Was Sie von Ihrem Hund lernen können - Cesar Millan - E-Book

Was Sie von Ihrem Hund lernen können E-Book

Cesar Millan

0,0

Beschreibung

Lebenshilfe für Mensch und Hund Was haben Mensch und Hund gemeinsam? Was haben Hunde uns voraus? Nun dreht der weltbekannte Hundeflüsterer Cesar Millan die Perspektive um: Anerkennung, Sicherheit, Zuneigung sind Bedürfnisse, die Mensch und Hund miteinander teilen. Doch der Hund reagiert viel schneller, wenn etwas nicht stimmt, und kann zugleich Vorbild für ein glücklicheres Leben sein. Ein sehr persönlicher Ratgeber, basierend auf jahrelanger Erfahrung mit Hunden und Menschen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 280

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



LEBENSHILFE FÜR ALLE, DIE HUNDE LIEBEN

Von Kindheit an hat sich Cesar Millan intensiv mit Hunden beschäftigt. Nun zieht der berühmte „Hundeflüsterer“ und „Rudelführer“ Bilanz. Er habe Hunden, nicht zuletzt seinem geliebten Hund Daddy, unglaublich viel zu verdanken. Denn wenn es um die elementaren Dinge des Lebens geht, so sind Hunde die besten Lehrmeister der Menschen: „Hunde könnten uns sehr viel lehren, weil sie aus purer Notwendigkeit das Verhalten der Menschen seit vielen Generationen eifrig studiert haben. Um erfolgreich mit uns leben und zusammenarbeiten zu können, lernten sie im Verlauf von Tausenden von Jahren alles über unsere Spezies.“

Hören Sie auf Ihren Hund!

Denn Ihr Hund lügt nicht – und er kennt Sie besser als Sie sich selbst. In diesem Buch kehrt der berühmte Hundeflüsterer Cesar Millan die Perspektive um: Diesmal erteilen die Hunde uns Lektionen über die elementaren Dinge des Lebens.

Seit ihrer Gründung 1888 hat sich die National Geographic Society weltweit an mehr als 12 000 Expedi­tionen, Forschungs­ und Schutzprojekten beteiligt. Die Gesellschaft erhält Fördermittel von National Geographic Partners LLC, unterstützt unter anderem durch Ihren Kauf. Ein Teil der Einnahmen dieses Buches hilft uns bei der lebenswichtigen Arbeit zur Bewahrung unserer Welt. Falls Sie mehr über National Geographic wissen wollen, besuchen Sie unsere Website unter www.nationalgeographic.de.

ÜBER DEN AUTOR

© Jason Elias / Cesar’s Way Studios

Cesar Millan, in Mexiko geboren, wanderte mit 21 Jahren illegal in die USA ein. Trotz mangelnder Sprachkenntnisse fiel er durch eine besondere Gabe auf: sein Talent im Umgang mit Hunden. Inzwischen ist er der berühmteste Hundetrainer Amerikas und auch in ganz Europa überaus bekannt. Seit 2004 moderiert Cesar Millan die Sendung „Der Hundeflüsterer“, die in 80 Ländern - und in Deutschland täglich - bei NATIONAL GEOGRAPHIC im TV ausgestrahlt wird. Inzwischen laufen dort noch zwei weitere Sendereihen mit Cesar Millan: „Notruf Hund: Einsatz für Cesar“ und „Cesar Millan: Auf den Hund gekommen“. Seine Bücher sind internationale Bestseller. Die von ihm gegründete Cesar Millan Foundation, eine Non-profit- Organisation, kümmert sich um die Rehabilitation von schwierigen und traumatisierten Hunden.

Cesar Millan

WAS SIE VON IHREM

HUND LERNEN KÖNNEN

Ebenfalls von Cesar Millan:

Die Glücksformel für den Hund.

98 Tipps vom Hundeflüsterer

Cesar Millan

WAS SIE VON IHREM

HUND LERNEN KÖNNEN

Von Anerkennung bis Zuneigung

Cesar Millan

In Zusammenarbeit mit

Melissa Jo Peltier

Verantwortlich: Dr. Birgit Kneip

Producing, Redaktion und Korrektur: SAW Communications,

Redaktionsbüro Dr. Sabine A. Werner, Mainz

Übersetzung: SAW Communications: Sonja Häußler, Norma Keßler und Christa Trautner-Suder

Satz: SAW Communications, in Zusammenarbeit mit Katrin Pfeil

Umschlaggestaltung: Anja Grimm Gestaltung, auf der Basis des Layouts der Originalausgabe

Umschlagvorderseite: © Corbis / Douglas Kirkland

Herstellung: Bettina Schippel

Sind Sie mit diesem Titel zufrieden? Dann würden wir uns über Ihre Weiterempfehlung freuen. Erzählen Sie es im Freundeskreis, berichten Sie Ihrem Buchhändler, oder bewerten Sie bei Onlinekauf. Und wenn Sie Kritik, Korrekturen, Aktualisierungen haben, freuen wir uns über Ihre Nachricht an NG Buchverlag, Postfach 40 02 09, D-80702 München oder per E-Mail an [email protected]

Unser komplettes Buchprogramm finden Sie unter

www.nationalgeographic-buch.de

Seit ihrer Gründung 1888 hat sich die National Geographic Society weltweit an mehr als 12 000 Expeditionen, Forschungs- und Schutzprojekten beteiligt. Die Gesellschaft erhält Fördermittel von National Geographic Partners LLC, unterstützt unter anderem durch Ihren Kauf. Ein Teil der Einnahmen dieses Buches hilft uns bei der lebenswichtigen Arbeit zur Bewahrung unserer Welt. Das legendäre NATIONAL GEOGRAPHIC-Magazin erscheint monatlich. Darin veröffentlichen namhafte Fotografen ihre Bilder und renommierte Autoren berichten aus nahezu allen Wissensgebieten der Welt. National Geographic im TV ist ein Premium Dokumentations-Sender, der ein informatives und unterhaltsames Programm rund um die Themen Wissenschaft, Technik, Geschichte und Weltkulturen bereithält.Falls Sie mehr über National Geographic wissen wollen, besuchen Sie unsere Website unter www.nationalgeographic.de.

Titel der Originalausgabe:

Cesar Millan’s Lessons from the Pack

Copyright © 2017 Cesar’s Way, Inc.

Die Namen von einigen Personen, Tieren und Organisationen wurden geändert, um ihre Identität zu schützen.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Deutsche Ausgabe veröffentlicht von:

NG Buchverlag GmbH, München 2017

Lizenznehmer von:

NATIONAL GEOGRAPHIC PARTNERS

Reproduktionen, Speicherungen in Datenverarbeitungsanlagen oder Netzwerken, Wiedergabe auf elektronischen, fotomechanischen oder ähnlichen Wegen, Funk oder Vortrag, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Copyrightinhabers.

E-Book-ISBN (epub) 978-3-86690-660-0 E-Book-ISBN (mobi) 978-3-86690-663-3

eBook-Herstellung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net

Um den Geist der Hunde zu ehren und voller Dankbarkeit für alles, was sie für mich und meine Familie getan haben, widme ich dieses Buch dem American Pit Bull Terrier Daddy, meinem gefühlvollen Lehrer. Er glaubte an sich ebenso wie an mich, und er lehrte mich, anderen zu helfen. Daddy, bitte leite mich weiterhin dabei, so weise und gut zu sein, wie du es warst. Es war eine große Ehre, an deiner Seite zu gehen, mein Freund.Alle vermissen dich – und ich ganz besonders.

Gott gab den Tieren eine Weisheit, die unser Sehvermögen übersteigt: Jedes Einzelne weiß aus sich selbst heraus, wie man lebt, während wir das erst mühselig erlernen müssen.

Margaret Atwood,Gedicht aus der SammlungDas Jahr der Flut

INHALT

Darf ich vorstellen: Ihre neuen Lehrer

LEKTION 1: Respekt

LEKTION 2: Freiheit

LEKTION 3: Selbstvertrauen

LEKTION 4: Authentizität

LEKTION 5: Vergebung

LEKTION 6: Weisheit

LEKTION 7: Resilienz

LEKTION 8: Akzeptanz

Epilog

ANHANG

Anmerkungen

Quellen

Dank

Die Autoren

Bildnachweis

Wenn Tiere in unser Leben treten, sind sie bereits darauf vorbereitet zu lehren. Ihre Unfähigkeit zu sprechen belastet sie nicht im Geringsten, haben sie doch viele unterschiedliche Möglichkeiten, mit uns zu kommunizieren. Es ist unsere Aufgabe, über das Zuhören hinaus aufmerksam zu sein und mehr zu sehen als das Offensichtliche.

Nick Trout, Love Is the Best Medicine

DARF ICH VORSTELLEN:IHRE NEUEN LEHRER

Begleiten Sie mich auf eine Reise in ein wunderbares Land, und stellen Sie sich diesen Tagesablauf vor:

Von draußen dringt fröhliches Vogelgezwitscher an Ihr Ohr. Bei Sonnenaufgang erwachen Sie aus einem erfrischenden Schlaf, einen Wecker brauchen Sie nicht. Wenn Sie die Augen aufschlagen, durchströmt Sie ein Glücksgefühl, eine Mischung aus Aufregung, Spannung und Vorfreude. Sie machen sich sofort an die gewohnten morgendlichen Yogaübungen. Sie dehnen sich und lockern jeden einzelnen Muskel, danach geht es gleich nach draußen zum Frühsport.

Sie gehen Ihren gewohnten Weg durch das Viertel, genießen bei jedem Schritt Ihren gesunden Körper und atmen die frische Morgenluft, den Duft von Blumen, Gras und Bäumen ein. Es ist zwar dieselbe Strecke wie jeden Tag, aber es ist alles so wunderbar frisch, als wären Sie zum ersten Mal hier. Sie treffen Ihre Freunde und Nachbarn, und Sie bleiben gerne für eine freudige Begrüßung stehen und werden Ihrerseits freudig begrüßt. Wie Sie freuen sich hier alle auf diesen neuen Tag.

Wieder zu Hause erwartet Ihre Familie Sie zum Frühstück. Die Begrüßung ist noch herzlicher und liebevoller als vorhin von den Nachbarn. Mit Umarmungen und Küssen zeigen alle, wie wichtig Sie für sie sind. Dann eilen alle gemeinsam in den Garten und feiern mit Ihnen im gemeinsamen Spiel den neuen Tag. Jeden Tag erhält Ihr Leben seinen Sinn daraus, dass Sie das Wunder des Lebens voller Dankbarkeit mit denen gemeinsam erleben, die Sie ganz besonders lieben.

Dann ist es Zeit, zur Arbeit zu gehen, und die Vorfreude ist groß, denn Sie lieben die Arbeit, die Sie ernährt! Sie ist Ihr ganzer Stolz. Jeden Ihrer Arbeitskollegen begrüßen Sie herzlich. Obwohl sie alle ganz unterschiedlich sind bezüglich Größe, Gewicht, Hautfarbe, Herkunft und Religion, teilen alle die Überzeugung, dass sie zusammengehören und ein gemeinsames Ziel verfolgen. Allen, mit denen Sie zusammenarbeiten, bringen Sie denselben Respekt entgegen, und das gilt vom einfachsten Dienstboten bis zum obersten Chef, der ebenfalls so denkt. Alle sind sich einig, dass jeder in dem Unternehmen eine wichtige Rolle spielt und dass jeder in gleichem Maße seinen Anteil an den gemeinsamen Bemühungen hat.

Hin und wieder gibt es mit einem Kollegen eine Meinungsverschiedenheit. Jemand hat etwas, das Sie wollen, oder vielleicht tut jemand etwas, mit dem Sie nicht einverstanden sind. In Ihrem Unternehmen wird jedoch nicht hinter dem Rücken der Leute geredet, es gibt keine Geheimabsprachen und keine üble Nachrede am Kaffeeautomaten. Wenn Sie mal mit einem Kollegen uneins sind, sprechen Sie das sofort offen an, und vielleicht fliegen dann mal kurz die Fetzen, aber nach ein paar Minuten ist alles vorbei, und die Sache ist entschieden. Nichts bleibt zurück, und der Tag kann unbeschwert weitergehen.

Das klingt wie ein Bericht aus einer perfekten, aber unerreichbar fernen Welt oder wie ein modernes Märchen. Allerdings muss es das nicht sein. Dieses Szenario gibt Ihnen einen Einblick, wie das Leben aussehen könnte, wenn Menschen wie Hunde agieren würden. Hunde zeigen uns, wie wir es besser machen könnten.

In den letzten zehn Jahren habe ich sechs Bücher über das Verhalten von Hunden geschrieben, und fast alle standen auf der Bestsellerliste der New York Times. In allen erzähle ich von den vielen Hunden, denen ich geholfen habe, sich wieder in die Gesellschaft von Menschen und anderen Hunden zu integrieren, und beschreibe die Techniken, die ich dabei angewandt habe. In diesen Büchern bin ich der Lehrer. Im vorliegenden Buch wechsle ich jedoch die Perspektive: Diesmal sind die Hunde nicht Schüler, sondern Lehrer – unsere Lehrer. In den folgenden Kapiteln geht es um das, was die Hunde, denen ich begegnet bin, mir beigebracht haben.

Jeden Tag zeigen uns unsere Hunde in allem, was sie tun, eine bessere Art zu leben, aber wir passen viel zu oft nicht auf. Wir nehmen Hunde als Teil unseres Alltags wahr und meinen, viel mehr über das Leben zu wissen als sie. Infolgedessen glauben wir auch, ihnen weitaus mehr beibringen zu können, als sie uns je lehren könnten.

Wir investieren extrem viel Energie in den Versuch, unsere Hunde nach unserem Vorbild zu formen. Wir lehren sie, unsere Sprache zu verstehen, und kommen kaum auf den Gedanken, ihre Sprache zu lernen. Wir bringen ihnen „Sitz“, „Platz“, „Komm“ und „bei Fuß“ bei, weil es praktisch für uns ist, nicht für sie. Wir beschenken sie wie Kinder, obwohl es ihnen egal ist, wer die schönsten Spielsachen hat, und wir ziehen ihnen teure Outfits an, obwohl Mode sie überhaupt nicht interessiert.

Für mich ist das alles nicht logisch. Wir bringen unseren Hunden bei, sich wie Menschen zu verhalten, obwohl viele Menschen Mühe haben, mit Vertretern ihrer eigenen Spezies auszukommen. Die Natur hat Hunde so geschaffen, dass sie Werte wie Ehre, Respekt, Mitgefühl, Ehrlichkeit, Vertrauen, Loyalität und die Bedeutung von Ritualen verinnerlicht haben. Sie verstehen instinktiv die Bedeutung von Hierarchien und bilden in ihren Rudeln ein Beziehungsgeflecht, von dem alle profitieren. Anstatt ihnen also beibringen zu wollen, was wir für sie als wichtig erachten, sollten wir vielleicht einmal die Gelegenheit ergreifen und von ihnen lernen.

Ich hab dieses Buch geschrieben, weil ich glaube, dass es an der Zeit ist, unsere Hunde einmal als unsere Lehrer zu betrachten. Hunde besitzen all das, was wir gerne hätten, aber scheinbar nie erreichen können. Jeden Tag leben Hunde ganz selbstverständlich nach einem moralischen Kodex, dessen Befolgung die Menschen immer nur anstreben. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass uns unsere Hunde besser verstehen als wir selbst.

„Erkenne dich selbst!“, lehrt uns Sokrates. Ich würde das so formulieren: Wenn Sie wissen wollen, wer Sie sind, lernen Sie Ihren Hund kennen! Ihr Hund kennt Sie auf seine Weise bereits sehr gut. Er weiß besser als die meisten Menschen um Sie herum, wer Sie wirklich sind. Ihr Hund kennt Ihren Tagesablauf, er kann Ihre Körpersprache verstehen und kennt Ihre Gefühlslage vielleicht besser als Sie selbst. Ihr Hund hat Zugang zu Ihrem Unterbewusstsein und zum tiefsten Inneren Ihrer Seele.

Kein Philosoph vermag uns so gut zu begreifen wie ein Hund oder ein Pferd.

Herman Melville

Wie aus einem Hund ein Lehrer wird

Hunde könnten uns sehr viel lehren, weil sie aus purer Notwendigkeit das Verhalten der Menschen seit vielen Generationen eifrig studiert haben. Um erfolgreich mit uns leben und zusammenarbeiten zu können, lernten sie im Verlauf von Tausenden von Jahren alles über unsere Spezies.

Hunde haben die Art Mensch Abertausende Kilometer weit begleitet. Sie haben mit uns gejagt, unsere Herden zusammengehalten und unsere Territorien verteidigt. Sie sind seit Jahrtausenden an unserer Seite und haben sich auf dieser Reise zusammen mit uns verändert. Erst waren sie mit uns zusammen Jäger und Sammler, sind dann mit uns zu Bauern und schließlich zu Städtern geworden.

In all dieser langen Zeit haben Hunde unsere Gewohnheiten kennengelernt und wissen darüber fast so gut Bescheid wie über ihre eigenen. Sie haben gelernt, was unsere Körperhaltungen bedeuten und verstehen jede Nuance in unserer Stimme. Um zu überleben, wurden sie die weltbesten Experten für jede Art menschlichen Verhaltens. Ich bin davon überzeugt, dass Hunde, könnten sie sprechen, unsere besten Freunde, Lehrer und Psychologen wären.

Auf der Erde leben über 400 Million Hunde. In den USA lebt in jedem vierten Haushalt ein Hund, in Deutschland in jedem siebten. Die Liebe zum Hund überwindet alle gesellschaftlichen Grenzen, Menschen leben in großen Städten ebenso mit Hunden zusammen wie in kleinen Orten auf dem Land. Hunde wissen, wie sie mit uns zusammenarbeiten können und leben überall gerne bei uns.

Die anpassungsfähigen Hunde sind eine der wenigen Tierarten, die seit Zehntausenden von Jahren hervorragend mit Menschen zusammenleben. In ihrem großartigen Buch The Genius of Dogs vertreten die beiden Wissenschaftler Brian Hare und Vanessa Woods die These, dass in der Zeit, in welcher der Wolf sich zu dem Tier entwickelt hat, das wir heute als Hund kennen, er die Menschen genauso nutzte wie sie ihn. Wölfe lernten schnell: Halfen sie uns beim Jagen und dem Hüten der anderen Haustiere und beschützten unser Zuhause, dann gab es als Belohnung Nahrung und eine sichere Unterkunft. Daraus entwickelte sich schließlich eine artenübergreifende Zuneigung.

Wie war das wohl vor etwa 34 000 Jahren, als der erste clevere Wolf beziehungsweise „Protohund“ herausfand, dass er sich um nichts mehr sorgen musste, wenn er einfach diesem seltsamen aufrecht gehenden Wesen half? Dabei musste er ohnehin nur das erledigen, was Wölfe sowieso jeden Tag tun: jagen, auskundschaften, Spuren suchen und die Familie beschützen. Wölfe, die vor Menschen weder Angst hatten noch sie bedrohten, waren plötzlich gegenüber ihren argwöhnischen Artgenossen aus der Wildnis im Vorteil und traten in eine Win-win-Situation ein, die bis heute andauert.

Während unsere Hunde also alles daransetzen, uns zu verstehen, um sich bestmöglich in unsere Welt einzufügen, begegnen wir ihnen nicht immer mit derselben Höflichkeit. Die meisten meiner Klienten denken, die Probleme mit dem Hund hätten nichts mit ihnen zu tun. Aber fast immer beginnen Hundeprobleme beim Besitzer. Unabhängig von Beruf und Herkunft haben alle Menschen, mit denen ich arbeite, denselben Wunsch: „Cesar, bitte hilf meinem Hund!“ Ich gebe ihnen dann als Erstes zu verstehen, dass ich ihnen nur helfen kann, wenn sie lernen, mit sich selbst klarzukommen.

Wie aus einem Hund der beste Freund wird

Hunde begleiten, beobachten und studieren uns seit Menschengedenken. Begaben wir uns in Gefahr, überlegten sie, wie sie mit uns kommunizieren könnten, um uns davor zu warnen. Benötigten wir Hilfe beim Transport, ließen sie sich bereitwillig vor unsere Schlitten oder Wagen spannen. Brauchten wir einen Kameraden, waren sie da und lernten, unser bester Freund zu sein.

Mit der Fortentwicklung der Zivilisation brauchten wir die Hunde immer seltener für die tägliche Arbeit, aber sie passen sich neuen Anforderungen auch heute noch stets an. Hunde helfen uns beim Erkennen von Krankheiten, bei Such- und Rettungseinsätzen und in der Therapie, und nach wie vor sind sie zu Hause treue, stets gut gelaunte Gefährten.

Zu Hunden haben wir schon immer eine deutlich engere Beziehung als zu anderen Nutz- und Haustieren, wie Fischen,Frettchen oder sogar Katzen gepflegt. Der Grund ist vielleicht, dass wir beide soziale Wesen sind: Menschen und Hunde wissen sehr genau, was es bedeutet, sich auf andere zu verlassen und für andere zu sorgen. Beiden Arten sind diese Aspekte des Verhaltens wichtig.

Mit der Zeit entwickelten sich Hunde von Helfern über Kameraden zu vollwertigen Familienmitgliedern. Ihre überraschend einfache Lebenseinstellung bietet uns ein ideales Beispiel dafür, was Vertrauen, Respekt, Hingabe und Loyalität wirklich bedeuten. Daher könnten Hunde im nächsten evolutionären Schritt unsere besten Lehrer werden.

Für mich sind Hunde die faszinierendsten Wesen; sie lieben bedingungslos. Sie verkörpern für mich Lebendigkeit und wahres Leben.

Gilda Radner

Die wichtigsten Lektionen im Leben

Als Kind lernte ich von den Hunden auf unserem Bauernhof, was Respekt bedeutet. Ich habe fasziniert ihre auf Deeskalation abzielenden Konfliktlösungen registriert sowie ihr Wissen um ihren Platz in der Gruppe bewundert. Durch das Beobachten des friedlichen Miteinanders im Rudel lernte ich Gelassenheit. Die einfache und direkte Art der Kommunikation unter Hunden lehrte mich Ehrlichkeit und persönliche Integrität. Hunde wurden meine Vorbilder, und Hunde halfen mir, der Mensch zu werden, der ich heute bin. Durch sie möchte ich ein noch besserer Mensch werden: ein besserer Kamerad, Freund, Vater und Lehrer.

Um von Hunden lernen zu können, müssen wir zunächst eine Verbindung zu ihnen aufbauen, in der wir uns nicht von vornherein als der Überlegene sehen. Wir müssen bescheiden sein und uns einer anderen Form der Kommunikation öffnen. Um von Hunden oder anderen Tieren lernen zu können, müssen wir zunächst deren Welt verstehen und versuchen, sie durch deren Augen zu betrachten.

Ob zu Hause oder in meinem Dog Psychology Center, überall bin ich umgeben von einem Rudel wunderschöner Hunde, und es werden immer mehr.

Unser Leben ist heute sehr kompliziert. Wir sind mit Recht stolz auf die revolutionären Technologien unserer Gesellschaft, aber wir vergessen oft, dass wir uns damit auch immer weiter von der Natur und unseren Instinkten entfernen. Uns erscheinen anstrengende Berufe, lange Wege zur Arbeit und stundenlanges Sitzen am Computer normal. Unsere Kinder verbringen mehr Zeit mit Hausaufgaben als mit Spielen. Entspannung heißt für sie nicht mehr, auf Bäumen herumzuklettern, sondern gebannt auf einen Bildschirm zu starren. Wir müssen unser Haus putzen, Besorgungen machen und Rechnungen bezahlen. Wenn wir uns zu sehr in dieser Alltagsroutine verlieren, verpassen wir die Chance, die Welt und das Schöne darin zu sehen. Letzteres aber ist für einen Hund völlig normal.

Aus diesem Grund liegt für mich das Geheimnis der inneren Ruhe und des Glücks im Vertrauen auf die Instinkte. Unsere Hunde erleben Ausgeglichenheit und Zufriedenheit jeden Tag und jede Stunde. Im Grunde spüren wir wie alle Tiere recht schnell und deutlich, wenn sich etwas nicht gut anfühlt. Wir greifen dann jedoch zu Ratgebern oder flüchten uns in Essen, Trinken, Drogen, Glücksspiel und Shopping als verzweifelte Versuche, dem Durcheinander zu entkommen und Frieden zu finden. Dabei leben die besten Vorbilder direkt bei uns.

Hunde können uns so viel über das Leben beibringen – über Vertrauen, Loyalität, Gelassenheit und bedingungslose Liebe. Darum soll es in diesem Buch gehen. Dafür habe ich acht Lektionen zusammengestellt, die mir von Hunden erteilt worden sind: über Respekt, Freiheit, Selbstvertrauen, Ehrlichkeit, Vergebung, Weisheit, Nachgiebigkeit und Akzeptanz. Ich habe diese Lektionen von meinen geliebten Pit Bulls Daddy und Junior, von einem stolzen Hofhund namens Paloma, von zwei Rottweilern namens Cain und Cycle und sogar von einer kleinen französischen Bulldogge namens Simon gelernt. Ich habe in meinem Leben viele Hunde kennengelernt, und jeder von ihnen hat seine Spuren in mir hinterlassen. Jedes der folgenden Kapitel steht für einen konkreten, inspirierenden Schritt auf unserem Weg zur Selbsterkenntnis, und immer sind dabei Hunde unsere Lehrer.

Viele Jahre lang habe ich über Führung und Gefolgschaft gesprochen. Jetzt ist es für mich höchste Zeit, dass wir den Hunden folgen, indem wir ihre Weltsicht, ihren Lebensstil, ihre Werte und das Sozialverhalten im Rudel übernehmen. Hunde sind selbstlos und stellen das Wohl des Rudels über die eigenen Interessen. Sie leben im Hier und Jetzt und verlieren sich nicht in Details.

Gerade heute ist es für uns Menschen dringend notwendig, wieder mehr das Wohl der Gemeinschaft in den Vordergrund zu stellen. Wir brauchen mehr gesunden Menschenverstand, mehr Einfachheit und mehr Dankbarkeit für das, was wir haben. Wir schieben so viel Wichtiges auf: Familie, Gesundheit, Spaß, Ausgeglichenheit. Hunde tun das nicht. Wenn sie ein Ungleichgewicht spüren, ob in ihrer Umgebung, in einer bestimmten Situation oder bei einer Person, denken sie nicht lange über eine Lösung nach. Sie reagieren einfach, so wie wir spontan die Hand vom Feuer zurückziehen. Wenn es um das Erkennen der sprunghaften Gefühle von Menschen geht, sind Hunde wahre Meister. Wenn wir sie genau beobachten und ihnen gut zuhören, können uns unsere geliebten Haustiere in unserer Persönlichkeitsentwicklung und Selbsterkenntnis entscheidend voranbringen. Die Weisheit der Hunde ist Medizin für die Seele, aber in unserer Welt, die nur um unsere eigene Spezies kreist, entgeht das oft einfach unserer Aufmerksamkeit.

Ich lade Sie zu einer Reise ein, bei der neue Wege im Leben beschritten werden, und die einzelnen Stationen sind die einzigartigen und klugen Lektionen, die unserer Hunde uns erteilen.

LEKTION 1: RESPEKT

Wir zwei, lieber Freund, sind Sonne und Mond, sind Meer und Land. Unser Ziel ist nicht, ineinander überzugehen, sondern einander zu erkennen und einer im andern das sehen und ehren zu lernen, was er ist: des andern Gegenstück und Ergänzung.

Hermann Hesse, Narziss und Goldmund

Er hatte das Erscheinungsbild der anderen Hunde auf dem Bauernhof, mit einem Kopf wie ein Wolf, einem leicht eingerollten Schwanz, langen Beinen und dem knochigen Körper eines Kojoten. Aber am Fell konnte man Paloma immer gleich erkennen, denn sein reines Cremeweiß hob sich deutlich von der braunen oder grauen Farbe der anderen Tiere des Rudels ab. Auch wenn der Rüde vor der untergehenden Sonne stand und man seine Fellfarbe nicht genau sehen konnte, war da noch etwas, das Paloma zu einem besonderen Tier machte. Wenn das Rudel von einem langen, heißen Tag auf den Feldern zurückkehrte und in einer Staubwolke über die Kuppe den Hang heruntertrabte, erkannte man schon von Weitem die außergewöhnliche, würdevolle Erscheinung dieses Hundes. Er lief direkt hinter oder neben meinem Großvater und immer vor den anderen Männern und Hunden. Palomas stolze Haltung war wie die der Pitayabäume in der hügeligen Landschaft des mexikanischen Bundesstaates Sinaloa, wo ich mit meiner Familie in Culiacán an der Westküste lebte. Den spitzen, stehenden Ohren des Hundes entging nichts, sie suchten wie Satellitenschüsseln die Umgebung nach Signalen ab. Seinen Kopf trug er stets aufgerichtet, und selbst wenn er bewegunglos wie eine Statue verharrte, waren seine Augen immer in Bewegung und registrierten alles um ihn herum.

Paloma war ganz klar der Führer des Rudels aus etwa sieben Hunden, die wir auf dem Hof hatten, so wie mein Großvater eindeutig der Herr des Hofes war, zu dem unsere Familie, die Hunde und die Landarbeiter gehörten. Paloma war gewissermaßen der Adjutant meines Großvaters. Obwohl er einer anderen Spezies angehörte, war er in der Rangfolge der Zweite. Die anderen Hunde spürten das ebenso wie die Landarbeiter.

Als die rechte Hand meines Großvaters nahm Paloma eine besondere Rolle ein, wurde respektiert und von allen mit Ehrfurcht behandelt. Wie mein Großvater war Paloma der geborene Führer, ruhig und unaufgeregt, aber stets an vorderster Front. Wie mein Großvater arbeitete Paloma jeden Tag von früh bis spät, und wie mein Großvater fühlte er sich für die Sicherheit und das Wohlergehen der ihm Anvertrauten verantwortlich.

Auf dem Hof meiner Großeltern, wo ich mit meinen Eltern und meiner Schwester Nora lebte, war ich bereits als kleiner Junge fasziniert von Paloma. Ich beobachtete, wie er sich gegenüber den anderen Hunden verhielt, wie er die Welpen zurechtwies, wie er in Streitfällen die Ordnung wiederherstellte und besonders wie er instinktiv das machte, was mein Großvater wollte, noch bevor dieser es ihm sagte. Ich erinnere mich, dass ich oft tief in Palomas hellbraune Augen schaute und mir ein Schauer über den Rücken lief, wenn er meinen Blick erwiderte. Da sah mich nicht einfach nur ein Tier an, sondern eine tiefgründige Seele mit großem Wissen. In diesem Blick lag enorm viel Verstand und eine zeitlose Weisheit.

Ich erinnere mich, wie Paloma mir mit seinem Blick sagte: „Eines Tages wirst du dein eigenes Rudel führen.“

MITTLERWEILE SIND FAST 40 JAHRE VERGANGEN. Paloma und sein Rudel gibt es schon lange nicht mehr. Es ist das Los der Menschen, dass wir länger leben als die Hunde, die uns ans Herz gewachsen sind. Aber wenn ich jetzt hier sitze und über die zerklüftete Landschaft rund um mein Dog Psychology Center im kalifornischen Santa Clarita schaue, sehe ich sie alle vor mir, und ihr Geist und ihre Energie sind immer da.

Heute ist mir klar, dass ich Führen gelernt habe, indem ich genau hinsah, wie mein Großvater den Hof leitete. Er kommandierte niemanden herum. Er wurde nicht wütend oder panisch, wenn die Ernte vertrocknete, weil kein Regen fiel. Er strahlte Stärke und Ruhe aus, und alle, auch die Tiere, gehorchten ihm bereitwillig.

Paloma war als Hund die Entsprechung zu meinem Großvater, auch sein Führungsanspruch wurde von allen respektiert. Er musste weder bellen noch knurren, damit ihm das Rudel folgte. Er zeigte weder Angst noch Unsicherheit, wenn die anderen Tiere unter Stress standen, weil es unerträglich heiß war oder sie Hunger hatten.

Heute weiß ich, dass mein Großvater und Paloma eine Eigenschaft besaßen, die ich mir später in meinem Leben ebenfalls aneignete, wenn ich dafür auch hart arbeiten musste. Es ist die Fähigkeit, anderen das Gefühl von Vertrauen und gegenseitigem Respekt zu geben. Man kann nur ein Führer sein, wenn man es schafft, aus dem Vertrauen zueinander Respekt erwachsen zu lassen. Dies ist der Grundpfeiler, auf dem sowohl Beziehungen zwischen Menschen als auch zwischen Hunden aufbauen.Anführer, die darüber nicht verfügen, müssen auf die Angst der anderen zurückgreifen und autoritär handeln, was unter Tieren und in der Beziehung zwischen Mensch und Hund allerdings nicht funktioniert.

Immer wieder wurde und wird mir vorgeworfen, dass ich autoritäre Lehrmethoden verwenden würde, die auf Dominanz setzen. Dabei wird Dominanz als ein Führen des Rudels in Form von Herrschaft und Einschüchterung interpretiert. Aber das ist nicht die Art Führung, die ich von meinem Großvater und Paloma gelernt habe, und es ist nicht die Form von kreativer Führung, für die ich eintrete. Rudelführerschaft beruht auf Respekt und Vertrauen, nicht auf Angst und Herrschaft.

Der Kreislauf des Lebens

Ich wurde auf dem Bauernhof meines Großvaters im mexikanischen Culiacán geboren und verbrachte dort auch die prägenden Jahre meiner Kindheit. Wir führten ein sehr traditionelles Landleben. Alle mussten anpacken, um den Hof zu bewirtschaften – mein Großvater, meine Großmutter, mein Vater, meine Mutter und auch wir Kinder hatten unsere Aufgaben. Zunächst waren das nur meine Schwester Nora und ich, später kamen dann noch meine Schwester Monica und mein Bruder Erick dazu.

Mein Großvater hatte den Hof, auf dem wir lebten, gepachtet. Jeden Tag seines Lebens stand er morgens auf und machte sich ans Werk. Er molk die Kühe, versorgte die Schweine, sammelte die Eier und erntete das Gemüse. Manchmal ging er noch nebenher in einer Mine arbeiten. Er führte ein arbeitsames Leben, um seine Familie zu ernähren, und starb im Alter von 105 Jahren auf dem Hof.

Ein solches Leben scheint aus der Perspektive eines Industriestaates in eine andere, weit zurückliegende Zeit zu gehören, aber in einem Entwicklungs-oder Schwellenland ist das bis heute Alltag.Noch immer führen viele Mitglieder meiner recht großen Familie in Mexiko genau diese Art von Leben.

Meine Familie lebte und arbeitete auf dem Bauernhof meines Großvaters in Culiacán an der Westküste Mexikos.

Als ich etwa sechs Jahre alt war, zog ich mit meiner Familie in die Stadt Mazatlán, 200 Kilometer entfernt vom Hof meines Großvaters, aber noch viele Jahre lang verbrachte ich die Sommerferien auf dem Hof. In der Rückschau idealisiere ich diese Zeit natürlich, aber ich bin mir trotzdem ziemlich sicher, dass mich dieses einfache Leben auf dem Bauernhof gelehrt hat, wie sich echte Ausgeglichenheit und wahres Glück anfühlen.

Das Leben auf dem Hof war durchaus nicht immer idyllisch. Alle in der Familie arbeiteten vor morgens bis abends. Jeder, ob Mensch oder Tier, musste seinen Beitrag leisten. Die Hunde mussten die Ziegen und Kühe zusammenzutreiben, die Ernte vor Mäusen, Kaninchen oder Vögeln schützen, und sie fungierten als Wachhunde, die uns frühzeitig vor gefährlichen Tieren oder unbekannten Menschen warnten.

Meinem Großvater gelang es wahrscheinlich nur deshalb, den Eigentümer des Hofs zufriedenzustellen und so die Familie zu ernähren, weil er Paloma und dessen Rudel hatte.

Paloma kommt in die Familie

Auf einem Bauernhof in Mexiko sind Nutztiere eine Handelsware; Kühe, Pferde und Schweine werden gekauft und verkauft, Hunde dagegen sind irgendwie immer einfach da. Paloma jedoch kam auf besondere Weise zu uns.

Als ich noch ganz klein war, besuchte mein Großvater an einem Sommertag einen Hof in der Nachbarschaft und erfuhr, dass dort eine Hündin geworfen hatte. Als er sich den Wurf betrachtete, fiel ihm ein Welpe wegen seines weißen Fells auf, denn alle anderen waren schwarz oder grau. Der Weiße war eindeutig ein Alphahund: Schon jetzt energiegeladen, stolz und durchsetzungsstark drückte er seine Geschwister von den Zitzen der Mutter weg. Mein Großvater konnte zu jedem Tier eine Verbindung aufbauen und war beeindruckt von der Stärke dieses kleinen Hundes. Er bot dem Nachbarn eines seiner Schweine für diesen kleinen weißen Hund an, wenn er alt genug war, um von der Mutter getrennt zu werden, und der Nachbar willigte in den Tausch ein.

Warum mein Großvater dem neuen Hund den Namen Paloma, das spanische Wort für Taube, gab, habe ich nie herausgefunden. Es ist eigentlich eher ein Name, den man einer Hündin geben würde, aber vielleicht erinnerte Paloma meinen Großvater an eine weiße Taube.

Auf Erden sind alle gleich

Auf unserem Hof arbeiteten alle, mein Großvater, mein Vater und die Landarbeiter, mit den Tieren zusammen – die Tiere waren also am gemeinsamen Tagwerk beteiligt. Die Hunde lebten nicht im Haus, sie bekamen kein besonderes Fressen und wurden auch nie gebadet. Trotzdem waren sie Teil der Familie, etwa so wie Verwandte, die nebenan wohnen und mit denen man sehr viel gemeinsam hat, die aber doch ihre eigenen Rituale und Lebensgewohnheiten pflegen.

Die Hunde konnten natürlich kein Spanisch, aber wir sprachen trotzdem eine gemeinsame Sprache, die sich aus dem Fließen von Energie ergab. Wir kommunizierten auf einer Wellenlänge. Es gab keine Ausgrenzung, Hierarchie oder Rangordnung, stattdessen herrschte ein gegenseitiger Respekt, und alle vertrauten einander, um das gemeinsame Ziel zu erreichen. Für keinen war die Katze mehr wert als das Huhn oder zählte der Hund mehr als die Katze oder stand das Pferd über dem Hund. Jedes Wesen war ein wichtiger Teil eines größeren Ganzen.

Im Gegensatz zu vielen Besitzern von Haustieren, mit denen ich in den USA gearbeitet habe, hätte niemand in meiner Familie „ich liebe dich“ zu einem unserer Tiere gesagt. Paloma war zwar immer an der Seite meines Großvaters, aber der Hund durfte nie in seinem Bett schlafen, bekam keine Kunststücke beigebracht und besaß kein Spielzeug. Großvaters Respekt dem Hund gegenüber zeigte sich in einer tiefen Dankbarkeit, aus der heraus er immer dafür sorgte, dass Paloma und sein Rudel wenn möglich genug zu fressen, Wasser und einen sicheren Unterschlupf hatten. Im Gegenzug war Paloma zuverlässig und aufmerksam und tat alles für seine Menschenfamilie. Respekt ist meiner Meinung nach eine ganz eigene, sehr kraftvolle Form der Liebe.

Mein Großvater brachte mir bei, dass man einem Tier immer Vertrauen entgegenbringen muss. Je mehr man das Tier braucht, desto größer muss der Respekt sein. Das ist ein ganz wichtiger Gedanke. Wenn Sie kein Seil haben, um Ihren entlaufenen Esel einzufangen, können Sie ihn auch mit Vertrauen und Respekt dazu bewegen, wieder zu Ihnen zu kommen. Wenn Sie das Vertrauen eines Tieres gewinnen, wird dieses zu einem Band. Allerdings ist Vertrauen kein Mittel, mit dem man Gewalt ausüben kann. Es ist das Band für echte Zusammenarbeit.

Der Hund ist das treueste aller Tiere und wäre hochgeachtet, wäre er nicht so gewöhnlich. Unser Herrgott gab seine größten Talente dem Gewöhnlichsten.

Martin Luther zugeschrieben

Aus Fehlern lernen

In einer solchen Lebens- und Arbeitsgemeinschaft, wie es der Bauernhof meines Großvaters war, kann ein Fehler schwerwiegende Folgen haben. Ich war ein kleiner Junge, voller Energie, neugierig und mit vielen verrückten Ideen im Kopf. Ich trieb meine Mutter beinahe in den Wahnsinn, weil ich immer noch mehr wissen wollte und immer weiter „Warum?“ fragte. Kinder haben ihren eigenen Kopf, testen Grenzen aus, und ich ließ dafür keine Gelegenheit verstreichen.

Als ich ungefähr sechs Jahre alt war, hatte ich Streit mit meiner kleinen Schwester. Meine Mutter nahm sie in Schutz, und das machte mich wütend. Beleidigt stürmte ich zur Türe hinaus und war wild entschlossen, hinaus aufs Feld zu gelangen, wo mein Vater und mein Großvater arbeiteten.

Auf dem Hof lief ich direkt an unserem Pferd vorbei, das dort angebunden stand. Es spürte meine Wut und begann sofort zu stampfen und auszutreten. Ich stürmte weiter durch den Garten, wo wir unsere Hühner hielten, die dort friedlich herumpickten. Kaum war ich da, übertrug sich meine Unruhe, und sie flatterten nervös vor mir herum. Der Hahn richtete sich hoch auf, schlug mit seinen Flügeln und versuchte, mich zu vertreiben. Schließlich kam ich zu unserem Esel, der gerade an der Tränke am Weg zu den Feldern stand. Der Esel war das einzige Tier, auf dem ich reiten durfte, daher sprang ich auf seinen Rücken und spornte ihn mit einem leichten Tritt an loszulaufen. Dieser Esel, der eines der sanftmütigsten und entspanntesten Tiere auf der ganzen Welt war, begann plötzlich zu buckeln und warf mich fast ab. Er weigerte sich, auch nur einen Schritt zu gehen.

WAS SAGT DIE WISSENSCHAFT?

Respekt in der Hundewelt bedeutet Fairplay

Viele Jahre lang beschäftigte sich der Tierverhaltensforscher Marc Bekoff mit Hunden, Wölfen und Kojoten. Für ihn liegt der Grund, warum deren Rudel so gut funktionieren, in der dort herrschenden Fairness und in der klaren, ehrlichen Kommunikation von Absichten, deren Basis der gegenseitige Respekt ist.1

Wenn Hunde und Wölfe spielen, versuchen sie immer, eine gewisse Ebenbürtigkeit herzustellen: Ein stärkerer Wolf würde bei einem schwächeren nie so fest zubeißen, wie er könnte, und eine dominante Hündin im Rudel legt sich auch mal vor einem Hund mit niedrigerem Status auf den Rücken. In beiden Fällen heißt dies: „Wir spielen gerade miteinander, es wird hier nicht ernst.“ Wenn ein Hund dann doch einmal zu weit geht, bittet er sogar mit einer Art Verneigung um Entschuldigung. Der andere Hund liest aus der Geste heraus: „Tut mir Leid! Lass uns weiterspielen.“