Was unter dem Mond geschah - Antonia Heinrich - E-Book

Was unter dem Mond geschah E-Book

Antonia Heinrich

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Beschreibung

Eine amerikanische Firma möchte einen Film über Leonardo da Vinci drehen und braucht eine Kunsthistorikerin, damit die geschichtliche Genauigkeit eingehalten wird. Es meldet sich Bridget Malloy, eine promovierte Kunsthistorikerin, und bekommt den Job. Ihr Verhalten ist jedoch mehr als auffällig: Sie arbeitet nur, trifft sich mit niemandem und wird immer von Männern in Schwarz zur Arbeit gebracht und abgeholt. Der Juniorchef der Firma, Nick Page, möchte gerne mehr über sie herausfinden und lädt sie ein, was sie aber immer ablehnt. Einmal gelingt es ihm, doch was er danach erlebt, übersteigt seine kühnsten Vorstellungen.

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Antonia Heinrich

Was unter dem Mond geschah

© der Texte: Antonia Heinrich (2016),

c/o AutorenServices.de, König-Konrad-Straße 22, 36039 Fulda

E-Mail: [email protected]

© des Titelbilds: kesipun – Fotolia

Ersteller des E-Books: epubli ein Service der neopubli GmbH, Berlin

1.

Bridget verließ das Produktionsbüro. Schade, das war die vorerst letzte Sitzung bei diesem Projekt gewesen. Sie würde es vermissen. Es war eine ganz neue Erfahrung für sie. Sie, eine promovierte Kunsthistorikerin, half einer Produktionsfirma, bei einem Film die geschichtliche Genauigkeit einzuhalten. Sie hatte ihr Bestes gegeben. Es war nicht immer einfach gewesen, die Produzenten und Autoren auf ihre Fehler aufmerksam zu machen, zumal die Einfälle der Drehbuchautoren bestimmt die besseren Effekte im Film erzielt hätten. Aber sie hatten sie nun einmal engagiert und sie tat ihre Arbeit, und zwar kompromisslos. Sie hatte nur erlaubt, ihren Namen im Abspann zu nennen, wenn sie ihre Verbesserungen auch einarbeiten würden. Es waren zähe Verhandlungen gewesen, zugegeben, aber es hatte sich gelohnt. Zufrieden mit ihrer Arbeit, ging sie, nach ihrer Verabschiedung in der zurückliegenden Sitzung, den hellen Flur der Firma entlang. Ihr Gang war beschwingt. Es war ein gutes Gefühl, das sie hatte. Sie würde erst wieder kurz vor Abschluss der Dreharbeiten gebraucht werden, zur Überprüfung des Ganzen.

„Bridget, einen Augenblick bitte.“

Sie hörte die Stimme des Produzenten hinter sich. Und wie jedes Mal, wenn er sie ansprach, was in den letzten Wochen des Öfteren der Fall war, schlich sich ein leises Kribbeln in ihre Ohren, gepaart mit etwas Unbehagen. Ihre erste Reaktion war, einfach weiterzulaufen, aber er war der Juniorchef der Firma und da gehörte es sich, dass man stehenblieb, wenn er einen ansprach. Sie drehte sich um und sah ihn an. Er kam auf sie zu. Wie unglaublich gut dieser Mann aussah, groß, etwas über 1,90, schlank, fast etwas zu schlank für seine Größe, ein ovales, freundliches Gesicht, mit einer geraden Nase, dunklen Augen, Augenbrauen, die nach außen hin etwas hochgezogen waren und mit einer geradezu unanständig ebenmäßigen Haut für einen Mann. Er trug sein dunkles, etwas lockiges Haar etwas zu lang, was ihm einen spitzbübischen Ausdruck verlieh. Er stand nun vor ihr und knetete fast verlegen seine Hände. Es belustigte Bridget ein bisschen, da sie wusste, was er sonst für ein selbstbewusstes und sicheres Auftreten bei der Arbeit an den Tag legte.

„Da Ihre Arbeit hier jetzt erst mal erledigt ist, möchte ich Sie fragen, oder besser gesagt bitten.“ Er suchte sichtlich nach Worten. „Nun, ich wollte Sie zum Essen einladen, heute Abend. Bevor Sie wieder nach Hause fliegen.“

Er sah sie an und sie schaute in seine dunklen Augen. Diese dunklen Augen, die sie von Anfang an verunsichert hatten. Sie hatte das Gefühl, wenn er sie ansah, heftete sich ihr Blick an sie und ließ sie nicht mehr los. Sie hatte sich in den letzten Monaten mehrfach dabei ertappt, wie sie von diesen Augen fasziniert worden war, immer darauf bedacht, dass er sie nicht dabei erwischte. Bridget musste sich eingestehen, dass sie immer ein eigenartiges Prickeln dabei verspürte. Sie hätte sich in diese Augen versenken, sich in ihnen verlieren können, aber das durfte sie nicht.

„Nick“, sie nannte ihn beim Vornamen. Eine amerikanische Sitte, die ihr als Engländerin am Anfang nicht leicht gefallen war.

„Sie wissen, dass ich nur wenig Zeit habe.“ Diese Ausrede war sehr mager und sie wusste es. „Ich würde sehr gerne mitgehen, aber ich fürchte...“

Er ließ sie nicht ausreden. „Nein, nein. Sie haben meine Einladungen schon oft genug ausgeschlagen. Dieses Mal gebe ich mich nicht mit einem Nein zufrieden.“

Nun war er wieder der selbstbewusste Mann, den sie kannte und es imponierte ihr sogar. Zugleich war sie erschrocken, heute ließ er sich wohl nicht so leicht abwimmeln, wie in den vergangenen Wochen. Er hatte sie schon oft genug eingeladen. Erst zum Essen, dann wollte er ihr die Gegend zeigen, auch Theater hatte er vorgeschlagen. Sie hatte es immer geschafft, keine der Einladungen anzunehmen, damit sie keine Zeit mit ihm außerhalb der Arbeit verbringen musste. Nur einmal bei einer Party, die die Firma veranstaltet hatte, war sie dabei gewesen. Diese Einladung hatte sie einfach nicht ausschlagen können, denn das hätte ein schlechtes Bild auf sie geworfen. Und, bei aller gebotenen Vorsicht, das wollte sie auf jeden Fall vermeiden. Sie aß aber nur eine Kleinigkeit, hielt etwas small talk mit den Mitarbeitern und verabschiedete sich nach angemessener Frist früh von der Feier.

Sie war Nick Page absichtlich aus dem Weg gegangen, denn er hatte etwas an sich, das ihr hätte gefährlich werden können und das wollte sie auf jeden Fall vermeiden. Dieses Mal allerdings schien es, als könnte sie der Einladung nicht so einfach entkommen.

Sie dachte blitzschnell nach, aber es fiel ihr keine Ausrede mehr ein, ohne dass sie unhöflich gewirkt hätte.

„Gut“, sagte sie, „ich überlege es mir.“

„Oh nein. Diesmal wird auch nicht überlegt. Ich hole Sie um acht Uhr ab. Wo wohnen Sie eigentlich?“

Sie gab nach, was die Einladung betraf, aber auch nur das: „Also gut, um acht Uhr. Aber Sie brauchen mich nicht abzuholen, ich komme hierher.“

„Ich kann Sie doch abholen.“

Sie blieb hartnäckig. „Um acht Uhr hier. Bis dann.“ Sie lächelte ihn freundlich an, drehte sich um und eilte schnell die breite Treppe zur Eingangshalle hinab.

Er wollte ihr nachsetzen, doch es kam ein Assistent und bat ihn zu einem der Drehbuchautoren, der ein Problem hatte. Nick sah ihr noch nach, drehte sich aber dann mit einem leisen Lächeln weg und folgte dem Assistenten. Das wäre geschafft. Diesmal hatte er sie. Das wäre doch gelacht, wenn er, der Produzent des Films, es nicht geschafft hätte, diese eiserne Jungfrau, wie sie mittlerweile genannt wurde, zu knacken. Sie hatte ihn von Anfang an interessiert. Sie machte sich rar und erzählte nichts über sich. Das spornte ihn nur noch mehr an, etwas über sie herauszufinden. Dass sie ausnehmend hübsch war, groß, etwa 172, schlank, brünette halblange Haare, grüne Augen, mit einer kleinen Stupsnase und einen sinnlich geschwungenen Mund hatte, machte die Sache nur umso reizvoller. Und jetzt war die vorerst letzte Gelegenheit.

2.

„Na, wieder mal abgeblitzt?“ Marc, Drehbuchautor und Freund von Nick, goss sich gerade einen Drink ein, als Nick von seinem Assistenten in dessen Büro geführt wurde.

„Auch einen?“ Er lächelte süffisant und hob das Glas, doch Nick winkte ab.

„Nein, danke, diesmal lasse ich sie nicht so leicht davon kommen.“ Er ließ sich auf das Sofa fallen, das in Marcs Büro stand.

Marc ging zu seinem Schreibtisch, setzte sich und trank einen kleinen Schluck. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, dann wandte er sich zu Nick: „Ich sage Dir, irgendetwas stimmt mit unserer eisernen Jungfrau nicht. Ich habe noch selten jemanden in diesem Geschäft erlebt, der so unnahbar war.“ Er machte eine kleine Pause, drehte das Glas in seiner Hand und sah auf die bernsteinfarbene Flüssigkeit, die sich darin drehte. Dann sah er Nick an.

„Eigentlich noch gar niemanden. Gut, sie ist Engländerin, aber trotzdem.“

„Wir gehen heute Abend essen. Ich werde es Dich dann wissen lassen.“ Nick erhob sich vom Sofa. „War noch was?“

Marc stellte sein Glas ab und drehte sich zu seiner Tastatur, die auf dem Schreibtisch vor dem Bildschirm lag. Er tippte darauf herum und öffnete einen Ordner in seinem Programm.

„Ja, ich möchte Deine Meinung zu diesem Vorschlag wissen.“

3.

Bridget eilte die Treppe hinunter, durch die Eingangshalle auf den Vorplatz. Dort wartete schon eine schwarze Limousine auf sie. Sie grüßte kurz den Fahrer, der ihr die Tür aufhielt, stieg ein und der Wagen fuhr los. Sie saß auf der Rückbank und dachte nach, was jetzt geschehen sollte. Sie hatte eine Verabredung für den Abend. Mit dem Mann, mit dem sie es am Liebsten vermieden hätte: Nick. Das Handy klingelte. Sie nahm es aus ihrer Tasche, sah kurz auf das Display und sah, wer es war. Sie meldete sich mit einem kurzen „Hallo Juliet. Wie geht’s?“

Juliet, ihre beste Freundin seit Kindertagen. Es war klar, dass sie jetzt anrief. Sie hatte ein Gespür dafür, wenn es Bridget nicht gut ging.

„Mir geht’s gut und Dir?“ fragte Juliet.

„Ich weiß es nicht.“

„Du weißt es nicht? Wie geht das?“

„Ich kann jetzt nicht sprechen. Ich rufe Dich nachher zurück.“ Bridget fürchtete, vom Fahrer belauscht zu werden. Sie hatte gelernt, vorsichtig zu sein.

Juliet verstand sogleich. „In Ordnung. Mach das. Ich bin sehr gespannt.“

„Bis dann.“

Sie legten beide auf. Juliet war nicht nur ihre beste Freundin. Sie war wie eine Schwester, ja mehr noch, falls so etwas möglich war. Ihr konnte sie vertrauen. Sie wussten alles voneinander. Sie würde sie fragen. Juliet würde wissen, was zu tun war. Sie wusste immer Rat, wenn ihre Freundin Probleme hatte. Sie war nicht ganz so behütet aufgewachsen wie Bridget und hatte schon mehr Erfahrung. Etwas beruhigt lehnte sie sich gegen die Rückenlehne und atmete tief durch. Der Wagen beschleunigte und fuhr auf den Highway. Nach ein paar Kilometern verließ er ihn und schwenkte in Richtung Vororte ab. Sie fuhren durch Wohngebiete und dann kam er in Richtung Meer. Die Grundstücke wurden größer, die Villen prächtiger. Dann kamen sie in eine Gegend, in der die Häuser nicht mehr von der Straße aus zu sehen waren. Es waren hohe Zäune oder Mauern um die Anwesen gezogen und dahinter standen hohe Bäume und Hecken. Bei einem dieser Anwesen bog der Wagen von der Straße ab. Das Tor ging wie von Geisterhand auf und der Wagen fuhr langsam hindurch. Das Tor schloss sich ebenso lautlos wieder. Der Wagen rollte die Auffahrt hinauf und hielt vor dem Haus. Der Fahrer stieg aus und hielt Bridget die Autotür auf.

Sie stieg aus, sah den Fahrer kurz an und sagte „Vielen Dank, Gus.“ Sie ging in Richtung Haustür, die von einem älteren, grauhaarigen Herrn im schwarzen Anzug aufgehalten wurde.

„Guten Tag Miss.“ Er sah sie ernst an.

„Guten Tag Mr. Simmons. War es nicht leichtsinnig, mich nur von Gus abholen zu lassen?“

Ihm entging der leicht ironische Unterton in der Frage nicht. „Ich hatte gehofft, dass es Ihnen auffallen würde. Aber in Anbetracht dessen, dass dies vorläufig Ihr letzter Tag in der Firma war, konnte ich das Risiko wohl eingehen.“

Sie gingen zusammen durch die große Eingangshalle. Mitten in der Halle blieb Bridget stehen und drehte sich zu Mr. Simmons um. Sie nahm allen Mut zusammen und sagte: „Ich brauche den Fahrer nachher. Er muss mich gegen halb acht noch einmal zur Firma fahren.“

Sofort wurde Mr. Simmons aufmerksam. Er streckte sich, sein Körper verriet eine Anspannung, die Bridget sofort auffiel.

„Warum?“ fragte er. „Ich dachte, die Arbeit ist vorerst getan. Laut Vertrag werden Sie erst wieder zum Filmschnitt gebraucht.“

Bridget stand jetzt ebenso unter Spannung. Sollte sie die Wahrheit sagen und riskieren, dass man sie nicht gehen ließ, oder sollte sie sich etwas einfallen lassen? Sie entschied sich für ein bisschen von Beidem. „Eben weil es mein letzter Tag war, hat man mich zu einer kleinen Party eingeladen. Sie findet um acht Uhr statt. Ich habe zugesagt.“

Bei Mr. Simmons schwoll eine Ader am Hals zusehends an. „Warum haben Sie das getan, ohne es vorher mit mir abzustimmen? Sie wissen ganz genau, dass so etwas geplant werden muss.“

Bridget sah Hilfe suchend zur Decke, dann sah sie ihr gegenüber wieder an und sagte: „Mr. Simmons, was hätte ich sagen sollen, als ich eingeladen wurde? Moment bitte, ich muss erst meinen Sicherheitschef fragen, ob ich kommen darf? Wie hätte das ausgesehen? Hätte das nicht erst recht Verdacht erregt? Und das wollen wir doch gerade nicht. Ich werde also hingehen, ein bisschen bleiben und dann wieder gehen. Gus kann mich dann wieder abholen.“

Simmons behagte das Ganze nicht. Man sah es ihm an. Seine Kiefer arbeiteten und die Ader am Hals trat immer mehr hervor.

„Sie wissen, was ich meine. Wie sollen wir für Ihre Sicherheit sorgen, wenn Sie mich vor vollendete Tatsachen stellen? Wie soll ich so schnell Sicherheitspersonal in die Firma bringen?“

Bridget wurde es mulmig. Personal in die Firma? Sie musste schon den Gedanken im Keim ersticken. Sie musste versuchen ihn zu beruhigen. „Das wird nicht nötig sein. Die Veranstaltung ist spontan. Keiner wusste vorher davon, also gibt es auch kein Sicherheitsrisiko. Bitte, Mr. Simmons, lassen Sie mich gehen. Ich verspreche auch, sehr vorsichtig zu sein.“

Sie redete jetzt sehr beruhigend auf ihn ein, obwohl es ihre ganze Beherrschung kostete: „Ich kann mich doch nicht immer vor den Veranstaltungen drücken. Das habe ich seit ich hier bin schon die ganze Zeit über getan. Wissen Sie, wie man mich hinter vorgehaltener Hand nennt? Die eiserne Jungfrau. Und das, weil ich jeder Einladung aus dem Weg gegangen bin. Es ist nicht nett zu wissen, dass so über einen geredet wird. Außerdem hat es hier wirklich sehr interessante Leute gegeben.“ Sie senkte den Kopf und sagte leiser: „ Es wäre sehr schön gewesen, den einen oder anderen näher kennenzulernen.“

Mr. Simmons sog hörbar die Luft durch die Nase ein und ließ sie ebenso wieder entweichen. „Also gut, aber wir werden auf dem Parkplatz bleiben und auf Sie warten.“

Bridget wollte schon aufatmen, aber das mit dem Parkplatz gefiel ihr nicht. Man würde sehen, wie sie mit Nick wegfahren würde. Sie musste versuchen, das zu verhindern.

„Was soll das heißen? Sie wollen mich hinbringen und dann auf dem Parkplatz warten? Was, wenn das jemand sieht? Man wird glauben, ich habe einen Babysitter.“

„So ähnlich ist es ja auch. Es heißt nur anders: Sicherheit.“

„Das ist nicht witzig, Mr. Simmons. Und das wissen Sie.“

„Es soll auch nicht witzig sein. Ich bin für Ihre Sicherheit verantwortlich, Miss. Und das nehme ich, wie Sie wissen, sehr ernst.“

Bridget schnaubte: „Ja, das weiß ich und ich bin Ihnen auch sehr dankbar dafür. Aber manchmal nehmen Sie das zu ernst. Was soll denn schon passieren?“

Simmons sah sie an, hob die Arme und ließ sie fallen: „Also gut, Vorschlag: Gus bringt Sie hin und wartet auf einem benachbarten Parkplatz. Wenn Sie nach Hause wollen, melden Sie sich und er ist schneller bei Ihnen. Ist das akzeptabel?“

Bridget glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Das war ja traumhaft. Fast zu schön, um wahr zu sein. War das auch wirklich wahr? In ihr regte sich ein leises Misstrauen. Es war immer verdächtig, wenn Simmons so freundlich war. Egal. Jetzt hieß es, sich vorzubereiten. Sie lächelte Simmons an: „Einverstanden. Danke Mr. Simmons. Ich gehe nach oben und mache mich fertig.“

Sie warf ihm eine Kusshand zu und eilte beschwingt die große geschwungene Treppe nach oben zu ihrem Zimmer.

4.

Simmons drehte sich um und ging den Flur entlang, an der Küche vorbei, in ein geräumiges Büro. Dort saßen vier Sicherheitsbeamte, alle in schwarzen Anzügen, weißen Hemden und Krawatten, ebenso Gus, der Fahrer. Sie hatten Kaffeetassen vor sich und unterhielten sich. Als Simmons das Büro betrat, verstummten sie und richteten ihre Blicke auf ihn. Er ging um den Schreibtisch herum und setzte sich.

„Meine Herren, Planänderung. Sie ist heute Abend eingeladen. Man gibt wohl ihr zu Ehren eine kleine Abschiedsparty. Ich habe mit ihr abgesprochen, dass Sie sie hinbringen.“ Er blickte auf Gus, der kurz nickte. „Und dann warten Sie auf einem benachbarten Parkplatz.“

„Ist das Ihr Ernst? Sie lassen sie alleine hingehen?“ fragte Gus. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es Mr. Simmons zuließ, keine Kontrolle über seinen Schützling zu haben. Schon, dass er sie heute alleine abholen konnte, hatte ihn erstaunt. Sonst waren immer mindestens ein, meistens zwei Sicherheitsleute dabei. Manchmal sogar ein zweites Fahrzeug.

„Natürlich nicht.“

Mr. Simmons zeigte auf die zwei Männer, die neben ihm saßen.

“Sie beide nehmen den weißen Rover und fahren vorher zum Parkplatz der Firma. Sie verhalten sich erstmal unauffällig und halten Augen und Ohren offen. Wir werden die ganze Zeit Kontakt halten.“ Die beiden Männer nickten.

„Sie sagte, es fängt um acht Uhr an. Sie fahren etwa eine halbe Stunde vorher los.“ Er sah Gus an und der nickte. Bis dahin waren es noch zwei Stunden.

5.

Bridget trat in ihr Zimmer, legte ihre Tasche auf die Kommode neben der Tür und ging ins Bad. In dem großen Badezimmer, das fast wie ein Wohnzimmer möbliert war, gab es eine riesige Palme. Bridget griff unter eines der Blätter und machte ein Handy weg, das dort mit einem Klebestreifen festgeklebt war. Es war ebenso grün, wie das Blatt unter dem es hing, so dass es fast unsichtbar war. Für Gespräche mit Juliet benutzte sie dieses einfache prepaid Handy, dessen SIM-Karte sie alle paar Wochen durch eine neue ersetzte. Alles nur, damit sie ein vertrautes Gespräch führen konnte, ohne dabei abgehört zu werden.

Sie ließ Wasser in die Wanne laufen, um etwaige Mikrofone im Badezimmer zu stören und ging durch eine Tür auf einen kleinen Balkon. Sie wählte Juliets Nummer. Es klingelte zwei Mal und Juliet war dran.

„Kannst Du sprechen?“ fragte Bridget nach einer kurzen Begrüßung.

Juliet antwortete: „Ja, alles klar. Raus mit der Sprache. Was gibt es?“

Bridget lächelte „Er hat mich eingeladen.“

„Und?“

„Und ich habe zugesagt. Er hat diesmal nicht locker gelassen.“

„Weiß Dein Wachhund davon?“

„ Wo denkst du hin? Natürlich nicht. Ich habe ihm gesagt, es gäbe eine kleine Feier wegen meines letzten Tages. Nach einer kurzen Diskussion hat er versprochen mich hinfahren zu lassen und erst wieder abzuholen, wenn ich es will.“

Juliet war nicht überzeugt. „Und Du glaubst das? Hört sich gar nicht nach Simmons an. Pass auf Dich auf, Bridget.“

„Keine Angst, das mache ich schon. Ich bin sowieso hin- und hergerissen.“

„Warum? Das ist doch schön, dass sich Dein Traumprinz doch noch mal durchgerungen hat, Dich einzuladen.“

Bridget seufzte. „Ja, schon, aber ich weiß nicht, ob es richtig war, anzunehmen. Ob es richtig ist, mit ihm essen zu gehen.“

„Warum?“ fragte Juliet unbefangen.

„Warum, warum? Du kannst fragen. Warum wohl?“ Bridget blickte auf den Boden und erkannte ihre Lage, mal wieder.

Juliet holte tief Luft: „Jetzt hör mir mal gut zu. Seit Du da drüben bist, schwärmst Du mir mehr oder weniger von diesem Nick vor. Er lädt Dich ein, aber Du sagst nie zu. Gehst ihm, wenn möglich, sogar aus dem Weg. Und mir schmachtest Du von ihm vor. Jetzt fasse Dir ein Herz und gehe frohen Mutes zu dieser Verabredung. Genieße sie, aber pass auf, was um Dich herum vorgeht. Das Wohlwollen von Simmons gefällt mir nicht.“

„Bei Dir hört sich das alles so einfach an.“

„Das ist es auch.“

Bridget wurde ärgerlich: „Nein, Juliet, das ist es nicht.“ Der letzte Satz klang resigniert: „Nicht bei mir.“

Juliet konnte Bridget förmlich vor sich sehen. Sie hätte sie jetzt am liebsten in die Arme genommen. In solchen Momenten tat sie ihr leid. „Also gut. Du bist ein braves Mädchen, immer gewesen und hast immer gemacht, was man von Dir verlangt hat.“

Bridget schnaubte, doch Juliet fuhr fort: „Gut, bis auf ein paar Ausnahmen, aber doch im Großen und Ganzen. Nun lebe. Nimm Dir etwas Spaß und wenn es nur für heute ist. Du bist jung und hast auch ein Recht darauf. Die Zeit vergeht schnell genug. Wie gesagt: genieße es. Vielleicht hast Du ja Glück und er ist ein Langweiler.“

„Glück?“ Bridget musste lachen. „Wie meinst Du das?“

„Na dann besteht ja keine Gefahr, dass Du Dich in ihn verliebst. Ergo: alles bleibt beim Alten.“

„Und wenn er kein Langweiler ist?“ Bridget fragte es ängstlich.

Juliets Stimme wurde höher. „Na umso besser.“ Ihre Stimme wurde wieder tiefer: “Darum kümmern wir uns dann. Jetzt mach Dich erst mal schön. Was ziehst Du an?“

Darüber hatte Bridget ja noch gar nicht nachgedacht. Sie unterdrückte ein leises Gefühl der Panik. „Ich, ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, wo es hin geht. Ich hätte vielleicht nach dem Dresscode fragen sollen.“

Juliet lachte: „Du bist wirklich von Deinen vielen offiziellen Anlässen verdorben. Wird höchste Zeit, dass Du mal wieder unter normale Menschen kommst. Wie wäre es mit einem kleinen Schwarzen? Damit kann man eigentlich nichts falsch machen.“

Bridget lächelte erleichtert: „Ja, das stimmt. Müsste ich eigentlich dabei haben. Mach‘s gut, Süße. Ich muss mich umziehen.“

Juliet lächelte: „Mach Du es auch gut.“ Sie legten beide auf. Juliet steckte das Handy ein und sagte vor sich hin: „Und lebe endlich. Bevor es zu spät ist.“

6.

Bridget ging zurück ins Bad. Die Wanne war fast voll und drohte überzulaufen.

„Ach herrje. Dich habe ich ja ganz vergessen.“ Schnell machte sie den Wasserhahn zu. „Wenn jetzt schon mal Wasser drin ist.“

Sie begann, sich die Jeans auszuziehen, die weiße Hemdbluse und ihre Unterwäsche, ließ etwas Wasser ablaufen und stieg hinein. Das warme Wasser entspannte sie. Sie genoss die Wärme und das weiche Plätschern um sie herum. Sie wusch sich die Haare, seifte ihren Körper und duschte alles ab. Sie schwankte zwischen den Gefühlen der Vorfreude, der Unsicherheit, Glück und, wie immer ein bisschen dabei, Resignation. Das Gefühl war immer da, auch die Angst, vor der Freude. Sie ärgerte sich, auch wie immer, dass das so war. Sie konnte nichts genießen oder einfach geschehen lassen und annehmen, ohne daran zu denken, was es für Konsequenzen haben könnte. Aber diesmal wollte sie auf Juliet hören und keine schlechten Gedanken zulassen.

Sie hätte ihr von ihm vorgeschwärmt, hatte Juliet gesagt. Bridget musste bei dem Gedanken lächeln. Davon wusste sie ja gar nichts. Hatte ihr Unterbewusstsein ihr einen Streich gespielt? Hatte sie doch über Nick geredet, ohne es selbst zu merken. Muss wohl so gewesen sein. Sonst hätte es Juliet ja nicht sagen können.

Oje, das würde wohl doch kein einfaches Essen heute werden. Aber, wie hatte sie gesagt, vielleicht ist er ja ein Langweiler? Dann würde es sich wirklich bald erledigt haben. Was sie bis jetzt von ihm kennengelernt hatte, war aber alles andere als langweilig. Was, wenn sie ihn mögen würde, oder sogar mehr? Sie schalt sich selbst eine Närrin und befahl sich, jetzt damit aufzuhören.

„Jetzt warte es doch erst mal ab.“ sagte sie zu sich selbst, stieg aus der Wanne und begann sich abzutrocknen. Sie schminkte sich sorgfältig, föhnte ihre braunen Haare, wobei sie ihre wenigen Naturlocken ermunterte, sich zu kringeln, steckte sie lässig hoch und zog sich sorgfältig an. Tatsächlich fand sich ein schwarzes Etuikleid unter ihrer Garderobe. Sie wählte schwarze, mit Spitzen besetzte Unterwäsche, schwarze halterlose Strümpfe und dazu schwarze Samtpumps. Abgerundet wurde das ganze durch ein vierreihiges Perlenhalsband. Sie schaute in den Spiegel und war sehr zufrieden mit dem, was sie da sah. Jetzt noch ein leichtes Jäckchen, oder ein Cape, dann war die Garderobe perfekt. Die Nächte empfand sie immer als kühl, auch im Sommer. Das war eine ihrer Besonderheiten. Sie brauchte immer etwas um die Schultern. Das gab ihr Geborgenheit. Sie fand ein Cape und warf es sich über.

Sie nahm ihr Handy und ein paar andere Utensilien aus ihrer Tasche, gab sie in eine kleine, schwarze Abendhandtasche und ging aus dem Zimmer. Unten wartete schon Gus mit dem Wagen. Sie lächelte ihn freundlich an, als er ihr die Tür aufhielt: „Danke, Gus.“

„Miss.“ Antwortete er knapp, stieg in den Wagen und fuhr los.

Bridget war die ganze Fahrt über freudig aufgeregt. Sie würde heute einen schönen Abend erleben und sie würde ihn sich nicht verderben lassen. Sie war fest entschlossen.

7.

Der Wagen fuhr vor den Eingang der Firma. Bridget stieg aus, dankte dem Fahrer und sah aus dem Augenwinkel, wie sich die große Limousine langsam wieder in Bewegung setzte. Sie betrat die Eingangshalle durch die große Glastür und sah, dass Nick nicht da war. Das war schon mal gut. So hatte Gus ihn nicht sehen können.

Sie ging auf die Rezeption zu, an der nur ein verdutzter Nachtportier saß, der sie fragend anschaute. Er kannte sie, da er schon öfters Dienst hatte, wenn die Sitzungen, an denen Bridget teilgenommen hatte, erst spät in der Nacht zu Ende waren.

„Guten Abend, Miss. Haben Sie was vergessen?“ Der Portier war wie immer gut informiert.

„Nein, danke. Ich warte nur auf jemanden. Könnte ich kurz die Toilette benutzen?“ Bridget wollte aus der Eingangshalle kommen. Sie wollte sehen, ob Gus tatsächlich weggefahren war und wenn nicht, sollte er sehen, dass sie im Inneren des Gebäudes verschwand.

„Aber natürlich.“ sagte der Portier. „Sie wissen ja, wo es hingeht.“

Sie lächelte ihn an und ging auf die große Treppe zu, stieg sie hoch und bog in den Flur ab, in dem sich die Toiletten befanden. Vom Waschraum der Toilette aus konnte sie den Parkplatz überblicken. Es standen ein paar Wagen da, aber nicht die große schwarze Limousine. Simmons hatte Wort gehalten. Sie war angenehm überrascht. Ganz hatte sie noch nicht daran geglaubt. Sie sah kurz in den Spiegel und verließ den Waschraum in Richtung Rezeption. Als sie die Treppe herunter kam, sah sie Nick. Er sah unverschämt gut aus. Er trug einen dunklen Anzug, ein weißes Hemd und eine silbergraue Krawatte. Eine Strähne seiner dunklen Locken hing ihm in die Stirn. Er lehnte mit einem Arm auf der Theke der Rezeption, unterhielt sich mit dem Portier und lachte.

Als er Bridget die Treppe herunterkommen sah, fuhr er sich mit einer Hand durch die Haare. Es verschlug ihm fast die Sprache, Hallo, Hallo, Hallo, dachte er, stellte sich gerade hin und sagte zum Portier: „Da kommt meine Verabredung. Danke, Marv.“

Der Portier hob eine Hand zum Gruß und sagte: „Guten Abend, Mr. Page, Miss“.

Nick ging auf Bridget zu und er konnte nur eines denken: Wie schön sie war. Das also verbarg sich hinter Jeans und weißer Hemdbluse, die sie immer trug, wenn sie in der Firma war.

„Guten Abend, Bridget. Sie sehen wunderschön aus. Nicht, dass Ihnen Jeans nicht stehen würden.“ Begrüßte er sie mit einem Zwinkern seines rechten Auges. Er bot ihr seinen Arm und sie hakte sich bei ihm unter. Die Berührung mit ihm blieb nicht ohne Folgen für sie. Bridgets Gefühl in der Magengrube vibrierte.

„Danke“, sagte sie. „Das Kompliment kann ich nur zurückgeben. Ich wusste ja nicht, dass Abendgarderobe angesagt war. Sie hatten bei Ihrer Einladung keinen Dresscode mitgegeben. Hätte ich das gewusst, hätte ich was Langes angezogen.“

Sie gingen zusammen zur Tür, vor der sein Wagen stand. Ein schwarzer Porsche Cayenne. Er öffnete ihr die Beifahrertür und meinte lächelnd: „Es ist perfekt.“

Bridget stieg ein und gab sich diesem seltsamen Gefühl hin, das sich ihrer bemächtigte. Sie konnte es noch nicht einordnen. Es war beflügelnd, aber auch beängstigend. Es saß mitten in ihrem Magen. So etwas hatte sie noch nie gespürt. Ein Gefühl der Geborgenheit und gleichzeitig der Unsicherheit. Noch nie hatte jemand so etwas in ihr wach gerufen. Sie wusste nicht, ob sie sich dem wirklich hingeben sollte. Da fielen ihr wieder Juliets Worte ein: Genieße es. Sie war sich wieder mal nicht sicher, ob sie das einfach so konnte. Aber heute wollte sie es probieren. Also gut. Lassen wir es beginnen.

Nick nahm auf dem Fahrersitz Platz und fuhr los. Er fuhr die Straße entlang und bog auf den Zubringer zum Highway ein.

Dass sich ein weißer Rover vom Parkplatz gelöst hatte und ihnen in weitem Abstand folgte, war ihr nicht aufgefallen. Im Wagen saßen zwei Männer.

Der Beifahrer sprach in sein Mikrofon: „Sie ist in einen Wagen gestiegen, schwarzer Porsche Cayenne. Kennzeichen kann ich noch nicht sehen. Fahren in Richtung Westen. Sind dran.“

In der Villa sprang Simmons vom Stuhl: „Ich hab‘s gewusst. Sie hat uns angelogen.“

Bridget war neugierig: „Wohin geht es?“

Nick lächelte. „Möchten Sie sich nicht überraschen lassen?“ Er sah sie kurz von der Seite an. „Ich glaube, es wird Ihnen gefallen.“

Eine Ampel vor ihnen schaltete auf Rot und er musste bremsen. Bridget genoss die Fahrt und schaute aus dem Fenster.

„Mögen Sie Musik?“ fragte Nick und drückte ein paar Knöpfe am Lenkrad.

„Ja, sehr. Ich finde, schöne Musik macht aus einem Augenblick eine perfekte Zeit.“ Oje, dachte sie, philosophische Betrachtungen am Anfang sind nicht gerade ein guter Start. Sie schaute zu Nick, aber der blickte weiter auf die Straße. Ein kleines Lächeln spielte um seinen Mund.

„Ich höre gerne klassische Musik.“ sagte sie ein wenig leiser.

Sogleich drückte er nochmals die Knöpfe und aus den Lautsprechern erklangen leise Geigentöne. „Ich liebe auch klassische Musik.“ Er sah sie kurz an und lächelte etwas mehr. „Da hätten wir ja schon mal was gemeinsam. Ich glaube, der Ort, den ich gewählt habe, gefällt Ihnen wirklich.“

Bridget ließ den Blick aus dem Fenster schweifen, dabei fiel er auf ihren Rückspiegel. Dort sah sie einen weißen Rover ein Stück hinter ihnen. Sie erschrak. Simmons! Oh, nein! Schoß es ihr durch den Kopf. Sofort arbeitete ihr Hirn auf Hochtouren. Deshalb war er so freundlich gewesen. Er hatte nicht vor, sie alleine zu lassen. Also wusste er mittlerweile auch von ihrer kleinen Lüge. Jetzt gab es zwei Möglichkeiten. Sie entschied sich für den Kampf.

„Sind Sie ein guter Autofahrer?“

Überrascht blickte Nick sie an. Das Lächeln war verschwunden. „Wie meinen Sie das?“

„Naja, fahren Sie gerne schnell? Übertreten Sie manchmal die Regeln? Zu schnell fahren oder so was in der Richtung?“

Er wirkte etwas verunsichert: „Naja, ich fahre schon gerne zügig, aber das wird hier nicht so gerne gesehen.“

Sie fuhren wieder auf eine Ampel zu. Sie schaltete gerade von grün auf gelb.

Jetzt, dachte sie. „Geben Sie Gas.“

„Was?“ Er zögerte.

Sie wurde lauter: „Los, geben sie Gas.“

Er gab Gas und der Wagen schoss über die Kreuzung. Sie sah im Rückspiegel, wie der weiße Rover stehen bleiben musste, weil es schon Querverkehr gab. Sie entspannte sich und lehnte sich wieder in den Sitz.

„Das haben Sie gut gemacht.“ Lobte sie ihn.

Er war jetzt hoch konzentriert: „Sie wirken nicht gerade wie ein Verkehrsrowdy. Was sollte das?“

Es war ihm nicht entgangen, dass sie plötzlich erschrocken und angespannt gewesen war. Ebenso war ihm ihre anschließende Erleichterung aufgefallen. Ob es etwas mit dem weißen Rover im Rückspiegel zu tun hatte? Das versprach ein interessanter Abend zu werden.

Jetzt bloß nichts Falsches sagen, dachte sie. „Ich wollte nur mal sehen, was für eine Beschleunigung dieser Wagen hat. Ganz beachtlich, muss ich sagen.“

Er lächelte wieder: „So so, Sie wollten nur mal sehen. Ich hoffe, Sie waren zufrieden?“

Sie lächelte jetzt ebenso und sah ihn dabei an. Aber jetzt war sie auf der Hut. So schnell würde Simmons nicht aufgeben. Sie fuhren auf den Highway und jetzt gab Nick richtig Gas. Sie unterhielten sich nur wenig und wenn, dann über Belangloses.

Wie ihr die Arbeit gefallen hatte, dass es etwas gänzlich Neues für sie war und sie es sich am Anfang nicht vorstellen konnte. Sie schaute ab und zu in den Rückspiegel und tatsächlich, nach ein paar Minuten war der weiße Rover wieder im Rückspiegel zu sehen.

Ihr Lächeln erstarrte und sie setzte sich wieder gerade hin. Ihm entging ihre aufkommende Nervosität nicht. Er sah in den Rückspiegel und sah ebenfalls den weißen Rover. „Ein Freund von Ihnen?“

Bridget erstarrte. „Sie haben ihn bemerkt?“

„Ja, vorhin an der Ampel schon. Sollen wir ihn abschütteln?“

„Können Sie das denn?“ fragte sie hoffnungsvoll.

„Mal sehen.“

Nick schaute in den Rückspiegel. Vor ihnen kam eine Abfahrt. Auf dem Highway war ziemlich viel los. Es war schon spät und die Menschen wollten nach Hause. Er lenkte den Wagen auf die linke Spur und es sah aus, als wollte er überholen. Der Rover folgte ein paar Fahrzeuge hinter ihnen auf ihrer Spur. Kurz bevor die Abfahrt abging, lenkte Nick den Wagen ruckartig nach rechts und sie schossen immer schneller werdend zwischen zwei anderen Fahrzeugen auf die Ausfahrt zu. Der Rover konnte wegen des Verkehrs nicht folgen und musste weiter fahren. Sie rasten die Abfahrt hinaus und fuhren erst einmal die Straße geradeaus. Nick ließ den Wagen etwas ausrollen und verringerte so die Geschwindigkeit.

„So“, sagte er und atmete hörbar aus. „Zwei Verkehrsverstöße in der ersten halben Stunde unserer Verabredung. Wenn das so weitergeht, begehen wir dann am Ende des Abends einen Banküberfall?“

Bridget senkte den Kopf und lächelte: „Ich hoffe nicht.“

„Jetzt müssen wir einen kleinen Umweg machen. Ich nehme an, Sie legen Wert drauf, dass uns die Herren im Rover nicht mehr finden?“

Bridget sah in an: „Das wäre schön.“

„Sagen Sie mir, wer das ist? Oder muss ich unwissend all diese Straftaten begehen?“

„Könnten wir das auf nachher beim Essen verschieben? Dann haben wir vielleicht Ruhe dazu.“

„Okay, aber Sie sind mir eine Erklärung schuldig.“

Aus seinem Ton war die Freundlichkeit gewichen. Er erinnerte sie jetzt an den Geschäftsmann, den sie kennengelernt hatte.

Na, das konnte ja heiter werden. Bridget überlegte fieberhaft, was sie ihm erzählen könnte. Sollte sie die Wahrheit sagen oder etwas erfinden? Wahrheit ging nicht. Diesen Gedanken verwarf sie gleich wieder. Jetzt mussten sie erst mal sehen, dass sie die Verfolger nicht mehr fanden. So wie es aussah, schaffte er es.

Nick fuhr in Richtung einer kleinen Ortschaft, die direkt am Highway lag. Er lenkte den Wagen in die kleine Stadt hinein und bog die erste Straße rechts ab. An einer Parkbucht hielt er an und schaltete den Motor aus. Von wegen beim Essen, er wollte gleich wissen, mit wem er es zu tun hatte.

Er drehte sich zu ihr und sah sie ernst an: „Also raus mit der Sprache, wer verfolgt Sie in dem weißen Rover? Ihr Ehemann, Ihr eifersüchtiger Freund oder schulden Sie jemandem Geld?“

Bridget hatte eine Idee. Sie würde etwas erzählen. Nicht alles, aber zumindest nicht lügen. Sie erwiderte seinen Blick.

„Nichts von alledem. Es sind Sicherheitsleute, die auf mich aufpassen sollen. Mein Vater hat sie engagiert, damit mir hier nichts passiert. Sie haben ja schon bemerkt, dass ich nicht viele Kontakte außerhalb Ihrer Firma geknüpft habe. Gar keine eigentlich. Ich habe mir mit einer kleinen, sagen wir improvisierten Unwahrheit, für heute Abend frei genommen.“

„Das war also der Grund, warum Sie jede Einladung ausgeschlagen haben?“ Nick war fast etwas erleichtert. Er hatte mit Schlimmerem gerechnet.

„Ja. Meine Eltern sind sehr wohlhabend und haben immer Angst um mich. Dass ich ein normales Studium absolvieren und vor allem diesen Auftrag hier annehmen durfte, hat für mich schon an ein Wunder gegrenzt.“

„Deshalb auch die Geheimnistuerei um Ihren Wohnsitz?“

Sie sah ihn an und es zerbrach ihr fast das Herz. Sie konnte ihm nicht die Wahrheit sagen. „Ja, auch das. Niemand sollte wissen, wo ich während meines Aufenthaltes hier wohne.“ Bridget rang verzweifelt die Hände. „Nick, wenn Sie jetzt von der Einladung zurücktreten wollen, würde ich das verstehen. Ich habe Ihnen schon genug Scherereien bereitet.“ Sie sah ihn an. Insgeheim wünschte sie, er würde es nicht tun.

Er sah ihr in die Augen, grün, wie ein Fluss im Herbst und mit einem Hauch Traurigkeit im Blick. Jetzt, da schon die Dämmerung kam, erschienen sie etwas dunkler.

„Nein, ganz im Gegenteil. Der Abend wird doch jetzt erst interessant.“

Er startete den Wagen, lenkte ihn aus dem Parkplatz und fuhr los.

8.

Der weiße Rover fuhr auf dem Highway rechts ran. Der Beifahrer sprach in sein Mikrofon, das er am Revers trug: „Sie haben uns abgehängt. Haben sie verloren.“

Aus den Ohrhörern kam die zornige Stimme von Simmons: „Was! Wie kann denn sowas... Na egal. Wir orten sie über ihr Handy. Ich ahnte gleich, dass das mit der Abschiedsparty nicht stimmte. Fahren Sie weiter in die Richtung. Wenn sie diesen Highway benutzt haben, tauchen sie vielleicht wieder auf. O‘Neal, was hat der Portier gesagt?“

Vor der Firma stand ein grauer Van, in den O‘Neal gerade auf den Beifahrersitz stieg. Der Fahrer startete den Wagen und fuhr los.

O‘Neal sagte: „Nicht viel. Hat zwar bestätigt, dass sie hier war, hat aber angeblich nicht gesehen, mit wem sie weggefahren ist. Sie war auf der Toilette, kam wieder herunter und verließ dann das Gebäude. Er hat nichts weiter gesehen. Lügt offensichtlich, aber ich kann nichts tun. “

Simmons saß in der Villa am Schreibtisch und hatte versuchte, Bridget über ihr Handy zu orten. Er schloss den Laptop, klemmte ihn sich unter den Arm und lief zur Hintertür. Dort wartete schon ein Wagen mit angelassenem Motor. Simmons sprang auf den Beifahrersitz und bellte den Fahrer an: „Los.“

Der Wagen verließ mit quietschenden Reifen das Anwesen.

Simmons öffnete den Laptop, nach wenigen Sekunden sprach er in sein Headset: „Ich habe sie. Sie befinden sich in einem kleinen Nest namens Daytona, First Road. Alle fahren sofort dahin.“ Simmons programmierte das Navigationsgerät und der Fahrer beschleunigte den Wagen.

9.

Nick lenkte den Wagen über die Brücke, die über den Highway führte und blieb auf der Landstraße. Sie sah ihn fragend an.

Er sah weiter auf die Straße und meinte: „Ich glaube, den Highway meiden wir jetzt. Dauert zwar etwas länger, ist aber sicherer. Ihre Freunde suchen vielleicht noch nach Ihnen.“

Sie senkte den Blick und meinte leise: „Ganz bestimmt sogar.“

Nick fuhr den Wagen jetzt ruhig durch die Landschaft. Sie sprachen nicht mehr. Das Schweigen war nicht sehr angenehm. Bridget fühlte sich nicht besonders wohl. Der Abend hatte schon ganz anders begonnen, als sie es sich vorgestellt hatte. Dieser verflixte Simmons. Konnte er ihr nicht ein paar Stunden unbewacht gönnen?

Nach einiger Zeit bog Nick vor einem Schild rechts ab und es öffnete sich wie von Geisterhand ein Tor. Bridget konnte nur kurz einen Blick auf das Schild am Eingang werfen und erkannte die Worte Mirror Beach Country Club. Ihr wurde mulmig. Sie hatte jetzt nicht gerade Lust auf einen Club.

„Glauben Sie, das ist eine gute Idee? Hier zu sein, meine ich?“ fragte sie vorsichtig.

„Warum nicht?“ Er sah sie kurz an. Sie fuhren durch einen Park eine langgezogene Auffahrt hinauf und hielten vor dem Eingang eines imposanten Gebäudes. Sogleich war ein junger Mann parat, der Nick mit den Worten „Guten Abend Mr. Page. Ich parke Ihren Wagen.“ begrüßte.

Nick stieg aus und sagte: „Danke Oliver.“

Er ging um den Wagen herum, hielt Bridget die Tür auf und reichte ihr die Hand, um ihr beim Aussteigen zu helfen.

Sie blieb sitzen und sah ihn an: „Bitte, Nick, es ist mir alles sehr unangenehm. Es wäre besser, ich rufe mir ein Taxi, fahre nach Hause und wir vergessen das Alles.“

„Oh nein.“

Nick hatte zu seiner guten Laune zurück gefunden. Er hatte es endlich geschafft, dass diese Frau seine Einladung angenommen hatte. Das würde er sich jetzt nicht verderben lassen. „Dieser Club hier ist ein Muster an Diskretion. Ich würde hier sogar nach Verübung eines Verbrechens Zuflucht suchen. Also genaugenommen passt er heute gerade richtig.“ Er grinste sie an, wurde dann aber gleich wieder ernst. „Wir vergessen jetzt mal die Schwierigkeiten, die wir hatten, und tun so, als würde unsere Verabredung jetzt erst beginnen. Einverstanden?“

Bridget dachte kurz nach. Sie wollte nicht wirklich nach Hause. Sie wollte den Abend mit ihm verbringen und sei es nur diesen einen Abend. Den wollte sie sich nicht nehmen lassen. Sie lächelte ihn an: „ Gut. Einverstanden.“

Sie nahm seine Hand und stieg aus dem Wagen. Sie standen vor einem schlossähnlichen Gebäude in Fachwerkbauweise. Es war ein rechteckiger Bau, der rechts und links jeweils von einem runden Turm eingerahmt wurde. Bridget warf einen Blick auf die geschmackvoll arrangierten Blumenbeete gegenüber des Gebäudes. Es waren mehrere Beete mit verschiedenen pinkfarbenen Rosen darin, die alle recht üppig blühten. Die Beete waren rund und von kleinen Buchshecken eingerahmt. Das ganze befand sich auf einer riesigen Rasenfläche. Es wirkte, als wären die Rosenbeete kleine Teppiche auf einer großen, grünen Wiese. An den Türmen rankten sich Kletterrosen empor, die ebenfalls blühten. Das ganze machte einen sehr gepflegten Eindruck. An diesem Ort konnte man sich wirklich wohl fühlen.

Nick geleitete sie zur gläsernen Eingangstür, die sich geräuschlos öffnete. Sie betraten eine sehr geschmackvoll eingerichtete Eingangshalle, in der sich edle hölzerne Wandvertäfelungen mit klassischen Möbeln ergänzten. Die Möbel waren alle aus Holz, die Sessel und Sofas mit dicken gestreiften Polstern belegt. Auf der Seite des Eingangs waren bodentiefe Fenster, vor denen kleine Tische standen. Auf jedem Tisch standen Vasen mit Rosensträußen oder kleine Blumengestecke. Von der hohen Decke aus verströmte ein riesiger Kristallleuchter ein angenehmes, warmes Licht. Es machte alles einen sehr beruhigenden Eindruck. Nirgends war etwas von Hektik zu spüren. Hinter der Rezeption war die Theke hell angestrahlt. Das Licht fiel auf die Angestellten, die in ihren taupefarbenen Uniformen und den weißen Hemden die Optik der Behaglichkeit fortsetzten.

Noch vor der Rezeption kam ein Herr im dunklen Anzug auf sie zu und begrüßte Nick mit Handschlag: „Guten Abend, Mr. Page. Ich freue mich, Sie wieder einmal bei uns begrüßen zu dürfen.“ Er wandte sich Bridget zu: „Und, wie ich sehe, in überaus charmanter Begleitung.“

Er streckte Bridget die Hand hin: „Willkommen im Mirror Beach Country Club, Madame. Ich bin Armand.“

Bridget erwiderte mit einem freundlichen Lächeln seinen Händedruck. Er deutete einen formvollendeten Handkuss an. Ihr war aufgefallen, dass er nicht nach ihrem Namen gefragt hatte und dass Nick sie auch nicht vorgestellt hatte. Diskretion schien man hier wirklich groß zu schreiben. Sie fühlte sich gleich ein bisschen wohler.

Nick erwiderte die freundliche Begrüßung: „Guten Abend, Armand. Die Arbeit. Man kommt zu nichts. Aber heute Abend wollen wir Ihre Annehmlichkeiten genießen.“

„Wir werden unser Bestes tun. Darf ich Sie zu Ihrem Tisch begleiten?“

Er ging voran und geleitete sie einen Gang entlang.

Bridget fiel auf, dass an den Wänden Bilder klassischer Maler in schweren goldenen Rahmen hingen. Die Wände selbst waren in einem angenehmen grünen Farbton gehalten, die den Landschaftsbildern noch mehr Leuchtkraft gaben. Jedes einzelne Bild wurde von einer über ihm verdeckt angebrachten Lichtleiste beleuchtet. Der Fußboden bestand aus alten, blankpolierten Holzdielen, über die zum Teil wertvolle Teppiche gelegt worden waren. Diese schluckten die Schritte, so dass eine eigentümliche Ruhe in diesem Bereich vorherrschte. Ab und zu ging ein Durchgang zu einzelnen Räumen vom Gang ab, die farblich alle unterschiedlich gestaltet waren. Rote Wände, blaue Wände, dazu passende schwere Vorhänge vor den deckenhohen Holzfenstern, in der Mitte riesige Kristalllüster, deren Licht gedimmt schien. Leise Musik war zu hören. Es standen Tische darin, die mit weißen Decken, wertvollem Porzellan und Kristallgläsern gedeckt waren. Überall darauf befanden sich silberne Kerzenleuchter mit brennenden weißen Kerzen. Auf den Stühlen saßen gut gelaunte Menschen, einzelne Paare, aber auch Gruppen, die miteinander aßen, redeten und scherzten.

Bridget fing an, sich wohl zu fühlen. Dies war eine ähnliche Atmosphäre, wie die, die sie von zuhause gewohnt war. Es erstaunte und erschreckte sie zugleich. Sie fragte sich, wie viele Gefühle man gleichzeitig empfinden konnte. In Gegenwart von Nick waren es ziemlich viele.

Armand führte sie in einen Raum, dessen Wände flaschengrün gehalten waren und zeigte ihnen einen gedeckten Tisch an einem der großen Holzfenster. Er hob einen Stuhl für sie an und sagte: „Ich hoffe, der Tisch ist zu Ihrer Zufriedenheit, Mr. Page.“

Er beugte sich verschwörerisch zu Bridget herunter: „Es ist fast Vollmond und gegen später können Sie vielleicht sehen, was diesem Club seinen Namen gegeben hat.“ Er wies zur Bekräftigung seiner Aussage aus dem Fenster.

„Der Tisch ist ganz wunderbar, Armand. Danke.“ Sagte Nick.

Armand nickte kurz mit dem Kopf, rückte Bridget den Stuhl zurecht und sie setzten sich. Dann verschwand er. Nick setzte sich ihr schräg gegenüber, so dass sie beide sich ansehen und ebenso, mit kurzem Kopfdrehen, aus dem Fenster blicken konnten. So saßen sie mit dem Rücken zu den anderen Gästen, was Bridget sehr gut fand. Es beruhigte sie, niemand Fremden ins Gesicht sehen zu müssen. Ein Kellner kam lautlos an den Tisch, gab jedem eine riesengroße Karte, die dunkelgrün eingeschlagen war, legte die Weinkarte auf den Tisch, goss etwas Wasser in die bereitstehenden Gläser und entfernte sich nach einem kurzen freundlichen Kopfnicken von Nick ebenso wieder.

„So, nun wollen wir mal sehen, was man uns heute anbietet. Sie haben hoffentlich Hunger. Ich jedenfalls, wenn ich das so sagen darf, fühle mich nach all der Aufregung mit Ihnen schon ziemlich hungrig.“

Er lächelte sie spitzbübisch an und sie konnte nicht anders, als zurück zu lächeln. Wenn er lächelte, bildeten sich um seine Mundwinkel zwei hübsche Grübchen. Sie fand, das machte sein Lächeln umso liebenswerter. Dieses Lächeln, das sie von Anfang an fasziniert hatte, ebenso wie seine Augen. Jedes Mal, wenn er lächelte, spürte sie einen Stich im Magen. Es war einfach unwiderstehlich.

„Ich muss zugeben, etwas Hunger habe ich auch. Ich habe heute nur gefrühstückt. Da Ihr Autor bei der Besprechung die Mittagspause hat ausfallen lassen, ist das schon ein Weilchen her.“

„Dann werden Sie sich freuen zu hören, dass die Küche hier vorzüglich ist. Sie werden schon sehen.“

Sie sahen beide in die Speisekarte.

Nach ein paar Minuten kam Armand an den Tisch: „Darf ich fragen, ob die Herrschaften schon etwas gewählt haben?“

Nick schaute sie über den Rand der Speisekarte an: „Und, etwas gefunden?“

Bridget hatte schnell gewählt. Sie bestellte einen leichten Salat als Entree und als Hauptgang ein Fischgericht. Nick nahm zuerst ebenfalls einen Salat und als Hauptgang ein Steak. Das Dessert ließen sie erstmal offen.

Armand bedankte sich für die Bestellung, drehte sich um und ging.

„In Amerika muss wohl ein Steak sein, oder?“ fragte Bridget schmunzelnd. „Für einen so noblen Club hat man hier eine recht deftige Speisekarte. Ich hätte etwas Feineres erwartet.“

„Enttäuscht?“ fragte Nick.

„Oh nein. Es ist wirklich wunderbar hier. Nur das hat mich etwas gewundert.“

Der Ober kam an den Tisch und gab Nick die Weinkarte: „Bitte sehr, Sir. Wünschen die Herrschaften eine Empfehlung?“

Nick nahm die Karte, warf einen kurzen Blick darauf, dann sah er Bridget fragend an: „Ich glaube, wir nehmen als Aperitif Champagner, einverstanden?“

Bridget lächelte ihn an und nickte: „Oh ja, sehr gerne.“ Sie hatte nicht gewagt, den Vorschlag zu machen. Champagner beruhigte sie immer etwas. Sie fühlte sich in diesem Club erstaunlich wohl, was zu einem Großteil auch an seiner Gegenwart lag.

Nick sah den jungen Mann an, gab ihm die Weinkarte zurück und sagte: „Dann also Champagner, bitte.“

Der junge Mann nahm die Karte, sagte „Sehr gerne, Sir.“ Und entfernte sich.

10.

In Daytona bogen indessen ein schwarzer Van, ein weißer Rover und eine schwarze Limousine fast gleichzeitig aus verschiedenen Richtungen in die First Road ein. Sie hielten ruckartig vor der Hausnummer 31. Aus jedem Wagen sprangen zwei Männer und sie trafen sich alle auf dem Bürgersteig vor einem Laden. Sie sahen sich suchend um. Keine Spur von Bridget oder einem verdächtigen Wagen, mit dem sie hierher gekommen sein könnte. So wie es aussah, nur Einheimische, auf dem Weg nach Hause und ein paar Touristen. Nr. 31 war ein Biokostladen, der gerade von einem jungen schlaksig wirkenden Burschen zugeschlossen wurde.

Simmons hielt auf ihn zu: „Eine Frage, junger Mann. Haben Sie hier heute Abend eine Frau in einem schwarzen Kleid gesehen? Ziemlich hübsch, braune Haare, womöglich in Begleitung.“

Der Junge roch ein Geschäft und fragte: „Wer will das denn wissen?“

Simmons wusste gleich, woher der Wind wehte, griff in die Tasche und gab dem Jungen den ersten Schein, 10 Dollar, den er zu fassen bekam.

Der Junge, grinste, steckte den Schein ein und sagte: „Ich sehe hier viele Frauen.“ Da sah er eine Falte auf der Stirn seines Gegenübers. Der Typ verstand wohl doch keinen Spaß. Er beeilte sich zu sagen: „Nein, eine Hübsche im schwarzen Kleid wäre mir sicher aufgefallen.“

Er bückte sich, um seine Tragetaschen aufzuheben, da fiel ihm ein Handy aus der Hosentasche. Simmons sah es fallen und erkannte es sofort.

„Wo haben Sie das her?“ bellte er ihn an. Der Junge erschrak, wollte es aufheben, aber Simmons war schneller.

Der Junge stammelte: „Das gehört mir. Geben Sie es her.“

Simmons ging noch einen Schritt auf ihn zu. Seine Stimme war jetzt ganz leise, aber dafür umso bedrohlicher: „Woher Sie das haben, will ich wissen.“ Dabei hielt er dem Jungen das Handy direkt vor das Gesicht.

Dieser wich zurück und sagte: “Komische Geschichte. Da kam vorhin ein Wagen, der hielt kurz an, die Scheibe ging runter und jemand warf es da vorne in den Mülleimer.“ Er zeigte mit der rechten Hand auf einen Mülleimer an einer Straßenkreuzung.

Simmons kochte vor Wut: „Wann war das? Können Sie sich erinnern, was das für ein Wagen war? Vielleicht sogar das Nummernschild?“

Der Junge traute sich jetzt nicht mehr, nochmals Geld für die Informationen zu verlangen. Die Kerle hatten anscheinend wirklich keinen Humor. „Es war ein schwarzer Porsche Cayenne. Tolle Karre. Sieht man hier nicht oft. Gefällt mir gut. Das Nummernschild habe ich nur kurz gesehen, war irgendwas mit PA. Hab‘s mir nicht gemerkt. Hatte grad viel Kundschaft. Habe nur gesehen, dass da was rausflog. In meiner Pause bin ich dann gleich zum Mülleimer um nachzusehen, was jemand aus so einem Wagen weg wirft. Ehrlich Mann. Ich sage die Wahrheit. Sie können es behalten.“

Simmons tippte auf dem Handy herum: „Sie hat alles gelöscht. Es ist leer.“ Er steckte es ein. Grußlos ging er mit seinen Leuten zurück zu den Wagen.

Dort angekommen sagte er zu seinen Männern: „Der Junge hatte ihr Handy. Sie waren also hier. Sie hat es aus dem Wagen geworfen. Schwarzer Porsche Cayenne, Nummernschild irgendwas mit PA. Ich nehme an, das ist der Wagen dieses Produzenten Page. Sie ist also mit ihm unterwegs.“

Er wandte sich an einen der Männer. „Alfred, Sie werden seine Handy-Nummer feststellen. Ich rufe ihn dann an.“ Der Angesprochene schob die Tür des Vans auf und stieg sofort ein.

Einer der Männer sagte: „Damit kompromittieren Sie sie aber. Ist das klug? Sie soll doch unerkannt bleiben.“

Simmons dachte nach. Das stimmte. Aber er war stinksauer. Sie hatte ihn angelogen. Er hatte nachgegeben und sie hatte ihn angelogen. Dass er auch nicht Wort gehalten hatte, verdrängte er dabei kurzerhand. Er war immerhin für sie verantwortlich. Da heiligte der Zweck die Mittel. Simmons schnaubte. Das gefiel ihm alles nicht.

„Das ist mir jetzt egal. Wir finden sie und bringen sie so schnell wie möglich nach Hause.“

Er beugte sich in den Van: „Wie weit sind Sie?“

Alfred hatte gerade sein Handy am Ohr, er hielt die Hand darauf und antwortete: „Ich versuche gerade, Pages Assistentin ans Telefon zu bekommen.“ Er nahm die Hand weg und sprach in sein Handy: „Hallo, Mrs, Bishop, mein Name ist Alfred Buck. Ein Mitarbeiter Ihrer Firma sagte mir, dass Sie die Assistentin von Mr. Page sind. Ich muss ihn dringend sprechen. Könnten Sie mir freundlicherweise seine Nummer geben?“

11.

Agatha Bishop war seit drei Jahren die Assistentin, Privatsekretärin und Mädchen für alles für Nick Page. Wer zu ihm wollte, musste an ihr vorbei, und das war nicht so einfach. Sie hatte ein gutes Gespür für Menschen und war ein Organisationsgenie. Nick hatte damals eine Sekretärin für seine Produktionsfirma gesucht. Sie war die erste, die zum Vorstellungsgespräch kam. Als er ihre Zeugnisse sah, war er erstaunt. Sie war eigentlich Anwaltsgehilfin. Nach ihrer erfolgreich absolvierten Ausbildung hatte ihr ein halbes Jahr Praxis bei einer Anwaltsfirma gezeigt, dass sie diese Arbeit nicht ausfüllte. Sie wollte sich verändern, da kam ihr das Stellenangebot einer Filmproduktionsfirma gerade recht. Eine Freundin hatte sie darauf aufmerksam gemacht.

Nick mochte die große, attraktive Rothaarige auf Anhieb und auch ihr war der neue Chef gleich sympathisch. Die Chemie stimmte vom ersten Augenblick an zwischen ihnen. Und doch war es nie mehr als Sympathie und große Achtung, die beide füreinander empfanden.

Das Arbeitsverhältnis war von Offenheit und einem hohen Maß an Vertrauen geprägt. Sie hatten sich in diesen drei Jahren so gut kennengelernt, dass manchmal keine Worte zwischen ihnen nötig waren, um zu wissen was der Andere dachte. Obwohl ihr Umgang miteinander mehr an Freunde denken ließ, blieb ihr Verhältnis geschäftlich.

Agatha war natürlich über die Verabredung vom heutigen Abend informiert, hatte sie doch selbst den Tisch im Club reserviert. Dass sie das Ganze diskret behandelte, war selbstverständlich. Sie hatte von Anfang an bemerkt, dass ihr Chef die Engländerin anders ansah als andere Frauen. Auch war zu spüren, dass er die ganze Zeit, seit Bridget hier war, unter einer seltsamen Spannung zu stehen schien. Die Verabredung heute würde vielleicht Neues bringen. Agatha war sehr gespannt auf den Ausgang des Abends. Obwohl ihr die Frau doch manchmal recht seltsam vorkam. Aber Nick mochte sie offensichtlich und nur das zählte. Als nun dieser Alfred Buck anrief und Nicks Nummer haben wollte, schrillten bei ihr die Alarmglocken.

12.

Agatha antwortete in besonders geschäftsmäßigem Ton: „Es ist Freitagabend. Mr. Page ist im Wochenende. Um was geht es bitte?“

„Das möchte ich ihm lieber selbst sagen. Geben Sie mir bitte seine Nummer.“

„Tut mir leid, das ist ausgeschlossen. Wenn Sie mit Mr. Page reden wollen, müssen Sie sich bis Montag gedulden. Sie dürfen mich gerne noch einmal anrufen. Wir machen dann einen Termin aus. Natürlich nachdem Sie mir den Grund ihres Anrufs genannt haben.“

Mr. Buck versuchte es noch einmal: „Es wäre aber von großer Wichtigkeit, dass ich ihn gleich sprechen könnte.“

Agatha blieb unbeeindruckt: „Wenn Sie mir sagen würden, um was es geht, könnte ich selbst beurteilen, ob diese Sache wirklich so dringend ist.“

„Tut mir leid, das geht nicht.“

„Dann tut es mir auch leid.“ Sie legte auf und wählte sogleich Nicks Nummer. Das Ganze kam ihr doch sehr spanisch vor. Nick hatte sein Handy auf vibrieren gestellt. Sie waren gerade mit der Vorspeise fertig, als er das leichte Gefühl spürte, welches der Vibrationsalarm verursachte.

Er vermutete gleich, dass es Agatha war. Da Agatha wusste, wo er war und dass er nicht gestört werden wollte, musste es wohl wichtig sein. Nick entschuldigte sich bei Bridget für einen Augenblick, stand vom Tisch auf und ging aus dem Zimmer. Er ging den Gang entlang zu den Herrentoiletten und trat ein.

Nachdem er sich vergewissert hatte, dass er alleine war, nahm er das Handy aus seiner Jackentasche: „Agatha, was ist? Entschuldige, aber Du weißt, dass Du störst?“

Sie lächelte: „Ich weiß und ich hoffe sogar für Dich, dass ich störe, denn dann läuft es gut. Aber eben hat mich ein Alfred Buck angerufen, hat sich wichtig aufgeblasen und nach Deiner Handynummer gefragt. Ich sagte ihm, dass Du im Wochenende wärst. Er solle am Montag wieder anrufen, dann werden wir einen Termin vereinbaren. Er wollte sich erst nicht abwimmeln lassen, hat aber auch auf meine Nachfrage nicht gesagt, was er von Dir will. Ich dachte, da Du mit der geheimnisvollen Engländerin unterwegs bist, wolltest Du das vielleicht wissen.“

„Oh ja, da hast Du recht. Das wollte ich wissen. Und danke, dass Du ihn abgewimmelt hast.“

„Schönen Abend noch.“

„Dir auch.“

Sie legten beide auf. Nick dachte kurz nach. Das wurde ja immer interessanter. Er schaltete das Handy jetzt aus, er wollte nicht noch einmal gestört werden, wusch sich schnell die Hände und ging wieder zum Tisch zurück.

13.

„Ich habe mitgehört.“ Simmons stand an der Tür des Vans und kochte vor Wut. So schnell würde er sich nicht geschlagen geben. „Wir fahren nach Hause. Dort überprüfen wir das Handy dieser Agatha.“

Die Sicherheitsbeamten verteilten sich wieder auf die Fahrzeuge und fuhren rasch davon. Sie kamen alle gleichzeitig bei der Villa an und stiegen aus ihren Wagen. Sie liefen alle schnellen Schrittes ums Haus zum Hintereingang und traten ein. Sie versammelten sich im Büro. Simmons trat an den Schreibtisch und winkte Alfred zu sich.

„Sie haben doch eine Möglichkeit, mit der Sie feststellen können, mit welcher Nummer ein Handy telefoniert hat.“

Alfred Buck zierte sich: „Ja, schon, aber das ist nicht ganz legal.“

Simmons lief rot an, die Halsschlagader zeichnete sich gefährlich unter seiner Haut ab. Er herrschte Alfred an: „Egal, los, machen Sie schon.“

Alfred atmete hörbar aus und setzte sich an den Schreibtisch. Er öffnete das Programm. Wohl war ihm nicht dabei, aber Chef war nun mal Chef. Es dauerte etwa zehn Minuten, da verlor Simmons die Geduld: „Dauert das noch lange?“

Alfred sah nicht hoch: „Ich hab‘s gleich.“

Er zeigte mit dem Finger auf den Bildschirm. „Da, 22.35 Uhr, das war kurz nachdem ich mit ihr gesprochen hatte. Sie hat diese Nummer gewählt.“

„Gut und jetzt das Handy mit der Nummer orten.“

„Mr. Simmons“, Alfred versuchte ihm das Illegale seines Tuns zu verdeutlichen, aber Simmons schnitt ihm das Wort ab. „Los, nun machen Sie schon.“

Alfred schnaubte nochmals, gehorchte dann aber. Nach etwa 15 Minuten, Simmons hatte die lange Wartezeit nur ausgehalten, weil einer der Männer Kaffee für alle geholt hatte, musste er schließlich mitteilen: „Das Handy lässt sich nicht orten. Es ist wahrscheinlich ausgeschaltet.“

„Verdammt!“ bellte Simmons und versetzte dem Papierkorb einen Tritt, so dass dieser umfiel. „Wenn jemand noch eine Idee hat, soll er es sagen.“

Simmons beruhigte sich wieder etwas, lief aber im Zimmer auf und ab. Die Männer sahen sich an. Keinem wollte etwas einfallen.

Schließlich sagte Alfred: „Wir werden wohl warten müssen, bis sie von alleine wieder auftaucht. Bis dahin können wir nichts tun.“

Simmons sah ihn böse an. Alfred hatte ausgesprochen, was er selbst gedacht hatte, aber nicht wahr haben wollte. Dieses Mal hatte sie gewonnen. Sie hatte ihn reingelegt.

14.

Der Hauptgang war gerade abgeräumt worden. Sie blieben auch nach dem Aperitif beim Champagner. Bridget, leicht beschwingt durch den Genuss des Getränks, fühlte sich wohl wie schon lange nicht mehr.

Von wegen Langweiler. Nick war ein unterhaltsamer Gesprächspartner. Nachdem ihr Gespräch anfangs etwas steif war, kam es doch im Laufe des Essens richtig in die Gänge.

Er unterhielt sie mit Geschichten über seine Familie, er war der Älteste von vier Geschwistern, drei Jungen und ein Mädchen. Seine zwei Brüder, Logan und Michael, waren Anwälte, Teresa, die Jüngste studierte noch und zwar Medizin. Sie schlug aus der Art, wie er meinte, und wollte Ärztin werden.

Er selbst hatte Betriebswirtschaft und Jura studiert und stieg dann in die Produktionsfirma seines Vaters Tom ein. Seine Mutter Kirstie war früher Schauspielerin gewesen, hatte sich dann aber der Familie gewidmet. Nur ab und zu arbeitete sie in der Firma mit.

Sie waren eine „normale“ Familie, die sich regelmäßig zu Hause traf, zusammen feierten und auch mal heftig stritten.

Bridget hörte begeistert zu. Für sie hörte sich das an wie der Himmel auf Erden. Ihre Kindheit und Jugend war da gänzlich grauer und einsamer, geprägt von Internaten und Hauslehrern. Um nicht von sich erzählen zu müssen, stellte sie ihm auch häufig Fragen, die er gerne und ausschweifend beantwortete. Sie sprachen auch über den Film, an dem sie zusammen gearbeitet hatten, Filme, die die Firma schon gemacht hatte, erfolgreiche und weniger erfolgreiche. Dann kamen sie auf die Kunstgeschichte.

Jetzt war sie in ihrem Element. Sie berichtete von ihren Studienjahren in Rom, Florenz, Paris und London. Und passte aber immer auf, nicht zu viel Persönliches von sich preiszugeben. Mittlerweile war es schon nach Mitternacht. Bridget fühlte sich in Nicks Gegenwart immer besser. Hatte sie sich jemals in Gesellschaft eines Mannes so gut gefühlt?

Nick hörte ihr aufmerksam zu. Er war schon mehrfach in Europa gewesen und kannte die Städte, in denen sie zeitweise gelebt hatte, ebenfalls, zumindest mehr oder weniger.

Als sie gerade über London sprachen, fragte er plötzlich unvermittelt: „Und was ist mit Ihrer Familie? Sie haben noch gar nichts über sie erzählt.“

Bridget verdarb es schlagartig die Laune. Ihr Gesicht bekam einen neutralen, fast abweisenden Ausdruck.

Er erschrak: „Verzeihen Sie bitte. Ich wollte nicht neugierig sein. Aber Sie haben mir vorhin im Wagen eine Erklärung versprochen. Die hätte ich jetzt gerne.“ Als sie nicht gleich antwortete, fügte er hinzu: „Und ein kleines bisschen habe ich den Verdacht, des könnte mit ihrer Familie zusammenhängen.“ Dabei sah er sie erwartungsvoll an.

Bridget blickte auf das Tischtuch, dann straffte sie sich. „Sie haben Recht, aber wie ich Ihnen schon sagte, meine Eltern sind sehr wohlhabend und haben Angst um ihre Kinder. Deshalb besorgen sie uns, egal, wohin wir uns bewegen, immer Bodyguards, die auf uns aufpassen. Das kann manchmal sehr lästig sein. Wie Sie sich vorstellen können, hätte man ja auch gerne mal was vor, von dem Mama und Papa nicht gleich Bescheid wissen sollen. Mit Sicherheit im Nacken geht das leider nicht. Heute habe ich es mal geschafft. Dank Ihnen. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“ Sie betupfte mit der weißen, gestärkten Serviette ihre Mundwinkel, legte sie dann auf den Tisch und blickte ihn ernst an.

Nick entging nicht, wie unangenehm ihr das Thema war. Ok, wenn sie nicht darüber reden wollte. Auch gut. Man muss auch nicht gleich bei der ersten Verabredung alles wissen. Vorerst begnügte er sich mit dieser, wenn auch vagen Auskunft. Er legte seine Serviette ebenfalls auf den Tisch.

„Hätten Sie Lust, zu tanzen?“

„Wie bitte?“ sie reagierte erstaunt. Damit hatte sie jetzt überhaupt nicht gerechnet.

„Tanzen? Ob Sie gerne tanzen würden?“ Er stand auf, ging zu ihrem Stuhl und rückte ihn weg, als sie aufstand.

„Ja, gerne, wenn Sie möchten.“ stammelte sie.

Er führte sie aus dem Raum hinaus auf den Flur, wo man von Ferne leise Tanzmusik hörte. Sie gingen einige Schritte geradeaus, ein paar Treppenstufen hinab und standen dann in einer