N A K ?? - Was ist das? - Franz-Christian Schlangen - E-Book

N A K ?? - Was ist das? E-Book

Franz-Christian Schlangen

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Beschreibung

N A K - Neuapostolische Kirche, fast jeder hat schon einmal ein Gebäude mit entsprechender Aufschrift gesehen. Und obwohl die Mitgliederzahlen der Neuapostolischen Kirchen in den letzten Jahren rapide sinken, kennt fast jeder ein oder mehrere Mitglied/er dieser Gemeinschaft. Aber kaum jemand weiß, was wirklich hinter der heute glatten Fassade der sich ökumenetauglich gebenden religiösen Gruppierung steckt. Und wenn man überhaupt etwas zu wissen meint, dann sind es häufig überkommene (und zum großen Teil auch überwundene) Vorstellungen, oder solche, wie sie heute von den NAKn falsch verbreitet werden. Der Autor, früher selbst langjähriges NAK-Mitglied, wirft einen nüchternen Blick auf Geschichte und Entwicklung des Neuapostolizismus und prüft, was an den von den Neuapostolischen Kirchen (es gibt tatsächlich mehrere - das ist einer der für Außenstehende überraschenden Befunde) den Tatsachen entspricht. NAK - was ist das? ist ein "Must Have" für jeden, der sachlich-neutrale Informationen über diese immer noch nicht ganz durchschaubare Glaubensgemeinschaft haben möchte, die ihre Vergangenheit zwar hinter sich lassen möchte, aber nichts tut, um sie ehrlich aufzuarbeiten

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Seitenzahl: 282

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Meiner Liebsten, die mir trotz ihrer Berufstätigkeit während der langen Zeit des Recherchierens und Schreibens nicht nur den Rücken freigehalten, sondern auch unschätzbare Zuarbeit geleistet hat

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Mein Weg in die Freiheit

Ein paar allgemeine Vorbemerkungen zur NAK

Die NAK-Methode der Geschichtsaufarbeitung

Das Jahrhundert der Erweckungsbewegungen

Gründungsmythen der Neuapostolischen Kirche

Die „katholisch apostolischen Gemeinden“ (KAG)

Die KAG steuert in Krise und Schisma

AcaM und Apostolisch Zending

Apostolisch Zending und NAK

Die NAK unter Krebs und Niehaus

Die NAK und das Dritte Reich

Bischoff und die Botschaftszeit

Der StAp ist tot, es lebe der StAp

Ein kleiner bescheidener Mann?

Die Schweizer Ära

Retrokurs ab 2005

Zwei Affären unter Dr. Leber

Das postfaktische NAK-Zeitalter

Die NAK und die Ökumene

Bildnachweise

Vorwort

Ich bin Geburtsjahrgang 1951, und damit gehöre ich einer privilegierten Generation an. In doppelter Hinsicht. Einmal gehöre ich zu der Generation Menschen, innerhalb deren Existenz sich das Wissen der Menschheit in immer kürzeren Intervallen verdoppelt, aktuell innerhalb von etwa 7-8 Jahren. Zum anderen gehöre ich zu der Generation Menschen, der Dank immer fortschrittlicherer Informationstechnik dieses gesamte Wissen auch tatsächlich zur Verfügung steht – denjenigen innerhalb unserer Generation, die das das auch wollen, jedenfalls.

Noch meine Elterngeneration hatte kaum eine Möglichkeit, an über das eigene Fachgebiet hinausgehendem Wissen teilzuhaben. Und schon gar war es nahezu unmöglich, sich Faktenwissen über religiöse Themen anzueignen. Alles was Menschen zu wissen meinen konnten, war dasjenige Material, welches die Religionsgemeinschaften nicht auf den Index für glaubensgefährdende Schriften setzen ließen. Für die abrahamitischen Religionen hat sich dabei die vatikanische Inquisitionsbehörde, heute nennt sie sich „Kongregation für die Glaubenslehre“, besondere „Verdienste“ erworben.

Religionskritische Schriften, die den Lehren der Juden, Christen und Muslime entlarvende Fakten gegenüberstellen, sie als unwahre Tatsachenbehauptungen entlarven, gibt es schon seit Jahrhunderten – aber sie wurden (und zum Teil werden sie es noch) unter Verschluss gehalten, der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht. – Profitiert haben davon alle abrahamitischen Religionen und deren jeweilige Konfessionen, die im Prinzip jede x-beliebige Behauptung als Wahrheit verkaufen konnten.

In meiner Generation hat sich zumindest bei uns in Mitteleuropa einiges geändert. Vor allem wird die Gesellschaft immer säkularer, und die Religionsgemeinschaften haben nicht mehr die Macht, geschaffenes Wissen zu unterdrücken. Aber natürlich werden auch immer mehr wissenschaftliche Fakten bekannt, die die Kirchenlehren ad absurdum führen und die Predigten der Kirchenmänner als reine Scharlatanerie entlarven.

Und wenn ich Scharlatanerie schreibe, meine ich das auch genauso! Ich weiß, wovon ich rede, denn ich stamme aus einer fundamentalchristlichen Familie puritanisch/pietistischer Prägung. Als Kind und im frühen Jugendalter war ich das, was man einen gläubigen Christen nennt. Die mir vermittelte Religionslehre war – abgesehen von den Sonderlehren der sog. Neuapostolischen Kirche (NAK), also meiner Glaubensgemeinschaft, von der in diesem Buch die Rede ist – allgemeiner gesellschaftlicher Konsens.

Entsprechend habe ich sie auch nicht hinterfragt. Alles was mir von Dritten, zuvorderst von meiner Mutter, aber eben auch von Lehrern in der Schule, über Gott, die Schöpfung, die Erbsünde, Jesus Christus und die Apostel erzählt wurde, klang ja auch ganz schlüssig und folgerichtig. Deshalb habe ich das, was mir erzählt wurde, für wahr gehalten. Dass dieses „Glauben von Aussagen Dritter“ nichts mit „Glaube“ im Kontext religiöser Überzeugungen zu tun hat, war mir noch nicht klar. – Ist es den meisten Gläubigen auch heute nicht. Aber es ist eine Tatsache, dass sie lediglich das für wahr halten, was ihnen von Dritten erzählt wird.

Alte Regel: Wer nichts weiß, muss Allen alles glauben!

Dieser Kinderglaube begann erst zu bröckeln, als ich anfing, Inhalte zu hinterfragen. Bereits im Jugendalter hat sich bei mir das abgespielt, was in der Judäo-Christlichen Tradition „die Versuchung im Paradies“ genannt wird. Ich habe „Sollte wohl…?“ gefragt und von den Früchten am Baum der Erkenntnis genascht. Und mit jedem wissenschaftlichen Faktum, das ich kennenlernte, bröckelte ein weiterer Lehrinhalt weg. – Nichts von dem, was man mir im Kindes- und Jugendalter beigebracht hat, hatte Bestand im Licht der Tatsachen.

Im Licht der erwiesenen Tatsachen betrachtet, gibt es heute für Menschen mit einer durchschnittlichen Allgemeinbildung eigentlich keinen Grund mehr, den Lehren und Predigten der Religionsfunktionäre zu glauben.

Man kann wissen! Denn zu jeder Lehrbehauptung haben Wissenschaftler widerlegendes Wissen geschaffen. Und zu jedem wissenschaftlichen Faktum ist ein Buch erschienen, in dem wir das nachlesen können, was uns in Sonntagsschule und Religionsunterricht verschwiegen wurde.

Den gesamten Themenkomplex hatte ich in meinem in gleichem Verlag im Juni 2017 erschienen Buch „Was wirklich geschah“ schon einmal aufgegriffen.

Es hat sich aber gezeigt, dass dieser Doppelband der sich im ersten Teil mit der Phase von der Entstehung der Welt bis zum Werden des Homo Religioticus christlicher Prägung befasst hat und im zweiten Teil mit der Entwicklung der Neuapostolischen Kirche, zu umfangreich und zu teuer ist. – Zumal der zweite Teil ausschließlich für diejenigen interessant ist, die einen Bezug zur Neuapostolischen Kirche haben. Die haben sich aber eigenem Bekunden nach nicht wirklich für das Werden des Lebens interessiert.

Deshalb habe ich mich entschlossen, den Doppelband zu trennen und zwei Einzelbände als umfangreich erweiterte und aktualisierte Neuauflagen herauszubringen.

Der vorliegende Band befasst sich mit der Entstehung der Neuapostolischen Kirche aus einer Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts zu einer ökumenisch angepassten christlichen Sekte mit einer paar (O-Ton EZW) folkloristischen Sonderlehren.

Wie aus „Was wirklich geschah“ geläufig, werde ich auch in diesem Buch die Quellen nicht als Verweise in Form von Fuß- oder Endnoten angeben, sondern sozusagen als „Stolpersteine“ mitten im Text platzieren. Die Leser sollen nicht nur davon über-zeugt werden, dass irgendwelchen Zitaten auch echte Quellen zugrundeliegen. Vielmehr geht es mir darum, dass sie sich die genannten Quellen insgesamt und inclusive der darin enthaltenen weiteren Verweise selbst zugänglich machen. Sei es in Form einer Ausleihe aus der örtlichen Bibliothek, sei es durch den Erwerb des jeweiligen Buches.

Zugegeben: Sich die entsprechenden Quellen, soweit sie von der NAK selbst stammen, zugänglich zu machen, ist nicht ganz einfach.

Zum einen bewegen wir uns auf nur schlecht dokumentiertem Terrain. Und zum anderen ist die NAK (ich werde ab jetzt bei dieser Abkürzung bleiben, obwohl sie – wie wir später sehen werden – irreführend ist) seit einigen Jahren dabei, neu zu erfinden.

Im Zuge des Prozesses der Neuerfindung hat sie sich vieler Dokumente entledigt, die die tatsächliche Historie dieser Sekte belegen könnten. – In Berlin von Strehlow et al. durchgeführte Vergleiche von noch vorhandenen Originalexemplaren der NAK-Medien mit Archivexemplaren der gleichen Ausgaben aus den Archiven des Friedrich-Bischoff-Verlags, des NAK-eigenen Medienhauses, legen nahe, dass keine Ablichtungen von Exemplaren der NAK-eigenen Medien aus der Zeit seit der Entstehung der NAKn im Jahr 1897 bis zum Beginn des 21. Jhdts. zu bekommen sind, die – soweit sie belastendes Material, beispielsweise aus dem Dritten Reich, enthalten – nicht manipuliert wurden.

Mein Weg in die Freiheit

Der Weg zu dem Wissen, welches ich in meinen Büchern als fortlaufende Schöpfungs- und Religionsgeschichte aufgeschrieben habe, verlief bei mir im Zickzack und er war zusätzlich eine Berg- und Talfahrt:

In eine erzkonservative christliche Sekte, die sog. „Neuapostolische Kirche“ (NAK) hineingeboren, wurde ich vom frühesten Kindheitsalter an religiös indoktriniert und mit den Überlieferungen des Christentums in der exklusivistischen Lesart der Neuapostoliken vertraut gemacht. Ein prägendes Element meiner religiösen Erziehung war die sog. Bischoff-Botschaft.

Johann Gottfried Bischoff war von 1930 bis 1960 Oberhaupt der NAK. Am 1. Weihnachtstag 1951 verkündete dieser zu diesem Zeitpunkt fast 81-jährige sog. „Stammapostel“, dass er die Botschaft erhalten habe, die Wiederkunft Christi fände zu seinen Lebzeiten statt. Im Kapitel „Bischoff und die Botschaftszeit“ wird diese Bischoff-Botschaft, die zu einem Dogma erhoben wurde, ausführlich vorgestellt – und auch die tatsächlichen Gründe, die zu dieser Botschafts-Story geführt haben.

Jedenfalls waren meine frühe Kindheit und Volksschulzeit (entspricht der heutigen Grundschulzeit) von der Erwartung geprägt, dass jeden Augenblick „der Herr Jesus“ erscheinen würde und uns „Gotteskinder“ (nach neuapostolischer Lesart sind auch heute noch ausschließlich NAK-Mitglieder Gotteskinder) mit in den Himmel nehmen würde. Entsprechend war die religiöse Erziehung darauf ausgerichtet, dass ich „würdig“ sei, für den Tag des Herrn.

Als Zweijähriger soll ich bereits inbrünstig das Lied „Meine Heimat ist dort in der Höh“ gesungen haben – auf dem Töpfchen sitzend und damit durch die Küche rutschend. Da ich aus den Gottesdiensten irgendwie verstanden habe, dass der Herr „wie ein Dieb in der Nacht“ kommen würde, habe ich mich später nachts auf die Fensterbank gesetzt und geschaut, ob von irgendwoher ein Himmelszeichen käme, denn es hat ebenfalls geheissen, das Zeichen des Menschensohnes erschiene am Himmel, der Mond würde seinen Schein verlieren und die Sterne vom Himmel fallen.

Glücklicherweise war mein Vater seinerzeit „vom Glauben abgefallen“ und sorgte dafür, dass dieser Unsinn unterblieb. Übrigens hat er auch dafür gesorgt, dass zumindest zuhause nicht mehr vom Heiligen Geist die Rede sei. Den habe ich mir nämlich als Gespenst vorgestellt und ihn für ziemlich angsteinflößend gehalten.

Überhaupt war es mein Vater, der es immer wieder geschafft hat, den in mein wehrloses kindliches Hirn gestopften Unsinn ein wenig zu neutralisieren. Später hat er sich stets bemüht, NAK-Lehraussagen zu relativieren – und er war es auch, der mich gelehrt hat, meinen Kopf zu gebrauchen und mit logischem Denken auch an religiöse Themen heranzugehen. – So habe ich als 12-jähriger die ersten Logibrüche in den Überlieferungen entdeckt, als 16-jähriger war mir bereits klar, dass insbesondere die exklusivistische NAK-Lehre falsch sein müsse.

Unabhängig von dem Wissen, mich auf einem Irrweg zu befinden, habe ich mich aber immer wieder in die Sekte hineinziehen lassen, mich auf deren Lehren eingelassen – bis zur nächsten Enttäuschung… im Sinne von „entdecken, dass ich einer Täuschung aufgesessen bin“. – Die im frühesten Kindesalter bei mir begonnene Indoktrination hat lange, seehr lange nachgewirkt.

Mitschuld daran tragen auch sog. Schlüsselreize, auf die jedes wirklich in der NAK sozialisierte Kind konditioniert ist. Hält man Abstand zur Gemeinschaft, ist alles okay. Lässt man sich auf Gottesdienstbesuche – auch nur gastweise ein – geschieht es leicht, dass man wieder eingesaugt wird. Es ist für Außenstehende vielleicht auch gar nicht wirklich nachvollziehbar, aber noch heute kann es geschehen, dass ich (hauptsächlich durch NAK-Chor-musik) getriggert werde.

Warum ich mich immer wieder einmal auf nähere Kontakte eingelassen habe, ist mir heute unerklärlich. Doch mein Weg aus der Sekte war eben nicht von Anfang an konsequent.

Konnte er auch nicht sein, da bereits meine Ururgroßeltern mütterlicherseits Mitglieder des niederländischen Ablegers der apostolischen Gemeinden, der Zendingskerk in den Niederlanden (vgl. dazu die Kapitel „AcaM und Apostolisch Zending“ sowie „Apostolisch Zending und NAK“) waren; mein Urgroßonkel Luitsen B. Hoekstra war ein sogenannter „Apostel“.

Aber auch meine Familienangehörigen väterlicherseits gehörten zu den ersten von Friedrich Schwartz missionierten apostolischen Christen am Niederrhein.

In meiner Kindheit und Jugendzeit waren so gut wie alle erwachsenen männlichen Familienmitglieder NAK-Funktionäre, sog. „Amtsträger“. – Ich galt als so eine Art Kronprinz, und mein Werdegang innerhalb der Sekte war bereits beschlossene Sache, als mein Vater mich über ein von ihm aufgeschnapptes Gespräche zwischen meinen Onkels und dem Leiter des NAK-Bezirks Köln, Hans Zier, einem langjährigen engen Freund der Familie informierte. Es ging darin um meine Ordination in ein erstes NAK-Amt. Ich sollte bald Unterdiakon werden. Meine Reaktion war Flucht!

Ich entschied mich, den Soldatenberuf zu ergreifen. Der führte mich von zuhause weg, und es war für jeden nachvollziehbar, dass ich nicht regelmäßig in die Kirche gehen konnte. Die Distanz zur Familie wirkte nicht gewollt, sondern hat sich sozusagen automatisch ergeben…

Dennoch sollte es noch Jahrzehnte dauern, bis ich der NAK endgültig den Stuhl vor die Tür stellte.

Und über diese ganze Zeit versorgte mich meine Familie mit Berichten und Literatur von und über die NAK, mit Jubiläumsbänden aus den div. Bezirken und natürlich mit Biographien zu den NAK-Ordensoberen. Wer hätte auch ahnen können, dass sie mir damit die Grundlagen zu diesem kleinen Büchlein hier geliefert haben?

„Das Finale“ begann im Jahr 2009:

Ich war – wieder einmal – mit einem Fuß drin in der NAK. Nach den „Fehrschen Reformen“ (vgl. dazu das Kapitel „die Schweizer Ära“) sei die NAK so, wie ich bereits als 16-jähriger gefordert hätte, dass sie sein solle. Wurde mir gesagt, und ich möge mir das doch einfach einmal anschauen... – Da ich ein neugieriger -Mensch bin, habe ich mich wieder einmal darauf eingelassen.

Zur gleichen Zeit hatte die NAK im Nachgang zu ihrem ersten Groß-Event, dem Europäischen Jugendtag (EJT) eine Social-Media-Plattform, die NAC World, in Betrieb genommen. Hintergrund der Aktion war die Hoffnung, die NAK-Jugend würde dort die auf dem EJT angebahnten Kontakte weiterpflegen.

Die Hoffnung hat sehr getäuscht. Abgesehen von der deutschen Social-Media-Plattform „Wer kennt Wen (wkw)“ war bereits da-mals facebook das auch für die NAK-Jugend interessantere Medium.

Lustigerweise hat sich nacworld stattdessen als Treffpunkt für ältere, betagte und teilweise auch hochbetagte „Glaubensgeschwister“ entwickelt, für die sich zum ersten Mal die Chance auf nicht nur bezirkssondern auch auf gebietskirchenübergreifenden Austausch bot.

Das war und ist der NAK auch Recht. Zumindest solange, wie bei dem Austausch nicht auch kritische Inhalte zur Sprache kommen.

Aber die kamen natürlich doch. Insbesondere war die im Zuge der „Fehrschen Freigrasung“ heimlich durchgeführte scheinbare Änderung der NAK-Lehren Thema.

Dann kamen tatsächlich durchgeführte scheinbare Änderungen der Lehre und der Gottesdienstpraxis hinzu (ich gehe in einem späteren Kapitel detailliert auf diese angeblichen Änderungen ein). Und alles wurde zum Leidwesen der NAK-Granden auch kontrovers diskutiert.

Und in der Folge lernte ich dann, was NAK ist:

Von Anfang an wurden Stimmen, die nicht 100%ig auf Linie waren, durch Druck auf die gesamte Gruppe leiser gehalten, missliebige Beiträge wurden gelöscht, und wegen ihrer geäußerten Kritik missliebige User wurden mehr oder weniger offen gewarnt. Und bald wurden dann auch Sanktionen in Form von temporären Sperren eingeführt.

Je mehr Druck von außen kam, umso mehr forschte ich nach Informationen. Und der NAK-Lehre widersprechende theologische Erkenntnisse habe ich dann auch regelmäßig veröffentlicht, sehr zum Missfallen der jungen Emporkömmlinge, die von der NAK mit der Administration der Plattform betraut wurden.

Bald sollte mich dann der strafende Hammer mit aller Macht treffen:

Der damalige Fürst über die NAK-Provinz Niederlande, der sog. Bezirksapostel Theodoor J. de Bruijn (heute als meineidiger Straftäter entlarvt) sagte einen meiner Meinung nach ziemlich blöden – auf jeden Fall aber platten – Satz:

„Das Wichtigste ist, dass das Wichtigste das Wichtigste bleibt!“

Und mein Kommentar dazu lautete: „Ein klassisches Paradoxon!“

Die Folge: Ich wurde wegen „Lästerung“ verwarnt – nachdem sich einige treugläubige User über diesen angeblich blasphemischen Kommentar aufgeregt und mich gemeldet hatten.

Einer – Rolf B’z., ich erinnere mich noch sehr gut an den Namen – salbaderte gar:

„Beuge Dich unter die mächtige Hand Gottes und er wird Dir deine Sünde verzeihen!“

Meine Antwort darauf lautete: „Quatsch! Gott will mündige Kinder und keine Speichellecker.“

Das war’s dann zunächst: Ich bekam eine 21 Tage dauernde Sperre aufgebrummt. Als erster nacworldianer. Die Folge war eine erhebliche Unruhe unter den Usern. Auch viele eigentlich linientreue Mitglieder waren mit dieser willkürlichen Maßnahme nicht einverstanden. Sie liefen aber mit ihren kritischen Kommentaren durchaus Gefahr, ihrerseits gesperrt zu werden.

Mein jüngerer Bruder war ebenfalls nacworld-User. Ich bat ihn dann wegen des Rumors auf der Plattform, den anderen Usern liebe Grüße auszurichten, und sie möchten doch bitte Ruhe bewahren, der Vorfall sei es nicht wert, sich deswegen ebenfalls eine Sperre einzuhandeln…

Und das war dann das endgültige AUS! Die Admin schickte mir eine E-Mail des Inhalts, da ich mich während meiner Sperre zu Wort gemeldet hätte, hätte ich gegen die Sanktionsauflagen verstoßen und würde mit sofortiger Wirkung auf Dauer der Plattform verwiesen!

Es nützte auch keine Intervention beim „Sprecher“ des Arbeitgebers der nacworld-Admin, dem damaligen NAK-Bezirksältestesten Peter Johanning. – Seine Frage war, ob ich denn meine Meinung geändert hätte und meine Worte bereue, was ich natürlich verneinte. Seine Antwort:

„Tja – dann kann ich nichts für Sie tun!“

Langer Rede kurzer Sinn: Ich war draußen, und in kurzer Folge wurde eine ganze Reihe von Usern, die meiner Unterstützung verdächtigt wurden, ebenfalls der Plattform verwiesen.

Darunter auch Tanja K., eine liebe, leider bereits in viel zu jungen Jahren an einem Krebsleiden verstorbene Freundin. Und der geschah etwas Merkwürdiges:

Pünktlich zu ihrem Geburtstag erhielt sie eine Gratulations-E-Mail von nacworld.net… - Wie konnte das sein? Es hieß doch, die Konten der Verbannten seien gelöscht worden. Und in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Plattform hieß es doch zum Thema Datenschutz, es gelte deutsches Recht?

Der Rechtsberater der Plattformbetreiber, Andreas H. – genannt Hebelchen (von ihm wird später noch einmal die Rede sein), sorgte dann für Klarheit:

Der Verweis auf deutsches Recht bedeute nicht, dass das deutsche Datenschutzrecht gelte, sondern dass die NAK als Körperschaft öffentlichen Rechts deutschem Recht entsprechend eigene Regelungen für den Datenschutz treffen dürfe…

Bumms! – So viel also zum Thema Anstand und Ehrlichkeit einer Religionsgemeinschaft. Und nach und nach wurden ständig weitere Lügen der NAK-Führung offen sichtbar…

Damit war auch mein Restvertrauen dahin. Und je mehr ich dann forschte, umso mehr wurde deutlich, dass die komplette Lehre auf Sand gebaut war. – Die gesamte christliche Lehre war auf Sand gebaut!

Als Konsequenz folgte dann im Juli 2012 mein formaler Austritt aus der Sekte!

Zurzeit betreibe ich noch eine Klage gegen die NAK. Sie sollen die an mir vollzogenen sakramentalen Initiationsrituale für ungültig erklären – mich also aus dem Christentum ausschließen, damit eindeutig geklärt ist, dass ich kein Glaubensbruder eines gläubigen Christen mehr bin und mich auch nicht so bezeichnen lassen muss. – Vielleicht kann ich bis zur Drucklegung des Buches auch noch das Ergebnis der Klage – sozusagen als Schlusskapitel – einfügen.

So weit, so gut… Heute erachte ich die Sekte, in der ich sozialisiert wurde, für mich persönlich ansonsten als bedeutungslos. Sie hat sich als eine gewaltige Gelddruckmaschine zugunsten einiger sich Apostel nennen lassender Männer entpuppt... Und das von diesen Männern errichtete Lehrgebäude kracht ohnehin zusammen, wenn klar ist, dass sein Fundament, die allgemeine christliche Lehre, absolut nicht tragfähig ist.

Dennoch habe ich mich bemüht, die Geschichte, also die Entstehung und Entwicklung der NAK in diesem Buch darzustellen. - Als sachlich nüchterne Darstellung der Ereignisse.

Nicht nur, um endgültig mit meiner Sektenvergangenheit abzurechnen, sondern auch, um den in der NAK Verbliebenen zu zeigen, dass diese sogenannte Kirche von Menschen erdacht ist. – Und selbst dann, wenn Gott existierte, und die Lehre des Christentums Wahrheit wäre, hätte die NAK nichts damit zu tun.

Natürlich ist jede Religion letztendlich menschlichem Erfindergeist zuzuschreiben. Das trifft auch auf die abrahamitischen Religionen zu. - Bis ich das verstanden habe, musste ich aber viel lesen und lernen! Sehr viel…

Das ist jedoch der Inhalt meines Buches „Ist Glaube unvernünftig?“ das in Kürze im gleichen Verlag erscheinen wird.

Ein paar allgemeine Vorbemerkungen

Ich schreib ja bereits im einführenden Text, dass der Name „Neuapostolische Kirche (NAK)“ eigentlich irreführend ist, denn er impliziert, dass es eine Neuapostolische Gesamtkirche gibt.

Allerdings existiert die nicht. - Es gibt nicht DIE eine Neuapostolische Kirche im Sinne einer einzigen juristischen Person. Was es gibt, ist eine Reihe von Neuapostolischen Gebietskirchen, die jeweils rechtlich völlig eigenständige Körperschaften öffentlichen Rechts sind, aber nicht miteinander verbunden!

Um das zu verdeutlichen, hier einmal ein Blick auf die NAK-Strukturen:

Jede Gebietskirche wird von einem Laienprediger im NAK-Rang eines „Bezirksapostels“ geleitet, wobei ein Bezirksapostel durchaus mehrere Gebietskirchen gleichzeitig regieren kann.

Eine Gebietskirche wird in mehrere sogenannte Apostelbereiche unterteilt, die jeweils von einem Laienprediger im NAK-Rang eines „Apostels“ geleitet werden. Jedem Apostel ist mindestens ein Laienprediger im NAK-Rang eines „Bischofs“ als Hilfskraft zur Seite gestellt.

Der Bezirksapostel, die Apostel und viele der Bischöfe üben ihre Tätigkeit hauptamtlich aus, beziehen also ein Gehalt und im Ruhestand eine Pension von der Gebietskirche. Sie bilden gemäß Artikel 6 der für alle Gebietskirchen gleichlautenden Verfassungen den Landesvorstand der Gebietskirche.

Jeder Apostelbereich gliedert sich in mehrere sogenannte Ältestenbezirke, die jeweils von einem Laienprediger im NAK-Range eines „Bezirksältesten“ geleitet werden. Jedem Bezirksältesten ist mindestens ein Laienprediger im NAK-Rang eines „Bezirksevangelisten“ als Hilfskraft zur Seite gestellt.

Die Bezirksältesten und alle ihnen nachgeordneten Amtsstufen üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus, das heißt, sie sie sichern ihren Lebensunterhalt und ihren Ruhestand durch einen Hauptberuf. Die Bezirksältesten bilden gemäß Artikel 7 der für alle Gebietskirchen gleichlautenden Verfassungen zusammen mit dem Landesvorstand die Landesversammlung.

Zu jedem Ältestenbezirk gehören mehrere Gemeinden, die von einem ehrenamtlich tätigen Laienprediger, dem Gemeindevorsteher, geführt werden. Dem Vorsteher stehen weitere Laienprediger als priesterliche Ämter als Hilfskräfte zur Seite, zusätzlich sind in jeder Gemeinde (meist mehrere) sogenannte Diakone im Tür- und Ordnungsdienst eingesetzt.

Die NAK-Kirchengemeinden orientieren sich meist an den politischen Gemeinden bzw. Stadtbezirken. Sie werden gemeindeintern in mehrere Wohnbezirke eingeteilt, für die jeweils einer der dem Vorsteher zur Seite gestellten priesterlichen Hilfsämter als Bezirkspriester zur seelsorgerischen Betreuung der dort ansässigen Gemeindemitglieder verantwortlich ist.

Mitglied der jeweiligen Gebietskirche sind ausschließlich die im jeweiligen Bundesland polizeilich gemeldeten Neuapostoliken. Eine Ausnahme bildet der Vorsitzende des NAKI e.V., Zürich, der als sogenannter Stammapostel oberste geistliche Autorität und als solche Organ einer jeder bestehenden NAK-Gebietskirche weltweit ist und diese in allen religiösen Angelegenheiten leitet.

Die Funktion dieses NAKI e.V., des Apostelvereins Neuapostolische Kirche International e.V. mit Sitz in Zürich ist nun ziemlich interessant:

Denn wenn von der internationalen Neuapostolischen Kirche gesprochen wird, so ist die Rede von einer Schimäre! Damit diese Gesamtkirche existierte, müssten die jeweiligen Gebietskirchen, vertreten jeweils durch ihren Gebietskirchenpräsidenten, Mitglied bei NAKI sein. Und das ist nicht der Fall!

Es ist vielmehr so, dass lediglich der Bezirksapostel und die jeweiligen Apostel einer Gebietskirche Mitglied im NAKI e.V. sind. Und die Mitgliedschaft dieser Männer entsteht nicht etwa dadurch, dass sie von ihrer Gebietskirche zum NAKI e.V. deputiert worden wären. Es ist im Gegenteil so, dass der sogenannte Stammapostel bestimmt, wer in der jeweiligen Gebietskirche zum Apostel ernannt und somit Mitglied des Vereins NAKI e.V. wird.

Der Stammapostel ist der Präsident des Vereins NAKI und damit der höchstrangige NAK-Laienprediger, der als solcher Organ in jeder Neuapostolischen Gebietskirche ist. Und damit ist er mehr als nur deren höchste geistliche Autorität, er ist (und das ist in den Verfassungen der Gebietskirchen zementiert) höchster Disziplinarvorgesetzter für alle in der NAK tätigen Funktionäre. Denn der Artikel 5 der für alle Gebietskirchen gleichlautenden Verfassungen sagt ganz eindeutig, dass der Stammapostel den Bezirksapostel (Kirchenpräsidenten) sowie die Apostel und Bischöfe beruft, und dass er sie in den Ruhestand versetzen, einst-weilen beurlauben oder bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abberufen kann.

Außerdem geht aus den Statuten hervor, dass die Apostel gegenüber dem Stammapostel durch ein Treuegelübde zum Gehorsam verpflichtet sind!

Es ist also ganz eindeutig so, dass der Vorstand der einzelnen Gebietskirchen ausschließlich dem Apostelverein NAKI und dessen Präsidenten Loyalität schuldet, nicht aber der Gebietskirche, der er vorsteht! Ein ganz wesentlicher Punkt!

Damit ist nämlich gewährleistet, dass alle Entscheidungen zentral vom Vorsitzenden des Apostelvereins NAKI e.V. ausgehen. Die Durchgängigkeit aller Entscheidungen bis in die untersten Funktionärsebenen ist dadurch gewährleistet, dass gemäß Artikel 8 der für alle Gebietskirchen gleichlautenden Verfassungen sämtliche Amtsträger durch den Stammapostel, den Bezirksapostel oder einen von diesem beauftragten Apostel in ihr Amt berufen, in den Ruhestand versetzt, einstweilen beurlaubt oder bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abberufen werden. Wo-bei der Inhalt des Amtsauftrages sich aus den Vorgaben des Stammapostels ergibt.

Insgesamt ergibt sich so eine patriarchal-hierarchische Struktur, deren Spitze der Präsident des Apostelvereins NAKI e.V. ist. Innerhalb dieser Struktur haben die sogenannten Bezirksältesten der jeweiligen Gebietskirche in der Landesversammlung noch ein nominelles Mitspracherecht. Es ergibt sich aus dem Artikel 7 der für alle Gebietskirchen gleichlautenden Verfassungen, die der Landesversammlung folgende Rechte einräumt:

Die Landesversammlung hat das Recht und die Aufgabe, Vorschläge und Anträge hinsichtlich der kirchlichen Arbeit zu beraten und zur weiteren Bearbeitung an den Landesvorstand weiterzugeben. Ihr obliegen ferner folgende Aufgaben:

Beschlussfassung über den Jahresabschluss sowie Entlastung des Landesvorstandes

Wahl des Wirtschaftsprüfers zur Prüfung des Jahresabschlusses

Änderung der Verfassung und Beschlussfassung über eine Änderung der Rechtsform

Beschlussfassung über die Auflösung der Neuapostolischen Kirche (z.B. Westdeutschland).

Allerdings besteht dieses Mitspracherecht nur theoretisch, da der jeweilige Landesvorstand ebenfalls Mitglied der Landesversammlung ist, und der jeweilige Gebietskirchenpräsident und Vorsitzender des Landesvorstands ebenfalls Vorsitzender der Landesversammlung …

Unterhalb der mittleren Funktionärsebene gibt es keinerlei Mitspracherecht eines NAK-Mitglieds. Überhaupt haben NAK-Mitglieder, einschließlich der subalternen Funktionäre (Gemeindevorsteher und Hilfsdienste), keinerlei Rechte innerhalb der NAK außer dem grundsätzlichen Anspruch auf Teilnahme an allen für sie bestimmten kirchlichen Handlungen sowie auf seelsorgerische Betreuung. Dafür wird laut Verfassung aber auch von ihnen erwartet, dass sie ihr Leben nach der Lehre Christi einrichten.

Der letzte Satz ist eine böse Falle, die letztlich zu der erwiesenermaßen nicht nur patriarchal-hierarchischen, sondern sogar faschistoiden Organisationsstruktur führt.

Also noch einmal zu den Rechten der Mitglieder: Es gibt keine!

Und ganz ausdrücklich gibt es insbesondere keine Rechte am Vermögen der Gebietskirche. Wir werden in einem späteren Kapitel darauf zurückkommen!

Die NAK-Methode der Geschichtsaufarbeitung

Die NAKn betreiben ganz offensichtlich systematische Geschichtsklitterung, um ihre stark belastete Vergangenheit hinter sich lassen zu können. Die Geschichte der NAKn wird nahezu ausschließlich von (Pseudo-) Wissenschaftlern erzählt, die in irgendeiner Weise mit einer der NAKn verbunden oder von ihr abhängig sind. Dadurch ist auch die online-Enzyklopädie „wikipedia“ als Informationsmedium zum Thema „Neuapostolische Kirche“ gänzlich ungeeignet. Die entsprechenden Einträge stammen fast ausschließlich von NAK-Mitgliedern und Mitgliedern der neuerdings wieder mit den NAKn befreundeten Vereinigung apostolischer Gemeinden (VAG).

Von mir selbst gemachte Erfahrungen zeigen, dass Einträge Dritter von Sichtern der gleichen Gruppe, die gleichzeitig Mitglieder im von der NAK mitfinanzierten „Netzwerk Apostolische Geschichte“ sind, gestrichen werden. Die geklitterten Lesarten in wikipedia sind durch keine unabhängigen Quellen belegt, der Leser kann praktisch nur das erfahren, was die NAK selbst über sich verbreitet.

Wissenschaftliche Arbeiten, die nicht im Sinne der NAK ausfallen, werden systematisch unterdrückt! Auch dafür gibt es einen schlagenden Beweis:

Dr. phil. Almut Leh, seinerzeit Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Leiterin des Archivs des Instituts für Geschichte und Biographie „Deutsches Gedächtnis“ in Hagen und aktuell Redakteurin und Herausgeberin von „BIOS - Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufs-Analysen“, Mitglied des Council der International Oral History Association sowie wissenschaftliche Mitarbeiterin der Friedrich-Schiller-Universität Jena wurde vom Neuapostolische Kirche International e.V. mit Sitz in Zürich, vertreten durch dessen Verwaltungsleiter Erich Senn, beauftragt, eine Zeitzeugen-Befragung zu dem Zeitgeschichtsabschnitt von 1938 bis 1955 durch-zuführen. Hintergrund war die Sorge, dass, wenn die

Almut Leh – die deutsche Historiker wurde Opfer neuapostolischer Vertuschungspolitik. Bildquelle:https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Almut Leh.jpg

letzten Zeitzeuen verstorben seien, keine Dokumentation über diese sehr spannende Phase der Sekten-geschichte (ich werde sie so ausführlich wie möglich behandeln) mehr erstellt werden könnte.

Ende 2014 wurde der umfangreiche Forschungsbericht an die NAK übergeben. Ganz offensichtlich ist er nicht so ausgefallen, wie die NAK es sich erhofft hat, denn er wurde sofort auf Anweisung des internationalen Leiters der Neuapostolikensekte unter Verschluss genommen. Der Sprecher des internationalen Leiters der NAK, der bereits erwähnte Peter Johanning, begründete das mit den Worten:

(Zitat) „Die Neuapostolische Kirche hat innerkirchliche Abspaltungen in der Zeit von 1938-1955 umfangreich untersucht und den Abschlussbericht im Rahmen eines Gemeindeabends am 4. Dezember 2007 vorgestellt. Der Bericht wurde, wie zu erwarten war, kritisch betrachtet und differenziert diskutiert. Die Neuapostolische Kirche hat sich dazu entschlossen, eine Zeitzeugenbefragung der damaligen Geschehnisse in Auftrag zu geben.

Die Studie über die Zeitzeugenbefragung ist in dieser Hinsicht wenig hilfreich. […], weil sie durchaus dazu geeignet ist, die Geschehnisse aus der Zeit von 1938-1955 erneut differenziert zu betrachten. Daher hat sich die Neuapostolische Kirche dazu entschieden, sie nicht zu veröffentlichen. […]“ (Zitatende)

Gleichzeitig wurde Almut Leh untersagt, die Arbeit ganz oder in Teilen zu veröffentlichen oder öffentlich zu diskutieren.

So weit, so schlecht! Die Worte Johannings drücken ja nichts anderes aus, als dass man sich ein Ergebnis erhofft hatte, das zu weniger kritischer Betrachtung und Diskussion führen würde. Man wollte das Image aufpolieren. Nachdem das Ergebnis nicht wunschgemäß ausgefallen ist, hat man der verantwortlichen Wissenschaftlerin einen Maulkorb verpasst und ihre Arbeit unter Verschluss genommen.

Als milliardenschwere Organisation nützt die NAK ihre Macht aber auch, um unabhängige Berichterstattung zu unterdrücken! So geschehen mit einem Abendschau-Beitrag des HR-Fernsehens am Pfingstsonntag, 15. Mai 2016. - Der für den Beitrag verantwortliche Redakteur T. Harms hatte einen kritischen aber nach Meinung mehrerer Internet-Magazine sachlich völlig richtigen Beitrag abgeliefert. Der bereits erwähnte Pressesprecher des NAK-Oberhaupts hatte dem zunächst auch gar nicht widersprochen sondern sich noch im Beitrag zustimmend geäußert: „Das gehört eben mit zu unserer Biografie, zu unserer Geschichte der Neuapostolischen Kirche, dass aus der Vergangenheit heraus manche überkommende Vorstellungen da sind, die wir aber zur Seite legen möchten.“

Dass der Beitrag jedoch nach der Ausstrahlung in der HR-Mediathek noch zur Verfügung stand, schmeckte der NAK nicht! – Sie setzte alles daran, dass der Beitrag gelöscht wurde, und hatte Er-folg damit. Daraufhin veröffentlichte ich selbst den fraglichen Ausschnitt auf YouTube, woraufhin der HR auf Veranlassung der NAK das Video widerrechtlich und unter Berufung auf das Urheberrecht löschen lies. - Dies, obwohl der Chefredakteur des HR-Fernsehens, Alois Theisen, mir schriftlich mitgeteilt, dass es „unbestritten zulässig“ sei, Beiträge von der Internetplattform des HR herunterzuladen und auf eigenen Webseiten einzubinden…

Theisen begründete die Löschung mit „schwerwiegender Unzulänglichkeit“, die darin besteht, dass der in diesem HR-Beitrag zu Wort gekommene „Sachverständige“ Kurt-Helmuth Eimuth von der Sektenberatungsstelle „Sinus“ behauptete, falsch zitiert worden zu sein und abweichend von seiner Aussage im Beitrag der NAK ein positives Zeugnis ausstellte. Dieses Zeugnis sei von zwei weiteren „Sachverständigen“ bestätigt worden.

Dadurch war Theisen wohl tatsächlich gezwungen, den Beitrag vom Netz zu nehmen. Unabhängig davon haben jedoch mehrere Insider festgestellt und anhand aktueller Befunde belegt, dass Eimuths im Beitrag zu hörende Meinungsäußerung völlig korrekt sei. Und damit steht der Vorwurf neuapostolischer Meinungsunterdrückung und Medienmanipulation im Raum.

Am treffendsten lassen sich die Geschichtsschreiber der NAKn mit der Bezeichnung „Deuteronomisten der Gegenwart“ beschreiben. Nur eben, dass sie die Geschichte ihrer Sekte nachträglich nicht schlimmer sondern besser machen, als sie tatsächlich war!

Es lässt sich denken, dass eine Recherche über die NAKn unter diesen Voraussetzungen sehr schwierig ist, öffentlich verfügbare Titel von unabhängigen Autoren liegen so gut wie keine vor! Aus diesem Grund kann ich im folgenden Kapitel auch nicht auf neutrale Drittautoren zur sogenannten „Neuapostolischen Kirche“ verweisen.

Dennoch sind die in diesem Buch gemachten Angaben zuverlässig und durch Tagebücher, Briefe, Chroniken und Zeitzeugenberichte sowie vergleichbare Dokumente, die mir freundlicherweise von Dritten überlassen wurden, hinreichend belegt.

Das Jahrhundert der Erweckungsbewegungen

Und hier kommen wir endlich direkt zur tatsächlichen Geschichte der NAK! Wir springen zurück ins beginnende 19. Jahrhundert:

Es war die Zeit, in der mit der Industrialisierung auch der Kapitalismus entstand und in der die alten Herrschaftssysteme untergingen. Es war die Zeit der sich durch die Urbanisierung drastisch ändernden Lebensweisen; eine spezifisch neuzeitliche städtische Lebensweise zerstörte hergebrachte Verhaltens- und Denkweisen.

Durch Eisenbahn und Dampfschifffahrt entwickelte sich ein völlig neues Verkehrswesen, das zur flächendeckenden Erschließung von Wirtschaftsräumen führte. Der Eisenbahn-Güterverkehr bildete Netze zwischen Rohstoffgewinnung, Produktionszentren und Handelsmetropolen. Die wirtschaftlich nutzbaren Flächen wurden größer und es begann ein enormes Bevölkerungswachstum. – Parallel dazu begann der Aufbau einer modernen Telekommunikation. Mit dem ersten Transatlantikkabel wurde die Basis für lichtschnelle weltweite Kommunikation gelegt und da-mit die entscheidende Voraussetzung für den in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beginnenden Wettbewerb zwischen den USA und Europa geschaffen.

In Verbindung mit der fortentwickelten Drucktechnik entstand so etwas wie eine Medienlandschaft mit Zeitungen und Journalen, in denen weltweit am selben Tag dieselben Nachrichten verfügbar wurden. Informationen konnten nun unverzüglich über-prüft werden. – Gleichzeitig nahmen durch die neuen Medien die staatlichen Strukturen neue Formen an. Es war weder eine persönliche Präsenz des Regenten notwendig, wie es im Mittelalter der Fall war, noch eine landesweite militärische Präsenz zur Sicherung der absolutistischen Herrschaft. Vielmehr wuchs die Bedeutung der Kommunikation zwischen den Regierungen und deren lokalen Behörden.

Bei den Bürgern wuchs dadurch das Gefühl, den Finger am Puls des Geschehens zu haben und von den Entscheidungen der Regierung stets auch unmittelbar betroffen zu sein. Und das schaffte bei den Bürgern ein Bewusstsein für die unmittelbare Zugehörigkeit zu einer übergeordneten staatlichen Einheit.

Überhaupt war das 19. Jhdt. ein Jahrhundert des Bürgertums und der bürgerlichen Gesellschaft. Wie früher durch den Adel wurden Kunst, Kultur und Geistesgeschichte wesentlich vom Besitz- und Bildungsbürgertum geprägt. Und es begann die Entwicklung der Arbeiterschaft zu einer gesellschaftlich prägenden Schicht. Während Adel und Landbevölkerung an Bedeutung verloren, wurden Arbeiterbewegung und Sozialismus zu zentralen Begriffen.

Auch die Position der Religion wandelte sich zunehmend. Begonnen hatte das während der französischen Revolution, als der Nationalkonvent am 18. September 1794 im Rahmen der Entchristianisierung die Trennung von Kirche und Staat beschloss. Da dieser radikale Schritt aber von den meisten Franzosen abgelehnt wurde, machte Napoleon ihn bald rückgängig und ersetzte ihn, indem er am 15. Juli 1801 ein Konkordat mit dem Kirchenstaat schloss.

Seit diesem Konkordat galt die katholische Religion im Herrschaftsgebiet Napoleons nicht mehr als Staatsreligion, sondern lediglich als die Religion „der großen Mehrheit der französischen Bürger“. Seit dem Konkordat von 1801 werden die Pluralität der religiösen Bekenntnisse und die Freiheit der Kultusausübung anerkannt. Damit sind die Religionen im Prinzip gleichberechtigt, was insbesondere für Europas Juden von entscheidender Bedeutung war. Waren sie bislang in allen Territorien eine diskriminierte Minderheit, konnten sie nun zunehmend frei in Wirtschaft und Bildung investieren und damit eine eigene Bedeutung in der Gesellschaft entwickeln. Allerdings blieb ihr Zugang zu Positionen in Militär und Politik eingeschränkt.

Auf dem europäischen Festland begann Anfang des 19. Jahrhunderts eine regelrechte Säkularisations-Welle, in der die Kirchen dem Staat untergeordnet wurden. Da kirchlicher Grundbesitz viele Territorien (z.B. Bayern und Württemberg) in kleine isolierte regionale Gebiete zersplitterte, kam es zu radikalen Enteignungen der Kirchen, Klöster und Ordensgemeinschaften, um die territoriale Einheit herzustellen. Gleichzeitig kamen wegen der Säkularisation, bzw. zu deren Absicherung neue Debatten- und Bildungsgegenstände auf:

Hatte das Volk bislang im Kulturbereich ausschließlich die Möglichkeit zum Besuch von kirchlichen Veranstaltungen, dem Hören von geistlicher Musik und dem Lesen theologischer Literatur, kamen nun neue Debatten- und Bildungsgegenstände auf:

In den Städten wurden Nationaltheater aufgebaut, um der Nationalliteratur einen Raum zu geben. Das machte sich auch auf dem Buchmarkt bemerkbar, der statt Theologica, Gebetbüchern und großen Lehrwerken „praktischer“ Theologie bis zum religiösen Verhaltensratgeber nun auch Belletristik, und innerhalb dieses Genres die Nationalliteratur anbot. Da der Zugang zu den Künsten breiten Schichten möglich war, entstand eine Kunstdebatte über die bildenden Künste. Kirchenmusik wurde durch die „ernste Musik“ ersetzt, die einen eigenen Konzertbetrieb aufbaute.

Lesetipps:

Robert Schnerb: „Das Bürgerliche Zeitalter. Europa als Weltmacht 1815–1914“, ersch. 1971 bei Kindler, Zürich, ISBN 978-3463136820

Jürgen Osterhammel: „Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts“, 2. Aufl. ersch. 2016 bei C. H. Beck, München, ISBN 978-340661481