haben. Nachdem ich alles aufgeschrieben habe, geht es mir schon viel besser.
Ecuadorianisch •BIPoC • < EUR 20000 • Bisexuell/pansexuell • Single • Nein
Was Sex angeht, hatte ich den bisher nur in der Fantasie. Vor einer Ewigkeit habe ich mal mit jemandem Händchen gehalten, das war’s. Doch meine Vorstellungskraft war schon immer ziemlich rege, und die neue Erkenntnis, dass ich nicht hetero bin, hat sie noch weiter angeheizt. Wenn die Leute wüssten, was ich denke, wenn ich am Küchentisch sitze und ein Käsebrot esse! Sagen wir mal so: Eventuell stelle ich mir in meinem Mund etwas völlig anderes vor.
In den letzten Jahren haben sich meine Fantasien sehr verändert, was mich manchmal irritiert. Früher ging es immer um zwei Menschen in Missionarsstellung, was auch okay ist. Auch dabei kann man sehr viel Spaß haben, doch inzwischen sage ich »ja, bitte« zu Dingen, von denen ich früher nicht mal im Traum zu träumen gewagt hätte: BDSM (Bondage, Discipline, Sadism, Masochism), Kink, Gruppensex, Escort, Sexpartys, Sexclubs, Voyeurismus, Exhibitionismus, One-Night-Stands mit Fremden, Analverkehr und Sachen, von denen ich bis vor einem Jahr noch nicht mal wusste, wie zum Beispiel Fisten. Im Moment fantasiere ich oft, dass ich auf einer Party von Menschen umringt bin, die alle mehr oder weniger nackt sind und ganz unterschiedliche Sachen machen. Meine Lippen saugen an einem Nippel, meine Faust steckt in dieser Person, und sie reitet und reitet darauf, bis …
Als ich entdeckt habe, dass ich queer bin, hat sich meine Einstellung zu allem geändert, nicht nur zu Sex und meinen Fantasien. Als hätte man mir eine neue Persönlichkeit transplantiert. Pornos zu gucken, wäre für mich früher ein No-Go gewesen, aber heute? Frauen mit Frauen, Männer mit Männern, Gruppen, Solo-Masturbieren – ich liebe es! Ich versuche, nicht von echten Menschen zu fantasieren (außer es handelt sich um die Lieferperson mit den Tattoos und dem Undercut!). Trotzdem stelle ich mir manchmal Sachen mit Leuten vor, die ich mir nicht vorstellen sollte. Kennen Sie das? Man redet mit jemandem, und plötzlich kommt man auf komische Gedanken. Wie schmeckt dieser Mensch wohl? Worauf steht er oder sie im Bett? Wie würde sich sein Penis in meiner Hand anfühlen? Meistens aber geht es um Personen, die ich mir nur ausgedacht habe. Manchmal bin ich mit dieser Person jahrelang zusammen oder ich bin total verknallt in sie oder ich verbringe mit ihr gerade mal zehn Minuten in der Toilettenkabine einer Bar. Es gibt bestimmte Personen, die über einen längeren Zeitraum Teil meiner Fantasien bleiben, meistens aber geht es um viele verschiedene Menschen. Früher habe ich nur von fitten, gut aussehenden, körperlich gesunden Menschen geträumt, heute kann es jeder Mensch, jeder Körper sein. Aussehen, Geschlecht, Hautfarbe und sexuelle Ausrichtung spielen dabei keine Rolle. Das Alter auch nicht. Meine Fantasiefreund*innen können fünfundzwanzig oder fünfundachtzig sein und alles dazwischen. Doch ganz gleich, in welcher Situation sich mein Fantasie-Ich befindet, etwas Festes ist es nie. Als hätte ich Angst, mir eine Rund-um-die-Uhr-, Out-and-Proud-Beziehung auch nur vorzustellen. Das hindert mich aber nicht daran, ständig von Polyamorie und Throuples zu fantasieren. Als ich vor ein paar Wochen von einer möglichen Celebrity-Dreiecksbeziehung gehört habe, brach bei mir kalter Schweiß aus, und ich wusste sofort, was an diesem Tag in meiner Fantasie abgehen würde.
Ich mag die Freiheit, die man in der Fantasie hat. Eine keusche, liebevolle Beziehung mit einer asexuellen Person kann dort friedlich neben einer Einmalbegegnung mit mehreren Unbekannten, die mich hart rannehmen, existieren. In einem Moment gehe ich mit jemandem Händchen haltend und turtelnd durch die Straßen, im nächsten bin ich mit vielen Personen in einem Kerker eingesperrt, wo einige zur Strafe an ein Gestell gekettet sind, während andere genussvoll die Peitschen schwingen. Als Nächstes reise ich als sexuelle Nomadin um die ganze Welt. Die Sehenswürdigkeiten der fremden Länder interessieren mich nicht, ich suche Rückzugsorte, Wohngemeinschaften und Clubs auf, wo ich auf Gleichgesinnte treffe und auf alle erdenklichen Arten Sex habe.
Aber ich hasse auch die Freiheit, die man in der Fantasie hat, und dass darin immer alles so einfach ist. Eigentlich geht es beim Fantasieren darum, sich besser zu fühlen. Manchmal klappt das auch, doch beim nächsten Mal fühle ich mich hinterher wie gelähmt. Vor Kurzem habe ich einen Artikel über eine Frau gelesen, die sich zum ersten Mal in eine Frau verliebt hat. Doch statt aktiv zu werden, saß ich bloß da und habe stundenlang auf die Seite gestarrt und mir vorgestellt, mir wäre das passiert. Fernsehen zu gucken oder ein Buch zu lesen, muss ich gar nicht erst versuchen, weil ich mich nämlich auf nichts konzentrieren kann. Ich glaube, ich brauche eine Therapie.
Ich hatte geglaubt, es würde mir helfen, wenn ich meine Gedanken aufschreibe, aber nun geht es mir noch viel mieser. Mir ist dabei nämlich aufgefallen, wie egoistisch und unersättlich ich bin. Ich sitze da und sehe in den Nachrichten die neuesten Tragödien, mein Leben ist völlig verkorkst, und auch die Leute um mich herum brauchen Hilfe, doch alles, woran ich denke, sind Körper und Ficken und Beziehungen. Jetzt schäme ich mich. Fantasien können einen das echte Leben kurzfristig vergessen lassen, aber sie können einen auch belasten. Manchmal fürchte ich mich vorm Aufwachen, denn bevor ich die Augen überhaupt aufmache, geht alles wieder los. Als wäre mein Leben eine Reihe von Sexträumen, die nur ab und zu von Ereignissen im echten Leben unterbrochen werden. Das Aufschreiben hat mir auch gezeigt, wie frustriert ich eigentlich bin. Ich frage mich, wie anders meine Fantasien wären, wenn ich ausgehen würde und Dates hätte. Wenn ich alles nochmal durchlese, finde ich mich fast ein bisschen naiv und einfach, wenn man es mit dem vergleicht, was andere in ihrer Fantasie erleben, aber … Meine Fantasien, meine Regeln, oder?
Britisch •BIPoC • < EUR 20000 • Bisexuell/pansexuell • Single • Nein
Ich bin glücklich verheiratet. Glaube ich wenigstens. Mein Mann ist ein toller Typ. Nett. Umgänglich. Wir haben gemeinsame Interessen. Er ist ein toller Vater. Respektiert mich. Arbeitet viel. Unterstützt mich finanziell. Er ist mein bester Freund. Es gibt nichts Schöneres, als mit seinem besten Freund verheiratet zu sein. Doch manchmal frage ich mich, wie mein Leben wäre, wenn er sterben würde. Ich frage mich, ob ich mutig wäre. Oder ob sich mein Geschmack verändern würde. Ob ich mich von jener Zwanzigjährigen unterscheiden würde, die sich in einen Typen verknallt, der dann ihr bester Freund und Ehemann wird. Und ob ich den Mut hätte, meiner Familie, meinen Freunden, meinen Kindern und mir selbst einzugestehen, was ich wirklich will?
Ich habe mal mit einem Mädchen zusammengearbeitet. Ich schreibe Mädchen, dabei war sie eine Frau. Sie war anders als jeder Mensch, den ich kenne; lange, dunkle, glänzende Haare, ein breites Lächeln, die Zähne zu groß für den Mund, die Arme voller Tattoos, kleine Brüste. Wenn unsere Blicke sich trafen, glitzerten ihre Augen, und sie sah durch meine müden Tränensäcke und die unförmige Strickjacke, die meinen Babybauch verbarg, hindurch. Sie strahlte mich richtig an, wenn ich mit ihr redete, und lehnte sich immer zu mir hin. Einen Tag später hörte sie bei uns auf, um ins Ausland zu gehen. Ein paar von uns verabredeten sich nach Feierabend mit ihr auf einen Drink. Ich weiß noch genau, wo ich gestanden habe, als sie von hinten an mich herantrat, mir ganz lässig einen Arm um die Taille legte und ihre Finger mit meinen verschränkte. Ich schaute stur geradeaus, bloß nicht nach unten. Fühlte mich betrunken. Merkte, wie meine Wangen rot wurden. Mein Körper brannte wie Feuer, als ich dort stand und so tat, als würde ich der Unterhaltung folgen, und dabei abwechselnd nickte und lächelte. Ich drückte den Rücken leicht nach hinten, bis mein Körper ihren streifte. Sie lachte über einen Witz, den irgendwer gemacht hatte, und ich lächelte, obwohl ich kein Wort mitbekommen hatte. Dann schloss ich ganz kurz die Augen; sie ließ ihre Hand sinken. Das abrupte Ende der Berührung brannte auf meiner Haut. Ich geriet leicht ins Schwanken. Dann verabschiedete ich mich und fuhr nach Hause zu meinen Kindern und meinem besten Freund. Heute sehe ich sie nur noch auf Instagram. Oder wenn ich im Badezimmer in den Spiegel schaue. Ich sehe sie hinter mir stehen. Sie hält meinen Vibrator, und ich stelle mir vor, mein Mann wäre tot. Und frage mich, ob ich den Mut hätte, mich zu ihr umzudrehen. Ob ich es zulassen würde, dass ihre langen Haare meine Brüste kitzeln. Ob ihr kleiner Busen in meinen üppigen passen würde. Hätte ich den Mut, sie zu küssen? Würde ich es ihr gestatten, meinen Körper zu erkunden, während ich im Gegenzug ihren erkunde? Hätte ich den Mut, sie meinen Kindern vorzustellen? Heute habe ich den Mut noch nicht. Den Mut, meinen Mann zu verlassen. Ich werde ihn nie verlassen. Er ist mein bester Freund. Auf der Straße halten wir Händchen, aber im Bett wenden wir uns beim Schlafen voneinander ab. Nicht weil wir auf den anderen sauer wären. Wir sind nur müde. Zufrieden. Resigniert. Ich habe mich mit einem behaglichen Leben abgefunden. Einem glücklichen Leben. Ohne Fantasien. Ohne sexuelle Freiheit. Ohne Verlangen. Nur Übereinstimmung. Mit seinem besten Freund verheiratet zu sein, ist vielleicht gar nicht so schlimm.
Britisch • Weiß • Jüdisch • < EUR 35000 • Heterosexuell • Verheiratet/in eingetragener Partnerschaft lebend • Ja
Ich habe ein Geheimnis, das ich noch keinem Menschen verraten habe – wenn Sie mich auf der Straße, in der Metro oder im Supermarkt sehen, brüte ich im Kopf höchstwahrscheinlich gerade eine detaillierte, glühend heiße Sexfantasie aus. Sie würden vermutlich denken, ich checke das Datum in meinem Reisepass, warte an der Fußgängerampel auf Grün oder prüfe Obst und Gemüse, aber in Gedanken werde ich gerade unter der Dusche von einem Mann, dessen Namen ich nicht mal kenne, von hinten rangenommen. Oder ich flirte mit einem Fremden in einer Bar, Kerzenlicht spiegelt sich in meinen Augen, vor mir liegt eine Nacht voller Versprechen.
Mein Leben ist absolut erfüllt – ich habe einen Job, der mir gefällt, gute Freunde, ein aktives Sozialleben und einen Partner, den ich liebe. Sobald ich aber alleine bin und mich mit den 1001 profanen Dingen des Lebens beschäftige, fängt mein ausgeklügeltes Parallelleben an. Manchmal handelt es sich bei den Männern (und gelegentlich der Frau) um Promis – beim Einkaufen im Supermarkt beispielsweise gleite ich in einen langen Tagtraum mit einem britischen Rocker. Nachdem wir uns in einer Bar kennengelernt haben, landen wir in seiner gemütlichen Wohnung, deren wunderschöne Regalwand mit Schallplatten und Büchern vollgestopft ist (nicht nur der Sex ist wohldurchdacht) –, und fangen an, uns zu küssen. Auf seinen Lippen schmecke ich den Rotwein, den wir getrunken haben, und nach einer Weile legen wir uns aufs Sofa. Bald geht es richtig heiß her, und ich gleite auf seinen Schwanz, er hält meine Hüften fest, schiebt mich vor und zurück und flüstert mir unanständige Sachen zu. Als wir kommen, bezahle ich an der Selbstbedienungskasse meine Einkäufe und verlasse den Supermarkt. Sehe ich einen attraktiven Politiker, der eine Pressekonferenz gibt, stelle ich mir sofort vor, er wäre bei mir in der Wohnung. Er hat mir ein Geschenk mitgebracht – Dessous, schwarz, eine Panty aus Spitze. Ich ziehe sie an, und er kniet vor mir nieder, schiebt den Slip zur Seite und fängt an, mich mit der Zunge zu verwöhnen. Ich komme schnell und heftig, greife ihm dabei ins dichte graudurchwirkte Haar. Meistens aber handelt es sich bei den Männern um reine Fantasieprodukte. Muss ein Handwerker in meiner Wohnung irgendwas reparieren, läuft bei mir die klassische Old-School-Pornofantasie mit der gelangweilten Hausfrau und dem sexy Handwerker ab. An dem Tag wurde gestreikt, und meine Fantasiebegegnung zog sich über die gesamte Stunde hin, die ich zu Fuß von zu Hause bis zur Arbeit brauche.
Ich kann mich noch gut an das erste Mal erinnern, als ich mir an einem öffentlichen Ort eine aufregende Begegnung vorgestellt und dabei ein Pokerface aufgesetzt habe. Mein damaliger Freund hatte mir eine CD von Prince und einen Discman geliehen (ja, so alt bin ich schon), und ich saß im Bus und hörte den Song Orgasm, von dem es hieß, es sei darin echter Sex zu hören. Wer weiß. Heute gehe ich gern durch meine außergewöhnlich pittoreske Stadt, höre Musik und spinne meine Fantasien weiter – um den Rest des Tages dann ganz normal mit meiner Umwelt zu interagieren. Wenn Sie demnächst also eine vollkommen durchschnittliche Frau sehen, die mit leichtem Lächeln auf der Straße an Ihnen vorbeigeht – dann könnte das ich sein.
Britisch • Weiß • < EUR 60000 • Heterosexuell • In einer Beziehung • Nein
Mir fällt es schwer, zu unterscheiden, welche Fantasien eigentlich meine eigenen sind. Die meisten Sachen, die im Porno passieren, sind auf Männer zugeschnitten; und an uns Frauen werden so viele Erwartungen gestellt, dass ich kaum noch weiß, ob mich etwas richtig anturnt oder ob ich nur das performe, was von mir verlangt wird. In meiner Lieblingsfantasie geht es mir, glaube ich, vor allem darum, dass mir jemand das Gefühl gibt, ich wäre total begehrenswert. Ich will, dass meine Partner:innen mich vergöttern – dass sie meinen Körper erkunden, als wäre er eine Droge – und mir das Gefühl geben, meine Nacktheit allein würde sie schon scharf machen. Nicht weil es irgendein nackter Körper ist, sondern weil ich es bin, weil es mein Körper ist. Wenn mir ein Mensch sagt, wie einzigartig und begehrenswert ich bin, dann habe ich trotz meiner vielen Unsicherheiten das Gefühl, als die Frau, die ich bin, begehrt zu werden. Und je begehrenswerter ich mir in den Augen meiner Bettpartner:innen vorkomme, umso mehr erregt mich das.
Amerikanisch • Weiß • Jüdisch • < EUR 120000 • Bisexuell/pansexuell • Mit Partner/Partnerin zusammenlebend • Nein
In meinen Sexfantasien kann wirklich alles vorkommen. Das Einzige, das nie darin vorkommt, bin ich selbst. Zum Glück komme ich aus einem body-positiven Land, in dem jeder Körper akzeptiert wird. Weil wir in der Schule Sexualunterricht hatten und ganz offen über Körperthemen sprechen konnten, wissen Frauen wie ich ziemlich gut über den Wert unseres Körpers Bescheid. Wenn ich damals mit meinen Freundinnen über Sex redete, mussten wir keine Codewörter benutzen und auf Metaphern zurückgreifen – und wir haben uns ständig über das Thema ausgetauscht. Als ich älter wurde, waren ihre sexuellen Erfahrungen keine Fantasie mehr, sondern gehörten zum echten Leben, während ich beim Fantasieren blieb. Wenn wir nun über Sex redeten, log ich sie an.
In meinen Sexfantasien kommen etliche Menschen vor. Manchmal sind es Frauen, manchmal Männer. Viele sehen mir nicht mal ähnlich. Und wenn sie es doch einmal ansatzweise tun, finde ich das auch okay, solange ich es nicht wirklich bin. Eine Zeit lang habe ich mir eine dunkelhaarige Frau namens Harriet ausgedacht, die mich in allen Fantasien gedoubelt hat: Sie wurde an meiner Stelle von meinen Angebeteten, Idolen und Fantasiefreunden rangenommen. Sobald ich aber auftauchte, ging die Stimmung abrupt flöten, und es wurde ungemütlich. Ich fand es widerlich.
Was lässt sich daraus schließen? Hasse ich vielleicht nur meinen Körper? Nein. Ich gehöre zu denen, die von den Medien zum »Ideal« gekrönt wurden, und fühle mich wohl in meiner Haut. Bin ich womöglich asexuell? Aber ich möchte ja Sex haben. Möchte erleben, was die Menschen in meinen Fantasien erleben. Ich habe Interesse an Sex, solange ich nicht mitmache. Habe ich vielleicht Angst? Wovor? Ich habe alles über Sex gelernt, habe jedes Gespräch geführt, weiß, wie ich mich schützen kann. Wovor sollte ich also Angst haben? Ganz selten stelle ich mir vor, ich hätte zum ersten Mal Sex mit einer anderen Person, deren Gesicht verschwommen ist. Es ist jemand, der größer ist als ich und mich sanft, aber leidenschaftlich nimmt. Jemand, der mir keine Fragen stellen muss, weil er auch so weiß, wie ich es brauche. Jemand, der mir ein Gefühl von Sicherheit gibt. Jemand, bei dem ich mich nicht mehr wie ich selbst fühle. Jemand, der meinen Wunsch, nicht dabei zu sein, akzeptiert. Kann es sein, dass ich niemals genug Vertrauen zu einem Menschen haben werde, um mich auf Sex mit ihm einzulassen? Nicht mal in meinen wildesten Fantasien? Kann schon sein.
Schwedisch • Weiß • Wicca-Anhängerin • < EUR 20000 • Bisexuell/pansexuell • Single • Nein
Ich praktiziere luzides Träumen. Jede Nacht träume ich, ich hätte Sex mit dem Schauspieler Pedro Pascal. Entweder Oralsex oder ich reite ihn.
Schweizerisch • Heterosexuell • In einer Beziehung • Ja
Bevor ich Die sexuellen Phantasien der Frauen von Nancy Friday gelesen habe, hatte ich keine Sexfantasien. Heute greife ich auf meine Fantasie zurück, weil ich zwar gern Sex habe, aber nicht immer bereit dafür bin. Fantasien sind ein Werkzeug, um mich an einen angenehmen Ort zu versetzen. Dabei ändern sich diese Fantasien ständig, manchmal sind sie albern und völlig durchgeknallt. Ich stelle mir oft Schwänze vor, je mehr, desto besser, dann reitet zum Beispiel ein Mann einen anderen (manchmal ist mein Partner einer von ihnen) oder um mich herum masturbieren Dutzende Männer. Manchmal stelle ich mir vor, ich würde in einem Bankettsaal auf dem Tisch liegen und masturbieren (als wäre ich sozusagen das Festmahl), und um den Tisch herum geifern mich dicke, alte, reiche Männer mit zum Himmel gerichteten Schwänzen an. Es sind alle möglichen Größen und Formen dabei, einige sind winzig und pummelig, andere riesig und überzeichnet. Aber ficken wollen sie mich alle.
Britisch • Weiß • < EUR 60000 • Bisexuell/pansexuell • Mit Partner/Partnerin zusammenlebend • Ja
In meinen Fantasien werde ich immer von einer älteren hetero-aussehenden Frau angemacht, die mir (einvernehmlich) den devoten Part zuweist. Sie ist die Dominante und benutzt mich nach Lust und Laune. Ich hätte Angst, den Menschen aus meinem näheren Umfeld, also meinem Mann oder meiner Therapeutin, davon zu erzählen. Es lässt sicher tief blicken, wenn eine junge Frau davon träumt, dass eine Frau im Alter ihrer Mutter diese ganzen Sachen mit ihr macht. Aber seit ich in der Highschool das Onanieren entdeckt habe, ist diese Fantasie das Einzige, was mich zum Höhepunkt bringt, und ich bin mir sicher, dass sie mich noch als Mutter und alte Frau begleiten wird. Der erste Selbstversuch war für mich sehr schwierig (nicht weil ich nicht gewusst hätte, wie es geht, denn ich hatte bald raus, was sich gut anfühlt), ich konnte nämlich machen, was ich wollte, einen Orgasmus hatte ich nicht. Es war ein bisschen so, als würde ich auf einen Berg steigen und kurz vor dem Gipfel anhalten. Das ging ein paar Tage so, bis ich mir einen Film mit einer älteren Protagonistin anschaute und feststellte, dass meine Genitalien mit mir kommunizieren können. »Schlafzimmer. Jetzt. Sofort.« Und: Feuerwerk.
Früher habe ich versucht, beim Onanieren an meinen Mann zu denken, denn das wird ja eigentlich erwartet, aber zum Orgasmus kam ich so nie. Die Fantasie in meinem Kopf – die Frau und die Situation ändern sich ständig, je nachdem, welche Filme oder Serien ich gerade gut finde – ist für mich die einzige Situation, in der ich körperliches Vertrauen zulassen kann, und somit auch die einzige Möglichkeit für mich, einen Orgasmus zuzulassen. Hinterher habe ich enorme Schuldgefühle. Ich schaue in den Spiegel und frage mich, was mit mir nicht stimmt und warum es mich nicht befriedigt, beim Onanieren an meinen Mann zu denken. Ich liebe ihn doch, abgrundtief und von ganzem Herzen … aber es gibt diesen einen kleinen Teil von mir, der Angst davor hat, die einzige Erfahrung zu verpassen, die mich sexuell voll und ganz erfüllen könnte.
Als ich noch Single war, habe ich überlegt, ob ich meine Fantasie ausleben soll. Doch es gab tausend Gründe, die mich davon abgehalten haben. Was hätten die Leute gedacht, wenn es herausgekommen wäre? Gedatet hatte ich Frauen hin und wieder, das hätte also niemanden mehr überrascht. Aber herauszufinden, dass ich mit einer Frau im Alter meiner Mutter schlafe, das hätte für wesentlich mehr Aufsehen gesorgt.
Ich frage mich oft, ob auch andere Frauen solche Fantasien haben, nur wird über Sex ja selten offen geredet. Ich frage mich, ob meine Tutorinnen in der Highschool jemals so an mich gedacht haben wie ich an sie. Ich frage mich, ob die Mutter meiner Collegefreundin jemals daran gedacht hat, mich zu verführen, wie ich es mir von ihr so sehnlich gewünscht habe. Diese Fragen gehen mir durch den Kopf, und ich würde alles dafür geben, zu erfahren, ob auch andere Frauen solche Gedanken haben. Nur damit ich weiß, dass ich nicht alleine bin.
Selbst jetzt, während ich diese Zeilen schreibe, ekle ich mich vor mir selbst. Ich darf solche Gedanken nicht haben, am liebsten würde ich mich jetzt gründlich abschrubben und zu meinem Mann ins Bett kriechen. Ich habe diese Fantasien vor der ganzen Welt geheim gehalten und noch keiner Sterbensseele davon erzählt. Weil ich Angst davor habe, dann sozial geächtet oder gleich in eine Einrichtung gesteckt zu werden, wo mich ein zweiter Sigmund Freud studiert. Ich finde, man sollte offen über Sex reden dürfen. Wäre es nämlich so, hätte ich mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit das ausprobieren können, wonach ich mich so sehr sehne. Doch bis zum Ende meines Lebens wird dieses Verlangen wohl ein Geheimnis zwischen Ihnen, liebe Leserin, und mir bleiben. Ich werde Ihr Geheimnis für mich behalten, wenn Sie auch meines für sich behalten.
Amerikanisch • Weiß • Atheistin • < EUR 20000 • Bisexuell/pansexuell • Verheiratet / in eingetragener Partnerschaft lebend • Nein
Wenn doch nur jede*r drei Leben hätte. Mein erstes wäre so wie das jetzt: Ich bin mit meinem besten Freund aus der Schulzeit verheiratet und wohne mit ihm und unseren Kindern in der kleinen Wohnung mit dem großen Baum davor. Unsere Haut war einmal zusammen jung. Sex haben wir immer noch, doch nach drei Schwangerschaften und zwei Kindern hat sich unser Lebensrhythmus verändert, und das ist auch okay, denn Intimität hat ja bekanntlich viele Gesichter. Mit uns ist es wie mit einem Gänsepaar, das ein Leben lang zusammenbleibt, und ich bin sehr dankbar für dieses wunderbare Gefühl, zu jemandem zu gehören.
In meinem zweiten Leben hingegen wäre ich mit den falschen Männern, den miesen Typen, zusammen. Diejenigen, die dich eher brutal anfassen, bei denen zu Genuss immer auch Schmerz gehört und die sich nichts aus dir machen. Sie kommen und gehen, hinterlassen Spuren auf deinem Körper, aber nie in deinem Leben. Ihr Gesicht ist immer anders, aber man kann sich darauf verlassen, dass sie groß und fies sind, dich von hinten oder im Stehen, gegen eine Wand gedrückt, ficken. Sie fesseln dich, machen dich fertig und nehmen immer mehr, als sie geben. Doch es liegt eine ein-zigartige Art von Aufregung darin, hart rangenommen zu werden. Zwar bin ich in diesem zweiten Leben gelegentlich einsam, aber die Einsamkeit ist eine bewusste Entscheidung. Um mich als Ganzes zu fühlen, brauche ich keine romantischen Verstrickungen; ich beobachte Gänse lieber aus der Ferne.
Und im dritten … im dritten Leben liebe ich sie. Sie ist wild und frei, ihre Haare sind ein wildes Durcheinander aus Wind, Locken und Meersalz. Wenn sie mich küsst, schmecken auch ihre Lippen salzig. In meinem Inneren hat sie eine Art Höhle aufgestoßen, von deren Existenz ich bisher nichts wusste. Bei ihr bin ich anders. Eifersüchtig, stürmisch und besitzergreifend. Ich will sie berühren, immer und immer wieder, will meinen Mund auf ihren pressen, meine Hände auf sie legen. Der Sex mit ihr ist zärtlich, intensiv, sinnlich, und sie ist wunderwunderschön. Sie verzehrt mich, wie es die Wellen des Meeres mit einem machen, machtvoll und gewaltig bricht sie sich an mir. Mehr will ich nicht. Ach, wenn es doch so wäre. Und während ich mein wunderbares erstes Leben lebe, existieren die anderen beiden in den aufrichtigen Momenten zwischen Wachen und Träumen.
Deutsch • Weiß • Katholisch • < EUR 60000 • Heterosexuell • Verheiratet / in eingetragener Partnerschaft lebend • Ja
Mein Mann denkt, ich stehe nur auf Vanillasex – wenn er nur wüsste, wovon ich träume. Wir sind beide transsexuell und haben Schwierigkeiten, ein erfülltes Sexleben zu führen, weil, sagen wir mal so, unsere jeweiligen Rollen nicht so recht zu uns passen. Inzwischen gebe ich es meistens auf und onaniere lieber gleich zu Pornos. Dabei gucke ich mir am liebsten trans*Frauen an, weil ich ihre sexuellen Erlebnisse nachempfinden kann.
Früher habe ich weibliche Sexsymbole vergöttert und davon geträumt, im Playboy zu sein, und lange Zeit wollte ich gern ein berühmter Pornostar werden. Vor meiner Transition fand ich mich wahnsinnig hässlich. Die Transition hat in mehrfacher Hinsicht das Beste in mir zum Vorschein gebracht. Trotzdem würde ich alle nötigen kosmetischen Eingriffe vornehmen lassen, um mich in ein Sexsymbol zu verwandeln. Die Leute waren bisher immer nur von meinem Verstand angetan, aber ich möchte auch für meinen Körper bewundert werden. Das ist oberflächlich? Mag sein. Aber wer seinen Körper so sehr hasst wie ich meinen, der wünscht sich nur, von allen als begehrenswert empfunden zu werden. Eine Person reicht nicht aus. Jeder Mann und jede Frau sollen in mir die Verkörperung weiblicher Sexualität sehen. In meiner Fantasie bin ich der Star in Pornos, ein gefragtes Nacktmodell, eine atemberaubende Sexikone. Beim Sex stelle ich mir mich in allen möglichen pikanten Situationen vor: Ich bin an einem Filmset und besorge es unzähligen Männern oder ich hocke auf den Knien und besorge es nur einem.
Im echten Leben versuche ich zwar, mein Sexleben etwas aufzupeppen, aber meinem Mann geht das, glaube ich, schon zu weit, weil er mich eigentlich für sehr zurückhaltend hält. Das Gewagteste, das ich bisher gemacht habe, war schicke Dessous und Duftkerzen fürs Schlafzimmer zu kaufen. Ich weiß natürlich, als verheiratete Frau und Mutter kann ich nicht auch Pornostar sein. Deshalb werde ich mich wohl damit begnügen müssen, mich und meinen Mann beim Sex zu filmen. Das macht mich ziemlich scharf und heizt meiner Fantasie immerhin gehörig ein.
Amerikanisch •BIPoC • Atheistin • < EUR 60000 • Heterosexuell • Verheiratet / in eingetragener Partnerschaft lebend • Ja
Ich bin in den späten 1960ern, frühen 1970ern erwachsen geworden und habe meinen zukünftigen Mann bei einem Behördenjob kennengelernt. Wir waren beide Computernerds und haben in derselben Abteilung gearbeitet. Ich glaube nicht, dass wir uns von Anfang an sexuell attraktiv fanden, das war mehr so eine Kopfsache. Doch die sexuelle Anziehung wurde in den Jahren vor unserer Hochzeit und danach immer stärker.
Spulen wir vierundreißig Jahre vor. Mein Mann ist vor fünf Monaten gestorben. Ich vermisse ihn schrecklich. Seit dreieinhalb Monaten besuche ich eine Selbsthilfegruppe für Menschen, deren Partner verstorben ist, und habe einer Handvoll Frauen, die zum Großteil sehr viel jünger sind als ich, von meinem Verlust und den damit verbundenen Schmerzen erzählt. Aber niemand von uns spricht darüber, dass man nicht nur seinen Partner, sondern auch seinen Sexpartner verliert. Mir ist dieser Verlust sehr bewusst, was wohl daran liegt, dass wir tollen Sex hatten und ich mir Sex nur mit diesem, meinem Mann vorstellen kann.
Jetzt versuche ich mich an unseren Sex zu erinnern, mich in die Erinnerung hineinzuversetzen, sie nochmal zu durchleben und beim Masturbieren zu meiner Fantasie werden zu lassen – nur fällt mir das wegen meiner katholischen Erziehung nicht leicht. Die meisten Witwen werden bestätigen, dass nichts den verlorenen Ehepartner ersetzen kann. Fantasien helfen jedenfalls nicht dabei, den Schmerz erträglicher zu machen. Ich sehne mich nach Körperkontakt und versuche, mich mit den Umarmungen von Familienangehörigen und Freunden zu begnügen. Aber ich weiß noch, dass sich eine dieser Umarmungen kurz nach dem Tod meines Mannes fast wie ein Schlag anfühlte, denn dadurch wurde mir erst bewusst, dass ich die leidenschaftlichen Umarmungen, die ich früher genießen durfte, nie wieder erleben werde.
Mein Mann hat sich für mich gewünscht, dass ich nach seinem Tod einen neuen Partner finde – das hat er mir, kurz bevor er starb, selbst gesagt. Nur ist das so ungefähr das