Was wirklich geschah - Franz-Christian Schlangen - E-Book

Was wirklich geschah E-Book

Franz-Christian Schlangen

5,0

Beschreibung

Franz C. Schlangen stand schon als Jugendlicher den Religionslehren skeptisch gegenüber. Eine seine Fragen war: Sollte Gott wohl tatsächlich ...? Später stellte er fest, dass es weder im Judentum, noch im Christentum und Islam Wissen über Gott gibt. Denn als Schlangen nach Art und Herkunft des z.B. im Medium Bibel vermittelten Wissens fragte, musste er feststellen, dass das, was man aus den div. heiligen Schriften wissen kann, allenfalls Hörensagen über Leute ist, die ihrerseits Hörensagen von Leuten verbreiteten, für die Gott mangels besseren Wissens schlicht ein Modell zur Erklärung von für sie unverständlichen Phänomenen war. Im vorliegenden Buch geht der Autor der Frage nach, was sich in der Geschichte wirklich ereignet hat, und für welche der in der Steinzeit unverständlichen Phänomene es immer noch keine andere Erklärung als göttliches Wirken gibt. Sein Fazit: "Wir können dieses Hörensagen komplett vernachlässigen! Für jede der darin enthaltenen, völlig aus der Luft gegriffenen, Ideen gibt es nachvollziehbare, stichfeste Erklärungen. Und es bleibt von der Frage nach Gott nichts mehr übrig! Die Frage nach Gott stellt sich ausschließlich deshalb, weil es diese Leute gibt, die weiterhin das Hörensagen verbreiten." Warum diese Leute das tun, entlarvt Schlangen als Scharlatanerie aus Dummheit und aus niederen Beweggründen, nämlich Macht und Geldgier!

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Seitenzahl: 780

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Meinem Vater,

dem Mann, der mich das Denken gelehrt hat,

und der mich gelehrt hat, mich nie mit dem

Anschein zufrieden zu geben

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Vor der Vorgeschichte

Wie alles begann

Der Urknall verhallt

Das Leben beginnt

Stichwort Evolution

Die eigentliche Geschichte

Das Werden der Menschheit

Religion entsteht

Vor 8000 Jahren: Die semitischen Religionen

Die zehn Gebote sind nicht göttlichen Ursprungs

4.-10. Gebot sind humanistisches Gedankengut

25-tausend Monate vor unserer Zeit

Palästina vor der Zeitenwende

Kulturelle Einflüsse im Judentum zur Zeitenwende

Die wahre Weihnachtsgeschichte

Jesus von Nazareth – ein jüdischer Messias?

Der historische Jesus

Palästina zur Zeit der Evangelien

Der jüdische Freiheitskampf

Der pharisäische Wanderprediger

Der Tag des Herrn

Jesu Scheitern und Tod

Das Christentum

Die Entstehung der Evangelien

Der Gründer des Christentums

Paulus blieb dem Saulus treu

Die Auferstehung und die Schuld der Juden

Die Vergottung des Jesus

Die Ruach Jahu wird Gott

Die Trinitätslehre entsteht

Die christliche Gewaltherrschaft

Ein Blick auf den Islam

Ein neuer Prophet betritt die Bühne

Die Kalifen – Mohammeds Nachfolger

Die Spaltung in Sunniten und Schiiten

Die Expansion des Islam

Die katholische Kirche

Kirche von Rom

DEUS VULT – Heidenmission und Kreuzzüge

Die Situation der Diaspora-Juden

Ein kurzer Seitenblick auf den Islam

Reconquista - Südeuropas Befreiung vom Islam

Blutiger Streit um den wahren Glauben

Die Inquisition wird eingerichtet

Die spanische Inquisition

Der Protestantismus

Aufbruch in eine neue Zeit

Die Reformation beginnt im 14. Jhdt.

Rauchende Spaziergänge

Stichwort „Sündenvergebung und Ablass“

Lutheraner, Zwinglianer und Hugenotten

Die Reformation breitet sich aus

Protestanten, Mord und Brand

Der Protestantismus und die Bauernkriege

Märtyrer ihres Glaubens: Die Täufer

Die Reformation in Frankreich

Ein Kapitel für sich

Franz I. – ein Vorreiter des Absolutismus

Die Anfänge der Reformation

Der Ritterkönig gerät in die Zwickmühle

Die Affaire des Placards

Heinrich II. erhöht den Druck

Kinderehen und die Verschwörung von Amboise

Erste Hugenottenkriege

Die Pariser Bluthochzeit

Die Hugenottenkriege gehen weiter

Intermezzo mit Scharmützeln

Am Ende steht die Säkularisierung

Kommen wir zum neuen Apostolizismus

Vorbemerkungen

Das Jahrhundert der Erweckungsbewegungen

Gründungsmythen der Neuapostolischen Kirche

Die „katholisch apostolischen Gemeinden“ (KAG)

Die KAG steuert in Krise und Schisma

AcaM und Apostolisch Zending

Apostolisch Zending und NAK

Die NAK unter Krebs und Niehaus

Die NAK und das Dritte Reich

Bischoff und die Botschaftszeit

Der StAp ist tot, es lebe der StAp

Ein kleiner bescheidener Mann?

Die Schweizer Ära

Retrokurs ab 2005

Zwei Affären unter Dr. Leber

Das postfaktische NAK-Zeitalter

Zuguter Letzt

Anhang

Glossar

Literaturverzeichnis

Index

Über mich

Vorwort

Ich bin Geburtsjahrgang 1951, und damit gehöre ich einer privilegierten Generation an. In doppelter Hinsicht. Einmal gehöre ich zu der Generation Menschen innerhalb deren Existenz sich das Wissen der Menschheit in immer kürzeren Intervallen verdoppelt, aktuell innerhalb von etwa 7-8 Jahren. Zum anderen gehöre ich zu der Generation Menschen, der Dank immer fortschrittlicherer Informationstechnik dieses gesamte Wissen auch tatsächlich zur Verfügung steht – denjenigen innerhalb unserer Generation, die das das auch wollen, jedenfalls.

Noch meine Elterngeneration hatte kaum eine Möglichkeit, an über das eigene Fachgebiet hinausgehendem Wissen teilzuhaben. Und schon gar war es nahezu unmöglich, sich Faktenwissen über religiöse Themen anzueignen. Alles was Menschen zu wissen meinen konnten, war dasjenige Material, welches die Religionsgemeinschaften nicht auf den Index für glaubensgefährdende Schriften setzen ließen. Für die abrahamitischen Religionen hat sich dabei die vatikanische Inquisitionsbehörde, heute nennt sie sich „Kongregation für die Glaubenslehre“, besondere „Verdienste“ erworben.

Religionskritische Schriften, die den Lehren der Juden, Christen und Muslime entlarvende Fakten gegenüberstellen, sie als unwahre Tatsachenbehauptungen entlarven, gibt es schon seit Jahrhunderten – aber sie wurden (und zum Teil werden sie es noch) unter Verschluss gehalten, der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht. – Profitiert haben davon alle abrahamitischen Religionen und deren jeweilige Konfessionen, die im Prinzip jede x-beliebige Behauptung als Wahrheit verkaufen konnten.

In meiner Generation hat sich zumindest bei uns in Mitteleuropa einiges geändert. Vor allem wird die Gesellschaft immer säkularer, und die Religionsgemeinschaften haben nicht mehr die Macht, geschaffenes Wissen zu unterdrücken. Aber natürlich werden auch immer mehr wissenschaftliche Fakten bekannt, die die Kirchenlehren ad absurdum führen und die Predigten der Kirchenfrauen und –männer als reine Scharlatanerie entlarven.

Und wenn ich Scharlatanerie schreibe, meine ich das auch genauso! Ich weiß, wovon ich rede, denn ich stamme aus einer fundamental-christlichen Familie puritanisch/pietistischer Prägung. Als Kind und im frühen Jugendalter war ich das, was man einen gläubigen Christen nennt. Die mir vermittelte Religionslehre war – abgesehen von den Sonderlehren meiner Glaubensgemeinschaft, von der in diesem Buch auch die Rede sein wird – allgemeiner gesellschaftlicher Konsens. Entsprechend habe ich sie auch nicht hinterfragt. Alles was mir von Dritten, zuvorderst von meiner Mutter, aber eben auch von Lehrern in der Schule, über Gott, die Schöpfung, die Erbsünde, Jesus Christus und die Apostel erzählt wurde, klang ja auch ganz schlüssig und folgerichtig. Deshalb habe ich das, was mir erzählt wurde, für wahr gehalten. Dass dieses „Glauben von Aussagen Dritter“ nichts mit Glaube im Kontext religiöser Überzeugungen zu tun hat, war mir noch nicht klar. – Ist es den meisten Gläubigen auch heute nicht. Aber es ist eine Tatsache, dass sie lediglich das für wahr halten, was ihnen von Dritten erzählt wird.

Alte Regel: Wer nichts weiß, muss Allen alles glauben!

Dieser Kinderglaube begann erst zu bröckeln, als ich anfing, Inhalte zu hinterfragen. Bereits im Jugendalter hat sich bei mir das abgespielt, was in der Judäo-Christlichen Tradition „die Versuchung im Paradies“ genannt wird. Ich habe „Sollte wohl…?“ gefragt und von den Früchten am Baum der Erkenntnis genascht. Und mit jedem wissenschaftlichen Faktum, das ich kennenlernte, bröckelte ein weiterer Lehrinhalt weg. – Nichts von dem, was man mir im Kindes- und Jugendalter beigebracht hat, hatte Bestand im Licht der Tatsachen.

Im Licht der erwiesenen Tatsachen betrachtet, gibt es heute für Menschen mit einer durchschnittlichen Allgemeinbildung eigentlich keinen Grund mehr, den Lehren und Predigten der Religionsfunktionäre zu glauben.

Man kann wissen! Denn zu jeder Lehrbehauptung haben Wissenschaftler widerlegendes Wissen geschaffen. Und zu jedem wissenschaftlichen Faktum ist ein Buch erschienen, in dem wir das nachlesen können, was uns in Sonntagsschule und Religionsunterricht verschwiegen wurde.

Stellt sich die Frage, was denn nun dieses Buch hier noch soll.

Hier kommt ein weiteres Privileg von mir zum Tragen: Ich hatte die Chance, bereits im Alter von 58 Jahren den Ruhestand anzutreten. Aus diesem Ruhestand habe ich einen Unruhestand gemacht und Informationen gesammelt, Wissen erworben. Ich habe vieles gelernt, und nun möchte ich meine Leser an die Hand nehmen und mit ihnen gemeinsam einen Spaziergang durch die sog. Reichsgottesgeschichte, die Geschichte der abrahamitischen Religionen unternehmen. Es soll kein wissenschaftliches Buch werden. Ich will lediglich mit meinen Worten das wiedergeben, was ich in den zurückliegenden Jahren gelernt habe.

Nicht alles, nicht im Detail und nicht in der ganzen Tiefe. - Warum auch? Bereits der große über die Geschichte geschlagene Bogen zeigt, dass hinter allem, was angeblich ein Gott gesagt hat, Menschen stehen. Religionen sind menschliche Institutionen, ihre Lehren sind menschliche Erfindungen. Und die Menschen, die diese Organisationen führen, hatten und haben zu allen Zeiten alle Schwächen, die Menschen zu Eigen sind.

Speziell die Geschichte des Christentums ist eine Geschichte von menschlich allzu menschlichem, von Lüge, Verrat, Betrug, Ausbeutung“ - Der mehrfach ausgezeichnete deutsche Autor Karlheinz Deschner (23.05.1924 - 08.04.2014), u.a. war er Träger des Arno-Schmidt-Preises, des alternativen Büchnerpreises, des International Humanist A-ward, des Erwin-Fischer-Preises und des Ludwig-Feuerbach-Preises, hat dazu die 10-bändige „Kriminalgeschichte des Christentums“ verfasst, deren Lektüre ich jedem meiner Leser dringend an Herz legen möchte.

Die abschließende Passage des Vorworts möchte ich frei nach Joseph Ratzinger, aka „Benedikt XVI. pp“, einleiten:

Das hier ist kein Lehrbuch, sondern einzig Ausdruck meines persönlichen Suchens nach der Wahrheit. Niemand muss für wahr halten, was ich schreibe, und es steht jedem frei, mir zu widersprechen. Ich bitte nur um jenen Vorschuss an Sympathie, ohne den es kein Verstehen gibt, und darum, meine Texte anhand meiner Quellen zu prüfen. Dazu werde ich alle die Quellen angeben, aus denen ich mir dieses Wissen angeeignet habe.

Die Quellen werde ich nicht als Verweise in Form von Fuß- oder Endnoten angeben, sondern sozusagen als „Stolpersteine“ mitten im Text platzieren. Die Leser sollen nicht nur davon überzeugt werden, dass irgendwelchen Zitaten auch echte Quellen zugrundeliegen. Vielmehr geht es mir darum, dass sie sich die genannten Quellen insgesamt und inclusive der darin enthaltenen weiteren Verweise selbst zugänglich machen. Sei es in Form einer Ausleihe aus der örtlichen Bibliothek, sei es durch den Erwerb des jeweiligen Buches.

Ich versichere allen: Am Ende werden Sie sich wie ich gegen die Beweisführung des Theologieprofessors Dr. Dr. Josef Ratzinger (aka Papst Benedikt XVI) stellen. Der hat sich nämlich, anders als die historisch-kritische Forschung, im Zweifel nicht gegen, sondern für die Angaben der Evangelien entschieden. Eingangs seiner Jesus-von-Nazareth-Trilogie vertritt Ratzinger die Auffassung, dass wenn man keine andere Quelle danach befragen kann, ob z.B. das Jesuskind an der Krippe nun wirklich Besuch von orientalischen Sterndeutern hatte oder nicht, wir „[…] uns eben auf die eine Quelle verlassen [müssen], die wir haben, also das Matthäus-Evangelium, und da steht nun mal, dass es so war. […]“

Freilich hat der damalige „Heilige Vater“ dabei übersehen, dass sich mit der gleichen Beweisführung die Existenz des Rumpelstilzchens unter Berufung auf die einzige Quelle die wir haben, nämlich Grimms Märchen, nachweisen ließe…

Vor der Vorgeschichte

Alles begann vor 13,82 Milliarden Jahren mit einem großen Knall

Am Anfang war nichts. Zumindest fast nichts. Nichts außer einer kosmischen Singularität! - Komprimierte Energie, unvorstellbar klein und unvorstellbar heiß. Das gesamte Universum in einem winzigen Punkt, der explodiert, vielleicht durch eine innewohnende Instabilität, und sich mit unendlicher Geschwindigkeit ausdehnt…

Zumindest denkbar ist auch ein kosmischer Erstbeweger, der urgeknallt hat, wahrscheinlicher ist aber, dass der Kosmos sich immer weiter ausdehnt bis zu einem Maximum, dann wieder zu einer Singularität zusammenfällt und erneut explodiert.

Warum wahrscheinlicher? Weil die hochspekulative Annahme, dass außerhalb des Kosmos ein ewig existierendes komplexes Wesen haust, einfach absurd ist! Für diese Annahme gibt es nicht den geringsten Anhaltspunkt. Und sie widerspricht den Ergebnissen der wissenschaftlichen Untersuchungen und Beobachtungen, u.a. mittels des Hubble-Teleskops. – Um es genau zu wissen, müsste die Wissenschaft zugegebenermaßen bis zum Zeitpunkt Null an den Urknall heranrücken können. Die Forschung kann aber die Entstehung von Raum und Zeit erst nach Ablauf der sog. Planck-Ära, das ist ein Zeitraum von 10-43 [also, 0,…(42 Nullen) 1] Sekunden nach dem Urknall theoretisch beschreiben.

Und bevor die Apologeten jetzt in die Hände klatschen und „die Bibel hat doch Recht!“ schreien, ein wenig Wermut in den Freudenwein: Das Gottesbild, welches sich aus dem Gedanken an einen kosmischen Erstbeweger ergibt, hat nichts – aber auch gar nichts mit dem von den sog. abrahamitischen Religionen überlieferten Gottesbild zu tun! – Es hat mit keinem mir bekannten Götterbild irgendeiner Religion zu tun.

Die weitere Entwicklung wurde von Prozessen bestimmt, wie sie in der modernen Elementarteilchenphysik beobachtet werden können: Das war möglich, nachdem sich das Universum (etwa 10−6 Sekunden nach dem Urknall) weit genug ausgedehnt hatte.

Von ursprünglich 10 Billionen°C kühlte sich das Universum ab, währenddessen entstanden die ersten Elementarteilchen wie Quarks und Gluonen. Gleich darauf bildeten sich die Bausteine späterer Atomkerne, nämlich Protonen und Neutronen.

Dann dauerte es noch einmal drei- bis vierhunderttausend Jahre, bis die Urknallwolke durchsichtig wurde und sich stabile Atome bildeten.

Der Urknall verhallt, das Werden in größerem Maßstab beginnt…

Ab jetzt reden wir von Zeiträumen im 3-stelligen Millionenbereich, während derer sich das All immer weiter abkühlte. Und wir reden immer noch von unvorstellbaren Temperaturen, bei denen die ersten Wasserstoffatome, Lithium und Helium entstanden: Etwa 2.700° Celsius! Bis sich die ersten Gaswolken bildeten und erste Sterne zu leuchten begannen, vergingen 100 bis 200 Millionen Jahre.

Unser Sonnensystem entstand etwa 9,2 Milliarden Jahre nach dem Urknall und ist Teil einer Galaxie, die wir Milchstraße nennen… (Allerdings bedeutet der Begriff Galaxie ebenfalls Milchstraße – er geht auf eine antike Sage zurück, in der die sichtbaren Schlieren und Nebel als Milch (gála) der Göttermutter beschrieben werden.) – Die Sonne ist einer von ca. 100 bis 300 Milliarden Sternen innerhalb der Milchstraße, die ihrerseits lediglich eine von ca. 100 bis 200 Milliarden Galaxien ist, die sich in einer Anzahl Supercluster ballen. Unser „Heimatsonnensystem“ befindet sich in einem Spiralarm ziemlich am Rande der Milchstraße, etwa 27.000 Lichtjahre von deren Zentrum entfernt

Wie groß das Universum tatsächlich sein mag, wird einem vielleicht bewusst, wenn man sich klar macht, dass wir trotz aller modernen Technik gerade einmal ein Viertel des Volumens des Universums überblicken können, und dass es in diesem für uns einsehbaren Bereich nach neuester Zählung 900 Milliarden(!) sichtbare Galaxien gibt - jede mit durchschnittlich 100-200 Milliarden Sternen, von denen die meisten von mehreren Planeten umkreist werden.

Lesetipp dazu:

Bennet, Schneider, Donahue, Voit:

„Astronomie: Die kosmische Perspektive“

, Hrsg. Prof. Harald Lesch, 5. Aufl. ersch. 2009 bei Pearson Studium, Hallbergmoos, ISBN: 978-3827373601

Das, was wir jetzt beschreiben werden, ereignete sich also vor 4,6 Milliarden Jahren auf einem in kosmischen Größen kaum wahrnehmbaren Fleck. – Jedoch ist dieser Prozess mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Einzelfall, sondern hat sich, gemessen an der Zahl der Galaxien und Sterne, vielleicht 30 billionenfach (= 30.000.000.000.000x) ereignet: Die Entstehung von habitablen Planeten und von Leben, das diese Planeten besiedelt.

Die Erde ist also weder etwas Außergewöhnliches, noch befindet sie sich im Zentrum irgendeines Geschehens. Für uns Menschen und alle anderen mit uns verwandten Lebewesen (wir sollten nie aus den Augen verlieren, dass wir genetisch selbst mit einem Grashalm eng verwandt sind) ist die Erde jedoch immens wichtig: Sie ist unsere Heimat und wir haben keine in bis jetzt erreichbarer Nähe befindliche Auswanderungsmöglichkeit.

Übrigens finden immer noch Planetenbildungen statt, und diese lassen sich von der Erde aus mit wissenschaftlichen Methoden (aktuell z.B. im Sternbild Orion) beobachten:

Um junge Sterne befinden sich undurchsichtige Scheiben aus Gas und Staub, die durch die Anziehungskraft (Gravitation) des Sterns festgehalten werden und die um das Massezentrum rotieren.

Dabei kommt es in diesen protoplanetaren Scheiben immer wieder zu Gravitationsstößen, durch die sich die mikroskopisch kleinen Staubkörner, die sog. Planetesimale, zusammenballen. Es entstehen Brocken, die sich wiederum verbinden und zu Bausteinen des Planetenkerns werden.

Bis ein Brocken einen Durchmesser von einem Meter hat, dauert es mehrere hunderttausend Jahre. Aber danach geht es vergleichsweise schnell, nach weiteren 100 bis 1.000 Jahren ist so ein Protoplanet bereits zwischen 100 und 1.000 km groß. – Hat so ein Körper eine Größe von 400 km erreicht, wird er durch die Gesetze der Physik in eine Kugelform gezwungen…

Auch bei unserem Planeten hat es Millionen Jahre gedauert, bis er sich zu einer Dauer versprechenden Größe entwickelt hat. Er war kahl und stand unter Dauerbeschuss weiterer Brocken, die bei ihrem Einschlag enorme Hitze freisetzten. Es entstand Lava und die Erde wurde zu einem glühenden Ball. Als dieser einen Durchmesser von ca. 8.500 km erreicht hatte, begannen Schwermetalle wie Eisen und Nickel in die Tiefe zu wandern. Sie bildeten den schweren Erdkern. Die Erde rotierte zu dem Zeitpunkt wesentlich schneller um die eigene Achse, die allerdings noch nicht stabil war.

Erst eine Beinahe-Katastrophe, 70 Millionen Jahre nach der Entstehung der Sonne sorgte für stabile Verhältnisse:

Ein Riesenbrocken von etwa der Masse des Mars krachte mit etwa 36.000 Kilometer km/h aus einem schrägen Winkel in die junge Erde. Dabei wurden große Teile des Erdmantels weggerissen und ins All geschleudert. Zusammen mit den Trümmern des Einschlagkörpers bildete sich daraus eine um die Erde kreisende Gesteinswolke, die sich nach und nach abkühlte und eine Scheibe bildete. – Die weiteren Schritte sind aus der Entstehung der Erde bekannt: Die Teilchen der Scheibe ballten sich zusammen und verklumpten irgendwann zu einem rd. 3.500 km großen Brocken, der von der Erdanziehung gehalten in rd. 384.400 km Entfernung um die Erde kreist: Es entstand der Mond, der der Erde erst die bekannte Rotationsgeschwindigkeit und die relativ stabile Rotationsachse verleiht, durch die ein Leben auf diesem Planeten erst möglich ist.

Lesetipp dazu:

Rolf Meissner:

„Geschichte der Erde. Von den Anfängen des Planeten bis zur Entstehung des Lebens“

; 3. Aufl. ersch. 2010 bei Beck, München; ISBN 9783406433108

Der Boden kühlt ab, das Leben auf der Erde beginnt…

Die große Frage ist allerdings, wo es her herkommt, das Leben. Im gesamten vorhergehenden Text ist ausschließlich von nicht organischem Material die Rede. Zwar hat die Raumforschung längst nachgewiesen, dass interstellare Staubwolken, also ein Ursprungsmaterial aus dem sich wie oben beschrieben die Erde gebildet hat, nicht nur Mineralstoffe, sondern auch organische Moleküle enthalten. Doch war unser Planet nach seiner Entstehung ja aufgeschmolzen und von einem Magmaozean bedeckt, in dem alle organischen Moleküle vernichtet wurden. Die Erde war völlig sterilisiert – anorganisch.

Werfen wir, bevor wir den roten Faden wieder aufnehmen, doch einen Blick ins Jahr 1953. In einem Labor der Universität von Chicago führten die Studenten Stanley Lloyd Miller und Harold Clayton Urey ein bahnbrechendes Experiment durch:

Sie schlossen die einfachen chemischen Moleküle Wasser (H2O), Methan (CH4), Ammoniak (NH3), Wasserstoff (H2) und Kohlenstoffmonoxid (CO), unter Abwesenheit von Sauerstoff in einem Erlenmeyerkolben ein. In diesen Kolben ragten zwei Elektroden, mit denen die beiden Lichtbögen erzeugten, die die heftigen Gewitter in der irdischen Uratmosphäre nachbilden sollten. Nach nur wenigen Tagen bildete sich aus dem Molekülgemisch im Kolben eine braune Brühe, die mittels Chromatographie analysiert wurde. Die große Überraschung: In der (später „Ursuppe“ genannten) Flüssigkeit hatten sich Aminosäuren, also organische Moleküle, gebildet – aus anorganischem Ausgangsmaterial…

Ist das Leben auf unserem Planeten so entstanden? Möglich! Aber vielleicht auch nicht, immerhin sind mittlerweile weitere Möglichkeiten zur Abiogenese nachgewiesen. Wichtig an dem Urey-Miller-Experiment und allen anderen Arbeiten zum Thema Abiogenese ist nur eines: Es funktioniert…

Pasteur war jedenfalls widerlegt! Und wir springen wieder zurück ins sogenannte Hadaikum, das war dasjenige Erdzeitalter, nach dem Einschlag des Protoplaneten in dessen Folge der Mond entstehen konnte.

In Folge des Einschlags schmolz die Erdkruste wieder völlig auf, und erst im Archaikum, das begann vor ca. 4 Milliarden Jahren, erstarrte die Erdkruste wieder. Und es ist anzunehmen, dass zu dem Zeitpunkt auch die ersten Biomoleküle entstanden sind. Gleichzeitig stand die junge Erde aber unter einem erheblichen Asteroidenbombardement, die der weiteren Entwicklung auf die Sprünge halfen.

Heute nennt man diese Phase der Erdgeschichte das „late heavy Bombardement“: Die Zahl der Einschläge stieg auf um das Zehnfache und das mit Geschwindigkeiten von gut 75.000 Km/h. Das ist mehr als die 60-fache Schallgeschwindigkeit! – Die Energie dieser Einschläge war ausreichend, um Adenin, Cytosin, Guanin und Uracil, die Grundbausteine allen Lebens entstehen zu lassen.

Bei der Entstehung dieser Nukleinbasen spielte die Ameisensäure enthaltende Verbindung Formamid (= CH3NO) eine zentrale Rolle. Wie mittlerweile in Laborversuchen nachgewiesen wurde, teilte sich das Formamid unter dem energiereichen Bombardement und es bildeten sich die reaktionsfreudigen Radikale CN und NH, die wiederum mit unverändertem Formamid reagierten und über weitere Zwischenschritte die Nukleinbasen, aus denen im Erbgut die Ribonukleinsäure gebildet wird.

Aufgrund hoher Kohlenstoff-Konzentrationen in den ältesten bekannten Gesteinsschichten lässt sich feststellen, dass die ersten Zellen im Archaikum vor etwa 3,8 Mrd. Jahren bereits weit verbreitet waren. In alten gebänderten Eisenerzen kann man darüber hinaus nachweisen, dass auch schon bald reichlich Photosynthese stattfand: Sie enthalten Eisenoxid, und das entsteht durch den bei der Photosynthese freigesetzten Sauerstoff.

Interessant daran: Das Leben muss sich bis dahin aus kleinsten Anfängen geradezu rasant entwickelt haben… Wir reden schließlich von einem Zeitraum von nur wenigen hundert Millionen Jahren. Der Entstehungsort dürfte in der Tiefe des Urmeeres gewesen sein, wo aus sogenannten „Schwarzen Rauchern“, ein heißer Chemiecocktail quoll, der Gase und Minerale enthielt.

Und auch dafür gibt es ein handfestes Indiz: Archaebakterien! Das sind die ältesten heute bekannten Lebensformen, und sie kommen nur in sehr unwirtlichen Biotopen wie im Sickerwasser von Kohlenhalden und Geysiren vor, oder eben in der Tiefsee bei den schwarzen Rauchern. Das sind bis zu 25 m. hohe röhren- oder kegelförmige Gebilde aus denen teilweise über 400 Grad Celsius heißes, mineralreiches Wasser strömt.

Was wir in kosmischen Dimensionen als „schnell“ bezeichnen, waren aber tatsächlich unvorstellbare Zeiträume: Rund 10 Mrd. Jahre waren seit dem Urknall vergangen bis sich erstes Leben auf unserem Planeten regte, rund 700 Mio. Jahre nach seiner Entstehung. Und es dauerte danach noch einmal drei Mrd. Jahre, bis die ersten richtigen Tiere auf der Bildfläche erschienen:

Es waren noch sehr einfache Lebewesen, ohne Skelett oder Schale, die jedoch schon aus mehr als einer Zelle bestanden, und deren Zellen sich bereits jeweils für Bewegung, Fortpflanzung und Ernährung spezialisiert hatten: Quallen!

Die Evolution schritt voran, und danach ging alles sehr schnell. Vor rund 530 Mio. Jahren ist das Leben auf der Erde regelrecht explodiert. Tausende von Arten bevölkerten den Urozean… Darunter die ersten Wirbeltiere mit einem stützenden Panzer oder einem Skelett, einige besaßen bereits ein Atmungssystem und auch die ersten Fleischfresser entstanden.

Gleichzeitig haben auch die Pflanzen eine enorme Entwicklung durchlaufen: Aus ersten Einzellern haben sich kleine Bakterien entwickelt, die den Farbstoff Chlorophyll enthielten und im Verlauf von 500 Mio. Jahren zu Algen wurden, die durch Fotosynthese Sauerstoff erzeugten. Dieser Sauerstoff reicherte sich zunächst im Meer an, und die Zellen der tierischen Lebewesen entwickelten die Fähigkeit, aus dem eingeatmeten Sauerstoff Energie zu gewinnen.

Vor 410 Mio. Jahren eroberten die ersten Pflänzchen den trockenen Boden, nur etwa 10 Mio. Jahre später wagten auch die ersten Tiere den Landgang. Die weitere Entwicklung wurde spätestens seit Darwin gut dokumentiert, und bis auf einige religiös verblendete Gruppierungen wird die Entstehung der Arten durch die Evolution von allen Menschen als verbindliche Lehre anerkannt.

Lesetipp dazu:

Sven P. Thoms:

„Ursprung des Lebens“

; ersch. 2005 bei Fischer-Kompakt, Frankfurt/M.; ISBN: 978-3596161287

Zum Stichwort Evolution:

Es ärgert mich zugegebenermaßen, wenn ich lese, mit welchen dummen Vergleichen die Vertreter der Religionen versuchen, die Evolutionslehre ad absurdum zu führen:

Da ist von einer Schachtel Legosteine die Rede, die man schüttelt und in deren Innerem dann zufällig ein Modell des Buckingham-Palastes entsteht;

oder von einem Schrottplatz über dem sich ein Wirbelsturm austobt und die dort gelagerten Teile zu einem funktionierenden Jumbojet zusammenfügt;

oder auch von zwei Schneemännern, die sich gegenüberstehen und von denen der eine zum anderen sagt „ich bin nicht von Menschen gemacht worden, die Schneeflocken sind nur zufällig so gefallen, dass ich daraus entstanden bin…

Nichts davon hat etwas mit Evolution zu tun, aber sehr wohl mit der Blödheit der Erfinder solcher Vergleiche, die nämlich nur eines zum Ausdruck bringen: Ein krasses Missverstehen, ein Nichtwissen über die wahre Entwicklung.

Alle Organismen, die heute existieren, sind in einer ununterbrochenen Generationenfolge mit dem Ursprung des Lebens verbunden. Dabei ist die Zelle die Elementareinheit aller Lebewesen, und eine neue Zelle kann ausschließlich durch die Teilung einer bereits existierenden Zelle entstehen. Es gibt keine bekannte Ausnahme.

Es gibt kein Leben, das aus dem Nichts entsteht, und das bedeutet, dass kein Gott als allwissender Schöpfer ein Lebewesen für eine je spezielle ökologische Nische geschaffen hat. Darwin hat Gott durch Gehirne einander begehrender Tiere ersetzt, die stets auf der Suche nach Sexualpartnern sind.

Evolution ist daher keine lineare Entwicklung im Sinne einer geraden Linie – genauso wenig, wie der Langzeitgraph eines Aktienkurses eine gerade Linie ist. Wie das Zick-Zack und Auf und Ab eines Börsenkurses ist auch der Verlauf der Evolution eine gezackte Kurve. Dabei können die sexuellen Launen eines Exemplars einer Spezies den Verlauf der Evolution durch die Partnerwahl beeinflussen.

Die Evolution ist aber auch keine Treppe der Natur, auf der ein Lebewesen die je nächsthöhere Stufe der Entwicklung erklimmt und dann die vorherigen Arten seiner Spezies ersetzt. Wer so denkt, sollte sich fragen, ob dieses Denken nicht aus den religiösen Überlieferungen, die den Menschen als Krone der Schöpfung beschreiben, resultiert.

„Trial an Error“ könnte eine moderne Umschreibung für das Werden der Arten sein. Leben bringt immer wieder Mutationen hervor, die sich bewähren oder eben nicht. Natürliche Selektion: Diejenige Veränderung, die der jeweiligen Art einen Vorteil eingebracht hat, zum Beispiel die Möglichkeit, begrenzte Ressourcen optimaler zu nutzen, vererbt sich weiter, setzt sich durch. Die Träger einer nicht so gelungenen Mutation überleben dagegen nicht, ein Irrtum setzt sich nicht langfristig durch.

Und immer wieder in der Erdgeschichte, im Devon, dem Perm, der Trias gab es Katastrophen, die leicht das Ende allen Lebens auf unserem Planeten hätten herbeiführen können. Mehrfach wurde der größte Teil allen Lebens ungeachtet des jeweiligen evolutionären Fortschritts vernichtet. Insgesamt verschwanden in den Massensterben mehr als 70% aller Arten und innerhalb der Arten 90% aller Spezies. Überlebt haben die Arten und innerhalb der Arten diejenigen Exemplare, die der jeweiligen Katastrophe und den dann geänderten Lebensbedingungen aufgrund genetischer Variation auch der Lebensweise am besten gewachsen waren.

Das führte dazu, dass sich nicht nur die Saurier ins Jura und die Kreidezeit „gerettet“ haben, sondern auch ein versteckt lebendes kleines behaartes Tierchen, das am ehesten einer mageren Spitzmaus ähnelte: Das Megazostrodon, ein säugerähnliches Tier und Vorläufer aller Säugetiere auf unserem Planeten.

Und es war der Zufall eines Ereignisses, dass einer der Nachfahren des Megazostrodons, der Protoprimat Purgatorius, Vorläufer auch des Homo Sapiens, die Dinosaurier überlebte: Als vor rund 66 Mio. Jahren zum Ende der Kreidezeit der Einschlag eines Asteroiden mit einem Durchmesser von 15 km auf der Yucatan-Halbinsel und allen daraus resultierenden verheerenden Folgen wie Erdbeben, Giga-Tsunamis, Säureregen, Klimaveränderung den bis dahin auf dem Planeten herrschenden Tieren, den Dinosauriern, den Garaus machte, war es seine versteckte unterirdische Lebensweise, die dem Purgatorius Schutz vor den Katastrophen bot.

Ein zufälliges Ereignis war es, dass den Säugetieren die Freiheit zur weiteren Entwicklung bis dato ermöglichte. Das lehrt uns, dass die Evolution nicht plant, nicht geradlinig und nicht in eine einzige Richtung verläuft, und dass sie kein Ziel hat. Und das bedeutet wiederum, dass es keine Wesenheit gibt, die Ziele setzen könnte.

Prof. Ben Moore, Astrophysiker an der Universität Zürich umschreibt das so: „[…] Das Leben hat ohne Sinn begonnen. Die ersten Organismen auf der Erde, die wir identifizieren können, waren Bakterien. […] Ein Bakterium vermehrt sich nicht, weil es ein Verlangen danach hat. Es kann nicht anders als das zu tun, was in seinem DNS-Programm steht. Und dieses Programm beginnt zu laufen, sobald eine neue Zelle geboren ist. […] Die enorme Vielfalt dessen, was wir um uns herum sehen, ist komplett aus einfachen Dingen entstanden. Komplexere Lebewesen wie Delfine und Menschen haben sich nicht aus einem bestimmten Grund entwickelt. Das Leben ist nichts als die Konsequenz einer bemerkenswerten Abfolge von molekularen Interaktionen. […]“ (Zitatende)

Dieses Wissen entzieht der Scharlatanerie sowohl „kreativer Theologen“ als auch den Vertretern einer „theistischen Evolution“ den Boden. Wir leben nicht in einer Welt, die von einem Geistgott oder Gottgeist geschaffen und auf ein bestimmtes Ziel hin geordnet worden ist.

Wie die Entwicklung weitergeht, lässt sich nicht vorhersagen. Man kann aber abschätzen, dass der Mensch nicht garantiert auf Dauer die Herrschaft über diesen Planeten innehat. Die Herrschaft der Dinosaurier währte rund 150 Millionen Jahre, der Beginn der Hominisation ist noch nicht einmal 2,5 Millionen Jahre her. Und wir sollten uns immer vor Augen halten: Ein Ereignis, das alles menschliche Leben auf diesem Planeten auslöscht, sei es ein Super-Impact, sei es das Ausströmen eines Superplumes oder das Ausbrechen einer Caldera, kann sich jederzeit wiederholen…

Der Mensch wird eines Tages ausgerottet sein – aber das Leben geht weiter

Weiterführende Lesetipps:

Sean B. Carroll:

„Die Darwin-DNA. Wie die neuste Forschung die Evolutionstheorie bestätigt“

, ersch. 2008 bei Fischer Verlag Frankfurt am Main, ISBN: 9783100102317

Foley, Robert:

„Menschen vor Homo sapiens. Wie und warum unsere Art sich durchsetzte“

, ersch. 2000 bei Jan Thorbecke Verlag, Stuttgart, ISBN: 9783799590846

Geoffrey F. Miller:

„Die sexuelle Evolution. Partnerwahl und die Entstehung des Geistes“

, ersch. 2009 bei Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, ISBN: 978-3827425089

Ben Moore:

„Da draußen. Leben auf unserem Planeten und anderswo“

, ersch. 2014 bei Kein & Aber, Zürich, ISBN: 978-3036957050

Heinz Penzlin:

„Das Phänomen Leben. Grundfragen der Theoretischen Biologie“

, 2. Aufl. ersch. 2016 bei Springer Spektrum, Berlin, ISBN: 978-3662481271

Die eigentliche Geschichte beginnt

Das Werden der Menschheit

Irgendwo im Great-Rift-Valley… wir schreiben das Jahr 1.747.987 vor der Zeitenwende, sind also noch mitten in dem Zeitabschnitt der Erdgeschichte, den man später Pleistozän nennen wird. Das Megantereon, eine Säbelzahnkatze, durchstreift die Savanne, zu seiner Beute gehören Pferde der Gattung Equus, das Megalotragus, eine Riesenkuhantilope oder auch Rinder der Gattung Pelorovis. Weiter leben in der Nachbarschaft Antilopen (Parmularius), Wasserböcke (Menelikia), große Warzenschweine (Metridichoerus, Notochoerus) - und Primaten, z.B. Dinopithecus, ein Vorfahr des Pavian.

Bis das erste Wesen der homininen Art Homo Sapiens auf dem Planeten erscheint, wird es noch rund 1,5 Mio. Jahre dauern, aber die Hominisation ist bereits seit über 500.000 Jahren im Gange, und im Great-Rift-Valley lebt auch der Homo Erectus, einer unserer Vorfahren, der gelernt hat, auf den Hinterbeinen zu laufen, er benutzt das Feuer [ab wann, ist umstritten, es gibt auch die Position, dass die Nutzung des Feuers erst einige tausend Jahre später begann] und setzt die Jagd zur Sicherung der Nahrungsversorgung ein. Bereits seit vielen Generationen setzen er und seine Artgenossen primitive Hilfsmittel werkzeugmäßig ein. Mittlerweile kann der Homo erectus primitive Schlag-, Schneide- und Schabewerkzeuge selbst zurechthauen.

Die Techniken der Werkzeugherstellung und die Beherrschung des Feuers sind aufwändig zu erlernen, aber sie müssen nicht von jedem Exemplar neu erfunden werden, denn der Homo erectus verfügt in dieser Epoche schon über eine ausgeprägte Tradierung. - Voraussetzung für diese Weitergabe von Informationen und Techniken sind nicht nur das nötige Wissen, sondern auch die entsprechenden geistigen Fähigkeiten. Der zur Entwicklung dieser Fähigkeiten notwendige spektakuläre Prozess ist zur Zeit des Homo erectus bereits seit 1,25 Mio. Jahren im Gange. Hatten die Australopithecinen noch ein Gehirnvolumen von 400 bis 500 Gramm, wies der Homo habilis bereits 500 bis 700 Gramm Gehirnmasse auf. Der Homo erectus, von dem hier die Rede ist, brachte es auf ein Gehirnvolumen von 800 bis 1.000 Gramm. – Eine Verdoppelung des Gehirnvolumens und der geistigen Kapazität innerhalb von nur 1,25 Mio. Jahren! [Der Mensch des 21. Jahrhunderts – also noch einmal 1,75 Mio. Jahre später - besitzt übrigens ein Hirnvolumen von etwa 1.800 Gramm] Außer beim Menschen ist eine derartige Entwicklung, ein proportional größeres Gehirn- als Körperwachstum, nur noch vom Delphin bekannt. Unser Homo erectus ist geistig bereits vergleichsweise hochstehend, auch wenn es bis zu einer explizit ausgebildeten Sprachfähigkeit noch gut 1,5 Mio. Jahre dauern wird. Er besitzt ein Ich-Bewusstsein und – eine wichtige Voraussetzung zur Kommunikation innerhalb eines sozialen Gefüges und um auf das Wissen einer anderen Person Einfluss zu nehmen – die Fähigkeit zur Mentalisierung.

Mentalisierung ist die Fähigkeit, das eigene Verhalten oder das Verhalten anderer Menschen durch Zuschreibung mentaler Zustände zu interpretieren. Hört sich kompliziert an, bedeutet aber lediglich auf das Verhalten des Gegenübers einzugehen, indem man die eigenen Vorstellungen auf dessen Überzeugungen, Gefühle, Einstellungen, Wünsche etc. überträgt, um an seinem Verhalten ablesen zu können, was in seinem Kopf vorgeht. Eine Fähigkeit die selbst bei hochintelligenten Menschen des 21. Jhdt. dazu führen kann, dass sie einer nervigen Stubenfliege eine böse Absicht unterstellen.

Der Homo erectus verfügt über ein Selbst-Bewusstsein und über ein Verständnis von seinen Möglichkeiten, seine physische und soziale Umgebung zu verändern. Die Entwicklung dieser Fähigkeit war ein höchst komplexer Vorgang, der sich im Laufe der Hominisation auf mehreren aufeinanderfolgenden Ebenen abgespielt hat:

Die körperliche Ebene: Er kann erkennen, welche Auswirkungen er auf die im Raum befindlichen Körper ausüben kann. Es kann Dinge als Urheber bewegen;

Die soziale Ebene: Der Interaktionsprozess zwischen ihm und seinen Bezugspersonen äußert sich in dem Verständnis, dass er Urheber sozialer Austauschprozesse sein kann;

Die teleologische Ebene: Das ist ein Verständnis davon, wie er durch verschiedene Möglichkeiten Ziele erreichen kann. Er kann über verschiedene Möglichkeiten, ein Ziel zu erreichen (z.B. zu einem Ort zu gelangen oder einen Gegenstand in die richtige Position zu bewegen), nachdenken. Hierbei handelt es sich um ein auf den physikalischen Raum beschränktes Selbstverständnis von Urheberschaft;

Die intentionale Ebene: Das ist ein Verständnis von Handlungen, welches bereits Intentionen als Urheber versteht. Hierbei werden sowohl eigene als auch fremde Intentionen erkannt.

Die repräsentationale Ebene: Das ist ein wichtiger Verstehensschritt der Urheberschaft. Der Homo erectus kann in seine Überlegungen miteinbeziehen, dass es ein Wissen über etwas gibt (z. B. Überzeugungen). Er kann sich selbst als Urheber mentaler Zustände verstehen. Das bedeutet auch, dass er in der Lage ist, zu verstehen, dass seine Zeitgenossen ein falsches Wissen über etwas haben können.

Hört sich auch wieder kompliziert an, ist es aber nicht: Es entspricht dies, mit Ausnahme der beim Homo erectus noch fehlenden komplexen Sprache, in etwa den Fähigkeiten eines dreijährigen Kindes aus dem 21. Jhdt.

Lesetipp dazu:

Fonagy, P., Gergely, G., Jurist, E., Target, M.

:

„Affektregulierung, Mentalisierung und die Entwicklung des Selbst“

, 4. Auflage ersch. 2011 bei Klett–Cotta, Stuttgart, ISBN: 978-3608943849

So sitzt unser Homo erectus bei Tag gelegentlich in der Savanne unter einem solitär stehenden Baum und macht sich ein Bild von seiner Umgebung; bei Nacht zieht er sich zurück an den Rand des Regenwaldes und schaut sich wundernd in den klaren Sternenhimmel der afrikanischen Nacht. Er beobachtet die Naturphänomene, das Wetter und den Wandel der Jahreszeiten, und er setzt sich mit allen diesen Erscheinungen auseinander.

Ausgehend von seinen handwerklichen Fähigkeiten und seinem Wissen, dass er in der Lage ist, seine Umgebung physisch zu verändern, entwickelt unser Homo erectus bei Auftreten von Naturphänomenen die Idee, dass auch alles um ihn herum von irgendjemandem physisch verändert wird. Da diese Veränderungen vergleichsweise groß sind, muss auch das Wesen, dass diese Veränderungen auslöst, vergleichsweise größer sein, als er selbst.

Da alles, was er selbst physisch verändert, einem planvollen Handeln entspricht, entwickelt unser Homo erectus bei den von ihm beobachteten Veränderungen in seiner Umgebung die Idee, dass diesen ebenfalls ein planvolles Handeln zugrunde liegt.

Und da sein eigenes planvolles Handeln zweckgerichtet ist, entsteht bei unserem Homo erectus die Idee, dass alles was um ihn herum geschieht ebenfalls einem bestimmten Zweck dient. Daraus stammt folgerichtig die Idee, dass alles um ihn herum für ihn gemacht wurde, dass alles Geschehen um ihn herum irgendwie auf ihn ausgerichtet ist.

Sicher zunächst nur vage, entsteht so die Idee, es könnte einen Gott geben – denn wer sonst sollte alles um unseren Homo erectus herum gemacht haben? Und zu welchem Zweck sollte all das da sein, wenn nicht für ihn, den Homo erectus.

Die Keimzelle von Religion ist entstanden. Es ist eine ganz und gar individuelle Idee eines je einzelnen Wesens, das sich als ins Sein geworfen erkennt. Und diese Ur-Idee von Religion ist auch ganz in Ordnung: Unser Homo erectus hat keine andere Erklärung für alles, was ihm erscheint, und (noch wichtiger!) er kommt nicht auf den Gedanken, Dritten diese Erklärung oktroyieren zu müssen.

Eine „frühkindliche“ Vorstellung wird zur Religion

Und wenn vielleicht auch nicht überlebensnotwendig, so ist die Fähigkeit zu mentalisieren zumindest notwendig, um nicht an seiner Existenz und der ständigen Gefahr in der er schwebt zu verzweifeln. – Immerhin ist er geistig weiter entwickelt als die Schimpansen im 21. Jhdt. Da fällt mir ein: Diese Fähigkeit ist doch Überlebensnotwendig, denn sie versetzt ihn in die Lage, sich bei Begegnungen, die sicher nicht immer friedlicher Natur sind, in sein Gegenüber hineinzuversetzen und üble Absichten bereits im Ansatz zu erkennen.

Springen wir ins 630. Jahrhundert vor der Zeitenwende: Wir schreiben das Jahr -62.987. Die Sprachentwicklung ist bereits fortgeschritten und es dürfte bereits ein reger Ideen-Austausch unter den Exemplaren der vergleichsweise noch jungen Art des Homo sapiens stattfinden. Wir sind jetzt in der Zeit, ab der der Schöpfungsmythos, so wie er in den jüdischen Religionsschriften fixiert ist, überliefert wird. Dabei entsprechen die Erzählungen ganz und gar der Vorstellungswelt der frühen Menschen. Zu dieser Vorstellungswelt gehört auch der bis heute existierende Anthropozentrismus:

Der Mensch ist das Wesen, welches einzig handwerklich gefertigt wurde. Während alles andere Seiende auf das Wort „es werde“ hin entstand, wurde der Mensch von der Hand des Schöpferwesens aus Lehm geformt und durch den Atem dieses Wesens belebt. Was uns im 21. Jhdt. lächerlich erscheinen wird, ist für den Homo sapiens vor etwa 65.000 Jahren die ausschließlich mögliche Erklärung für die Existenz alles Seienden und für die Einzigartigkeit des Homo sapiens unter allen ihm bekannten Geschöpfen.

Gerade jetzt beginnt auch die Ausbreitung des Homo Sapiens über den Nahen Osten und weiter über die Kontinente. Ursache für diese erste Auswanderungswelle dürfte die Tatsache sein, dass das Leben im Ursprungsland nicht mehr paradiesisch ist: Kein Lebewesen verlässt seine angestammte Region, solange es dort einen ausreichend großen, Ernährung und Fortpflanzung sichernden Lebensraum findet. Dieses Verlassen der Heimat prägt sich in das Gedächtnis ein und wird von Generation zu Generation überliefert – ein Ereignis, welches noch zigtausende Jahre später als „Vertreibung aus dem Paradies“ bekannt ist. Ein eigentlicher religiöser Kult wird noch nicht überliefert, Grablegungen und Grabbeigaben legen aber nahe, dass bereits seit etwa 50.000 Jahren Jenseitsvorstellungen und die Idee von einem Weiterleben nach dem Tode existieren. Derartige Ideen sind naheliegend, da für den frühen Menschen [nur um eine zeitliche Einordnung zu ermöglichen: Es wird noch mehr als 50.000 Jahre (!) dauern, bis der später als Gletschermumie „Ötzi“ bekannte Mensch seinen letzten Marsch über die Alpen antritt] das Wissen um die Endlichkeit seines Lebens anders kaum erträglich ist. So ist auch die Entstehung der vielen Ahnenkulte auf der Welt, die sich noch bis in die Sepulkralkultur des 20. Jhdt. im aufgeklärten Deutschland halten werden, erklärlich [die Vorstellung, dass Oma und Opa, Mutter und Vater aus dem Jenseits ein Auge auf die Nachkommen haben, wird auch in christlichen Konfessionen unausrottbar sein].

Machen wir einen weiteren Zeitsprung von etwa 30.000 Jahren. Es ist die Zeit des Cro-Magnon-Menschen, einer europäischen Rasse des Homo sapiens, der die Höhlenmalereien von Lascaux anfertigt. Die angeborene Sprachfähigkeit als Conditio humana schlechthin, ist voll ausgebildet. Im Nahen Osten, von wo der Cro-Magnon-Mensch ausgewandert ist, siedelt der Homo sapiens bereits seit gut 50.000 Jahren, aber erst jetzt entstehen künstlerische Skulpturen, Malereien und Musikinstrumente, die die Existenz eines ausgebildeten religiösen Kultes nahelegen, wenn auch die Bedeutung der später gefunden Artefakte im 21. Jhdt. vollkommen unklar ist. Naheliegend ist allerdings der Gedanke, dass jeglicher Kult auf Mythen beruht, die seit der Urzeit der Vorfahren des Homo sapiens in den Köpfen existieren, und klar ist, dass dem Numinosen jetzt Name und Gestalt verliehen werden, je unterschiedlich nach dem sich entwickelnden Kulturkreis.

Hier ein kleiner Einschub: Die Entwicklung der Hominiden der Gattung Homo zur Art des Homo sapiens könnte auch in einer anderen Abfolge der Arten abgelaufen sein. Es werden derzeit mehrere Modelle diskutiert. Aber in welcher Artenabfolge die Entwicklung auch vonstattengegangen sein mag, für den vorliegenden kurzen Gedankenspaziergang durch das Werden des Menschen ist nur eines wichtig, und darüber sind sich die Paläoanthropologen einig: Die Idee von einem Überwesen ist tatsächlich so entstanden, wie sie hier beschrieben wurde, und die Kulte, die in den einzelnen Sippen durchaus unterschiedlich praktiziert werden, beruhen auf den gleichen Mythen, die auf den globalen Besiedelungszügen mitgenommen wurden. Nur so ist es auch zu erklären, dass alle bekannten Religionen auf der Welt einen vergleichbaren Kern haben.

Lesetipps dazu:

Martin Urban

:

„Warum der Mensch glaubt – von der Suche nach dem Sinn“

, 4. Aufl. ersch. März 2006 bei Eichborn-Verlag, Berlin, ISBN: 978-3821807614

Jesse Bering

:

„Die Erfindung Gottes“

, ersch. 2011 bei Piper-Verlag München, ISBN: 978-3492053280

Zurück zu unserer kleinen Zeitreise: Von jetzt an schreitet die kulturelle Entwicklung rasch voran. Zur Organisation einer Sippe gehört die Arbeitsteilung, in der Zeit wird auch die in den meisten Religionen verbreitete Idee, dass nicht ein Gott alles alleine macht, sondern dass vielmehr eine Reihe Götter sich die Arbeit teilen, entstehen. Eine polytheistische Idee die sich auch in den scheinbar monotheistischen abrahamitischen Religionen des 21. Jhdt. wiederfinden wird – dort heißt man die Götter in den verschiedenen Rangstufen allerdings „Engel“ und „Teufel/Dämonen“ in verschiedenen Rangstufen; ein prinzipieller Unterschied z.B. zum Pantheon der Griechen oder der Hindu ist aber nicht zu entdecken.

Doch wird es noch eine Weile dauern, bis die ersten Religionen klar erkennbar sind. Sie haben noch gut und gerne 25.000 Jahre Zeit, sich zu entwickeln. Eine Zeit innerhalb derer kluge Menschen verstanden haben, dass sie enormen Einfluss auf ihre Artgenossen ausüben können, wenn sie behaupten, Kontakt zu den Göttern zu haben; dass sie jederzeit ihren eigenen Willen durchsetzen können, indem sie behaupten, es handele sich dabei um den Willen der Götter. Eine Methode, die sich über die nächsten tausenden Jahre fortsetzen wird.

Erst vor 8.000 Jahren wurde es konkret

Werfen wir einen Blick auf die für die Religionen im späteren Mitteleuropa bedeutsame Region im südlichen Mesopotamien, ins Land der Sumerer im Jahr -6.013. Der Wassereinbruch in das Schwarzmeerbecken der als Sintflut in die Mythologien eingegangen ist, liegt rund 1.500 Jahre zurück. Im Zweistromland sind die ersten Siedlungen entstanden, Eridu z.B. oder Uruk und Hamoukar, die sich im Laufe der nächsten 2.000 Jahre zu regelrechten Metropolen entwickeln werden. Gleichzeitig entwickelt sich hier die älteste der semitischen Religionen, die sumerische Religion Mesopotamiens. Eine Religion, die ursprünglich deutlichen Astralcharakter aufweist, auch uralte Schöpfungsideen beinhaltet, sowie neu den Inanna-Mythos einführt; eine Religion die auch die auch die erst später entstehende Religion der Kanaaniter beeinflussen wird und aus der sogar noch die im 1. Jhdt. nach der Zeitenwende entstehende Religion der Christen Elemente entlehnen wird. Hier ein paar Elemente, die später auch in der Bibel auftauchen werden:

Erschaffung der Menschheit,

Wege der Erschaffung (durch das Wort und durch Herstellung),

das Turmbau zu Babel-Motiv,

die Sintflut und die Arche Noah,

die Auferstehung der Inanna (Drei Tage im Totenreich, danach Wiederauferstehung),

das Vertreibungsmotiv aus dem Paradies

Wir sehen, dass sich zumindest die Mythen um die Erschaffung der Menschheit und die Vertreibung aus dem Paradies seit hunderttausenden von Jahren erhalten haben, überliefert aus Urzeiten, über den archaischen Homo sapiens bis hin zu den „modernen“ Metropolen des Zweistromlandes.

Auch Adam und Eva sind keine von den Redaktoren der Bibel erfundenen Figuren, sondern sie stammen aus einem etwa um etwa 1.300 Jahre vor der Zeitenwende entstandenen Mythos. Damit sind sie mindestens 800 Jahre älter als die entsprechenden Bibeltexte, die noch im 4. Jhdt. vor der Zeitenwende in der uns bekannten Lesart redigiert worden sind. Die Legende wurde auf 1929 in Syrien gefundenen ugaritischen Tontafeln entdeckt, die in den 1970er Jahre teilweise entziffert worden sind. Vor drei Jahren haben Marjo Korpel und Johannes de Moor von der Protestantischen Theologischen Universität von Amsterdam sie aus der semitischen Sprache Ugaritisch neu übersetzt und erstmals im Zusammenhang interpretiert:

In dem in Keilschrift aufgeschriebenen Text auf den Tafeln wird Adam als Gott dargestellt, der mit einem „bösen Gott“ kämpft. Dieser Teufel vermummt sich als Schlange, vergiftet den „Baum des Lebens“ und macht Adam mit einem Biss zu einem sterblichen Wesen. Die Sonnengöttin tröstet Adam und die Menschheit jedoch mit Eva, einer „guten Frau“. Durch natürliche Fortpflanzung erhalte die Menschheit, so die Forscher, doch eine Art Unsterblichkeit. In dieser Urversion trägt Eva keinerlei Schuld.

Lesetipp dazu:

Marjo C. A. Korpel , Johannes C. De Moor

:

„Adam, Eve, and the Devil: A New Beginning“

2. erw. Auflage ersch. 2015 bei Sheffield Phoenix, Sheffield (U.K.), ISBN: 978-1909697898

Das Sintflutmotiv, und ein vergleichsweise „frisches“ Motiv, der Turmbau zu Babel, sind neu hinzugekommen. Bei dem Turm handelt es sich mit ziemlicher Sicherheit um eine Zikkurat in Babylon, die Sargon von Akkad etwa im Jahr -2.300 samt der Stadt Babylon vernichten lässt.

Bleiben wir kurz im Jahr -2.300… Etwa um diese Zeit sollte den in den biblischen Erzählungen erwähnten historischen Verhältnissen zufolge auch Abraham existieren. Eindeutige Rückschlüsse auf den zeitgeschichtlichen Hintergrund der Abraham-Erzählungen sind aber nicht möglich. Auch deshalb nicht, weil diese Erzählungen einige Anachronismen enthalten. Außerhalb der Bibel taucht Abraham zu keinem Zeitpunkt auf, was erstaunlich ist, da die Bibel ansonsten ausschließlich uralte Mythen und Legenden aufgreift, die in keinerlei Zusammenhang mit dem Volk stehen, für das die Bibel zusammengestellt wurde.

Bei der Figur des Abraham handelt es sich lediglich um eine Romanfigur, die notwendig wird, um von alters her überlieferte Mythen und Legenden in die erfundene Geschichte eines Volkes ohne eigenen Stammbaum einzubinden. Abraham hat niemals existiert! Und ebenso verhält es sich mit seinen in der Bibel überlieferten Nachkommen Isaak, Jakob, Esau… Mit einiger Wahrscheinlichkeit entstammen diese Figuren verschiedenen Erzählsträngen, die zu einer Saga zusammengeflochten wurden.

Lesetipp dazu:

Israel Finkelstein, Neil A. Silbermann

:

„Keine Posaunen vor Jericho“

erschienen 2004 bei DTV, München, ISBN: 978-3423341516

Ein weiterer kleiner Zeitsprung von etwa 800 Jahren in die Mitte des 2. Jahrtausends v.Z. – diese Epoche wird man später „mittlere Bronzezeit“ nennen, und es ist nur noch eine kleine Spanne bis zum Beginn der Eisenzeit:

Die Phönizier, wie die Angehörigen der in Stadtstaaten östlich des Mittelmeeres an der Küste und im Binnenland Kanaans siedelnden semitischen Großclans von den Griechen genannt werden, erhalten Besuch. Allerdings nicht so, wie es die biblische Erzählung von der Landnahme Kanaans nahelegt. Tatsächlich verhält es sich vielmehr so, dass langsam und allmählich immer mehr Angehörige der untersten Bevölkerungsschichten zerfallender Stadtstaaten, also Banditen, Söldner, entlaufene Lohn- und Schuldsklaven, ins kanaanitische Bergland einsickern und sich mit den dort bereits lebenden Hirtenstämmen vermischen. Dazu kommen sicher auch kleinere Trupps von Sklaven, die zu den Tributsklaven gehörten, die von Ägypten bei früheren siegreichen Feldzügen gegen östliche bzw. semitische Nomaden gefangen genommen wurden. Alles in allem ein Völkergemisch aus Hebräern (wobei mit Hebräern verschiedene Menschengruppen bezeichnet werden, die außerhalb der Gesellschaftsordnung stehen – die Bezeichnung „Hebräer“ ist also durchaus abwertend zu verstehen), kanaanitischen Bergnomaden und sogenannten Fremden, die vorwiegend aus ägyptischer Sklaverei entflohen sind. Ein Gemisch aber auch an unterschiedlichen Religionen, Kulten, Riten…

Lesetipp dazu:

Manfred Weippert

:

„Die Landnahme der israelitischen Stämme in der neueren wissenschaftlichen Diskussion“

, ersch. 1967 bei Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, ASIN: B002MS5TPE

Diesem Gemisch gilt es, eine Identität zu geben und sich gleichzeitig von den es umgebenden Kanaanitern/Phöniziern und dem dortigen Baalskult abzugrenzen. Hier kommt dann vielleicht auch Moses ins Spiel. Die neuere Forschung betrachtet Moses als Gesetzgeber oder Reformator in deuteronomistischer Zeit, das ist die Zeit Joschijas (Josias), dem König des Südreiches (Juda) in der Zeit von -640 bis -609…, der bei der Angleichung des Pentateuch in den Erzählbogen vom Exodus bis zur Landnahme mit aufgenommen wurde.

Es gibt also vielleicht(!) einen historischen Moses, der aber nach übereinstimmender Auffassung der Wissenschaft keinen Bezug zu den im Pentateuch überlieferten Ereignissen hat.

Wenn ich hier von einer „Angleichung in den Erzählbogen“ spreche, ist das vielleicht die Untertreibung des Jahrhunderts. In Wahrheit hat sich ab Joschijas Zeit das Gesicht der jüdischen Überlieferungen komplett gewandelt. Und das fängt damit an, dass ein Teil der JHWH-Priesterschaft unbedingt ihren Gott als „den Einen“ alleinigen und wahren Gott etablieren will, was ihnen aber nur mit dem Nachweis, dass kein Gott mächtiger sei als JHWH, gelingen kann. - Nur ist es eben schwierig, nicht vorhandene Götter gegeneinander in einem Wettkampf antreten zu lassen, in der Realität jedenfalls. Und deshalb bedienen sich diese Priester der Fiktion: Sie ändern schrittweise die Überlieferungen und stellen die Geschichte so dar, als ob…

Zunächst zaubern sie eine angeblich von Mose selbst verfasste Schrift aus dem Hut (angeblich wurde sie bei Bauarbeiten im Tempel gefunden), in der alle Gesetze und Vereinbarungen aufgeschrieben sind, zu denen sich das Volk Israel angeblich gegenüber JHWH verpflichtet hat, und legen sie ihrem König Joschija vor. Die Gesetzesschrift ist uns heute als Teil des Pentateuchs, als das Deuteronium (5. Buch Mose), bekannt; sie fordert im Kern das „Schma Jisrael“, also die ausschließliche Verehrung des JHWH, sowie die Zentralisation des JHWH-Kultes am Tempel in Jerusalem.

Den König rumzukriegen, ist nicht schwer, immerhin ist er gerade mal acht Jahre alt, als er die Regierung übernimmt. Höchst beeindruckt macht sich Joschija also an die nach ihm benannte Kulturreform, setzt die Forderungen der JHWH-Monotheisten, wir sprechen heute von den Deuteronomisten, um und wird von den „Bibel“-Redaktoren zum Dank zu einem der größten Könige Israels hochstilisiert, einem König mit höchst beeindruckenden Leistungen und Siegen…

Alles heiße Luft! Und nur 12 Jahre nach Joschijas Tod fällt das Königreich Juda samt Jerusalem in die Hände Nebukadnezars. Es beginnt die babylonische Gefangenschaft, in der die Deuteronomisten so richtig zur Hochform auflaufen.

Eigentlich war ihr Gott ja gescheitert: Juda war in die Hände des Feindes gefallen und folglich war der Gott des Feindes mächtiger, als der eigene. – Mit einem Federstrich machen die Deuteronomisten die Niederlage zu einem Sieg: Babylon wird zum Werkzeug in der Hand JHWHs erhoben, und es wurde zur Bestrafung des Volkes Israel benutzt, weil sich die Juden ihrem Gott nicht völlig unterworfen haben.

Und dann geht es erst richtig los: Die Priester machen ihren Gott zu einem blutrünstigen Monster, das während der gesamten Geschichte der Menschheit bis heute nicht übertroffen werden wird. Ihnen ist es zu verdanken, dass die Bibel als ethisch höchst bedenkliche, inhumane und unmoralische Schrift gelten muss. – Und wenn heute westliche Länder einen Gottesbezug in ihrer Verfassung haben oder in ihre Verfassung aufnehmen wollen, sollten sie sich vor Augen halten, dass sie damit Fremdenhass mit Mord, Brand und Vergewaltigung, sowie perversen Lustmord-Phantasien das Wort reden. – Ich kann jedem, der dazu aufruft, die Bibel zur Richtschnur seines Handelns zu machen, und jedem, der die Bibel in allen Teilen für das zu befolgende Wort Gottes hält, nur raten, sich den jüngsten Band der Kubitza-Trilogie (siehe nachstehende Lesetipps) zu Gemüte zu führen.

Lesetipps dazu:

Martin Noth: „

Geschichte Israels“

, 10. Aufl. ersch. 1986 bei Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, ISBN: 978-3525521205

Herbert Donner:

„Geschichte des Volkes Israel und seiner Nachbarn in Grundzügen“

(Grundrisse zum Alten Testament, Bd.4/1), 4. Aufl. ersch. 2007 bei Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, ISBN: 978-3525516799

Heinz-Werner Kubitza:

„Der Glaubenswahn“

, ersch. 2017 bei Tectum-Verlag, Marburg, ISBN: 978-3828838499

Wir müssen konstatieren, dass die in der Bibel überlieferten Ereignisse während des sog. Exodus niemals stattgefunden haben. Und damit ist auch der Bundesschluss am Sinai reine Fiktion, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs war nie der Gott eines Bundes – weder mit Noah, noch mit Abraham, und erst recht nicht mit dem Volk Israel… Übrigens war sein ursprünglicher Name auch keinesfalls JHWH! Was uns als Name überliefert ist, war vielmehr der mutmaßlich ursprüngliche Herkunftsort dieses Gottes:

Er kam vom Land der Schasu-Nomaden von Jahwe, wie ägyptische Quellen und eine der ältesten Schriften der Bibel überhaupt, das sog. Deborahlied aus dem Buch der Richter (Richter 5, 4 ff), nahelegen. Der frühere Wirkungskreis dieses Gottes war demnach im edomitischen Bergland im südl. Jordanien. – Das bestätigen auch 5. Mose 33, 2 und Habakuk 3, 3… Einige Textelemente legen nahe, dass es sich wohl ursprünglich um einen Wettergott gehandelt hat, wobei im alten Orient eine enge Verbindung zwischen Wetter- und Kriegsgottheiten bestehen. In der Gottes-Bezeichnung „Herr der Heerscharen“ wird das noch deutlich!

Und um auf seinen ursprünglichen Namen zurückzukommen: Der dürfte sich im Namen des Volkes Israel, also Isra-El wiederspiegeln, der sinngemäß „El streitet“ bedeutet. Wäre der Gottesname von Beginn an Jahwe gewesen, hätte das Volk den Namen „Isra-Jahwe“ tragen müssen.

Und El war auch lediglich einer der von Israel verehrten Götter. In Jerusalem wurden wohl der Stadtgott Schalim und der Gerechtigkeitsgott Zedek verehrt. – El wurde möglicherweise in seiner Eigenschaft als Kriegsgott von dem späteren König David (um 1000 und dessen Mannen verehrt und wurde so zum Hauptgott und es kam zur Namensanpassung zu JAHWE.

Zum Kraft königlichen Dekrets „einzigen Gott des Staates Juda“ wurde JHWH den biblischen Überlieferungen zufolge erst ca. 720 v.Z. unter König Ezechia (= Hiskija oder auch Hiskia) – Das Königreich Davids war zu diesem Zeitpunkt längst wieder in die beiden Königreiche Israel im Norden und Juda im Süden zerfallen. Die Streitkräfte des Staates Assur (die Assyrer)hatten Israel unterworfen und standen nun vor den Toren der judäischen Hauptstadt Jerusalem. Bis dahin handelt es sich bei den Überlieferungen in Jesaja 36 um einen durch archäologische Funde untermauerten Fakt.

Hosea, Prophet des JHWH im Assur unterlegenen Südreich erklärte die in Israel unterbliebene Hilfe JHWHs mit Strafe für die Vielgötterei, und Jesaja, Prophet des JHWH in Juda, sicherte König Hiskia JHWHs Beistand zu. Der König versprach auch prompt, die Verehrung der anderen Götter zu unterbinden, und JHWH sandte einen Engel, der in einer einzigen Nacht 185.000 Soldaten Assurs totschlug. Juda war gerettet. – Naja…

Fakt ist, dass die Eroberung Jerusalems unterblieb, und dass die Assyrer abzogen. – Tatsächlicher Grund für den Truppenabzug dürfte eine unter den Soldaten ausgebrochene Seuche sein. Das würde auch zu einem Bericht Herodots passen, der eine Mäuseplage für das Sterben der Soldaten verantwortlich machte.

Nachweisbar ist auf jeden Fall eine von Hiskia durchgeführte Kultreform, mit der die alleinige Verehrung JHWHs angeordnet wurde, der Jerusalemer Tempel war allein dem JHWH-Kult vorbehalten. Anekdote am Rande: JHWH, der in der Bibel El als Ehemann der Aschera beerbt hatte, wurde bei dieser Kultreform auf Betreiben Hoseas und dessen Schülern von seiner Frau geschieden… - Siehe Hosea 2, 4.

Manasse, der Sohn und Nachfolger Hiskias hob die Reform, mit der die alleinige Verehrung JHWHs in den Mittelpunkt angeordnet worden war, wieder auf und der Polytheismus blieb bis zur babylonischen Gefangenschaft erhalten. Erst nach der Rückkehr aus dem babylonischen Exil (539 v.Z.) wurde in Israel tatsächlich ein Monotheismus ausgebildet!

Lesetipps dazu:

Michael Tilly, Wolfgang Zwickel: „

Religionsgeschichte Israels – von der Vorzeit bis zum Christentum“

, 2. Aufl. ersch. 2015 bei WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt, ISBN: 978-3534257188

Israel Finkelstein, Neil A. Silbermann: „

David und Salomo: Archäologen entschlüsseln einen Mythos“

, ersch. 2006 bei Beck, München, ISBN: 9783406546761

Zurück in medias res: Der Gott Abrahams ist erfunden und mit ihm ist das Volk Israel geboren. Und innerhalb der nächsten 500 Jahre werden ab der Entstehung der hebräischen Schrift (ca. -1.200) diese mündlich überlieferten Sagenkränze, ätiologischen Erzählungen und Herkunftssagen zu einem Schrift- und Gesetzeswerk ausgearbeitet, das die folgende, vergleichsweise kurze Spanne bis zum 21. Jhdt. überdauern wird und die Geschicke ganzer Völker beeinflusst.

Ich möchte hier nicht auf die spannende aber sehr umfangreiche Geschichte dieses Schriftwerks, des Pentateuch, auch bekannt als die „fünf Bücher Mose“, eingehen. Die tatsächliche Autorenschaft dieser für das sog. Volk Israel identitätsstiftenden Schriften, lässt sich heute nicht mehr eruieren. Dass aber nicht Moses der Verfasser war, ist seit Rabbi Abraham Ibn Esra im 12. Jhdt. n.Z. bekannt. Seitdem wurde ständig geforscht, und es kamen immer mehr Einzelheiten über die Redaktion dieser Schriften ans Licht. Detaillierte Informationen über die Entstehung des (später so genannten) Alten Testaments und über die tatsächliche Geschichte Israels finden sich bei Prof. Friedman:

Richard Elliot Friedman

: „

Wer schrieb die Bibel“

, dt. Ausgabe ersch. 2007 bei Anaconda-Verlag, Köln, ISBN: 978-3866471443

Ein Teil dieser Informationen ist aber in den nächsten Abschnitt eingeflossen. Statt allgemein über Geschichte zu reden, möchte ich an dieser Stelle zum ersten Mal konkret auf einen Kernpunkt des sog. Alten Testaments eingehen und dabei auch die Bezüge in unsere Zeit aufgreifen. (Wir verlassen also an dieser Stelle zunächst die Chronologie der Geschichte)

Der Dekalog - die 10 Gebote sind nicht göttlichen Ursprungs

Eigentlich sind es ja 12 Gebote, also ein Dodekalog, die im 2. Buch Mose, dem Buch Exodus (Kap. 20, 2-17), und im 5. Buch Mose, dem Deuteronomium (Kap. 5, 6–21), in zwei leicht voneinander abweichenden Fassungen eine Reihe von vorgeblich göttlichen Ge- und Verboten für das Volk der Israeliten festlegen.

Über die Anhänger des Juden Jeschus von Nazareth wurden sie Teil der Lehre des Christentums, bei dem sie nicht nur die Kirchengeschichte mitprägten, sondern auch Bedeutung für die Kulturgeschichte Europas erlangten. - Im Judentum und Christentum nehmen sie einen zentralen Rang für die theologische Ethik ein, und auch in der heiligen Schrift des Islam, der dritten abrahamitischen Religion, dem Koran (Sure 17,22–39), gibt es eine Reihe von 10 Anordnungen die sich an die 10 Gebote anlehnen. Wie im Alten und Neuen Testament finden sich im Koran auch sonst Anklänge an den Dekalog.

Den biblischen Überlieferungen zufolge hat Jahwe, der Gott der Juden, dem Volk Israel, vertreten durch dessen Führer Moses, diese Gebote persönlich übermittelt und auf Steintafeln fixiert. Dementsprechend sind sie als direkte Rede Gottes formuliert. Der Ort der Gesetzgebung soll auf dem 2.285 m hohen Berg Sinai, der sich auf der gleichnamigen Halbinsel erhebt, gewesen sein. Der Zeitpunkt war während des sogenannten Auszugs des Volkes Israel aus Ägypten; um genau zu sein, „am ersten Tag des dritten Monats nach dem Auszug der Israeliten aus Ägyptenland“, so beginnt nämlich das 19. Kapitel des 2. Mose-Buches.

Diese wenigen Informationen zeigen bereits, ohne im Detail auf die nicht vorhandene Historie einzugehen, dass diese göttliche Gesetzgebung niemals stattgefunden haben kann:

Die jüdischen Überlieferungen über die Urväter sind lediglich übernommene Mythen; ein 400-jähriger Aufenthalt eines fremden Volkes in Ägypten ist nicht nachweisbar; Moses ist historisch nicht nachweisbar; die schnelle Flucht von ca. 2,5 Mio. Israeliten (zum Vergleich: Der jetzige Staat Israel hat gerade einmal 8 Mio. Einwohner!) in einer Nacht kann niemals stattgefunden haben:

2. Mose 12, 37 spricht von 600.000 Mann zu Fuß ohne die Frauen und Kinder: – Wenn jeder Mann lediglich eine Frau und 2 Kinder hatte, waren allein das 2,4 Mio. Israeliten. Dazu kamen lt. Vers 38 noch viel fremdes Volk sowie Schafe und Rinder, sehr viel Vieh. – Dieser Exodus zog lt. 2. Mose 13, 18 „wohlgeordnet“ aus Ägypten. Selbst bei 10er-Rotten in militärisch präziser Ausrichtung dürfte es sich um eine Marschkolonne von gut und gerne 300 km Länge gehandelt haben. Das würde übertragen auf heutige Verhältnisse bedeuten, dass die Autobahn zwischen Frankfurt/Main und Ulm komplett mit Menschen und Vieh verstopft wäre.

Bei einer angenommen Geschwindigkeit von 4,2 km/h und gleichzeitigem Abmarsch, würde die letzte Rotte ohne Pausen und Nachtruhe ca. 72 Stunden (= 3x24 Std.!) benötigen, um den Punkt zu erreichen, an dem die Kolonnenspitze abmarschiert ist.

Ein absolutes Unding! Ein paar weitere Indizien gegen die Exodus-Überlieferungen: Die ägyptische Wirtschaft wäre kollabiert; es ist ausgeschlossen, dass der Marsch von Ägypten nach Kanaan, der leicht innerhalb von 10 Wochen zu bewältigen gewesen wäre, 40 Jahre gedauert hat; das irrend durchwanderte Territorium ist so klein, dass sich die Kolonne mehrmals selbst hätte begegnen müssen; … - die Liste der Unmöglichkeiten ließe sich fortsetzen. Unterm Strich bleibt ein einziger logischer Schluss: Die Überlieferungen von Exodus und Gesetzgebung sind Märchen!

Weiter im Text: Der Dekalog besteht leicht erkennbar aus einem Teil mit religiösen Anordnungen und einem Teil mit Sozialregeln, die beiden Teile sind nach übereinstimmender Meinung der Religionsforscher und Bibelwissenschaftler getrennt voneinander entstanden. Die ersten drei Gebote, also die religiösen Anordnungen wurden ziemlich sicher erst ab dem Babylonischen Exil (-586 bis -539) vor eine schon bestehende Verbotsreihe aus nomadischer Zeit gestellt.

Diese bereits bestehende Reihe von Sozialgeboten ist wesentlich älter und dürfte wie die Urväter-Überlieferungen bereits aus der Zeit der frühen vedischen Religion stammen, die nach Einwanderung der arischer (indogermanischer) Stämme nach Nordindien (ca. 2.000 v.Z. zum Ende der Induskultur) den frühen Hinduismus gebildet haben, dessen spätere Ausformung auch die antiken griechischen Philosophen beeinflusst hat.

Lesetipps dazu:

Lothar Perlitt:

„Bundestheologie im Alten Testament“

, ersch. 1969 im Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn, ISBN 3788700025

Vgl.

Jan Gonda:

„Die Religionen Indiens I, Veda und älterer Hinduismus“

(in: Die Religionen der Menschheit - Band 12., 2. Auflage; Hrsg.: Christel Matthias Schröder. Band 12. 2. Auflage) ersch. 1978 bei Kohlhammer-Verlag, Stuttgart, ASIN: B007EPF5OK